Die Gruppe Illoyal Deggendorf ist Geschichte!
Gerade bei Facebook gefunden:
„Hinweis in eigener Sache: Die Gruppe Illoyal Deggendorf ist Geschichte!
Seit etwa einem halben Jahrzehnt haben wir in unserer heutigen Zusammensetzung linksradikale Politik in Deggendorf organisiert. Dabei sind wir aus verschiedenen Gründen nicht immer unter dem Namen „Gruppe Illoyal Deggendorf“ aufgetreten, doch trotz wechselnder Gruppennamen blieb unsere politische Zielsetzung über die Jahre hinweg unverändert: Wir haben weder Zeit noch Mühe gescheut um uns und anderen zu vermitteln, dass sich die vorliegenden gesellschaftlichen Umstände feindlichen politökonomischen Zwecken verdanken. Für eine derartige Sicht der Weltlage haben wir in Form von Flugblättern und in Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen geworben.
Doch an dieser Stelle möchten wir das Ende dieser Bemühungen verkünden. Dabei sind wir weder am ausbleibenden Erfolg gescheitert, tatsächlich sind wir als Gruppe durchaus stetig angewachsen – noch an dem Gegenwind der uns entgegenschlug, denn vor Ort waren wir ohnehin die einzige aktive linksradikale Organisation.
Wir haben uns als Gruppe Illoyal aufgelöst, da wir uns eingestehen mussten, dass unsere bisherigen theoretischen Überlegungen und damit auch unsere politischen Standpunkte in wesentlichen Punkten mangelhaft waren. Unsere Leser erwartet an dieser Stelle also eine knappe Stellungnahme zu einigen zentralen Irrtümern, die wir in den letzten Jahren engagiert vertreten haben und von denen wir uns hiermit distanzieren möchten.
Das betrifft insbesondere die Vorstellung, dass die heutige Weltlage sich den „Zwecken“ ökonomischer Nutznießer oder politischer Gewalten verdankt.
-Ja, es gibt Individuen, die in der Konkurrenz finanziell bedeutend besser abschneiden als andere, aber auch ihr Erfolg ist stets ungewiss und auch sie beziehen sich mit ihren Kalkulationen stets auf die aktuelle Marktlage, die stets das Ergebnis der Wirkens unzähliger mit verschiedenen Mitteln und Methoden gegeneinander kalkulierender Figuren ist. In Anbetracht dieses Kampfes Aller gegen Alle von einer zweckgerichteten Veranstaltung zu sprechen ist absurd, das glatte Gegenteil ist der Fall.
-Eine andere Variante davon ist die Vorstellung, der bürgerliche Staat wäre das „Subjekt der kapitalistischen Gesellschaft“ in dem Sinn, dass er die ihm „untergebene“ Menschheit auf die Art und Weise ihrer Interessensverfolgen festlegt. Diese Ansicht blamiert sich unter anderem daran, dass sie sich den Schluss auf den Grund des Staates wegen ihrer agitatorischen Absicht verbietet: Wer den Menschen vermitteln will, dass sie sich ihres Staates entledigen müssten, damit ihre Interessen wirklich zum Zuge kommen, muss die banale Erkenntnis, dass auch der moderne Staat eine menschengemachte Institution ist und sein Grund somit in den Interessen der Menschen zu suchen ist – leugnen.
Das Privateigentum, die vorherrschende gesellschaftliche Form der Produktion im Kapitalismus – wurde von uns bisher als staatlich erzwungenes Verhältnis dargestellt und damit wird man erstens weder den Erkenntnissen bürgerlicher, noch sozialistischer Geschichtswissenschaft gerecht, die darum wissen, dass das Privateigentum dem Kapitalismus historisch vorausging und zweitens wird der Umstand, dass der Staat zum Schutz des Privateigentums nur dort einschreitet, wo er um diesen Schutz gebeten wird – ignoriert. Das Privateigentum beruht eben darauf, dass ein Individuum die Mittel, die er sich anschafft oder bereits hat – ganz nach seinem Kalkül einsetzt und das schließt eben ein, dass dem Eigentümern, würden sie nur einen dementsprechenden Willen haben, der Staat als Schutzherr über das Privateigentum einer freiwilligen Kollektivierung aller Produktionsmittel garantiert nicht im Wege stünde. Dass das nicht der Fall ist lässt sich kaum als Vorwurf gegen den Staat wenden.
