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Butter bei die Fische! (Rüdiger Mats zur Debatte um einen neuen Sozialismus)

28. August 2015

Von Rüdiger Mats, er ist Mitglied der kommunistischen Gruppe The future is unwritten in Leipzig, erschien in der Zeitschrift konkret 9/15 folgender Artikel:
Eine nachrevolutionäre Gesellschaft soll den Kapitalismus ablösen, und der ist eine Produktionsweise. Deshalb gehört zu einer Debatte um einen neuen Sozialismus, wie sie in konkret l, 3,4 und 6/15 geführt wird, auch die Frage, wodurch der Kapitalismus denn eigentlich abzulösen ist.
Wenn ich Sozialismus höre, muss ich an Büroklammern denken. Sozialisten schlagen sich, wenn es darum geht, Kapitalismus abzulösen, üblicherweise auf die Seite des »Machbaren«, des scheinbaren Realismus, so dass bei ihnen viel zu verbuchen und abzuheften ist – aber vom Übergang in eine befreite Gesellschaft nichts übrigbleibt. Diese verengte Perspektive des »Machbaren«, der »Sachzwänge«, hat nie zu etwas Gutem geführt und wird es auch in Zukunft nicht.
Doch auch wenn man als Konsequenz daraus die nachrevolutionäre Gesellschaft vor allem als Negation des Kapitalismus denkt und den Bruch mit den derzeitigen Verhältnissen schärfer fasst, als Sozialisten das tun, muss man sich doch mit einigen ökonomischen (und daraus folgend politischen) Zwängen beschäftigen.
Zwischen befreiter Gesellschaft und »Übergangsgesellschaft« zu unterscheiden sollte man sich dabei sparen. Denn trotz aller Erblasten des Kapitalismus muss bereits die nachrevolutionäre Gesellschaft einen guten Grund für die Revolution abgeben. Sonst würden wieder »Opfer« gerechtfertigt mit dem Verweis auf die Glückseligkeit zukünftiger Generationen – und dann sollte man es mit der Revolution besser seinlassen.
Eine nachrevolutionäre Gesellschaft soll den Kapitalismus ablösen, und der ist eine Produktionsweise. Deshalb gehört zu einer Sozialismusdebatte auch die Frage, wie das gehen soll, wodurch der Kapitalismus denn eigentlich abzulösen ist. In den bisherigen Beiträgen standen Themen wie Geschichtsbezug, Ideologie oder Zweck-Mittel-Relation im Mittelpunkt, während drei zentrale Fragen eine Leerstelle blieben, die zu den Dauerbrennern linksradikaler Theoriebildung gehören:
• Was kann man heute bereits über die Grundlagen einer Ökonomie der befreiten Gesellschaft sagen?
• Was kann man heute bereits über die politische Organisation der befreiten Gesellschaft sagen?
• Und was folgt daraus für die politische Praxis?
Wenn die radikale Linke diesen Fragen nicht (weiter) nachgeht, kann sie nur hoffen, dass der Kapitalismus noch möglichst lange weiterwütet, denn sinnvoll zu beerben ist er dann nicht.
Erst kommt das Fressen…
Auch in der befreiten Gesellschaft werden in komplexen arbeitsteiligen Prozessen Konsum- und Produktionsmittel hergestellt werden müssen. Und zwar auf erweiterter Stufenleiter, wenn die Marxsche Aussage zutreffen soll, dass »disponible Zeit« zum neuen Maß des Reichtums wird, man also technischen Fortschritt will, der Arbeit spart und nicht bloß Kosten.
Wie das im Detail aussehen wird, kann und muss man jetzt noch nicht wissen. Zu den Grundzügen einer nachrevolutionären Ökonomie kann man aber schon einiges sagen, ohne in das von Adorno mal so genannte »Auspinseln« zu geraten. Denn die Anzahl von Produktionsweisen, die es entweder schon gegeben hat oder die aus einer Kritik der bisherigen zu erschließen sind, ist noch halbwegs überschaubar.
Einige kolportierte »Alternativen« zum Kapitalismus verfallen selbst der marxistischen Kritik. Das gilt, wenn man »Alternative« überhaupt so weit fasst, für den linken Keynesianismus, wie er im DGB und in der Linkspartei hegemonial ist. Das gilt aber auch für Marktsozialismus, wie ihn unter anderem der »radikalere« Rest der Linkspartei favorisiert: Hier sollen »ökonomische Hebel« wie Wettbewerb und Preismechanismus gesellschaftliche Planung ergänzen. So sollen vor allem zwei Probleme des Realsozialismus vermieden werden: das Informationsdefizit der Planer und die ineffiziente Ressourcenverwendung. Denn die ökonomischen Hebel funktionieren im Modell ungefähr sowie im Kapitalismus: Sie »bestrafen« ökonomisch unerwünschtes Verhalten automatisch, ohne dass es dazu der Intervention irgendeines Akteurs (Planbehörde, Räte oder ähnliches) bedürfte. Alle marktsozialistischen Varianten können jedoch einen zentralen Widerspruch nicht aufheben: Wären die »ökonomischen Hebel« wirklich wirksam, dann trügen sie dazu bei, den Sozialismus dem Kapitalismus immer ähnlicher zu machen. Federte man aber ihre Resultate aus politischen bzw. sozialen Gründen ab (weil zum Beispiel die in der »sozialistischen Konkurrenz« Unterlegenen doch nicht pleite gehen sollen), dann verminderte das entscheidend die Wirksamkeit der Hebel. Das Scheitern des Realsozialismus war auch ein Scheitern entsprechender Versuche.
Neben unterschiedlichen Varianten von Marktsozialismus wurden in den vergangenen Jahren vor allem verschiedene Ansätze von »Commonismus« oder »Peer-Ökonomie« als Grundlage einer nachkapitalistischen Produktionsweise diskutiert. Diese Konzepte reagieren auch auf einen schweren Mangel des Realsozialismus. Der scheiterte nicht an der Unmöglichkeit einer funktionierenden Planwirtschaft, sondern vor allem, weil es verheerend ist, mit Mitteln der Herrschaft zum Kommunismus kommen zu wollen. Die Peer-Ökonomie tritt dagegen als völlig herrschaftsfreie Ökonomie auf. In ihr sollen – wie bei Wikipedia – die einzelnen Akteure nur an genau den Projekten mitarbeiten, die sie für sinnvoll halten. Elektronisch vernetzt bilden sich immer neue Teams von »Problemlösern«, gehen wieder auseinander, setzen sich neu zusammen. Als Grundmodell für gesellschaftliche Reproduktion taugt die Peer-Ökonomie allerdings nicht. Ihre Verfechter unterschätzen die Zwänge materieller Reproduktion (Müllabfuhr und Deichbau funktionieren nicht wie Wikipedia) ebenso wie die Gewalt informeller Hierarchien. Beidem ist nur mit vernünftigen Organisationsformen zu begegnen, mit Institutionen und nicht mit einer Auflösung aller Institutionen in eine Gesellschaft von einzelnen.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gibt zu einem ökonomischen Gesamtplan mit verbindlichen Entscheidungen auf zentraler Ebene keine vernünftige Alternative. Nur ein demokratisch beschlossener Wirtschaftsplan gibt den Leuten die Herrschaft über die materiellen Bedingungen ihres Lebens zurück. Es mag sehr viel dezentral entschieden werden können, es mögen peer-ökonomisch organisierte Projekte in die Entwicklung oder in die Produktion integrierbar sein, an der Notwendigkeit zentraler Koordinationsinstanzen ändert das nichts.
Das Monster an die Leine nehmen
Damit hat man als herrschaftskritischer Linksradikaler ein Problem: Eine Planwirtschaft auf gesellschaftlicher Ebene ist ein sinnvolles, ein notwendiges politisches Ziel. Aber sie ist zugleich ein Monstrum. Sie schafft an zahlreichen Stellen der Gesellschaft Abhängigkeiten, die zu Machtmitteln werden können und so die eigentlich möglich gewordene Befreiung verhindern. Es wird nach der Revolution auf unbestimmte Zeit von vielen Gütern weniger geben, als gut wäre. Es wird Leute geben, die einige ihrer Interessen (etwas bauen oder abreißen wollen, anders oder weniger arbeiten, umziehen) zurückstellen müssen, weil die Dinge, die sie brauchen, oder Menschen, die ihnen helfen können, noch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Leute an gewissen Schaltstellen der Produktion, Verteilung, Planung drohen deshalb wichtiger zu werden als andere, weil sie anderen bei der Verfolgung ihrer Interessen unter die Arme greifen können.
Es käme also auf politische Institutionen an, die es ermöglichen, Interessengegensätze herrschaftsfrei zu vermitteln. Wie solche Institutionen aussehen könnten, ist eher noch schwerer zu umreißen als die Grundzüge einer Planwirtschaft, und dementsprechend ist die linksradikale Diskussion dazu auch weniger umfangreich. Es fehlen die Erfahrungen. Die alten rätekommunistischen Überlegungen gehen in die richtige Richtung; dennoch soll man aber nicht glauben, dass zum Beispiel Arbeiterräte der Weisheit letzter Schluss sind. An Entscheidungen über Veränderungen in einem Produktionsprozess oder über den Umbau von Infrastruktur sollten alle beteiligt werden, die von diesen Entscheidungen betroffen sind, nicht nur die daran Arbeitenden. Was wohl nur über miteinander verwobene Räte auf unterschiedlichen Verantwortungsebenen gelänge (Produktionsstätte, Region, Nutzer und so weiter). Doch das Verhältnis von Verbindlichkeit der Entscheidungen und Autonomie der einzelnen Akteure bleibt problematisch. Hier sind noch viele Fragen zu diskutieren.
Aber, könnte jetzt eingewandt werden, sind diese Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht völlig verfrüht? Nein, sind sie nicht. Institutionen einer befreiten Gesellschaft sind nicht am Reißbrett zu entwickeln, schon gar nicht solche Institutionen, die sozusagen direkt nach dem Tag X lebendig genug sind, ein Gegengewicht zur materiellen Gewalt des gesellschaftlichen Gesamtplans aufzubauen. Solche Institutionen müssen schon vor der Revolution, und das bedeutet im Kapitalismus, zumindest in Vorformen entstehen und ausprobiert werden.
Fragen an die Praxis
Und damit bin ich bei der dritten großen Leerstelle der bisherigen Sozialismusdebatte in konkret: Politische Organisierung hier und heute kommt darin bisher gar nicht vor. Politische Organisierung ist nicht nur ein Mittel zur Erzeugung von Gegenmacht. Sie ist auch Experimentierfeld für Formen der Auseinandersetzung, Kompromiss- und Konsensbildung. Nur aus der produktiven Kritik und praktischen Weiterentwicklung dieser Formen kann sich nach und nach ein Konzept befreiter Gesellschaft herausbilden. Und nur wenn sie sich politisch organisieren und aktiv werden, können Leute das für die Überwindung des Kapitalismus notwendige Wissen und Können erwerben, das notwendige Vertrauen in sich und andere.
Bezogen auf zwei Bereiche muss die radikale Linke Erfahrungen reflektieren und in der weiteren politischen Praxis aufnehmen: zum einen Erfahrungen mit der Übernahme von Betrieben durch die Beschäftigten. Auf der kapitalistisch den Subjekten in die Psyche gebrannten Gewissheit, ökonomisch immer nur ein ersetzbares Rädchen im Getriebe zu sein, lässt sich keine funktionierende Selbstverwaltung gründen; hier sind Gegenerfahrungen nötig. Zum anderen Erfahrungen mit antihierarchischer politischer Organisierung auf überregionaler Ebene, Organisierung, die sich gerade nicht am kurzfristigen Erfolg unter herrschenden Bedingungen orientiert (einem Wahlsieg zum Beispiel), sondern an den eigenen inhaltlichen Ansprüchen.
Solche Erfahrungen aufzunehmen muss etwas ganz anderes sein als das, was die meisten marxistischen Sozialwissenschaftler tun, nämlich irgendwo »da draußen« mit quasi ethnologischem Blick die »wirkliche Bewegung« des Kommunismus zu suchen. Es kommt auf Arbeitskontakte organisierter Menschen an, die über gemeinsame Vorhaben den Fundus an Wissen und Erfahrung vergrößern.
Gemeinsame Vorhaben zu entwickeln ist schwer genug, im ökonomischen wie im politischen Bereich. Unmittelbare Aneignung von Produktionsmitteln ist unter kapitalistischen Bedingungen oft von unmittelbarer Not bestimmt, von Arbeitslosigkeit, Armut, ist also erst mal nicht auf eine Transzendierung des Kapitalismus orientiert. Das gilt für die Fahrradfabrik in Thüringen, die Beschäftigte übernommen haben, als die Fabrikschließung beschlossen worden war. (Die von ihnen gegründete Strike-Bike GmbH ist allerdings 2010 ebenfalls pleite gegangen.) Das gilt selbst für weitergehende und in Unterstützerkreise eingebundene Projekte wie Vio.Me, eine besetzte (derzeit von einem Rechtsstreit bedrohte) Fabrik in Thessaloniki. Es ist eine noch offene Frage, wie eine linksradikale Organisierung produktiv an solche Projekte anknüpfen kann.
Und im politischen Bereich gibt es zwar überregionale Organisationsversuche mit autonom handelnden Gruppen, übergreifenden Arbeitszusammenhängen und einigen verbindlichen Entscheidungsstrukturen (wie das Ums-Ganze-Bündnis), aber die dort gemachten Erfahrungen werden mit Außenstehenden nicht diskutiert und gehen höchstens über persönliche Kontinuitäten ins kollektive Wissen der radikalen Linken ein. Eine Sozialismusdebatte sollte dazu beitragen, das zu ändern.

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. Max Beer
    28. August 2015, 19:55 | #1

    Zum Kommunismus 2.0 hat sich FAZ-Redakteur Dietmar Dath geäußert. Er braucht nur 5 Minuten:
    http://www.youtube.com/watch?v=ZUNs-gWHa7Q
    Mal reinklicken!

  2. Mattis
    28. August 2015, 23:21 | #2

    „… Erfahrungen mit der Übernahme von Betrieben durch die Beschäftigten. Auf der kapitalistisch den Subjekten in die Psyche gebrannten Gewissheit, ökonomisch immer nur ein ersetzbares Rädchen im Getriebe zu sein, lässt sich keine funktionierende Selbstverwaltung gründen; hier sind Gegenerfahrungen nötig.“ (Mats)

    Übernahme von Betrieben – also mitten im Kapitalismus – fördern das Verständnis der Arbeiter für die Zwänge der Konkurrenz, die Notwendigkeit, gut für die Produkte zu werben, den Zwang, die Top-Ingenieure viel besser zu bezahlen als einfache Arbeiter, etc. pp., also alles Kenntnisse und Fertigkeiten, die man im Sozialismus bestens gebrauchen kann?
    Nein, Betriebsübernahmen sind de facto erstens Schulungen in Sachen Kapitalismus (und nicht in Sozialismus) – und sie sind zweitens Erfahrungen des Scheiterns. Sobald Genossenschaften und ähnliche Konstrukte die Arbeitsbedingungen der Beteiligten erträglicher machen, geht das angesichts der Konkurrenz natürlich auf Kosten des Betriebsgewinns und IMMER fehlt es daher nach einer gewissen Zeit an KAPITAL, so dass die Maschinerie nicht erneuert, geschweige denn auf ein technologisch neues Niveau gebracht werden kann.
    Also ein völliger Irrweg, der ein total falsches Bild von sozialistischer Ökonomie erzeugt – als ginge es dort um ein „besseres“ und „humaneres“ Bestehen im Konkurrenzkampf – und außerdem mit seinem Scheitern immer wieder von neuem „beweist“, dass Sozialismus ein unrealistisches Hirngespinst ist.

  3. TomGard
    29. August 2015, 11:43 | #3

    @ Mattis
    Rüdiger hatte Fabrikübernahmen in folgendem Kontext angesprochen:
    „…nur wenn sie sich politisch organisieren und aktiv werden, können Leute das für die Überwindung des Kapitalismus notwendige Wissen und Können erwerben, das notwendige Vertrauen in sich und andere.
    Bezogen auf zwei Bereiche muss die radikale Linke Erfahrungen reflektieren und in der weiteren politischen Praxis aufnehmen: zum einen Erfahrungen mit der Übernahme von Betrieben durch die Beschäftigten. […] Es kommt auf Arbeitskontakte organisierter Menschen an, die über gemeinsame Vorhaben den Fundus an Wissen und Erfahrung vergrößern. […]
    Unmittelbare Aneignung von Produktionsmitteln ist unter kapitalistischen Bedingungen oft von unmittelbarer Not bestimmt, von Arbeitslosigkeit, Armut, ist also erst mal nicht auf eine Transzendierung des Kapitalismus orientiert. […] Es ist eine noch offene Frage, wie eine linksradikale Organisierung produktiv an solche Projekte anknüpfen kann.“
    Eine der ersten Fertigkeiten, welche eine Arbeiterbewegung zu entwickeln hätte (Modus beachten!), dürfte sein, „Intellekte“ , welche sich über ihrem dogmatischen [beliebig]-„tum“ außerstand gesetzt haben, einen Zusammenhang zwischen drei Textabsätzen verständig herzustellen, aus der Debatte und an eine angemessene Neuschulung zu verweisen.

  4. 29. August 2015, 13:12 | #4

    Rüdiger Mats ist immer gut, wenn er die Fragen und Probleme vormuliert, um die es der revolutionären Linken geht oder leider zumeist ja nur gehen müßte. Getoppt wird das regelmäßig durch seine Überschriften, hier ja auch wieder.
    Aber was dann leider anschließend kommt, der berühmte Königsweg zur „Übergangsgesellschaft“ hin oder Kommunismus her, dann bleibt es immer dünn. Vielleicht ist das im Augenblick auch nicht zu vermeiden, auffällig ist es alle mal.
    Ein zentraler Punkt seiner Hoffnungen, die Betriebsbesetzungen, scheint mir besonders hoffnungslos zu sein. Das sind ja historisch immer die verzweifelten Versuche isolierter Belegschaften in kleineren Betrieben gewesen, nach einem kapitalistischen Aus für ihren Betrieb trotzig irgendwie weiter zu machen. Als ich jung war, gingen die Linken überall mit dem Kampf der LIP-Arbeiter hausieren (Wikipedia: „Große Resonanz in Frankreich und den Nachbarländern fand die Besetzung der Uhrenfabrik LIP in Besançon 1974, bei der die Belegschaft im Widerstand gegen drohende Entlassungen und die Umstellung von Markenuhren auf Massenware die Produktion allein weiter führte und ein eigenes Vertriebsnetz aufbaute.“) Dieser Tage sind das die Strike-Bikeler und aktuell die Vio.ME-Kampagne „Occupy, Resist, Produce“.
    Das ist aber meines Erachtens nur die etwas militantere Version einerseits der alten Genossenschaftsbewegung und andererseits des modernen Kommunalismus. Und das das regelmäßig so gut wie gar nichts an Landgewinnen für Kommunisten gebracht hat ist offensichtlich und ist auch (meiner Ansicht nach) auch vom Programm her untauglich als Modell für eine nachkapitalistische Organisationsform der Wirtschaft, schreibt er ja selbst, „Es ist eine noch offene Frage, wie eine linksradikale Organisierung produktiv an solche Projekte anknüpfen kann.“ Denn welches „Wissen“ kommt denn dadurch (und nur dadurch) zusammen, welche „Erfahrung“ machen den die Menschen, die da involviert sind, daß sie ausgerechnet dadurch zu Kommunisten würden?
    Zum Streit um den Stellenwert von Erfahrungen möchte ich hier wieder auf den Disput zwischen Michael Heinrich als typischem Protagonisten für solch eine Sichtweise und Peter Decker als dem Wortführer des GegensStandpunkt verweisen:
    „Erfahrungen“ versus „unbrauchbare Unzufriedenheit“

  5. Maxi Baer
    29. August 2015, 14:07 | #5

    Dietmar Dath über Produktivkräfte (UZ Pressefest 2014)

  6. 29. August 2015, 15:42 | #6

    Wenn Rüdiger Mats schreibt,

    „Zwischen befreiter Gesellschaft und »Übergangsgesellschaft« zu unterscheiden sollte man sich dabei sparen. Denn trotz aller Erblasten des Kapitalismus muss bereits die nachrevolutionäre Gesellschaft einen guten Grund für die Revolution abgeben.“

    dann bin ich imemer geneigt, sowohl ja als auch nein zu sagen: Das Ja liegt natürlich nahe, denn ohne wenigstens ein paar wirklich zentrale „gute“ Gründe, also schnelle wirklich revolutionäre Änderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat(?) lohnt sich der Aufwand ja nun wirklich nicht. Aber der Begriff der „Übergangsgesellschaft“ oder früher häufig „Sozialismus“ statt „Kommunismus“ betont ja den ebenfalls zentralen Aspekt (jedenfalls für mich und recht viele andere Prokommunisten, GSPler jedenfalls sicher nicht), daß „nur“ mit der Eroberung der politischen Macht in einem Staat (oder mehreren) eben noch nicht wirklich viel gewonnen ist, wenn die damit übernommenen „Altlasten“ stärker ins Gewicht fallen.
    Nur der guten Ornung halber, warum u.a. ich diesen Artikel hier gespiegelt habe: Ich stimme Rüdiger Mats voll zu, wenn er schreibt:

    „Es gibt zu einem ökonomischen Gesamtplan mit verbindlichen Entscheidungen auf zentraler Ebene keine vernünftige Alternative. Nur ein demokratisch beschlossener Wirtschaftsplan gibt den Leuten die Herrschaft über die materiellen Bedingungen ihres Lebens zurück. Es mag sehr viel dezentral entschieden werden können, es mögen peer-ökonomisch organisierte Projekte in die Entwicklung oder in die Produktion integrierbar sein, an der Notwendigkeit zentraler Koordinationsinstanzen ändert das nichts.“

    Ganz offensichtlich stimmt dann auch,

    „Es käme also auf politische Institutionen an, die es ermöglichen, Interessengegensätze herrschaftsfrei zu vermitteln.“

    und ebenso:

    „soll man aber nicht glauben, dass zum Beispiel Arbeiterräte der Weisheit letzter Schluss sind. An Entscheidungen über Veränderungen in einem Produktionsprozess oder über den Umbau von Infrastruktur sollten alle beteiligt werden, die von diesen Entscheidungen betroffen sind, nicht nur die daran Arbeitenden.“

    Falsch halte ich

    „Solche Institutionen müssen schon vor der Revolution, und das bedeutet im Kapitalismus, zumindest in Vorformen entstehen und ausprobiert werden.“

    „Und damit bin ich bei der dritten großen Leerstelle der bisherigen Sozialismusdebatte in konkret: Politische Organisierung hier und heute kommt darin bisher gar nicht vor.“

    Immerhin ist er so ehrlich hinzuzufügen, daß in seinem politischem Umfeld, den Gruppen des Ums-Ganze-Bündnis, dazu bisher buchstäblich auch nichts Vernünftiges gekommen ist.

  7. j.
    29. August 2015, 15:55 | #7

    vielleicht „unpassend“? aber
    http://www.barth-engelbart.de/?p=59740
    es wurd viel (auf breiter „linker“ ebene) dazu getan,
    daß (zusätzlich zur haarspaltenden streiterei sonst) keine „gespräche“ stattfinden (n „vielleicht-zusammentun-willen“ entstehen könnt), somit keine organisation…
    was „man“ da alles zu beachten hat bei der wahl der gegenüber…puuhh, naja, kennt ihr euch hier ja noch besser mit aus, wenn auch nicht am verlinkten entlang so arg… 😉

  8. Max Beer
    29. August 2015, 16:18 | #8

    Ich will kein Spielverderber sein, aber…
    1. Ihr diskutiert über die „nachrevolutionäre“ Übergangsgesellschaft, wie sie auszusehen hat usw. Wie man hier und heute um die „Hegemonie“ kämpft usw. Oder wie man in Griechenland die Machtfrage stellt usw.
    2. 99,99 % der Menschheit findet sich bereitwillig in kapitalistische Verhältnisse zurecht. Wenn sie wählen dürfen, entscheiden die Wähler sich fast alle für prokapitalistische Parteien. Was bringt es, wenn die Kapitalismus-Verächter, die 0,0001 %, engagiert und aufgeregt über die Zustände nach der Revolution diskutieren?

  9. j.
    29. August 2015, 16:24 | #9

    vielleicht, um „einander“ überhaupterstmal aufzufinden, is ja nich leicht bei 0,0001 % 🙄
    (ma macht ja vieles „mit“, zur not halt auch das 😉 🙄 )

  10. franziska
    29. August 2015, 17:20 | #10

    ((Einmal mehr gehts mir hier so, dass schnell weitergeschrieben wurde, während ich noch an meinem Beitrag gearbeitet habe. Darum entschuldigt bitte, wenn das hier etwas unvermittelt einsetzt. Es zielt auch auf die lange Diskussion im thread „Podcast von Theo Wentzke usw“ drüben, die mir zu lang vorkommt, als dass ich da noch sinnvoll einsteigen wollte. Zu den letzten, ein bisschen, nunja, hinzuassoziierten Gedanken der Vorposter könnt ich mich auch äussern. Zu Dietmar Dath WÜRDE ich mich sogar gerne äussern, nur dass ich den Vortrag kaum verstehe, weiss nicht, ob das bloss an meinem Laptop, meinen Ohren oder doch an der Einspielung liegt…))
    An den Debatten um die linksradikale Alternative zur bestehenden Produktionsweise fällt mir auf, dass dort beinah ausschliesslich die folgenden Fragen behandelt werden – was zunächst ja sehr verständlich ist:
    1. Was ist eigentlich abgeschafft, wenn der Kapitalismus weg ist (das folgt eigentlich aus seiner Erklärung bzw Kritik) – was lässt sich nicht so leicht wegschaffen („Muttermale der alten Gesellschaft“?), was an bleibend Unerwünschtem ist noch da (zB das „Reich der Notwendigkeit“?), und woran kann man anknüpfen bzw was erfreulicherweise übernehmen (Reichtum? Technologie?)
    2. Speziell – mit wieviel Dissens unter den Angehörigen der dann freien Produzentenassoziation ist auch dann noch zu rechnen – und wie soll er bewältigt werden?
    3. Und noch spezieller, wieviel Ungleichzeitigkeit (wie weit ausgebreitet, räumlich, zeitlich) muss diese Assoziation in ihrer Umgebung aushalten können, um nicht zusammenzubrechen – wie gross muss sie sein, wie zusammenhängend, wie plötzlich (revolutionär) muss sie zustandekommen, und wieviel Ressourcen für ihre Selbstbehauptung in einer feindseligen Umgebung bzw. Überwindung rückständiger Positionen in ihr erübrigen?
    Aber diese Fragen drehen sich eben bloss um Prinzipien der Vergesellschaftung; was mich verwundert ist, dass dabei einige Gesichtspunkte garnicht mehr zur Sprache kommen, die immerhin in den frühen Gedankenskizzen von Marx (und Engels) einen doch deutlich hohen Stellenwert hatten, und in denen es um die MATERIELLEN Grundlagen der neuen Produktionsweise geht (speziell auch um die Wechselbeziehung von P.kräften und -verhältnissen in ihr…):
    4. Soll da eine Produktionweise auf Basis des erreichten Standes der Produktivkräfte bloss noch eingerichtet werden – oder sind Forschung, Entwicklung, Fortschritt wesentliche Produktionsziele, für die man erhebliche Anteile des gesellschaftlichen Gesamtprodukts reserviert – nach wie vor, oder gar dann erst recht? Vor allem angesichts der vom globalisierten Kapitalismus hinterlassenen zivilisatorischen Gefälle und der zu reparierenden Beschädigungen? (Und, als nicht ganz unwichtiger Teilaspekt: Wieviel von der Technologie einer Produktionsweise wird man eigentlich übernehmen können, die erklärtermassen gleichgültig gegen die Bedürfnisse von Mensch und Natur operierte?)
    5. Wenn aber solcher Fortschritt sein soll – wird man seine Gestaltung „Experten“ überlassen (die ja jeder Laien auf den Gebieten aller andern Experten sind); werden die Produzenten „ihre“ vergesellschaftete Produktion halbwegs kennen, durchschauen, beurteilen und auch unter diesem Aspekt nachvollziehen, mit-entscheiden, sich darüber verständigen und sie steuern können?
    6. Aber das wirft die Frage nach der „Steuerbarkeit“ der Aufmerksamkeit von Einzelnen auf – eine Frage, die sich „historisch“ nach „rückwärts“ verlängern lässt: Wie sinnvoll ist es, sie zu einer von ihnen selbst zu verantwortenden solchen Steuerung (etwa als „Agitation“) aufzufordern? Und… wenn das an Grenzen stösst: In welchem Umfang ist da ein von aussen (von andern, ofrt auch von ihnen selber: etwa per grundlos-„freiem“ „Willen“) nicht zu steuerndes, „passives“ Moment zu unterstellen im (Um- und Dazu-)LERNEN von Einzelpersonen? (Antworten auf diese Frage sollten dann auch einem Max Beer s.o. weiterhelfen…)
    Verwundert bin ich, weil man diesen Fragen unter MATERIALISTEN doch einen hohen Stellenwert einräumen müsste. Warum verlieren soviele diskutierende Linksradikalen DAS MATERIELLE derart aus den Augen? Speziell, wenn sie die Kategorie „Gesellschaft“ in Stellung bringen wie ein Subjekt über den Subjekten, als bestünde die nicht am Ende immer aus Einzelnen, durch deren Interaktionen allenfalls die ganze „Vergesellschaftung“ (mit der es vielleicht derzeit nicht so weit her ist) zustandekommt?
    Anm. Ein paar ähnliche Gedanken habe ich hier geäussert:
    http://keimform.de/2015/eine-idee-fuer-den-uebergang/#comment-552265

  11. Krim
    29. August 2015, 17:25 | #11

    Nein. Der gute Grund Für Kommunismus ist nicht der Systemvergleichsshop, indem man sich aus dem Regal das Gesellschaftssystem grapscht, das dem Individuum am meisten verspricht. Die Kritik wurde schon geleistet. Es unterstellt ein bürgerliches Konkurrenzindividuum das Gesellschaft immer danach beurteilt, was es selbst daraus an Nutzen privatisieren kann. Es sind Eigentümer, die die Gesellschaft nur im Verhältnis ihres Eigentümermaterialismus interessiert. Der Materialismus der Eigentümer soll also unkritisiert bleiben, wenn man den selben Konkurrenztypen vorrechnet, dass es nach der Revolution viel besser wird. Man lässt sich auf deren Maßstab ein.
    Der gute Grund für Kommunismus ist ist die Notwendige Schädlichkeit des Kapitalismus fürs Individuum, für alles. Wer einen vorher nachher Vergleich anstellt, der teilt die Diagnose der notwendigen Schädlichkeit des kapitalistischen Systems nicht. Oder er traut seinem eigenen Urteil nicht. Denn natürlich wird das kapitalistisch verursachte Elend mit dem Kapitalismus abgeschafft und natürlich hat das ein besseres Leben zur Folge.
    „Nur ein demokratisch beschlossener Wirtschaftsplan“ Nein. Demokratie verbürgt einen Scheiß. Demokratie ist Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit und gibt den Leuten eben nicht die Herrschaft über ihre materiellen Lebensbedingungen zurück.
    Ganz offensichtlich stimmt dann auch nicht: „„Es käme also auf politische Institutionen an, die es ermöglichen, Interessengegensätze herrschaftsfrei zu vermitteln.““ Denn Herrschaftsfreiheit kommt mit Demokratie gerade nicht zustande. Demokratie vermittelt auch nichts. Herrschaftsfreiheit folgt gerade nicht aus einer politischen Institution, sondern aus einer politischen Zwecksetzung. Herrschaft ist die systematische gewaltsame Unterordnung gesellschaftlicher Interessen, meist zwecks Ausbeutung einer Klasse durch die andere. Also schafft die Abschaffung des Zwecks Ausbeutung auch die zugehörige Herrschaft ab, oder andersrum. Jedenfalls ist es blöd Herrschaft abstrakt als Folge einer politischen Struktur zu denken, die ohne Zweck gedacht wird, sondern rein als Unterordnung anderer der Herrschaft willen.
    „„Solche Institutionen müssen schon vor der Revolution, und das bedeutet im Kapitalismus, zumindest in Vorformen entstehen und ausprobiert werden.““ Und was sollen diese Institutionen entscheiden? Wieviele Flugblätter zu drucken sind?

  12. 29. August 2015, 18:09 | #12

    So abgrundschwarz wie in deinem Verweis-Statement hast du das früher aber nicht vorgebracht:

    „Meiner Lesart der historisch-materialistischen Arbeitshypothese zufolge ist hingegen rein garnichts da, und muss erst mühsam entwickelt werden – während das Fehlen dieses Fortschritts sich allenthalben drückend und immer bedrückender bemerkbar macht.“

    Aber selbst, wenn es „nur darum ginge, all die vorhandenen Produktivkräfte nach einer Revolution darauf aubzuklopfen, was davon kommunistisch vernünftig überhaupt brauchbar bleiben könnte, wäre damit ja ein recht umfassendes Programm angerissen, was du Entwerfen und Umsetzen einer „Produktions-Architektur“ nennst.

  13. 29. August 2015, 18:11 | #13

    Normalerweise stoße ich mich ja an Krims steilen Thesen, daß nach der Revolution alles gut wird, jedenfalls werden könnte. Aber über das jetzt hat er halt recht:

    „„„Solche Institutionen müssen schon vor der Revolution, und das bedeutet im Kapitalismus, zumindest in Vorformen entstehen und ausprobiert werden.““ Und was sollen diese Institutionen entscheiden? Wieviele Flugblätter zu drucken sind?“

  14. j.
    29. August 2015, 20:31 | #14

    nuja, wie im ikl-dingens:
    j.
    05. August 2015 um 18:32 Uhr
    am besten, ihr agitiert die trotz-kisten und die denne die arbeiter, dann machn die weiter euren job und dis dann aber richtig…
    belustigt
    bzw von herrn decker gegenüber den „sed“-lern beernsthaftet…
    laufenden oder schon gescheiterten versuchen (grad, wenn aus ner „not“ heraus) ein „sich was falsch erklären“ vorlegen , also „hingehn“ statt wegkicken oder drübertrampeln
    editha: ich wüßt immernoch gern , was das 50%-falsche an der su-kritik is @ hoxha

  15. Mattis
    29. August 2015, 20:52 | #15

    „99,99 % der Menschheit findet sich bereitwillig in kapitalistische Verhältnisse zurecht. Wenn sie wählen dürfen, entscheiden die Wähler sich fast alle für prokapitalistische Parteien. Was bringt es, wenn die Kapitalismus-Verächter, die 0,0001 %, engagiert und aufgeregt über die Zustände nach der Revolution diskutieren?“ (Max Beer)

    Tolles Argument. Irgendwann hatten sich übrigens alle mal in die Feudalherrschaft gefügt …
    Es steht dir ja frei, dich an der untertänigen Meinung der Mehrheit zu orientieren und die Diskussion über Alternativen sinnlos zu finden – dann wundert mich aber, dass du hier deine Zeit verschwendest. Aus dem Text von Rüdiger Mats geht eigentlich hervor, warum er die Debatte für wichtig hält.
    99,99 % der Menschheit hat übrigens auch kein Interesse an Links zu FAZ-Redakteur Dietmar Dath, insbesondere ohne jede Kommentierung deinerseits. Oder steht eine Umbenennung der FAZ in „Frankfurter Arbeiter Zeitung“ kurz bevor?

  16. Mattis
    29. August 2015, 21:40 | #16

    Ich möchte mal ein allgemeines Statement gegen das viele Fragen-Aufwerfen vorbringen. Statt dass aufgezählt wird, welche Fragen in Sachen Sozialismus alle offen sind, fände ich es produktiver, wenn dazu vermehrt auch Antworten zu geben versucht würde.
    Zwar weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man sich damit in die Nesseln setzen kann, und man muss im Laufe der Zeit vielleicht auch mal Positionen revidieren, aber einen anderen Weg gibt es m.E. nicht.
    Das ganze antikapitalistische Umfeld krankt doch an dieser vorrangig methodischen Stellung.
    Dabei ist das Thema über 200 Jahre alt, die Fragen sind großenteils bekannt, die Antworten sind bisher dürftig.

  17. j.
    30. August 2015, 09:21 | #17

    naja, die fragenstellerei is schon auch n „antwortenkatalog“…viele liefern mit ihrem „des muß nu unbedingt beantwortet werden“ schonmal ne antwort auf die frage „warum kommtn nix zustande?“ (keine organisation, kein widerstand, kein …ach, alles mögliche)
    „falsche fragen“ (fragestellungen) sind echt übler als „wenig/keine antworten“!!!
    also isn „beantworten“ zumeist „sich die frage mal genau anschaun“…unds is „wie kommt wer auf so`ne frage?“ usw usf und am end haste denne halt bestenfalls ne „gute kritik“ der frage und nuja, dis is zumeist dann auch schon dreiviertel einer antwort, nicht wenig auch vierviertel… 😉
    interessant für den umgang mit fragen is dann vielleicht, wie „wir alle“ die sache mitm fragestellen und antworten-bekommen bzw sich-selbst-was-beantworten (er)lernen (erziehung, klar…dann aber auch in „wiss.kritik“ vorgelegtes) …

  18. Mattis
    30. August 2015, 12:59 | #18

    @franziska:
    Bei keimform.de hat Jan-Hendrik Cropp Hinsicht eine recht nüchterne Bestandsaufnahme zu Projekten der Solidarischen Landwirtschaft gemacht.
    http://keimform.de/2015/solidarische-landwirtschaft-charity-und-unbezahlte-arbeit/
    Angesichts der Probleme bei solchen Projekten (z.B. kaum Überschuss für Neuinvestitionen, Abhängigkeit von Geldgebern und anderes mehr) denke ich mal, dass auch Projekte deiner Vorstellung in dieselben Probleme kommen und das bedeutet u.a. eine sehr hohe Belastung für alle Beteiligten, sich außer der Arbeit selbst noch laufend mit diesen ganzen Engpässen herumzuschlagen. Aussteiger (Arbeitskraft und viel Erfahrung gehen verloren) und sich abwendende oder in der Krise verarmende Geldgeber können solche Projekte schnell in ein Desaster führen und für die Verbleibenden werden die Umstände dann immer ungemütlicher.
    Dass man ohne Ausbeutung arbeitet, heißt eben noch lange nicht, dass die Mittel dann reichlich vorhanden sind, das muss man sich klarmachen. In solchen überschaubaren Dimensionen ist eine einigermaßen effiziente Produktion außerdem auch unmöglich, man krebst da immer am Minimum herum. Insofern sehe ich in deinem Konzept auch keinen Prototyp für sozialistische Ökonomie.

  19. franziska
    30. August 2015, 14:40 | #19

    Mattis, zwischen einem „Projekt meiner Vorstellung“ und dem, wovon da die Rede ist, liegen geschätzt 50-100 Jahre agrarwissenschaftlicher Forschung. Tut mir leid, dass ich mir diesen Schuh nicht anziehn kann, du hast sicher noch nen andern, letztes Mal wars dein persönlicher Kartoffelacker 😉
    ——————-
    Ich sags mal auch in Richtung Max Beer: Wer übers Vorher redet, redet auch übers Nachher, und umgekehrt. In Form der Utopien-Debatten wird immer über Herzstücke der linken Theorie gestritten. Das ist nichts Peripheres.
    Zentraler Inhalts-Kern meines Fragenkatalogs ist die These:
    Es kommt etwas epochal Neues ins Spiel, wenn Technologie in Gestalt ihrer gesellschaftlich-arbeitsteiligen Nutzung erstmals auf „vergesellschaftete“ ZWECKE bezogen wird – solche, die Leute haben, wenn sie ihr Leben und Arbeiten so einrichten, dass sie nicht dauernd ihre Bedürfnisse ignorieren müssen; oder wenn sie Natur-Zusammenhänge zugleich erhalten und gestalten wollen (aber wer genau will das denn heute?); oder wenn sie auch nur Zeit gewinnen wollen, um herauszufinden, wie sie ihre fortbestehenden Differenzen mit der Rest-Menschheit abbauen können. (Das sind nun mal meine Lieblingszwecke; andre hier können sagen, was ihnen dabei fehlt. Oder zuviel ist.)
    Im Gegenzug ist epochal alt, also so, wie gegenwärtig noch immer, aber auch schon seit langem: der Einsatz von Technik, blossem Können, um noch mehr Technik, noch mehr Können zu entwickeln. Das heisst „Fortschritt“; und der Kapitalismus (aber.. wer ist DAS denn?) legitimiert sich (derzeit; noch immer) hauptsächlich darüber, dass in ihm, durch ihn – besser, als durch jedes vergleichbare „System“ – weltweit massenhaft Leute motiviert werden, an diesem Fortschritt mitzuwirken. Bzw sich dafür zu verschleissen…
    Anm. 1: Kapitalismus-Kritiker stehen daher immer im Verdacht, Fortschrittsfeinde zu sein. Und… bisweilen hört sich der linke „Diskurs“ ja auch durchaus so an: ProduktivKRAFTentwicklung war die historische Leistung des Kapitals; nun ist die aber doch soweit gediehen, dass mans auch mal gut seinlassen kann, und sich auf dem erreichten Niveau einrichten (vgl. Fragestellung Nr.4 oben). Auch eine Art, wenn auch keine besonders geglückte, wie man das mit dem historisch Neuen, den Zwecken, ausdrücken kann. Und damit zu
    Anm. 2: Kapitalismus SOLL ja, angeblich, einem Zweck dienen: Geld vermehren – eine populäre Kurz- und Zusammen-Fassung von Einsichten aus der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie. Leider auch wieder etwas unglücklich formuliert, und ökonomisch durchaus irreführend. Denn es bleibt dieselbe Bewegung, wenn das „Geld“ (Kapital), bei ständiger Revolutionierung der Produktivität (von allem und jedem „Produktiven“) auch nur nicht weniger wird. Sogar wenn formelle Geldsummen wie zB Bruttoinlandsprodukte sinken, kann (muss nicht) wachsender „Reichtum“ sich darin darstellen. Der eigentliche Zweck, wenn es denn einer ist, oder auch Effekt, ist auf die Weise nur sehr trüb benannt.
    ((Die Ausdrucksweise ist noch in anderer Hinsicht schief: Denn wenn niemand einen Zweck mit solch einer Veranstaltung verbinden würde, sollte man eben doch lieber von einem Effekt sprechen; dann natürlich von einem womöglich unbeabsichtigten. Hingegen wenn damit etwas bezweckt und womöglich verfehlt wird, sollte das in der Darstellung auch mal zur Sprache kommen; wär es anders, hätte Kapitalismus keine Legitimation (ob er eine braucht, ist eine ganz andre Frage). Diese Legitimation aber behauptet, der Effekt, nämlich: endlose Erhöhung der Produktivität in der Produktion von allem Möglichen, sei zugleich für das Wohlergehen der meisten sehr nützlich, und jedenfalls nützlicher als jede alternative Produktionseinrichtung. Wenn schon die Legitimationsversuche so eindeutig unterscheiden zwischen Effekten, der und die inkaufzunehmen sind, weil es Mittel (oder erträgliche Nebenfolgen) sind, und andererseits eigentlich erwünschtem, insofern bezweckten (aus Sicht der Kritik hingegen verfehltem) Nutzen dieser Effekte – dann sollte die Kritik das auch tun. Sonst redet sie an der Legitimation (die zu entkräften ist) vorbei.))
    Es gibt noch einen zweiten „Inhalts-Kern“, der mit dem ersten eng verschränkt ist; aber sehr viel schwerer auf den Begriff zu bringen ist. Die zugehörige provisorische These könnte lauten: „Gesellschaft“ ist ein Wort, das heutzutage eine ähnliche Stellung hat wie vormals das Wort „Schöpfung“ (die hatte ja, zu ihrer Zeit, auch lauter „Zwecke“). Wobei letztre einen aufgeklärten, jedenfalls rationelleren Gegenpart hatte in Gestalt des Wortes: Natur. Für „Gesellschaft“ hingegen fehlt solch ein Gegenstück bis heute. (Mit „Geschichte“ verhält es sich vielleicht ähnlich.)
    Und diese Schwäche der Theorie zeigt sich ua in den Utopie-Debatten. Kapitalismus soll also kritisiert, und im Sinne der Kritik überwunden werden. Also eine Produktionsweise mit einem Zweck, den niemand hat, der aber das unter gegebnen Umständen bestmögliche Wohlergehen der meisten („grösstes Glück der grössten Zahl“) zur Folge hat – auf Dauer zumindest, wenn man ihn nur gewähren lässt, naja, besser als in jeder Alternative. Dieser vollmundigen Rede der Apologeten der Marktwirtschaft können radikale Linke allem Anschein nach nur begegnen, indem sie eine zentrale Voraussetzung darin mitmachen: Es gibt ein massenhaftes, insofern in der Theorie zumindest schon mal „vergesellschaftet“ auftretendes, wohlverstandenes Interesse der grössten Zahl; und das, so die Kritiker, wird verfehlt.
    Die meisten Leute, an die die Kritiker sich wenden, sind nun nicht etwa gläubige Verfechter des Marktes; sie mögen vielleicht etwas zu sagen haben zur Frage, was sie im Leben so wollen, womit sie rechnen usw. Aber zum Ganzen der Riesen-Zusammenhänge, in die sie gestellt sind, haben sie (sogar sehr viele „gut ausgebildete“ oder gar Gebildete unter ihnen) sich meist so gut wie keine Gedanken gemacht. Bestenfalls können sie die ein oder andere Formel, einen Slogan, nachreden, der ihnen beigebracht wurde und irgendwie, ohne allzulange Prüfung, einleuchtete. Die Leute, die über „Schöpfung“ räsonnierten, wussten ja auch recht wenig von „Natur“. Allein schon diese Nicht-Stellung zu ihrer aller (arbeitsteiligem) Zusammenhang macht sie zu, in Krims Worten drüben gesagt, Eigentümer-Materialisten. Zu was andrem als ihrem kleinem Eigenreich könnten sie denn fundiert Stellung nehmen? (Können der Staat, können Behörden es? Oder… Gesellschafts-Wissenschaftler? Zumindest… marxistische…?)
    Die Utopisten machen es nun nicht anders als jeder, der am Stammtisch schwadroniert (oder als Poltiker oder Journalist FÜR ein unbestimmtes Publikum schreibt, oder vor einer Wählerschaft argumentiert), es geht auch nicht anders: Es werden Meinungen, Einschätzungen, Befürwortungen, die man kennt, wohl auch teilt, generalisiert und „Mehrheiten“ da draussen zugeschrieben. Das fällt insofern leicht, als die meisten dieser Meinungen und Befürwortungen ihrerseits HANDELN von Einstellungen (also Meinungen, Einschätzungen) und darauf beruhend, Erwartungen bezüglich der Handlungen relativ homogen gedachter grösserer Gruppen… irgendwo da draussen. Es gibt da kein REALES „wir“, auf das irgendjemand sich redlicherweie beziehen könnte; nur ein „sie“ (denen man sich gegenüberstellen oder zugesellen kann, das spielt keine Rolle), über die man sich mit realen Andern unterhalten kann. Aber: Niemand kennt „sie“, niemand hat mit ihnen geredet. „Sie“ müssen einfach vorausgesetzt werden, damit ich (in diesem Text) und ihr hier etwas haben, ausser uns, worüber wir reden können: als solchen, die Zwecke und/oder Interessen haben, die realisiert oder verfehlt werden.
    Produktion „gesellschaftlich arbeitsteilig“ auf Zwecke beziehen… setzt wahrscheinlich nicht nur revolutionär neue Technologien voraus; nicht nur eine revolutionär neue Art der Lebens- und Arbeitseinrichtung; sondern das Revolutionärste überhaupt: Vergesellschaftung über dich und mich und „euch“ (hier) hinausgehend. Schon den Begriff davon zu bilden fällt, wie gesagt, schwer…. Und die Kommunisten merken somit garnicht, WIE radikal sie sind (und mit was für Schwierigkeiten „Planen“ auf „gesellschaftlicher“ Stufenleiter darum konfrontiert ist, allen Einwänden zB gegen ricardo im Podcast-thread drüben zum Trotz…)

  20. j.
    30. August 2015, 15:15 | #20

    ich hatte in diesem wal-nochwas-forum ja mal reingelesen und da dann va „franziska“ und tipselte draufhin „franziskanerin“ trifft auf „ex-franziskanerin“ (sorry für die namensspielerei)…
    daß so einige „kommunisten“ die radikalität ihrer „hinsagerei“ (ganz lieb gesat+gemeint!) nicht be-merken, stimmt, nur daß man „sie“ (diese „kommunisten“) dann über die „tragweite“ (reichweite) in solch „heiligem eifer“ (so erschiens mir in dem walding und jetzt im zweiten kommentar auch) „aufklären“ muß, „behagt“ mir nicht recht…fragt ja (bei mir) : ahh, kuwi? wegen dem „vergesellschaften“-eifer , dann aber: hmm, vielleicht muß ich alle drei bände durchackern, um sie (franziska nebst eifer) zu verstehen?
    es gibt wirklich tolle sachen, die man mit dem „rad“ anstellen kann, aber ob mans dazu ständig neu erfinden muß? (ich hab selbst n heidenspaß daran 😳 , aber „nötig“ außer der spaßhaberei is daran nicht wirklich was, vielleicht beim ersten mal, daß man versteht, wie`s funktioniert eben)
    die sache mit dem lernen isn wirkich wichtiger punkt und nunja, so`n „rausfind“, was man mit dingen und „dingern“ (erkenntnissen) so alles „noch“ anstellen kann (weiterentwickeln), sowas kann man nur tätlich (über verbote mit strafandrohung) unterbinden, wo immer „lernen“ erlaubt ist, wird sich ausgetobt, was das zeug hält…
    (brummschädel = migräne heut, sorry, nur: was macht diesen „eifer“ ? ich versteh den nicht 🙄 )

  21. franziska
    30. August 2015, 18:18 | #21

    j, mein Lieblings-Spruch zu „Kommunismus“ ist: Dort ist die Entwicklung jedes einzelnen die Bedingung der Entwicklung aller.
    Setz statt „Entwicklung“ „Lernen“ ein… und dann frag dich, wer da noch mitgeht oder -kommt: Was wird denn da aus dem ganz grossen Rad der Arbeitsteilung (oder der Wissenschaft, der Agrar-Wissenschaft zB), an dem wir (auwei, du färbst ab, j) alle drehen – wenn es sich am Radius („Reichweite“) der derzeit kleinsten Rädchen im Getriebe ausrichten soll? Umgekehrt, welches von den Kleinen ist denn dem Riesenrad gewachsen, das sie („sie“, schon wieder) alle zusammen sein wollen? Die Kommunisten, naja im weiteren Sinn, also dann „wir“ (hier) stellen sich wenigstens dem Problem. Aber das… wars dann auch schon.
    PS: Du eiferst ja auch nicht grad wenig hier rum. Und ich… wahrscheinlich wie du, und die andern. Tja. Deine Frage stellt sich trotzdem. In der Tat…

  22. Max Beer
    30. August 2015, 19:28 | #22

    -tut mir leid, wenn ich diesen thread störe. einfach diesen beitrag überspringen, der vom thema weg führt.
    @mattis: ich meine natürlich nicht, dass man die hände in den schoß legen soll, sondern die 99,9 % der leute agitieren soll, die im kapitalistischen rahmen denken. man braucht sich nicht die birne über den kommunismus zu zergrübeln, man kann erst mal den 99,9 % klarmachen, dass sie in rente gehen werden mit renten auf Hartz-4-niveau, das haben ihnen die parteien eingebrockt, die sie selbst 40 jahre gewählt haben. (ich war grade bei der rentenberatung, da habe ich das den schockierten renten-antragstellern ins gesicht gesagt.)
    – ich bin immer verblüfft, wenn ich seh, was kommunisten für debatten führen, die mich an glasperlenspiele erinnern. wir sind soweit von einer linkswendung weg, wie noch nie und da werden debatten geführt, als werde in absehbarer zeit die machtfrage gestellt.
    – linke auf dem vormarsch: da wird von linken (nicht in diesem blog!) syriza bejubelt, eine partei, die einen staat lenkt, der noch immer den grössten militäretat (aufs BSP bezogen) der welt hat, mehr panzer als die bundeswehr und nordkorea, und diese gurkentruppe syriza ist unfähig oder unwillens, gestrandeten flüchtlingen auf einer insel mineralwasser zuzustellen. gäbe es auf dieser insel nur einen türkischen soldaten, wäre sofort das militär mit 50.000 mann vor ort mit zeltstädten und feldküchen, um gegen den NATO-partner türkei loszuschlagen.
    – ich bin grad im urlaub in einer kleinstadt, da haben bei den letzten wahlen 45 % rechtsradikal gewählt. gewonnen hat die wahl ein „moderater“ rechter.
    so, jetzt schau ich „casablanca“ auf ARTE.

  23. Mattis
    30. August 2015, 20:39 | #23

    „ich bin immer verblüfft, wenn ich seh, was kommunisten für debatten führen, die mich an glasperlenspiele erinnern. wir sind soweit von einer linkswendung weg, wie noch nie“ (Max Beer)

    Klar, du könntest auch, statt Casablanca zu gucken, noch ein weiteres Stündchen an der Agitation arbeiten …
    Du siehst doch an den unterschiedlichen Vorstellungen über Sozialismus und Kommunismus, dass selbst die Ablehnung des Kapitalismus noch nicht zu einer Klarheit über die Alternative führt.
    Und da die Leute ja, wie du selbst sagst, sich momentan wenig von abweichenden Argumenten beeindrucken lassen, kann man doch mal in Ruhe darüber debattieren, was man eigentlich will, und nicht nur, was man nicht mehr will, oder?
    Glaub doch nicht, dass sich dieses Thema in stürmischen Zeiten dann mal so nebenher erledigen lässt.
    Vielleicht betrachtest du es mal ganz entspannt: dafür gucke ich keine Krimis.

  24. Mattis
    30. August 2015, 20:45 | #24

    „man kann erst mal den 99,9 % klarmachen, dass sie in rente gehen werden mit renten auf Hartz-4-niveau“ (Max Beer)

    Die Rentner, die genau das bereits praktisch in Erfahrung gebracht haben, sind auch nicht grad Antikapitalisten geworden, sondern hetzen gegen Flüchtlinge und jammern dabei über die vielen armen Deutschen.

