Bodo Ramelow erklärt seine Position zur GDL: „Nicht mehr akzeptabel!“
Neben Frau Zerhau hat ein weiterer hoher Funktionär der LINKEN, Bodo Ramelow, MdB, Wahlkampfleiter und Mitglied im Parteivorstand, sein Nein zur GDL vorgetragen. Die LINKEZEITUNG hat seine ausführliche Erklärung und Erläuterung hierzu gepostet. Einige zentrale Stellen daraus:
Das Ziel, die Entlohnung, die Arbeitszeit, die Schichtzeiten sowie die Arbeitsbedingungen der Lokführer generell deutlich zu verbessern, teile ich ohne jeden Abstrich. Den Weg, so etwas auch über Streiks zu erzwingen, halte ich für zulässig, korrekt und für in der Wirkung sehr qualifiziert. Dass die Gewerkschaft Transnet, vormals GdED, und die mit der GDL im Beamtenbund vereinte GdBA die nachhaltigen Interessen der Lokführer nicht so vertreten haben, dass die betroffenen Lokführer selber diese Interessenwahrnehmung noch spüren würden, kann ich auch bestätigen. Die Konsequenz, die allerdings die Organisation GDL daraus zieht, einen eigenständigen Tarifvertrag auch und gerade als Selbstzweck zu erzwingen und dafür die Interessen der Lokführer einzusetzen, um als Hauptstreikziel die Eigenständigkeit zu erzwingen, halte ich für nicht mehr akzeptabel. …
Ziel meiner damaligen Tätigkeit [als Tarifkoordinator bis 1999 für den Angleichungsprozess aller ostdeutschen Tarife Einzelhandel] war es, nicht nur einen Angleichungsprozess zu erzwingen, sondern immer wieder im Rahmen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung diese Tarifverträge faktisch zu einem gesetzlichen Mindestlohn für diese Branchen durchzusetzen. …
… war es wichtig, aus Gründen einer Gesamtabwägung beide Tarifverträge jeweils mit unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden und zwei zuständigen Gewerkschaften – DAG und HBV – textidentisch zu verhandeln und abzuschließen. Dies war die Garantie, um auch die notwendige Halbdeckung für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung überhaupt erreichen zu können. …
nsoweit ist es nicht einfach leicht dahergesagt, dass alles, was kämpft, und alles, was streikt, schon deswegen mit unseren politischen Zielen kompatibel ist. …
Bei der GDL habe ich deshalb meine Zweifel, denn sie kämpft für zwei Streikziele gleichzeitig und gleichrangig. Erstens, eigenständiger Tarifvertrag, unabhängig von den anderen Tarifverträgen, zweitens, deutliche Verbesserung der Entlohnungsstrukturen und Arbeitsbedingungen der Lokführer. …
… habe ich aber das schale und dumpfe Gefühl, dass die Lokführer missbraucht werden für eine Strategie, die letztendlich zu einem Standestarifvertrag kommt. Wenn wir also in der Fraktion darüber debattieren, ob wir bei den Neuordnungen der deutschen Gewerkschaften auch Kritik an Fehlentwicklungen üben können und dürfen, ja sogar müssen, kann ich dies begrüßen und als Gewerkschafter auch aktiv unterstützen. Was ich nicht akzeptieren kann, ist, mich innerlich von einer Einheitsgewerkschaft zu verabschieden, für die ich mein Leben lang gekämpft habe. …
Dass nun aber die täglichen Auseinandersetzungen rund um die Schlechtbezahlung der Lokführer dazu dienen sollen, endgültig in Deutschland den Abschied von Branchengewerkschaften, Branchentarifverträgen und damit auch den nachhaltigen Abschied von der Einheitsgewerkschaft einzuleiten, ist weit mehr als das, was Marburger Bund und Cockpit bisher vermocht haben. …
Ein recht ehrliches Plädoyer dafür, daß um des einheitlichen Tarifvertrages, wohlmöglich noch mit branchenweiter Gültigkeit die „oberen“ Löhne im Zaum gehalten werden müssen. Wenn es nur noch um Einheitlichkeit als Selbstzweck geht, kann die eben nur auf dem niedrigsten von den Arbeitgebern jeweils gerade noch akzeptieren Niveau liegen.
Bodo ist soweit ich ihn kenne nie ein Lügner gewesen. Ein Moralist, der irgendwo zwischen (radikal)sozialdemokratischem Ethos und christlicher Nächstenliebe einen ganzen Haufen falscher Vorstellungen transportiert und ernst meint, meinetwegen. Unehrlich nicht. Das macht es aber auch nicht richtig.
Wenn ich Bodo einfach nur für ein zynisches Arschloch halten würde, hätte ich ihm auch nicht soviel Raum eingeräumt (andererseits ist er ja auch der Inbegriff des „Rückgrats“ der PDS gewesen. Da fällt mir aus den zurück liegenden Jahren zu Vielem Zynik und Ärgeres von ihm und seinen Genossen ein). Ich bin selber nie Gewerkschaftsaktivist gewesen, von daher kann ich auch nicht beurteilen, wie typisch oder ernsthaft er hier im Vergleich zu anderen linken überzeugten Gewerkschaftsaktivisten und Funktionären argumentiert. Aber er ist merklich nüchterner als Manches, was ich dazu in letzter Zeit von anderen Prominenten gelesen habe.
Naja PDS – das ist jetzt auch schon wieder seit zwei Jahren Geschichte.
In einem Punkt gebe ich ihm recht: „Eigenständiger Tarifvertrag“ ist für sich genommen nicht viel wert. Aber das ist ein „Flächentarifvertrag“ oder eine „Tarifeinheit“ auch nicht.
Wenn die Transnot jetzt nachzuziehen droht, ist das schon sehr zynisch: Einerseits treibt sie den Preis für jedes Zugeständnis an die GDL nach oben, andererseits will sie auch den besten Abschluß der GDL nicht als eigenständigen Erfolg und Alleinstellungsmerkmal überlassen. Von der Sorge um die Löhne der eigenen Mitgliedschaft ist das sicher nicht beseelt, sonst hätten sie ja gleich mitstreiken können.
Wenn er hier seine eigene Erfahrung aus den 90ern heranzieht, verkennt er die vollkommen unterschiedliche Situation. Mangelnde Masse droht dem Transnet-Abschluß nicht durch einen höheren, separaten GDL-Abschluß.