Wir wollen nichtsdestotrotz noch einen Moment bei der Überlegung verweilen, der Staat würde den Kapitalismus „einrichten“ und uns fragen, ob sich diese Theorie dennoch sinnvoll begründen lässt.
Die Sache: Der bürgerliche Staat setzt Mittel ein um das widersprüchliche Miteinander der Menschen als Privateigentümer zu ermöglichen. Diese Mittel sind unter anderem ein gewisser Gewaltaufwand, aber auch materielle Dienstleistungen (Infrastruktur, etc.) und werden aus den Erträgen seines Volkes finanziert, so wie dieses auch für den Lebensunterhalt des Staatspersonals in den verschiedenen Abteilungen aufkommen muss.
Will man zu dieser Sache nun die Theorie vertreten, dass der Staat seinen Dienst an der Gesellschaft aus seinem Eigennutz heraus verfolgt – dann sollte man doch zumindest auf staatliche Zwecksetzungen verweisen können, die nicht in einem Dienst an der Konkurrenz aufgehen. Anderenfalls bleibt jener „staatliche Eigennutz“ eine theoretische Leerstelle.
Da wir auf diese Frage keine positive Antwort fanden haben wir diese Vorstellung verworfen und sind zu dem Schluss gelangt, dass voneinander abhängige Konkurrenten eine übergeordnete Gewalt brauchen und damit schon Grund und Zweck des Staates benannt ist: Der ökonomische Zweck den das moderne Individuum, gleichgültig welchen Standes – verfolgt ist seine individuelle Bereicherung in Konkurrenz zu den anderen, sprich Gelderwerb. Diese bezweckte private Bereicherung findet jedoch vermittelt über eine gesellschaftliche Produktion statt. Da ihre Gemeinschaft selbst zwar nicht der ökonomische Zweck der Akteure im Kapitalismus ist, sie jedoch allesamt für ihren privaten Erfolg aufeinander angewiesen sind, schließen sie sich neben ihrer Konkurrenz um den Gelderwerb politisch als Bürger zum Staat zusammen, sorgen sich um die Belange des gesellschaftlichen Zusammenhangs, räsonieren über den passenden Umgang mit als problematisch erachteten gesellschaftlichen Phänomenen und erkennen einzelne Personen als Vertreter ihres gemeinsamen politischen Willens an, die damit auch befugt sind Privatinteressen dem kollektiven politischen Interesse unterzuordnen.
Darüber hinaus erscheint uns dadurch auch die bisher unsererseits vertretene Theorie, die Moralvorstellungen der Privateigentümer, ihr politisches Bewusstsein wäre „ideologische Verklärung von Herrschaft“, sprich Rechtfertigung einer den Menschen vorausgesetzten Gewalt – als Verkehrung des tatsächlichen Verhältnisses.
Zusammengefasst: Wir haben uns von der Vorstellung verabschiedet, dass sich gewisse Phänomene der modernen Welt dem Wirken eines feindseligen Willens verdanken, der von einem falschen Bewusstsein der breiten Masse getragen wird und den es zu beseitigen gilt. Wenn ihr nun denkt, mit dieser Stellungnahme hätten wir uns hin zu Apologeten der bürgerlichen Gesellschaft gewandelt, dann müssen wir euch enttäuschen, denn das ist weder ein Argument gegen unsere Überlegungen – noch zutreffend.
Einen vernünftigen Ansatz einer Kapitalismuskritik, den wir euch an dieser Stelle noch nahelegen möchten – bietet der Aufsatz „Warum Sozialismus?“ – von A. Einstein, hier nachzulesen: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/warum-sozialismus
Wir hoffen ihr findet es lohnend unsere letzte Stellungnahme zu diskutieren und verabschieden uns hiermit von euch.