  25. j.
    30. August 2015, 22:14 | #25

    ja, ich eifer auch, sagte vorhin grad: manchmal „flimmert“ ein „wollen“ durch (mein gegenüber weiß, was ich damit meine und ich kanns jetzt hier aber nicht -mehr- erklärn = müd) … naja und dann „meine“ ich (der einzige optimismus, der daherwatschelt tatsächlich manchmal @mattis 😉 ), leuts zu finden oder gefunden zu haben, mit denen doch „irgendwie“ „was drin“ is… keine der „utopien“, aber halt n wollen, dessen energie hinreichte, daß auch was „passiert“, also andres als „zirkeltraining“ (der is schief, ich weiß)…
    aber ich halt jetzt ne woche meine klappe, hab ich mir versprochen (tut auch ganz gut, naja, nich nur mir 😉 )
    gutnacht

  26. Krim
    31. August 2015, 11:25 | #26

    Den verlinkten Dietmar Darth Vortrag fand ich nicht schlecht. Da wurden einige Ideologien kritisiert die auch im Thread „Podcast mit Theo Wentzke zu Griechenland“ vertreten wurden, hauptsächlich von ricardo, „der Markt als wundersame Regelungsinstanz, die alles richtet“.

  27. 31. August 2015, 18:12 | #27

    Eigentlich würde das folgende Zitat auch in dem Schillo-Thread passen, da es aber ein Zitat zum hiesigen Thema ist, bringe ich es hier:
    Wie kommt die Alternative bei Marx vor?
    »Die Alternative zu einem kommodifizierten System [Kommodifizierung = Kommerzialisierung, Ausbreitung des Warencharakters, U.F.F.], das den Reichen dient, wäre ein System, in dessen Mittelpunkt die Produktion und (…) Bereitstellung von Gebrauchswerten ohne Marktvermittlung stehen.« (Harvey 2015,41f.) Dem ist zuzustimmen. Der Autor fährt fort: »Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie eine Alternative zum Kapitalismus aussehen könnte, müssen wir eine funktionstüchtige, geldlose Wirtschaft entwerfen.« (Ebd., 56) Diese Aufgabe stellt sich allerdings nicht als eigenständiges theoretisches Projekt, Marx hat sie allgemein mit seiner Kritik schon gelöst, und zwar gerade dadurch, dass er die kapitalistische Produktionsweise als eine bestimmte Form der Produktion und damit als einen historisch produzierten Zustand erklärt hat.
    Es ist bekannt, dass Marx kein Modell einer nachkapitalistischen Gesellschaft entworfen hat. Er wusste, dass es bei gesellschaftlichen Entwicklungen nicht um eine Auswahl von Modellen geht; solche Entwicklungen hängen vielmehr von den realen Bedingungen ab, die sich mit der Technik und Produktivität unter kapitalistischen Vorzeichen ergeben haben. Dennoch hat Marx die Alternative nicht im Dunkeln gelassen, denn in seiner Kritik des Kapitals sind alle allgemeinen Bestimmungen einer Produktion enthalten, die sich bei der Abstreifung der kapitalistischen Besonderheiten ergeben würden. Und dass dabei die Bestimmung des Werts – unter Abstreifung seiner Wertgegenständlichkeit in Form des Geldes – die Grundlage bildet, dürfte sowohl die Vertreter der neuen Marx-Lektüre als auch ihre Kritiker überraschen.
    Marx schreibt: Es »bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.« (MEW 25, 859) Und an anderer Stelle stellt er dar, was seine Formanalyse – neben den immanenten Widersprüchen der Verwertung – erbracht hat. Sie habe all die Formen erfasst, die einer gesellschaftlichen Produktionsweise widersprechen und daher überwunden werden müssen. »Reduziert man allerdings den Arbeitslohn auf seine allgemeine Grundlage, nämlich auf den Teil des eignen Arbeitsprodukts, der in die individuelle Konsumtion des Arbeiters eingeht; befreit man diesen Anteil von der kapitalistischen Schranke und erweitert ihn zu dem Umfang der Konsumtion, den einerseits die vorhandne Produktivkraft der Gesellschaft zuläßt (also die gesellschaftliche Produktivkraft seiner eignen Arbeit als wirklich gesellschaftlicher) und den andrerseits die volle Entwicklung der Individualität erheischt; reduziert man ferner die Mehrarbeit und das Mehrprodukt auf das Maß, das unter den gegebnen Produktionsbedingungen der Gesellschaft erheischt ist, einerseits zur Bildung eines Assekuranz- und Reservefonds, andrerseits zur stetigen Erweiterung der Reproduktion in dem durch das gesellschaftliche Bedürfnis bestimmten Grad; schließt man endlich in Nr. 1, der notwendigen Arbeit, und Nr. 2, der Mehrarbeit, das Quantum Arbeit ein, das die arbeitsfähigen für die noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähigen Glieder der Gesellschaft stets verrichten müssen, d.h. streift man sowohl dem Arbeitslohn wie dem Mehrwert, der notwendigen Arbeit wie der Mehrarbeit den spezifisch kapitalistischen Charakter ab, so bleiben eben nicht diese Formen, sondern nur ihre Grundlagen, die allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinschaftlich sind.« (MEW 25, 883) Dies ist die wahre Konsequenz aus der Formanalyse kapitalistischer Produktion und darin besteht ihre Bedeutung für die Alternative.
    Auf diesem Reich der gemeinschaftlich kontrollierten Ökonomie entfaltet sich dann das Reich der freien Entwicklung der Individualität, wobei es eine Bedingung gibt: Die gemeinschaftliche Produktion verlangt die Überwindung der Privatarbeit und damit die Überwindung der Spaltung der Gesellschaft in die Klasse der Kapitalisten und die Klasse der Arbeiter, um eine gemeinsame gesellschaftliche Produktion zu schaffen. (Vgl. dazu auch Ingo Stützle 2015) Angesichts der Arbeitslosigkeit in England schrieb Engels 1886 im Vorwort zur englischen Ausgabe des »Kapital« (Marx referrerierend), »daß, zumindest in Europa, England das einzige Land ist, wo die unvermeidliche soziale Revolution gänzlich mit friedlichen und gesetzlichen Mitteln durchgeführt werden könnte. Gewiß hat er nie vergessen hinzuzufügen, dass er kaum erwarte, die herrschenden Klassen Englands würden sich ohne >proslavery rebellion< dieser friedlichen und gesetzlichen Revolution unterwerfen.« (MEW 23, 40)"

  28. 31. August 2015, 18:19 | #28

    Es hat mich sehr befremdet, daß Uwe F. Findeisen augerechnet mit der nun wahrlich lange heiß umstrittenen Passage über eine eventuelle „friedliche und mit gesetzlichen Mitteln“ durchführbare soziale Revolution geendet hat. Ist der politisch etwa auch einer der vielen Fans von Jeremy Corbyn, dem neuen linken Star am Himmel der britischen Labour Party??

  29. 31. August 2015, 18:42 | #29

    Und schon bei Marx hat mich befremdet, was Findeisen jetzt als „Überraschung“ präsentiert, daß nämlich „die Wertbestimmung vorherrschend“ sei (oder gar bliebe??). Den Grundlagen, die nach Abstreifung des spezifisch kapitalistischen Charakters übrig bleiben, die auch noch „allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinschaftlich sind“ ausgerechnet diesen umstrittenen Mantel des Wertbegriffs umzuhängen, halte ich zumindest für mißverständlich.

  30. Mattis
    31. August 2015, 21:16 | #30

    „Er wusste, dass es bei gesellschaftlichen Entwicklungen nicht um eine Auswahl von Modellen geht; solche Entwicklungen hängen vielmehr von den realen Bedingungen ab, die sich mit der Technik und Produktivität unter kapitalistischen Vorzeichen ergeben haben.“

    Ich kann mit solchen Sätzen nichts anfangen. Um eine „Auswahl von Modellen“ geht es schon deshalb nicht, weil es erstmalig um eine mit Wille und Bewusstsein gestaltete Gesellschaft gehen soll.
    Was die „realen Bedingungen“ betrifft – welche sind gemeint? Ob man ohne Konkurrenz erst produzieren kann, wenn die so oft zitierten Produktivkräfte zum Umkippen der Produktionsverhältnisse führen oder drängen oder so … und von welcher Technik soll denn eine ausbeutungsfreie Ökonomie nun abhängig sein?

  31. Krim
    31. August 2015, 22:28 | #31

    Ein merkwürdige Wertbestimmung, die in „Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber,“ bestehen soll. „in dem Sinne“ muss man sehr großzügig mit zwei zugedrückten Hühneraugen auslegen.

  32. Mattis
    31. August 2015, 22:54 | #32

    In seinem Artikel „Ware im Kapitalismus“ schreibt Findeisen:

    „Die Wertproduktion ist schon eine gesellschaftliche Produktion, aber noch mit einer unkontrollierten sachlichen Form des gesellschaftlichen Gleichgewichts zwischen Produktion und Verteilung.“
    http://www.magazin-auswege.de/data/2012/01/Findeisen_Ware_im_Kapitalismus.pdf

    Die Andeutungen sind überhäufig, dass Sozialismus darin bestünde, die kapitalistischen Formen von etwas zu überwinden, das dann in seinem eigentlichen Kern zur wahren Geltung kommen könne.
    Aber was ist oder soll das dann sein: eine irgendwie eigentliche „Wertproduktion“, oder will er nur die Tatsache umschreiben, dass gesellschaftliche Produktion dann „nur“ noch echt gesellschaftlich, ohne die kapitalistischen Formen, stattfindet?
    Aber das wäre doch nicht nur eine Form-Überwindung.

  33. Barnabas
    1. September 2015, 06:00 | #33

    Die Ausdrucksweise ‚Formveränderung‘ drückt sich um zentrale Probleme herum, z.B. was soll mit dem Unterschied von komplizierterer und einfacher Arbeit werden (obendrein gibt es diesen Standpunkt in den gewerkschaftlich bemühten ‚Lohngruppen‘), wie soll man damit umgehen, dass es eintönige und doofe Arbeiten nach wie vor trotz [oder wegen?] Automatisierung gibt etc.pp.
    Andererseits sind das doch Enscheidungen des Vereins der freien Menschen selbst – sollte man darüber sich jetzt streiten? Da hängt doch sehr viel davon ab, welchen Notwendigkeiten man nachkommen muss – und welche Verabredungen man untereinander so oder so treffen kann.

  34. Barnabas
    1. September 2015, 06:57 | #34

    Und was „Buchführung“ sein soll, müsste man auch erklären.
    Damit will er augenscheinlich bestimme Probleme, die hier unter dem Begriff „Geld“, „Arbeitszettel“, „Stundenzettel“ gewälzt wurden, vermeiden.
    Wie aber nun genau? Was wird daran vermieden?

  35. 1. September 2015, 07:17 | #35

    Wenn „Buchführung“ ganz modern als Datenbanksysteme verstanden wird, dann wird sowas natürlich in einer Planwirtschaft enorm zunehmen. Im Kapitalismus gibt es sowas gesamtgesellschaftlich nur rudimentär, jedenfalls dann, wenn man die ganze Geld-Welt außen vor läßt. Es müßte ja erstmal wirklich erfaßt und zusammengetragen werden, eben buchgeführt werden, was es an Resoourcen aller Art gibt, welche Produktionsmittel schon vorhanden sind, welche Transportmöglichkeiten, aus dem Patentregister würde dann der Pool der verfügbaren Technologien, usw.
    Aber darum geht es Findeisen vermutlich nicht.

  36. Krim
    1. September 2015, 11:55 | #36

    Insgesamt würde die Buchführung im Kommunismus nicht zunehmen, wenn man die Buchführung der einzelnen kapitalistischen Betriebe gegenrechnet. Da wird mittlerweile ja jeder Furz kontrolliert und analysiert. Auch in diesem Bereich wird die gesamtgesellschaftlich Zusammenfassung eine sehr viel effektivere Buchführung erlauben.
    Dass Wertproduktion eine gesellschaftliche Produktion ist stimmt. Das sie unkontrolliert ist stimmt auch. Aber dass sie eine Form des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verteilung ist, ist natürlich Ideologie. Erstens gibt es kein Gleichgewicht, zweitens wird nicht verteilt.

  37. 1. September 2015, 12:46 | #37

    Ich bin mir nicht sicher, wie sich das mit dem Gesamtaufwand für „Buchhaltung“ entwickeln würde. Denn auch dann, wenn es nicht mehr um die Verwaltung und Optimierung von Geldgrößen geht, sondern um die möglichst effiziente mit möglichst wenig Aufwand zu betreibende Produktion von nützlichen Gütern, werden doch die Leute erst mal eine ganze Weile ganz genau hinschauen, aufschreiben, vergleichen, planen usw. Ob das per Saldo dann gleich viel weniger Aufwand bedeuten wird (auf lange Sicht sicherlich, weil es dann immer weniger darauf ankommt, weil eh „Alles“ „schnell“ herzustellen sein wird), werden die dann sehen.
    Wenn es gut geht, dann wird eine kommunistische Produktion schon ein „Gleichgewicht“ erreichen. Daß von allen Sachen, von denen die Gesellschaft beschlossen hat, daß die jetzt hergestellt werden sollen (erst mal außer Acht gelassen, wie diese Festlegung zustande gekommen ist) eben soviel produziert wurde, daß die „Bestellungen“ aufgehen (und sicherheitshalber ein Rest als Reserve bleibt).
    Und selbstverständlich wird dann verteilt: Sowohl was die Investitionsgüter angeht, das sowieso, als auch, was die Konsumgüter angeht. Sicherlich wird man das explizite Zuteilen bei einigen Sachen recht schnell wegfallen lassen, z.B. wird Nahverkehrsleistung im jetzt ÖPNV genannten Bereich einfach hingestellt. Wer will, steigt dann eben in den Bus ein, wer nicht will nicht. Daß das gleich für alle Konsumgüter machbar sein wird, halte ich bekanntlich für ein Gerücht.

  38. libelle
    1. September 2015, 15:54 | #38

    Was will man beim Vergleich der Buchhaltungen unterschiedlicher Gesellschaften vergleichen? Die Datenmenge? Den Anteil der Bevölkerung, der mit Buchhaltung beschäftigt ist? Vielleicht hat eine primitive Ackerbaugesellschaft (gemessen am letzten Kriterium) dann viel mehr Buchhaltung betrieben als der Kapitalismus. Und?
    (edit: Immerhin musste der Ton für die Tafeln, in die mittels Keilschrift Buchhaltungsinformationen eingeritzt worden sind, abgebaut werden, die Tafeln mussten gebrannt werden oder trocknen, der Transport hat einiges an Transportkapazität verschlungen etc…)

  39. Jacko
    1. September 2015, 16:07 | #39

    „Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber..“
    Das Gesamtzitat von Marx hatte Neo oben im Text zitiert:
    Marx schreibt: Es »bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.« (MEW 25, 859)
    (Dass es um Buchhaltung bei den Sumerern oder Ägyptern ginge, das habe ich nirgends gelesen. Auch nicht bei Marx, Neoprene oder Krim.)

  40. libelle
    1. September 2015, 16:12 | #40

    @Jacko – dann bin ich auf deinen Vergleich der Buchhaltungen schon gespannt.
    Es ging um folgendes Zitat:

    Insgesamt würde die Buchführung im Kommunismus nicht zunehmen, wenn man die Buchführung der einzelnen kapitalistischen Betriebe gegenrechnet. Da wird mittlerweile ja jeder Furz kontrolliert und analysiert. Auch in diesem Bereich wird die gesamtgesellschaftlich Zusammenfassung eine sehr viel effektivere Buchführung erlauben.

    Das ist blanke Spekulation.

  41. Jacko
    1. September 2015, 16:17 | #41

    Dass diese ganze Modellbastelei über den Kommunismus blanke Spekulation ist, das finde ich übrigens auch.
    (Also ist auch ein solcher „Vergleich“ gar nicht möglich.)

  42. libelle
    1. September 2015, 16:50 | #42

    Es »bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiedenen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.«

    Auch Marx spekuliert hier (und schreibt auch noch Dinge, die dem ersten Band seines Werkes widersprechen). Was soll denn „wesentlicher denn je“ bedeuten? Ist Arbeitstzeit im Kapitalismus denn unwesentlicher?
    Sicherlich nicht. Im Kapitalismus spielt die Arbeitszeit einfach eine andere Rolle als in einer vernünftigen Gesellschaft.
    Auch der Umstand, dass Spekulationen über eine zukünftige Gesellschaft bei der Arbeitszeit landen verrät sie als Kinder bürgerlichen Denkens.
    Worum es in einer vernünftigen Gesellschaft gehen muss, ist Arbeit in Tätigkeit zu verwandeln (oder notwendige Arbeit in Tätigkeit) d.h. dafür zu sorgen, dass das, was die Leute den ganzen Tag tun, Ergebnis der freien Disposition ihrer Zeit für ihre Zwecke ist.
    Man kann dann natürlich von außen auf die Gesellschaft schauen und feststellen, dass die Leute in ihr den ganzen Tag nichts anderes tun als zu arbeiten – nur verkennt man dann, was sie tun.

  43. 1. September 2015, 17:00 | #43

    Ja, libelle, die Buchaltungssachen sind nun wirklich „blanke Spekulation“. Aber vieles andere hier in diesem Thread ja nicht. Da versucht Jacko ja nur seine Fehlstelle mit einem wohlfeilen Vorwurf abzudecken.
    Zudem ja gerade im Zusammenhang mit den Texten des Schillo-Buches wieder einige neue Punkte zu den alten dazugekommen sind. Und das sind eben alles andere als Spekulationssachen.

  44. 1. September 2015, 17:08 | #44

    Sosehr ich dir allgemein zustimme, libelle, wenn du schreibst

    „Worum es in einer vernünftigen Gesellschaft gehen muss, ist Arbeit in Tätigkeit zu verwandeln (oder notwendige Arbeit in Tätigkeit) d.h. dafür zu sorgen, dass das, was die Leute den ganzen Tag tun, Ergebnis der freien Disposition ihrer Zeit für ihre Zwecke ist.“

    Sosehr muß ich auch nachschieben, daß diese naheliegende Hoffnung steht und fällt mit dem Inhalt, den „ihre“ Zwecke haben. Solange postrevolutionäre Menschen noch weiterhin eigentümermäßig ihre Interessen sehen und setzen, solange wird das eben keine wirklich vernünftige Gesellschaft sein.

  45. libelle
    1. September 2015, 17:18 | #45

    Solche Diskussionen, wie die hier sind nichts weiter als der Ausweis dafür, dass diejenigen, die sie führen noch nicht verstanden haben, dass man von der Arbeitszeit (in welcher Form auch immer) als Maß des gesellschaftlichen Wohlstandes weg muss. Die „Arbeitszeit“ ist wo sie eine Rolle spielt eine schädliche Abstraktion vom Leben, ihr Inhalt ist nichts anderes, als dass das Leben der Leute mit Dingen angefüllt ist, die sie nicht aus freien Stücken tun, sondern sie Getriebene unabhängig von ihnen waltender Zwänge sind.
    Damit soll nicht geleugnet sein, dass etwas herzustellen Zeit braucht und dass man um etwas konsumieren zu können das ersteinmal herstellen muss. Kritisiert sein soll aber die Art entfremdeten Räsonierens über diesen Umstand, für die Notwendigkeit gleichbedeutend mit Zwang ist.
    edit:

    Sosehr muß ich auch nachschieben, daß diese naheliegende Hoffnung steht und fällt mit dem Inhalt, den „ihre“ Zwecke haben. Solange postrevolutionäre Menschen noch weiterhin eigentümermäßig ihre Interessen sehen und setzen, solange wird das eben keine wirklich vernünftige Gesellschaft sein.

    Ja. Ich verstehe nur nicht, warum du solche Menschen „postrevolutionär“ nennst. Das sind ganz normale prärevolutionäre Bürger.

  46. 1. September 2015, 17:29 | #46

    Dir ist aber schon bewußt, libelle, daß Marx in seiner berühmten These

    „Reichtum ist verfügbare Zeit, und sonst nichts“, d. h. der wahre Reichtum ist „disposable time, freie Zeit für ihre Entwicklung“ (MEW 26.3, S. 251 f.)“

    es genau andersrum beschreibt.

  47. libelle
    1. September 2015, 17:34 | #47

    Mag sein. Da siehst du mal wie verkehrt es für eine Gesellschaft ist überhaupt über „Reichtum“ verfügen zu wollen.
    Marx schaut in dem Zitat wie ein Bürger auf eine vernünftige Gesellschaft. Ersterer (der Bürger) hat das Problem, welche Zeit ihm zur freien Verfügung bleibt, nämlich nur auf der Grundlage, dass er den größten Teil seiner Zeit fremder Verfügung überlässt bzw. ständig „Sachzwängen“ gehorchen muss.

  48. Krim
    1. September 2015, 19:04 | #48

    „Das ist blanke Spekulation.“ Das Argument war Zusammenfassung vereinzelter konkurrierender Betriebe und direkte Integration in den gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozess. Im Kapitalismus gibt es zig Betrieb die gegeneinander die gleichen Produkte herstellen und entwickeln und die natürlich jeder für sich eine extra Buchführung haben. Also gibt es alles doppelt und dreifach. Es ist sogar denkbar, dass der einzelne Betrieb bloß ein Modul innerhalb des Gesamtplans und einer gesamtgesellschaftlichen Buchführung wird. So blank ist die Spekulation also nicht. Es gibt schon Argumente, die eine Verringerung der Buchführung nahelegen.

  49. Mattis
    1. September 2015, 19:23 | #49

    „Marx schaut in dem Zitat wie ein Bürger auf eine vernünftige Gesellschaft.“ (libelle)

    Marx hatte eben so seine Zweifel, ob es in überschaubarer Zeit zu erreichen wäre, dass die Menschen sich für genau die Tätigkeiten begeistern, die dann auch noch zugleich die gewünschten Produkte und Dienste hervorbringen. Das hat ja so seine Voraussetzungen.

    „Solche Diskussionen, wie die hier sind nichts weiter als der Ausweis dafür, dass diejenigen, die sie führen noch nicht verstanden haben, dass man von der Arbeitszeit (in welcher Form auch immer) als Maß des gesellschaftlichen Wohlstandes weg muss. Die „Arbeitszeit“ ist wo sie eine Rolle spielt eine schädliche Abstraktion vom Leben, ihr Inhalt ist nichts anderes, als dass das Leben der Leute mit Dingen angefüllt ist, die sie nicht aus freien Stücken tun, sondern sie Getriebene unabhängig von ihnen waltender Zwänge sind.“ (libelle)

    Ja, diese furchtbaren Zwänge im Sozialismus, wo man noch mit Arbeitszeiten kalkulieren muss. Es ist ja leicht, solchen grauenvollen Aussichten so seine Ideale entgegenzuschleudern. Aber solange Beschränkungen der Konsumtion notwendig sind, kann man die eigenen schöneren Vorstellungen zwar als Ziellinie benennen, aber man kann damit nicht von vornherein eine neue Gesellschaft aufbauen. Den Endzustand zu denken und diesen als Ausgangspunkt zu fingieren, das ist der eigentliche Utopismus; zu überlegen, mit welcher Programmatik kann man denn anfangen, nach Maßgabe der jetzt absehbaren Möglichkeiten, ist demgegenüber der gebotene Realismus. Zu räsonnieren, wie hätte ich es gern, wenn alle gewünschten Bedingungen bereits erfüllbar wären, ist ja schön und in sich perfekt, nur muss man dann eben auch solange warten, bis die Bedingungen da sind, und der Kapitalismus wird sie ganz sicher nicht herbeischaffen. Klar ist es intellektuell befriedigender, sich alle Beschränkungen wegzudenken, die Gedanken sind ja auch frei genug, das zu tun. Nutzen bringt das allerdings keinen. Immerhin kann man dann sicher sein, nicht des bürgerlichen Denkens geziehen zu werden.
    Es ist also rationell, von den jetzt absehbaren Bedingungen (dem Stand der Produktivkräfte) aus zu argumentieren, und da sehe ich keine Chance für eine Freigabe des individuellen Konsumumfangs. Denn den im Sozialismus wegfallenden Aufwänden – im Vergleich zum Kapitalismus – stehen nämlich auch eine Menge neu hinzu kommende Aufwände gegenüber, so dass ich es für unverantwortlich halte, hier baldige Springquellen von genügend großem Reichtum einfach zu unterstellen.
    Daher ist es richtig, Konzepte des Umgangs mit begrenzten Ressourcen zu entwickeln, und es ist kindisch, über Beschränkungen zu lamentieren, wenn diese sich eben nicht vermeiden lassen. Da fehlt es dann an der erforderlichen Einsicht in die Notwendigkeit, und man möchte lieber weiter seinen Idealen nachträumen, statt sich für eine möglicherweise noch unvollkommene Alternative stark zu machen, obwohl diese trotz der nötigen Beschränkungen schon einen Riesenfortschritt gegenüber dem Kapitalismus darstellen würde.
    Eine Architektur sozialistischer Ökonomie entwickelt man also jetzt, wann denn sonst, und alle paar Jahre überprüft man sie, korrigiert sie falls nötig, und auf diese Weise ist man immer ziemlich nah an einer realistischen Konzeption. Dieses Vorgehen ist das genaue Gegenteil davon, einer Utopie nachzuhängen, deren Voraussetzungen im Verlauf des Sozialismus doch erst noch geschaffen werden müssen.
    Dem alten Marx war das klar; wer es heute dagegen besser zu wissen glaubt, muss ziemlich gute Argumente beibringen, und das ist bisher nicht gelungen.

  50. 1. September 2015, 19:58 | #50

    Mattis, da kann ich dir und Marx nur Recht geben!
    (normalerweise lösche ich sowas ja gleich, hier dient es hoffentlich einer besseren Zuordnung von Positionen.)

  51. j.
    1. September 2015, 20:33 | #51

    „Solche Diskussionen, wie die hier sind nichts weiter als der Ausweis dafür, dass diejenigen, die sie führen noch nicht verstanden haben, dass man von der Arbeitszeit (in welcher Form auch immer) als Maß des gesellschaftlichen Wohlstandes weg muss. Die „Arbeitszeit“ ist wo sie eine Rolle spielt eine schädliche Abstraktion vom Leben, ihr Inhalt ist nichts anderes, als dass das Leben der Leute mit Dingen angefüllt ist, die sie nicht aus freien Stücken tun, sondern sie Getriebene unabhängig von ihnen waltender Zwänge sind.
    Damit soll nicht geleugnet sein, dass etwas herzustellen Zeit braucht und dass man um etwas konsumieren zu können das ersteinmal herstellen muss. Kritisiert sein soll aber die Art entfremdeten Räsonierens über diesen Umstand, für die Notwendigkeit gleichbedeutend mit Zwang ist.“

    (libelle) (j.)

  52. franziska
    1. September 2015, 21:08 | #52

    Verzeihung, Neoprene – WAS löschst du „normalerweise sonst immer gleich“? [argumentoses Loben oder Tadeln]

  53. Mattis
    1. September 2015, 21:43 | #53

    @j.:
    Diejenigen, die so vehement gegen Konsum-Obergrenzen im Sozialismus polemisieren, sind die ersten, die deine Bedürfnisse als bürgerlich denunzieren, sobald diese ihnen nicht ins Konzept passen.

  54. Krim
    1. September 2015, 22:04 | #54

    „nach Maßgabe der jetzt absehbaren Möglichkeiten,“ Versteh doch mal, dass jetzt überhaupt nichts absehbar ist, solange kein Mensch Kommunismus will. Dein Realismus ist keiner, sondern eine Selbsttäuschung. „mit welcher Programmatik kann man denn anfangen.“ Immer soll ich mit etwas ganz anderem anfangen, als das, was ich wirklich will und was vernünftig ist. Immer soll es eine Übergangsgesellschaft brauchen, bevor es zum richtig echten Kommunismus kommt. Wenn man ehrlich ist, handelt es sich um eine Ausrede. Jemand mit dieser Position will etwas a n d e r e s, will es aber nicht zugeben.
    „Klar ist es intellektuell befriedigender, sich alle Beschränkungen wegzudenken,“ Offenbar und in deinem Fall wohl nicht, denn du denkst dir Beschränkungen halt bloß aus, um deinen abgespeckten Überhauptnichtsozialismus zu propagieren.
    „Denn den im Sozialismus wegfallenden Aufwänden – im Vergleich zum Kapitalismus – stehen nämlich auch eine Menge neu hinzu kommende Aufwände gegenüber,“ Na klar. Sonst gibt’s ja keine Beschränkung und ohne Beschränkung kein Mattissozialismus.
    „Daher ist es richtig, Konzepte des Umgangs mit begrenzten Ressourcen zu entwickeln,“ „Das Bedürfnis entscheidet“ i s t ein Konzept des Umgangs mit begrenzten Ressourcen. Bloß passt dir das nicht.
    „wann denn sonst“ Dann wenn ich nicht 50 km laufen muss, um auf einen Gleichgesinnten zu treffen. Es ist gar nicht so sehr der Zeitpunkt, der mich stört. Was mich wirklich stört ist der I n h a l t des Mattisschen Sozialismuskonzeptes d.h. die Kopplung des Konsums an erbrachte Leistung und damit die Entkopplung vom Bedürfnis.

  55. Barnabas
    2. September 2015, 04:31 | #55

    „Das Bedürfnis entscheidet“ i s t ein Konzept des Umgangs mit begrenzten Ressourcen.“ (Krim)
    Und da es sich um ein aufgeklärtes Bedürfnis handeln wird (ohne solches ist die ganze Geschichte eh hinfällig), gehört zum Bedürfnis zwar auch die Überlegung, wie es geht.
    Allerdings sich das jetzt schon auszumalen, hat den Mangel, dass genau diese Überlegung derart viele Ungewissheiten und dafür notwendige Absprachen enthalten muss, dass man m.E. nur sehr vage Skizzen entwerfen sollte.
    Zwischen Bedürfnis und Konsum (nehmen wir mal die materiellen Dinge) steht zwar die Notwendigkeit des Erstellens dieser Produkte. libelle hat darauf hingewiesen, dass ‚Notwendigkeit‘ nur hierzulande und nur hier – aber hier von vornherein – ‚Zwang‘ etc. beinhaltet, ansonsten aber doch nur die einsehbare Voraussetzung für den Zweck der Bedürfnisbefriedigung ist.

  56. Barnabas
    2. September 2015, 05:12 | #56

    „Diejenigen, die so vehement gegen Konsum-Obergrenzen im Sozialismus polemisieren, sind die ersten, die deine Bedürfnisse als bürgerlich denunzieren, sobald diese ihnen nicht ins Konzept passen.“ (Mattis)
    Das ist eine argumentlose Denunziation ad personam.
    Irgendein Argument ist hier nicht zu entdecken.
    (Dass Bedürfnisse als solche aufgeklärter Personen auch für die Reflexion offen sind, hofft jedermann spätestens dann, wenn er auch mal über seine eigenen verqueren Bedürfnisse nachdenkt. Dass in diesem Blog argumentlos etwas als ‚bürgerlich‘ abzutun, große Mode wäre, kann ich nicht entdecken.)
    Der Wunsch, etwas in seiner Unmittelbarkeit des Erlebnisses in einen Blog hineinzuschreiben, wie es j. gelegentlich gemacht hat, ist nicht ‚bürgerlich‘, sondern hat den Mangel, dass die anderen Mitleser diese Unmittelbarkeit des Erlebens gar nicht hatten – und daher gelegentlich einfach ’nur Bahnhof‘ verstehen können. Sich an die Regeln der Rechtschreibung zu halten, ist ebenfals nur ein Mittel der Verständlichmachung. Dabei geht es also nicht um ‚bürgerlich‘ oder nicht, sondern ausschließlich um Verstehbarkeit.

  57. 2. September 2015, 07:44 | #57

    Wie schon häufig dreht sich die Diskussion um die Probleme zumindest eines zukünftigen Sozialismus/Kommunismus um die miteinander verbundenen Probleme des Mangels und der Demokratie. Die eine Seite, z.B. auch hier wieder von Krim vorgetragen, löst die Probleme durch pures Wegdefinieren:

    „Versteh doch mal, dass jetzt überhaupt nichts absehbar ist, solange kein Mensch Kommunismus will.“

    Dem möchte ich entgegenhalten, daß es sicher auch noch eine Weile buchstäblich genauso „absehbar“ bleiben wird, wie es das in den letzten Hundert Jahren, wo Kommunisten überhaupt ernsthaft unterwegs waren, offensichtlich gewesen ist. Krim bringt das schön auf den Punkt:

    „Immer soll es eine Übergangsgesellschaft brauchen, bevor es zum richtig echten Kommunismus kommt.“

    Als wenn es in erster Linie am puren Willen, an den blöden beschränkten („bürgerlichen“, Achtung ad personam!) Vorstellungen und Programmen z.B. der Bolschewiki gelegen hätte, das nach 1917 kein vernünftiger Kommunismus im Sinne von Krim bei rum gekommen ist. Es wird Krim &#38; Co. sicher nicht verwundern, wenn ich dem mit seinen Worten entgegenhalte:

    „Wenn man ehrlich ist, handelt es sich um eine Ausrede. Jemand mit dieser Position will etwas a n d e r e s, will es aber nicht zugeben.“

    Einen weiteren zentralen Punkt von Krims Argumentation hat ja schon Barnabas aufgegriffen:

    Mattis:„Daher ist es richtig, Konzepte des Umgangs mit begrenzten Ressourcen zu entwickeln,“ Krim: „Das Bedürfnis entscheidet“ i s t ein Konzept des Umgangs mit begrenzten Ressourcen.“

    Das erste, was mir dazu einfällt ist der bewußt antimaterialistische zynische Kurs der herrschenden Maoisten in der frühen VR China, die angesichts des landesweiten Mangels den Menschen einfach eingetrichtert haben, das Genügsamkeit eine kommunistische Tugend sei. (Wenn es Tugend braucht, fehlt es regelmäßig an entscheidenden Sachen.)
    Barnabas hebt die Krimsche „Lösung“ noch ein gewaltiges Stück höher:

    “Und da es sich um ein aufgeklärtes Bedürfnis handeln wird (ohne solches ist die ganze Geschichte eh hinfällig), gehört zum Bedürfnis zwar auch die Überlegung, wie es geht.“

    Ich sehe da durch den dünnen kommunistischen Mantel nur das durch und durch bürgerliche Denken durchschimmern, daß man halt mit dem zufrieden sein muß, was „geht“. Daß noch der letzte Depp hierzulande bei Umfragen bekundet, es gehe im grundsätzlich gut usw.
    Ganz abgesehen davon, daß das mit dem Mitbedenken natürlich nicht mal stimmt: Wenn junge Menschen eine schöne Erlebnis- und Lernwelt haben wollen, wenn kranke Menschen gesund werden wollen, dann fragen die alle nicht die Bohne danach, „wie es geht“. Das fragen sich und die anderen Arbeiter dann die Plantechniker, die dazu Varianten vorstellen werden.
    Recht grundsätzlich reibe ich mir bei diesem Streit die Augen, daß es ausgerechnet in der Frage, wie ein zukünftiger Kommunismus aussehen könnte bzw. erstmal würde, jetzt ein Schulterschluß zwischen der GSP-Fraktion hier und dem ausgesprochenen Antikommunisten libelle zu beobachten ist. (Bei libelle – ich glaube jedenfalls, daß der jetzt hier argumentierende Mensch mit dem früheren Schaum-vor-dem-Mund-Antikommunisten identisch ist – verstehe ich seinen Standpunkt zum Charakter der Arbiet im Kommunismus sogar, denn er ist ja ein Vertreter der Richtung, die mit der von bürgerlichen Zwängen befreiten Arbeit ja schon im Hier und Jetzt anfangen will als Kommunalist.)

  58. Barnabas
    2. September 2015, 09:47 | #58

    So, wie du ihn beschreibst, ist libelle in den letzten Beiträgen hier mir – zugegeben erstaunlicher Weise … – gar nicht aufgefallen.
    Leute [’nachtragend‘, hübscher Ausdruck nebenbei…] ‚ewig‘ auf Sachen festzunageln, die sie früher mal vertreten haben, obwohl davon jetzt gerade nicht die Rede ist, das kennt jeder als Unart in privaten Beziehungen. Im politischen Diskurs sollte man schauen, w a s jemand a k t u e l l vertritt.

  59. 2. September 2015, 09:58 | #59

    Barnabas:
    Ja, der oder die libelle der letzten Kommentare ähnelt mehr den Kommentaren, die schon recht lange zurück liegen, dieses Insekt fliegt ja so rund seit 10 Jahren durch die Foren. Ich habe das jetzt auch nicht als großes Argument gesehen, denn es stimmt ja, daß ein Kommentar immer erst mal für sich besprochen gehört, ohne darauf zurückzugehen, was der oder die früher mal anders gesagt haben mögen (Unter anderem deshalb bin ich kein Fan von Blogzensur). Den Hinweis auf den inneren Zusammenhang von dem, was von libelle zur politischen Strategie für heute im Kapitalismus und seiner Sichtweise auf das eher fernere Morgen im Kommunismus geschrieben hat, den halte ich aber weiter aufrecht.

  60. 2. September 2015, 10:04 | #60

    Im Übrigen gebe ich libelle sogar in einem wichtigen Punkt recht: Ja, auch inhaltlich muß man der Arbeit im Kommunismus den Kommunismus ablesen können, sonst ist das keiner. Das z.B. unter Stalin das drakonischste Fabrikregime wie im schlimmsten Manchester-Kapitalismus geherrscht hat, unter anderem mit dem höchsten Akkordarbeitsanteil aller Zeiten, spricht Bände. Und daß sowas schon in den frühen 20er Jahren mit einer kritiklosen Bewunderung von Taylors- Arbeitsorganisationsthesen seinen schlechten Anfang genommen hat, habe ich ja auch schon geschrieben.
    http://neoprene.blogsport.de/2009/10/12/mussten-die-auch-oder-wollten-die-nur-zum-charakter-der-sowjetunion/#comment-41114

  61. Mitleser
    2. September 2015, 10:49 | #61

    Hallo in die Runde,
    ich verfolge interessiert eure Debatte, auch wenn es auf Grund des Umfangs recht zeitintensiv ist und ich mir vieles neu anlesen muss.
    Sehr passend zum Thema wurde gestern bei scharf-links ein Aufruf veröffentlicht:

    „Entwurf eines Programms für geistige, soziale und politische Autonomie in kooperativer kommunaler, regionaler und globaler Gemeinschaft
    Perspektiven für eine nach-sozialistische und nach-kapitalistische Gesellschaft“

    Auch dieser Text liefer interessante Gedanken, auch wenn ich mich Frage wie sich der Autor eine Alternative „ohne das Kapital dabei zu verteufeln“ vorstellt.
    Hier der Link:
    http://www.scharf-links.de/52.0.html?&#38;tx_ttnews%5Btt_news%5D=52843&#38;tx_ttnews%5BbackPid%5D=56&#38;cHash=db0ed48e3c

  62. 2. September 2015, 11:14 | #62

    Fragen kann man Kai Ehlers übrigens schon mal nicht, wie er sich seine Sachen vorstellt. Denn er hat zwar eine umfängliche Dokumentation seiner publizistischen Unterfangen der letzten Jahrzehnte online (seine Sachen als KBler natürlich nicht!), aber eine Diskussionsmöglichkeit, einen Blog oder ein Forum hat er nicht für nötig befunden.

  63. Krim
    2. September 2015, 12:43 | #63

    @neoprene: Es ist wahr das Kommunisten eine verschwindende Minderheit sind. Darauf weise ich hin, wenn Mattis sein Konzept als den einzig wahren Realismus darstellt. Realismus wäre daran zu arbeiten die Minderheit zur Mehrheit zu machen. Es geht nicht um ein wegdefinieren, sondern darum die Selbstsicht des Realismus zu kritisieren. „Nach Maßgabe der jetzt absehbaren Möglichkeiten“ geht halt überhaupt nichts, weil so eine Absehbarkeit nicht existiert.
    „am puren Willen,“ Wenn ich kritisiere, dass Übergangsgesellschaften oft bloß der verschleierte Begriff für eine andere politische Absicht ist, dann heißt das im Umkehrschluss nicht, dass es bei einem vernünftigen Kommunismus am puren Willen liegt. Eine Übergangsphase wird es immer geben solange eine kommunistische Gesellschaft auf den Resten des Kapitalismus aufbaut. Aber die ist durch die vorliegenden Bedingungen notwendig. Arbeitszettel und die Kopplung des Konsums an Arbeitsleistung sind aber nicht sachlich aufgezwungen, sondern ein politisches Konzept, das durch das Argument „Übergang“ verschleiert werden soll.
    „(Wenn es Tugend braucht, fehlt es regelmäßig an entscheidenden Sachen.)“ Daher rate ich zu Ehrlichkeit. Wenn es Mangel gibt, soll der Staat es so sagen und keine charakterliche Leistung draus machen.
    „daß man halt mit dem zufrieden sein muß, was „geht““ Das ist eine Stellung zum Mangel, die mit dem Mangel nichts zu tun hat. Weder Zufriedenheit noch Unzufriedenheit ändert am Mangel etwas. Sich zu überlegen wie ein Bedürfnis geht ist etwas völlig anderes, nämlich die Arbeit an der Auflösung des Mangels. Das ist der einzig vernünftige praktische Umgang mit einem Mangel. Unzufriedenheit ist eigentlich bloß die Art und Weise, wie der Mangel im Bewusstsein vorkommen. Es wäre kein Mangel, wenn Zufriedenheit aufkommen würde. Das unbefriedigte Bedürfnis ist ja der Inhalt der Unzufriedenheit.
    „dann fragen die alle nicht die Bohne danach, „wie es geht“.“ Ist doch egal, wer fragt. Hauptsache das Problem wird gelöst.
    „Im politischen Diskurs sollte man schauen, w a s jemand a k t u e l l vertritt.“ Man kann davon ausgehen, dass libelle auch aktuell kein GSP-Freund ist. Bloß ist das bei diesem Thema zum Glück überhaupt nicht relevant, also braucht neo die Differenz auch nicht ausgraben, weil ihm der angebliche „Schulterschluss“ nicht geheuer ist.

  64. libelle
    2. September 2015, 13:01 | #64

    @neo – dir zuliebe reagiere ich mal auf eine deiner gegenstandsfremden Aussagen:

    Recht grundsätzlich reibe ich mir bei diesem Streit die Augen, daß es ausgerechnet in der Frage, wie ein zukünftiger Kommunismus aussehen könnte bzw. erstmal würde, jetzt ein Schulterschluß zwischen der GSP-Fraktion hier und dem ausgesprochenen Antikommunisten libelle zu beobachten ist.

    Ich beschreibe nicht, wie ein zukünftiger Kommunismus aussehen könnte, sondern ziehe einfach die fälligen Schlüsse aus dem, was ich über die aktuelle Gesellschaft (und auch den Kommunismus, der zu ihr gehört) weiß. Dass darunter vielleicht ein paar Schlüsse sind, die auch GSP-Kommunisten aus dem ziehen, was sie für zutreffende Bestimmungen der gesellschaftlichen Verhältnisse halten, macht ihren Inhalt weder richtiger noch falscher und lässt bestenfalls darauf schließen, dass es ein paar gemeinsame Bestimmungen und dementsprechend Kritiken gibt. Das reicht aber ganz offensichtlich nicht dafür aus, dass ich Kommunist werde oder sie ihren Kommunismus mal kritisieren und sich die fällige Portion Antikommunismus (in meinem Sinn: Kommunismuskritik) zulegen würden.
    Jetzt zu dir, neo: Dein Bedürfnis mich in die Landkarte politischer Strömungen, die sich Kommunisten so von der Welt machen einzusortieren bringt mich vermutlich mit den einigermaßen vernünftigen unter Ihnen, den Kommunalisten und sogar Bürgern in ein Boot und dich schon wieder dazu dir die Augen reiben zu müssen. Du musst mal aufhören Diskussionen als politische Auseinandersetzung zu betreiben und zu versuchen durch Einsortierungen in vermutlich wechselseitig längst kritisierte politische Strömungen die – ja – Wertschätzung und Ernsthaftigkeit die einer Position entgegengebracht werden soll zu untergraben.
    Sonst bestätige ich dir natürlich gern deine Kategorisierungen. Ich bin Antikommunist, weil ich der Auffassung bin, dass die Anstrengungen, die Kommunisten in Sachen gesellschaftlicher Umwälzung unternehmen – d.h. das, was sie als praktische Konsequenz der Kapitalismuskritik von Marx ziehen – nicht in einer vernünftigen Gesellschaft endet, sondern das Elend der Welt nur um eine neue Variante bereichert. Dafür und für die Folgen, die das für ihr Bewusstsein, ihre Art Auseinandersetzungen zu führen, ihre politischen Zusammenschlüsse usw.. hat, lehne ich sie also ab. Die Details sind in den entsprechenden Diskussionen hier nachzulesen.
    Bestätigen kann ich dir auch, dass ich viele kommunalistische Überlegungen teile. Wenn man über die erklärende und kritisierende Teilhabe an der bürgerlichen Gesellschaft – also i.d.R. das Leben eines Lohnarbeiters führen und einen Teil der Freizeit damit verbringen sich die Gesellschaft zu erklären und das in ihr öffentlich zu machen – hinaus praktische Konsequenzen aus der eigenen Kritik ziehen will, geht das nur in kommunalistischen Zusammenhängen d.h. man kann versuchen sich teilweise anders zu reproduzieren als als Bürger. Das machen nur Menschen, die ihr Leben in einer Kommune eben befriedigender finden (ich z.B. nicht). Andererseits entwickeln solche Kommunen, wenn sie groß genug werden Elemente vernünftiger Produktionsverhältnisse und gewinnen eine andere Perspektive auf die Welt (siehe Franziska hier). Wie weit man das treiben kann hängt von der Duldung dieser Formen durch die bürgerliche Gesellschaft ab – was aber kein Einwand dagegen ist, solange sich die Kommunarden mit dem Leben, das sie in ihrer Kommune führen vergleichsweise (zum Lohnarbeiterdasein) gut bedient sehen. Für einen „Übergang“ in eine andere Gesellschaft halte ich die Kommunen so wenig wie die Revolution nach der z.B. Kommunisten wie du lechzen.
    @Mattis

    Den Endzustand zu denken und diesen als Ausgangspunkt zu fingieren, das ist der eigentliche Utopismus; zu überlegen, mit welcher Programmatik kann man denn anfangen, nach Maßgabe der jetzt absehbaren Möglichkeiten, ist demgegenüber der gebotene Realismus

    Der Realismus, der für dich geboten ist, hat aber mit einer vernünftigen Gesellschaft nichts zu tun. Ich stimme dir schon zu, dass die zur Herstellung von Gebrauchswerten notwendige Zeit bei der Ressourcenplanung eine Rolle spielt, nur kommen die Menschen, die ihre Zeit dafür aufwenden bei dir nicht als Subjekte vor, die ihre Zeit dafür disponieren, weil sie der Auffassung sind die Gebrauchswerte zu benötigen, sondern sie kommen wie im Kapitalismus als Menschen vor, die nicht über ihre Zeit verfügen (darüber verfügt der qua ausgetragener ritueller Machtfrage zur gesellschaftlichen Vorgabe erhobene Plan). Ich sehe absolut keinen Übergang aus deiner eher sozialdemokratischen Vorstellung des gesellschaftlich vorgeschriebenen Glücks in Verhältnisse, in denen die Leute frei, selbstbewusst ihre Zeit für die Elemente ihrer Reproduktion disponieren. Bezüglich der Zeit müsste eine vernünftige Gesellschaft eigentlich lediglich ein Monitoring betreiben, wie lange wofür gebraucht wird und diese Feststellung zum Ausgangspunkt des nächsten geplanten Produktionszyklus machen. Ein vernünftiger „Plan“ ist also keine durch was weiß ich für Verfahren zum Imperativ erhobene Vorschrift, die über die Zeit der Leute Kraft ihrer Rechtsförmigkeit verfügt, sondern sowas wie die ermittelte vernünftigste Vorgehensweise (und warum sollte man sich der verschließen).
    Und natürlich ist Zeitersparnis bei der Produktion ein Bedürfnis einer vernünftigen Gesellschaft, weil es den Kreis der Tätigkeiten, die man sich aussuchen kann erweitert- d.h. man kann sich reicher entwickeln, verwirklichen (wie auch immer man das nennen will), wenn man eine bestimmte Tätigkeit (wie Wäsche waschen oder den Inhalt eines Buches erfahren) schneller hinbekommt- es ist dann einfach Zeit für mehr.
    Bei dir wird wie im Kapitalismus die Lebenszeit der Leute in Arbeits- und Freizeit geteilt. Davon will ich weg.

    ..und da sehe ich keine Chance für eine Freigabe des individuellen Konsumumfangs.

    Welchen Umfang willst du denn wo freigeben? Wenn ich diesen Umfang mir selbst in einem Supermarkt freigebe, zeigt man mich an.

    Daher ist es richtig, Konzepte des Umgangs mit begrenzten Ressourcen zu entwickeln, und es ist kindisch, über Beschränkungen zu lamentieren, wenn diese sich eben nicht vermeiden lassen

    Dass es da andere als ganz einfache Allerweltskonzepte geben soll, halte ich schon für problematisch. Wenn die Ressourcen nicht reichen muss man sich einteilen und ggf. bezüglich der Dinge, für die sie benötigt werden Prioritäten setzen. Man kann auch versuchen die Ressourcenbasis zu erweitern oder die Ressource zu substituieren. Dieses „Konzept“ muss auch nicht weiter angepasst werden, es ändert sich nie.

  65. 2. September 2015, 14:12 | #65

    Nein, libelle, ein besonderes „Bedürfnis“, dich „in die Landkarte politischer Strömungen, die sich Kommunisten so von der Welt machen einzusortieren“, habe ich nicht. Ich weise zwar ab und zu darauf hin, wo ein Poster hier wohl landkartenmäßig hingehört, aber das ist doch jeweils kein Ersatz für eine Argumentation zu dem, was da konkret hingeschrieben wurde. Manchmal ja zum wiederholten Mal, manchmal von einem „Neuen“ genauso wie von jemand, der das hier schon früher geschrieben habe. Ja, es wird sicherlich stimmen, wenn du vermutest, daß die meisten hier „in vermutlich wechselseitig längst kritisierte politische Strömungen“ zu verorten sind, es ist ja offensichtlich ein äußerst kleiner aktiver Kreis bei zwar merklich größerem und sicher auch diverserem Leserkreis, der aber immer noch bei Lichte besehen verschwindend klein ist.
    Wenn du mir vorwirfst, mir mangele es an „Wertschätzung und Ernsthaftigkeit die einer Position entgegengebracht werden soll“, da sage ich da ja und nein: Nicht verwundern wird dich, daß ich das allermeiste an politischen Positionen für nicht sonderlich wertvoll halte, ich bin kein Freund von politischer Beliebigkeit. Ungern lasse ich mir aber vorwerfen, zudem noch argument- und beleglos, daß ich es der bei einer politischen Auseinandersetzung an „Ernsthaftigkeit“ fehlen lassen würde. Auch wenn ich dich auch für einen ernsthaften (und bekennenden) Antikommunisten halte, damit hältst du ja wahrlich nicht hinterm Berg, ist doch damit nie meinerseits ein Ende der inhaltlichen Auseinandersetzung gesetzt gewesen. Sonst hättest du dich ja wahrscheinlich auch nicht all die Jahre hier immer wieder eingeklinkt.
    Daß du bekennender Kommunalist bist, ist weder neu hier, noch so fürchterlich aus dem aktuellen politischen Rahmen fallend, sowas hat ja in allen mehr oder weniger linken Medien schwer an Fahrt gewonnen. Aber eben auch nur da, befürchte ich. Wenn du so frohgemut behauptest, „entwickeln solche Kommunen, wenn sie groß genug werden, Elemente vernünftiger Produktionsverhältnisse und gewinnen eine andere Perspektive auf die Welt“, dann möchte ich das erstmal sehen, denn so scheint mir das mit der Transformation schon mal nicht zu gehen. Auch in dem Text von Mats, mit dem dieser Thread angefangen hat, ist zu der dir ja ähnlichen Herangehensweise nur gekommen, das sowas Antizipierendes irgendwie „jetzt“ schon in Angriff genommen werden müsse. Es macht es dann auch nicht besser, wenn du zum Schluß abwinkst mit einem kleine-Brötchen-backen-Spruch:

    „Für einen „Übergang“ in eine andere Gesellschaft halte ich die Kommunen so wenig wie die Revolution“.

    Ein wichtiger Streitpunkt ist deine Beschreibung der postrevolutionären Arbeit der Menschen. Wenn du Mattis vorwirfst, bei ihm kämen die Menschen, die ihre Zeit dafür aufwenden, „nicht als Subjekte vor“, weil Mattis die kommunistische Gesellschaft einen zentralen Plan erstellen läßt, dann ist das zumindest nicht begründet. Als wenn die pure Tatsache, daß in den Gesamtplan die Vorstellungen aller Gesellschaftsmitglieder einfließen, per se bedeuten müßte, daß die Arbeitenden dann allesamt sich in ihren Teilarbeiten für dieses Gesamtprojekt nicht wiederfinden können. Das wird sicher dann und soweit der Fall sein, wie der einzelne oder Einzelgruppen eh schon den (wie auch immer entschiedenen) Gesamtplan für unangemessen halten, und natürlich vor allem bei denen, denen der Gesamtplan eh am Hut vorbei geht, das werden „anfangs“ ja noch eine ganze Menge Menschen sein.
    Es ist immer billig, so schön schablonenhaft das einerseits „vorgeschriebenen Glück“ Verhältnissen gegenüberzusetzen, „in denen die Leute frei, selbstbewusst ihre Zeit für die Elemente ihrer Reproduktion disponieren“. Dir ist ja sicher auch bewußt, daß deine Kategorien „Freiheit“ und „Selbstbewußtsein“ entweder abstrakt inhaltsleer oder verdammt eigentümerbürgerlich sind. Auch zwischen Verbindlichkeit und Vorschrift und Befehl machst du keinen Unterschied. „Rechtsförmig“ setzt übrigens implizit voraus, daß es um gegensätzliche Interessen geht, daß die Menschen so gestrickt bleiben, das setzt du offensichtlich einfach voraus. Natürlich nur im Kommunismus, bei „euch“ gäbe es sowas nicht. Die Rechtsform wird übrigens erst wirklich und soweit absterben, wie diese Gegensätze die Menschen nicht mehr beherrschen.
    Was mich wirklich wundert angesichts der Diskussionen hier und anderswo selbst in den letzten paar Jahren ist dein erstaunlicher Gradualismus, was die postrevolutionäre Produktionsstruktur angeht:

    „Bezüglich der Zeit müsste eine vernünftige Gesellschaft eigentlich lediglich ein Monitoring betreiben, wie lange wofür gebraucht wird und diese Feststellung zum Ausgangspunkt des nächsten geplanten Produktionszyklus machen.“

    Da gehe ich eher mit franziska davon aus, daß da sozusagen erstmal kein Stein auf dem anderen bleiben kann und es heftigste Auseinandersetzungen über den einzuschlagenden Weg gibt, ehe dann in relativ weiterer Ferne, wenn man sich die Produktionsmittel und Technologien, die Ressourcen und die Qualifikationen zurecht gebogen haben wird, dann mag dein Bild vom einfachen „Monitoring“ Sinn machen.
    Zum Schluß klingst du wie Krim pur:

    „Wenn die Ressourcen nicht reichen muss man sich einteilen und ggf. bezüglich der Dinge, für die sie benötigt werden Prioritäten setzen. Man kann auch versuchen die Ressourcenbasis zu erweitern oder die Ressource zu substituieren.“

    Es ist eine elementare Selbstverständlichkeit, daß es in einer Mangelsituation *immer* darum geht, festzulegen, wieviel Aufwand „man“ betreiben will, um das wegzukriegen, in der Tat entweder durch Erweiterung der Ressourcenbasis oder durch Substitution. (Wird dich nicht interessieren, das gilt natürlich auch für die Außenbeziehungen einer noch nicht weltumspannenden kommunistischen Insel.) Wie lässig du aber beim „sich Einteilen“ beim berüchtigten „man“ landest, und wie locker vom Hocker dann dieses „man“ die „Prioritäten“ setzt, da ziehe ich verblüfft meinen Hut. So einfach wie du möchte ich es als Kommunist auch gerne haben!

