Ein altes Gedicht von Erich Fried: Selbstmordlegende
Angenommen
es käme ein Terrorist
und sagte: »Es ist nicht wahr
daß wir Schleyer erschossen haben.
Oder glaubt ihr wir wurden
Gefangene kaltblütig töten
und noch im Tod
sie beschimpfen in einem Brief?«
Und angenommen wir fragten:
»Wie denn ist Schleyer gestorben?«
Er aber sagte:
»Dieser Schleyer war so fanatisch
daß er sich selbst ins Genick schoß
aus besonderer Perfidie
damit wir als die Mörder dastehen.
Und dann hat die Polizei
mit einem gefälschten Brief
dem Schwindel nachgeholfen.«
Dann würden wir sagen:
»Durch so eine plumpe Lüge
werdet ihr
die Blutschuld an Schleyer nicht los.
Haltet ihr uns für so dumm
daß wir da noch an Selbstmord glauben?
Wer darauf hereinfällt
der schluckt alles was man ihm vorlügt.«
Und schließlich angenommen
die Terroristen sagen:
»Wer jetzt noch nicht glaubt es war Selbstmord
der spinnt oder ist ein Agent!«
dann wären sie völlig entlarvt
nicht als Mörder nur sondern als Lügner.
Doch die Mörder Hanns Martin Schleyers
haben nichts von Selbstmord gesagt
(Quelle: Linke Liste Frankfurt [Hg.], Die Mythen knacken. Materialien wider ein deutsches Tabu. Neue Linke – RAF – Deutscher Herbst – Amnestie, 1. Auflage: Dez. 1987, 2. Auflage: März 1988, S. 183;)
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