Passt auf euch auf und bleibt gesund,
eure Gruppe Illoyal Deggendorf!“
Ein Leser hatte in den Kommentaren kritisiert, dass wir das Verhältnis der Menschen zum Staat nicht als rein passive Unterordnung charakterisieren:
„Formuliert man hier „Zusammenschluss zum Staat“, stellt man sich selbst ein Bein.. Positiver Bezug auf etwas ist nicht Zusammenschluss zu etwas.“
Unsere Antwort darauf: Doch, genau das ist der Fall, handelt es sich bei dem „Etwas“ um ein gesellschaftliches Verhältnis. Ein Staat existiert nun mal anders als naturwissenschaftliche Phänomene nicht jenseits der kollektiven menschlichen Einbildung und der entsprechenden zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn sich also 80 Millionen Menschen neben ihren ganz privaten ökonomischen Interessen „nur“ positiv aufeinander als politische Gemeinschaft „beziehen“, dann kommt dieser Wahrnehmung praktisch dem Zusammenschluss zum Staat gleich. Dass man im nächsten Schritt manche Individuen als Verkörperung dieses politischen Gemeinwesens anerkennt, das setzt ja logisch den geistigen Zusammenschluss zum Staat voraus.
@Gruppe Illoyal oder Ex-Illoyal: Bravo. Das ist genau das was wir hier jetzt bestimmt seit Jahrzehnten kontrovers diskutieren. Zum inhaltlichen kann ich nur zustimmen, verstehe aber nicht warum ihr euch auflöst, wenn ihr euch gemeinsam zu einem anderen Standpunkt durchgerungen habt. Dann macht halt mit der neuen Erkenntnis weiter.
Das täuscht ihr euch. Klar stünde ein Staat, der Schutzherr des Privateigentums ist einer freiwilligen Kollektivierung entgegen. Er ist ja Schutzherr des Privateigentums. Wenn man ihm diese Bestimmung austreiben will dann muss man die Macht im Staat erobern. Von alleine legt er sich keine andere Bestimmung zu. Der bürgerliche Staat beruht ja auf dem Willen der Privateigentümer. Der Schutz des Privateigentum, steht ja in der Verfassung. Das kann nicht einmal durch Wahlen aufgehoben werden. Es sei denn es wird die Verfassung geändert. Es ist sozusagen ein stiller Konsens der Bürger, dass Privateigentum herrschen soll. Diesem Konsens verdankt der bürgerliche Staat seine Bestimmung und diese setzt er auch noch durch, wenn wesentliche Teile des Volkes damit nicht mehr einverstanden sind. Deshalb befürchte ich, dass der Staat einem anderen Ansinnen seines Volkes sehr wohl im Wege stehen wird und zwar solange, wie dieses Volk die Staatsmacht erobert hat und die Staatsgewalt dann dem neuen gesellschaftlichen Konsens dient.
Deinen Einwand bzgl des Privateigentums wollen wir so nicht gelten lassen.
Vorweg eine logische Bemerkung:
Privateigentum bedeutet, dass einem Stück von Welt der Wille eines Menschen innewohnt. Ein jedes Gut ist so nicht bloß, was es stofflich darstellt, sondern dabei das Objekt einer exklusiven Verfügung über es.
Der Witz an diesem Verhältnis ist also gerade, dass man mit seinem Eigentum wirklich anstellen kann, wonach einem ist. Du kannst es verschenken, selbst benutzen oder es gegen eine Gegenleistung an andere entäußern.
Diese freie Kalkulation mit all den Dingen, die sie in ihren Besitz gebracht haben oder über die sie von sich aus verfügen, was auch immer – schützt der Staat seinen Bürgern. Der schreibt einem einfach faktisch nicht vor, dass man sein Eigentum nicht auch entäußern darf – ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Das ist recht anschaulich beim Fall des Diebstahls: Wenn dir ein Restaurantbesitzer erlaubt umsonst bei ihm zu speisen, dann ist das kein Verstoß gegen das Privateigentum. Wenn hingegen der Sache nach nichts anderes passiert, mit nur dem kleinen Unterschied, dass sich der Gast dabei über den Willen des Eigentümers hinweggesetzt hat – DANN ist das ein Verstoß gegen das Privateigentum und der Staat schreitet ein.
Es ist im übrigen auch kein Verstoß gegen das Privateigentum, wenn du mitsamt deiner Freunde und Bekannten beschließt die finanziellen Mittel über die ihr verfügt zu teilen und euch ein Stückchen Land kauft und dann auf diesem gemeinsam von dem kärglichen Mist lebt, den ihr in diesem Kreis erarbeitet. Auch das ist eben kein Verstoß gegen das Privateigentum und das gibt es tatsächlich.