  66. Barnabas
    2. September 2015, 14:37 | #66

    Die Ideen von Kai Ehlers…

    „Die Botschaft der Systemtransformation stellt nicht mehr das Kapital, auch nicht seine Reform, und zwar weder unter staatlicher, noch unter privater Führung, sondern die geistige, die soziale und die politische Autonomie des einzelnen Menschen und der sozialen Organismen ins Zentrum der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung, allerdings ohne das Kapital dabei zu verteufeln.
    Allein – die Prioritäten werden umgepolt: Kapital ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Kapital. Die Botschaft lautet: der Mensch, seine Gesellschaft und seine Kultur können sich weiterentwickeln, die Evolution muss nicht im großen Crash enden, wenn der Mensch es schafft, die jetzige Krise in soziale, politische und empathische Energie für einen Übergang in die mögliche neue Phase der Entwicklung der Gesellschaft und des Planeten zu verwandeln.
    Man könnte auch sagen, ohne diesen Vergleich überziehen zu wollen: In der Biographie der Menschheit geht es heute darum, vom physischen, quantitativen, wesentlich ökonomisch bestimmten, zum mentalen und kulturellen, eher qualitativ bestimmten, geistigen und seelischen Wachstum überzugehen.“

    … zeigen, wie sehr schon der junge Marx recht hatte damit, dass das Kapital ein ganzes revolutionäres Produktionsverhältnis (und nicht nur eine Summe von Metall-Hartgeld) ist, welches permanent im Interesse der Geldvermehrung alles umwälzt.
    Für einen Linken wie Kai Ehlers kann das kein Geheimnis sein.
    Auf seinem Blog habe ich 2014 verfolgt, wie er den Umsturz in der Ukraine gewürdigt hat. Heutzutage kann man doch auch sehen, wie ganze Länder für die Herrschaft des Geldes kaputtgespart werden. Da ist es befremdlich, wenn Kai genau diese Gegensätzlickeit des kaptalistischen Reichtums in ein Mittel sozialen Wachstums umdefiniert. (Dass die SPD und die LINKE so denkt, ist mir bekannt; bei Kai war mir das unbekannt, um doch mal ad personam zu argumentieren.)

  67. Barnabas
    2. September 2015, 14:54 | #67

    Dass das Kapital hier in eine eigentlich gute, und dann in eine eigentlich grad mal eher schlechte Seite auseinanderdividiert wird, zeigt erschreckend, wie sehr manchen Linken ganz fundamentale Einsichten aus dem Werk von Karl Marx verborgen geblieben sind. Obwohl sie den Namen von Marx laufend missbraucht haben in ihren Schriften.
    (Was mich auch deswegen persönlich erbost, weil ich den KB früher mal irgendwie besser fand als die Stalinisten und SED-Freunde.)
    http://Neoprene.blogsport.de/2015/08/25/johannes-schillo-hrsg-zurueck-zum-original-zur-aktualitaet-der-marxschen-theorie/

  68. 2. September 2015, 14:57 | #68

    So fürchterlich links, daß er wieder zum Antikapitalismus (und wenn nur im Stile seiner maoistischen Jugend) zurückgegangen wäre, ist er wohl nicht. Als ATTACler will er jetzt eben nur noch einen Kapitalismus mit menschlichen Gesicht, den Menschen über die Profite stellen, den Turbo-Kapitalismus zähmen usw.

  69. TomGard
    2. September 2015, 15:40 | #69

    Ein Arbeitsprozess ist bestimmt durch Arbeitszweck(e), Operationsweise(n), Gegenst(ä)nd(e), Arbeitsmittel und Resultate, letzteres gemessen an der Tauglichkeit für den zweckmäßigen Gebrauch. Arbeitszeit, schiere Plackerei und Maloche, Abstraktion von allen genannten Bestimmungen der Arbeitsprozesse, ist folglich ein inkommensurables Maß in der ANEIGNUNG des Produktes, sei sie produktiv oder konsumtiv. Sie ist kommensurabel allein mit dem Zweck eines Kapitalisten, lebendige Arbeit einzusaugen und in vergegenständlichter Form anzueignen.
    Deshalb ist sie auch kein Maß, das in der kapitalistischen Arbeitsteilung irgend eine Rolle hätte. Diese Arbeitsteilung stellt sich her als in der Konkurrenz der Kapitale „naturgesetzlich“ wirkender Zwang der im Kommando über die Arbeitskräfte gesellschaftlich mißachteten Bestimmungen gesellschaftlicher Arbeitstätigkeit und daher findet die Realisation der Arbeitsteilung, der Reproduktionsprozess der Kapitale, in der Form von Arbeitskraftvernichtung statt.
    Alle Ideologeme beiseite gelassen beruhen Mattis Ideen abermals auf einer Verwechslung von Maß und Maßstab, die keiner seiner Kontrahenten angriff – soweit ich gesehen habe. Die Abstraktion von allen konkreten Bestimmungen der Arbeit in der Kalkulation von Arbeitsaufwänden ist ein notwendiger MaßSTAB, wenn es um zeitliche Koordination der aufeinander bezogenen Arbeiten und die Verteilung disponibler Arbeitskraft geht. Bei letzterem ist immer leicht sachfremd unterstellt, daß die Arbeitskräfte kommensurabel sind, aber dies ist eine unvermeidliche Unschärfe in einschlägigen Kalkulationen, die anzupassen kein Riesenproblem ist.
    Die Idee, einen Ausschluß der Individuen vom gesellschaftlichen Reichtum, den sie schaffen, als einen Zugang abzuwickeln, der am Maßstab einer DRAN- und HERGABE von Lebenszeit in die Form kommandierter Arbeitszeit bemessen wird, ist völlig sachfremd, ein Umstand, mit dem im „Realen Sozialismus“ mehr als hinlänglich Erfahrung gemacht wurde. Es ist aus dem protestantische Arbeitsethos heraus gesetzt, ohne welches das Arbeitskommando der Lohn- und Staatssklaverei historisch in der Tat nie ausgekommen ist. Abermals das Erbe dieses Arbeitskommandos antreten zu wollen, verdient eine Menge Attribute, aber ganz bestimmt nicht das, „revolutionär“ zu sein.
    Zur Vermeidung von Mißverständissen: Ich rede hier nicht vom Kommando einer „Kommandowirtschaft“, denn dabei geht es um Arbeitsorganisation, in der die Arbeitszeiten ihre o.a. Rolle spielen. Das Kommando, das Mattis im Blick hat, ist der Arbeitsorganisation vorgelagert.
    Und das führt mich zu einem zweiten ideologischen Mißverständnis.
    Alle Ökonomen, außer Marx – aber der ließ die entsprechende Kritik immer wieder opportunistisch stecken – wollten aus dem einschlägig lüsternen Interesse an der Aneignung von Arbeitskraft immer nur gelten lassen, daß produziert werden muß, was verzehrt wird. Es ist aber tatsächlich umgekehrt: Der Verzehr muß der Produktion voraus gehen, sonst findet sie nicht statt.
    Wenn es in einem Sozialismus also nicht genug Fleisch gibt, dann gibt es einen Aufstand dafür, daß mehr Fleisch her muß. Stellt euch das vor! Ein Aufstand in der Revolution! Hölle!
    Dann sagen die Kommunisten den Aufständischen, was zu tun ist, dem Mangel abzuhelfen, die Aufständischen sagen „okay“ oder auch, „so nicht, ihr Spießer, das machen wir anders“, und dann wird die Sache in Angriff genommen.

  70. Barnabas
    2. September 2015, 16:36 | #70

    „Der Verzehr muß der Produktion voraus gehen, sonst findet sie nicht statt.“ (TG)
    Bedürfnisse entstehen, sind nicht gegeben, entwickeln sich. Ganz zu Beginn von KI gibt es eine Stelle, dass die Gebrauchswerteigenschaften zu entdecken und zu entwickeln historische Tat sei oder so ähnlich.
    Was genau willst du mit diesem Zitat nun unterstreichen?
    Hört sich so ähnlich an wie der Brecht-Spruch, mit dem der aber übrigens seine Kapitalistenfigur Mackie Messer karikierte, das ist also Bechts Kritik, dass Moral im Kapitalismus nie so richtig echt (nie Brechtisch…) sei:
    „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“.

  71. TomGard
    2. September 2015, 17:41 | #71

    Ich bin kein Freund von „C &#38; P“, mache jetzt eine Ausnahme, weil ich (und meine Lieben) Hunger haben, und ich kochen will.
    Gebrauchswerte der Waren
    Mißverständnisse des Ausgangspunktes
    Die klassische Ökonomie hatte die Bedürfnisse noch nicht zu einer zentralen Kategorie in ihren Lehren gemacht. Deshalb vermutlich macht Marx macht im „Kapital“ (anders, als in den Grundrissen) von ihrer Rolle wenig Aufhebens:
    Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt.
    Der Modus der Aussage ist zu beachten: Marx sagt nicht „befriedigen kann“, sondern „befriedigt“. Das macht sehr wohl einen Unterschied.
    Der Leser ist es gewohnt, den Wert, den eine Ware für ihn hat, mit ihrer Dinglichkeit in Eins zu setzen, weil er über seine Käufe entscheidet, indem er Waren vergleicht, die ihm nicht gehören. Deshalb hält sich hier mancher Leser an die „Äußerlichkeit“ der Ware, folglich an die Möglichkeit der Befriedigung eines Bedürfnisses und versteht bzw. problematisiert auch die folgenden Bestimmungen in diesem Sinne (…) Marx redet von erfüllten Bedürfnissen, nicht von einer theoretischen Größe. Er bleibt auf dem Felde der Ökonomie, wechselt nicht ins Reich der Philosophie, er spricht von dem vorfindlichen praktischen Verhältnis von Gegenständen und Personen, nicht von einem allgemeinen bzw. abstrakten Verhältnis von „Natur und Gesellschaft“. Dies ist der nächste Gegensatz zu bürgerlichen ökonomischen Lehren.
    Erster polemischer Exkurs zu Mythologien des Reichtumsbegriffes
    (…)mag kaum ein Lehrbuch oder Grundkurs darauf verzichten, das Wirtschaften existentiell, im Rahmen eines bürgerlichen Menschenbildes zu legitimieren.
    Dafür kommt die biblische Vorstellung eines ewigen Mangels, den das Strafgericht Gottes über die Menschen verhängt habe, gerade recht: Zweck und Notwendigkeit des Wirtschaftens soll abstrakt-allgemein in der Bewältigung von Mangelzuständen liegen.
    Eine ökonomische Untersuchung befaßt sich mit dem Lebensprozeß von Menschen, ob er denen nun armselig vorkommt, oder nicht. Dieser Lebensprozeß hat zwei Seiten. [Stoffwechsel und gesellschaftliches Zusammenwirken]
    Ein Reichtum, der Menschen instand setzt, ihr Gattungsleben zu reproduzieren, ist der ökonomischen Untersuchung also vorausgesetzt und nicht das Problem … Ginge es in der Ökonomie um die geschichtlichen Techniken der Reproduktion, dann wäre sie eine Lehre von und über Produktionstechnologien. Doch schon aufgrund der geschlechtlichen Natur der Menschen ist jede produktive Tätigkeit Bestandteil und Mittel eines gesellschaftlichen Zusammenhangs, der mehr umfaßt, als ein technisches (und kommunikatives) Zusammenwirken von Individuen. Die gesellschaftliche Form des Produzierens ist daher der eigent-liche Gegenstand der Ökonomie. Die gesell­schaftliche und technische Seite der Lebensprozesse gehören zusammen, ob ich es mit homo erectus, römischen Bürgern, feudalen Gottesknechten oder bürgerlichen Individuen zu tun habe. Folglich ist der Reichtum einerseits für jeden gesellschaftlichen Zustand spezifisch, dann für die gesonderte Stellung der Individuen in ihr und schließlich auch für jede Generation. Was zu irgendeiner Zeit vom Standpunkt individueller Bedürfnisse als Reichtum oder Armut, als Mangel oder Sättigung beurteilt wird, ist nicht Gegenstand der ökonomischen Untersuchung, die sich vielmehr mit den Voraussetzungen solcher Urteile befaßt.
    Freilich beseitigt ökonomische Tätigkeit Mangelzustände. (…) Sie beseitigt nicht die Selbständigkeit jedes Organismus gegen außerleibliche Bestandteile seines Lebensprozesses, sondern gibt ihr Form. Nicht der Hunger wird gesättigt, sondern jeweils ein Hunger. Bedürftigkeit ist alles andere, als ein ewiger Mangelzustand – oder, anders herum, der Mangelzustand wäre im selben Sinne ewiger Reichtum, beständige Sättigung. (…) Die Rede vom ewigen Mangel ist kindisch, sie verwechselt die Vorstellung von Bedürfnisbefriedigung mit deren Wirk-lich-keit.“
    (Das ist auch gegen Neoprenes Reden von Verzichtsmoral gezielt. Er unterstellt da, was er zu kritisieren vorgibt, nämlich daß einem Bedürfnis mit seinem gesellschaftlichen Schicksal „Recht“ oder „Unrecht“ gegeben werde. Darin geht er von einem Maß aus, das weder im Bedürfnis selbst NOCH in seinen Mitteln, Produktion und Distribution, inbegriffen ist, sondern einem an diese Momente äußerlich heran getragenen Zweck entspringt, z.B. der Errichtung eines „Volksstaates“. Damit zeigt Neoprene an, was er an anderer Stelle ja auch unbedarft ausplaudert, daß er oftmals über Sprachregelungen redet und wacht.)

  72. franziska
    2. September 2015, 17:53 | #72

    Wir haben genug Anschauungs-Beispiele, um folgende mögliche Standpunkte zu unterscheiden:
    ENTWEDER..
    ..es gibt einen klaren „cut“, danach ist alles Abzuschaffende weg, und alles im wesentlichen eigentumsfrei gut;
    …ODER…
    ..wir haben einen mehr oder weniger langen Übergang, aber mit zwei möglichen Ausprägungen:
    – entweder, wir sind im Prinzip eigentumsfrei und aus dem Gröbsten raus, kämpfen aber mit „Muttermalen“ IN einer (immerhin) sozialistischen Übergangsphase oder -gesellschaft, und gegen das nicht-sozialistische Ausland, das uns das Leben schwermacht;
    – oder (selten explizit, meist irgendwie implizit vertreten), es sind noch nicht alle agitiert, drum kann es noch nicht losgehn mit der Eigentumsfreiheit (brennende Frage: wieviel weltweit müssten es dann doch sein?).
    In allen drei Varianten gibt es jedenfalls ein Vorher und Nachher, und es betrifft oder SOLL betreffen die GANZE Gesellschaft in mindestens einem nationalen Rahmen.
    Das ist das Modell, das ich – entsprechend der Eigenbezeichnung der meisten seiner Befürworter – vorgeschlagen hatte, das kommunistische zu nennen (in den Versionen cut, Muttermal/Überlebens-Kampf, agitatorisches Moratorium); im Gegensatz zum „kommunalistischen“, wo die Befürworter eigentumsfreier Verhältnisse IN einer umgebenden Eigentümer- und kapitalistischen Gesellschaft anfangen, für sich und unter sich eigentumsfrei zu wirtschaften – wobei sie „an ihren Grenzen“, die zunächst maximal eng gezogen sind, zur Aussenwelt in Markt- und Rechtsbeziehungen stehen, die angesichts der Kräfteverhältnisse, wesentlich von den Leuten draussen bestimmt werden. (Man könnte bei einigem Wohlwollen die kommunalistische als Variante des „agitatorischen Moratoriums“ sehen…)
    ((Die zum Thema „längerer Übergang“ vorgetragenen Ideen unterscheiden sich, je nachdem, ob der Übergang vor allem als politische Taktik verstanden werden will (zB im Sinn von: man übt kollektives Wirtschaften ein; oder als Experimental- und Vorzeigeobjekt; oder auch als: (vorläufig) wirtschaftliches Fundament zur Unterstützung der politisch arbeitenden Organisation); oder als produktions- und planungs-technische, wo im Lauf der Zeit zunehmend anspruchsvollere Aufgaben gelöst werden sollen. Letzteres geht wahrscheinlich einher mit einer eher „kommunalistischen“ Übergangs-, und einer dezentral(-subsidiär)en Ziel-Konzeption.))
    Zur Frage des (erwünschten, wahrscheinlich zu erwartenden, oder für einzig möglich gehaltenen) Übergangs kommt die nach der Struktur des Ziel-Zustands (dito):
    &gt;Wird da zentral oder dezentral, oder aber „dezentral-subsidiär“ produziert und/oder geplant?
    (dezentral-subsidiär= Aufgabenlösungen in einer Region werden von einem Zusammenschluss der in andern Hinsichten bereits autarken Produzenten(gemeinschaften) in dieser Region getragen – vorausgesetzt, sie haben sich die für diese gemeinsame Aufgabenlösung nötigen Freiräume erarbeitet)
    &gt; Wird geplant von allen Produzenten zusammen, oder von Spezialisten unter ihnen, arbeitsteilig, für alle mit, nachdem bestimmte (aber welche?) Vorgaben für dies Planen (von wem?) erhoben und nach (hoffentlich von allen Betroffenen geteilten) Prinzipien in Pläne übersetzt werden?
    Die Wahlfreiheit hinsichtlich präferierter Übergangsart und Ziel wird aber in vielen Fällen drastisch eingeschränkt, wenn weitere Standpunkt-Dimensionen in die Betrachtung einbezogen werden. Dass darüber wenig geredet wird, hat zu tun damit, dass die Vertreter von Mehrheits-Meinungen (auch hier) in diesen Hinsichten sich wenig bewusst sind, dass es zu ihren Überzeugungen womöglich begründete Alternativen geben könnte. Ich hatte versucht, oben zwei dieser Themenfelder für unerwartet kontroverse Stellungnahmen zu benennen:
    1. TECHNOLOGIE. Wer sich die endgültig befreite Gesellschaft nur mit (schnellstmöglicher) Vollautomatisierung und ScienceFiction-Hochtechnologie vorstellen kann, für den kommt nichts infrage als „cut“ und „Zentralität“ (spätestens der Planung von Ressourcenverteilung auf die nächsten Grossprojekte). Hingegen, wer Reproduktion radikalökologisch sorgfältig aufbaut, KANN garnicht anders als lokal und somit (subsidiär)dezentral vorgehen.
    2. „AUFMERKSAMKEITS-STEUERUNG“: Wer glaubt, das von ihm Befürwortete durch möglichst oft reproduzierten Vortrag seiner Argumente vor beinah beliebigen Adressaten herbeiführen zu können, der wird weder beim „cut“ noch bei innersozialistischer Verständigung Probleme sehen. Hingegen wer das Zustandekommen von Konsens in existenziellen Fragen für einen höchst prekären (und keineswegs in jeder Hinsicht, oder womöglich garnicht) berechenbaren Vorgang hält, wird solchen Konsens voraussetzende Eigentumsfreiheit ihrerseits nicht für einfach oder auch nur weitestgehend durch Willens-Anstrengung erzeugbar halten, und Prognosen hinsichtlich der Art ihrer zukünftigen historischen Entstehung, wenn überhaupt, abhängig machen von theoretischen Einschätzungen, die man jedenfalls bei Marx und Marxisten nicht findet.
    3. 1+2 zusammengenommen: ARBEITSTEILUNG und Bewältigung der Ausschlüsse, die derzeit mit ihr (vor allem in dynamischen, forschungs- und entwicklungs-motivierten Produktionsweisen) verbunden sind, nämlich als unkontrolliertes, der Verarbeitungsfähigkeit aller andern schnell entwachsendes Expertentum.
    Ich halte die Kontroversen, die sich unter Linksradikalen (prinzipiellen Befürwortern gesellschafts- und weltweit eigentumsfreier Vergesellschaftung) an DIESEN Fragen entzünden, für die eigentlich grundlegenden, und die Debatten über Zentralität von Produktion und Planung bzw. Vollständigkeit und Plötzlichkeit des „Übergangs“ für wesentlich daraus abgeleitet.
    Aber noch wichtiger: Den Unterschieden der utopischen Entwürfe oder Projekte, Zielstellungen, korrespondieren fundamentale Differenzen in der Erklärung des Bestehenden: Man ist sich „in der Kritik nicht einig“, und will darum „Anderes“. Man muss sich dann wechselseitig die fundamentale Linksradikalität nicht absprechen, und kann doch übereinstimmend festhalten, dass sie mit tiefgreifenden Kontroversen einhergehen kann.
    ————————————-
    PS: Ich hatte oben implizit eine Frage zum „Befund“ aufgeworfen, nämlich: Warum kann der für alle, die es wissen wollen, nachvollziehbare materielle Effekt kapitalistisch verfassten und angetriebenen Produzierens auch und gerade in einer „Gesellschaft“ von „Eigentümer-Materialisten“ als Legitimation dieses Wirtschafts-„Systems“ und seiner Spielregeln dienen – wem erscheint warum ein selbstzweckhafter technologischer Fortschritt, das eben NICHT auf Zwecke bezogene Wuchern von Können aller Art zur Erzeugung von noch mehr Können dieser Art, wünschenswert?
    Auf der Seite der „Utopie“ stellt sich, korrespondierend, die Frage: Ob vorhandene Technologie überhaupt auf Zwecke wie „bedürfnisgerecht, ökologisch, Ungleichzeitigkeiten (in der Weltbevölkerung) abbauend“ sinnvoll und effizient bezogen werden kann? (Mein gesteigerter Pessimismus, Neoprene, verdankt sich meiner mittlerweile etwas fortgeschritteneren Bekanntschaft mit Agrar- und Bauingenieurswesen. Das ist, womit man sich in meinen Kreisen beschäftigt…)
    Ich selbst habe viel Aufwand treiben müssen, um mir diese Fragen auch nur ansatzweise zu beantworten (und noch einige andre, zu denen ich bei Marx und Marxisten nichts finde, aus deren Sicht vermutlich zurecht). Kann sein, dass solcher Aufwand jede denkbare „Diskussion“ überfordert, und es abzuwarten bleibt, ob sich an andern Formen der Publikation genug „öffentliches“ Interesse entzündet, um Antworten wie die, die ich geben würde, für erörternswert zu halten. Aus meiner Sicht wäre es jedenfalls produktiv, wenn die linksradikalen Debatten sich in die genannten Themenfelder hinein bewegen würden.
    (ZB die gesamte „keimform“-Utopie ist mE auf der Stelle entzaubert, wenn man hinsichtlich der unterstellten technologischen Basis ein paar ganz einfache Fragen stellt…)

  73. Barnabas
    2. September 2015, 19:33 | #73

    „Aber noch wichtiger: Den Unterschieden der utopischen Entwürfe oder Projekte, Zielstellungen, korrespondieren fundamentale Differenzen in der Erklärung des Bestehenden.“ (franziska)
    Da du das ja sogar noch wichtiger als alles andere einstufst:
    Plädiere ich dafür, sich erst einmal über die Kritik des Bestehenden auseinanderzusetzen.
    Deinen expliziten Hinweis, das sei noch wichtiger, kann man nämlich gar nicht missverstehen…

  74. Barnabas
    2. September 2015, 19:50 | #74

    “ Doch schon aufgrund der geschlechtlichen Natur der Menschen ist jede produktive Tätigkeit Bestandteil und Mittel eines gesellschaftlichen Zusammenhangs, der mehr umfaßt, als ein technisches (und kommunikatives) Zusammenwirken von Individuen. Die gesellschaftliche Form des Produzierens ist daher der eigentliche Gegenstand der Ökonomie. Die gesell­schaftliche und technische Seite der Lebensprozesse gehören zusammen, ob ich es mit homo erectus, römischen Bürgern, feudalen Gottesknechten oder bürgerlichen Individuen zu tun habe. Folglich ist der Reichtum einerseits für jeden gesellschaftlichen Zustand spezifisch, dann für die gesonderte Stellung der Individuen in ihr und schließlich auch für jede Generation.“ (TG)
    Das verstehe ich als Kritik an den in diesem Blog dargelegten Fragen a) wie der kapitalistisch zwieschlächtige Reichtum in ähnlichem Gewande oder ganz anders im Kommunismus wiedererscheinen könne oder ob er es überhaupt solle,
    b) ob Arbeitszettel, ein ‚Arbeitsgeld‘, Messung von verausgabter Arbeitszeit o.ä. ein dem Kommunismus nützliches Mittel sein könnten.
    Den Satz: „Es ist aber tatsächlich umgekehrt: Der Verzehr muß der Produktion voraus gehen, sonst findet sie nicht statt.“
    hat TG augenscheinlich als Bonmot gemeint, weil der Satz in seinem offenbaren Widersinn sich so furchtbar intellektuell anhört… (Gemeint ist offenbar eine Hochgeist-Variante des Flachgeist-Satzes von Brecht, dass die Kapitalisten die eigene Moral mit Füßen träten: Erst komme ihnen das eigene gute Essen, dann ihre verlogenen Hunger-Moralsprüche für die anderen.)
    Brecht übrigens konnte so formulieren, dass man ihn gut verstehen kann. Auch seine Fehler. Das beherrscht nicht jeder.
    (Auch darüber, über die intendierte Unverständlichkeit des Tui-Sprechs, hat Brecht einige kluge Anmerkungen gemacht. Zugegeben: auch einige dumme.)

  75. j.
    2. September 2015, 20:54 | #75

    „Es ist aber tatsächlich umgekehrt: Der Verzehr muß der Produktion voraus gehen, sonst findet sie nicht statt.“
    http://data9.blog.de/media/360/8611360_2737e63963_m.jpeg
    http://data9.blog.de/media/258/8612258_47ccd40ae7_m.jpeg

  76. TomGard
    2. September 2015, 21:43 | #76

    @ Barnabas
    Erkläre „der kapitalistisch zwieschlächtige Reichtum“

  77. Paquito
    2. September 2015, 22:02 | #77

    Wo es um kapitalistischen Reichtum geht, wird praktisch von der Nützlichkeit abstrahiert, kommt es auf die Leistungen der konkreten Arbeit, nützliche Güter zu produzieren, nie als solche an. Weil stattdessen Verausgabung menschlicher Lebenskraft, also Anstrengung und Mühsal, synonym ist mit neu geschaffenem Reichtum, herrscht in der Waren produzierenden Gesellschaft ein unstillbares Bedürfnis nach immer mehr Verausgabung von Arbeit. Nur durch ein Mehr an Arbeitsmühe kann der wertmäßige Reichtum, die mit den produzierten Waren produzierte Zugriffsmacht auf fremdes Eigentum, wachsen – und darauf kommt es an; denn in dieser Verfügungsmacht, und nicht in der Masse nützlicher Produkte, besteht kapitalistischer Reichtum.
    Mit dem Wirkungsgrad der Arbeit wird die Gesellschaft nach der Seite der Gebrauchswerte immer reicher; Zufriedenheit stellt sich darüber im Kapitalismus aber nicht ein, weil der Tauschwert durch die Ersparung von Zeit und Mühsal bei der Produktion keine Steigerung, womöglich sogar eine Verminderung erfährt.
    Weil die konkrete, Gebrauchswerte schaffende Arbeit der abstrakten, den Wert schaffenden Arbeit subsumiert ist, weil es auf die Produktion von neuem Wert ankommt und der Gebrauchswert dafür nur Mittel ist, wird die Mühsal niemals weniger, mag die fürs Leben der Gesellschaft notwendige konkrete Arbeit auch längst auf ein unerhebliches Minimum zurückgeführt worden sein. Der „Heißhunger“ dieser Gesellschaft nach – abstrakter – Arbeit ist nie gestillt.
    per copy and paste aus:
    http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2008/2/gs20082093h1.html

  78. TomGard
    2. September 2015, 22:06 | #78

    @ Paqito
    Das ist eine beschreibende Paraphrase des „allgemeinen Gesetzes kapitalistischer Akkumulation“, nicht wahr?

  79. Paquito
    2. September 2015, 22:16 | #79

    Das ist eine Ausformulierung dafür, dass dieser gesamte kapitalistische Akkumulatiomsprozess in seinen Grundlagen und Auswirkungen garantiert nicht als Folie für den Kommunismus taugt.

  80. TomGard
    2. September 2015, 22:40 | #80

    @ Paquito
    Das kann man konkreter sagen.
    Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel Vergegenständlichung des Zweckes der Klassenherrschaft, das Produkt von Maloche zu konsumieren, um damit einen Anteil der Eigentümer am Besitz des gesellschaftlichen Gesamtprodukts zu behaupten und möglichst neu zu erobern.
    Nach Zerschlagung des Privateigentums an gesellschaftlichen Produktionsmitteln konsumieren die Produzenten dieselben.
    Korrekt?

  81. Paquito
    2. September 2015, 23:08 | #81

    Als Mittel des Produzierens im Kapitalismus sind sie entsprechend bestimmt. Willst du eine kapitalistische Fertigungsstraße aufessen?

  82. Mattis
    2. September 2015, 23:13 | #82

    „Immer soll es eine Übergangsgesellschaft brauchen, bevor es zum richtig echten Kommunismus kommt. Wenn man ehrlich ist, handelt es sich um eine Ausrede. Jemand mit dieser Position will etwas a n d e r e s, will es aber nicht zugeben.“ (Krim)

    So sieht man die Welt und die abweichenden Meinungen der Kontrahenten, wenn man ständig nur nach bürgerlichen Standpunkten fahndet, statt die gesagten Argumente mal ernst zu nehmen.

    „Allerdings sich das jetzt schon auszumalen, hat den Mangel, dass genau diese Überlegung derart viele Ungewissheiten und dafür notwendige Absprachen enthalten muss, dass man m.E. nur sehr vage Skizzen entwerfen sollte.“ (Barnabas)

    Nochmal kurz und knapp: wenn der Sozialismus die Alternative zum Kapitalismus sein soll, warum ist dann alles, was man über den Sozialismus aussagen kann, eigentlich so furchtbar vage und spekulativ? Glaubt hier jemand, dass der morgige Kapitalismus sich vom heutigen so sehr unterscheidet, dass nichts mehr von all dem gilt, was man heute vor sich hat?
    Oder glaubt jemand ernsthaft, die Architektur des Sozialismus hängt irgendwie ab von der im Jahre x geförderten Menge Rohöl oder von den zu erwartenden Niederschlagsmengen oder so? Schließlich geht es hier doch nicht um einen konkreten 5-Jahresplan – aber einige hier tun so und meinen, mich damit blamieren zu können, Was soll diese Dummstellerei? – Hier gehts doch um eine qualitativ neue Ökonomie und deren Funktionsweise, um die Grundprinzipien der Produktion und Verteilung. Sind die etwa davon abhängig, ob wir web 2.0 oder web 6.0 haben?
    Man könnte glatt glauben, man müsste demnächst auch Das Kapital nochmal komplett neu schreiben, weil sich ja alles so furchtbar arg verändern könnte, und weil ein Kapitalismus ganz neuen Typs dann natürlich auch einen jetzt noch gar nicht vorhersehbaren Sozialismus ganz neuen Typs als Antwort erfordert …
    Leute, es geht hier doch nicht um die Landung auf einem fernen Planeten, dessen Lebensbedingungen noch keiner kennt!

  83. Mattis
    2. September 2015, 23:14 | #83

    @Barnabas:
    Dass, wie libelles Ideal lautet, die Menschen durch das, was sie gerne tun, auch schon das Nötige produzieren, was sie brauchen, sollte dich nachdenklich machen. Wie das mit solchen Idealen ist, sind sie entweder realitätsfern und bleiben es – oder aber sie werden mit Gewalt „realisiert“: tu deine Arbeit gerne, dann IST sie bereits das Bedürfnis, das du erfüllt sehen willst. Bedürfnisse, die nicht durch die Arbeit selbst befriedigt werden, passen in ein solches Denkschema nicht hinein. Das war mein Hinweis.
    Du kannst auch an dem Punkt mißtrauisch werden, wo libelle aufgrund der Tatsache, dass ich von Planwirtschaft spreche, schon schlußfolgert, dass bei mir die Menschen nicht als Subjekte vorkommen.

    … nur kommen die Menschen, die ihre Zeit dafür aufwenden bei dir nicht als Subjekte vor, die ihre Zeit dafür disponieren, weil sie der Auffassung sind die Gebrauchswerte zu benötigen, sondern sie kommen wie im Kapitalismus als Menschen vor, die nicht über ihre Zeit verfügen (darüber verfügt der qua ausgetragener ritueller Machtfrage zur gesellschaftlichen Vorgabe erhobene Plan).

    „Worum es in einer vernünftigen Gesellschaft gehen muss, ist Arbeit in Tätigkeit zu verwandeln (oder notwendige Arbeit in Tätigkeit) d.h. dafür zu sorgen, dass das, was die Leute den ganzen Tag tun, Ergebnis der freien Disposition ihrer Zeit für ihre Zwecke ist.“

    Zu planen darf laut libelle also nicht dazugehören, d.h. streng genommen, es darf gar kein Verhältnis von Mittel und Zweck geben, libelle bestimmt also über die Zulässigkeit der Zwecke. So gesehen dürfte nicht mal ein Schimpanse mit einem Stöckchen eine Made aus der Baumrinde ziehen, denn sein Bedürfnis ist ja die Made, nicht das Stöckchen-führen. Stöckchen-führen ist ja gemäß libelle ein Sachzwang, der dem Bedürfnis äußerlich ist, und insofern schon die erste bürgerliche Entgleisung.

  84. Mattis
    2. September 2015, 23:36 | #84

    „Die Idee, einen Ausschluß der Individuen vom gesellschaftlichen Reichtum, den sie schaffen, als einen Zugang abzuwickeln, der am Maßstab einer DRAN- und HERGABE von Lebenszeit in die Form kommandierter Arbeitszeit bemessen wird, ist völlig sachfremd“ (TomGard)

    1. Ein gemeinschaftlich erstellter Plan gilt dir schon als „kommandierte Arbeitszeit“?
    2. Ja, fürs Produzieren braucht es ein wenig Lebenszeit, was soll der moralische Ton dabei?
    3. Die Notwendigkeit einer Begrenzung ist nichts, was man zu Recht „Ausschluss“ nennen kann. Zugunsten von wem oder was wird denn da ausgeschlossen?
    Alles sehr kindisch: ich will keine Grenzen (weil das ist ja Ausschluss), ich will nur Spaß (alles andere ist Hergabe von Lebenszeit), und ich will, dass mich mein Spaß unmittelbar auch noch mit allem versorgt, was ich gerne hätte.
    Ich dachte, die Sponti-Episode ist vorbei.

  85. TomGard
    3. September 2015, 07:38 | #85

    War absehbar.
    Vielleicht lernt Franziska was ‚draus, das war die Absicht.

  86. TomGard
    3. September 2015, 07:56 | #86

    Nachtrag @ Barnabas:
    „Bedürfnisse entstehen, sind nicht gegeben, entwickeln sich. Ganz zu Beginn von KI gibt es eine Stelle, dass die Gebrauchswerteigenschaften zu entdecken und zu entwickeln historische Tat sei oder so ähnlich.“
    Eine Fußnote aus der Feder Engels und eine geschichtsphilosophische Apologetik. Menschen schaffen Bedürfnisse füreinander, das nennt man „Kultur“ – schon in den Keimformen, die man im Tierreich „im engen Sinne“ vorfindet. In Ausbeutergesellschaften, in denen die Bedürfnisse der Mehrheit Mittel, nicht Zweck sind, erscheint allerdings gern eine „Geschichte“ als Subjekt der Kulturation.

  87. Mattis
    3. September 2015, 07:59 | #87

    @Paquito:
    Es nützt nichts, wenn du hier den Kapitalismus beschreibst. Das ist ja ok. Aber mit „Heißhunger nach abstrakter Arbeit“ hat die Debatte hier nichts zu tun.
    Du hast im Sozialismus schlicht das Problem der Verteilung, solange nicht alles für alle reicht und das auch noch für möglichst wenig Arbeit der nicht so beliebten Sorten.Man kann das wegreden, weil man die Konsequenzen scheut, aber das hilft ja nicht weiter.
    Was macht man dann? Standhaft das Ideal beschwören, es müsse doch eigentlich reichen? Wenn man keine beschränkenden Regelungen trifft, gilt „wer zuerst kommt mahlt zuerst“. DAMIT drängt man die Leute in eine Konkurrenz um die Resultate ihrer gemeinsamen Produktion.

  88. 3. September 2015, 08:13 | #88

    Zu Mattis

    „Wenn man keine beschränkenden Regelungen trifft, gilt „wer zuerst kommt mahlt zuerst“

    Das ist bei manchen Sachen ja schon jetzt nur ein kleineres Problem. Wenn die Straßenbahn oder der Bus in genügend schnellem Takt daherkommt, dann kann man ohne sich was zu vertun, auch mal ohne streit hinnehmen, daß da eine ganze Horde vor einem reindrängt. Dann nimmt man halt den nächsten. Oder bei Klamotten, wenn man da im übervollen Laden das eigentlich gewünschte gestreifte Hemd nicht findet, nimmt man regelmäßig eben was anderes oder kommt später noch mal wieder, weil an dem einen gestreiften Hemd hängt ja nichts.
    Es geht doch immer nur um fette Sachen, die wirklich was ausmachen wie z.B. eine schöne gutgelegene Wohnung. Da ärgert man sich schon, wenn man die mit dem tollen Balkon nicht kriegt.
    Unter Stalin hat man das Problem, daß die Menschen, wenn man sie hätte wählen lassen, ob sie lieber in ihrer lausigen Kolchose oder in Leningrad wohnen und arbeiten wollen, alle die Stadt gewählt hätten, dadurch „gelöst“, daß Umzüge einfach verboten wurden.

  89. libelle
    3. September 2015, 08:50 | #89

    @Mattis – nein, nicht zu planen ist ein Fehler, sondern dein Bedürfnis eine Gesellschaft mit lauter Bürgern zu unterstellen, die nicht in der Lage sind im Bus aufzustehen, wenn ein gebrechlicher Mensch einsteigt und denen du dann legitimiert durch gesellschaftliche Abstimmung mit einem Polizeiapparat die Regeln des Guten aufherrschen willst. Ich hoffe, du verstehst das Gleichnis. Du musst schon versuchen zur Kenntnis zu nehmen, was man sagt und ich hatte explizit auf den Unterschied zwischen Plan bei dir (ein per entschiedener Machtfrage der Gesellschaft vorgeschriebener Imperativ) und Plan (bei mir) als sachgerechte Koordination der Mittel für einen Zweck hingewiesen (das Moment hat er sicher bei dir auch, nur dass du von einer Gesellschaft ausgehst, der du deine Vernunft vorschreiben musst, wofür du „Konzepte“ suchst).
    @franziska:
    Es ist verkehrt über die Übergänge in eine vernünftige Gesellschaft zu spekulieren. Vernünftig ist es die Konsequenzen aus den eigenen Einsichten über die Welt zu ziehen, deren Subjekt man ist. Wir hier (du, ich, neo usw…) sind aber keine Subjekte eines solchen Übergangs. Aus diesem Bedürfnis den Übergang zu planen, in ein Projekt zu verwandeln und damit die, die die tatsächlichen Subjekte davon sind zu Statisten dieses Prozesses zu machen, für die man etwas vorsieht(z.B. eine Bewusstseinsänderung), kommt ein guter Teil der Gewalttätigkeit und der Ideologieproduktion von Kommunisten.
    Wenn ein kommunaler Zusammenschluss das Leben verbessert (zu diesem Urteil zu kommen hat auch subjektive Momente und hängt davon ab, in welcher Situation sich der Einzelne im Kapitalismus befindet) – und man kann ihn stattfinden lassen, dann tut man das. Ergibt sich aus dem Betreiben dieses Zusammenschlusses, dass es sinnvoll ist lokal, regional, auf größerer Stufenleiter etc… zu produzieren und man kann das so organisieren – dann tut man das.
    Kommt man zu dem Schluss dass die einzige Konsequenz der eigenen Erkenntnisse über die Welt, deren Subjekt man ist, die ist, sie anderen mitzuteilen – macht man eben das.
    Ich meine so schaut man sachgerecht, nicht spekulativ (religiös) in die Welt und nicht so, dass man an völlig willkürliche Möglichkeiten diese Gesellschaft ändern zu können glaubt.
    Dann musst du mir auch erklären, wie man z.B. einen Teilchenbeschleuniger, zu dessen Betrieb es vielleicht eine Kleinstadt voller Beschäftigter braucht, die Materialien und Technologien verwenden, die man nur an verschiedenen Orten der Welt beziehen (herstellen) kann „regional“ oder „lokal“ betreiben soll.
    Landwirtschaft kann man regional betreiben und da macht „Lokalität“ auch Sinn – aber sowas wie Raumfahrt, Tiefseeerkundung, Luftfahrt usw… macht „regional“ überhaupt keinen Sinn. Die Lokalität ist eben nur ein Moment der Produktion, zusammen mit anderen Einflussgrößen (wo gibt es die Rohstoffe, welche Zeit erfordert die Produktion bei welchem Ausstoß der Produktionsanlagen, welche Anzahl von Verbrauchern braucht das Produkt (nimm Luftfahrt mit Infrastruktur) etc…)
    Und genau die benötigten Zutaten muss man planen, sodass die Produktion von Äpfeln und Erdbeeren sehr wahrscheinlich eine Planung erfordert, die Regional stattfinden kann, während sowas wie der Schiffsverkehr, der Fischfang, die Luftfahrt etc… eher Gegenstand einer weltweiten Planung sein müssen.
    Sollte ich dich missverstanden haben, dann korrigiere mich halt.
    edit: Ich korrigiere mich ein wenig: Selbst die lokale Produktion von Äpfeln und Erdbeeren kann erst als die für die Produzenten sachgerechteste Lösung ermittelt werden, wenn andere Möglichkeiten z.B. bzgl. des Aufwandes dagegen abgewogen werden. Insofern unterstellt auch das eine weltweite Planung.

  90. Krim
    3. September 2015, 10:06 | #90

    Es gibt auch kleinere Teilchenbeschleuniger in Universitäten z.B. Berlin Adlerhof: ein größeres Gebäude mit dem unterirdischen Ring. Das Rohr, durch das die Teilchen flitzen, ist nicht dicker wie ein Zoll. Erforschen kann man damit auch einiges. Das Cern ist natürlich ein anderes Kaliber.

  91. TomGard
    3. September 2015, 10:44 | #91

    Franziska:

    „Hingegen wer das Zustandekommen von Konsens in existenziellen Fragen für einen höchst prekären (und keineswegs in jeder Hinsicht, oder womöglich garnicht) berechenbaren Vorgang hält, wird solchen Konsens voraussetzende Eigentumsfreiheit ihrerseits nicht für einfach oder auch nur weitestgehend durch Willens-Anstrengung erzeugbar halten“

    @franziska, libelle
    Produktionsplanung (in der ich 14 Jahre tätig war) findet auch im Kapitalismus in erster Instanz „gebrauchswertseitig“, d.h. technologisch statt, alle Arbeitsabläufe und deren Gestaltung einschließend, bevor nach betriebswirtschaftlichen Anforderungen und Kriterien in sie hinein regiert wird. Die Planung ist immer zugleich lokal und regional – vielfach sogar „zentral“ auf entsprechend hoch politisierten Märkten, wie Agrarmarkt, Energiemarkt, Stahlmarkt, Transportwesen u. einige a. mehr. Selbstredend laufen alle Wirkungszusammenhänge von den Knoten dieses Zusammenhanges zugleich weg und auf sie zu. Der Logistiker wandelt die ihm von technischen und betriebswirtschaftlichen Parametern gegebenen Bestimmungsgrößen in Stellgrößen um, die so konzipiert sind, daß sie mit der technischen, organisatorischen und Ressourcenbasis nicht kollidieren, wenn er sauber antizipiert hat, und diese Stellgrößen werden mittels IT-Technologien direkter Bestandteil der Produktionsabläufe.
    Alle beteiligten Größen sind selbstredend politökonomische Größen – selbst die, die rein „technologisch“ erscheinen, denn sie sind ja Bestimmungsgrößen der einzelnen Arbeitstätigkeit. Eine Produktionsweise, deren Produktionszweck nicht länger einem Kapitalertrag, sondern dem Arbeitsertrag gilt, und daher den Arbeitsprozessen auch als Zweck, und nicht mehr nur Mittel, wird und muß alle diese Größen verändern. Aber das ändert nicht ihre Berechenbarkeit.
    Die Berechenbarkeit wiederum ändert nicht, daß eine Arbeitsteilung einen Produktionsprozess zeitlich, räumlich, und nach verschiedenen Ressourcen und Techniken auffächert, und die Parameter der einzelnen Knoten und Linien gemessen an antizipativ vorausgesetzten wie im Resultat übergeordneten Produktionszwecken kollidieren können und werden. Doch anders, als im Kapitalismus – und die Erklärung spare ich mir jetzt – entstammen solche Kollisionen in einer nichtkapitalistischen Arbeitsteilung keinen Widersprüchen, sondern Gegensätzen, die ausgetragen werden müssen. Über die Form, wie die Bewältigung solcher Kollisionen stattfindet, wird wiederum politisch UND technisch entschieden werden müssen. Manche Entscheidungen fordern ein notfalls militärisches Kommando, weil andernfalls schnell irgend wo etwas „hoch geht“ – im wörtlichen wie übertragenen Sinne.
    Folglich umfaßt eine verständige Produktionsplanung Stellgrößen, die an kritischer Stelle ausreichende Redundanzen schafft, die Kollisionen unter vergleichsweise minimalen Verlusten zu vermeiden (was im Kapitalismus nur beschränkt geht).
    Auch dies ist eine technologische, eine berechenbare Aufgabe!
    In diesen Prozess IST jedes arbeitende und nichtarbeitende Subjekt eingebunden, und WIRD es unter allen Umständen und Verhältnissen sein. Die Frage ist: WIE.
    Womit ich an den Anfang zurück kehre und hoffentlich libelles Kritik an franziskas Vorstellungen einlöse und zugleich richtig stelle: Auch im Kapitalismus sind die Arbeitenden Subjekte ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse, die Kritik, daß sie es nicht seien, ist ein philosophischer Schmarrn. Marxisten kritisierten mit der „Kritik der politischen Ökonomie“ die Weise, wie sie es sind. Eine Aneignung der Produktionsmittel zu einem neuen Produktionszweck hat die Eigentümlichkeit, daß alle Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstände, Arbeitszwecke und Operationsweisen darauf ZUGLEICH verändert und dieselben sind, das liegt der Doppelnatur des Produkts, der Ware inbegriffen. Die Aufgabe liegt darin, diese Veränderung in den Sachen und Abläufen zur Geltung zu bringen. Das kann langsamer oder schneller vonstatten gehen, stockend oder geschmeidig, wie das jede Arbeit so an sich hat, das kommt auf die Subjekte an. Auf sie hätte ein Kommunist zu setzen – und dabei gegen Saboteure auch ultimat „kritisch“ zu werden – nicht auf Abläufe und Verfahren, die es längst gibt, aber verändert werden müssen.

  92. 3. September 2015, 10:46 | #92

    Das ist ja das Traurige in diesem Zusammenhang: Wenn man nur eine kleine Insel ist, dann muß man eben an Technologien toll finden, was man im Kleinen gerade noch packt. Dann strecken sich die Ausssteiger eben nach der dünnen Decke, die sie blöderweise nur haben. Bzw. sie werten diese mißliche Lage ideologisch auf: „Small is beautiful!“ Dabei geht es halt im Augenblick nur nicht anders.

  93. 3. September 2015, 11:00 | #93

    Zu TomGard

    “ Eine Aneignung der Produktionsmittel zu einem neuen Produktionszweck hat die Eigentümlichkeit, daß alle Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstände, Arbeitszwecke und Operationsweisen darauf ZUGLEICH verändert und dieselben sind, das liegt der Doppelnatur des Produkts, der Ware inbegriffen.“

    Wieso bleiben bei dir denn auch nach „Aneignung der Produktionsmittel“ die nützlichen Sachen, die dann produziert werden, Waren?

  94. TomGard
    3. September 2015, 12:00 | #94

    Dem (u.a.) galt mein Hinweis, der Verzehr komme vor der Produktion. Produktion ist im Kapitalismus, wie in allen gesellschaftlichen Arbeitsprozessen, also schon im Verlauf der Menschwerdung des Affen, Reproduktion eines Produktionsverhältnisses, das identisch mit dem Dasein der Individuen ist. Waren sind quantitativ wie qualitativ dazu bestimmt, das kapitalistische Produktionsverhältnis zu reproduzieren, und das merkt man ihnen an.
    Leider hat sich nie ein Verleger gefunden, Engels fehlerhafte Einschub in Kapital I, 1 zu tilgen: „Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andern, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden.“
    Die Kritik steht in im zweiten Abschnitt dieses Blogeintrages:
    http://tomgard.blog.de/2010/12/18/wert-10213719/
    Ein Nahrungsmittel, sollte man denken, ist ein Nahrungsmittel ein Nahrungsmittel. Irrtum, im Kapitalismus ist inzwischen fast alles Gift. Unter anderem deshalb ist Euthanasie zum Bestandteil christlicher Arbeitsethik geworden.
    Wer da käme und sagte: „Ich will aber einen Audi xy“, (deren Plattformen vielleicht für Nutzfahrzeuge übergangsweise verwendbar sind), träfe hoffentlich auf genügend Leute, die sich umdrehten und den Idioten in seiner Klause bei dem täglichen Gift, das sie für ihn abfallen ließen, kümmern und verscheiden ließen. Auf diese Weise wäre sein Ende nützlich gemacht.

  95. libelle
    3. September 2015, 12:12 | #95

    Auch im Kapitalismus sind die Arbeitenden Subjekte ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse, die Kritik, daß sie es nicht seien, ist ein philosophischer Schmarrn.

    Wenn du meinen Einwand gegen franziska meinst (weiter oben hatte ich einen Einwand gegen Mattis, bei dem es auch um Subjekte ging), dann hast du mich missverstanden.
    Auch du bist kein Subjekt der Änderung der Gesellschaft, sondern das müssen diejenigen tun, die diese Gesellschaft ausmachen. Davon bist du nur ein Atom. Linke Ideen einer Revolution u.ä. unterstellen „die Gesellschaft“ oder Teile davon immer als Gegner. Und das macht die Gewalttätigkeit solcher Vorstellungen aus. Sie machen sich per definitionem vom Willen der Leute frei (sonst gäbe es in diesen Vorstellungen ja keinen „Gegner“) und dann braucht es freilich Gewalt diesen gegnerischen Willen zu unterwerfen. Dann etabliert man aber nur unter dem Titel eine vernünftige Gesellschaft zu wollen das (nach ganz eigenen Notwendigkeiten funktionierende) Verhältnis einer Macht- und Gewaltkonkurrenz und man ist auch da keineswegs in irgend einer Weise ein Subjekt, das dieses Verhältnis kontrolliert d.h. man kontrolliert entgegen der Ankündigung, die Kommunisten vor sich hertragen die gesellschaftlichen Verhältnisse eben gerade nicht. Insofern ist der revolutionäre Kommunismus eine Lebenslüge radikalisierter Bürger.
    Dagegen empfehle ich bei dem, was man tut sich auf das zu besinnen, wovon man tatsächlich Subjekt ist. Und wenn Kapitalismuskritik einmal an Verbreitung gewinnen sollte und die Leute dann tatsächlich feststellen, dass sie ihre Verhältnisse unter Kontrolle bringen und hin zu einer vernünftigen Gesellschaft ändern können, dann werden sie auch wissen, wie die Gesellschaft dahin zu überführen ist (ob kommunalistische Zusammenschlüsse ein Teil davon sein können oder nicht). Jetzt aber solche Behauptungen aufzustellen ist reiner Idealismus weil diejenigen, die sich diese Umwälzungen ausmalen eben keine Siubjekte sind, die daran etwas ändern können. Und wenn sie’s dennoch sein wollen, dann geht das nur über die Unterwerfung des tatsächlichen, nur leider abweichenden gesellschaftlichen Willens.

  96. TomGard
    3. September 2015, 12:30 | #96

    Libelle, ich , der „Wolf“, habe doch reichlich ausführlich dargelegt, daß und wie ich dir deine Schafsnatur lassen und dir den Raum verschaffen will, sie zur Wirkung und Geltung zu bringen. Es gibt aber nicht nur die Schafe, sondern jede Menge Hunde, die dir die Weide einhegen, die ich gern in die Wüste jagte oder totbisse. Was beschwerst du dich? Wenn du uns weis machen willst, dein Aufruf an die Schafe sei NICHT gewalttätig, bist du ein Heuchler vor dem Herrn – du bedienst dich der Hunde, mehr Schafe zu „werfen“.

  97. libelle
    3. September 2015, 12:33 | #97

    Mein Gott – reflektiere mal welchen Beißreflex ein paar ganz triviale Überlegungen bei dir auslösen.
    Ich beschwere mich nicht, sondern weise lediglich darauf hin, dass der Kommunismus nie im Kommunismus ankommt.

  98. TomGard
    3. September 2015, 12:47 | #98

    “ … sondern weise lediglich darauf hin, dass der Kommunismus nie im Kommunismus ankommt.“
    Das ist eine Lüge, die du im Modus versteckst. Du schreibst nicht „ankommen würde“ oder „werde“. Du läßt es auf nichts ankommen.

  99. Krim
    3. September 2015, 14:45 | #99

    @TomGard: Was genau ist der Fehler von Engels? Denn dass er dem Misverständnis Vorschub leistet, „der Wert sei aus dem Austausch abgeleitet.“ ist ja kein Fehler von Engels, sondern von denen, die ihn missverstanden haben oder missverstehen wollten.
    „Zins und Zehnt wurden für Pfaff und Fürst persönlich produziert, sie sind das Produkt unmittelbar gesellschaftlicher Arbeit, gleich Produkten familiärer Arbeitsteilung.“ Das stimmt zwar. Aber ich sehe nicht wo es Engels widersprechen würde. Er sagt ja nicht der Zehnte sei kein Produkt gesellschaftlicher Arbeit, sondern er sei keine Ware, weil er nicht ausgetauscht wird zwischen zwei Eigentümern, sondern angeeignet wird vom Feudalherrn.

  100. TomGard
    3. September 2015, 15:15 | #100

    Vielleicht ist das Mußverständnis dadurch entstanden, daß ich oben Engels unvollständig zitierte.
    Da es denn wohl sein muß, hier der ganze Abschnitt:
    Zwischenspiel: Engels fehlerhafter Einschub:
    Zitat Engels:
    „Der mittelalterliche Bauer produzierte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkorn für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehntkorn wurden dadurch Ware, daß sie für andre produziert waren. Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andern, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden.“
    Das ist ein Irrtum (1). Zins und Zehnt wurden für Pfaff und Fürst persönlich produziert
    , sie sind das Produkt unmittelbar gesellschaftlicher Arbeit, gleich Produkten familiärer Arbeitsteilung.
    [Anm.: Also nicht „für andere“, nicht das unpersönliche Verhältnis, das Engels an der Stelle im Auge hat.]
    Zitat Marx (wie im folgenden auch):
    „Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten sind.“ (S. 87)
    [Also nicht erst dann, wenn sie ausgetauscht SIND, „übertragen werden“, wie Engels sagt, das ist keine Voraussetzung]
    Man könnte einwenden:
    „.. die Privatarbeiten betätigen sich in derTat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt. (S. 87)
    Der Hund liegt im Nebensatz begraben, im Verhältnis der Produzenten. Nehmen wir an, Pfaff und Fürst verhandelten ein Teil des Korns. Wären das gelegentliche Überschüsse, könnte dies Korn nur in Poren der Gesamtproduktion fallen, weil es zuschüssigen Bedarf einmalig oder sporadisch deckt. Wird der Verkauf aber zur Regel, so handelt es sich um eine Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land, in der die Käufer und Verkäufer vermittels der Produkte zu Privat­produzenten in einem beide umfassenden Arbeitszusam­menhang werden. Fürst und Pfaff, die Produzenten wurden, sind de facto Junker, Landeigentümer. Ihr Produktionsmittel sind nicht länger die Landsassen, sondern der Boden selbst, der das Handels­produkt abzuwerfen hat. Das Verhältnis der Sassen zum Landeigen­tümer wird hiernach entweder sklavisch, worin die Sassen Arbeitsmittel des Landherrn sind, oder sie werden durch ein Landproletariat ersetzt. Die Alternative ist, den Sassen zum Pächter zu machen, wobei Natural­lieferungen Teil der Pacht bleiben können, in diesem Fall werden die Bauern selbst zu Privatproduzenten auf fremdem Grund (vgl. Gr S.164). Die Überlegung zeigt hinreichend, es ist ein Fehler, dem Bildungsprozeß der Waren nolens volens die Form zuzurechnen, welche das Verhältnis der gesellschaftlichen Arbeitsprozesse zueinander nur exekutiert. In der Rohfassung des Textes „Zur Kritik der pol. Ök.“ widmet Marx dem Thema ein eigenes Kapitel, „Erscheinung des Appropriationsgesetzes in der einfachen Zirkulation“ in dem es hervorgehoben heißt:
    „Der Entstehungsprozeß der Waren, also auch ihr ursprünglicher Aneignungsprozeß liegt … jenseits der Zirkulation.“ („Grundrisse“, S. 902.)
    Engels unscheinbarer Fehler leistet dem Mißverständnis Vorschub … “
    Unscheinbar! habe ich geschrieben, ich hätte das gar nicht erwähnt, wenn sich nicht Legionen von Historikernm, Anthropologen, Ethnologen, Philosophen und apologetische Ökonomen ‚drauf gestürzt hätten.
    Und – scheinbar – eben auch Neo, wie käme er sonst ‚drauf, daß die Produkte der Warenproduktion nach einem revolutionären „Coup“ keine Waren mehr seien?

  101. Mattis
    3. September 2015, 15:52 | #101

    Wenn die Aneignung des vom Pfaffen eingeforderten Produktes der Endpunkt ist (dann wird das Zeug verfressen und versoffen), dann ist da kein Markt und keine Konkurrenz; was sollte dann der Begriff der Ware noch besagen? Eine Ware ohne Wert? Denn der Wert ist ja nicht endgültig bestimmt allein durch die sachlich notwendige abstrakte Arbeit, sondern auf dieser Basis durch die mittels der Konkurrenz „festgestellte“ gesellschaftliche Notwendigkeit (also Nachfrage!), die letztlich auch den Wert auf einen Schlag zunichte machen kann oder ihn erhöhen.
    Bei Beispielen einer fehlenden oder stark eingeschränkten Konkurrenz kann man sich freilich ewig über die Gültigkeit und Ungültigkeit von Begriffen wie Ware, Wert etc. streiten. Was bringt das?
    Wer vertritt denn einen Sozialismus, in welchem ein konkurrierendes Angebot von Produkten die Ökonomie auszeichnet?

  102. Mattis
    3. September 2015, 15:56 | #102

    „Du musst schon versuchen zur Kenntnis zu nehmen, was man sagt und ich hatte explizit auf den Unterschied zwischen Plan bei dir (ein per entschiedener Machtfrage der Gesellschaft vorgeschriebener Imperativ) und Plan (bei mir) als sachgerechte Koordination der Mittel für einen Zweck hingewiesen (das Moment hat er sicher bei dir auch, nur dass du von einer Gesellschaft ausgehst, der du deine Vernunft vorschreiben musst, wofür du „Konzepte“ suchst).“ (libelle)

    Woran erkennt libelle, dass mein Verständnis von Planung im Sozialismus den Subjekten äußerlich gegenübertritt? Weil die Planung erst beschlossen und dann umgesetzt wird? Und wie plant libelle? Natürlich gaanz anders. Aber bitte „Butter bei die Fische“!
    Solange libelle nicht damit rausrückt, wie seine Planungsweise sicherstellt, dass diese immer 100% identisch ist mit den Bedürfnissen sämtlicher Beteiligten, halte ich das nur für eine kühne Behauptung.
    *
    Freiheit und Notwendigkeit …
    Natürlich ist es am besten, wenn die benötigten Produkte und Dienste durch Tätigkeiten bereitgestellt werden können, die bereits unmittelbar ein Bedürfnis des sie ausübenden Menschen befriedigen. Aber den Weg in diese Richtung muss man erst mal anbahnen. Ausgerechnet im Kapitalismus wird das bestimmt nicht gelingen, von seltenen individuellen Zufällen abgesehen.
    Ich selbst habe ein paar Jahre lang einen Beruf ausgeübt, den ich von seinem konkreten Inhalt her sehr interessant fand, ja ich kann sagen, ich habe das ganz gerne gemacht. Aber so spannend es auch war: Trotzdem wollte ich diesen Job nur noch als Halbtagsjob machen, denn ich wollte mehr Zeit für andere Tätigkeiten wie z.B. Wandern und Sport und vieles andere mehr zur Verfügung haben – frei disponierbare Zeit.
    In diesem Zusammenhang wurde mir klar, dass Tätigkeiten, die man sich frei aussuchen kann nach Lust und Neigung, sowohl produktiv als auch nicht-produktiv sein können. Die nicht-produktiven Tätigkeiten können auch im Sozialismus zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung keinen Beitrag leisten, sondern verbrauchen meist sogar Aufwand, der zuvor erbracht werden muss. Wer Musik machen will, braucht ein Instrument, wer Sport treiben will, braucht die eine oder andere Ausrüstung etc. Insofern haben wir es hier mit Anforderungen an die Produktion zu tun, die durch die Bedürfnisse bestimmt werden. Wenn dies im Sozialismus beplant wird, dann plant man nicht Bedürfnisse (wie man im Feuilleton bürgerlicher Zeitungen regelmäßig lesen kann), sondern die Erfordernisse, die aus den angemeldeten Bedürfnissen erwachsen und somit den Aufgabenkatalog für die Produktion definieren.
    Wenn man nun sämtliche Tätigkeiten der Kategorie wegließe, die solche notwendigen Aufwände erbringen, aber die nicht um ihrer selbst willen getan werden, dann könnte man andererseits natürlich auch nicht die Bedürfnisse befriedigen, für die diese Aufwände ein Mittel darstellen.
    Die von mir favorisierte Arbeitszeitrechnung (mit individuellen Konsum-Budgets) ermöglicht es dem Einzelnen, wenig notwendige Arbeit zu leisten, wenn er wenig aufwändige Bedürfnisse hat. Je nach Bedarf aber auch umgekehrt. Auf diese Art und Weise kann jeder selbst bestimmen, welche Prioritäten er in seinem persönlichen Leben setzen will. Um für jedermann das Ziel, dass freie gewünschte Tätigkeit und notwendige Produktion ineins fallen, zumindest teilweise zu verwirklichen, benötigt man bereits nicht nur eine hocheffiziente Technologie, sondern auch eine anspruchsvolle organisatorische Planung der Arbeitsverteilung. Wenn diese dann gleich wieder als äußerer Zwang gegen die Subjekte definiert und abgelehnt wird, kann man das ganze Projekt vergessen.

  103. TomGard
    3. September 2015, 16:09 | #103

    “ …kann man sich freilich ewig über die Gültigkeit und Ungültigkeit von Begriffen wie Ware, Wert etc. streiten. Was bringt das?“
    Solch ein Streit – wenn es denn einer ist / wird – ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Das Produktionsverhältnis „Kapital“ ist vergegenständlicht in seinen materiellen Bestandteilen, also den Produktionsmitteln, und dem Warenstock, Hilfs- und Betriebsstoffe incl., und auch noch die Raumordnung zählt dazu. All das soll auf die eine oder andere Weise verändert werden – ich denke, angesichts der Vordebatten sollte darüber niemand hier einen Streit anfangen müssen. Das Bedürfnis entstammt sehr offensichtlich einem Drang nach Angriffspunkten für neue Denunziationen im „TomGard-Bashing“.

  104. Mattis
    3. September 2015, 16:20 | #104

    @TomGard:
    Wenn das Kapitalverhältnis aufgehoben wird, ist doch die alte „Vergegenständlichung“ nichts als ein Haufen toter Materie, die man nach Gutdünken vergessen, verwenden oder umgestalten kann. Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst. Und wo kommt bei dir die Rolle von Markt und Konkurrenz vor, ohne die Ware &#38; Wert doch gar nicht existieren können?

  105. TomGard
    3. September 2015, 16:48 | #105

    @ Mattis
    „… nichts als ein Haufen toter Materie, die man nach Gutdünken vergessen, verwenden oder umgestalten kann“
    Okay, ich bestimme dich zum Förster.
    e.o.d.

  106. Hansel
    3. September 2015, 17:05 | #106

    „Angriffspunkte für neue Denunziationen im „TomGard-Bashing“…
    … die liefert TG doch selbst
    durch seine Tui-hafte Selbstgefälligkeit.
    TG ist es, der die Diskursebene wechselt ad personam,
    anstatt seine Anliegen zu erklären.

  107. Hansel
    3. September 2015, 17:29 | #107

    TG legt Wert darauf, dass in den Waren die gesellschaftlichen Beziehungen stecken als „Reproduktion eines Produktionsverhältnisses, das identisch mit dem Dasein der Individuen ist“. So auch bei dem Beispiel mit dem Zehnten, wo es kein Ware sei. Ware sei eben nicht durch den bloßen Händewechsel bestimmt.
    So war aber ‚Ware‘ hier in diesem Blog auch gar nicht bestimmt worden. Sondern als a) gesellschaftliches Aneignungsverhältnis. Das obendrein, seiner Form halber, b) die Notwendigkeit enthält, sich im Geld dann auch erst noch in seiner bestimmten Größe (und als Wert überhaupt) realisieren zu müssen. Diese Momente muss man beide festhalten. Beide Momente sind konstitutiv für die Ware.

  108. libelle
    3. September 2015, 17:30 | #108

    @Mattis

    Solange libelle nicht damit rausrückt, wie seine Planungsweise sicherstellt, dass diese immer 100% identisch ist mit den Bedürfnissen sämtlicher Beteiligten, halte ich das nur für eine kühne Behauptung.

    Das ist doch Realsatire! Nenne mir mal „die Beteiligten“. Ich bin mir nichteinmal sicher ob wir beide uns an der gleichen Sache beteiligen würden!
    Außer deinem Postulat, dass „die Beteiligten“ nie und nimmer gesellschaftliche Produktion als die Art begreifen können, wie sie sich verwirklichen, sondern Produktion ihnen wie ein Abzug von ihrem eigentlichen Leben vorkommen muss, hat diese Aussage nichts Diskussionswürdiges, weil sie völlig fiktiv ist.
    So fiktiv nehme ich einfach an, dass „die Beteiligten“ entweder die Notwendigkeit der Tätigkeiten einsehen, wenn sie sie nicht mögen oder sie einfach die Tätigkeiten für eine angenehme, erfüllende Art halten ihr Leben zu verbringen.
    Sicher glaubst du mir das nicht. Warum nicht? Weil „der Mensch“ ein anderer ist? Welcher denn?

    Die nicht-produktiven Tätigkeiten können auch im Sozialismus zur gesellschaftlichen Arbeitsteilung keinen Beitrag leisten, sondern verbrauchen meist sogar Aufwand, der zuvor erbracht werden muss. Wer Musik machen will, braucht ein Instrument, wer Sport treiben will, braucht die eine oder andere Ausrüstung etc.

    Eine unproduktive Tätigkeit kann nur eine sein, die nichts zum Zweck der Gesellschaft beiträgt. Was ist denn der Zweck deines Sozialismus?
    Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.

    Die von mir favorisierte Arbeitszeitrechnung (mit individuellen Konsum-Budgets) ermöglicht es dem Einzelnen, wenig notwendige Arbeit zu leisten, wenn er wenig aufwändige Bedürfnisse hat.

    Von arbeitszeitbezogenen Konsum-Budgets halte ich nichts.
    Überlege mal, was Arbeit ist. Im Kapital steht an irgend einer Stelle sinngemäß dass damit die Tätigkeit gemeint sei, die Naturstoffe an Bedürfnisse anpasst. Das trifft so ziemlich auf jede Tätigkeit zu – sogar auf das Auftauchen aus dem Wasser nachdem die Luft knapp wird – schließlich ändert man seine Lage, um atmen zu können. Und natürlich „arbeitet“ gemessen an dieser Fassung dessen, was das sei auch jeder der musiziert.
    Damit die Bezeichnung Arbeit überhaupt etwas taugt darf sie nicht mit der Befriedigung des Bedürfnisses zusammenfallen. Das ist der Witz – und genau das will man (soweit möglich) in einer vernünftigen Gesellschaft überwinden.
    Lebenszeit als Arbeitszeit aufzufassen, ohne darauf kritisch aufzumerken ist demzufolge verkehrt, ist eine Affirmation der Ausbeutung.

  109. 3. September 2015, 18:18 | #109

    libelle postuliert,

    „Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.“

    dann ist das wieder typisch für seine idealistische Einebnung der wie ich meine auch nach einer Revolution noch eine Weile sehr wohl von den meisten Menschen für die meisten Tätigkeiten angesehenen wichtigen Unterscheidung. Es ist natürlich kein Zufall, daß stalinistische Regime genau die gleiche Einebnung den Werktätigen einzubläuen versucht haben, denn verringern oder erleichtern konnten sie mangels der dafür notwendigen Technologie ja lange nicht.

  110. Hansel
    3. September 2015, 18:27 | #110

    „Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.“ (libelle)
    Das stimmt. Zumindestens die kapitalistische Unterscheidung gilt nur im Kapitalismus. Na logo.
    Nämlich: Der Gegensatz produktiv/unproduktiv ist hierzulande am Geldwert gemessen, der damit erzielbar ist.
    Zwei Einwände zu dieser bürgerlichen Praxis: Geld lässt sich hierzulande mit dem letzten Scheißdreck verdienen, wenn er verkauft wird. Anererseits gilt die Arbeit der Toilettenfrau als eher unproduktiv, weil sie schlecht bezahlt wird. In Venezuela wird mit einem Jugendorchester Jugendlichen eine Perspektive vermittelt, auch wenn nicht jeder wie der berühmte Dudamel in L.A. landen wird. Ist die Herstellung der Musikinstrumente für dieses Orchester produktiv oder unproduktiv? Das entscheidet im Kapitalismus die bloße Einbringlichkeit von Geld. Wenn es eine weltweite Musikerkarriere und Geld für das Musikgeschäft einbringt, dann sei es produktiv – wenn Herr Dudamel mit dem Dudeln nur seinen Bauchnabel erfreut, dann sei es unproduktiv? Am Inhalt der Tätigkeit lässt sich das gar nicht festmachen.
    Das war ünrigens der Fehler der Frühbürger, die sich nur nicht einig waren, ob nun Bauernstand, Industrie oder Handel als eigentliche Produktivität zu gelten habe. (Komischerweise hat Mattis m.E.ähnliche Vorstellungen.)
    Die frühen Bürger hatten gegenüber den Adeligen auch einen Begriff von produktiver Arbeit. Die Kritik von deren Vorstellungen – Smith, Ricardo, Say etc. – liegt in der Kritik der politischen Ökonomie – der ökonomischen Lehren – von Marx vor. „Produktiv“ war hier als Begriff des Neuen, des Frühbürgerlich-Optimistischen entgegengesetzt zum Adel, der als parasitär und verkommen – und ‚unproduktiv‘ galt.
    Dass Stalin seine Widersacher als unproduktive Schmarotzer hinrichten ließ, sagt einiges über diesen Massenmörder. Aber nichts über den Begriff „unproduktiv“.
    Was soll der Begriff ‚produktiv‘ jenseits der bürgerlichen Ökonomie denn darstellen?

  111. TomGard
    3. September 2015, 18:31 | #111

    @ libelle an Mattis
    schließe mich an.
    @ Hansel
    Ich habe weit oben eine Arbeit geleistet, ein Versuch, möglichst diskussionstauglich verdichtet und doch die m.E. wesentlichen Punkte umfassend über Arbeitsteilung und Produktionsplanung zu reden. Das schüttle ich nicht mal eben aus dem Handgelenk, es ist eine Arbeit. Das Einzige, was du ‚draus machst, ist ein Sprachregelungsstreit, weil ich da noch von „Waren“ gered‘ hab.
    Ich denke, im Kommunismus wäre Platz für die gesellschaftliche Elementarethik 1) Du sollst nicht lügen und 2) Du sollst nur töten, wenn es sich nicht vermeiden läßt.
    Ich wollte Drittens hinzufügen – und deshalb schreibe ich das – :
    Verschwende nicht meine Zeit! Wenn das jeder vom andern fordern und alle jedem zugestehen würden, so gut es jeder versteht, dann wäre das schon der halbe Kommunismus, nachdem das Schlachten vorbei ist.

  112. 3. September 2015, 18:37 | #112

    Ich kann mich (wie sicher auch mancher älterer GSP-Freund) noch an die schrecklichen „Untersuchungen“ und Diskussionen erinnern, wo es in eine modernen „Klassenanalyse“ darum ging, wer in der damaligen BRD das Glück hatte zu den produktiven Arbeitern gezählt werden zu können, und wer das politische Pech hatte, da nicht zugebucht zu werden.

  113. Hansel
    3. September 2015, 18:48 | #113

    „Produktiver Arbeiter zu sein, das sei ein Pech“,
    so lautete meiner Erinnerung zufolge das GSP-Gegenargument.
    Meiner Erinnerung zufolge war das bei den Revis
    der Auftakt für die Anwanzerei an die Arbeiter.
    Möglichst die am angeblich super-all-produktivsten.
    Das seien angeblich die Metallarbeiter und die Hafenarbeiter.
    (Selbst die Kabarett-Figur des Hafenarbeiters ‚Kuddel Schnööf‘ von dem SPD-Linken Jochen Steffen bediente diese Vorstellung vom echt-proletarisch Guten. Würde einem SPDler heute auch nicht mehr einfallen…)
    Wal Buchenberg hat den Kram aufgelistet:
    „Wer ist ein produktiver Arbeiter“
    http://de.indymedia.org/2002/10/31326.shtml
    Jenseits des Kapitalismus wäre das ein Unfug.
    (Ein Klassiker-Zitat dafür, dass es vielmehr ein einziges Pech sei, so benutzt zu werden, hatten die GSPler dafür auch parat.)
    [neo: Ja, ich weiß, habe ich jetzt aber genausowenig wieder vorgekramt wie die Arbeit von Huisken]

  114. Hansel
    3. September 2015, 21:29 | #114

    Wie das dann ausfällt, als produktiver Arbeiter rangenommen zu werden, wird gut hier am Beispiel der Automobilarbeiter dargelegt:
    http://www.argudiss.de/sites/default/files/doku/ankuendigung%28pdf%29/daimler_hb_0113_gl.pdf
    Dasselbe nicht als Vortragsmanuskript; sondern als Tondatei:
    http://www.argudiss.de/node/118

  115. Mattis
    3. September 2015, 22:26 | #115

    „Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.“ (libelle)

    Ach Leute. Bei solchen Begrifflichkeiten muss man halt schon den Bezug mitbeachten und sich nicht irgendeinen ausdenken, der garnicht gemeint war. Wollt ihr jetzt wirklich über produktive Arbeit im Kapitalismus debattieren?
    Ich habe das Begriffspaar produktiv / nicht-produktiv verwendet als – zugegeben unbeholfene – Kurzformel dafür, dass man – unter sozialistischen Bedingungen – bei gern gemachten Tätigkeiten eine Unterscheidung treffen kann in solche, die einen Beitrag zur vereinbarten gesellschaftlichen Arbeitsteilung leisten und solche, die dies nicht tun, die sozusagen Privatvergnügen sind. Gemeint war also die Unterscheidung „Beitrag zur gemeinschaftlichen Produktion“ versus „kein Beitrag zur gemeinschaftlichen Produktion“.
    Wenn man etwas gemeinsam plant und jeder einen Beitrag dazu leistet, dann wird manches davon vielleicht auch Spaß machen. Trotzdem ist es ein Beitrag. Ich kann dem nicht die Qualität, ein Beitrag zur gemeinsamen Arbeit zu sein, absprechen, bloß weil das jemandem zugleich auch Spaß macht. Wenn aber jemand stattdessen in seinem Keller an seiner Modelleisenbahn „arbeitet“, dann ist das eben keine Mitarbeit im genannten Sinne. Man schaue halt auf diese meine Aussagen statt auf die abkürzenden Begriffe. Es ging nicht um Arbeit oder Nutzen bewirkende Tätigkeit schlechthin.
    Nochmal zum Kern: Es ging doch um das Thema, ob es im Sozialismus noch notwendige Arbeiten geben kann, die nicht zugleich unmittelbar ein Bedürfnis sind, oder ob das dann schon ein äußerer Zwang gegen die Subjekte ist, den man wie libelle und andere glaubt grundsätzlich ablehnen zu müssen. – Ich habe begründet, warum das gar nicht prinzipiell umgangen werden kann und ein Sozialismus, der noch solche notwendigen nicht-spaßigen Tätigkeiten mit einplant, deshalb noch lange keine Zwangsveranstaltung ist. Typisches Beispiel: der Müll muss entsorgt werden. Die Konsequenz in einer vernünftigen Gesellschaft lautet dann: Irgendwann ist halt jeder mal dran, die Müllabfuhr zu machen, denn mit genügend Menschen, die von sich aus schon liebend gerne Müll fahren, dürfte eher nicht zu rechnen sein.
    Durch entsprechende Rotation kann man erreichen, dass es eben jeden mal trifft und nicht einer ständig nur ungeliebte Arbeit erledigen muss. Das setzt natürlich Einsicht der Beteiligten in die Notwendigkeit (der Müllabfuhr) voraus, und wer da meint, alle Arbeit müsse auf jeden Fall immer auch Spaß machen, sonst sei sie pure Gewalt, liegt m.E. voll daneben.

  116. franziska
    4. September 2015, 09:49 | #116

    Mattis-Sozialisten haben offenbar einen gewissen „Materialismus“ betätigt und das Eigentum an Produktionsmitteln beseitigt. Über deren Verwendung entscheiden sie „alle zusammen“; ebenso wie über ihre Arbeitskraft, deren Verausgabung sie, ohne besonderen Druck, auch vorenthalten können (ohne solchen Druck sind die andern davon „naturwüchsig“ ausgeschlossen). Und natürlich können sich die für die Verwendung beider Ressourcenarten unmittelbar vorgeschlagenen Pläne widersprechen. Mattis ewig wiederkehrende Frage ist: Was machen sie dann?
    Laut Krim, wenn ich das recht verstehe, haben sie (und speziell Mattis) eine weiterführende Kritik ihres Eigen(tümer)sinns noch nicht eingesehen.
    Aber wo genau liegt da die Differenz?
    Krim brachte Gedanken vor wie: Man weiss sich abhängig von der Gesellschaft, und kann dann nicht immer weiter seinen Eigentümerstandpunkt geltend machen. (Mattis, wenn ich mich recht entsinne, hat andernorts auch schon mal „um des lieben Friedens willen“ auf Durchsetzung verzichtet.)
    Umgekehrt kann gegen Krim (und den kompromiss-bereiten Mattis) eingewandt werden, dass die Gesellschaft nicht gleich zerbricht, wenn mal ein Anliegen durchgefochten (und ein anderes „untergebuttert“) wird.
    Sie bricht aber offenbar auseinander, im Mass, wie zunehmend Anliegen (Interessen) von Gruppen oder Einzelnen einander bei ihrem Zugriff auf „gemeinsame“ Ressourcen (sachliche, aber auch Arbeitsbereitschaft) ausschliessen. Ausschlaggebend ist dabei nicht das Ausmass des Zugriffs (die „Gier“); sondern der Widerspruch der Ziele. Sofern da überhaupt was artikuliert wird; denn… es gibt auch Zugriffe, bei denen garnicht klar ist, welche Zwecke von Andern dadurch nicht mehr realisierbar sind. Man kennt sie garnicht. Man fragt auch nicht. Man DARF einfach ungehindert verfügen (als Eigentümer…).
    Mit dieser kurzen Betrachtung ist man dann schon weit weg vom Problem der „Gegensätze“. Man ist da angelangt, wo man NOCH NICHT MAL weiss, welche Gegensätze man eventuell haben könnte – weil man Konsequenzen von Entscheidungen auf andres nicht überblickt. Das Ungeheuerliche an einer eigentumsfreien Vergesellschaftung ist nicht die Erwartung, dass die Leute sich in ihrem Zusammenhang einigen, ihre Konflikte freidlich-schiedlich oder auch mal unterbutternd, trittbrettfahrend usw austragen sollen; sondern… dass sie sich zu ihrem monströsen Produktionszusammenhang und seinem Fortschreiten überhaupt stellen, es überhaupt schaffen sollen, was da geschieht, auf von ihnen entworfene Zwecke und Projekte zu beziehen. Markt (gekoppelt mit Demokratie, „Öffentlichkeit“, und noch einigen andern Institutionen wie zB „Wissenschaft und Forschung“) ist das Versprechen: Das müssen sie nicht, es bleibt ihnen erspart – ihnen allen. Dafür, dass es ihnen tatsächlich erspart bleibt, nehmen sie SEHR viel auf sich – alles das, was Kommunisten an notwendigen Schäden (zB aus krass einseitigen und sich verfestigenden Macht- und Verfügungs-Ungleichgewichten) verbuchen. Das Problem mit der Eigentumsfreiheit sind doch nicht in erster Linie die Konflikte – wenn man dahin gediehen wäre, könnte man froh sein. So zu tun wie Krim und Mattis in ihrer Auseinandersetzung, als stünde man da, ist eine einzige Verharmlosung des Problems: des Problems nämlich, sich zum Produktionszusammenhang stellen zu müssen, ihn zu kennen, sich auf Prinzipien seiner Regulierung zu besinnen, und in den Gründen für und gegen, den je massgeblichen Gesichtspunkten (die man eben dazu bedenken muss) einig zu werden; und… ich bin mir sicher: an Mattis’sche Popelfragen der Lebenseinrichtung eines jeden schliessen sich da beängstigend schnell Grundsatzfragen für eben denselben an – da hat ers MIT SICH und objektiv unbeantworteten Fragestellungen zu tun, und noch garnicht mit andern Entscheidern.
    Er hat es, nebenbei gesagt, auch noch mit Experten zu tun, wie alle Entscheider heutzutage; die ihm und allen SEHR konsequenzenreiche Einschätzungen vortragen – solche, bei denen ganz schnell der gesamte verfügbare gesellschaftliche Reichtum gleich mehrfach verplant wäre, je nachdem, welchem Mix an Gesichtspunkten man da den Vorrang gibt.
    Verglichen damit ist das, worüber Krim und Mattis streiten, idyllisch. Das Nicht-Beherrschen unseres hoch-arbeitsteiligen Reproduktions- und Wissenserwerbs-Prozesses ist kein politisches, soziales oder ökonomisches, sondern es ist ein MATERIELLES Problem. Indem man die Frage aufwirft, wie eine Nicht-Eigentüner-Gesellschaft ihre Reproduktions- und Wissens-Aufgaben löst, stösst man auf dies Problem, man ist unmittelbar damit konfrontiert; aber man löst es darum nicht. (Das ist nicht im geringsten ein Argument gegen Eigentumsfreiheit – die braucht es sowieso; es relativiert bloss die Bedeutung, die man ihr beimisst: Wir haben als vom Eigentum Befreite noch ganz andre Probleme.)

  117. 4. September 2015, 09:58 | #117

    „(Mattis, wenn ich mich recht entsinne, hat andernorts auch schon mal „um des lieben Friedens willen“ auf Durchsetzung verzichtet.)“

    Nein, das warst du selber, der das eingebracht hatte:

    „Könnten sich in der „Assoziation freier Produzenten” am Umgang mit den Belastungen der Moderne Unterschiede (Prioritätensetzungen) entfalten, die sich nicht erledigen lassen, auch wenn sie (um des lieben Friedens willen) nicht in Kämpfe münden? Solche Unterschiede, die dann jedenfalls nicht mehr auf die unterschiedliche Verfügungsberechtigung über Produktionsmittel (und dadurch charakterisierte „Interessengegensätze”) zurückgeführt werden können?“

    Mattis hat daraufhin geantwortet:

    Ich meine ja, allerdings, deshalb braucht auch die „Assoziation“ eine politische Struktur, das heißt eine allgemein anerkannte Entscheidungsstruktur mit entsprechend legitimierten Organen. Davon wollen manche Kommunismus-Idealisten nichts wissen. Ich sage dazu jedoch: Einigkeit im Grundsatz heißt noch lange nicht Einigkeit in allen Fragen, die anstehen, und das sind eigentlich immer Ressourcenprobleme, die wiederum gerne geleugnet werden.

    http://neoprene.blogsport.de/2012/11/21/peter-decker-in-eigener-sache/#comment-75492

  118. 4. September 2015, 10:11 | #118

    Franziska, du machst jetzt wieder dein Standard-Faß auf (das meine ich nicht abwertend sondern nur feststellend, denn dir und überhaupt ist das ja ein sehr wichtiger Punkt):

    Das Ungeheuerliche an einer eigentumsfreien Vergesellschaftung ist nicht die Erwartung, dass die Leute sich in ihrem Zusammenhang einigen, ihre Konflikte freidlich-schiedlich oder auch mal unterbutternd, trittbrettfahrend usw austragen sollen; sondern… dass sie sich zu ihrem monströsen Produktionszusammenhang und seinem Fortschreiten überhaupt stellen, es überhaupt schaffen sollen, was da geschieht, auf von ihnen entworfene Zwecke und Projekte zu beziehen.

    bzw. ähnlich:

    Das Problem mit der Eigentumsfreiheit sind doch nicht in erster Linie die Konflikte – wenn man dahin gediehen wäre, könnte man froh sein. So zu tun wie Krim und Mattis in ihrer Auseinandersetzung, als stünde man da, ist eine einzige Verharmlosung des Problems: des Problems nämlich, sich zum Produktionszusammenhang stellen zu müssen, ihn zu kennen, sich auf Prinzipien seiner Regulierung zu besinnen, und in den Gründen für und gegen, den je massgeblichen Gesichtspunkten (die man eben dazu bedenken muss) einig zu werden; und… ich bin mir sicher: an Mattis’sche Popelfragen der Lebenseinrichtung eines jeden schliessen sich da beängstigend schnell Grundsatzfragen für eben denselben an – da hat ers MIT SICH und objektiv unbeantworteten Fragestellungen zu tun, und noch garnicht mit andern Entscheidern.

    Letztlich kommst du dann zu einem vernichtenden (antikommunistischen Urteil):

    Das Nicht-Beherrschen unseres hoch-arbeitsteiligen Reproduktions- und Wissenserwerbs-Prozesses ist kein politisches, soziales oder ökonomisches, sondern es ist ein MATERIELLES Problem.

    Ich bin da erstens nicht sooo sensibel in dieser Frage und grundsätzlich optimistischer:
    Wenn man erstmal den Kapitalismus weitgehend weg haben sollte, dann werden die Menschen (jedenfalls die meisten) nicht so blöd sein, daß ganze Projekt an den von dir angeführten Unwägbarkeiten platzen zu lassen. Hoffe ich wenigstens.

  119. 4. September 2015, 10:14 | #119

    Noch eine Fundstelle zum „lieben Frieden“ (oder eben auch nicht):

    „Wer bestimmt was vernünftig ist?“
    Die Bevölkerung insgesamt. Wer sonst? Ich bin mir da recht sicher, daß nicht jeder Scheiß, den irgendwelche Jugendlichen oder blöd gebliebenen Erwachsenen „unbedingt“ haben „müssen“, Eingang in die Produktionspläne finden wird. Sicherlich wird „man“ dann auch Sachen aufnehmen, die nur einen kleineren Teil der Konsumenten interessieren, es wird aber garantiert eben auch einiges Zeugs geben, daß bei solchen Plandiskussionen nicht durchkommt. Entweder die Menschen, die mit ihren Konsumwünschen nicht durchkommen, geben sich um des lieben sozialistischen Friedens willen damit zufrieden (oder umgekehrt, die Mehrheit läßt den Scheiß zähneknirschend zu), oder sie entscheiden sich daraufhin, aus dem gemeinsamen Projekt auszusteigen, andere Alternativen sehe ich nicht.

    http://neoprene.blogsport.de/2012/09/19/klarstellungen-ueber-die-sozialistische-revolution/#comment-69140
    Wobei hinzuzufügen ist, daß solche Konflikte natürlich bei allen zu entscheidenden Planfragen anstehen: Wieviel Ressourcen gehen in die Produktionsausweitung, Wieviel geht in die Rüstung, was wird wie neu erforscht, welche Risiken erscheinen tolerabel, welcher Aufwand wird für die Ausweitung der Revolution betrieben, usw.

  120. franziska
    4. September 2015, 10:28 | #120

    Neo – „antikommunistisch“???? Wie bitte? Modernität (verstanden als rationelles*) Verhältnis zur Welt und Einrichtung der Reproduktion) und Eigentum schliessen sich meiner Meinung nach aus. Eigentumsfreiheit als dem modernen Weltverhältnis einzig angemessene Vergesellschaftungsform ist in meinen Überlegungen immer vorausgesetzt. Klar, dass man sie darum noch nicht HAT, und wie man dahin kommt, ist noch so ein „Fass, das mir und überhaupt wichtig“ ist. Aber soviel zu mir und dem, was ich befürworte.
    *) in einem andern thread zum selben Thema hier bei Neoprene hat jemand (earandil, glaube ich) gesagt, und meinte das kritisch: Linksradikale seien offenbar, und müssten sein: „Superrationalisten“. Genau so ist es.
    ((Das mit dem „lieben Frieden“ war damals schon ein wohlwollend-ironisches Mattis-Zitat von mir, wenn nicht von hier, dann anderswoher. Ich kram das jetzt nicht raus, weils wirklich nicht wichtig ist.))

  121. 4. September 2015, 10:40 | #121

    Was ist denn nun deine Position, franziska, entweder das von dir beklagte Nichtbeherrschen ist bis auf Weiteres ein Fakt, dann wäre Kommunismus in der Tat eine Illusion mit Sprengkraft (das meinte ich mit „antikommunistisch“) oder sowas gehört in die recht große Schublade „Muttermale der alten Gesellschaft“ und bedeutet dann vielleicht noch Knirschen im Getriebe aber keine zentrifugale Sprengkraft für das kommunististische Projekt.

  122. franziska
    4. September 2015, 11:02 | #122

    Kommunismus im Sinne von Eigentumsfreiheit ist die Beseitigung der aus meiner Sicht völlig irren Illusion bürgerlicher Menschen, sich modern in und zur Welt verhalten und reproduzieren zu können, und um diese Aufgabe herumzukommen. Das kommunistische Projekt bedeutet Sprengung DIESER Illusion, es selbst wird dadurch nicht gesprengt – das scheinst du mir ständig als Position zu unterstellen, aber die hab ich doch garnicht, Neo. Ich sage: Kommunistisch, eigentumsfrei organisierte Menschen STELLEN sich, angemessenerweise, dem Problem. Ihre Eigentumsfreiheit ist unumgängliche Voraussetzung dafür, dass sie es lösen (das Problem zu haben und sich ihm zu stellen, ist also ein (absolut hinreichendes) Argument FÜR Kommunismus im Sinn von Eigentumsfreiheit. Nur… Eigentumsfreiheit selbst ist leider noch nicht die Lösung.
    (Grob angedeutet, ist meine Überzeugung, dass bürgerliche Menschen zur „kulturell durchgesetzten“ (relativen) Modernität ihrer materiellen Produktion quasi vormoderne Einstellungen haben. Die sind mit dem, was die MG mal als „Dummheit“ analysiert hat, nur sehr ansatzweise auf den Begriff gebracht. Es ist das, womit ich mich persönlich seit Jahrzehnten am meisten beschäftige. Aber… das heisst ja nicht, dass andre das genauso interessant finden müssen.)

  123. 4. September 2015, 11:04 | #123

    Um meinen Respekt für diesen Diskussionstrang zu zeigen, und um Franziska beizuspringen:
    Es genügt ja nicht, das Eigentum abzuschaffen. Soweit das Eigentum ein Rechtstitel ist, besteht die Abschaffung darin, dass man diesen Rechtstitel beseitigt. Das ist das Einfachste.
    Soweit Eigentum praktische Befehlsgewalt ist („Jedes individuelle Kapital ist eine größere oder kleinere Konzentration von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 653.), soweit muss diese Befehlsgewalt gebrochen worden. Auch das wurde schon tausendmal, bei jedem Streik, bei jedem zivilen Ungehorsam durchgeprobt.
    Man/Wir/die Gesellschaft/alle müssen sich in der postkapitalistischen Gesellschaft nicht nur über neue Zwecke einigen („Wie wollen wir leben“ oder auch nur: „Wie können wir leben?“). Man/wir/die Gesellschaft/alle müssen sich ja auch die Mittel aneignen, um die geplanten Zwecke zu erreichen.
    Dass das nicht mit einem „Weiter so unter neuem Kommando!“ geht, das geht sowohl aus den (hoffentlich!) andersartigen Zwecken, aber auch aus den schon vorhandenen und noch nicht vorhandenen komplizierten Mitteln (=Produktionsmitteln) hervor.
    Wer nur die Zwecke überschaut, aber nicht die Mittel, der durchschaut das Ganze nicht. Da hat Franziska recht.
    Es bleibt daher die große Aufgabe, dass die Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur um zu ihrer Selbstbetätigung zu kommen, sondern schon überhaupt um ihre Existenz zu sichern.“ Dafür „müssen eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum und das Eigentum unter Alle subsumiert werden.“ Karl Marx, MEW 3,67f.
    Dass das Eigentum unter Alle subsummiert werden muss, dass hat in diesem Diskussionsstrang jeder verstanden. Dass „eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum“ subsummiert werden muss, das hat hier nur Franziska verstanden.
    Gruß Wal Buchenberg

  124. TomGard
    4. September 2015, 11:22 | #124

    Das Nicht-Beherrschen unseres hoch-arbeitsteiligen Reproduktions- und Wissenserwerbs-Prozesses ist kein politisches, soziales oder ökonomisches, sondern es ist ein MATERIELLES Problem.

    Nein, Franziska, es ist dein geistiges (und vielleicht auch ideologisches) „Problem“, denn die Arbeitsteilung liegt in Arbeitsmitteln, darauf verteilten Arbeitskräften und der Arbeitsorganisation vor, mit denen – denk nur! – Menschen arbeiten, keine Roboter. Das alles IST und WIRD „beherrscht“ – sowohl technisch, wie politökonomisch und wo es nicht „beherrscht“ wird, gibt es – (unkalkulierte Risiken, die Gegenstand ökologischen und volksgesundheitlichen Protestes sind, hier vorerst beiseite gelassen)- zweckmäßige Redundanzen, Überschuß, welcher die unvermuteten Schwankungsbreiten abfangen.
    Dabei wird in betrieblicher und überbetrieblicher Rechnungsführung jede Menge Arbeitskraft für Herrschaftsaufwände vergeudet, die sofort entfallen könnten, wobei die damit Beschäftigten zugleich über die Technologien verfügen, Veränderungen zu kalkulieren, statt die Folgen anarchisch der „Regelung“ in der Konkurrenz zu überlassen.
    Grundlage des Ganzen sind die Fertigkeiten und Erfahrungen jedes Arbeitenden, bis hinab zu Maschinenführer, mit Ausrüstung, Abläufen und Organisation. Dazu etwas, das ihr natürlich nicht hören wollt.
    Ich hab nicht nur in der Produktionsplanung eines großen Textilkonzerns gearbeitet, sondern (Auswahl) als Lagerarbeiter an diversen Orten, als Maschinenführer, Beschicker und Entsorger in der Aluminiumschmelze, bei Siemens und diversen Kleinbetrieben in der Montage, in Großbäckereien und -fleischereien, als Verkäufer und Getränkeauslieferer, zuletzt in der Montage eines Betriebes, der Laser-Hochtechnologie. Reichlich passive Erfahrung habe ich mit Öko-Hofgemeinschaften. Ich habe bei alledem tausende Menschen kennen gelernt und die widerlichsten Typen, die darunter waren, mit denen ganz bestimmt kein Kommunismus zu machen ist, fanden sich … auf den Öko-Höfen. Mattis-Modelle waren darunter zuhauf.
    Aber selbst die Mattis-Modelle beherrschten mehr oder minder gut ihr METIER, und das bringt mich zu einem möglichen Ersatz für all diese Erfahrungen:
    Denis Diderot,Jacques le fataliste et son maître
    Die Herren aller Ausbeutergesellschaften haben das Kommando, aber sie haben nicht „die Sache“. In irgend einem Marx-Engels-Brief findet sich die Bemerkung, die „Kritik der politischen Ökonomie“ hätte mindestens ebensogut in der Form einer Geschichte und Kritik der Trennung von Hand- und Kopfarbeit geschrieben werden können. Anlaß war das Buch eines Hamburger Genossen (und Freischärler), der das angehoben hatte, der Text ist m.W. heute verschollen.
    Aber was rede ich. Du setzt die Debatte Mattis-Krim an ihrer Gesprächsebene herab und verläßt sie selbst keine Sekunde. Wie sie machst du einen Prinzipiengegensatz zwischen Konsumenten und Produzenten auf, den du mit in der Linken verbreiteten Freiheitsideologien plausibilisierst, die an der Basis nichts weiter, als Sklavenhalterideologien sind: Man müsse irgendwie die unangenehmen und kontraproduktiven Prügel des widerständigen Arbeitsviehs durch schlauere Methoden ersetzen.
    Kommunisten kommen in deinen Überlegungen gleich gar nicht vor. Auch nicht solche, die Mattis gern den Müll wegfahren täten, wenn der dafür verständige kommunistische Arbeit leistete, statt dies nur als Kondition für die Gewährung seiner Pläsierchen anzubieten, was die Sache sofort erledigt: Kommunisten arbeiten, sie schaffen keinen „Arbeitsfond“, aus dem sich die Konsumenten und das dann wieder unabdingbare Staatswesen nähren. Und wer sie zu Gliedern einer Arbeitsfondsbrigade herab setzen wollte, den schaffen sie beiseite.

  125. TomGard
    4. September 2015, 11:42 | #125

    „Dass „eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum“ subsummiert werden muss, das hat hier nur Franziska verstanden.
    Gruß Wal Buchenberg“

    Und professorale Großschwätzer, die gönnerhaft ihren Namen unter Kopfnotenverteilungen setzen, die werden augenblicklich entsorgt werden müssen.

  126. simply red
    4. September 2015, 12:11 | #126

    Marx schrieb, daß Lohnarbeiter zu sein, kein Glück sondern ein Pech sei. Die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten ist auch nicht von Marx. Er schrieb von einer Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit, um damit profitträchtige Arbeit im Kapitalismus theoretisch fassen zu können. Daß Mattis, Hansel, Libelle usw. diese wichtigen Differenzen zum Anlass nehmen, um ihren Antimarxismus freien Lauf lassen zu können, darf niemanden mehr verwundern.

  127. 4. September 2015, 12:12 | #127

    Um meinen Respekt für diesen Diskussionstrang zu zeigen, und um Franziska beizuspringen

    Was hat denn den Buchenberg geritten, daß er plötzlich hier was postet?? In all den Jahren, wo er vermutlich eher selten reingeschaut hat, hat er keine 10 Kommentare beigesteuert (er ist ja nicht wortscheu, sein buchstäblich eigenes Forum hat ja einen beträchtlichen Umfang erreicht, in erster Linie dank ihm). Und auch für den Zweck, seiner zeitweiligen Mitstreiterin franziska beizupflichten, hätte er in all den Jahren genügend Anläße gehabt.
    Und warum zollt er, der doch vorgibt, Marxist zu sein, ausgerechnet in erzbürgerlicher Weise ausgerechnet jetzt diesem Diskussionsstrang „Respekt“?

  128. 4. September 2015, 12:17 | #128

    Hallo Tom, hallo Neoprene,
    das ist ein schlimmer Themenwechsel, den dieses Thema nicht verdient hat und den ich nicht verdient habe, wenn ihr euch nun mit meiner Person befasst.
    Gruß Wal

  129. 4. September 2015, 12:20 | #129

    Wal, das Thema hat das in der Tat nicht verdient.
    Du hingegen schon!

  130. Krim
    4. September 2015, 12:47 | #130

    @Tomgard: Ok. Ohne deine Anmerkung in eckigen Klammern hätte ich das nicht verstanden, denn der Fürst ist ja ein anderer als der Bauer, aber eben ein bestimmter anderer, der sich aus dem Feudalverhältnis ergibt. Es sind keine unbestimmten anderen für die der Bauer den Zehnten produziert.

  131. Mattis
    4. September 2015, 12:56 | #131

    „…Marx. Er schrieb von einer Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit, um damit profitträchtige Arbeit im Kapitalismus theoretisch fassen zu können. Daß Mattis, Hansel, Libelle usw. diese wichtigen Differenzen zum Anlass nehmen, um ihren Antimarxismus freien Lauf lassen zu können, darf niemanden mehr verwundern.“
    (simply red)

    Es ging hier gar nicht um die produktive Arbeit im Kapitalismus, da trägst du Eulen nach Athen; du hast wie einige andere den Punkt komplett verpasst, aber nicht von ungefähr, denn deine Priorität ist offenbar die Fahndung nach „Antimarxisten“. Hättest ja mal stattdessen zu Produktion und Verteilung im Sozialismus Stellung nehmen können, oder traust du dich das nicht?

  132. Mattis
    4. September 2015, 12:58 | #132

    „Einigkeit im Grundsatz heißt noch lange nicht Einigkeit in allen Fragen, die anstehen, und das sind eigentlich immer Ressourcenprobleme, die wiederum gerne geleugnet werden.“ (Mattis)

    „Das Problem mit der Eigentumsfreiheit sind doch nicht in erster Linie die Konflikte – wenn man dahin gediehen wäre, könnte man froh sein. So zu tun wie Krim und Mattis in ihrer Auseinandersetzung, als stünde man da, ist eine einzige Verharmlosung des Problems: des Problems nämlich, sich zum Produktionszusammenhang stellen zu müssen, ihn zu kennen, sich auf Prinzipien seiner Regulierung zu besinnen, und in den Gründen für und gegen, den je massgeblichen Gesichtspunkten (die man eben dazu bedenken muss) einig zu werden; …“

    (franziska)
    Du schreibst sehr verwirrend: einerseits seien also nicht in erster Linie Konflikte das Problem, und dann endest du mit dem Problem, sich einig zu werden – und wo ist jetzt der riesige Unterschied? Konflikte um Ressourcen, um Einschätzungen und Entscheidungen zu diversen Themen – das ganze Paket muss man im Auge haben. In anderen Threads habe ich mehr zu Produktion und Entscheidungprozessen geschrieben, hier ging es eben gerade mehr um die Verteilung. Insofern die Verteilung aber durch die Produktion versorgt werden muss, ist diese natürlich mit im Fokus.
    Du kommst da etwas arrogant rüber, wenn du die Verteilungsfragen – die ja auf essentielle Ressourcenfragen zurückgehen, auf was sonst! – als Popelkram abtust, wohingegen du dich ja um die ganz großen eigentlichen Probleme kümmerst. Schalte da bitte mal runter, und bring lieber mal Vorschläge, die eine diskutierbare Substanz haben. Meistens wirfst du nur Fragen auf und türmst ein Problem auf das nächste. Lösungen vorzuschlagen, unter denen man sich konkret was vorstellen kann, das wär mal was.
    Was bedeutet z.B. deine Formulierung „sich zum Produktionszusammenhang stellen zu müssen, ihn zu kennen …“? Welcher ist gemeint? Offenbar nicht der, den die Subjekte selbst herstellen, oder?

    „Dass „eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum“ subsummiert werden muss, das hat hier nur Franziska verstanden.“ (Wal Buchenberg)

    Schön für dich, vielleicht kannst du es auch uns erklären.

  133. simply red
    4. September 2015, 13:24 | #133

    Es ging hier gar nicht um die produktive Arbeit im Kapitalismus, da trägst du Eulen nach Athen; du hast wie einige andere den Punkt komplett verpasst, aber nicht von ungefähr,…

    Den Vorwurf muss ich an dich zurückgeben, denn du hast ja die Unterscheidung zwischen produktiven Tätigkeiten, Arbeit, und unproduktiven Tätigkeiten, die in die Freizeitgestaltung mit einfliessen, überhaupt getroffen. Warum sollen denn nur Tätigkeitsformen, die als Arbeit organisiert werden, produktiv sein, während Tätigkeiten, welche in der Gestaltung von Freizeit mit einfließen, als unproduktiv bezeichnet werden? Welches ist denn an dieser Stelle das Unterscheidungskriterium? Libelle hat dann an deinem Ausgangspunkt weitergesponnen.

  134. franziska
    4. September 2015, 13:28 | #134

    Ein eignes Thema, woher diese ständige Bereitschaft zum Giften und Poltern gegen die Träger (im wesentlichen, verglichen mit all den andern da draussen…) nächst-verwandter Standpunkte kommt..
    Wals Marx-Zitierung empfinde ich als hilfreiche Klarstellung meines Punktes, danke dafür.
    Darauf hat TG nun mit einiger Heftigkeit reagiert, die mir leider im Moment das Anliegen nicht verständlicher werden lässt, vielleicht kennen andre besser, worauf er hinauswill (sollte auch oben schon was lernen können), ich kann da grad nur raten, insofern bitte ich schon im voraus um Entschuldigung, falls ich mich vertan haben sollte…
    ———————————-
    Nein, TG, ein solcher Widerspruch zu „Konsumtion“ ist nicht mein Thema, und überhaupt fällt mir an vielen Stellen, die ich bislang von dir lese, auf, dass dein Hadern mit bestimmten Begrifflichkeiten schnell, wie mir scheint, überwunden sein könnte, wenn du als technischen Terminus (oder Real-Kategorie) RE-PRODUKTION in den Focus rücken würdest. Da ist auch der mir unterschobene Widerspruch ganz von selbst vom Tisch.
    (Nicht vom Tisch ist, dass Kommunisten wie alle Menschen an Arbeit, als ihre massgebliche Lebenstätigkeit, bestimmte Wünsche wenn nicht Ansprüche haben, die man endlich auch mal, und zwar vorrangig, zu den „Bedürfnissen“ zählen sollte, so wie auch das Bedürfnis nicht grad gering zu schätzen ist, keine Angst haben zu müssen, mit seiner näheren und weiteren Umgebung verständigt zu sein, oder seinen Aufgaben sich beruhigt zuwenden zu können, weil man begriffen hat, dass das, was die andern machen, und von dem man existenziell abhängt, vernünftig ist.)
    Die sachlichen wie humanen Produktivkräfte „verkörpern“ unbestritten einiges an technischer (Zweck)Rationalität – es klappt da vorläufig einiges, einiges sichtlich, bei anderm, und nicht ganz Unwichtigem, hängt Effizienz an durchaus trüber Statistik, und der Übergang ist fliessend zu (massenhaft) vielem, das für zweckmässig ausgegeben wird, aber das höchst bestreitbar. Auch Sachfragen, vor allem die, werden ja heute per Autorität und durchmischt mit einer Unendlichkeit persönlicher und Klasseninteressen entschieden. Umgekehrt ist in der ganzen vor allem über-betrieblichen Rechnerei (der hier, abwiegelnd gegenüber Zweiflern, etwa gegen ricardo drüben, gern attestiert wird, doch immerhin technisch gelingende „Planung“ zu sein) auch einiges an „sozialer Ein- und Vorsicht“ (das Zitat verdanke ich Robert Schlosser) enthalten – der Absicht nach; und je akribischer die Kalkulation incl. Reservenplanung, desto geringer Resspurcen-Vergeudung und Überraschbarkeit auf falschem Fuss.
    Mein Beitrag soll aber erstmal garnicht so lang werden. – Falls dus nicht gemerkt hast, TG – die Systematik hinter der Liste meiner „Lieblingszwecke“ (bedürfnisgerecht, ökologisch, Ungleichzeitigkeiten abbauend) verdankt sich jener andern Liste der altehrwürdigen Nebenwidersprüche aus der Geschichte der Arbeiterbewegung, die dir bekannt sein dürften: Mann/Frau; Stadt/Land; Zentrum/Peripherie (hier historisch, nicht (nur, aber auch) geographisch zu verstehen). Beim Hauptwiderspruch (hier mal danke für DEIN Zitat, TG, ist auch einschlägig) Kopf/Hand ist mir wichtig anzumerken: dass es einer ist, der im Leben jeder Einzelperson seinen Platz hat; und, was ich auf Nachfrage ausführen würde: das gilt auch für die andern drei. Ich spitze zu: Das (immer wieder grossgeschriebene) „MATERIELLE“ Problem besteht geradezu darin, dass diese Konflikte in Schein-Lösungen (in Gestalt kultig-kantiger Spezialarbeiter und -arbeiten aller Branchen) geronnen vorliegen, worin sie ARBEITSTEILIG fixiert sind, aber nicht gelöst. Und Lösung, um nicht zu sagen: Erlösung vom Leid an diesen Konflikten, gibt es erst, wenn sie im Leben jedes Einzelnen gelöst sind; was, wie ich behaupte, ausschliesslich im Verbund mit allen andern, grosskotzig gesagt: allen andern mit einem lebenden Menschen, gelingt. Soviel (höchst Ausführungs-bedürftiges) als erste Antwort auf deine Anwürfe, TG. Was also muss ich lernen?
    PS: Der im Ensemble der versammelten Produktivkräfte verkörperte bzw durch sie ständig erzeugte EFFEKT, die eben auf keinen besonderen Zweck bezogene systematische Mehrung des gesellschaftlch GEKONNTEN, ist, soviel noch, aus meiner Sicht der sichtbare und Oberflächen-Ausdruck der ungelösten (Haupt- und Neben-)Widersprüche…

  135. Mattis
    4. September 2015, 14:30 | #135

    „Warum sollen denn nur Tätigkeitsformen, die als Arbeit organisiert werden, produktiv sein, während Tätigkeiten, welche in der Gestaltung von Freizeit mit einfließen, als unproduktiv bezeichnet werden? Welches ist denn an dieser Stelle das Unterscheidungskriterium?“
    (simply red)

    Ich habe das Kriterium genannt, habe es sogar nochmal wiederholt. Suche einfach im Text nach „nicht-produktiv“ (nicht nach „unproduktiv“!), und du wirst fündig. Aber du willst es wohl nicht zur Kenntnis nehmen.
    Wenn du also Tätigkeiten wie das Sortieren einer persönlichen Bildersammlung als Beitrag zu einer gemeinsamen arbeitsteiligen Produktion betrachtest, werden wir beide wohl nicht zusammen arbeiten können.