Dass das brüderliche Teilen nicht die gesellschaftliche Praxis ist scheitert nicht am Staat, sondern einzig daran, dass die Mehrzahl der Menschen ihr individuelles Auskommen in der Konkurrenz ums Geld suchen möchte.
Sagen wir lieber, man kann damit anstellen, was der Staat im Rahmen der Gesetze erlaubt. Man darf z.B. eine Pistole nicht dafür benutzen jemanden zu töten, auch wenn sie einem gehört. Als Soldat oder Polizist in staatlichem Auftrag ist es dagegen wieder erlaubt.
Ja man darf sein Eigentum verschenken. Allerdings will der Staat, seinen Anteil. Das nennt sich Schenkungssteuer. Die betrifft natürlich nicht Mickerbeträge wie ein Restaurantbesuch und es gibt Freibeträge für Verwandte https://www.rosepartner.de/schenkungssteuer.html. Daran kann man schon sehen, dass beim Verschenken, das Verschenkte kleiner wird. Wer also brüderlich teilen will, muss auch mit dem Staat teilen.
Ich würde das anders formulieren: Der G r u n d dafür, dass das brüderliche Teilen nicht die gesellschaftliche Praxis ist, ist kein Resultat staatlicher Gewalt/ des Wirkens des bürgerlichen Staates, sondern liegt daran, dass „die Mehrzahl der Menschen ihr individuelles Auskommen in der Konkurrenz ums Geld suchen“ wollen.
Denn der Staat sorgt natürlich schon dafür, dass die Klassen produktiv im Sinne der Kapitalvermehrung aufeinander bezogen bleiben und dazu gehört auch, dass die Arbeiterklasse in ihrer Armut reproduziert wird. Schließlich sorgt er auch mit den Steuergesetzen dafür, dass das Kapital wenig bis keine Steuern bezahlt und das Proletariat locker 2/3 des Lohns entweder gar nicht zu Gesicht kriegt oder an den Staat zahlt. Man soll sich da mal nicht täuschen auf welcher Seite der bürgerliche Staat steht. Nämlich auf der Seite des Kapitalverhältnisses. Würde also das brüderliche Teilen in großen Stil einreißen, dann hätte der Staat, wie er jetzt verfasst ist, was dagegen und würde auch etwas dagegen unternehmen.
Eigentum ist die Macht andere vom Gebrauch der Sache auszuschließen, also ein „unter dinglicher Hülle verstecktes Verhältnis zwischen Menschen“. Die Macht wird vom Staat geliehen.
Damit auch die Macht die Bedingungen zu setzen unter denen der Ausschluß zeitweise aufgehoben ist und die Proletarier an Wohnung und Produktionsmittel (die sie für sich selbst brauchen) randürfen.
Nämlich, wenn dadurch das Eigentum zu Kapital, also Mehr wird.
Der Staat entstand im Orient als Evolution einer Räuberbande, die erste Form von Geld waren Steuern in Form von Getreide (Scott, Against the Grain).
Sobald sich Geld vom Gut emanzipiert hatte gab es Zinsen und handelbare Schuldtitel die periodische Jubeljahre nötigten damit das Gebilde / die Herrschaft stabil bleb. (Michael Hudson).
Jetzt, 8.ooo Jahre später ist die evolvierte Form ein „automatisches Subjekt“ von Zwängen und Kräften.
Ein gesellschaftliches System besteht nicht aus Menschen sondern dem Ensemble ihrer Beziehungen.
Dem System einen Willen (auch fremden) zu attributieren ist Rückfall in Animismus. Es ist die Suche nach dem heimlichen Zentralkomitee im Kapitalismus.
Illoyal scheitert an dieser Abstraktion.
Altgriechische Naturphilosophen erklärten das Verhalten von Objekten anthropomorphisch durch einen innewohnenden Willen.