  136. Mattis
    4. September 2015, 14:50 | #136

    „Kommunisten arbeiten, sie schaffen keinen „Arbeitsfond“, aus dem sich die Konsumenten und das dann wieder unabdingbare Staatswesen nähren. Und wer sie zu Gliedern einer Arbeitsfondsbrigade herab setzen wollte, den schaffen sie beiseite.“ (TomGard)

    „Kommunisten arbeiten“, mach Sachen. Alles andere läuft ganz locker und spontan. Und wenn sie sich Regelungen über die Verteilung geben, weil sie nach genügend chaotischen Erfahrungen eine Notwendigkeit dafür erkannt haben, sind sie für dich schon ein Staat. Auch eine Variante, Staatsgewalt zu verharmlosen.

  137. simply red
    4. September 2015, 14:54 | #137

    Ich habe das Kriterium genannt, habe es sogar nochmal wiederholt.

    Dein Kriterium ist doch nur ein Geschmacksurteil, sonst nichts. Das Geschmacksurteil eines Bürgers, der die Moralvortstellungen der bürgerlichen Ökonomie wie eine Selbstverständlichkeit schon voraussetzt.

  138. franziska
    4. September 2015, 15:13 | #138

    @Mattis.
    Es ist nicht im allergeringsten meine Absicht, herablassend rüberzukommen, ich sehe mich hier im günstigsten Fall auf Augenhöhe mit den Mitschreibern, ganz bestimmt nie drüber, leider gilt das nicht für mein Verhältnis zu den Sachproblemen, mit denen ich (freilich nicht nur) mich konfrontiert sehe, denen fühle ich mich derzeit nicht gewachsen, sondern eher… davon erdrückt (und entsprechend, kann man ja so übersetzen: deprimiert).
    Speziell die Stelle mit dem Popelkram sollte sarkastisch gewendet sein gegen die (prompt kam ja danach TG so an), die es, anders als du, und ich im Anschluss an dich, als solchen sehen. Schade dass es in der Kürze falsch rüberkam. Es sollte damit der Skandal angesprochen werden, der fortbesteht, wenn und solang die Lebensführung von Einzelpersonen (ihre „Bedürfnisse“, die eben grad nicht bloss zwangsläufig auf Freizeit- und „kompensatorisch“ reproduktive zurückgestutzt sein sollen) dem „gesellschaftlich Zweckmässigen“ im Wege steht (das man sich dann wechselseitig als „Notwendigkeit“ um die Ohren haut usw); wobei (hatte ich eben gegen TG zeigen wollen) dies Notwendige ja AUCH Inhalt von Bedürfnissen der Einzelnen ist; der Widerspruch beginnt also längst IN ihnen selber. So hatte ich das glaub ich hingeschrieben.
    Das mit dem Sich-Einigen will ich ebenfalls garnicht kleinreden, eher wollte ich (darum das ausnahmsweis etwas Drastisch-Hochgefahrene in meiner Ausdrucksweise, ist ja sonst nicht so mein Ding) das grossreden und herausstreichen, was ihm nun mal rein kognitiv vorausgeht: Dass man was hat, worüber man streitet, dazu muss mans gemeinsam kennen und ja irgendwie auch beurteilen, auf Zwecke (selbst geteilte wie die anderer) beziehen können. Und da haperts nicht nur im Dialog schon von uns Normalmenschen ganz gewaltig – jeder von uns etwas Älteren kann hier mit seinem privaten Päckchen Lese-, Lebens-, Berufs- und Bildungserfahrung auf- und die andern übertrumpfen, ich sag bloss: Kartoffelacker 😉 – , sondern erst recht, und das hab ich so hingeschrieben, im höchst einseitigen „Dialog“ mit Experten, denen man trauen soll, selbst wenn man allen Anlass zum Gegenteil hat.
    Vor allem sich (nicht) einigen können kommt also noch vorneweg das: überhaupt sich ein Urteil bilden können, Stellung nehmen können (der mündige Bürger, der mündige Patient zb – welch ein (Irr)Witz (dass er sogar im Fall von Mündigkeit nix zu sagen hat, kommt dann noch DAZU…). Und das… ist ein fundamentales Problem, sage ich, der MODERNE – eng verknüpft mit dem andern: dass das wuchernde Können-um-noch-mehr-zu-können sich grad wissenschaftlich und technologisch dran abarbeitet, allmählich über den DNA-Kristall und seine schiere Struktur hinauszukommen und in dessen Funktionen hineinzuwühlen, was, je weiter man vordringt, immer aufwendiger und aufwendiger zu werden droht… Wo immer es um belebte Natur geht, gerät man forschend, technisch, produzierend in dieses Dunkelfeld. Mehr dazu hier: http://marx-forum.de/Forum/blog/index.php/Entry/111-Zwischenbemerkung-3-Technisierung-von-Natur-zB-Transhumanisierung-Naturalisierun/ aber auch nicht mehr.
    Meine praktischen Vorschläge haben sich nicht geändert, hier nochmal die letzte öffentliche Version, kurz und knapp:
    http://keimform.de/2015/eine-idee-fuer-den-uebergang/#comment-554506
    Das Problem mit Öko-Höfen und (aus meiner Sicht) rationeller Landwirtschaft ist, dass da ziemlich wenig brauchbare Erkentnisse und Verfahren vorliegen. Grob gesagt, gehts da um die Frage, ob das Liebig-Paradigma „wir ernähren die Pflanze“ eine so gute Idee war, verglichen mit der voraufgehenden (und in der Agrarrevolution durchaus intensiv erforschten): wir ernähren den Boden. Der Witz an diesem scheinbar abseitigen technisch-wissenschaftlichen Thema ist, dass der Begriff der PRODUKTIVITÄT (etwa des Arbeits-Sparens) im Bereich der Biosphäre ganz andre (Forschungs)Anstrengungen erfordert, als im Umgang mit, wie soll ich sagen: mineral-basierter Technologie (die aktuelle Agrarindustrie kann man wahrscheinlich guten Gewissens, bis in ihre gentechnischen Verästelungen darunter subsumieren). Die Medizin und Ernährungsphysiologie ist da nicht weit weg – um etwa die Frage zu beantworten, welche Nutzpflanzen in welcher Zusammensetzung uU wie konserviert, nötig sind, um dich GUT zu ernähren. Und dann frag dich, wie die alle biodivers „nachhaltig“ permanent (sich selbst aussäend) mit maximal wenig Arbeitsaufwand (ausser zur (langwierigen) Anlage des ganzen) auf möglichst kleiner Fläche in der benötigten Menge wachsen. Und jetzt schau: Wir sind grad noch einen Satz meinerseits vom Eintritt in die weiter oben befürchtete Fachsimpelei entfernt… (soviel zu KONKRETEN Vorschlägen im Augenblick…)

  139. TomGard
    4. September 2015, 15:33 | #139

    @ franziska

    die Systematik hinter der Liste meiner „Lieblingszwecke“ …verdankt sich jener … Nebenwidersprüche … die dir bekannt sein dürften: Mann/Frau; Stadt/Land; Zentrum/Peripherie.

    Du hast erfahren, daß mir die Kritik der da angesprochenen Verhältnisse „am Herzen“ liegt, daß ich darüber geschrieben habe. Es handelt sich um ein großes Feld, die Bestandteile verschränkt und über den damit umrissnen Raum hinaus weisend. Was machst du dann damit? Dies:

    Beim Hauptwiderspruch … Kopf/Hand ist mir wichtig anzumerken: weil man begriffen hat, dass das, was die andern machen, und von dem man existenziell abhängt, vernünftig ist.

    Du machst eine Klammer auf, tust alle geübte und möglicherweise noch ausstehende theoretische wie praktische Kritik dieser Verhältnisse hinein, machst die Klammer zu und setzt die Sentenz darunter „Vernünftig oder unvernünftig, das ist hier die Frage“. Und „wir“ wollen doch alle vernünftig sein, die unausgesprochene matriarchale / patriarchale Werbung / Verführung / Drohung dahinter.
    Erinnert mich an einen Typen, der mir, während ich auf die Abfahrt meines Zuges wartete, ein Pyramidenspiel verkaufen wollte.
    Oder auch an ein Pristerseminar, denn der vom Teddy Wiesengrund wohlbekannte und zum Erbrechen zelebrierte Trick besteht darin, von einer Kritik der herrschenden Zwecke zur Kritik der Zweckrationalität überzugehen, nur nicht so kardinalshaft, wie der Meister, sondern verschämter:

    Die sachlichen wie humanen Produktivkräfte „verkörpern“ unbestritten einiges an technischer (Zweck)Rationalität – es klappt da vorläufig einiges …

    … was für den Leser den Vorteil hat, daß er leichter erkennt, was für ein verhohlener FAN der abstrakten Zweckrationalität du bist, der gegenstandslosen Wägung von „Einsatz und Ertrag“, die mit Effizienz benannt wird:

    … die einiges sichtlich, bei anderm, und nicht ganz Unwichtigem, hängt Effizienz an durchaus trüber Statistik …

    freilich bis zu dem Punkt, wo du in der selbst vorgebrachten Abstraktion im Trüben fischt und wieder zurück springst zur Denunziation der „Effizienz und Zweckrationalität“

    …und der Übergang ist fliessend zu (massenhaft) vielem, das für zweckmässig ausgegeben wird, aber das höchst bestreitbar.

    Für die Zweifler an diesem, deinem Verfahren zeigst du gleich mal die große Moralkeule vor (auch wenn sie kleiner ist, als Teddy’s Schwänzlein)

    Umgekehrt ist in der ganzen … Rechnerei (der hier, abwiegelnd gegenüber Zweiflern, etwa gegen ricardo drüben, gern

    Gern! Jetzt hast du dich ganz nach oben auf Buchenbergs Olymp geschwungen.

    …gern attestiert wird, doch immerhin technisch gelingende „Planung“ zu sein) auch einiges an „sozialer Ein- und Vorsicht“ (das Zitat verdanke ich Robert Schlosser) enthalten

    „Soziale Ein- und Vorsicht“ der heiligen Franziska schlägt Zweckrationalität – immer und überall, sollen wir uns mit Schlosser merken. Und dafür ist halt die Heilige Franziska und Ihresgleichen zuständig, auf keinen Fall die Subjekte selbst nebst

    Schein-Lösungen (in Gestalt kultig-kantiger Spezialarbeiter und -arbeiten aller Branchen) geronnen vorliegen, worin sie ARBEITSTEILIG fixiert sind, aber nicht gelöst. Und Lösung, um nicht zu sagen: Erlösung vom Leid an diesen Konflikten, gibt es erst, wenn sie im Leben jedes Einzelnen gelöst sind; was, wie ich behaupte, ausschliesslich im Verbund mit allen andern, grosskotzig gesagt: allen andern mit einem lebenden Menschen, gelingt.

    Die Heilige Franziska im Verbund mit … allem und jedem.
    Kurzum, du willst mich und alle anderen für eine ORDNUNG werben, die eine HÖHERE VERNUNFT walten lasse, weil sie sie repräsentiere, einer höheren Vernunft, der sich alle glücklich fügen können, indem sie vernünftig werden. Logisch stringent geht da deine Kritik an der Unvernunft der Verhältnisse in eine Kritik an der (erlittenen) Unvernunft der Subjekte über. Solche „Vernunft“ ist das abstrakteste – und daher religiöse – Abziehbild von Klassenherrschaft. Plato hat es einst in sein Höhlengleichnis gefaßt: Den „horror vacui“ zwischen Schein und Sein fülle und habe zu füllen … die Vernunft. Die platonische Staatsvernunft, versteht sich.
    Und deshalb magst du nicht von uns gehen, ohne nochmal leis wie lautkräftig jeden Mann und jede Frau, die nicht mit dir gehen, zu warnen, sie verfielen einer „systemimmanenten“ Irrationalität:

    PS: Der im Ensemble der versammelten Produktivkräfte verkörperte bzw durch sie ständig erzeugte EFFEKT, die eben auf keinen besonderen Zweck bezogene systematische Mehrung des gesellschaftlch GEKONNTEN, ist… der Oberflächen-Ausdruck der ungelösten … Widersprüche

    Alles, was wir unheiligen Menschlein so können und wissen ist schuldig und flüchtig vor der höheren Vernunft.

  140. Jürgen
    4. September 2015, 17:05 | #140

    Whrend Franziska die ‚Höhere Vernunft‘ (Ökologie, neueste Technologie etcpp) als Vorschrift in den Kommunismus implantieren will, will Mattis die ‚Höhere Arbeitsteilung‘ (Aufteilung des Arbeitsvermögens nach Gerechtigkeitskriterien) in den Kommunismus hineinimplantieren.
    Das Dumme ist, dass beides meinetwegen – u.a. auch – Kriterien jedes einzelnen Kommunarden werden mögen. Wesentlich ist aber doch, nicht solche Effizienssteigerungsmodule über diese beiden Kriterien sich heutzutage auszudenken, sondern vielmehr davon auszugehen, dass der selbst bewusste Mensch seine eigenen Verhältnisse regeln wird. Mal ungerechter. Mal auf dem nur vorletzten wissenschaftlichen Stand. Halt so, wie er es dann wirklich einsieht und will.
    Also sollte man h e u t e dafür sorgen, dass er schlau wird.
    Da gibt es viel zu tun!

  141. Mattis
    4. September 2015, 18:15 | #141

    „… sondern vielmehr davon auszugehen, dass der selbst bewusste Mensch seine eigenen Verhältnisse regeln wird“ (Jürgen)

    Aber dass „der selbst bewusste Mensch“ – zu denen zähle ich mich übrigens auch – sich darüber jetzt schon mal Gedanken macht, das findest du anscheinend unzulässig.
    Wieso liest du dann eigentlich diesen Thread, wenn es doch so „viel zu tun“ gibt?
    Wenn du meinen Ansatz verkehrt findest, dann konkretisiere doch deine Kritik, statt Vorschriften darüber zu machen, ab wann sich wer mit dem Thema befassen darf.
    Dass man bei notwendigen Begrenzungen des Konsums versucht, diese möglichst gleichmäßig zu regulieren, verwirfst du als „Gerechtigkeitskriterien“. Ist es dir lieber, dass bei Nichtregulierung eine Menge Leute durch Planungschaos und ausbleibende Belieferungen geschädigt werden, weil dann eben nur gilt „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“?

  142. Jürgen
    4. September 2015, 18:24 | #142

    Ich kann dich vom Modellbasteln gar nicht abhalten.
    Das machst du unverdrossen weiter.
    Das sind halt deines und Franziskas derzeitige Interessen,
    solche Modelle sich auszudenken.
    (Ob hier über Cuba, Griechenland oder Simbabwe diskutiert wird,
    Mattis wälzt überall nur seine Modellbastelei.)
    (Übrigens: dass du das selbst an Cuba und Griechenland als Problem heranträgst, zeigt doch, dass dir die Grundlagen des Kommunismus schnurzegal sind. Von denen gab es dort nämlich nichts oder fast nichts. Aber deinen Modellkram kannst du ja überall anbringen.)
    Sondern ich sage, dass diejenigen, die das dann entscheiden, das nach ihren eigenen Kriterien machen werden. Also sollte man schauen, dass die Menschheit schlau wird, damit der Kommunismus dann nicht so grandios und übermäßig scheißig wie bisher immer ausfällt.
    Und dafür, dass die Menschen aufgeklärter werden, nützt eure Modellbastelei gar nichts.

  143. Krim
    4. September 2015, 18:40 | #143

    „Sondern ich sage, dass diejenigen, die das dann entscheiden, das nach ihren eigenen Kriterien machen werden. Also sollte man schauen, dass die Menschheit schlau wird,“ Das Problem ist doch, dass der Inhalt von schlau bei Mattis ganz anders aussieht. Das ist also keine Frage von erst agitieren wir, darin sind wir uns einig und dann Basteln wir Modelle. Selbst wenn Mattis Leute für den Kommunismus agitieren würde, würde er sie mit was ganz falschen agitieren. Er würde ihnen was von der Begrenztheit der Mittel erzählen und dass es deshalb am besten sei, wenn jeder entsprechend seiner Leistung sich am Konsumieren beteiligen darf. Das was Mattis jetzt will ist verkehrt und was er jetzt sagt, um die Bürger vom Kapitalismus abzubringen ist verkehrt. Er bestätigt sie in ihrer Moral. Ohne Fleiß kein Preis, nur wer arbeitet kommt zu was…

  144. Jürgen
    4. September 2015, 19:28 | #144

    Den Verdacht, dass das ganze Anliegen krumm ist, könne Mattis auch daüber bekommen, dass ausgerechnet Franziska und Wal Buchenberg begeistert in die Debatte einsteigen, bzw. sie loben.
    Mit Kommunismus haben die jedenfalls nichts am Hute.

  145. franziska
    4. September 2015, 20:02 | #145

    @TG
    Ich hatte mich ja vorsichtshalber entschuldigt. Von TG hab ich ausser hier im thread, drüben bei j. (schon vergessen) und neulich über Syrien (war das Heise?) noch nie was gelesen. Die gute Nachricht ist: ich hab scheints, unbekannterweise, ins Schwarze getroffen („du hast erfahren…“ – einen Schmarrn hab ich, keine Ahnung, was du irgendwo geschrieben hast, andre mögen dich kennen, ich kenn dich nicht) – die schlechte ist, scheints… dasselbe.
    Kurz und schmerzlos: Ich hab mit Herrschaft nichts am Hut. „Vorschriften“ mach ich nicht. Dein Hauptzitat ist gefälscht (naja, zur Kenntlichkeit entstellt, teddymässig). Nix Plato, nix Höhle.
    @Jürgen
    Ich oder Mattis mögen viel wollen – DER selbstbewusste Mensch wirds schon verhindern, wenns ihm nicht passt.
    „Also sollte man heute dafür sorgen, dass er schlau wird.“ (Jürgen 17.05 Uhr)
    „Kurzum, du willst ihn.. für eine ORDNUNG werben, der sich alle glücklich fügen können, indem sie vernünftig werden.“ (TG 15.33 Uhr)
    Solche Typen gibts also wirklich…??
    @TG, Jürgen
    Bin ich jetzt etwa…. exkommunistiziert?

  146. franziska
    4. September 2015, 20:33 | #146

    nochmal @Jürgen
    Mattis und ich und die andern… wir SIND halt AUCH welche von den „sie“, „die das (dann) machen.“ WIR halten, selbstbewusst, (je) was andres für wichtig als du. Das mag „Modellbastelei“ heissen. Aber darüber reden wir, so schlau wie ihr, hier mit dir, mit Krim, und den andern. Es ist schon viel Text zu lesen gewesen, warum wem was wichtig ist. DU als einziger musst bloss „Basteln“ und „Modell“ sagen (vielleicht auch noch: unkommunistisch) – und schon ist alles… „blamiert“?
    „Paff! Ihr seid tot!“?
    Und schlau und selbstbewusst… kann man niemand MACHEN. Es ist vorausgesetzt. Wusstest du aber.
    Und nörgeln, dass Mattis themenfremd nervt, ist ausgerechnet in DIESEM thread fehl am Platz.
    Und so zu

  147. Jürgen
    4. September 2015, 20:37 | #147

    An Kirche und Sekte wird man tatsächlich erinnert:
    „Das Problem mit Öko-Höfen und (aus meiner Sicht) rationeller Landwirtschaft ist, dass da ziemlich wenig brauchbare Erkentnisse und Verfahren vorliegen. Grob gesagt, gehts da um die Frage, ob das Liebig-Paradigma „wir ernähren die Pflanze“ eine so gute Idee war, verglichen mit der voraufgehenden (und in der Agrarrevolution durchaus intensiv erforschten): wir ernähren den Boden.“
    Nichts dagegen, dass man diese Fragen wälzt.
    Dass das die hauptsächlichen Fragen von Mattis wären,
    – das würde mich aber doch schon wundern.

  148. Mattis
    4. September 2015, 20:43 | #148

    „Also sollte man schauen, dass die Menschheit schlau wird, damit der Kommunismus dann nicht so grandios und übermäßig scheißig wie bisher immer ausfällt.“
    (Jürgen)

    Kapitallektüre hat noch keinen scheißigen Kommunismus verhindert. Ein MEW-Band über Grundrisse des Sozialismus wäre dagegen hilfreich gewesen. Zumindest hätte er den Kritikern des „Realsozialismus“ von Anfang an ganz enorm den Rücken gestärkt.

  149. Mattis
    4. September 2015, 20:53 | #149

    „Den Verdacht, dass das ganze Anliegen krumm ist, könne Mattis auch daüber bekommen, dass ausgerechnet Franziska und Wal Buchenberg begeistert in die Debatte einsteigen, bzw. sie loben.“
    (Jürgen)

    Und wenn libelle mal wieder gegen mich ins gleiche Horn stößt wie die GSP-Sympathisanten, muss man dann auch irgendeinen „Verdacht“ bekommen, dass die Kritik an mir „krumm“ ist?
    Diese Logik erinnert mich an alte Revi-Zeiten … die wußten auch immer gleich, wann einer antikommunistisch ist.

  150. TomGard
    4. September 2015, 20:59 | #150

    Franziska,
    als ich meine Kritik schrieb, kannte ich deinen Plan nicht, uns unvollkommene Menschen zu einer „Letztbegründung“ und vermittels dieser zu einem Abschluß unserer Entwicklung zu einer natürlichen „Bestimmung“ zu leiten.
    http://www.selbstbestimmung-als-aufgabe.de/pages/startseite/zu-inhalt-und-aufbau-der-seite/ueberlegungen-zu-normalitaet-moderne-identitaet-sprache.php
    Pi mal Daumen entspricht das übrigens der Absicht der Jesuiten, die Religion zu überwinden, um den Menschen mit Gott zu versöhnen. Deshalb ist es wohl kein Zufall, daß deine Entwürfe
    http://keimform.de/2015/eine-idee-fuer-den-uebergang/#comment-554506
    frappante Ähnlichkeiten mit einigen der in Jesuiten Reduktionen umgesetzten Projekte aufweisen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuitenreduktion
    Das magst du von mir aus alles so denken und halten, wie du willst, so lange du deine Adressaten nicht über Absichten und Hintergedanken täuscht, von denen du weißt, daß sie sie nicht teilen, nicht teilen könnten. So lange du uns, mich und die anderen hier, belügst, weil wir in deinen Augen Kinder und Primitive sind die „nicht verstehen können“ – die in ihrer Beschränktheit eingeschlossen bleiben; worunter du dich selbst rechnest, gewiß, dir jedoch offenbar, wie der Jesuit auch, den Vorzug des „höheren“ spirituellen Strebens zuteilst, dem Streben nach ultimater Selbst – Bestimmung DES Menschen, so lang sag ich dir: Geh mir aus dem Weg, und zwar pronto!
    Über Landwirtschaft und Ökologie könnte und würde ich mich mit dir zu irgend einem praktischen Behufe gern verständigen, ansonsten habe ich, schätze ich, mit dir nix zu bereden.

  151. franziska
    4. September 2015, 21:02 | #151

    (der Text von TG davor stand erst später da, antworte später)
    @Jürgen
    Kirche und Sekte… langsam erinnerst du mich an den Typ (bist dus womöglich?), der beim letzten Zusammentreffen dieser Art was von „Mutter Natur“ faselte, die man anbete. Du kriegst jetzt dasselbe (wieder?) gesagt: Es ist Agrarwissenschaft, die in dem Fall von drohenden Etnährungskrisen handelt. Dass die kommen, steht ziemlich fest. Wie man dagegen vorgehen könnte, leider nicht.
    Ausser dir hat niemand behauptet, dass Mattis und ich am selben Strang ziehn. Wundre dich über dich selbst.
    Kannst jetzt nicht mal mit dem Sticheln aufhörn?

  152. Mattis
    4. September 2015, 21:02 | #152

    „Es ist schon viel Text zu lesen gewesen, warum wem was wichtig ist. DU als einziger musst bloss „Basteln“ und „Modell“ sagen (vielleicht auch noch: unkommunistisch) – und schon ist alles… „blamiert“?“
    (franziska @Jürgen)

    So isses. Der Witz ist noch, dass die eifrige Lektüre unserer „Modellbastel“-Pfade durch Leute wie Jürgen verrät, dass die da in Wirklichkeit einen Diskussionsbedarf haben.
    Wenn morgen ein Buch aus der GegenStandpunkt-Redaktion über Sozialismus und Kommunismus erscheinen würde, das wär schon am nächsten Tag ausverkauft.

  153. Mattis
    4. September 2015, 21:17 | #153

    „Das was Mattis jetzt will ist verkehrt und was er jetzt sagt, um die Bürger vom Kapitalismus abzubringen ist verkehrt. Er bestätigt sie in ihrer Moral. Ohne Fleiß kein Preis, nur wer arbeitet kommt zu was…“
    (Krim)

    Du willst jetzt aber nicht sagen, dass man im Kommunismus eher die anderen für sich arbeiten lassen kann, oder?
    „nur wer arbeitet …“ – und wer nochmal hat darauf beharrt, dass im Sozialismus jemand, auch wenn er sehr wenig aufwändig lebt, trotzdem nicht berechtigt ist, weniger lang zu arbeiten als den durch das Kollektiv bestimmten Normalarbeitstag?

  154. Karl
    4. September 2015, 21:52 | #154

    „Wenn morgen ein Buch aus der GegenStandpunkt-Redaktion über Sozialismus und Kommunismus erscheinen würde, das wär schon am nächsten Tag ausverkauft.“
    Leider auch eine falsche Illusion, die Bücher gibt es längst und nicht einmal du hast sie gelesen, sonst wüsstest du, was an der Ideologie des Realsozialismus verkehrt war oder warum Geld kein Verteilungsmittel ist:
    „DDR kaputt, Deutschland ganz – Eine Abrechnung mit dem Realen Sozialismus und dem Imperialismus deutscher Nation“ (www.gegenstandpunkt.com/vlgabw.html)
    Im zweiten Band („der Anschluss“) steht auf Seite 245:
    Tatsächlich haben die Praktiker des ML in ihren Staaten eine Wirtschaftsweise hingekriegt, in der das, was sie für das Marxsche „Wertgesetz“ im Sinne einer praktikablen Gebrauchsanweisung gehalten haben, das Wirtschaftsleben beherrscht. Freilich nicht so ganz automatisch, sondern nur, weil und soweit die Staatsgewalt dieses „Gesetz“ wirklich als Gesetz verhängt und auf seine Befolgung geachtet hat. Die erhofften Wunder der Selbstregulierung sind ausgeblieben. Das hat die sozialistischen Fetischisten Wertgesetzes mit steigender Bewunderung auf den Kapitalismus blicken lassen, den sie doch mit der „bewußten Anwendung“ s e i n e s „Gesetzes“ überbieten wollten, der aber o h n e solches Bewußtsein viel automatischer funktioniert. Das ist zwar wirklich kein Wunder; im Kapitalismus kommt eben ökonomisch gar nichts anderes zustande, als was sich lohnt fürs Geschäft; so sieht es am Ende trivialerweise so aus, als hätte das Rentabilitätskriterium die schönsten volkswirtschaftlichen Ordnungsdienste geleistet. Diesen Schein verehren die ML-Wirtschaftsgelehrten als ihr Vorbild – und sind in jüngster Zeit zu dem interessanten Eingeständnis gelangt, dass letztlich doch niemand eine „Marktwirtschaft“ so effektiv hinkriegt wie die Kapitalisten selber, die wirklichen Nutznießer und Vollstrecker des Wertgesetzes.

  155. Jürgen
    4. September 2015, 22:42 | #155

    „Der Witz ist noch, dass die eifrige Lektüre unserer „Modellbastel“-Pfade durch Leute wie Jürgen verrät, dass die da in Wirklichkeit einen Diskussionsbedarf haben.“
    Weil ich als Alfonsito schon davon genervt war, dass dein einziges Interesse an Cuba deine Modellbastelei war, ist mir längst klar, dass du dich davon nicht abbringen lässt, weiter die ganze Welt danach zu befragen, wie sie es überall mit deiner Modellbastelei wohl halte. Aber mit Argumenten lässt du dich davon so wenig abbringen, wie j. auch weiterhin erzählen wird, welche Marmelade sie gerade einkocht und wie es ihr dabei ergeht. Da hat neo schon recht: man muss sich davon doch nicht stören lassen. Die Klicks in diesem Blog scheint es ja zu steigern. Ja dann.

  156. Mattis
    5. September 2015, 09:37 | #156

    @Karl:

    „die Bücher gibt es längst“

    Du bist ja vielleicht lustig. Ich wußte gar nicht, dass Realsozialismus das ist, wofür der GegenStandpunkt eintritt …
    Aber dein gewolltes Mißverständnis und meine Ironie dazu mal beiseite:
    Ist ja ok, wenn du hier auf Einsichten über realsozialistische Wert- und Hebelökonomie verweist; nur trifft mich das nicht im Geringsten. Arbeitszeitkonten sind kein Geld, ich hab das schon mehrfach begründet, jeder kann das hier u.a. im Theo-Wentzke-Thread vom Juli detailliert nachlesen.
    Wenn du das Konzept verkehrt findest, begründe es inhaltlich, statt es nur mit deinen bewährten Kritik-Schemata abzugleichen und prompt als Wert-Geld-Ware zu identifizieren.

    „Die erhofften Wunder der Selbstregulierung sind ausgeblieben.“ (Karl)

    Zeig mal, wo in meinem Ansatz von Selbstregulierung die Rede ist.
    Es sind doch gerade die Kritiker meines Konzeptes, die auf eine Art von Selbstregulierung neuen Typs setzen: nämlich dass sich schon alles harmonisch aufgehen wird im Sozialismus mit der Produktion und der Befriedigung aller Bedürfnisse und außer einen Normalarbeitstag zu absolvieren kein weiterer Regelungsbedarf besteht.
    Und dass ich den Marx völlig mißverstanden habe, wenn der das Owensche „Arbeitsgeld“ verteidigt und negiert, dass es sich dabei um Geld handelt – das wäre mir auch erst mal nachzuweisen.

  157. TomGard
    5. September 2015, 10:29 | #157

    Ein Wort zum Stellenwert der Debatte an diesem Ort.
    Weiter oben hatte ich gegen Mattis eine Kurzbegründung geschrieben, warum die Arbeitsstunde und daher ein Arbeitsgeld ein inkommensurables Maß in einer Regulation des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion ist und darüber hinaus argumentiert, revolutionär könne es nicht darum gehen, die Reproduktion auf der Grundlage der vorgefundenen Bedürfnisse weiter zu betreiben.
    Nicht nur Mattis ignoriert diese Argument vollkommen. Andererseits habe ich, seit ich bei der Gelegenheit einen Link zu meiner Besprechung vonn KI, 1 setzte, hunderte von Extra-Zugriffen. Ich teile das mit, damit nicht der Eindruck entsteht, die Kindereien in diesem Strang seien ein Spiegel des Publikums und des Interesses, das die Debatte findet.
    Sie sind, indem von all den Lesern, die mal bei mir ‚reinschauten, weder dort noch hier jemand korrigierend eingriff, allerdings ein Spiegel für die vernichtende Demoralisierung der Interessenten. Sie NEHMEN die Trollerei und Kinderei im Kommentarstrang für einen Spiegel des Stellenwertes der Debatte.

  158. ricardo
    5. September 2015, 10:57 | #158

    TG: „Und professorale Großschwätzer, die gönnerhaft ihren Namen unter Kopfnotenverteilungen setzen, die werden augenblicklich entsorgt werden müssen.“
    Jawoll, Genosse Produktionsplaner eines großen Textilkonzerns, zuerst müssen alle besonders unliebsamen Elemente vergast werden.
    TG: „Ich habe bei alledem tausende Menschen kennen gelernt und die widerlichsten Typen, die darunter waren, mit denen ganz bestimmt kein Kommunismus zu machen ist, fanden sich … auf den Öko-Höfen. Mattis-Modelle waren darunter zuhauf.“
    Na, Genosse Produktionsplaner, dann sind wohl außer dir und ein paar aufrechten Kommunisten ungefähr alle Menschen widerlich. Dann hast du aber in d e i n e m Kommunismus ganz schön Arbeit mit dem Entsorgen: Augenblicklich die professoralen Großschwätzer (am allerwiderlichsten), bald darauf die Ökos (am widerlichsten) und zuletzt der ganze widerlichere und widerliche Rest. Aber als Produktionsplanungsexperte wirst du das schon hinbekommen. Nebenbei: Mit den paar übrig gebliebenen Hanseln wirst du auf jeden Fall eine ganz tolle zentrale Planwirtschaft hinbekommen.
    Jürgen: „Und dafür, dass die Menschen aufgeklärter werden, nützt eure Modellbastelei gar nichts.“
    Genauso wenig wie deine Aufklärungsarbeit. Das eine bedingt nämlich das Andere. Nur wenn kapiert wird, dass Aufklärungsarbeit und das Verständnis der wertfreien Reproduktion zusammengehören, wird die radikale Linke fortschreiten. Und dabei ist es scheißegal ob ich mich Kommunist nenne oder nicht. Ansonsten bleibt sie halt ein armseliger zerstrittener Haufen, so wie er sich hier gerade exemplarisch präsentiert.

  159. TomGard
    5. September 2015, 11:43 | #159

    Ricardo
    Du magst die Weise, wie ich aufnehme und daran erinnere, daß Kapitalismus ein Krieg ist und eine revolutionäre Umgestaltung der Reproduktion einer wäre, gern widerlich finden – just deshalb führe ich mich nämlich so auf. WENIGSTENS das soll – ohne Themenwechsel – dich und andere daran mahnen. Wenn du daran NUR noch festhalten willst, daß ich ein übler Geselle bin, hast du deine Entscheidung getroffen und brauchst hier nicht mehr zu schwafeln.
    Just for the record: hier der Anlaß für meine Wut – und meine „praktische“ Lösung (von wegen „vergasen“)
    Mattis
    03. September 2015 um 16:20 Uhr
    @TomGard:
    Wenn das Kapitalverhältnis aufgehoben wird, ist doch die alte „Vergegenständlichung“ nichts als ein Haufen toter Materie, die man nach Gutdünken vergessen, verwenden oder umgestalten kann.
    TomGard
    03. September 2015 um 16:48 Uhr
    @ Mattis
    Okay, ich bestimme dich zum Förster.
    e.o.d.

  160. Mattis
    5. September 2015, 11:53 | #160

    @TomGard:
    Gegen deine beeindruckende berufliche Vita kann man nichts einwenden, außer der folgenden Kleinigkeit: Erfahrungen sind das eine, ob man das Richtige aus ihnen gelernt hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    *
    K I ist ja eine gute Sache; nur wie erklärst du z.B. den Leuten dann die Bemerkung von Marx, dass Arbeitszeit-Guthaben kein Geld sind? Machst du da vorsichtshalber einen Bogen drum?
    *

    „Ein Arbeitsprozess ist bestimmt durch Arbeitszweck(e), Operationsweise(n), Gegenst(ä)nd(e), Arbeitsmittel und Resultate, letzteres gemessen an der Tauglichkeit für den zweckmäßigen Gebrauch. Arbeitszeit, schiere Plackerei und Maloche, Abstraktion von allen genannten Bestimmungen der Arbeitsprozesse, ist folglich ein inkommensurables Maß in der ANEIGNUNG des Produktes, sei sie produktiv oder konsumtiv.“
    (TomGard)

    Also nochmal: Arbeitszeit ist natürlich eine Abstraktion vom Gebrauchswert, das musst du mir wirklich nicht erzählen. Ich habe begründet, warum ich diese Abstraktion für ein erforderliches Mittel halte, und meine Kontrahenten kommen immer nur damit, das sei aber eine Abstraktion. Das ist doch gerade der Witz!
    Wenn es darum geht, zu vermeiden, dass der Umfang aller allgemeinen und individuellen Anforderungen die Potenzen der Produktion überfordern, dann ist eine abstrakte Begrenzung der Anforderungen durchaus ein passendes Mittel. Denn letztlich ist die wesentliche Ressource die Arbeitskraft, für alles was für die Bedürfnisse bestellbar ist. Ob man mehr Kühlschränke oder mehr Waschmaschinen herstellt, kann man entscheiden, so flexibel ist die Technologie allemal.
    Wenn also die Bestellungen für die nächsten sagen wir 6 Monate die Produktion überfordern, dann ist die Frage, wer setzt dann wie die Prioritäten fest? Es kann dann z.B. der eine Kunde alle Bestellungen erfüllt bekommen, der andere keine einzige. Das ist ärgerlich und erzeugt eine Art Konkurrenzsituation. Wer nicht schnell genug ist, geht leer aus, egal wie notwendig sein konkretes Anliegen ist.
    Eine vorab abstrakte Begrenzung auf das mit der verfügbaren Arbeitszeit produzierbare Maß schafft im Unterschied dazu eine beherrschbare Planungssituation. Jeder Konsument muss sich dafür entscheiden, was für ihn am Wichtigsten ist, und die Produktion der Gebrauchswerte wird das so entstehende Auftragsvolumen meistern können, wenn man die Begrenzung halbwegs passend angesetzt hat.
    Das bedeutet für den einen oder anderen einen vorläufigen Verzicht auf einen Teil des Gewünschten – zugunsten der Absicherung, dass auf jeden Fall jeder bedient werden kann mit dem, was für ihn Priorität hat.
    Dem Konsumenten wird also nicht gesagt: du kannst Gebrauchswert A, B und C haben, aber nicht auch noch Gebrauchswert X, Y und Z, sondern er hat ein abstraktes Guthaben über einen Produktionsaufwand von x Arbeitsstunden, und kann und muss entscheiden, welche Produkte für ihn die wichtigsten sind und durch sein Guthaben einlösbar sind, und die Produktion kann sich dann danach richten, ohne überfordert zu werden.
    Natürlich gibt es diverse Alternativen zu einem solchen Konzept: wer zuerst kommt mahlt zuerst; oder: direkte Kontingentierung von Gebrauchswerten; oder: ständige Sonderschichten für alle; oder: Auslosung, welche Bestellungen durchgeführt werden – und weitere ziemlich häßliche Verfahren. Hat da vielleicht jemand Bock drauf?
    Aber ich hör es schon: es reicht doch eh alles für alle, und der Mattis erfindet die Knappheit nur, damit er die Menschen durch seine Zwangsmaßnahmen deckeln kann …

  161. Karl
    5. September 2015, 12:36 | #161

    @Mattis
    „außer einen Normalarbeitstag zu absolvieren kein weiterer Regelungsbedarf besteht“
    Oh doch, Kommunisten wollen viel regeln, z.B. die Abschaffung eines Normalarbeitstages und der entsprechenden Berechtigugnszettel (die du mit oder ohne Marx EINFÜHREN möchtest!), nicht weil das Messen von Leistung schlimm wäre, sondern weil es nur dann Rechtstitel auf Lebensmittel gibt, wenn deren Verteilung unter einem (kapitalistischen oder sozialistischen) Vorbehalt steht. Wer vorhat das Produzierte zu verteilen, tut das und druckt keine Zettel. Die behindern (in allen Gesellschaftsformen) eine Verteilung und sollen das ja auch in deiner Version.
    Bedürfnisbefriedigung ist also nie das Maß von Lebensmittelmarken oder Geldscheinen, im Gegenteil: das personelle Zuordnen von Zugriffsmöglichkeiten auf sachlichen Reichtum gemäß einer gemessenen Leistungserbringung SCHAFFT eine Konkurrenz von Produzenten und Konsumenten. Dass die von dir anders ausgemalt wird als kapitalistische Konkurrenz, ändert am Bschluss nichts: du willst NICHT gesellschaftlich Produziertes einfach auf die Gesellschaft verteilen, sondern Berechtigungen für die Teilhabe an eurem Sandkastensozialismus erschaffen. Dafür taugt dann das utopistische Rumfantasieren: man nehme einen Mangel, unterstelle den seinem Idealbild und fertig ist die Notwendigkeit, für Zucht und Ordnung im Sandkasten sorgen zu müssen – angeblich, damit nicht die Falschen den falschen Sand fressen!

  162. franziska
    5. September 2015, 13:16 | #162

    Man könnte nun sagen, das übliche Tohuwabohu ist entstanden, und die gewohnte netz-freakshow reisst alle mit sich. Und zugleich ist da diese Besessenheit ALLER Beteiligten, es nicht zu lassen.
    Wie j. drüben sagt: Man könnte nur den Raum verlassen. Und die, die bleiben, sind eben besonders hartnäckig. Aber sie wissen halt auch nicht weiter, und durchlaufen die immer selben Schleifen.
    Ich habe oben gegenüber TG versuchsweise einen ersten Hinweis gegeben, wie man das auflösen könnte – nein, nicht gleich praktisch, das wär zu schön (und zu einfach); sondern wie man es begreifen könnte. (Die naheliegende böse Lesart für dasselbe Wort könnte lauten: es sich schönreden, schöndeuten… Mal sehn.)
    Mein Hinweis war der auf Widersprüche; auch so ein Wort aus der älteren, der ML-Tradition, mit der wir Jüngeren, die in die gsp-Schule gegangen sind, nicht viel anfangen.
    Wichtig damals war der Zusatz: „objektiv“ – die Widersprüche sind nicht einfach behebbar durch guten Willen, sondern etwas, das durch mühsame Umwälzungen (Klassenkämpfe usw) in der Wirklichkeit, naja, nicht etwa aufgehoben, sondern möglichst zum Verschwinden gebracht werden sollte.
    Bei mir hingegen war wichtig der Gedanke: Die Widersprüche sind in den Einzelpersonen, es sind IHRE, ihre eignen; das macht sie aber um keinen Deut weniger „objektiv“ und nur durch extreme Umwälzungen, womöglich „gesellschaftliche“, … beseitigbar? aufhebbar? erledigbar…? Eigenartig, das in dieser (eigentlich Hegelschen) Traditionslinie das rechte Verb dazu fehlt (wenn einem der metaphysische 3fach-Kalauer des alten Dialektikers zu peinlich wird). Aber „Konflikt“ ist zentral noch in einer andern Tradition, und da sagt man ganz einfach, wie eigentlich ursprünglich, in der, naja, gehobenen Alltagsbedeutung: ihn lösen.
    Gegenüber TG oben kamen die Widersprüche sehr konkret vor, nämlich die sog. „Nebenwidersprüche“ (Kopf/Hand, Mann/Frau, Stadt/Land, Zentrum/Peripherie). Die sind nun aber bekanntlich ZWISCHEN Leuten; ich hingegen hab dann behauptet: nein IN ihnen, und nach aussen bloss verlagert. Ein Gedanke der auch eher aus der andern (therapeutischen) „Konflikt“-Besprechungslinie kommt; die freilich wieder das Objektive, Realitäts-Bezogene am Subjekt kaum betrachtet). Das Verlagern dort ist dann ein „Projizieren“, ein individueller Wahn; und bestenfalls bei Betrachtung von „Familien“ stellt sich, beinah eher unwillig, auch bei denen der Verdacht ein: dass da eine, zwar nicht wahnhafte, aber doch sehr verrückte und verzweifelte Form von Arbeitsteilung herrscht: Die einen vertreten, praktizieren die eine; und die andern die andre Seite des Konflikts; die aber in EINER Person schlechterdings nicht zusammengezwungen werden können.
    Das ist es, sage ich, womit wir es hier zu tun haben, und wohlgemerkt, nicht individuellen Sparren, sondern es sind OBJEKTIVE ANFORDERUNGEN, denen man als Einzelperson nicht gleichzeitig gerecht werden kann.
    Das aber heisst: In den Auseinandersetzungen hier treffen Gesichtspunke aufeinander, die ALLE und spätestens ihren Trägern berechtigt und unmittelbar einleuchtend erscheinen, nein härter: sie sind UNVERZICHTBAR, dürfen nicht vernachlässigt und übergangen werden. Aber sie stehen eben dem, dem sie entgegengesetzt werden, schroff und unvermittelbar gegenüber. Und das macht die Härte und Giftigkeit aus; man hat doch schon alles gesagt – wieso siehst dus nicht? Es treibt alle Beteiligte zur Verzweiflung. Und zwar werden sie um so giftiger (ich sage: begreiflicherweise), wenn IHR Gesichtspunkt droht durch vorübergehendes Überwiegen, Dominanz seines Gegenstücks (vielleicht gibts auch mehrere, wer weiss), nicht mehr beachtet zu werden (vgl. der vordergründige Vorwurf, psychologisierend, Trolle wollten „bloss“ Aufmerksamkeit; unterstellt ist: für SICH; nein, für ihren Gesichtspunkt (Mattis, der immer wieder mit dem Gleichen ankommt; es ist doch schon erklärt usw); aber das macht es nicht besser.)
    Es erklärt vielleicht das Schrille und Irre und irgendwie für alle Beteiligte kaum Erträgliche, wenn einer oder eine wieder mal zu nerven beginnt, was ja alle hier nur aus Verzweiflung tun, denn es sind ja alle grosse Argumentierer und Erklärer hier, ausnahmslos; es treibt sie ja selbst zur Verzweiflung, dass ihnen die Erklärungen ausgegangen sind, und sie trotzdem nicht nachlassen („wollen“ – „es so sehen WOLLEN“; oder… nicht anders können?)).
    (Das ist EINE Variante, es mag auch die geben des immer verrückter, hartnäckig Dranbleibens und „koste es was es wolle“ dem Andern das verlangte Zugeständnis doch noch abzwingen, indem man das letzte Wort hat den längeren Atem hatte, ihn mundtot machte; oder die des wortmächtigen Verfluchens in Gestalt mehr oder weniger brillanten Durchdiagnostizierens, der Erklärung, wie „fertig“ man wieder mal mit jemand ist usw, oder das Sticheln (auch das ironische) und nicht aufhören, ganz bewusst, immer wieder und wieder und wieder in den wunden Punkt (den man sieht) zu bohren…)
    So, das ist die Form, die der Widerspruch annimmt – als unlösbare KONTROVERSE, für alle sichtbar, und kaum erträglich. Aber was ist der Inhalt?
    Es sind viele Widersprüche, nicht so einfach zu sortieren. (Ich mache auch keinen Sortiervorschlag, ich erzähle mehr oder zähle auf, vielleicht ohne Vollständigkeit, vielleicht ohne Zusammenhang….)
    Um mit dem Thema hier zu beginnen, da haben wir eine ziemlich verfahrene Lage aufgedeckt:
    Mattis sieht die Möglichkeit (nein, er unterstellt sie sogar als die einzige, denkt (will nicht denken?) kaum an eine Alternative), dass die Leute ZWAR revoltieren, aber ein gut Teil dessen, was sie zuvor wollten und machten, einfach beibehalten. Prompt müssen sie auch ein gut Teil dessen, was sie vorher brauchten, an Institutionen, wieder installieren oder einfach weiterlaufen lassen. (Oder läuft „es“ einfach weiter, weil sies nicht „abschaffen“?)
    Für die andern hier ist das aber kein „cut“, nicht der entscheidende Bruch mit der „Bürgerlichkeit“: Die Bürger müssen schon Kommunisten werden, sagt Krim.
    Was Mattis nicht sagt, wurde seinerzeit, in einer früheren Phase derselben Debatte, von earandil vorgebracht: Die Leute sollen offenbar Supermoralisten, -altruisten, -rationalisten werden? Na dann…
    Oder, in einer Version, die der verteufelte Buchenberg vorbrachte: Die Revolution muss auskommen mit, wird gemacht von den Leuten, wie sie sind. Direkter Widerspruch zu Krim.
    Dahinter stecken gleich zwei widersprüchliche Sichtweisen:
    a) das Umzuwälzende ist ein den Leuten Äusserliches (ein Gesellschaftliches, bloss ZWISCHEN ihnen Installiertes), vs. das Wesentliche, das sich ändert, ist an ihnen selbst, ihr (zB Eigentümer)Standpunk;
    b) die Umwälzung ist graduell, naja, mit ein paar „steileren“ Gefälle-Situationen, die da zu überwinden sind; vs. da ist EINE entscheidende Klippe zu überwinden, der Unterschied ist scharf markiert, als Vorher und Nachher (oder auch: Innen und Aussen des befreiten Gebiets).
    (Dieselbe Debatte b) gibt es übrigens unter solchen, die hier garnicht dran denken, mitzureden: Solche, die die Umwälzung wesentlich durch die Leute, diese „nichts als Ensemble(s) der gesellschaftlichen Verhältnisse“ hindurch, als „geschichtlichen Prozess“ ablaufen sehen, auch bei ihnen gibt es das: scharfer cut, vs. bisweilen gesteigerte Fortschrittsgeschwindigkeit, insgesamt schrittweise Veränderung).
    Diesem ganzen Widerspruchs-Komplex gegenüber tritt ein zweiter, und verwickelt, verstrickt sich mit dem ersten:
    Also die Leute sollen SICH ändern, aber wer sagt das – sie SOLLEN selbstbewusster werden, und endlich schlau und mündig? Leider sagen das bloss einige. Die treten den Andern von aussen gegenüber, und treffen auf einen „beinharten“ freien Willen, der sich „ums Verrecken“ nicht beeinflussen lässt.
    Oder etwa doch?
    Wenn ja… was unterscheidet denn dann die Weise der Beeinflussung von der gegenwärtigen? JEDE Art der Beeinflussung, auch des Versuchs, ist schon ein Übergriff, der (grad angesichts seiner Vergeblichkeit) bald in härtere (dafür wirksamere) Formen der Manipulation und Gewaltausübung übergehen wird: so libelle, und jetzt TG.
    Aber man KANN das Urteil der Leute doch garnicht von aussen beeinflussen, alles, was WIRKLICH Urteil in ihnen ist, ist auch IHRES. Sagt, etwa, Krim. Sagt… vermutlich im vollen (und schmerzlichen) Bewusstsein der Paradoxie („sie schlau MACHEN“): zB Jürgen/Alfonsito.
    Aber wenn sie so GARNICHTS beeinflusst (das man dann auch irgendwie simulieren, vor ihnen „vorstellig“ machen kann) – wieso sollte sich überhaupt etwas ändern? Durch das flehentliche „Appellieren, mal zu achten auf… in Betracht zu ziehen… sich bewusst zu machen…“? (Mehr geht halt nicht…)
    Die eher unschöne Alternative der etwas älteren Richtung war: SIE ändern SICH garnicht – das tut „die Gesellschaft“ kraft „der Geschichte“, und die kleinen Verhältnis-Ensembles (Menschlein, TG), die da unten dranhängen wie Marionetten, die mitgezogen werden, können sich glücklich schätzen, weil der Zug der Zeit nun mal einer zum Ewig-Besseren und Höheren ist (einszweidrei im Sauseschritt…)
    Libelle bietet uns einen Kompromiss, der in etwa lautet, dass ein autonomer Prozess die Individuen aus sich entlässt, sie freigibt – genau darin bestünde also das Höhere. Und ab dann… KÖNNEN sie aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit herausgehen; freilich… müssen sie es dann auch tun. Von sich aus. Vorher gehts garnichts, oder eben… viel zu wenig (aber wer kann sich Warten leisten, angesichts des wachsenden Elends.. sagt Krim, und nicht nur er. Also appellieren wir….).
    Man könnte nun sagen: Damit ist der Kreis der Konfliktpositionen abgeschritten, die etwas mit dem Gebiet der „Aufmerksamkeits-Steuerung“ (von aussen, von innen) zu tun hat, so hab ich das oben genannt.
    Aber dies Gebiet ist wiederum durchaus innig, dh fatal widerspruchsbehaftet, mit dem von mir benannten Gegenstück verstrickt und verknotet, und das sind: die materiellen Verhältnisse; Produktivkräfte und -verhältnisse (noch so ein Verstrickungspaar) ineins.
    Davon war ja die ganze Zeit die Rede: Ihre Stellung in diesen Verhältnissen ist es, deren Kritik „sie“ (da draussen) zu leisten hätten, die „sie“ innerlich und äusserlich zu überwinden hätten; zu solcher Überwindung fordern diese Verhältnisse auf durch ihre Unerträglichkeit (was verhindert somit nach ihrer Abschaffung eigentlich den Rückfall?), die zugleich die Überwindung bleiern erschwert und behindert. Aber würden die Verhältnisse nicht BEIDES tun – warum sollte man sie ändern? (Etwa: Aus Einsicht in ihre Unhaltbarkeit auf Dauer („krisenhafe Zuspitzung“), die sich jetzt aber noch nicht fühlbar macht?) Immerhin sind die Verhältnisse, wie drückend auch immer, welche, in denen man lebt, die eingerichtet sind; wenn der cut sehr hart ist, fällt man ins Nichts. Ist ers nicht, bleibt was vom Bleiernen. Das ist einfach aufzulösen (sagt nicht nur TG): Der cut geht garnicht durchs ganze System; sondern wir sprengen die Herrschaft (den Überbau) weg, und drunter läuft alles weiter, kann endlich überhaupt verändert werden, das entscheidende Hindernis ist ja weg, „abgeschafft“!
    Aber… sind die Produzenten denn Herren ihrer Mittel, wie TG behauptete? Ist nicht, dass sie es nicht sind (zB ihren Zusammenhang als Produzenten nicht überblicken oder gar kontrollieren) irgendwie auch der (arbeitsteilige? Kopf/Hand..) Grund der Herrschaft (EINE Sichtweise…)? Ist ihre Stellung im materiellen Produktionsprozess der letzte Grund auch für ihre Rechtsstellung als (nur) Eigentümer (ihrer Arbeitskraft) – und der Einstellungen, die sie sich (zwangsläufig?) zurechtlegen (müssen, um zurechtzukommen)? Oder… ist nicht (jetzt wieder umgekehrt; oder sich teufelskreisartig selbst verstärkend) die ganze Produktion zugerichtet durch den herrschenden Zweck? Aber ist sie gerade als so zugerichtete für die befreiten Produzenten beherrschbar? Hat sich der Zweck in der Mittelstruktur seiner Umsetzung womöglich verkörpert, und muss mühsam aus ihr herausoperiert werden? Wenn man nicht gleich eine ganz neue erfinden muss… Schlimm, wenn alle bis dahin nichts andres getan haben als den verbleibenden Rest „agitieren“ (oder warten… oder beides…) – dann droht eben doch der Fall ins Nichts. Oder der Rückfall: Weil das entscheidende, die produktive Basis, sich eben nicht geändert hat, und im davon Abhängigen, dem Überbau, rumfuhrwerken nichts nützte…
    Schliesslich: … gibt es in dem ganzen Elend womöglich Anteile, womöglich sehr zentrale (der Forschungs- und Fortschrittsprozess?), die von der ganzen Form, in der es abgewickelt wird, garnicht tangiert werden – vorher wie nachher bleiben, wie sie sind, und als wesentliche bestenfalls „nachher“ sichtbar werden, aber auch das ist nicht sicher, jedenfalls keineswegs durch „Aneignung“, naja, ihrer als den massgeblichen Problemquellen, dann, schon bewältigt sind? Ähnlich: Wie, wenn der cut vom Regen zwar nicht in die Traufe, aber nach all dem Aufwand, am Ende, bloss in einen andern Regen führt, man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, und der Ausweg daraus… NOCH viel schwerer und langwieriger ist als alles, was man sich bisher erwartet hatte?
    OK, man soll ja nicht fragen, nicht soviel… aber soll man es „drauf ankommen lassen“?
    Damit ist man zurück beim Ausgangsthema: Wer sieht das jeweils so, wer stimmt mit Andern in welcher Sicht überein, wer KANN das sehen (aufgrund seiner Stellung in der Welt, der Produktion… vorher, nachher…?) – wer WILL das (nicht) sehen?
    In solchen (Haupt?)Widersprüchen „treiben wir uns herum“…
    Und das sind noch lang nicht alle. (Jana, die drüben in „ihrem“ thread unbehelligt, aber einsam ihre Runden dreht…)
    Produktiv könnte sein, beim eignen nicht als dem Richtigen stehnzubleiben, sondern an DAS ANDRE, das damit ausgeschlossen ist, wenigstens ZU DENKEN, vielleicht mal ein bisschen mehr als bislang; weil da vielleicht auch was dran ist; der Befund kompliziert ist, und vielleicht auf lange Zeit – widerspruchsbehaftet, verknotet bleibt – nicht durchschneidbar (mit EINEM cut), nicht durch Dran-Zerren zu „lösen“.. vielleicht gibt es ja einen Anfang, der aber erst zu finden wäre.
    Was für ein dämlich(argumentlos)er Appell…

  163. TomGard
    5. September 2015, 13:38 | #163

    Okay, Mattis, damit kann ich was anfangen.
    1) Insassen eines kapitalistischen Staatswesens leben in Haushalten, teils in Wohnungen, teils in Eigenheimen, in einer bestimmten Raumordnung. Sie sind vermittels ihrer Sozialisation und ihrer Einbindung in die kapitalistischen Arbeitsprozesse auf eine spezifische Weise bedürftig.
    Mit „Bedürftigkeit“ kennzeichne ich eine starke Kopplung zwischen individuellem Konsum und gesellschaftlicher Produktion, auf die ich weiter oben mit dem Spruch hinwies, vor der Produktion komme die Konsumtion zu stehen. Die in diesem Sinne „bedürftigen Subjekte“ sind keine Privatpersonen, sie sind kaptialistische Institute. Das gilt auch, aber anders (und nicht unbedingt in vermindertem Maße), für schwache Kopplungen i.o.S., zu denen ich aber erst später kommen will.
    Wenn wir zwecks Darstellung des Zusammenhanges den Weltmarkt außen vor lassen, dann hat ein spätkapitalistischer Staat, wie Deutschland, den immensen Vorteil, daß die am oben genannten Maßstab der „Bedürftigkeit“ gemessne Armut keine gewaltige Rolle spielt. Die besondere Bedürftigkeit von „Hartzern“, zum Beispiel, ist aus dem vorhandenen Warenstock und den brachliegenden Kapazitäten rasch zu decken. Zu diesen „Kapazitäten“ zählen natürlich die arbeitsfähigen und arbeitswilligen Hartzer selbst.
    Das Reich dieser Bedürftigkeit ist statistisch bis auf zig Kommastellen durchsichtig und wird fortlaufend von Marktforschungsinstituten erhoben, einschließlich zuschüssigen bzw. fallenden Bedarfes in der Generationenfolge.
    Obendrein – eine Nebenbemerkung, die hier angebracht ist – ist es ohne Einbuße binnen eines kurzen Zeitraums mit wenig Aufwand sehr deutlich zu mindern, indem man den eingebauten Verschleiß abschafft, an dem Punkt würden, das garantiere ich dir, die Arbeiter, die zu dieser systemischen Sabotage kommandiert sind, als erste tätig.
    Dies Reich liegt also überwiegend kalkuliert bzw. rasch hinreichend kalkulierbar vor, incl. Arbeitsmittel, Arbeitsstunden, Arbeitskräfte.
    2) Die erste Überlegung von Kommunisten lautet folglich: Inwieweit sind WIR, wir persönlich, zusammen mit einer Gefolgschaft von Arbeitern, auf deren Solidarität wir uns zumindest für die erste Phase verlassen können, imstande, das Gesamtreich der Bedürftigkeit aus eigener Kraft, ohne Hilfe von Feinden und Abseitsstehenden zu produzieren, bzw. wo genau fehlen uns wieviel Leute und wieviel KONKRETE Arbeitsstunden. Das zu kalkulieren ist überhaupt kein Problem! Über mögliche Resultate und Verwicklungen später, aber erstmal gilt festzuhalten, daß auf diese Weise mit großzügig bemessenen Redundanzen rasch ein Reich des Arbeitszwanges zu kalkulieren geht. Die Kommunisten können ihren widerstrebenden Mitbürgern vorab mitteilen, wieviel Zwangsarbeitsstunden pro anno sie ihnen zumuten wollen und müssen, damit jeder sich aus dem NEU geschaffnen Güterbestand bedienen kann.
    3) Natürlich sind vorab einige politische Entscheidungen über diese Abteilung fällig. Zum Beispiel werden Kommunisten (zu denen du nicht zählst) sofort den Irrsinn mit den Kfz-Phalli beenden. Sie werden auch, denke ich, sofort den Irrsinn der kollektiven Vergiftung mit kontaminiertem Schweinefleisch abbauen wollen und zu diesem Zweck den Fleischkonsum kontingentieren, während sie zugleich, hoffe ich, befinden, daß freie bzw. frei werdende Kapazitäten dazu genutzt werden, flächendeckend taugliche Großküchen zu errichten und zu betreiben, mit denen man auch die abgerissene Restaurant- und Kneipenkultur neu und anders beleben kann – selbstverständlich ohne „Zahlemann und Söhne“. Nur so als Beispiel.
    Und natürlich werden Kommunisten auch eine Strategie haben müssen, wie mit Schiebern und Marodeuren zu verfahren ist.
    Die Abteilung 1-3 ist als Voraussetzung für alle anderen Abteilungen und für übergreifende Überlegungen zu nehmen.
    Dazu will ich vorab anmerken, daß ich seit genau 43 Jahren, wann immer ich mich in der „Linken“ bewegt habe, um Anerkennung dafür geworben habe, daß eine Revolutionäre SOFORT , ohne jeden Verzug, Schritte einleiten muß, einen Jahrtausende alten Bestandteil der Klassenherrschaften abzuwickeln, die Herrschaft der Städte über das Land. Die Landbevölkerung muß sofort entlastet und aufgestockt werden, über den Bedarf hinaus, der durch planmäßige Beendigung der schädlichsten Praktiken der Landwirtschaft anfällt, und das ist die erste Titanenaufgabe einer Revolution. Wenn sie vorab keine Akzeptanz findet, kann man das Ganze stecken.
    Zu den anderen Punkten – und damit zu deinen buchstäblich „eigent“lichen Drangsalen, Mattis, komme ich später.