Moderne Physik hat den Begriff der Kraft.
https://youtu.be/cI2Oniil5zw?t=2369
Der bürgerliche Staat ist kein automatisches Subjekt. Die Merkel und ihre Minister sind ja keine Roboter. Der Staat ist auch kein Ding mit einem Willen, wie es die Rede von Animismus nahelegt. Er ist ein gesellschaftliches Konstrukt mit dem Inhalt Gewalt. Gewalt lässt sich aber gar nicht Denken ohne Willen. Der Staat macht ja nichts anderes als mit Gewalt seinen Willen durchzusetzen. Die Grundzüge dieses Willens stehen in der Verfassung bzw. im Grundgesetz. Daneben gibt es einen Wust von Gesetzen z.B. Strafrecht, Zivilrecht, die den staatlichen Willen fixieren und nach dem die Beziehungen der Bürger geregelt werden.
Der Staat ist nur Teilsystem. Dieser Staat will Kapitalismus weil der sich rentiert. Er duldet die Abhängigkeit von Finanzmärkten obwohl Geld machen Staatsakt, er unterwirft sich dem Urteil des Geldes über seine Tauglichkeit als profitabler Standort.
Automatisches Subjekt ist das Kapital, Geldvermehrung sein Selbstzweck. Alle Charaktermasken sind Getriebene. Der Wille scheint im Geld selbst zu stecken.* Die Verfassung läßt sich ändern.
*Er steckt in der Beziehung Privateigentum. Geld ist abstraktes Eigentum. Mit Geld kann man konkret nützliche Produktionsmittel profitabel anwenden. Geld ist subjektlose Herrschaft.
Geld das sich nicht vermehrt sucht sich bessere Hüter.
Nur das Proletariat hätt allen Grund das System zu stürzen. Und auch die Macht dazu. Freilich, es wäre ein Kampf auf Leben oder Tod.
Das Privateigentum existiert nur solange eine Gewalt es schützt.
Es ist keine Natureinrichtung.
Das halte ich für falsch: Nicht der Staat will etwas, sondern er ist in der Tat ein eminent wichtiges „Teilsystem“ dieser kapitalistischen Gesellschaft. Und die will den Kapitalismus (leider nicht nur die kapitalistischen Profiteure des Systems sondern auch die Lohnabhängigen, die den kapitalistischen Reichtum erzeugen). Und diese Gesellschaft will deshalb einen Staat, der es hinorganisiert, daß diese kapitalistische Verfaßtheit funktioniert und erhalten bleibt.
Ich halte nicht viel von den berüchtigten Kurzformen „automatisches Subjekt“ und „Charaktermasken“. Schon deshalb, weil der Wille zu diesen Verhältnissen nicht im Geld steckt sondern natürlich in echten Subjekten, den Menschen in dieser Gesellschaft.
Und wie immer gilt, daß das Proletariat sich erst zu der Feststellung durch ringen müßte, daß es „eigentlich“ allen Grund hätte, das System zu stürzen. Denn im Augenblick weist es diese Erkenntnis ja als seinem Leben fremd entschieden zurück. Leider.
Deshalb halte ich es auch verkürzt, wenn man schreibt,
Das stimmt natürlich auch. Aber das Entscheidende scheint mir zu sein, daß sich das Privateigentum auf die breiteste Zustimmung in der Gesellschaft stützen kann. Die Menschen wollen es nämlich. (Und wissen natürlich, daß Privateigentum als allgemeines Prinzip in der Gesellschaft nur zu haben ist, wenn der Staat alle naselang in die gegensätzlichen Interessen aller Privateigentümer eingreift, letztlich sogar mit seiner Gewalt. Deshalb erfreut sich ja auch die demokratische Gesetzgebung genauso großer Unterstützung wie das sich darauf stützende Rechtswesen und die staatliche Gewalten, die das Recht durchsetzen.)
„Das Kapital“ im allgemeinen, gibt es ja nur als den Begriff, den man sich von ihm macht. In der realen Welt gibt es konkurrierende Kapitale. „Das Kapital“ ist aber nicht schon deshalb ein Subjekt, weil es zu seinem Begriff gehört, dass es sich vermehrt. Ein Fluss ist ja auch kein Subjekt, weil er immer bergab fließt oder ein Baum kein Subjekt, weil er wächst. Dass ein Ding irgendwie prozessiert oder eine irgendwie geartete Bewegung in sich trägt, reicht zum Subjektsein als Bestimmung nicht aus.
Eigentlich sagts du das ja selbst:
Geld soll subjektlose Herrschaft sein, aber Kapital soll dann wieder automatisches Subjekt sein. Beide Begriffe sind ein contradictio in adjecto. Das heißt das Adjektiv bildet einen Widerspruch zum Substantiv. Eine Herrschaft, bei dem kein Subjekt herrscht (oder Subjekte), ist ja Quatsch. Herrschaft unterstellt ja irgendeine Form von Unterordnung, die in der Regel einem Ausbeutungszweck dient. Also gibt es einen Willen der unterordnet und einen Willen der untergeordnet wird. Eine Herrschaft ohne Subjekt also einen Willen der unterordnet, ist ein Widersinn. Ein System bei dem es nur Untergeordnete aber keine Herrscher gibt, kann es nicht geben. So ein Gedanke ist höchstens eine Ideologische Erfindung der Herrscher, die natürlich alle behaupten, dass niemand Herrschaft ausübt und die Herrschaft nur in irgendeiner Sache steckt. Dadurch sind die Herrscher natürlich fein raus, denn sie sind „Charaktermasken“ und „Getriebene“.
„Automatisches Subjekt“ ist ebenso eine Begriffskonstruktion, wo das Adjektiv dem Substantiv widerspricht.
Ein Subjekt ist nunmal kein Automat. Ein Automat hat kein Bewusstsein von sich, das sich als Einheit von der Welt abgrenzen kann.
Solche gegensätzlichen Begriffskonstruktionen sind übrigens Kennzeichen der Postmoderne, weil sie Begriffe auflösen und relativieren. Sie wirken sich zersetzend auf das begriffliche Denken aus, weil so Widersprüche in die Begriffsbildung integriert werden, statt auf Fehler des Begriffs hinzuweisen. Man lernt dadurch auch nichts, sondern stopft sein Hirn nur mit unsinnigen Abstraktionen voll, die zu nichts führen, außer die Illusion von Wissen zu vermitteln.
Da kann ich Krim zustimmen. Mit der neuen Erkenntnis geht es erst richtig los:
Damit kann man die Leute natürlich nicht mehr damit entschuldigen, dass sie nur Opfer von Kapitalisten und höherer Gewalt sind; ihnen aber auch nicht mehr vorwerfen, dass sie sich den maßgebliche ökonomischen Interessen und staatlicher Gewalt nur unterwerfen.
Aber sich selbst und anderen Leuten klarzumachen, d a s s und v.a. w i e sie mit der für sich so harmlosen und willigen Verfolgung ihres Interesses und Wohls dennoch etwas durchführen, was ihnen nicht gut bekommt, bleibt das entscheidende und doch recht schwierige Unterfangen.
Dazu kann man sich ja mal bei Marx nochmal klarmachen, dass es schon mit den „Zwecken der Nutznießer“ nicht soweit her ist, dass sie den Kapitalismus begriffen hätten und ihn deshalb für sich und gegen andere durchsetzen. Sie sind eben in der marxschen b e g r i f f l i c h e n Darlegung wie die Lohnarbeiter ebenfalls nur a u s f ü h r e n d e Teilhaber an diesem System und haben dabei sein Wesen, seinen Begriff „Heißhunger nach Mehrarbeit“ gerade nicht erfasst. Marx stellt sie alle als Charaktermasken dar, ihr Wille spielt a n d i e s e n S t e l l e n v o n M a r x ´ A r g u m e n t a t i o n k e i n e R o l l e !
Allerdings: Marx tut teilweise auch so als ob die Menschen den kapitalistischen Gehalt doch für sich als ihren Zweck verfolgten, und gibt damit diesen Missverständnissen eine Grundlage. Dass Marx in seinem Buch DasKapital da verschiedene theoretische Ebenen durcheinandergewürfelt hat, sollte man zur Kenntnis nehmen und auseinandergliedern. Gerade Elemente wie Mehrarbeit, Wert, Neuwert, Mehrwert, Profit …, kennen a l l e Subjekte dieser Gesellschaft nicht als solche und k ö n n e n sie deshalb auch n i c h t wollen; sondern sie verfolgen willentlich nur Gewinn, Ertrag, Rente, Zins, Lohn….