  164. TomGard
    5. September 2015, 14:05 | #164

    Franziska,
    ich habe deine Gewaltphantasien (das meine ich durchaus als sachliche Qualifikation) überflogen, nicht studiert, und möchte dir dazu jetzt nur sagen: Revolutionär wird eine Kindergeneration gegen ihre Eltern und mehr noch Großeltern. Da findet, behaupte ich, bei den lebenden Generationen in den Metropolen genau GOAR NIX statt. Wir reden hier, aus unserer Perspektive, über in den Windeln Liegende und Ungeborene!

  165. Mattis
    5. September 2015, 14:25 | #165

    @franziska:
    Was im Sozialismus an Technologie bleibt oder nicht oder was daran geändert wird, dito bezüglich anderer Prozesse wie Forschung etc., war halt wirklich jetzt nicht mein Thema.
    Neue Produktionsverhältnisse verändern natürlich auch was an den Bedürfnissen. Aber gut essen, kleiden, wohnen etc.pp und dergleichen mehr bis zur ärztlichen Versorgung, bei alledem möglichst viel angenehmes Tun (auch beim Produzieren), das alles bleibt doch im Prinzip.
    Aus „gut essen“ ist z.B. abzuleiten, dass man die kapitalistische Land- und Leutevergiftung (Düngemittel, Antibiotika etc.) verlässt; aus „gut wohnen“ ist abzuleiten, dass man Häuser nicht mehr aussen und innen mit Giftstoffen einkleidet, aus „gut arbeiten“ kann man eine von Hetze und Gesundheitsbelastung freie Arbeitsweise ableiten – und das könnte ich jetzt seitenlang so fortsetzen.
    Das alles sind Bedürfnisse und daraus abgeleitete Aufgaben, die fast alle erstmal eine Erhöhung des Arbeitsaufwandes bedeuten, und deshalb steht dieser Punkt und der Umgang damit bei mir einfach im Vordergrund.

  166. Mattis
    5. September 2015, 14:50 | #166

    Noch weiter zum Bedürfnis-Thema:

    „Die besondere Bedürftigkeit von „Hartzern“, zum Beispiel, ist aus dem vorhandenen Warenstock und den brachliegenden Kapazitäten rasch zu decken.“
    „Das Reich dieser Bedürftigkeit ist statistisch bis auf zig Kommastellen durchsichtig und wird fortlaufend von Marktforschungsinstituten erhoben, einschließlich zuschüssigen bzw. fallenden Bedarfes in der Generationenfolge.“
    (TomGard)

    Soweit man Bezug nimmt auf die vorhandenen, auf ein ziemliches Minimum reduzierten Bedürfnisse eines bescheidenen Lohnabeitervolks, mag das ja durchaus stimmen. Aber ich unterstelle beim Übergang zum Sozialismus einen freigesetzten Materialismus, der all die Möglichkeiten überhaupt erstmal entdeckt, die dem Normalo bisher so grundsätzlich verwehrt waren, dass sie natürlich auch in keine „Marktforschung“ Eingang gefunden haben.
    Mit fleißigen &#38; genügsamen Sparbrötchen-Typen mit Kloster-Mentalität kann man natürlich sofort einen Sozialismus ohne Begrenzungen einführen. Nur: was hatte man dann eigentlich gegen den Kapitalismus?

  167. Mattis
    5. September 2015, 14:52 | #167

    „Wer vorhat das Produzierte zu verteilen, tut das und druckt keine Zettel.“ (Karl)

    So einfach ist das. Jetzt bin ich total erleichtert …
    Wenn es wirklich so sein sollte, dass meine Bedenken übertrieben sind, dann wird sich das in meinem Sozialismus-Konzept sofort daran zeigen, dass die Arbeitszeit-Aufwände pro Produkt ins Bodenlose fallen und die individuellen Arbeitszeit-Budgets daher locker für alles ausreichen, was man so an Produkten und Diensten brauchen möchte.
    Damit relativiert sich dann aber auch die anfängliche Begrenzung des Konsums de facto immer weiter und man kann daran gehen, immer mehr Produktbereiche freizugeben. Das ist natürlich die erstrebenswerte Richtung. Wo also ist da der Skandal?
    Jegliche Begrenzungen schon aus Prinzip, jenseits aller vorgetragenen Begründungen, als Herrschaft abzulehnen, ist nicht rational.

  168. j.
    5. September 2015, 14:53 | #168

    franziska
    das meinte das franziskanerin trifft auf ex-franziskanerin…
    hätt ich den franziskanerin-elan noch,
    würd ich dir in nem dreifachlangen roman
    mit meiner psychoerklärung deiner psychoerklärung
    begegnen und gegen deine verhaltenstherapeutischen notwendigkeiten angehen, aber s gewissermaßen „nur“ verschlimmbessern…
    stattdessen -in ziemlich kurz- kann ich dir
    sagen : ich schrieb „rad“ und meinte ganz schlicht „rad“ und nicht die „philosophie“, die du darauf aufgeblasen hast…
    das erste -unds mußt einige male wiederholt werden, bevors „einrastete“- , was tg mir anfangs sagte: lies, was da steht! …
    meine „verqueren“ einkopierten rumalbereien nebenan wollen genau das „erreichen“, ich nehm den leuts ihre „gewohnheiten“, ihre „metaphern“, ihr ganzes meta „weg“, so sie in dieser form (nebenaneinkopiertes) mit mir kommunizieren wollen…meist „meinen“ sie, das wär dann „kunst“ oder „kunstproduktion“, was wir da miteinander „betreiben“ und mag sein, solches wird als „manipulieren“ bezeichnet (in die psyche eingreifen gar 🙄 ) , egal, manchmal gelingts dann runtergesprungen von der -scheinbaren- phantasieebene auf „sachdiskussion“, daß die leuts nehmen, was da steht 😉
    (mal guggn, wie „lieb“ neoprene is – ner bitte entsprechen)

  169. TomGard
    5. September 2015, 15:15 | #169

    Mattis,
    laß einfach mal deine Hetze stecken und hab ein bißchen Geduld.
    Wenn du das, was ich geschrieben habe, nicht als Ausweis irgendeiner Gesinnung genommen hättest, sondern als grobe Skizze eines Auftaktes zu einer systemtheroetischen Gliederung der Sache, dann wärst du von allein auf die Fortsetzung gekommen. Jedenfalls dann, wenn du mal zur Kenntnis nehmen würdest, wie gewaltig der Gewinn durch den Entfall der Herrschaftskosten ist, wenn Produktion und Verteilung im Bereich der „Abteilung 1“, Reich der Bedürftigkeit, nicht mehr auf Waren- und Geldzirkulation beruht.
    Selbst wenn du meine Anmerkung zur Herrschaft der Städte über das Land nicht teilst, sollte doch sofort klar sein, das revolutionäre Problem ist eine Mobilisierungsaufgabe. Neben dem Landvolk brauchen auch die übrigen Produzenten der Abteilung I eine konkret absehbare Aussicht auf Arbeitsentlastung, und die wiederum braucht „Hardware“, zusätzliche Ausstattungen. Revolution ist nach dieser Seite eine Wanderungsbewegung im übertragenen, wie wörtlichen Sinn Es braucht z.B. sofort zuschüssiges Krankenhauspersonal. Es braucht sofort zuschüssige Bauarbeiter, denn der Bauaufwand steigt für eine Generation, bevor er (wahrscheinlich) drastisch sinkt.
    Abteilung II wäre produktiv „schwach“ gekoppelter Konsum.
    Niemand, außer den Revolutionäeren selbst, kann entscheiden, was darunter zu zählen ist, aber sicher ist, eine revolutionäre Generation hätte und würde sich und anderen die Gliederung von Abt.I und II DIKTIEREN. Wer für seinen Audi xy auswandern oder sterben will, soll auswandern oder sterben, basta cosi! Das Leid der Putze im Krankenhaus zählt entweder mehr, oder gar nichts, wie bisher!
    Hab‘ schon keine Lust mehr. Heut abend vielleicht mehr.

  170. TomGard
    5. September 2015, 15:33 | #170

    „Mit fleißigen &#38; genügsamen Sparbrötchen-Typen mit Kloster-Mentalität …“
    Eins noch vorab.
    Im Vorgriff auf solche Polemik hatte ich geschrieben:
    „… daß freie bzw. frei werdende Kapazitäten dazu genutzt werden, flächendeckend taugliche Großküchen zu errichten und zu betreiben, mit denen man auch die abgerissene Restaurant- und Kneipenkultur neu und anders beleben kann – selbstverständlich ohne „Zahlemann und Söhne“.“
    Du, Mattis, wärst darauf beschränkt, dir deine Mahlzeiten in deinem Forst unter dem neidischen Blick von Hirsch, Reh und Schwein allein zuzubereiten und zu vermampfen. Du würdest in Restaurants und Kneipen geschnitten, man würde dir das Essen in den Schoß kippen, weil man wüßte, daß du „Reichtum“ nicht anders als private Zugriffsmacht auf die Plackerei anderer denken willst, und deshalb jedes Gespräch, jeden Spaß mindestens störst, wenn nicht zunichte machst. Du würdest lebendig sterben, wie schon heute – nur fühlbarer.

  171. 5. September 2015, 16:24 | #171

    Tom Gard hat die Behauptung aufgestellt, er hätte begründet,

    „warum die Arbeitsstunde und daher ein Arbeitsgeld ein inkommensurables Maß in einer Regulation des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion ist“

    Wieso muß denn überhaupt das „Verhältnis“ von Produktion und Konsumption „geregelt“ Werden. Grundsätzlich muß doch einerseits „nur“ entschieden werden, welcher Haufen Sachen in einer bestimmten Periode, hergestellt werden soll und wer dafür welchen Arbeitseinsatz einbringen soll.
    Und andererseits muß entschieden werden, wer von dem Haufen Zeugs was konkret in die Hand bekommen soll. Bei der ersten Entscheidung gehe ich wie Mattis davon aus, daß es weder für „Alles“, was die Menschen, für die geplant wird, haben wollen reicht an Kontrolle über Ressourcen und zweitens die Menschen als wichtigste Ressource für diesen Berg auch gar nicht solange arbeiten wollen, wie dafür beim jeweils gegebenen Stand nötig wäre.
    Bei der zweiten Entscheidung ist zwar anzustreben, daß die Menschen das verbrauchen oder individuell benützen können, was sie entweder recht objektiv bestimmbar brauchen oder bei all den Sachen, die darüber hinaus gehen, was sie wollen. Jedenfalls qualitativ, denn mein Ausgangspunkt ist wie gesagt der Mattische, daß es für alle Wünsche aller Menschen bei vielen Sachen eben noch nicht reicht.
    Wenn TG dann fortfährt, sicher auch mit solchen Beschränkungen im Hinterkopf,

    revolutionär könne es nicht darum gehen, die Reproduktion auf der Grundlage der vorgefundenen Bedürfnisse weiter zu betreiben.

    dann befürchte ich das Schlimmste, daß wieder mal den Leuten eingeredet werden soll, was sie sich wünschen „dürfen“, weil es einfach für mehr nicht reicht, oder von den Herrschenden für was anderes verplant ist als für die Befridigung der Bedürfnisse der Menschen, so wie sie die nun mal äußern.
    Gutwillig könnte man natürlich auch unterstellen, daß eine Revolution eh nur zustande gekommen sein wird, wenn aus den bürgerlichen Konkurrenzsubjekten zumindest in großer Zahl, am besten weit mehrheitlich Kommunisten geworden sind, die sich dann auch andere Bedürfnisse zulegen werden als die vorrevolutionären Konkurrenzler.
    Es ärgert mich maßlos, daß TG wie so viele die auch hier wieder ganz typisch aufgetretenen Differrenzen mit einem arroganten „Trollereien und Kindereien“ abtut. Das sind schon jeweils ganz normale Erwachsene, so wie Ulbricht oder Che Guevara das auch gewesen sind.

  172. 5. September 2015, 16:55 | #172

    ricardo schreibt in Kritik von Mattis

    Das heißt aber auch, dass die Leute nicht wie im Krim’schen richtigen Sinne für Gebrauchswerte für den Einzelnen und die Gemeinschaft arbeiten, sondern abstrakt für mit Preisen ausgezeichnete Produkte buckeln. Es ist also weiterhin die Preisform, der die ökonomischen und damit auch gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen unterliegen.“

    Erstmal ist doch offensichtlich auch in einem Arbeitszettel-System ein Großteil der Arbeit eine für die Gemeinschaft. Denn nur die Sachen, die individuell konsumiert werden können, sollen doch ihre „Preisform“ aufgedrückt bekommen. Der KITA-Besuch wie die Atomraketen sind natürlich sozusagen im Preis inbegriffen.
    Wenn er schreibt,

    Die ökonomischen Subjekte indessen sind wie im Kapitalismus auf ihren Vorteil bedacht und konkurrieren unter- und gegeneinander um die (knappen) Güter.

    dann frage ich mich, wer denn diese „Subjekte“ sein sollen? Wenn wie immer hier der Ausgangspunkt die Knappheit an bestimmten Ressourcen ist, dann konkurrieren natürlich immer die Subjekte mit ihren unterschiedlichen angemeldeten Bedürfnissen um die Ressourcen, da ist es auf diesem Abstraktionslevel völlig egal, ob die in der Planbehörde aufeinander einargumentieren, bei einer durch und durch demokratischen Abstimmung über den Planinhalt oder erst hinterher, nach der irgendwie zustande gekommenen Produktion beim Run auf die jeweils begehrten Teile.
    Auch hier wieder das Wegleugnen des Problems durch Umdefinition:

    Folglich macht er, selbst bei den verrücktesten Wünschen und Bedürfnissen keine Abstriche“

    Wenn die Entscheider eh schon wissen, was „verrückte“ Wünsche sind und was legitime, dann ist alles natürlich easy. (Natürlich wird noch jeder Bedürfnisse nennen können, die für ihn „verrückt“ sind, und sich deshalb nicht erfüllt gehörten. Wenn das in die Produktionsplanung reinpassen würde, dann wäre das ja noch nicht mal ein Problem, solange es nicht bedeutet, daß die ganze Gesellschaft insgesamt deshalb ins Gewicht fallend mehr arbeiten müßte. Und sicherlich würden Kommunisten auch versuchen, ihren Mitmenschen einiges an Verrücktheiten auszureden, denn davon ist ja eine ganze Menge Muttermal der alten kapitalistischen Gesellschaft. So wie sie umgekehrt auch ne ganze Menge Agitation und Überzeugungsarbeit an den Tag legen müßten, um die Masse dazu zu gewinne, Sachen mittragen und mitproduzieren zu wollen, die die als noch nicht ganz so kommunistische Wesen gar nicht haben wollen, z.B. massiv den Export der Revolution zu fördern, massiv die Unterschiede in der Infrastruktur in den eroberten Gebieten durch Investitionen auszugleichen.
    Völlig abgefahren wird es aber, wenn ricardo verrückte Wünsche gleich mit „der industriell arbeitsteiligen Produktionsstruktur“ zusamenschließt, als wenn ausgerechnet moderne Produktionsmöglichkeiten der Grund für Scheißwünsche wären.
    Zum Schluß noch mein Beispiel praktischer Religionskritik.

    „Es gibt aber keine Knappheit, sondern, ausgehend von den gegebenen Lebensgrundlagen, immer nur die Möglichkeit der Reichtumsvermehrung durch Arbeit und Produktivitätsfortschritt im Einklang mit den natürlichen Ressourcen.“

    Es ist bezeichnen für den Wunschcharakter dieser Sorte von Revolutionsfans, daß sie die zwei Sachen, die erstmal gar nichts miteinander zu tun haben, zusammenbinden: Ja, Kommunisten werden auch in Zukunft wie schon in der Vergangenheit immer da, wo sie die Macht erobern können „die Möglichkeit der Reichtumsvermehrung durch Arbeit und Produktivitätsfortschritt im Einklang mit den natürlichen Ressourcen“ in Angriff nehmen. Da ist der Ausgangspunkt aber von erheblichem Einfluß, nur wenn man da Rußland 1917, China 1949 Kuba 1960 und meinetwegen die EU 2020 in einen großen Topf schmeißt, kann man zu dem völlig kontrafaktischen Glaubenssatz kommen, „Es gibt aber keine Knappheit.“

  173. TomGard
    5. September 2015, 17:26 | #173

    Neoprene,
    jetz mal Butter bei die Fisch: Was dürfen, deiner Ansicht nach, wir Kommunisten dir und den anderen „ich wünsch mir was“-Konsumenten auf keinen Fall von den Früchten UNSERER ehemaligen Sklavenarbeit WEG nehmen?
    Ich bitte um ausschließlichen Nennung von Sachen, die ihr euch nicht selbst löten könnt, wo wir euch schon gratis mit Essen, Kleidung, Wohnung nebst Baumaterialien und den notwendigen Transportmitteln und -gelegenheiten versorgen.

  174. j.
    5. September 2015, 17:40 | #174

    geht nich ums wegnehmen, eher ums lange nich mehr gegessen (um die 27 jahre nich mehr) : wild, am liebsten wildschwein…
    als kind mocht ich das sehr …
    (ich kann nich schießen 🙄 )

  175. Karl
    5. September 2015, 18:22 | #175

    @Mattis
    „Wenn es wirklich so sein sollte, dass meine Bedenken übertrieben sind, dann wird sich das in meinem Sozialismus-Konzept sofort daran zeigen, dass die Arbeitszeit-Aufwände pro Produkt ins Bodenlose fallen und die individuellen Arbeitszeit-Budgets daher locker für alles ausreichen, was man so an Produkten und Diensten brauchen möchte.“
    Nochmal: deine Bedenken sind ein Vorwand. Der Mangel, für den du behauptest einen Umgang zu erfinden, kommt mit deinem Sozialismus erst auf die Welt. Indem du dir „Arbeitszeitbudgets“ ausdenkst, planst du ein Verteilungsproblem, dessen Grundlage du zwar nicht kennst (das Szenario ist ja deine hausgemachte Fiktion!) , aber von dem du heute schon weißt, dass es deine Arbeitszeitkonten dafür braucht.
    Du WILLST also die gesellschaftliche Abhängigkeit von „Anrechtsscheinen“ – und verwirfst damit eine ges. Produktion nach Maßgabe von Bedürfnissen und Interessen. Sobald nämlich um deine Anrechtsscheine konkurriert wird, gelten Bedürfnisse nur soviel, wie jemand dafür in der Lage ist, Leistung zu erbringen – wie Alte und Kranke dann an eine Lebensberechtigung im Mattis-Sozialismus kommen, hängt wohl an der Gutmütigkeit der „Arbeitszeitbudget“-Verwalter.

  176. libelle
    5. September 2015, 19:49 | #176

    Marx schrieb, daß Lohnarbeiter zu sein, kein Glück sondern ein Pech sei.

    Nein, das war die MG – und Marx war meines Wissens kein MG-Mitglied.

    Die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten ist auch nicht von Marx. Er schrieb von einer Unterscheidung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit, um damit profitträchtige Arbeit im Kapitalismus theoretisch fassen zu können. Daß Mattis, Hansel, Libelle usw. diese wichtigen Differenzen zum Anlass nehmen, um ihren Antimarxismus freien Lauf lassen zu können, darf niemanden mehr verwundern.

    Einmal Kommunist geworden scheint man es nicht mehr nötig zu haben, sich mit dem auseinanderzusetzen, was die Leute schreiben. Meinst du wirklich ich würde Marx für jemanden halten, auf den ich mich berufe? Diese bescheuerte Unart pflegen nur Leute, die sich Marxisten schimpfen. Für die ist Kritik an diesem Idioten dann Antimarxismus (vor lauter Vereehrung für den Schöpfer der Legitimation ihres Kampfes erscheint ihnen eben Kritik – wenn geäußert – nicht einfach als Kritik dieser oder jener Vorstellung, sondern als etwas Unmoralisches (z.B. Antimarxismus)). You’re moral dumbfuck, commie!
    Wenn ich produktive und unproduktive Tätigkeit unterscheide, dann schreibe ich (wie geschehen) hin, was ich mit diesen Unterscheidung meine. Und das wiederhole ich nochmal, bevor ich mattis antworte:

    (libelle)
    Eine unproduktive Tätigkeit kann nur eine sein, die nichts zum Zweck der Gesellschaft beiträgt. Was ist denn der Zweck deines Sozialismus?
    Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.

    Man kann (für ignorante dumbfucks wie simply_red) auch mit Marx argumentieren:

    (Marx)
    Im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff. Die Arbeit hat sich mit ihrem Gegenstand verbunden. Sie ist vergegenständlicht, und der Gegenstand ist verarbeitet. Was auf seiten des Arbeiters in der Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigenschaft, in der Form des Seins, auf seiten des Produkts. Er hat gesponnen, und das Produkt ist ein Gespinst.
    Betrachtet man den ganzen Prozess vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit. (MEW 23 (195/196))

    und dann, in einer Fußnote auf der selben Seite (196):

    (Marx)
    Diese Bestimmung produktiver Arbeit, wie sie sich vom Standpunkt des einfachen Arbeitsprozesses ergibt, reicht keineswegs hin für den kapitalistischen Produktionsprozess.

    Bevor Marx also bestimmt, was produktive und unproduktive Arbeit im Kapitalismus sind, hält er es für nötig allgemein festzustellen, was das sei. Nun – er bestimmt das auf den ersten Blick ziemlich tautologisch, wenn man es sich mal genau überlegt, nämlich: Produktive Arbeit (ganz allgemein) ist für ihn die Arbeit, die zu einem Arbeitsprodukt führt. Da Arbeit für ihn (wie oben zitiert) einfach die zweckgerichtete Einwirkung mit einem Arbeitsmittel auf einen Arbeitsgegenstand ist, heißt das (und so ist es dann nicht ganz tautologisch), dass vom Standpunkt des Resultats (des Produkts) aus betrachtet gelungene Arbeit „produktive“ Arbeit ist und Arbeit, die nicht die im Produkt „bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes“ hervorbringt „unproduktive“ Arbeit.
    Das hat mit meiner Unterscheidung oben eine Menge zu tun, denn – wenn man so will – sind es die „Produkte“ der Gesellschaft, die darüber entscheiden, ob die Tätigkeit des Menschen (siehe Marx) im Arbeitsprozess produktiv ist oder unproduktiv. Nun beziehe ich das nicht nur auf das, was Marx Arbeitsprozess nennt- ganz einfach deshalb, weil ich im Unterschied zu Marx nicht nur die Kriterien, die Tätigkeiten im Kapitalismus oder in Mattis Sozialismus zu produktiver und unproduktiver Arbeit machen kritisiere, sondern auch das was Arbeit ist.
    Dazu stand im zweiten Teil meiner Antwort ein Gedanke, den ich nochmal anders ausführen will:
    Wenn eine Tätigkeit als Arbeit bestimmt ist, dann hat der der sie ausführt immer ein widersprüchliches Verhältnis zu ihr. Er verrichtet sie, weil sie für das Produkt, das er haben will notwendig ist und darin ist sie für ihn Bedingung und Schranke seines Bedürfnisses, das er mit dem Produkt befriedigen will. Auch die Zeit, die er damit verbringt ist kein Beitrag zu dem, womit er eigentlich sein Leben verbringen will, sondern Arbeitszeit verhält sich dazu negativ und damit wird für arbeitende Menschen die Lebenszeit automatisch in einen Teil der zu ihrer Verfügung ist (Freizeit) und einen Teil, in dem sie Notwendigkeiten unterworfen sind (Arbeitszeit) geschieden. Nichts anderes kommt in Sprüchen wie: „Erst die Arbeit dann das Vergnügen!“, zum Ausdruck. Arbeit ist Notwendigkeit, das Vergnügen fängt erst mit dem Produkt an.
    Und diese Unterscheidung macht Mattis mit und das ist eine ganz fundamentale Kritik an solchen Sozialismusmodellen, kündet sie doch davon, dass die Insassen dieses Sozialismus sich einen Bereich ihrer Gesellschaft organisieren, der negative Grundlage der Befriedigung ihrer Bedürfnisse ist: die Arbeitsteilung. Dass man in dem Sinn arbeitsteilig produziert, dass die Gegenstände des Bedürfnisses möglichst schnell hergestellt werden, soll hierbei nicht kritisiert werden. Dass dieses Tätigkeit aber als etwas Negatives, als Schranke dessen, worum es eigentlich geht organisiert wird, schon:

    (Mattis)
    …unter sozialistischen Bedingungen – bei gern gemachten Tätigkeiten eine Unterscheidung treffen kann in solche, die einen Beitrag zur vereinbarten gesellschaftlichen Arbeitsteilung leisten und solche, die dies nicht tun, die sozusagen Privatvergnügen sind. Gemeint war also die Unterscheidung „Beitrag zur gemeinschaftlichen Produktion“ versus „kein Beitrag zur gemeinschaftlichen Produktion“.

    Mattis-Sozialismus hat wie oben erläutert und kritisiert also 2 Bereiche: das Privatvergnügen und die gemeinschaftliche Produktion.
    Zurück zum „Produkt“ einer vernünftigen Gesellschaft. Was ist das? Im Kapitalismus ist es Kapital. Im Mattis-Sozialismus ist es eine Freizeit (das Privatvergnügen), die von einer gemeinschaftlichen Produktion ermöglicht wird. Der Mattis-Sozialismus ist darin keine vernünftige Gesellschaft, weil seine Insassen einen Teil ihrer Lebenszeit nicht selbst disponieren, sondern der vom großen Ganzen als die gemeinschaftliche Produktion disponiert wird. Das findet darüber statt, dass bestimmte Tätigkeiten der Leute dann als Arbeit anerkannt werden und im Bereich gemeinschaftliche Produktion stattfinden und andere nicht (die sind Privatvergnügen). Was ist mit Straßenmusik – gemeinschaftliche Produktion oder Privatvergnügen? Was ist mit Nachbarschaftshilfe – gemeinschaftliche Produktion oder Privatvergnügen? Was ist mit Leuten wie Einstein (Arbeit: Patentamt, Privatvergnügen: Relativitätstheorien)?
    Wenn das Produkt einer Gesellschaft Menschen sind ihre Zeit für ihre Zwecke frei disponieren, dann kann man ihre Lebenszeit nicht in Arbeit und Freizeit scheiden, weil es dann immer einen Bereich gibt (die Notwendigkeit, die Arbeit) in der ihre Lebensäußerungen eben nicht das Ergebnis freier Disposition ihrer Lebenszeit und Kraft sind. Deshalb muss es zweck so einer Gesellschaft sein diese Scheidung zu überwinden. Und da sehe ich die Notwendigkeit einer Übergangsgesellschaft, schließlich muss ein ererbter Produktionsprozess umgestaltet werden damit die Leute das, was vorher Arbeit war als Teil ihres Lebens – also als eigenen Zweck – annehmen können.

    Typisches Beispiel: der Müll muss entsorgt werden. Die Konsequenz in einer vernünftigen Gesellschaft lautet dann: Irgendwann ist halt jeder mal dran, die Müllabfuhr zu machen, denn mit genügend Menschen, die von sich aus schon liebend gerne Müll fahren, dürfte eher nicht zu rechnen sein.

    Natürlich ist damit zu rechnen. Du sagst den Gedanken ja selbst: der Müll muss weg. Und da ist nicht die nächste Frage wie verteile ich eine unangenehme Arbeit unter die Leute, sondern die ist, wie die Müllentsorger sich die als notwendig erachtete Tätigkeit aneignen d.h. wie sie daraus einen eigenen Zweck machen. Und das findet sogar im Kapitalismus statt, wenn die Leute, die sich damit befassen eben die Probleme und die inneren Zusammenhänge dieses Vorgangs zu ihren Problemen und zu etwas machen, von dem sie meinen, dass es funktionieren muss. Dazu brauchen sie natürlich ein Tätigkeitsfeld, dass ihren Geist nicht umbringt, sondern ihn anregt tätig zu werden – also monotone, gesundheitschädliche Tätigkeiten usw… muss man ersetzen usw…

    Durch entsprechende Rotation kann man erreichen, dass es eben jeden mal trifft und nicht einer ständig nur ungeliebte Arbeit erledigen muss. Das setzt natürlich Einsicht der Beteiligten in die Notwendigkeit (der Müllabfuhr) voraus, und wer da meint, alle Arbeit müsse auf jeden Fall immer auch Spaß machen, sonst sei sie pure Gewalt, liegt m.E. voll daneben.

    Liegt er nicht – du tust die Bedürfnisfeindlichkeit deines Sozialismus in jedem Satz kund. Dir ist scheißegal, dass die Arbeit eines Müllentsorgers heute gesundheitsschädlich und unangenehm ist- das interessiert dich nicht. Dich interessiert dagegen brennend, wie du möglichst alle durch diesen Dreck rotieren kannst.

  177. TomGard
    5. September 2015, 20:40 | #177

    Abteilung II, produktiv „schwach“ gekoppelter Konsum.
    Beispiel 1
    Versteht sich, daß Bekleidung zum Teil dazu gehört. Man wird Standard-Wäschen in Abteilung I stellen und den ganzen Wegwerf-Schrott aus der Produktion schmeißen. Eines meiner Lieblingssommerhemden, kurzärmelig, aus einem sehr feinen und besonders sorgfältig verarbeiteten Baumwollgarn, ist ziemlich genau 30 Jahre alt. Ich trage es auch nächstes Jahr wieder, obwohl die Farben des Musters nur noch ein Schatten sind Mein Wintermantel für tiefe Temperaturen ist ein österreichischer Jägermantel, 45 Jahre alt. Meine Motoradjacke ist ein in der Slovakei für den Westen gefertigtes Produkt von 1982. Selbst das Futter ist noch brauchbar, ich müßt‘ es allerdings an fünf, sechs Stellen nähen.
    Mode.
    Was ist das für eine Scheiß-Kultur, die das Bedürfnis nach schmucker Kleidung an industrielle Fertigung verweist?! Es gehört in Lokal- und Regionalkultur überführt, handwerklich und manufakuriell!
    Weshalb in Abteilung I die Ausrüstung und Grundstoffe dafür fallen, und ich beim nächsten Beispiel anlange:
    Beispiel 2. Bildung, Lehre, Ausbildung.
    Da wird hier der Huisken ‚rauf und ‚runter zitiert, und kein Schwanz denkt daran, den Blick von den widerlichen scheiß totgeschlagenen DINGEN zu nehmen, an denen ihr euer Herz überwiegend zu hängen scheint. In Abteilung I nach Abteilung II übergreifend gehört das. Die Kinderreservate gehören aufgelöst, und eine Methode wäre zum Beispiel, regional / rokal Textilwerkstätten einzurichten, in denen Profis und Amateure tun, wonach ihnen der (Schönheits-)Sinn steht und dabei die Kinder mitziehen.
    Euch das ebenfalls titanische Projekt der Revolutionierung von Bildung und Ausbildung auszumalen und die Möglichkeiten der Verknüpfung mit … ich nenne es mal im übertragenen Sinn „Freugemüse“ (so nennt der Gemüsegärtner Blumen) in allen Branchen, überlasse ich euch, ich will hier ja kein 10-bändiges Werk schreiben.
    Beispiel 3
    Fahrräder. Natürlich werden Kommunisten einen Fahrad-Kult betreiben, was denn wohl sonst. Gurken gibt es aus Abteilung I nur noch für Kinder und Jugendliche, ansonsten Rohlinge und Halbfertigzeugs höchster Qualität für Enthusiasten und Sportler, zur Verarbeitung in der örtlichen Fahradmanufaktur und / oder daheim. Auch mein Fahrrad … ach Quatsch.
    Habt ihr was gemerkt? In allen Beispielen sind Übergänge enthalten zu
    Abteilung III, ungebundene Tätigkeit, Spiel, Lustspiel
    und in diese Abteilung stelle ich zum Teil … die Müllabfuhr!
    Klar, Entsorgung gehört in Abteilung I, aber wieso nicht die lokale / regionale Abfuhrarbeit denen überlassen, die den Scheiß wegwerfen?!
    Überhaupt soll das blöde Schema nur ein wenig konkreter auf den Gedanken führen, daß und wie die Überführung von gebundenen zu ungebundenen Tätigkeiten, die Rück-Überführung von Arbeitszeit in Lebenszeit ein generationenübergreifender Prozess ist, der sich Produktions- und Verbrauchsgütern revolutionär bedient. Diese Güter sind nicht Zweck, sondern Mittel der Revolutionierung der Lebensführung.
    Natürlich wird es unentwegt Streit um die Produktionsziele geben, aber dieser Streit wird nicht einer zwischen Vereinzelten Einzelnen und einer Arbeitsagentur sein, nicht zwischen „Bestellern“ und „Malochern“, sondern zwischen vielfältigen Bünden und Verbänden, sowohl auf der Ebene der Raumordnung, wie der Branchenordnung und übergreifenden Interessengruppen. Und er wird deshalb persönlich ausgetragen werden, udn nicht unpersönlich, über Institutionen. Eine Gemeinde wird eine Abordnung zum regionalen Bauverband schicken und sagen: Wir brauchen udn fordern aus folgendem Grunde dies und jenes, was könnt ihr uns für ein Angebot machen, ohne eure laufenden Projekte zu beschädigen. Im Falle von Zielkonflikten werden diese KONKRET sein. Zum Beispiel könnte Gemeindevertreter A zum Gemeindevertreter B gehen und sagen: Braucht ihr euer neues Feuerwehrhaus wirklich schon jetzt? Bei uns ist es dringend!
    Bei bleibenden Konflikten kann man un- oder schwach gebundene Tätigkeiten aus umwidmen. Man wird überhaupt junge Leute dafür werben, für eine Zeit als Wanderbauarbeiter und -maschinenführer zu arbeiten, die man zu Brigaden zusammen fassen kann und zugleich Ausbildungsbrigaden sind.
    Und woran denkt ihr so?
    Ich weiß nicht, ob ich das wirklich wissen will.

  178. Mattis
    5. September 2015, 22:00 | #178

    „Jedenfalls dann, wenn du mal zur Kenntnis nehmen würdest, wie gewaltig der Gewinn durch den Entfall der Herrschaftskosten ist, wenn Produktion und Verteilung im Bereich der „Abteilung 1″, Reich der Bedürftigkeit, nicht mehr auf Waren- und Geldzirkulation beruht.“
    (TomGard)

    Ja, mit solchen optimistischen Behauptungen kommen sie alle um die Ecke, die mir Modellbastelei vorwerfen. Dass diesen unbestreitbaren (aber prozentual auch nicht irre großen) Entlastungen eine Vielzahl von Zusatzlasten gegenübersteht, die den „gewaltigen Gewinn“ in Null Komma nichts auffressen (du selber nennst auch noch jede Menge Beispiele!), das fällt dann in deiner Euphorie unter den Tisch – so wie eben auch bei libelle, Karl etc. Das ist auch nicht besser als die Rechnereien einer Linkspartei, die gerne von gigantischen Vermögen der Superreichen schwärmt, die man nützlich machen könnte – dabei bestehen diese Vermögen hauptsächlich aus erstens reinem Buchgeld und zweitens aus Investitionen in Produktionsmitteln, und man ist zunächst mal kein Stück reicher, wenn man die in Volkes Hand übernimmt. So denkt sich jeder seine sonnigen Aussichten zurecht und blendet aus, was da nicht reinpasst.
    Der größte Knaller diesbezüglich kam von Karl:

    „Der Mangel, für den du behauptest einen Umgang zu erfinden, kommt mit deinem Sozialismus erst auf die Welt.“
    „… wie Alte und Kranke dann an eine Lebensberechtigung im Mattis-Sozialismus kommen, hängt wohl an der Gutmütigkeit der „Arbeitszeitbudget“-Verwalter“.“

    So herzlos sind sie, die Modellbastler … ein Fall für amnesty. Der Karl ignoriert einfach, genauso wie du, meine sämtlichen Begründungen zu den steigenden allgemein-gesellschaftlichen Aufwändungen, zu denen natürlich auch der Unterhalt für Alte und Kranke gehört, und insbesondere die Tatsache, dass genau wegen dieses höheren allgemeinen Bedarfs der individuelle Konsum erstmal zurückstehen sollte.
    *

    „Das Leid der Putze im Krankenhaus zählt entweder mehr, oder gar nichts, wie bisher!“
    TomGard

    Ich habe wiederholt als eine der obersten Prioritäten die Erhöhung der allgemeinen Aufwendungen genannt, dabei namentlich das Gesundheitswesen und die Entlastung bei Knochenjobs, Schichtarbeit, etc.
    Allerdings weigere ich mich, den Richter über konsumtive Bedürfnisse zu spielen. Soweit kommt es noch, dass dann jeder beim anderen nach nicht-ideologie-konformen Bedürfnissen fahndet.

    „eine revolutionäre Generation hätte und würde sich und anderen die Gliederung von Abt.I und II DIKTIEREN „

    „Sich und anderen …“. Du willst die Arbeiter aufs Land und zu diesem und jenem kommandieren, aber mir wirfst du vor, „ „Reichtum“ nicht anders als private Zugriffsmacht auf die Plackerei anderer“ zu denken. Schön, dass deine „Zugriffsmacht“ ja nur rein gesellschaftlich ist. Abgesehen von deiner Widersprüchlichkeit dient mein Konzept im übrigen genau dazu, zu verhindern, dass die einen für den höheren individuellen Lebensstandard der anderen den Kopf hinhalten sollen (nämlich per Zwang zum Normalarbeitstag). Liest du überhaupt, was ich schreibe?

    „Du würdest in Restaurants und Kneipen geschnitten, man würde dir das Essen in den Schoß kippen“

    Klar, mit echten Revolutionären ist nicht gut Kirschen essen. Gar nicht witzig: von mir verlangst du „Geduld“ und dass ich meine „Hetze“ zurückstecke! Projektion wie im Lehrbuch für Psychotherapeuten.
    *
    Ach ja, und zur Abwechslung noch was von dem anderen Ignoranten:

    „Dir ist scheißegal, dass die Arbeit eines Müllentsorgers heute gesundheitsschädlich und unangenehm ist- das interessiert dich nicht. Dich interessiert dagegen brennend, wie du möglichst alle durch diesen Dreck rotieren kannst.“
    „Du sagst den Gedanken ja selbst: der Müll muss weg. Und da ist nicht die nächste Frage wie verteile ich eine unangenehme Arbeit unter die Leute, sondern die ist, wie die Müllentsorger sich die als notwendig erachtete Tätigkeit aneignen d.h. wie sie daraus einen eigenen Zweck machen.“ (libelle)

    Also, tut mir leid, liebe Müllwerker im Sozialismus, Rotation wird euch nicht erlaubt, vielmehr erwartet man von euch einen kreativen Umgang mit der Scheiße, sodass ihr schon bald mit Eifer und Begeisterung bei der Sache seid und nie mehr was anderes tun wollt. Und wenn ihr das nicht selber hinbekommt mit der Gesundheitsverträglichkeit, ist das eben euer Problem.
    Es ist aber Licht am Ende des Tunnels, denn es gibt noch eine andere, entschieden revolutionäre Lösung:

    „Klar, Entsorgung gehört in Abteilung I, aber wieso nicht die lokale / regionale Abfuhrarbeit denen überlassen, die den Scheiß wegwerfen?!“ (TomGard)

    Sehr rationell, wenn jeder persönlich seinen Scheiß zur Mülldeponie fährt (aber bitte nur mit dem Fahrrad!), und die Fäkalien werden wohl dann in kompostierbaren Beuteln gesammelt und bei der nächsten personell unbesetzten Kläranlage eigenhändig zu Wasser gelassen. Der sanitäre Dienst der Gemeinde kann aufgelöst und der Baukolonne zugeschlagen werden.
    TomGard und libelle – ihr könnt jetzt alleine darüber weiter streiten, was mit dem Müll und dem anderen Kram passieren soll.

  179. KHM
    5. September 2015, 22:11 | #179

    „“Marx schrieb, daß Lohnarbeiter zu sein, kein Glück sondern ein Pech sei.“
    Nein, das war die MG – und Marx war meines Wissens kein MG-Mitglied.“
    Also was sagt denn nun der „Idiot“ Marx (libelle) zur „produktiven Arbeit“?
    [MEW 23 | 531f]
    „Soweit der Arbeitsprozeß ein rein individueller, vereinigt derselbe Arbeiter alle Funktionen, die sich später trennen. In der individuellen Aneignung von Naturgegenständen zu seinen Lebenszwecken kontrolliert er sich selbst. Später wird er kontrolliert. Der einzelne Mensch kann nicht auf die Natur wirken ohne Betätigung seiner eignen Muskeln unter Kontrolle seines eignen Hirns. Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozeß Kopfarbeit und Handarbeit. Später scheiden sie sich bis zum feindlichen Gegensatz. Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des individuellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters, d.h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher oder ferner stehn. Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt, Organ des Gesamtarbeiters zu sein, irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehn. Die obige ursprüngliche Bestimmung der produktiven Arbeit, aus der Natur der materiellen Produk- tion selbst abgeleitet, bleibt immer wahr für den Gesamtarbeiter, als Gesamtheit betrachtet. Aber sie gilt nicht mehr für jedes seiner Glieder, einzeln genommen.
    Andrerseits aber verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert. Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, daß er überhaupt produziert. Er muß Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient. Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers. Daß letztrer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. Der Begriff des produktiven Arbeiters schließt daher keineswegs bloß ein Verhältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt ein, sondern auch ein spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich entstandnes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt. Produktiver Arbeiter zu sein ist daher kein Glück, sondern ein Pech.“

  180. j.
    5. September 2015, 22:32 | #180

    OH GOTT…
    marx war ein mg-ler
    okay, naja…also ich les nu den schillo da noch, aber diese drei bücher vom marx kann ich mir ja nu wohl (er-) sparen… (*steinepoltern*) – ich hasse diesen v und m und …kram, in ner gleichung ists ja okay, die kann ich immer gut „denken“, aber ne „bewegung“ zu behalten (erinnern), wennse mehr als drei „glieder“ faßt, puuhh, naja, aber der typ war ja offensichtlich n mg-ler…brauch nich, muß nich, (habs) gar nich nötig…
    freudesprunginsbett
    gutnacht

  181. 5. September 2015, 23:46 | #181

    Karl: „Bedürfnisbefriedigung ist also nie das Maß von Lebensmittelmarken oder Geldscheinen“
    Erstens stimmt das ja nicht mal für kapitalistische Gesellschaften, da gab es von england bis Nazideutschland natürlich immer abgestufte Rationssysteme und zweitens hängt das Maß der in den Zetteln verbrieften Befriedigung natürlich in einer Planwirtschaft davon ab, was eben geplant also entschieden wird. Wenn er behauptet, „du willst NICHT gesellschaftlich Produziertes einfach auf die Gesellschaft verteilen“, dann möchte ich entgegenhalten, natürlich, was sonst. Das einfachste Verteilungssystem sind solche Zettel, wonach jeder Familie z.B. pro Kopf höchstens ein Zimmer bekommt. Sowas macht man dann, wenn es eben Mangel an Wohnungen gibt, z.B. in der frühen Sowjetunion, z.B. in der frühen DDR (bis fast zum Schluß, um exakt zu sein). Wenn Karl also gegen „die Notwendigkeit, für Zucht und Ordnung im Sandkasten sorgen zu müssen “ polemisiert, hat er den Witz schon verpaßt. In Mangelsituationen geht es ohne ein vernünftiges System der Zuteilung (=“Ordnung“) und demensprechende Sanktionen (=Zucht“) gegen die, die sich da individuell besser stellen wollen auf Kosten der in der Tat als berechtigt festgelegten Menschen nicht ohne anarchische Konkurrenzkämpfe ab.

  182. 5. September 2015, 23:52 | #182

    Karl at his best, slight return:
    „Der Mangel, für den du behauptest einen Umgang zu erfinden, kommt mit deinem Sozialismus erst auf die Welt.“
    Dieses ignorante Beharren hat, ich hab das ja schon ein paar mal betont, was religiös Verrücktes. Aber nun ja, jeder darf hier ja nach seiner Fasson glücklich werden. Selbst auf diesem Blog.

  183. Alfonsito
    6. September 2015, 06:39 | #183

    An dem Beitrag von TomGaard von gestern, 20.40 Uhr, möchte ich loben, dass mit ihm zentrale Momente dessen, weswegen mich der Kapitalismus stört, überhaupt benannt werden: dass man sein ganzes Leben hierzulande danach einrichten muss, immerzu nur irgendwelchen (vom Arbeitgeber auferlegten) Notwendigkeiten hinterherzurennen, und sogar das sonstige Privatleben von all dem überformt wird (wenn nicht bestimmt wird).
    Die Fraktion von Mattis ist sofort dabei, sich in neue ausgedachte Notwendigkeiten gedanklich einzuhausen. Das klingt dann am Schluss fast so wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. (Ich übetreibe extra, um den Gedanken herauszustreichen!)
    (Manchmal kommt mir die Leichtigkeit, mit der ihr über Notwendigkeiten schwadroniert, so vor, als ob ihr die Härte dieses Gedankens, dass man sein ganzes Leben dem Arbeitgeber überantworten muss, gar nicht selber kennen würdet. Solche privilegierten Menschen gaibt es ja auch. Die mögen sich einfach mal die Lage der Lohnabhängigen vorstellen.)
    Der Weisheit letzter Schluss wird TGs Ansatz auch nicht sein. Aber für uns heilige-Bücher-Exegeten:
    Die Produktion – auch! – „nach den Gesetzen der Schönheit“ (!) hatte sich der heilige Marx auch mal vorgestellt. Und dass erst jenseits all dieser ekligen Notwendigkeiten das Reich der wahren Freiheit anfange, heißt hoffentlich nicht: ansonsten weitestgehend weiter so wie bisher, nur nach den allergerechtesten neuen Verteilungskriterien!
    Dass das ganze Leben vom Kopf auf die Füße gestellt werden soll, und nicht nur ein Mangel bürokratisch verwaltet werden soll, diesr revolutionäre Gedanke scheint mir bei Mattis nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen. Darum finde ich TGs Beitrag quasi als Erinnerung für Mattis an seine eigene Grundlage wunderbar.
    (Dass TG sogar die Müllentsorgung in sein Utopie-Konzept reinbastelt, und ihr ihm tatsächlich dabei Rechenfehler etc. nachweisen wollt – ächt jetzt???)