Eine erschöpfende Kritik an diesen marxschen Fehlleistungen und der Werkarchitektur von DasKapital ist hier zu finden:
https://tredition.de/autoren/herbert-ruenzi-27763/mit-marx-ueber-marx-hinaus-paperback-118048/)
Eine Besprechung, um sich vorab ein Bild zu machen:
https://www.kritiknetz.de/wissenschaftrezensionen/1477-das-kapital-gruendlich-analysiert-und-zerlegt-und-von-grund-auf-wiederaufgebaut
W i e , d . h . i n w e l c h e n F o r m e n die menschlichen Subjekte diese Inhalte vollziehen und ihren Willen dabei betätigen, und dass sie sich darin den Inhalten des Kapitalismus doch anbequemen, dafür möchte ich das Buch „Eigentum und Person“ in Erinnerung bringen:
https://www.epubli.de/shop/buch/Eigentum-und-Person-Harald-Haslbauer-Harald-Haslbauer-9783869910222/58813
Mit anderen Texten auch hier zu haben:
http://www.eigentum-und-person.de/
Da geht es darum zu zeigen, dass
1. das Haben, das sie als Subjekte d e s K a p i t a l i s m u s praktizieren, ein abstraktes seine muss, das mit dem materiellen Haben (etwa des Warengegenstandes) gerade nicht in eins fällt: Alle Einkommensquellen, Geld, Natur, Mensch müssen so distanziert gehabt werden, weil sie Einkommensquellen nur als verliehene sind.
A b s t r a k t e s V e r f ü g e n i s t das Eigentum der bürgerlichen Welt in seiner (ersten) positiven Bestimmung. Daraus f o l g t der Ausschluss anderer als negative (zweite) Bestimmung. Als Einkommensquellen bewähren sie sich aber nur indem (als dritte Bestimmung) ihr materieller Umgang doch anderen überantwortet ist.
2. die abstrakte Subjektivität des Rechts, auf der unser gewolltes Gemeinwesen bis hin zum Staat aufbaut, sich logisch dennoch dem Kapitalismus verdankt, und ausgerechnet im Lohnarbeiter seinen elementaren Prototypen hat: Er ist es, der zum V e r l e i h s e i n e r s e l b s t (sprich: Verkauf seiner Arbeitskraft) ein abstraktes Subjekt aus sich heraussetzen m u s s . Als ein solches von seiner materiellen Subjektivität abgehobenes Subjekt ringt er zur Verfolgung seiner materiellen Interessen um Anerkennung bei konkurrierenden Mitmenschen, insbesondere Unternehmern, die ihn nutzen wollen. Vom Staat will er dann nicht als bedürftiger Mensch in seiner Besonderheit berücksichtigt, sondern f ü r seine und g e g e n konkurrierende Zwecke als abstrakt rechtliches Subjekt gewürdigt werden. Ein b ü r g e r l i c h e r Staat erfüllt das, rücksichtslos gegen alle menschliche Bedürftigkeit, indem er alle (ökonomischen) Subjekten als Rechtspersonen (gleich) behandelt.
Politik (auch linksradikale) i n b ü r g e r l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n ist darauf angewiesen, in diesen rechtlichen Willens-Formen etwas für die Menschen zu erreichen. Und sie hat (wie man sich auch klarmachen kann) in diesen Willensformen auch ihre Grenzen, weil sie dabei d i e s e s G e m e i n w e s e n v o n B ü r g e r n mit befördern muss, das im Zweifelsfall das Wohl der Menschen am Erfolg der bürgerlichen Ökonomie, sprich: „Heißhunger nach Mehrarbeit“ relativiert.
Und sonst gibt es hier auf dem Forum dazu noch alte Debatten (etwa August/September 2011) zu verfolgen…
carlos, ich verstehe ehrlich gesagt nicht, worin du mir eigentlich zustimmst. Der Reihe nach.
Dass sich die Bürger nur unterwerfen würden ist ja eigentlich eine Entschuldigung, denn die tun ja nur was sie eh müssen, und für das was man muss, kann man schlecht verantwortlich gemacht werden, denn man hat ja keine Wahl. Aber sind die Bürger wirklich Unterworfene, wirklich nur Knechte, die gewaltsam gezwungen sind, in Wahrheit aber lieber was ganz anderes machen würden, wenn sie nur könnten? Dafür gibt es weder Belege noch Hinweise, auch wenn die Bürger etwas anderes machen könnten, würden sie tun, was sie jetzt auch tun, nämlich mit und um Eigentum konkurrieren.