  184. Alfonsito
    6. September 2015, 08:01 | #184

    Dass man hierzulande genötigt wird, sich neben der Konzentration auf 8 Stunden Lohnarbeit pro Tag etliche sonstige eigene Interessen, die man so hat oder denen man eigentlich gerne intensiver nachgehen wollte, im Laufe seines Lebens abzuschminken (so dass mancher Rentner dann anscheinend wirklich ‚in ein Loch fällt‘, weil er nicht mehr solchen Notwendigkeiten unterworfen wird, und sich bis zum 65. Lebensjahr das sonstige Leben weitestgehend abgeschminkt hat) – das darf man heute als Youngster in aller Flexibilität und Fulltime-Verfügbarkeit mit einem Früh-Burnout schon mit 25 Jahren hinkriegen! – das ist dann hoffentlich bei Mattis‘ Konzepten übrigens hoffentlich auch nicht mehr so…
    Das formuliere ich mal so unverbindlich.
    Unterstrichen sei aber: dass wir ein ganz a n d e r e s Leben uns einrichten wollen, und uns diese Gesellschaft Tag für Tag daran hindert – dass es deswegen um den Umsturz diesr ganzen Scheiße geht und nicht um ein Verteilungsproblem – gerät gelegentlich ‚in die Vergessenheit‘.
    Was gar nicht sein könnte, würde es wirklich allen Diskustierenden primär darum gehen! (Ich vergesse doch mein Hauptinteresse nicht, wenn ich unterwegs bin und mich auf dieses Ziel zubewegen will.)

  185. TomGard
    6. September 2015, 09:11 | #185

    Franziska,
    es ist natürlich nicht wahr, daß ich Leute so einfach und billig verloren gebe.
    Du scheinst von Hegel und Konsorten gelernt zu haben, daß alles Bewußtsein Selbst-Bewußtsein, alle Kritik Selbst-Kritik ist. Halt das doch bitte zusammen mit einem vielleicht neu zu erwerbenden Wissen fest, daß dieses „Selbst“ nicht in knöchernen Hirnschalen schwimmt.
    Ich hab jetzt fünf Minuten gezögert, noch etwas dazu zu setzen – nee, es bleibt dabei. Ab

  186. Karl
    6. September 2015, 10:25 | #186

    @Neo
    „gab es von england bis Nazideutschland natürlich immer abgestufte Rationssysteme“
    Das ist ein Missverständnis, ich meinte mit Bedürfnisbefriedigung das Befriedigen von Bedürfnissen und gerade nicht Rationierung, Kontingentierung oder das Streichen von Bedürfnissen. Klar, auch für diese Ziele wird auf Bedürfnisse Bezug genommen, aber eben negativ – deswegen müssen sich Utopisten den zukünftigen Mangel ja erst einmal ausmalen. Dass es den deutschen Faschisten oder der englischen Nation mit ihren „Rationssystemen“ um Bedürfnisbefriedigung gegangen sei, ist daher übrigens sehr schönfärbend – aber niemand wird bestreiten, dass Feldküche oder Latrine irgendwie mit Bedürfnissen zu tun haben!

  187. j.
    6. September 2015, 10:44 | #187

    hegels „utopie“ der orientalen (auch neger und so)
    “»Der eigentümliche Jana-Charakter ist darum schwer zu fassen, weil wir dabei ganz auf das Verzicht leisten müssen, was bei uns in jeder Vorstellung mitunter läuft, die Kategorie der Allgemeinheit. Bei der Jana ist nämlich das Charakteristische gerade, daß ihr Bewußtsein noch nicht zur Anschauung irgendeiner festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung ihrer als der Einzelnen und ihrer wesentlichen Allgemeinheit ist die Jana in ihrer unterschiedslosen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein andres, höheres gegen das Selbst wäre, ganz fehlt. Die Jana stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner Wildheit und Unbändigkeit dar: von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muß man abstrahieren, wenn man sie richtig auffassen will; es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden.« (S. 155)
    des is, wenn die knöchernen hirnschalen
    am malochefreien we immer migränen 🙄

  188. 6. September 2015, 10:45 | #188

    Karl, natürlich sind kapitalistische Rationierungen immer doppelt: Erstens natürlich der rigide Ausdruck dafür, daß die wertvollen Nahrungsmittel und sonstigen Ressourcen für was Dringenderes gebraucht werden, nämlich den jeweiligen Endsieg, aber andererseits eben genauso regelmäßig auch berücksichtigen mußten und das dann auch haben, daß zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Arbeiterklasse zuhause (die an der Front hat man schon „sinnlos“ verheizt) ein gewisses Maß an Bedürfnis“gerechtigkeit“ erforderlich war.

  189. simply red
    6. September 2015, 11:17 | #189

    Bevor Marx also bestimmt, was produktive und unproduktive Arbeit im Kapitalismus sind, hält er es für nötig allgemein festzustellen, was das sei. Nun – er bestimmt das auf den ersten Blick ziemlich tautologisch, wenn man es sich mal genau überlegt, nämlich: Produktive Arbeit (ganz allgemein) ist für ihn die Arbeit, die zu einem Arbeitsprodukt führt.

    Eben nicht, Marx überführt keinen allgemeinen Begriff produktiver Arbeit, in einen näher präzisierten Begriff im Kapitalismus. Sondern der Begriff von produktiver Arbeit ist einer im Kapitalismus, insofern Mehrwert produziert wird:

    „Andererseits aber verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert. Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, dass er überhaupt produziert. Er muss Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.

    Aus diesem Blickwinkel ist z.B. ein Kassierer oder Verkäufer im Supermarkt kein produktiver Arbeiter. Ist doch logisch, weil deren Arbeit ein Abzug vom produzierten Mehrwert (im industriellen Sektor) verursacht. Die Arbeit eines Kassiers z.B. mag zwar sinnvoll erscheinen, aber die Kost die durch die Arbeit des Kassierers seinem Arbeitgeber verursacht wird, ist genau genommen ebenso ein Abzug vom produzierten Mehrwert (im industriellen Sektor), wie der Gewinn einer Supermarktkette selbst. Das magst du für richtig halten oder auch nicht, steht bei Marx so, und ich halte diese Bestimmung für richtig.
    Übrigens, nur aus diesem Blickwinkel heraus erscheint auch deine Bemerkung beachtenswert:

    libelle Meine These ist, dass die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Tätigkeiten in einer vernünftigen Gesellschaft keinen Sinn macht, weil sie einen den Menschen vorausgesetzten Zweck unterstellt, der ihre Tätigkeiten in produktive und unproduktive scheidet.

    In einer vernünftigen Gesellschaft, in der für den Bedarf gearbeitet und produziert wird, macht der Begriff der produktiven Arbeit keinen Sinn mehr. Der Begriff ist sozusagen überflüssig geworden. Im Kapitalismus ist der Begriff sehr wohl sinnvoll zu verwenden, da für den Gewinn produziert wird. Allerdings ist die von dir postulierte Scheidung von produktiven/unproduktiven Tätigkeiten nur eine, die aus dem Selbstverständnis der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft heraus entsteht/entstanden ist.

  190. Krim
    6. September 2015, 12:06 | #190

    @TomGard:“den Blick von den widerlichen scheiß totgeschlagenen DINGEN zu nehmen,“ Was für totgeschlagene Dinge?
    „Die Kinderreservate gehören aufgelöst, und eine Methode wäre zum Beispiel, regional / rokal Textilwerkstätten einzurichten, in denen Profis und Amateure tun, wonach ihnen der (Schönheits-)Sinn steht und dabei die Kinder mitziehen.“ Im Ernst eine Mischung aus Kindergarten und Nähstube?
    Was hat Ausbildung mit Blumengärtnern zu tun? Koppeln kann man vieles, aber auf der Hand liegt es nicht.

  191. TomGard
    6. September 2015, 12:44 | #191

    Krim,
    habe deine Fragen zur Kenntnis genommen. Beantworten werde ich sie Dir nicht.

  192. franziska
    6. September 2015, 14:57 | #192

    Alfonsito, ich wollte durchaus auf denselben Punkt zu sprechen kommen, in Form eines Nachtrags zu den „Hauptwidersprüchen“ oben, und ich wollte es tun durch eine kurze Erinnerung daran, was eigentlich die vier notorischen Nebenwidersprüche besagen, grade auch für uns hier:
    Kopf/Hand: Wir hier sind alle Kopfarbeiter, und haben, woher immer, Zeit, Motiv und Mittel, uns zu streiten, na wenigstens das. Da möcht ich sagen: Es ist beinah schon ein Privileg, eine solche Unzufriedenheit ausbilden zu können wie die, die die „Notwendigkeitsfraktion“ womöglich vergisst. (Privileg im Sinne der allgemeinen Glückslotterie namens Klassengesellschaft). In meiner Aufzählung der Errungenschaften eben: Zeit Motiv Mittel, sollte auffallen die Erwähnung des „Motivs“ (das kommt zu den andern beiden HINZU, die natürlich nicht fehlen dürfen). Ich denke, die Erklärung von „Unmündigkeit“ aus unverschuldeten ODER „selbst verschuldeten“ Ursachen führt nicht weit, man versteht so nichts. Sinnvoller erscheint mir die Fragestellung: Wie und wodurch kann sich die Ausbildung des Reichtums (auch einer) an Gesichtspunkten und Begriffen, der sich in EINEM oder manchen Köpfen (und Leben) gebildet hat, in mehr, in vielen Köpfen und Leben wiederholen? Ich hoffe, dass der Bezug klarist zu dem einen der beiden Hauptthemen, auf die ich (siehe oben) gern linksradikale Debatten ausgedehnt sähe: Aufmerksamkeits-Steuerung von innen und aussen. Ebenso klar ist hoffentlich, dass mir die Möglichkeit von GEWALT im Zusammenhang damit (übrigens auch in der Hinsicht der trotzigen Verweigerung, des Sich-Abschliessens gegen andre) ständig präsent ist.
    Mann/Frau: Die Gewalt kommt nicht immer von aussen, wenn ich mein eigner Auftraggeber (in eigner Sache; nicht für einen Markt) werde, kommt womöglich keine Konkurrenz mehr mit. Wer zB daran mitwirken will, dass öffentliche Dialoge wie dieser hier nicht permanent entgleisen, muss ein GEWALTIGES Mass an Disziplin (und noch einiges mehr) mitbringen. Das hat alles seinen Preis. Ein andres Wort dafür ist: Notwendigkeit; Kost. Unsre Spielräume, als Menschen, sind begrenzt. Grad auch die gequälter und sich quälender Lohnabhängiger.
    Da reden wir nun von Sachverhalten, die wenigstens teilweise von uns gestaltbar sind („wovon wir Subjekt sind“ sagt libelle): woran denken; wie sich einteilen.
    Aber riesige Zonen in dem Gesamt-Spielraum, von dessen Handhabung und Beschaffenheit unsere Lebensführung abhängen, liegen nicht in unserer Hand:
    Stadt/Land. Das ist in Wirklickeit die Chiffre für das Ausmass an, jetzt mal, NICHT-Kontrolle über die NATUR-Voraussetzungen unserer Existenz (und genuss- und freudvoller Lebens-Einrichtung). Mittlerweile auch: die verdorbenen Anteile an diesen Voraussetzungen…
    Zentrum/Peripherie: Das übersetze ich, wie man vielleicht gesehen hat, mit „Ungleichzeitigkeit“, und benutze, ziemlich ungewohnt in einem thread hier bei Neo, nochmal dieselbe Formel wie eben, nur dass ich GESCHICHTE anstelle von „Natur“ einsetze: Nichtkontrolle über die augenblicklich vorfindlichen historischen Zwischenstände, Ausgangslagen in Gestalt allgegenwärtiger Zurückgebliebenheit, nah und fern, in allen erdenklichen Hinsichten, die uns so weit Fortgeschrittene (im Zentrum) am Weitergehen (und erst recht die Andern am Mitkommen) hindert, eine zäh-elastische Fessel, deren Zug sich drastisch fühlbar macht, je kraftvoller wir vorwärts preschen wollen.
    Vor Jahren bereits hat jemand gesagt: Die Delegitimierung in westlichen (also kapitalistischen) Industriegesellschaften habe spätes DDR-Niveau erreicht. Das kommt mir auch so vor. Schlimm ist: Die Leute deuten sich diese Hölle ganz verschieden – sie brechen daraus in ganz verschiedene Richtungen auf und aus (ich führe das jetzt nicht aus, obwohl man sollte). Das ist, was ich Ungleichzeitigkeit nenne; und das in Industrieländern. Die wird dann noch überlagert von den sich weltweit ausbreitenden Katastrophenlagen; darin steckt auch eine Menge massenhaft aufgebrauchter Humanressourcen (Geduld, Hoffnung, illusionäre Erwartungen… zB an „Modernisierung“ oder „Sozialismus“, zB im Nahen Osten).
    Abgesehn von all dem Wirrwarr, den wir selber, hier, unter uns, nicht in den Griff kriegen (das, wovon mein letzter Beitrag ansatzweise handelte), sind DAS die Voraussetzungen, unter denen wir antreten.
    Sich eigentumsfrei Einrichten, sich ein nicht zerrüttendes, ein gelingendes Leben einrichten, das mit Vergesellschaftung, vereinbar ist: das ist heute, meine ich, nicht einfach wünschenswert; es ist, sage ich, elementar nötig, um überhaupt zu ÜBERLEBEN. Die Zitatmontage im Kopf des Marx-Forums drüben bringt es auf den Punkt: „Der Kapitalismus hat es soweit gebracht, ‚dass die Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur (!), um zu ihrer Selbstbetätigung zu kommen, sondern schon überhaupt um ihre Existenz zu sichern‘.“
    Also direkt an Alfonsito: Das ganz andre Leben IST das notwendige; der Gegensatz (Widerspruch) existiert nicht.
    Leute, die sich und (spätestens darum auch) andre fertigmachen, bringen rein nichts zustande.
    Und, ja, Kapitalismus ist keine gute Voraussetzung, um aus ihm rauszukommen.

  193. Alfonsito
    6. September 2015, 15:53 | #193

    „Die Delegitimierung in westlichen (also kapitalistischen) Industriegesellschaften habe spätes DDR-Niveau erreicht. Das kommt mir auch so vor.“ (Franziska)
    Sorry, Franziska, dass ich auf deine Beiträge nicht eingehen mag, mit Mattis habe ich mich schon beim Thema Cuba gekabbelt, und bei Kommunalismus/Naturwisseschaft/Saatgut [wohl eher deinen Themen] kenne ich mich gar nicht aus. Obendrein war das mit dem Erfordernis, beruflichen Notwendigkeiten nachkommen zu müssen, leider kein leeres Geschwätz…
    Aber das obige Zitat scheint mir grottenfalsch zu sein. Hierzulande braucht es keinen Hurra-Patriotismus. Oder dgl.
    D e n gibt es nicht. Aber die Rede der Kanzlerin von Sachzwängen und Notwendigkeiten leuchtet doch so sehr ein, dass bei all den unfröhlichen Gesichtern ringsum vermutlich die Zustimmung zum hiesigen System so bombenfest ist wie noch nie (!) zuvor.
    (Falls ‚Delegitimierung‘ das Gegenteil unterstellt haben sollte???)
    All die freudlosen Burn-Outs und gestressten Mitmacher hierzulande machen doch sich selber als ‚Schuldige‘ aus.
    S i e haben es nicht geschafft. (Und sind dabei doch froh, nicht anderswo leben zu müssen.)
    Deinen letzten Satz hatte ich übrigens anfangs ganz anders gelesen (Freudsche Fehlleistung…):
    Kapitalismus ist keine gute Voraussetzung, um mit ihm auszukommen. Diesen Standpunkt muss man schlau machen, und ihn als schlauen und aufgeklärten dann auch verbreiten.
    (Der Standpunkt des systmfeindlichen Unzufriedenheit wächst nämlich ansonsten anscheinend eher als Krebsgewächs bei den Rechten und den Islamisten.)

  194. Mattis
    6. September 2015, 16:12 | #194

    Liebe Leute (alfonsito u.a.): entschuldigt, dass ich hier nicht die Mühen und Ärgernisse des Kapitalismus breitgetreten habe, ich habe in meiner Naivität unterstellt, dass wir gerade deswegen hier mal über die Alternative reden. Vielleicht sollte ich noch vorbeugend erwähnen, dass Kapitalismus Ausbeutung bedeutet, dass Ausbeutung diejenigen, die der Verwertung von Kapital unterworfen sind, schädigt und vielen das ganze Leben versaut. Zufrieden jetzt?
    *
    Zurück also zum Thema, noch eine Ergänzung zum „Müllstreit“. Wenn ich die Arbeit in der Müllentsorgung mal als ein kleines Beispiel für nicht so begehrte Tätigkeiten gewählt habe, dann ist es doch Unsinn, wichtige Absichten wie die Müll-Reduzierung und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gegen ein Rotationsprinzip ins Feld zu führen.
    Auch dieser Punkt hat mir geezeiigt: manche Lesner beziehen sich nicht auf das, was von mir gesagt wurde und wie dabei argumentiert wurde, sondern führen dagegen ins Feld, dass etliche damit irgendwie zusammenhängenden Aspekte alle nicht genannt wurden. Hab ich irgendwo geschrieben, die Arbeitsbedingungen des Kapitalismus können bleiben wie sie sind? Hab ich geschrieben, die Müllberge sind schon ok? Für die ganz Bornierten nochmal buchstabiert: nein, die Arbeitsbedingungen bleiben im Sozialismus nicht wie sie heute sind, und die Müllberge sind nicht ok. Vielleicht sollte ich eine lange Liste anlegen mit Dingen, die ich nicht ok finde, um mir die Berechtigung ehrlich zu verdienen, auch mal was zur Alternative sagen zu dürfen … oh Mann.
    *
    Nochmal zur Illusion vom hereinbrechenden Reichtum bei der Einführung des Sozialismus.
    Die Abschaffung von Arbeitshetze, Schichtarbeit und ähnlichen Belastungen der Arbeitenden haben natürlich erstmal einen deutlichen Rückgang der Produktivität zur Folge. Das sollte man realistisch sehen, statt sich in übertriebene Erwartungen einzulullen.
    Dazu kommen dann die Umstellungen in der Art und Weise des Produzierens, für die ich hier nur ein kleines Beispiel nennen möchte, stellvertretend für zig-tausende.
    Man schätzt, dass bis zu 10% der gefürchteten „Krankenhaus-Infektionen“ auf antibiotika-resistente Bakterien zurückgehen, die der massiven Medikamentenzugabe in der Viehhaltung zuzuschreiben sind. Um z.B. bei der Milchviehhaltung die Milchgabeleistungen der Tiere immer höher zu schrauben, wurden spezielle Futtermischungen verabreicht, das als Nebeneffekt eine Reihe von Krankheiten begünstigen, die dann durch immer größeren Antibiotika-Einsatz bekämpft werden. – Hört man mit solchem Wahnsinn auf, sinkt natürlich die Milchleistung, d.h. der Produktionsaufwand je Liter erzeugter Milch steigt deutlich an.
    Es gibt zig-tausende solcher Beispiele; wo man in der kapitalistischen Landschaft auch immer hinschaut, wird für den Profit irgendein schädlicher Wahnsinn betrieben, der abgeschafft gehört. Wenn in all diesen Fällen einmal statt der Profitabsicht ein vernünftiger Maßstab angelegt wird, erhöhen sich jedoch für den gleichen Produktions-Output die Aufwände sehr spürbar. Das muss bei Einführung des Sozialismus von vornherein klar sein. Und genau deshalb, weil diese Zwecksetzungen so wichtig sind, diese aber zugleich einen hohen Arbeitsaufwand mit sich bringen, sind auf der Seite des individuellen Konsums Obergrenzen und Regeln der Verteilung schlicht und einfach notwendig. Wer darüber hinweggeht, propagiert m.E. eine vollkommen verantwortungslose Sicht der Dinge, die nur zu einer weiteren Bruchlandung in Sachen Sozialismus führen kann.

  195. ricardo
    6. September 2015, 16:18 | #195

    @Neo
    Knappheit sowie Präferenz sind Axiome der subjektiven Wertlehre. Wenn ihr diese Axiome in eure Theorie übernehmt, dann ist sie quasi Neoklassik ohne Kapital. Mit Präferenz- (Bedürfnis) und Restriktions (Arbeitszeit) kurven ließen sich dann auch, wie dort, wunderschöne mathematische Modelle simulieren.
    Der Begriff Knappheit soll Angst und Ehrfurcht einjagen, um die Tugenden Ordnung Einschränkung, Fleiß, Mühe usw. sowie die Zwängsmaßnahmen Sanktion, Zucht, Gewalt ableiten und akzeptieren zu können.
    Auf Bedürfnisse und Güter bezogen ist etwas nur knapp, wenn die Quantität des Einen die Quantität des Andern überwiegt. Warum soll aber gemäß – nä. Axiom – der VWL die Menge der Bedürfnisse immer größer sein als die Menge der vorhanden, bzw. produzierbaren, Güter. Dafür gibt es überhaupt keinen Beweis. Ich glaube Karl im Prinzip richtig verstanden zu haben, wenn er sagt: „Der Mangel, für den du behauptest einen Umgang zu erfinden, kommt mit deinem Sozialismus erst auf die Welt.“ Menschen, die verstanden haben, dass die gegenwärtige Produktionsweise sie und ihre Lebensgrundlagen zerstört und, vieles davon unwiederbringlich, zerstört hat, werden doch erst mal froh sein, wenn die elementaren Bedürfnisse völlig, in hoher Qualität und auf stabiler Grundlage befriedigt werden. Das hinzukriegen ist schon mal eine enorme, aber bewältigbare Aufgabe, wenn das Mehrprodukt am Anfang zur Stabilisierung des Reproduktionssystems verwendet wird (Aber das muss erst mal verarbeitet und verstanden sein). Wenn so ein System einmal stabil geworden ist, dann können und werden sich wahrscheinlich aus dem laufenden Mehrprodukt Bedürfnisse der feineren Art bilden. Wenn sich also das Reproduktionssystem quasi induktiv (Neu radikale Ausgangsbasis) entwickelt, ist mit dem Begriff Knappheit hinsichtlich der Lösung ökonomischer Probleme nichts anzufangen.
    Beim deduktiven Vorgehen (Übernahmen der bestehenden Produktionsstruktur) gemäß Mattis und Neoprene, bei dem im Verlauf der sozialistischen Entwicklung die Menschen von Kommunisten erst vernünftig gemacht werden, damit die Bedürfnisse sich irgendwann „normalisieren“, besteht neben dem grundsätzlichen Einwand gegen so ein System, die Gefahr, dass bei einer auf Zucht und Ordnung gedrillten Menschheit sich auf Kosten des Mehrproduktes eine neue Herrschaft elitärer zentraler Entscheider herausbildet, von der sich die Menschen wohl noch schwieriger befreien können würden als von der kapitalistischen.

  196. 6. September 2015, 16:22 | #196

    Ja Mattis, mit dem Sieg der Kommunisten ist es mit den Konsummöglichkeiten wie bisher einerseits erstmal vorbei:

    Wenn in all diesen Fällen einmal statt der Profitabsicht ein vernünftiger Maßstab angelegt wird, erhöhen sich jedoch für den gleichen Produktions-Output die Aufwände sehr spürbar.

    Aber darauf hinzuweisen, ohne wenigstens als Stichwort anzuführen, was alles an produktivitätssteigernden Sachen möglich ist, zum Teil sozusagen auf einen Schlag, wenn erst mal das Eigentumsrecht als die ganz große Schranke für vernünftiges Produzieren weggefallen ist, das verzerrt die Sache schon gewaltig. In dem Maße, wie das als gegenläufige Tendenz wirklich von Belang ist, fallen nämlich die/deine „Obergrenzen“ natürlich nicht so begrenzend aus.

  197. Krim
    6. September 2015, 16:36 | #197

    @Tomgard: Warum nicht?
    @mattis:“die den „gewaltigen Gewinn“ in Null Komma nichts auffressen“ Man hätte ja auch was falsch gemacht, wenn ein Gewinn übrig bliebe, schließlich ist das aufhäufen von abstrakten Überschüssen als Zweck abgeschafft.
    „dass die einen für den höheren individuellen Lebensstandard der anderen den Kopf hinhalten sollen “ Ist doch ne Ausrede! Welche Prasser soll es denn geben, die ihr prassen zur gesellschaftlichen Norm machen können.

  198. Karl
    6. September 2015, 17:20 | #198

    @Neo
    „daß die wertvollen Nahrungsmittel und sonstigen Ressourcen für was Dringenderes gebraucht werden, nämlich den jeweiligen Endsieg, aber andererseis eben genauso regelmäßig auch berücksichtigen mußten und das dann auch haben, daß zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Arbeiterklasse zuhause (die an der Front hat man schon „sinnlos“ verheizt) ein gewisses Maß an Bedürfnis“gerechtigkeit“ erforderlich war.“
    Deswegen habe ich bestätigt, dass Bedürfnisse auch in der Latrine einer Armee ihren festen Platz haben, aber dass deren „Befriedigung“ bloß eine Voraussetzung oder ein Mittel für viel höhere Ziele ist (wie z.B. den „Endsieg“). Bedürfnisbefriedigung ist beim Sterben auf dem Schlachtfeld nicht der Maßstab, für niemanden. Dass Soldaten für die Nation draufgehen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ist eine widersprüchliche Ideologie, aber nicht der Maßstab von Kriegsparteien.
    Der Trick steht schon oben: DASS irgendeine Verteilung stattfindet, soll man mit der zugehörigen Zwecksetzung verwechseln: Für den Autobahnbau und das Mutterkreuz ist eine Eva Hermann den Nazis deswegen heute noch dankbar …

  199. Mattis
    6. September 2015, 19:02 | #199

    „Ja Mattis, mit dem Sieg der Kommunisten ist es mit den Konsummöglichkeiten wie bisher einerseits erstmal vorbei … “ (Neoprene)

    So würde ich es nicht mal formulieren. Ich sehe nur nicht, dass die entlastenden Faktoren die belastenden Faktoren ausgleichen können. Und das bedeutet, dass der heutige Durchschnitt nicht sonderlich übertroffen werden könnte. Aber Durchschnitt bedeutet für große Teile des jetzigen Lohnarbeiterniveaus bereits eine merkbare Steigerung. Nur ist es von da zu einer Freigabe des Konsums eben noch ein hartes Stück Weg.
    Du weist ja mit Recht auch auf die entlastenden Faktoren hin, u.a.

    „was alles an produktivitätssteigernden Sachen möglich ist“

    Sicher, das nimmt man dann in Angriff, da geht eine Menge, aber man muss das ja erst aufbauen. Und je schneller man da voran kommt, umso eher kann man viele Bereiche des individuellen Konsums dann tatsächlich freigeben und die Arbeitszeit reduzieren etc.
    Aber man braucht eben einen verdammt stabilen Start mit einer beherrschbaren Planungssituation. Und gegenüber den Euphorikern muss man leider erst mal die belastenden Faktoren aufzeigen und die Konsequenzen nennen. Schade, dass das überhaupt nötig ist.

  200. Mattis
    6. September 2015, 19:13 | #200

    „besteht neben dem grundsätzlichen Einwand gegen so ein System, die Gefahr, dass bei einer auf Zucht und Ordnung gedrillten Menschheit sich auf Kosten des Mehrproduktes eine neue Herrschaft elitärer zentraler Entscheider herausbildet, von der sich die Menschen wohl noch schwieriger befreien können würden als von der kapitalistischen.“ (ricardo)

    „Zucht und Ordnung“ sehe ich eher da, wo auf der Absolvierung eines neuen kollektiven Normalarbeitstages insistiert wird, während bei meinem Ansatz der Einzelne seinen Umfang an der Arbeitsteilung und der Nutzung der Ergebnisse teilweise mitbestimmen kann.

  201. TomGard
    6. September 2015, 19:29 | #201

    Die Abschaffung von Arbeitshetze, Schichtarbeit und ähnlichen Belastungen der Arbeitenden haben natürlich erstmal einen deutlichen Rückgang der Produktivität zur Folge. Das sollte man realistisch sehen (Mattis)

    Schichtarbeit erhöht die Kapitalproduktivität und „Arbeitshetze“, gleich Steigerung der Arbeitsintensität, erhöht den Anteil des unbezahlten Teils zu Lasten des bezahlten Teils der angewandten Arbeitskraft (edith: eine Aufstockung der workforce in meiner „Abteiliung I“, siehe oben, hätte den gegenteiligen Effekt, den Mattis befürchtet)
    Mit Arbeitsproduktivität hat das nichts zu tun. Mattis macht sich hier tiefe Sorgen um den Fall der AUSBEUTUNGSRATE – und beteuert uns, deshalb müsse der Konsum begrenzt werden, also de facto sinken, wenn er – wie Krim richtig eingewandt hat – nicht davon ausgehen will, daß zuschüssige Prasser einander das Produkt streitig machen.
    Was immer Mattis hier vorhat, mit dem nominellen Anliegen des Threads hat es nix zu tun.
    @Krim
    Ich halte es für zumutbar, meine Formulierungen als Anregungen für Veränderungen, für revolutionäre Kreativität zu verstehen, nicht als Anleitungen. Mit:

    Im Ernst eine Mischung aus Kindergarten und Nähstube?

    hast du angezeigt, sie nicht so verstehen zu wollen, denn in einer „Mischung“ von Hergebrachtem ist genau nix verändert. Ich hab dir also nix zu sagen.
    (Sorry für die editiererei, mein Magen ist voll, da kann ich manchmal nicht gut denken ;D)

  202. TomGard
    6. September 2015, 19:33 | #202

    PS.: Zu „Fall der Ausbeutungsrate“ – das war der Grund, warum ich oben anfangs darauf bestand, die Produkte der Gesamtarbeit nach einer Revolution blieben Waren, so lang die Arbeitsprozesse noch nicht zu wesentlichen Teilen umgestaltet sind.
    (editiert wg. gram. Quatsch)

  203. TomGard
    6. September 2015, 20:35 | #203

    Krim nochmal,
    die Sache mit den „totgeschlagenen Dingen“ hatten wir schon mal, ich hatte das bei mir archiviert [neo: das war hier]:

    @ Krim
    „Dass der Mensch doppelt da sei, finde ich eine seltsame Betrachtungsweise.“
    Ich auch. Deshalb spreche ich von leiblichen PLUS außerleiblichen Bestandteilen des Daseins eines Lebewesen, oder, auf die Gattung „Sapiens“ bezogen, menschlicher Daseinsweise.
    Marx begriffliche Bewegung von einer „Einheit“ zu einer Verdoppelung derselben in „subjektive“ und „objektive“ Bestandteile ist der „philosophische Rest“, von dem ich sprach und paraphrasiert Feuerbachs „gegenständliches Wesen“ der Menschen (wie aller Lebewesen), ein „ungegenständliches Wesen“, sagt Feuerbach „ist ein Unwesen“.
    „Sachlich würde ich zustimmen. Es gibt einmal den Menschen selbst und zum anderen seine Existenzbedingungen.“
    Indem Du, anders als ich in meiner obigen Formulierung, nicht nennst, was Du da unterscheidest, nämlich den Leib eines Menschen von den (anderen) Dingen, von, in denen und durch die er lebt (die Mitmenschen eingerechnet), schlägst Du ihn buchstäblich (wenn auch auf „begrifflicher“ Ebene) tot – und die Dinge, die ein Mensch in und vermittels seines Daseins belebt, gleich mit ihm. Kommt Dir daran was bekannt vor?
    „Die Existenzbedingungen sind begrifflich von ihm klar unterschieden.“
    Überleg Dir, wer „Existenzbedingungen“ von „Existenz“ scheidet! Zu welchem Behufe. Mit welchem Ziel und Resultat.
    „Es gibt vielleicht eine Zusammengehörigkeit zwischen Existenzbedingungen und Existenz“
    Was bliebe von „Existenz“ nach erfolgter Trennung von „Existenzbedingungen“, wenn eine sekundäre Zusammenführung ausbliebe?
    Genau.
    Ein „‚luja“ singendes Engelein. Ein ideelles Subjekt, richtiger gesagt, die Vorstellung eines ideellen Subjekts.
    Marx „Verdoppelung“ ist eine philosophische Wiederzusammenfügung von Bestandteilen, deren historische Trennung und sekundäre Wiederzusammenführung (z.B. auf einem Markt) er mit ihr begrifflich aufnimmt (reflektiert), mit der ausdrücklichen Absicht, sie zu erklären. Die Verdoppelung ist eine Apologie, aber sie ist tatsächlich theoretisch unverzichtbar, wenn einer das vorgefundene „Trumm“ (das andernorts auch „Realabstraktion“ heißt) und seine Bewegung erklären will, und bleibt es, solange die herrschaftlich erzwungene Bewegung (Entfaltung) dieses „Trumm“ andauert. Man kann es eine theoretische Idealisierung nennen, im Unterschied zu einer ideologischen Idealisierung, welche die zugrundeliegende Realabstraktion heilig spräche, die Formen solcher Heiligsprechung unterstelle ich als bekannt.
    Jetzt mache ich mal aus Deinem Satz:
    „Die Existenzbedingungen sind begrifflich von ihm klar unterschieden.“
    eine theoretische Idealisierung, indem ich seine groteske, tödliche Seite durchstreiche.
    Läßt man ihn unter dieser Kautele gelten, nach welcher Seite wäre die implizit vollzogene Neuzusammenführung theoretisch aufzulösen?
    Richtig.
    Nach der Seite der Subjekte. Existenz wie Existenzbedingungen gehören den Subjekten an, sonst sind es halt keine.
    Die Eigentumsordnungen aller Zeiten (nicht erst die bürgerliche) tun aber praktisch das Gegenteil, sie „lösen“ die Gleichung nach der Seite der Objekte, des außerleiblichen Daseins auf. Sie überführen das Dasein der Subjekte in ein „Leben“ ihres Eigentums, beginnend mit dem patriarchalischen Privateigentum an Herden UND Frauen (Kindern). Am End wird es an Beleibung von Kapital geknüpft, dessen Konkurrenzbewegungen Arbeiter und ihre Kommandeure ein chimärischen „Leben“ verleihen, weil und so lang eine Obrigbkeit sie mit roher Gewalt dazu zwingt. Katzen würden Whiskas nicht kaufen, sondern klauen.
    Philosophisch kann man das jetzt so ausdrücken:
    Es findet eine Entsubjektivierung der Subjekte statt.
    Natürlich ist dieser Spruch, an dem sich die Teilnehmer dieses Threads unaufhörlich zu schaffen gemacht haben, ein Widersinn. Menschen bleiben Subjekte, wie jedes Tier, es ist ihnen selbst mittels Verhausschweinung nicht restlos auszutreiben. Der Widersinn markiert die Schranke, die philosophisches Denken an Herrschaftsverhältnissen hat, die es auf die Welt bringen – und die es bis zu dieser Schranke auch theoretisch not-wendig machen, weil Realabstraktionen einer Herrschaftsordnung ein ideelles „Ganzes“ entgegengestellen muß, wer ihren Zusammenhang ergründen will.

  204. Alfonsito
    7. September 2015, 06:56 | #204

    In seinem Blog „Kein Ort“ bespricht Peter Schadt unter dem Titel
    „Das anarchistische „Kapital“ – oder doch nur Murks?!“
    das Buch „CrimethInc. 2014: Work. Kapitalismus. Wirtschaft. Widerstand.“ Unrast-Verlag: Münster – 350 Seiten

    „Was genau ist Arbeit? Wir könnten sie als eine Tätigkeit definieren, die dem Zweck dient Geld zu verdienen. Aber sind Sklaverei und unbezahlte Praktika nicht auch Arbeit? Wir können daher sagen, es ist eine Tätigkeit, die für irgendwen einen Profit anhäuft, ob es nun der arbeitenden Person nutzt oder nicht. Aber bedeutet das, dass eine Tätigkeit sofort zu Arbeit wird, sobald du dadurch an Geld kommst, selbst wenn es vorher nur Spiel und Spaß war? Vielleicht könnten wir Arbeit als eine Betätigung definieren, die uns mehr nimmt als sie uns gibt, oder die uns von anderen aufgezwungen wird.“ (19)
    Das Buch beendet seine Suche nach dem was Arbeit ist schon mit diesem kleinen Absatz. Zufrieden damit, Arbeit könnte etwas davon sein, wird sich nicht weiter darum gekümmert, von was genau im ganzen weiteren Buch eigentlich die Rede ist. Haben feudale Bauern nicht gearbeitet, weil keiner „Profit anhäuft“, wenn sein Hofstaat den Zehnten verfrisst? Ist etwas keine Arbeit mehr, wenn es vorher „Spiel und Spaß“ war oder noch ist?
    (…) „Work“ erklärt von keinem der Gegenstände, die es behandelt, seine Funktionsweise. Alle genannten Gegenstände: Arbeit, Kapital, Justiz, Recht, Staat, Politik, etc. werden negativ behandelt, als Verhinderung von Autonomie und Selbstbestimmung, den anarchistischen Dogmen des guten Lebens.“…

    Die komplette Kritik an der Anarcho-Konzeption ist hier nachzulesen: http://keinort.de/?p=879

  205. Alfonsito
    7. September 2015, 07:12 | #205

    Zu dem besprochenen Werk ‚Crimethinc‘ zugibt es eine große Seite auf labournet mit längere Auszügen aus dem Buch u.a.
    http://www.labournet.de/politik/fetisch/jenseits/buch-von-crimethinc-work-kapitalismus-wirtschaft-widerstand/
    und eine kleine auf Indymedia…
    http://de.indymedia.org/node/4843

  206. Alfonsito
    7. September 2015, 08:59 | #206

    Wo soll ich Löschbefugnisse haben?
    Nur weil ich, anstatt auf Feuerbach einzugehen,
    auf ein aktuelleres Werk verwiesen habe
    (übrigens, zugegeben, gleichfalls wie TG doppelt)
    Das mit den anderen Namen lasse ich ab sofort.
    —-
    An alle: Geht mal Frischluft tanken….

  207. 7. September 2015, 09:05 | #207

    Nein, TG, Alfonsito hat deine letzte Anpisserei gegen ihn nicht gelöscht, das war ich schon selber.
    Denn – um das mal klar- und richtigzustellen – Alfonsito (und die vielen anderen Namensklons von ihm) ist überhaupt kein Ko-Moderator hier, auch wenn das dem flüchtigen Leser hier sicher so erscheinen mag. Ich kenne den Mann oder die Frau nicht mal, habe noch nicht mal eine Email-Adresse von der Person (wenn es denn nur eine Person ist, nicht mal das kann ich ja wissen).

  208. 7. September 2015, 09:28 | #208

    Nein, TG, muß man hier nicht. Du bist hier nicht im „Internet“ sondern auf meinem Blog, noch nicht bemerkt? Da treffe ich persönlich solche Entscheidungen, sofern sowas überhaupt geht, das ist ja nicht sehr viel.

  209. TomGard
    7. September 2015, 10:14 | #209

    Okay, die trockene Fassung:
    Alfonsito markiert das Zelt, indem er auswärts strullt. Es stinkt aber innen drinnen. HIER hat sich erwiesen, daß Leute, die sich über idealistische Kritik erhaben dünken, Alfonsito voran, abseits einiger materieller „Ecken und Kanten“, an denen sie sich selbst und wechselseitig wund scheuern, mit undurchschauten Idealismen befaßt sind.
    Der Anarchist behandelt die Vorstellungen und Ideale von Freiheit, die in seiner Neuronensuppe aufscheinen, als den Maßstab der Kritik der Herrschaft, der er sich unterworfen fühlt, während sie genau umgekehrt das ideelle Maß der praktischen Kritik sind, der die Herrschaft seine Lebensbedürfnisse beständig unterzieht, folglich das ideelle Maß seiner Unterwerfung.
    Man sieht, Mattis und Neoprenes „Zucht- und Ordnungsvorstellungen“ (Karl) unterliegt eine herrschaftliche Kritik des Bildes eines anarchischen Konsumenten, das sie im Kopf haben, und den sie fürchten. Sie haben vielleicht nicht die Beobachtungsgabe aufgebracht, an Leuten, die „in Kaufrausch verfallen“ (wofür sie sich hernach regelmäßig geißeln), zu bemerken, daß sie an den Dingen, die sie erwerben, allenfalls peripheres Interesse haben. Es sind für die Käufer unmittelbar Fetische, Ausdruck eines persönlichen Mythos der Ebben und Fluten in ihren Geldbörsen, die sie sich als die Grundlage ihrer Konsumentenfreiheit schön denken möchten. Für sie müssen „Ebben“ schon deshalb her, damit sie eine Wiederauffüllung (= „sparen“, auf „Geldausgeben“ verzichten) genießen können.
    Erklärst du das so einem Kunden, sieht er das unmittelbar ein, wenn er nicht aus anderen Motiven in habitueller Opposition zu dir steht. Die bürgerlichen Monaden, mit ihrem aus ihrer Innerlichkeit heraus gestanzten Berechnungs-Interface, haben nichts weiter, als „sich selbst“ zu kritisieren – aber diesen Gegenstand der Kritik haben sie TAT-sächlich, an ihm können sie gewöhnlich Interfaces erkennen, die sie ideell verschlossen haben, falls sie nicht pathologisch verrückt geworden sind.

  210. Alfonsito
    7. September 2015, 10:31 | #210

    Mag sei, dass uner Leuten, die von sich sagen, dass sie einem Kaufrausch unterlägen (selbiges hört man selten über Multimillionäre, die sich 2000 Schuhe zulegen) auf etliche davon dies zutrifft
    „… (wofür sie sich hernach regelmäßig geißeln), dass sie an den Dingen, die sie erwerben, allenfalls peripheres Interesse haben. Es sind für sie unmittelbar Fetische, Ausdruck eines persönlichen Mythos der Ebben und Fluten in ihren Geldbörsen, die sie sich als die Grundlage ihrer Konsumentenfreiheit schön denken möchten.“
    Und dies soll sein das Bild eines anarchischen Konsumenten?
    Und den fürchten Neoprene und Mattis?

  211. Alfonsito
    7. September 2015, 10:41 | #211

    Wenn sich arme Leute 50 Paar Schuhe zulegen, dann unterliegen sie dann wohl einem Kaufrausch. Merkwürdig, dass einem das nie einfällt, wenn über das Leben der Reichen berichtet wird.
    (Mit Ausnahme der Neureichen und der Russen: die unterliegen denselben Moralvorschriften wie die Armen.)

  212. Mattis
    7. September 2015, 11:41 | #212

    @TomGard:
    Vielleich sollte Karl, den du hier in deinen Zusammenhang mit hineinzitiert hast, mal sagen, ob auch er die philosophisch-psychologische Überhöhung von Armut teilt (Wohlstand als Fetisch), die du hier propagierst.
    Was hast du eigentlich gegen Hartz-IV, zum Leben reicht das doch; wäre doch blöd, wenn sie sich mehr leisten könnten und dann doch, wie du mit deiner selbstgepriesenen „Beobachtungsgabe“ erkannt hast, „an den Dingen, die sie erwerben, allenfalls peripheres Interesse haben“.

  213. TomGard
    7. September 2015, 12:46 | #213

    Ich habe die „Zucht- und Ordnungsvorstellungen“ in Anführungszeichen gesetzt, um sie als Bezeichnung zu kennzeichnen, in Abgrenzung von Begriff (und Karl zugeschrieben, ich weiß noch nicht mal, ob zu Recht, damit Neoprene es nur mit schlechtem Gewissen löschen kann). Ich halte die Bezeichnung für irreführend. Wie gesagt, keine Ahnung, was Mattis hier treibt, aber das Neoprene – Imago kenne ich lange genug, mir das Urteil zuzutrauen: Diese Vorstellungen sind, wie bei fast allen resignierten „Linken“, die Weise, wie sich Idealisten von ihren Idealen verabschieden, ohne genötigt zu sein, sich auch von der Gesinnung zu verabschieden, die sie sich zugute halten.
    Mehr habe ich einstweilen nicht zu sagen.

  214. 7. September 2015, 13:03 | #214

    Ja Tom, wenn man anders als ich/wir hier kein resignierter „Linker“ ist, sondern wie du voll Rohr der echtlinke Zampano, der aus allen Rohren auf alle schießt (oder scheißt, je nachdem), dann fällt es offensichtlich schon schwer, auch nur einen hier gefallenen Begriff wiederzufinden, so eilig wie du von Argument zu Argument unterwegs weiterstrebst. Also reiche ich dir die Fundstelle auf dem Silbertablett nach (war ja schnell wiedergefunden):
    Karl hatte geschrieben:

    „man nehme einen Mangel, unterstelle den seinem Idealbild und fertig ist die Notwendigkeit, für Zucht und Ordnung im Sandkasten sorgen zu müssen…“

  215. j.
    7. September 2015, 13:35 | #215

    mattis
    „sie“ sind zb tom, ich und mein töchterlein in „bedarfsgemeinschaft“ (von amtswegen „verheiratet“ also, unsre nachnamen fangen zufällig alle mit g an)…
    mit dem töchterlein hat tg „ebbe und flut“ und „kaufrausch“ zu ertragen, ebenso mein „laß sie doch!“…

  216. TomGard
    7. September 2015, 13:41 | #216

    „der echtlinke Zampano“
    Ausbrüche von mir, hinter denen dasselbe oder doch ein sehr ähnliches Muster steckt, das ich dir vorhielt, findest du in meinen Blogs dutzendweise. Was ich oben @Krim aus der Kiste kramte, liefert m.E. die allgemeine Begründung, warum sowas gar nicht vermeidbar ist. Doch besser ist, darum zu wissen.

  217. max beer
    7. September 2015, 14:52 | #217

    Ich unterhalte mich nicht nur mit Marxisten-Kommunisten usw. Was Werktätige ohne jegliche Marx-Kenntnisse am Kapitalismus stört, ist Arbeitshetze, blöde Vorgesetzte und die ewige Angst, morgen den Job zu verlieren und dann hätten sie gern 1000 Euro mehr und jeden 2ten Tag ein grosses Schnitzel mit Pommes und dass sie nach getaner Arbeit nicht als Rentner auf Sozialhilfeniveau leben müssen. * Das sind doch Sachen, die sich leicht nach der Revolution realisieren lassen.

  218. Karl
    7. September 2015, 14:54 | #218

    @TG + Mattis
    Ich hatte im Zusammenhang mit der Utopiekritik mich zur Formulierung „Zucht und Ordnung im Sandkasten(!)“ hinreißen lassen. Der Vorwurf bestand allerdings nicht im matten Anarchogedanken, Utopisten würden anderen ihre Vorstellung aufherrschen. Da stehen schon auch ein paar Argumente – sowohl gegen die verkehrte Methode des Fantasierens alsauch gegen deren Inhalte wie z.B. die falsche Gerechtigkeitsvorstellung von „individuellen Arbeitszeitkontingenten“.

  219. 7. September 2015, 15:20 | #219

    Max, deine ganz einfachen Wünsche von Werktätigen heutzutage sind bei genauem Hinsehen dann doch nicht in jedem Fall nach der Revolution „leicht“ zu befriedigen. Das Schnitzel hat z.B. einen relativ großen ökologischen „Footprint“, das kostet die Gesellschaft also erheblich mehr als nichttierisches Eiweiß. Die „Pommes“ (oder was man da auch immer als nicht gerade gesunde Lebensmittel reinsetzt) sollten die Menschen vielleicht gar nicht mehr in dem Maß zu sich nehmen, wie sie das jetzt noch tun oder wenigstens gerne tun wollten.
    Und bei fast jedem Konsumgut, was man durchgehen könnte, gibt es ein Kontinuum von klein, einfach, ressourcenschonend bis hin zum komplizierten fetten Maxi-Teil. Wenn also jemand sagt, er möchte „nur“ eine „gute“ Anlage, um Musik zu hören oder privat Filme zu schauen, dann ist damit gar nicht klar, ob wir (in Geld gemessen) über ein paar Hundert oder ein paar Tausend Euro reden. Daß Lautsprecherkabel wohl Unfug sind, die pro Meter gleich ein paar Hunderter kosten, darauf werden sich (fast) alle sicher schnell einig werden, aber wie „tief“ oder wie „hoch“ sollen die Leute denn ihr Befriedigungsniveau ansetzen?

  220. j.
    7. September 2015, 15:50 | #220

    könnt ma die frage nach der anlage mal zrückstelln, ma hams n bissel eilig mitm revoluzzern und noch geht unsre ja, denkmal, deine auch … 🙄

  221. max beer
    7. September 2015, 16:55 | #221

    @neoprene
    Eine Revolution und weniger Schnitzel und Pommes? Mit der tollen Anlage wird das auch nichts? Oh, oh, die DDR lässt grüßen…

  222. Mitleser
    7. September 2015, 17:13 | #222

    „Der Anarchist behandelt die Vorstellungen und Ideale von Freiheit, die in seiner Neuronensuppe aufscheinen, als den Maßstab der Kritik der Herrschaft, der er sich unterworfen fühlt, während sie genau umgekehrt das ideelle Maß der praktischen Kritik sind, der die Herrschaft seine Lebensbedürfnisse beständig unterzieht, folglich das ideelle Maß seiner Unterwerfung.“
    (TomGard)
    Versteht das Einer?

  223. Mattis
    7. September 2015, 17:17 | #223

    @ max beer:

    „… und dann hätten sie gern 1000 Euro mehr und jeden 2ten Tag ein grosses Schnitzel mit Pommes und dass sie nach getaner Arbeit nicht als Rentner auf Sozialhilfeniveau leben müssen. * Das sind doch Sachen, die sich leicht nach der Revolution realisieren lassen.“

    Ich lasse den heiklen Schnitzelteller mal außen vor … Die 1000 € mehr wären jedenfalls für viele fast eine Verdoppelung ihres jetzigen Lohns. Trotzdem noch eine bescheidene Forderung, über die gutverdienende Leute eher schmunzeln würden.
    Du wirst mir aber, wenn du unsere Debatte verfolgt hast, wohl zustimmen, dass das mit einer völligen Freigabe des Individualkonsums noch nichts zu tun hat, oder? Und die erwartet anscheinend auch niemand, außer einigen besonders kommunistischen Theoretikern, die vermutlich Angst davor haben, dass man ihnen andernfalls – so wie es mir geschieht – Knappheitsideologie vorwirft.

  224. Krim
    7. September 2015, 17:28 | #224

    Das heißt, dass der Anarchist den Maßstab seiner Freiheitskritik a n der Herrschaft v o n dieser Herrschaft bezieht. Also wird die Herrschaft an Maßstäben gemessen, die sie selbst verordnet.
    „dass das mit einer völligen Freigabe des Individualkonsums noch nichts zu tun hat, oder?“ Das ist halt auch wieder ein ideologisches Ideal. Weil du gleich wieder an einen hauptberuflich Prasser denkst, der im Leben gar nichts anderes tut und vorhat als von anderen produzierte Konsumtionsmittel zu konsumieren. „völlig frei“ das ist halt eine Idiotie. Wie in Gallileo „das teuerste Schnitzel der Welt“, das mit Blattgold verziert ist damit es 1000 € kostet.
    „der ökologische Footprint“ ist auch Ideologie, weil es so tut als liege die Vergiftung und Ruinierung der Natur am Fleischessen und am unersättlichen Konsumieren und nicht am kapitalistischen Umgang mit der Natur. Es ist eine Sache, wenn man aus ethischen Gründen zum Vegetarier wird, aber das Schnitzel und Kartoffeln das ist sogar im Kapitalismus leicht mit wenig gesamtgesellschaftlichem Aufwand produziert.

  225. Mattis
    7. September 2015, 18:28 | #225

    @Krim:

    „Weil du gleich wieder an einen hauptberuflichen Prasser denkst, der im Leben gar nichts anderes tut und vorhat als von anderen produzierte Konsumtionsmittel zu konsumieren.“ (Krim)

    Ja genau. Jeder einen Bentley, Rolex, goldene Badewanne und so. Endlich hast du es begriffen.

    „… aber das Schnitzel und Kartoffeln das ist sogar im Kapitalismus leicht mit wenig gesamtgesellschaftlichem Aufwand produziert“ (Krim)

    Was heißt da leicht? Das erscheint nur im Kapitalismus so, weil die Bauern dafür nicht viel kriegen. Aber Schweinezucht und Kartoffelanbau ohne Gift und Antibiotika ist nicht „wenig Aufwand“. Frag mal Biobauern. Zumal, was schon der Marx gezeigt hat, in der Landwirtschaft – vor allem wenn auf gesunde Weise betrieben – kaum Steigerungen der Produktivität möglich sind, die man auch nur annähernd mit denen der Industrie vergleichen könnte.
    Nur franziska würde natürlich wieder sagen, die paar Kartoffeln, das mach ich mit links, und TomGard würde wahrscheinlich beim Thema Schnitzel vom entbehrlichen Fetisch des Proleten sprechen …

  226. libelle
    7. September 2015, 18:31 | #226

    Marx überführt keinen allgemeinen Begriff produktiver Arbeit, in einen näher präzisierten Begriff im Kapitalismus. Sondern der Begriff von produktiver Arbeit ist einer im Kapitalismus, insofern Mehrwert produziert wird:

    Nein, verkehrt. Siehe mein Zitat – er leitet sehr wohl aus einer allgemeinen Vorstellung produktiver Arbeit das, was produktive Arbeit im Kapitalismus ist ab (edit: zutreffender ist vielleicht, dass er diese allgemeine Vorstellung konkretisiert). Das Zitat, das du nach dem Doppelpunkt anführst hat mit deiner Behauptung nichts zu tun.
    Sonst muss ich mich natürlich korrigieren – ja, die Sache mit dem Pech ein produktiver Arbeiter zu sein ist von Marx auch schon festgehalten worden und ich habe nicht erwähnt, dass produktive Arbeit im Kapitalismus diejenige ist, die Mehrwert schafft. Ist halt schon ein paar Jahre her, dass ich mich damit befasst habe und es tut für den mit Mattis verhalndelten Gegenstand auch nichts zur Sache d.h. widerlegt oder modifiziert keinen meiner Einwände gegen Mattis, weshalb ich solche Erörterungen im Zusammenhang mit dieser Dikussion für unproduktiv halte.
    Darüber hinaus brauche ich Marx (in diesem Fall) nicht, um meine Gedanken zu fixieren und ob der eine oder andere davon bei ihm steht oder nicht trägt nichts zur Erfassung des Gegenstandes bei.

  227. Mattis
    7. September 2015, 18:38 | #227

    Danke an KHM fürs Raussuchen der entscheidenden Marx-Passage über produktive und unproduktive Arbeit im Kapitalismus. Wer zuhause ein Regal baut, verrichtet demnach zwar nützliche, aber nicht produktive Arbeit, insofern diese nicht der Verwertung eines Kapitals dient.
    Mag ja sein, dass ich das Begriffspaar produktiv / nicht-produktiv zur Unterscheidung (im Sozialismus) von gesellschaftlicher Arbeit und privater Tätigkeit unglücklich gewählt hatte, denn das sollte ja keine Analogie zur kapitalistischen Bedeutung der Begriffe darstellen.
    Aber inhaltlich gesehen ist eine Unterscheidung der Tätigkeiten im Sozialismus sehr wohl relevant. Meine Bemerkungen zu den persönlichen Aktivitäten sollten ja keine Abqualifizierung sein, absolut nicht – aber solche sind eben kein Beitrag zur gesellschaftlich abgestimmten Arbeitsteilung.
    Sonst würde nämlich jegliches Hobby als Beitrag zur Produktion gelten und daher müsste man alle privaten Musik-Macher, Hobby-Bastler etc. von sonstiger Arbeit entsprechend freistellen. Das Mitsingen in einem Gesangsverein würde dann als Arbeitszeit gelten.
    Und übrigens: ob das die Befürworter eines kollektiven Normalarbeitstages ok fänden, bezweifle ich.