Wie kommst du auf die Idee, dass man einen Zweck begriffen haben muss, um ihn verfolgen zu können und Nutzen aus ihm zu ziehen. Dass Kapitalisten auch nur Funktionäre des prozessierenden Kapitals sind, heißt doch nicht, dass sie etwa genauso wie die Arbeiter nur Rädchen, ausführende Organe, Unterworfene des Kapitalistischen Zwecks sind.
So eine Sichtweise schmeißt wirklich Ausbeuter und Ausbeutete in einen Topf, weil sie Funktionäre des Systems seien. Aber Leute! Doch wohl Funktionäre in ganz gegensätzlichen Funktionen und in ganz unterschiedlicher Weise antagonistisch aufeinander bezogen. Die einen Funktionäre üben nämlich die Funktion des Ausbeuters und Nutznießers aus, und die anderen Funktionäre üben die Funktion des Ausgebeuteten und Geschädigten aus. Diese unterschiedlichen Funktionen nennt man deshalb übrigens auch Klassen. Die Angehörigen der Kapitalistenklasse wissen übrigens ganz genau, warum sie großen Wert darauf legen, nicht in die Arbeiterklasse zu wechseln, obwohl diese ja auch Funktionäre des Kapitalsystems sind, so gesehen also dasselbe wie Kapitalisten. Das ist bloß die in wissenschaftlichem Vokabular ausgedrückte Schönrednerei von der Ideologie, dass eigentlich alle in einem Boot sitzen. Interessengegensätze? Fehlanzeige.
Allerdings tut Marx das – und mit Recht. Natürlich haben Kapitalisten, Kapitalismus auch als Zweck. Merkt man z.B. daran, dass sie sich in Unternehmerverbänden zusammenschließen und dem Staat mit ihrer Lobbyarbeit ihre Sichtweise beizubiegen versuchen. Dein Fehler steht schon oben. Du denkst um einen Zweck oder ein Interesse zu verfolgen müsse man diesen begrifflich verstanden haben. Das ist aber nicht so. Es ist sogar eigentlich umgekehrt. Der Normalfall ist, dass die Leute Zwecke verfolgen, die sie nicht verstehen. Sie verfolgen sie einfach, weil sie denken, dass sie ihnen n ü t z e n.
Ich glaube eher, dass du da was durcheinander würfelst.
Na und? Reicht doch um Kapitalismus zu machen.
@illoyal – Die Richtung, in die ihr überlegt ist richtig. Man kann dabei aber nicht Herrschaft und Unterwerfung leugnen. Man darf also nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen und die Bürger für das Subjekt der Verhältnisse halten – das bleibt der Staat. Da verweise ich auf die Diskussionen im hiesigen Blog.
Mich würde interessieren, was ihr mit der Gruppe eigentlich auflöst? Normalerweise löst man so einen politischen Zweck auf, zu dem man sich eben gruppiert hatte (Agitation oder sonstwas). Wenn es bloß das ist, dass ihr euch von euren alten Fehlern unterscheiden wollt, hielte ich die Auflösung für die falsche Maßnahme. Tippen könnte man noch auf inhaltliche Uneinigkeit hinsichtlich der oben erwähnten Differenzen, die keinen gemeinsamen Zweck mehr zulässt.
„Illoyal Deggendorf Klar, das ist keine prinzipielle Absage an politisches Engagement. Es sind nach unserem Ermessen schlicht viel zu viele Fragen offen, um mit einer alternativen Praxis an die Öffentlichkeit treten zu können. Ob es uns gelingt diese Fragen zu klären steht in den Sternen, daher ist bis auf weiteres auch nicht abzusehen, dass wir in anderer Form „Politik machen“ werden.“
@FB – da fiele mir sofort eine „alternative Praxis“ ein: Öffentliche Klärung der vielen Fragen. Das wäre genau das, was Leute, die die Gesellschaft auf der Grundlage von Erkenntnissen gestalten wollen machen würden: dem Rest das Angebot machen am Erkenntnisprozess teilzuhaben.