  228. franziska
    7. September 2015, 18:47 | #228

    Mal abgesehn davon, dass „Maß“ und „Maßstab“ für TG höchst bedeutsame Unterschiede aufweisen (oben hat er schon mal Mattis die Verwechslung beider vorgeworfen) – ist jetzt auch noch klar, worum genau es sich handelt beim „ideelle(n) Maß der praktischen Kritik…, der die Herrschaft seine (sc. des Anarchisten) Lebensbedürfnisse beständig unterzieht, folglich das ideelle Maß seiner Unterwerfung“? Ich verstehe es nämlich so noch nicht. Sodass ich die Richtigkeit der Gesamtaussage auch nicht prüfen kann. – Ich quäle mich durch den Kapitalkommentar von TG (http://tomgard.blog.de/2010/08/18/kapital-bd-1-kap-1-stofflicher-reichtum1-9200692/ ). Bis jetzt (aber man muss sicher erheblich mehr von TG kennen als diesen Kommentar) finde ich die implizite („Prima-vista“-)Diagnose von Alfonsito – als Arbeitshypothese, die bei weiterem Lesen auch widerlegt werden kann – plausibel. Ich würde hier darauf aber nur zrückkommen, wenn ich den Eindruck hätte, dass es TGs Beiträge hier (aus meiner Sicht) verstehen hilft. Im übrigen hat sein Blog dort Kommentarfunktion.
    @Max Also mit DEM Anfang kann man sowohl als BRD- als auch als DDR- oder Kommunismus-Fan enden. Bedürfnis anmelden – ja und? Suchen sie sich jetzt eine Herrschaft und/oder Management, die ihnen das versprechen und/oder akzeptieren sies, wenn ihnen gesagt wird (von welchen Bestimmern über ihre Arbeit und deren Ertrag auch immer), dass leider mehr nicht drin ist, aus Sachzwängen, von denen sie nichts verstehen? ODER erklären sie die Kontrolle über den Zusammenhang ihrer Arbeit mit dem, was dabei rauskommt, zu ihrem zentralen Bedürfnis – dann wenden sie sich nicht an Kommunisten, dann SIND sie welche. Ohne das geht der Kommunismus nicht (ob mit, ist leider nach wie vor die Frage).
    @j. revoluzzt doch, ihr, hält euch keiner auf… oder fragste hier bei den strengen lehrmeistern nach, ob du/ihr auch darfst/dürft?
    edit:
    @Mattis: Das jetzt als Seitenhieb ausgerechnet gegen mich war ein kleines bisschen fies, nach meinen Andeutungen über den ganz andren Begriff von „Produktivität“ beim „produktiven“ Umgang mit der Biosphäre. Und selbst TG will in Gestalt von „wir Kommunisten“ die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten drastisch erhöhen, redet von vergifteter Nahrung usw.

  229. j.
    7. September 2015, 18:59 | #229

    franziska,
    das is wirklich albern!
    n paar mehr als zwei bräuchts schonn und hier zeigt -fast- niemand die gewaltbereitschaft, derer es bedarf, ma planen hierdrin solange bis die nächste oder übernächste generation ….ähh… naja, weiterplant…falls die denne noch da is, wenn ihr weg seid…

  230. franziska
    7. September 2015, 20:11 | #230

    tja, j,, das is wirklich traurig! hier stimmt so gut wie keiner einem andern zu, und dass es mehr als ihn oder sie bräuchte, könnte jede/r sagen. also in abwandlung eines satzes von eckhard henscheid: manchmal… hilft halt im leben selbst der grössten revoluzzer bloss argumentieren weiter. (und sehr oft… nicht mal das.)

  231. Mitleser
    7. September 2015, 20:13 | #231

    Anarchistische Vorstellungen sollen „das ideelle Maß der praktischen Kritik“ sein, der die Herrschaft seine Lebensbedürfnisse beständig unterzieht, folglich das ideelle Maß seiner Unterwerfung“.
    Ich verstehe diese angewandte Unverständlichkeit auch nicht.
    Ist aber nicht wirklich ein Problem des Rezipienten.

  232. j.
    7. September 2015, 20:23 | #232

    was das mit „einander zustimmen“ zu tun haben soll, isn rätsel, was ich gar nich lösen will… morgen beputz ich wieder die alten sch.-s (über 90, seine aussage variiert, mal 93, mal 95, aber wir haben am selben tag geburtstag) und kannste glooben, die wollen … aber die hattens halt schonmal versucht und nu sindse alt… ich hol mir da mal ne runde „zustimmung“ ab, falls ich derlei morgen nötig hab, mal guggn…
    gutnacht

  233. TomGard
    7. September 2015, 20:51 | #233

    Franziska,
    ich weiß aus deinen Texten, der Gedanke, den ich da oben mit der Unterscheidung von Maß und Maßstab ausgedrückt habe, ist dir vollkommen geläufig: das antiautoritär gesonnene, nach „Emanzipation“ verlangende, das anarchistische Individuum nimmt Maß an den Kollisionen mit der Autorität, „den Zwängen“, der Herrschaft, denen es unterworfen ist. Die herrschaftliche Verfaßtheit der Individuen kommt dabei „negativ“ vor, als Störung, soweit es bei der „Widerständigkeit“ bleibt.
    Die Kollisionen sind Erscheinungsformen der herrschaftlichen Verfasstheit der Individuen, entstammen den Anforderungen der Herrschaft an sie.
    Nun sind den Kollisionen zwar eine Menge (nicht alle) Gründe und Zwecke, die sie hervor bringen, zu entnehmen, aber das muß man halt wollen, und die drei Genannten, der antiautoritäre, der auf Emanzipation bedachte und der anarchistische Charakter, widerstehen solcher Aufklärung mit ihrem Bild von sich selbst und dem Menschen im Allgemeinen, das von der herrschaftlich verfaßten Individualität abgezogen ist, und auf dem sie bestehen (wollen). Mit ihren jeweiligen Idealismen also. Sie kritisieren nicht, was sie kritisieren wollen, sie nehmen es vielmehr an.
    Die pingelige Unterscheidung zwischen Maß und Maßstab vermeidet solche Fehler methodisch. Ein Meter – das habe ich übrigens in grauer Vorzeit mal dem Wal erklärt – ist das bei uns gebräuchliche vorgestellte Maß für Entfernungen. Das Meter in Gestalt des Maßstabes ist nicht mehr vorgestellt, es ist auch nicht mehr Maß, es ist die gemessne Sache selbst, nämlich beispielsweise aliquote Teile der Länge eines Ackers, der mit einem Metermaß gemessen wird.
    Man kann sehr wohl darüber streiten, ob solche methodisch strengen, aber abstrakten Unterscheidungen der Erkenntnis einer Sache praktisch nützlich, oder im Wege sind, aber zu entscheiden ist der Streit nicht, jedenfalls wüßte ich nicht wie. Deswegen habe ich mir Vorwürfe (die v.a. von MG-lern kamen), ich würde „zu methodisch“ an die Sachen heran gehen und reden, nur bedingt zu Herzen genommen, halt dann, wenn ich konkret merkte (oder darauf hingewiesen wurde), auf welche Weise meine Darstellung hinderlich wurde.
    In die hier laufenden Debatte passt übrigens dieser Teil:
    http://tomgard.blog.de/2011/11/20/gebrauchswert-reichtumsmythen-12196373/
    aus dem ich ja schon was zitiert hatte, nicht die an Studenten adressierte Einleitung, die du verlinkt hast.

  234. franziska
    7. September 2015, 22:01 | #234

    Mir wär lieb, „meine Texte“ blieben aus dem Spiel, ausser denen, die ich hier schreibe und bestenfalls jenen, die ich (von meinen) selbst verlinke…
    Nicht dass du pingelig oder methodisch bist, macht mir zu schaffen, sondern dass dus auf, nunja, mich verwirrende Weise tust (es läge nicht am Rezipienten, meint der Mitleser, das lass ich ohne weitere Erklärung erstmal offen).
    Aber, um nun auch mal methodisch daherzureden, ein noch grösserer Mangel in deinen Texten ist für mich derzeit, dass du einerseits Gedanken in extrem komprimierter Weise, man möchte sagen ZUSAMMENGEBALLT, vorträgst – aber bei näherem Zusehen sind überall Poren, Nischen, Löcher, wo man dann doch nachfragen muss – wenn man die Lücke nicht mit Unterstellungen (wies wohl gemeint war) überbrücken will.
    In DEM Fall ist die Lücke für ein Verstehen meinerseits diese: Die Herrschaft/Autorität erzeugt an Individuen eine sog. „herrschaftliche Verfasstheit“; genau die aber lässt die Individuen mit der Herrschaft kollidieren.
    Ich versteh: Wenn sie so sind, wie die Herrschaft sie WILL (?) oder MACHT (?), geraten sie in „Kollision“ mit ihr; im ersten Fall will die Herrschaft Widersprüchliches von ihnen; im andern Fall… hm.. vielleicht Unmögliches, schwer zu Erfüllendes.
    Da wär eine Präzisierung deinerseits angebracht.
    Jetzt aber… die kollidierende herrschaftl.Verfasstheit hat Gründe; die „wollen“ (können, naja, egal) die Betreffenden, sofern „anarchisch“ in 3erlei Gestalt, aber nicht durchschauen – obwohl sie diese Gründe der Kollisionen diesen Kollisionen entnehmen könnten; sie wollen sich diese entnehmbare Gründe auch nicht erklären lassen. Stattdessen behaupten sie (die Anarchos), dass sie (die Anarchos) „so sind“ (wie sie sind; du sagst: so, wie die Herrschaft sie gemacht hat), und dass überhaupt gleich gar „der Mensch“ überhaupt „so“ sei. Und was sie da von sich und dem Menschen sagen, sind lauter „Idealismen“ (Ideal-Bilder, geschönte? nie realisierte, sein-sollende? oder was?) – die auch noch dazu Abstraktionen („abgezogen“) sind von ihrer herrschaftl.Verfasstheit (die kollidiert; Gründe hat, welche die Anarchos aber nicht sich erklären lassen wollen usw).
    Richtig so?
    Wenn ja… dann ist da ein SCHWARM theoretischer Aussagen über das, was den Dreh- und Angelpunkt deiner Charakterisierung der Anarcho-Position ausmacht, und das ist die Kategorie „herrschaftliche Verfasstheit“: Das ist, was die Herrschaft sie zwingt zu sein, einerseits, andererseits kollidieren sie aufgrund ihrer mit der Herrschaft. – Hm… was kann das sein? Ich komm nicht drauf. Und drum.. kann ich auch deine theoretischen Aussagen allesamt nicht überprüfen, weil mir das zentrale Subjekt all der Prädikationen fehlt.
    Nun ist es nicht so, dass diese Bezugspunkte deiner Prädikat-Schwärme irgend anders wären – sehr häufig sind sie einfach WEITERE Prädikationen, allerdings im Stile der „Kennzeichnung“ (definite description https://de.wikipedia.org/wiki/Kennzeichnung ). BIsweilen sollen solche Kennzeichnungen gleich nochmal neu etwas, ein, das Y, charakterisieren, wovon du vorher geredet hast: DIESE/er/s X (wobei „X“ wieder eine neue Kennzeichnung ist, die man, eben anaphorisch, auf Y beziehen soll: Y ist auch das X (oder auch mal EIN X). Und dann kommt aber noch das Prädikat des Satzes, nächste Prädikation… Aussagen über Aussagen werden da, teleskopartig verdichtet, gemacht… aber das Subjekt, das, WOVON und worüber du redest, was du im Auge hast, erfährt der Leser zu oft nicht, errät es niht… Ich komm mir vor wie ein Philologe bei der Rekonstruktion eines zerfetzten Papyrus…
    So Formalien wie das Wort „abziehen“, unterläuft mal, aber… hier sind nicht alle Profis.
    Also, bitte: Sag einfach mal, worin die herrschaftliche Verfasstheit besteht, die kollidiert, die die Gründe (nicht alle) für sie erkennen lässt, und von der der Anarcho (3 Varianten) seine Idealismen (welche?) abzieht….
    (Vielleicht ist dann der letzte Satz zu verstehen: Sie kritisieren nicht, was sie kritisieren wollen, sie nehmen es (was?) an…)
    (Vielleicht ergibt sich daraus ja, wie grottenfalsch meine (und ev. Alfonsitos) Vermutung im bezug auf dich war..
    PS: Falls das mit Mass und Masstab jetzt noch ne Rolle spielt, kannst du es ja einbauen. Aber… die Erläuterung zu diesen beiden Ausdrücken hab ich bisher noch nicht verstanden. (Bei Bedarf sag ich, warum…)

  235. Speedy
    7. September 2015, 22:30 | #235

    „Wenn ja… dann ist da ein SCHWARM theoretischer Aussagen über das, was den Dreh- und Angelpunkt deiner CHarakterisierung der Anarcho-Position ausmacht, und das ist die Kategorie „herrschaftliche Verfasstheit“: Das ist, was die Herrschaft sie zwingt zu sein, einerseits, andererseits kollidieren sie aufgrund ihrer mit der Herrschaft. – Hm… was kann das sein? Ich komm nicht drauf. Kann auch deine theoretischen Aussagen allesamt nicht überprüfen, weil mir das zentrale Subjekt all der Prädikationen fehlt.“ (Franziska)
    Ich habe das so verstanden: Sie nehmen nur wahr, dass sie unterdrückt werden, also rein das negative Moment. Und ihre Lösung, Antwort: Selbstbehauptung. Was ist Selbstbehauptung? Nicht einfach, jemand betätigt sich, sondern seine Betätigungen sind der Ausweis dafür, dass er sich betätigt. Das „dass“ ist unterstrichen. Und eigentlich ist diese Weise sehr üblich, die Demo ICHBINSUBJEKT

  236. franziska
    7. September 2015, 22:44 | #236

    (editiert 00.16 also hier 23.16)
    Tja, speedy, kann sein, dass das gemeint war. Und dann kommt die (linke) (Agitatoren- oder (Sozial)Pädagogen-)Tour, wo man dem Adressaten/Klienten sagt, aaach komm DAS WILLST DU DOCH BLOSS WEIL (…der Staat dich dazu gemacht hat usw), gibs zu, dass du nur ein erbärmlicher kleiner Depp bist, weil VERNÜNFTIG ist das doch alles nicht, was du willst (bzw. „du willst halt nicht einsehen, dass…)
    edit:
    Die Frage wäre dann noch, ob alle Menschen mit anarchistischen Positionen das aufgrund eines CHARAKTERS sind.
    Aber warten wir ab, wie TG es erläutert.
    Denn… genau der INHALT der „herrschaftlichen Verfasstheit“ wäre damit ja nicht benannt. Wenn doch… wär die allerdings wirklich nicht mehr als der theoretisch verbrämte Auftakt zur eben angeführten rhetorischen Figur… die man allerdings auf so gut wie alles anwenden kann, was Erwachsenen und/oder linken Kritikern weiterhin stinkt, nachdem ihnen die Argumente ausgegangen sind.
    (Es sei denn… sie wären selbst die Kritisierten, von jemand, den sie so billig nicht abbügeln können. Dann allerdings laufen sie (charakterlich?) zur antiautoritären Hochform auf…)

  237. Mattis
    7. September 2015, 23:16 | #237

    Nach den vielen Worten über Engpässe und Notwendigkeiten will ich zuguterletzt noch was zum oft zitierten „Reich der Freiheit“ sagen.
    Zwar ist es gewiss nicht so, dass für alle Bedürfnisse schon gesorgt ist, wenn jeder einfach das tut, was seinen Neigungen entspricht – gegen ein solche Behauptung erhebe ich Einspruch – aber als Ziellinie ist es ein feine Perspektive, die notwendige Arbeit so umzugestalten, dass sie für jeden eine möglichst ansprechende und befriedigende Qualität erhält.
    Dass wirklich jede Tätigkeit Tag für Tag die schöpferische Entfaltung des Individuums zum Inhalt haben kann, sehe ich aber schon noch in großer Entfernung; noch nicht einmal Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung sind ja permanent kreativ, sondern nur phasenweise, und die meiste Zeit über ist auch für diese eher abwechslungsreichen Sektoren eine Menge Routine angesagt.
    Aber selbst für die Phasen kreativer Entfaltung, wie immer diese aussehen mögen, sind immer auch Voraussetzungen nötig, die irgendwer durch eine Arbeit herstellen muss, die weit weniger spannend ist. Das Notwendige zu tun, z.B. eine Baugrube für ein Forschungsinstitut auszuheben, ist halt nicht immer genauso interessant wie das Forschen selbst. Und auch nach einer kreativen Neuorganisation – z.B. der Müllentsorgung (hallo libelle) – ist dann wieder für eine Weile normale Routine angesagt. Deshalb bietet sich für viele Bereiche ein Rotationsprinzip an, um eine dauerhafte physische oder kognitive Einseitigkeit zu vermeiden.
    Der frühe Sozialist Fourier hat für ansprechende und schöpferische Tätigkeiten den Ausdruck „travail attractif“ (anziehende Arbeit) verwendet. Friedrich Engels hatte in dieser Hinsicht überhaupt eine ziemliche Hochachtung vor den Frühsozialisten Owen und Fourier:

    „Bei beiden beteiligt sich jedes Gesellschaftsglied sowohl am Ackerbau wie an der Industrie; bei Fourier spielen in dieser letztern Handwerk und Manufaktur, bei Owen dagegen schon die große Industrie die Hauptrolle und wird von ihm bereits die Einführung der Dampfkraft und Maschinerie in die Haushaltungsarbeit verlangt. Aber auch innerhalb des Ackerbaus wie der Industrie fordern beide die möglichst große Abwechslung der Beschäftigung für jeden einzelnen, und dementsprechend die Ausbildung der Jugend für möglichst allseitige technische Tätigkeit. Bei beiden soll der Mensch sich universell entwickeln durch universelle praktische Betätigung und soll die Arbeit den ihr durch die Teilung abhanden gekommenen Reiz der Anziehung wieder erhalten, zunächst durch diese Abwechslung und die ihr entsprechende kurze Dauer der jeder einzelnen Arbeit gewidmeten »Sitzung«, um Fouriers Ausdruck zu gebrauchen.“
    (Anti-Düring, MEW 20, S.273)

  238. Alfonsito
    8. September 2015, 06:02 | #238

    Guter Hinweis! Die Frühsozialisten haben auch Überlegungen zur Gesellschaftlichkeit von Erziehung, zur Auflösung der Familie etc. propagiert (weswegen die frühen Schriften von Marx dgl. auch gelegentlich zum Thema hatten). Das Nachlesen bei Fourier ist sehr interessant.
    Die gesellschaftliche Arbeitsteilung wäre insgesamt neu zu organisieren, gleichfalls wäre das Lernen anders zu gestalten, lauter ungelegte Eier, die man auch im Hinterkopf behalten sollte. (Dass man sie jetzt planen könnte oder sollte, meine ich aber nicht. Dergleichen Planung setzt eine kollektive Erörterung, eine Veränderung von Willens- und Bewusstseinslagen eines damit befassten Kollektivs voraus.)
    Eine Revolution ist eben die Entmachtung der Strukturen einer ganzen Gesellschaft – und die Neustrukturierung einer anderen nach ganz anderen Gesichtspunkten.

  239. TomGard
    8. September 2015, 08:30 | #239

    @ Speedy
    Ja, genau. Das ist der Beitrag des „antiautoritären Charakters“, der im Programm der Erziehung eingebaut ist, die darauf zielt, daß ein mündiges Kind / Volk das Reich des herrschaftlichen und privateigentümlichen Sollens verantwortlich ins Reich des Wollens überführt, was ja nur im Streit, ja Kampf mit den Disziplinierungsinstituten geht. „Du brauchst / hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe, das weiß ich schon selbst“.
    (Daß jemand meine Abstraktionen, die im Programm des Threads enthalten sind – um „Sozialismus“ soll es gehen, da ist eine Kritik von Privateigentum, Kapital, Herrschaft unterstellt – in eigene Gedanken, Urteile, Erfahrungen übersetzt, ist das Ziel.)

  240. TomGard
    8. September 2015, 08:45 | #240

    @ Franziska
    es ist nahezu unmöglich, deine auswärtigen Texte nicht hier ‚rein zu ziehen, wenn man dich überhaupt noch adressieren will, weil sie die „Leerstellen“ füllen, um die du hier tief verheuchelt und verlogen (immer noch) ‚drum herum schreibst: Die Utopie(n) DES mündigen, selbstbewußten, selbst bestimmten MENSCHEN. Andere Subjekte willst du allenfalls als Durchgangspositionen gelten lassen und versuchst, diese Sichtweise dem Rest der Leser aufzudrücken, indem du behauptest, die Subjekte meiner Rede nicht identifizieren zu können. Dabei rede ich ausschließlich und immer – das ist jedenfalls mein Ziel – über dich, mich, speedy, mattis, neoprene, alfonsito und alle anderen. Nicht über „Strukturen“ (da sei Parmenides vor).
    Edith: Meine Behauptung bedürfte natürlich eines Nachweises, aber dafür müßte ich mindestens 15k Zeichen Text mit der Überschrift „Franziska“ schreiben, um sie aus deinen Beiträgen hier raus zu pfriemeln. Deswegen die übliche Methode: Wer’s prüfen will, tue das, ansonsten ist es wohl kaum das Thema hier.

  241. libelle
    8. September 2015, 09:24 | #241

    @Mattis – Auch ein Rotationsprinzip ist etwas anderes als die Überführung von Arbeit als Notwendigkeit und Schranke in eine Tätigkeit, die von den Leuten als frei gewählter Zweck ausgeführt wird. Es ist (wie aller Sozialismus) der Versuch einen Kompromiss zwischen den Notwendigkeiten eines Produktionsprozesses, der die Leute eben z.B. einseitig beansprucht, sie physisch beeinträchtigt und den Erfordernissen ihrer Physis zu schließen. Und dieser Kompromiss wird dann – wie im Sozialismus üblich – als Vorschrift, als Rotationsprinzip formuliert. Jetzt konstruiere ich mal so herum wie du: Und was macht dein schöner Plan, wenn viele Leute nicht rotieren wollen? Merkst du, dass die Leute bei dir nur Statisten deines Ideals sind?
    Müll ist nichts weiter als ein (von mir aus stinkender) Rohstoff, der ganz normal aufbereitet und z.B. zu Papier, Gartenerde usw.. weiterverarbeitet oder z.B. verstromt wird. Am Müll ist (neben seiner Zusammensetzung) zunächsteinmal das Bewusstein der Leute dazu zu ändern. Solange die Jungs vom Müll zum gesellschaftlichen Bodensatz gehören, ist das natürlich etwas, das keiner machen will und der (auch nur vermeintliche, bei vielem Müll überhaupt nicht anfallende ) Gestank, das „Dreckige“, das dem Müll anhaftet ist eine Bebilderung des Umstandes, dass er von den untersten Rängen der sozialen Hierarchie verarbeitet wird. Obwohl Arbeiter auf einer Bohrplattform z.B. von Statoil viel verschmutzter werden, gilt diese Tätigkeit im Kapitalismus nicht als dreckig, stinkend. Und was macht unser Sozialist Mattis? Wie alle Sozialisten nichts begreifen, nichts hinterfragen, sondern den Leuten ein gerechtes Verfahren des Umgangs mit ihren Dummheiten vorschreiben.
    Ich stimme Fourier und Owen nicht zu – ich vollziehe ihre Problemstellung nach, halte aber nichts von der Lösung (die ist mir zu sozialistisch).

  242. TomGard
    8. September 2015, 09:33 | #242

    Neoprene
    Mattis hat, wie ich vor einem Tag gezeigt habe (was freilich ignoriert wurde), bewiesen, daß er eine humanistische Kritik an der Ausbeutung pflegt, keine ökonomische (Minderung der Ausbeutungsrate als „Problem“ und „Gefahr“). Das bekräftigte, was er schon vor Tagen sagte, nämlich daß er außerhalb dieses humanistischen Dafürhaltens auch keine Kritik an den Kosten der Freiheit hat, die er auf ein „paar Prozent“ der Gesamtarbeit bezifferte.
    Ja, wenn das nur ein paar Prozent WÄREN, dann WÄRE jeder, der deshalb ’ne „Revolution“ anzetteln WOLLTE, mit all ihrem Leid und Elend (über das hier niemand reden will), klar und eindeutig ein Terrorist – wenn er’s denn ernst meinen täte, vere?
    Und zwar ein Terrorist mit dem Mindset eines feudalen Groß- und Gutmenschen. Einen „absolutistischen Konterrevolutionär“ hätte
    Engels ihn vielleicht (wahrscheinlich) genannt. Oder einen „Volkstümler“ vom Zuschnitt des Großgrundbesitzers Leo Tolstoi.
    Was treibst DU eigentlich hier?

  243. libelle
    8. September 2015, 09:55 | #243

    Ich vergesse immer nur einzustellen, dass TomGard mit vielen seiner Aussagen (nicht die Rants, die finde ich tw. unangemessen) meiner Auffassung nach richtig liegt.
    Dass die Ausbeutung im Mattis-Sozialismus weitergeht, kann man ganz leicht dem Umstand entnehmen, dass die Produzenten bei ihm einen Prozess am Leben halten sollen, der nicht ihrem Interesse entspricht (sondern nur dem, was Mattis davon verstehen will bzw. ihm ablauscht)
    edit: und ich antworte Franziska auch noch, wenn ich Zeit habe. Nur so viel: die Frage, ob ein „autonomer Prozess“ in den Bürgern stattfindet, der sie irgendwann vernünftig macht ist doch auch wieder spekulativ. Solche Prognosen kann ich nicht stellen, weil mir über solche Prozesse nichts bekannt ist. Wir (auch der Gegenstandpunkt, Franziska, dezidierte Antikommunisten wie meine Wenigkeit, TG) sind auf dem Weg hinaus, sehen aber alle miteinander den Ausgang nicht. Und ausser mir streiten sich alle auf dem Weg bis hin zur Unversöhnlichkeit darüber, wie der Teil, den sie nicht sehen verlaufen könnte und leiten ihr heutiges Handeln aus ihren Annahmen ab. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob es einen Weg gibt, den man nicht sieht (wahrnimmt). Gibt es denn z.B. Sterne oder Supernovae, von denen (oder deren Bedingungen, die sie notwendig machen) man absolut nichts wahrgenommen hat?

  244. simply red
    8. September 2015, 11:53 | #244

    Sonst muss ich mich natürlich korrigieren – ja, die Sache mit dem Pech ein produktiver Arbeiter zu sein ist von Marx auch schon festgehalten worden und ich habe nicht erwähnt, dass produktive Arbeit im Kapitalismus diejenige ist, die Mehrwert schafft.

    Wenn das stimmt, dann kann es ja wohl nicht sein, „dass sehr wohl aus einer allgemeinen Vorstellung produktiver Arbeit (Arbeit als Stoffwechsel mit der Natur, produktive Arbeit Anm.) das, was produktive Arbeit im Kapitalismus ist (abgeleitet wird, Anm.) (edit: zutreffender ist vielleicht, dass er diese allgemeine Vorstellung konkretisiert)“. Denn um begrifflich darzustellen, um zu konkretisieren, was produktive Arbeit im Kapitalismus ist, das geht korrekterweise nur, wenn begrifflich berücksichtigt wird, daß der Zweck und die vorherrschenden gesellschaftliche Formen einer bestimmten Produktionsweise, die Voraussetzung derselben geschaffen haben.

  245. libelle
    8. September 2015, 12:13 | #245

    @simply_red – wieder falsch.
    1. Zitat lesen, das ich geschrieben habe (mit Fußnote KI S.195/196). Du verweigerst hier die simple Kenntnisnahme von Tatsachen.
    2. Zusammen geht beides darüber, dass das Gesellschaftliche im Produkt steckt. Produktive Arbeit im Kapitalismus ist welche die Mehrwert schafft, Produktive Arbeit in einer anderen Gesellschaft ist welche, die sowohl stofflich, alsauch gesellschaftlich dort einem gelungenen Arbeitsprozess entspricht.
    edit:
    3. Unproduktive Arbeit in einer vernünftigen Gesellschaft kann es nur zufällig, in dem Sinn geben, dass bei der Produktion etwas schief geht. Es gibt aber keine zur Gesellschaft gehörige Scheidung der Tätigkeiten in produktive und unproduktive.

  246. TomGard
    8. September 2015, 12:43 | #246

    Simply Red
    wenn Du von der Marx-Exegese zurück trätest, fiele Dir wahrscheinlich auf, daß die Unterscheidung produktive / unproduktive Arbeit den Klassenkämpfen um das Staats- bzw. das in der Phase der Herausbildung befindliche bürgerliche Gemeinwesens des Geldes entstammt. Heute nimmst Du praktischerweis Bezug auf die Kostenrechnung der BWL. Hier eine Aufstellung:
    http://www.welt-der-bwl.de/Kostenrechnung
    In den Kostenstellen identifiziert ein Kapitalist bzw. sein Bevollmächtigter diejenigen Kosten, die seinem Kommando unterliegen bzw. an denen er auf anderem Wege (Marktkonkurrenz) „was drehen “ kann, entweder um sie zu mindern, oder ihren Ertragsanteil zu steigern. Von den anderen Kosten versucht er so viel wie möglich in den Raum außerhalb seines Privateigentums auszulagern, die klassischen und vieldiskutierten Beispiele sind Entsorgung und Bildung / Ausbildung.
    Hier kommt das Interesse derjenigen ins Spiel, die ideelle oder herrschaftliche Sachwalter der kostenträchtigen gesellschaftlichen Voraussetzungen der Plusmacherei sind. Sie akzeptieren die Rechnungshoheit der Privateigentümer in Grenzen, die sie ihnen zugunsten eines Allgemeinwohls auferlegen wollen, damit die Scheiße nicht auseinanderfällt. Sie tun das in der Form, daß sie allgemein die Akkumulation der Kapitale zum Maßstab nehmen, aus der sie sich bedienen wollen. Aus dieser Betrachtungsweise stammt der Standpunkt der „unproduktiven“ Kosten oder Leistungen her, die der Sachwalter der Akkumulation gesellschaftlich zu verallgemeinern und zu verteilen trachtet, um sie nach SEINEN Maßstäben produktiv zu MACHEN. Für den Kapitalisten sind alle Kosten produktiv, sonst legte er sie nicht aus. Das Marx-Zitat:

    …so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers.

    sagt deshalb einfach Bullshit. Der Schulmeister ist immer „produktiver Arbeiter“, das erscheint nur anders, weil sich die Kapitalistenklasse aus gleichzeitiger und ungleichzeitiger vorbürgerlicher Produktion kostenfrei bedient und die feudalen Staatswesen ihr im Zuge des Nationbuilding ersparten, Bildung und Ausbildung zu übernehmen. In den USA lief das nicht wenig anders, woher Marx hätte wissen können, daß er Quark redet.
    Aber mehr, und sehr oft eher minder notwendig, war er nicht nur Kritiker des Kapitals, sondern auch der Volkswirtschaftslehre und der populären Debatten im Zuge der Klassenkämpfe. Was dabei herus kam, ist an dieser Stelle vollständig entbehrlich:

    Der Begriff des produktiven Arbeiters schließt daher keineswegs bloß ein Verhältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt ein, sondern auch ein spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich entstandnes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt.

    Was für ein professorales Gewäsch!
    edit: denn ein „Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt“, stempelt natürlich auch den Schulmeister dazu, nicht erst oder nur dann, wenn er in ’ner Lehrwerkstatt ackert.

  247. Krim
    8. September 2015, 13:20 | #247

    „Und ausser mir streiten sich alle auf dem Weg bis hin zur Unversöhnlichkeit darüber, wie der Teil, den sie nicht sehen verlaufen könnte und leiten ihr heutiges Handeln aus ihren Annahmen ab.“ Karl, Alfonsito, TomGard, ich leiten ihr heutiges handeln nicht aus Annahmen ab, weil sie keine Utopien produzieren. Das Ansinnen sich jetzt als Funktionär einer zukünftigen ausgedachten Gesellschaft zu gebärden, wurde von Anfang an kritisiert. Heute hat man es mit einer Welt zu tun, in der 99% der Menschen Kapitalismus wollen, also übt man vernünftiger Weise Kapitalismuskritik. Kapitalismuskritik beruht nicht auf Annahmen oder Vergleichen mit einer zukünftigen Utopie, sondern setzt sich mit mit den wirklichen Resultaten der Eigentumsgesellschaft auseinander und versucht diese zu erklären.

  248. j.
    8. September 2015, 14:27 | #248

    isch griddisiere aba och *jaul*
    „männerbünde“…pfff…
    http://wolfsmilch.blog.de/2015/02/25/fuckultatiefe-tuberei-alte-rechtschreibung-20134465/
    (als ich so alt war wie ihr…
    http://www.youtube.com/watch?v=3W37sguKdlY
    (das is nur die libelle-tour, also on-topic! 😉 ))

  249. simply red
    8. September 2015, 14:31 | #249

    1. Zitat lesen, das ich geschrieben habe (mit Fußnote KI S.195/196). …Zusammen geht beides darüber, dass das Gesellschaftliche im Produkt steckt. Du verweigerst hier die simple Kenntnisnahme von Tatsachen.

    Ich habe dein Zitat gelesen. Und an welche Stelle steht da jetzt was über den Zusammenhang von produktiver Arbeit mit Zweck und gesellschaftliche Formen der kapitalistischen Produktionsweise?

    Produktive Arbeit im Kapitalismus ist welche die Mehrwert schafft, Produktive Arbeit in einer anderen Gesellschaft ist welche, die sowohl stofflich, als auch gesellschaftlich dort einem gelungenen Arbeitsprozess entspricht.

    Ja, und was soll mir das jetzt sagen? Die Differenz produktiv/unproduktiv bzw. produktive/unproduktive Arbeit aufrecht zu erhalten, ist doch sinnlos in einer vernünftigen Gesellschaft. Da wird einfach ein Arbeitsprodukt produziert, und fertig.

  250. 8. September 2015, 14:46 | #250

    Paßt hier auch gut rein:
    Aus einem Blogartikel zum bedingungslosen Grundeinkommen ergab sich bei Facebook eine Diskussion ähnlich wie hier auch
    http://blog-proleter.myblog.de/blog-proleter/art/8619514/Ist-ein-bedingungsloses-Grundeinkommen-eine-sozialistische-Forderung
    Frage: Warum bist du dir denn so sicher, dass arbeitspflicht und geld nach der revolution notwendig sind? das lässt doch darauf schließen, dass der großteil des proletariats von der revolution gar nichts gehalten hat, da sonst die arbeit für den aufbau des sozialismus doch eine selbstverständlichkeit wäre. und dann frag ich mich mit wem du die revolution gemacht hast.
    Antwort: Das ist wieder das alte Ding mit dem GSP: Erfolg einer Revolution setzt halt nicht voraus, dass 99% oder auch nur mehr als 50% derjenigen, die eine Revolution beginnen und tragen, bereits ein glasklares Bewusstsein dessen haben, wie eine fortschrittliche Alternative aussehen kann. Für den Erfolg einer Revolution ist nur Voraussetzung, dass die Bevölkerungsmehrheit die bestehende Ordnung als nicht mehr hinnehmbar empfindet und einer energischen Kraft mit Sympathie begegnet, deren Forderungen sich in mehr oder weniger Punkten mit ihren eigenen klareren oder vageren Sehnsüchten überschneiden. Die bolschewistische Revolution war auch erfolgreich, obwohl sicher über 95% derjenigen, die diese Revolution ausführten, niemals eine Seite Marx, Engels oder Lenin gelesen haben und nur ganz vage Vorstellungen davon hatten, einen Zustand zu wünschen, in dem ihre soziale und materielle Stellung eine bessere und gesichertere werden wird. Natürlich ist wünschenswert, dass möglichst viele die Revolution stützende Menschen in voller Klarheit nachvollziehen, dass eine solche Perspektive nur durch ein sozialistisches Programm möglich ist – aber es ist halt nicht zwingende Voraussetzung, dass alle oder auch nur die Mehrheit derjenigen, die den Sozialismus erkämpfen, auch ein vollentwickeltes sozialistisches Bewusstsein haben. Und selbst wenn es die Mehrheit wäre, die ein solches vollentwickeltes Bewusstsein des sozialistischen Programms und seiner notwendigen Konsequenzen hätten: Wenn nach der Revolution verkündet würde, es bestünde keine Arbeitspflicht bei trotzdem voller Versorgung mehr, wäre es schon ausreichend, wenn 45% oder 35% der Menschen das Arbeiten verweigern, um den Aufbau des Sozialismus unmöglich zu machen.
    Frage: Arbeitspflicht leuchtet mir ja noch ein, aber „finanzielle Anreize“ &#38; Geld überhaupt? Ich meine, wenn deine „sozialistische Revolutionsregierung“ offensichtlich genügend Zwangsgewalt aufbringen kann um Arbeitspflicht &#38; Geld durchzusetzen, wieso dann nicht einfach mit derselben Zwangsgewalt direkt die Arbeitspflicht im nötigen Maß zur Planerfüllung durchsetzen, das Produkt entsprechend verteilen und fertig?
    Antwort: Weil es für die Akzeptanz der sozialistischen Ordnung desaströs ist, wenn mehr Leute als unbedingt nötig zwangsweise zu Arbeiten eingeteilt werden, die sie durchaus nicht machen wollen? Das ließe sich eben durch Lohnstaffelung auf ein Minimum reduzieren: Zwar ein hoher Mindestlohn für alle, aber für Berufe, für die sich zu wenige Leute freiwillig melden, gibt es Zuschläge, bis er so attraktiv wird, dass sich mehr Leute dafür melden und die zwangsweise Einteilung wirklich nur noch ultima ratio im äußersten Notfall ist. Zweitens: Eine sozialistische bzw. auf dem Weg zum Sozialismus befindliche Gesellschaft wird, solange die Revolution nicht auch in allen anderen ökonomisch bedeutenden Ländern eingetreten ist, keine Autarkie erreichen können, also mit seiner kapitalistischen Umwelt Handel treiben und dafür ein Geldsystem brauchen. Drittens: Geld wird in den frühen Phasen der Planwirtschaft als Messinstrument kaum ersetzbar sein, um festzustellen, welche Produkte tatsächlich in welchen Mengen benötigt werden und danach die Produktion auszurichten. Ich kann ja bspw. in einem sozialistischen Europa kaum bei 500-600 Millionen Menschen jeden Monat eine Detailumfrage durchführen, welche Mengen von zehntausend verschiedenen Produkten sie nächsten Monat anzuschaffen gedenken. Preisgestaltung dagegen, testweises Senken oder Heben der Preise, um zu sehen, wie sich das auf den Absatz auswirkt, ist ein gutes Messinstrument, um zu prüfen, ob von einem Produkt genügend, zu viel oder zu wenig hergestellt wurde.
    Kommentar: 1) Ob es die „Akzeptanz“ einer sozialistischen Ordnung nicht viel nachhaltiger zerstört, wenn man den Lohnzirkus den man kritisiert hat &#38; abschaffen wollte wieder aufs Neue einführt möcht ich mal dahingestellt lassen – scheint mir ein müßiges Ratespiel zu sein.
    2) „Arbeiten die sie nicht machen wollen“ machen sämtliche Leute auch in der bürgerlichen Welt, sogar außerhalb ihrer Lohnarbeit. Ob es Hausarbeit ist, die 2-stündige Zubereitung eines Festessens, oder das Abrackern in ehrenamtlichen Projekten für Jugendliche, Flüchtlinge &#38; hastenichgesehen. Wer eine Arbeit als notwendig für ein gewolltes Ergebnis eingesehen hat der macht sich ihre Erledigung auch zum Anliegen – dafür muss man eben agitieren &#38; gleichzeitig dafür sorgen dass (vorerst) mangelnder Agitationserfolg nicht gleich zur Nicht-Erledigung führt (wäre ja bei Kanalreinigung z.B. eher unangenehm) – das geht eben ganz einfach entweder über die pflichtmäßige Heranziehung von Leuten (und zwar jeden möglichst wenig &#38; möglichst alle ein bisschen) oder man hat genügend agitierte Kommunisten die sich dazu erstmal bereit erklären.
    3) Außenhandel: Die Notwendigkeit mit Kapitalisten außerhalb Handel zu treiben schließt doch nicht ein, ein eigenes Geldsystem zu brauchen. Die dort eingeführte sozialistische Währung wäre auf dem Weltmarkt wohl eh halbwegs wertlos, weil hinter ihr keine kapitalistische Wirtschaft steht &#38; man in ihr nicht investieren kann (es sei denn du willst sowas auch einführen trololol).
    Wenn man schon Devisen braucht wärs doch zweckmäßiger direkt dafür Produktionskapazitäten einzuplanen (meinetwegen auch auf Bestellung aus dem Ausland) &#38; sich direkt die Fremdwährung zu beschaffen. Falls das übrigens mit den rumstehenden Fabriken oder auf dem legalen Weg nicht geht, gibt es immer noch einen Geschäftszweig, der a) lukrativ und b) eh illegal ist. Kann ja jeder selber drauf kommen wie sich die FARC finanziert hat.
    4) Messinstrument: Dafür taugt Geld doch überhaupt nicht, weil es eben nicht Ausdruck irgendeines konkreten Bedarfs, irgendeines konkreten Gebrauchswertes ist, sondern die abstrakte Zugriffsmacht a u f allen Reichtum. Nicht nur dass man damit die eigenen Leute zum Schatzbilden motiviert (insbesondere wenn man regelmäßig an den Preisschrauben dreht), es taugt auch gar nicht um festzustellen wo jetzt in welcher Quantität Mangel/Überschuss herrscht. Da mag ein Produkt nicht verkauft werden weil die Leute ihr Geld lieber woanders reinstecken, es aber trotzdem gerne hätten oder weil sie es einfach nicht wollen – wie unterscheidet man das? Dreht man solange an der Preisschraube bis man ein „Ergebnis“ hat? Da scheinen mir monatliche Befragungen ja fast die entspanntere Variante zu sein, wobei
    5) Monatliche Befragungen für sich schon eine lächerliche Vorstellung sind. Der Bedarf der meisten Waren ist doch eh konstant &#38; gut kalkulierbar. Essen, Wasser, Heizung, Wohnungen, öffentlicher Verkehr (meinetwegen auch Autos), selbst die Herstellung &#38; Erneuerung von Produktionsanlagen usw. sind doch locker über längere Zeiträume zu kalkulieren &#38; bei Feststellung leerer Lager zu korrigieren.
    6) Vielleicht lohnt es sich, sich mal klar zu machen was für riesige Arbeitskapazitäten eigentlich frei würden, wenn man diesen Drecksladen tatsächlich mal über den Haufen wirft. Das fängt bei Kassierern an, geht über Versicherungskaufleute, Bankangestellte, Betriebswirte, 75% aller Geisteswissenschaftler und hört bei Managern &#38; Vermieterlobbyisten noch nicht auf.
    Es mutet schon ein klein wenig absurd an, sich ausgerechnet da vorzustellen man hätte mit einem Mangel an Arbeitskräften zu kämpfen. Mit deren Willen, meinetwegen. Aber dann ist man halt vor die Aufgabe gestellt die für sein Projekt zu agitieren, was man zu einem gewissen Teil ja eh schon geleistet haben muss, sonst wird das schwer mit dem Revolution-machen, so ganz ohne Kommunisten.

  251. libelle
    8. September 2015, 14:47 | #251

    @Krim

    Heute hat man es mit einer Welt zu tun, in der 99% der Menschen Kapitalismus wollen, also übt man vernünftiger Weise Kapitalismuskritik.

    Weil 99% der Leute in ihrem Leben mal Sex haben oder sich mal in den Schatten setzen kritisiere ich das nicht zwingend. Der von dir benannte Grund ist nur schlüssig, wenn du a) nicht mit dem Inhalt des Willens der 99% (Kapitalismus) einverstanden bist und wenn du b) ein positives Interesse an ihren Willensinhalten hast (bei dem es wahrscheinlich darum geht, dass du nur mit ihnen zusammen deinen Kommunismus machen kannst).
    Und das erscheint allen Menschen, die agitieren logisch, ist aber leider verkehrt. Sie halten eine andere gesellschaftliche Praxis für angebracht, entdecken die anderen als notwendige Voraussetzung dafür und versuchen sie umzustimmen.
    Das hat zunächst einmal Konsequenzen für die Agitatoren. Für die ist nämlich die Zeit freier Erkenntnis d.h. der Reflexion darüber was ihre Interessen sind wie die in der Welt vorkommen, welche Perspektive ihnen ihre Interessen vorgeben etc… vorbei. Ihr Leben sieht, wenn sie ihrem Zweck sachgerecht nachgehen ganz anders aus. Wegen der in keinerlei sachlichem Verhältnis zu ihren Möglichkeiten stehenden Aufgabe, die sie sich gestellt haben (nämlich den Inhalt des Willens der Gesellschaft zu ändern), ist das so ziemlich das einzige Interesse, das ihnen bleibt d.h. sie verschreiben sich diesem Zweck und alles andere wird mehr oder weniger zu einer Art Abwechslung davon oder zur Last dafür. Man kann natürlich herumlaufen und hier und da mal äußern, dass man vor hätte durch Kapitalismuskritik die Gesellschaft zu ändern und diesen Zweck als Freizeitspaß betreiben – das ist aber dann gleichbedeutend mit seiner Aufgabe. Sich nämlich ein Ziel zu setzen, das die eigenen Möglichkeiten komplett übersteigt (also für sich schon größenwahnsinnig ist) und es dann nur mit halber Fahrt anzusteuern macht das Ziel zu einer ziemlich unernsten Angelegenheit.
    Selbst, wenn man dann konsequenterweise sich der Änderung der Gesellschaft durch Kritik verschreibt, ist es immer noch kein richtiges Interesse. Um das festzustellen, reicht es dieses Ziel mal mit den Dingen zu vergleichen, die man sonst so als Interessen fasst: Einen Film zu sehen, ein Buch zu lesen, eine Reise zu machen, eine Sprache zu lernen usw… All diese Dinge haben es an sich, dass sie innerhalb der eigenen Möglichkeiten liegen. Wenn man ins Kino will, fährt man hin, kauft sich eine Karte, Popcorn und Cola und los geht’s. Nach 2 Stunden ist das Bedürfnis im Sack. Beim Lernen einer Sprache dauerts länger usw… Aber immer ist der Zweck endlich und man hat seine Verwirklichungsbedingungen unter Kontrolle. Also sind „für den Kommunismus kämpfen“ und „die Gesellschaft durch Kapitalismuskritik ändern“ schon mal keine richtigen Interessen. Was machen die Leute daraus, die sich dem Zeug verschreiben? Sie fassen Interessen die mit dem großen Ziel verträglich bzw. (eingebildete) Teilschritte dazu darstellen. Z.B. fassen sie – steter Tropfen höhlt den Stein – das Interesse ihren Nachbarn zu überzeugen und freuen sich, wenn sie es geschafft haben und der Nachbar ihren Größenwahn übernommen hat und sich seinerseits endliche Dinge vornimmt, die vermeintlich in irgend einem Verhältnis zum großen Ziel stehen. Dass das Überzeugen des Nachbarn tatsächlich etwas mit der Verwandlung des Kommunismus von der ewigen Morgenröte am Horizont zum heraufziehenden gesellschaftlichen Tag zu tun hat, ist dabei die Einbildung, mit der sich Kommunisten die Gewissheit verschaffen doch in überschaubaren, endlichen Teilschritten am großen Endziel zu arbeiten. Und das ist „der Kommunismus“ (bzw. ein wesentliches Moment davon, die anderen habe ich schon in anderen Beiträgen erklärt). Kommunismus ist also keine Gesellschaft, in der irgendwie nach anderen Regeln produziert würde, sondern es sind ein paar Hanseln – je nach Konjunktur auch ein paar mehr – die sich einbilden zu ihrem größenwahnsinnigen Unterfangen endliche Beiträge liefern zu können. Frage zum Verständnis: War nun das TeachIn von Karl Held zurm Rassismus ein endlicher Beitrag dazu die Gesellschaft durch Kapitalismuskritik zu ändern, sind eure Beiträge hier ein endlicher Beitrag dazu? Diese Fragen sind nicht beantwortbar – was nichts anderes als den Schluss nahelegt, dass ihr an dem Projekt – Kapitalismuskritik zu üben um die Gesellschaft zu ändern überhaupt nicht arbeiten könnt. Deshalb (ich habe jetzt keine Zeit mehr) ist dieses ganze „um zu“, die Vorstellung die Kritik wäre ein Beitrag zu etwas Größerem einfach Spinnerei.
    Und an der Stelle ist festzuhalten, dass das Projekt „durch Kapitalismuskritik die Gesellschaft ändern“ (und womöglich noch: „etwas für die eigenen Interessen tun“) zwangsläufig in den Wahninn führt, lauter dämliche Übersetzungen ins Endliche nach sich zieht.
    So wirkt sich Größenwahnsinn im Endlichen aus – man fasst verrückte Zwecke und täuscht sich über das, was man tut. Die Abteilung, die dann auch bei der Auswahl der Gegenstände mit denen man sich befasst Schaden anrichtet und die dann dazu führt, dass man sich vom Anspruch der Stimmigkeit verabschiedet habe ich schon öfters ausgeführt.
    Das obige ist keine Zurückweisung von Kritik – sondern die Kritik einer Kritik aus falschen Gründen! Auch ich über ja Kritik, nur begründe ich die ganz bestimmt nicht damit, dass ich „die Gesellschaft“ ändern will, sondern das, was ich von dieser Gesellschaft weiß, lässt mich nur kritisch an ihr teilhaben (und lässt mich nur kritisch mit Kommunisten reden usw…) Und ich mache das gern, ich leide da nicht drunter, sondern das befriedigt z.B. mein Erkenntnisinteresse, bringt mir Fragestellungen, deren Bearbeitung mir Spaß macht etc….

  252. 8. September 2015, 15:17 | #252

    Von TaP aus einer weiteren Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen:
    „* Wenn die Profite, soweit sie nicht eh re-investiert werden – also der Luxuskonsum der herrschenden Klasse, für die Verteilung zur Verfügung stünde, ließe sich der Umfang des faktischen Arbeitszwangs und folglich auch seine juristische (sozialadministrative) Implementierung reduzieren. Allerdings wage ich mal zu vermuten, daß der Luxuskonsum in der BRD, auf 80 Mio. Leute verteilt, nun auch nicht besonders ins Gewicht fällt – wenn der Trikont davon etwas abbekommen soll, noch weniger.
    * Außerdem dürfte eine erfolgreiche Revolution (über nicht weniger reden wir in diesem Kontext!) bei einer ganze Reihe von Leuten zu soviel Enthusiasmus führen, daß sie auch unabhängig von ökonomischem und juristischem Arbeitszwang arbeiten. Für Konterrevolutionäre und Indifferente, mit denen auch zu rechnen ist, dürfte das allerdings nicht gelten.
    * Und schließlich ist zu hoffen, daß es einer post-kapitalistischen Gesellschaft gelingt, Arbeitsinhalte und -organisation deutlich attraktiver zu gestalten, als dies unter der Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise der Fall ist und im ‚Real’sozialismus der Fall war.
    Trotzdem bleibt für jede Gesellschaftsform wahr, daß Arbeit und Freizeit/Spiel zweierlei Dinge sind:
    „Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit.“
    (Karl Marx, Das Kapital. Dritter Band, in: MEW Bd. 25, 828 – meine Hv.)
    Auch eine post-kapitalistische Gesellschaft wird zumindest vor zwei realen Schwierigkeiten stehen, die sich nicht einfach idealistisch überspringen lassen:
    1. Die von den Individuen präferierten Arbeiten und die den Individuen zur Verfügungen stehenden Qualifikationen und die Konsumwünsche der gleichen Individuen müssen – wenn denn nicht jedeR seiner/ihrer privaten Subsistenzproduktion überlassen werden soll – im gesellschaftlichen Maßstab koordiniert werden. Wahrscheinlich werden weiterhin mehr Leute Schlagzeug und Fußball spielen als Klo putzen und Spargel stechen wollen. Daß aber auch eine kommunistische Gesellschaft nicht nur aus Leuten bestehen kann, die allein dafür ernährt werden, daß sie schön Fußball spielen oder schön Musik machen, ist ebenfalls klar. Für eine längere Übergangszeit wird das Problem vom Kapitalismus ‚ererbter‘ Arbeitsteilungs- und Bildungsstrukturen bestehen; und wahrscheinlich wird auch eine fortgeschrittene kommunistische Gesellschaft Marx‘ Utopie nicht realisieren können, daß alle Leute je nach Lust und Laune, morgens Radieschen ernten (das Fischfangen [MEW 3, 33 – Deutsche Ideologie] wird vielleicht wegen der VeganerInnen abgeschafft), mittags Symphonien komponieren und abends schöne, funktionale, barrierefreie Web-Seiten programmieren, am nächsten Tag Gedichte schreiben, die Kontrollmonitore des fahrerInnenlosen U-Bahnsystems überwachen und ggf. eingreifen und schließlich Nieren transplantieren.
    2. Jeder Arbeits- und Planungsprozeß bedarf, wenn er effektiv sein soll, mehr als ein als Minimum an Selbstdisziplin. Wer/welche sich heute zu bestimmten Schichten Arbeit verpflichtet, um nächstes Jahr in Australien zu urlauben, kann sich nicht einbilden, daß es ein verallgemeinungsfähiges Prinzip sei, wenn er/sie in drei Wochen die Schichten wieder absagt, weil Wildschweine in der Lüneburger Heide und nicht arbeiten doch attraktiver ist als Känguruhs in Australien gegen Arbeit.“

  253. Mattis
    8. September 2015, 16:11 | #253

    Nachdem also neben meinen Herrschaftsgelüsten auch noch meine tiefe Sorge um ein Sinken der Ausbeutungsrate schonungslos entlarvt wurde, bleibt nun doch einige Verwunderung über diese wirkliche seltene Koalition, die sich da zusammengefunden hat – und die sich übrigens nicht für 5 Minuten auf irgendwas einigen könnte außer im Negativen gegen mich.
    Da wird aus einem Teil meines Sozialismus-Konzepts, nämlich der Beschränkung des individuellen Konsums zugunsten der allgemeinen Aufgaben, ein Riesendrama von Gewalt und Knechtung gemacht, groteskerweise von denselben Leuten, die – abgesehen von ein paar zugestandenen Grundbedürfnissen – keine Gelegenheit auslassen, weitergehende Bedürfnisse mal kurzerhand mit Prädikaten wie Status, Protz und Fetisch abzukanzeln.

  254. Alfonsito
    8. September 2015, 16:18 | #254

    Lohnarbeit …
    „… ist so ziemlich das einzige Interesse, das ihnen bleibt d.h. sie verschreiben sich diesem Zweck und alles andere wird mehr oder weniger zu einer Art Abwechslung davon oder zur Last dafür.“
    So beschreibt libelle die Selbstzerstörung, die ein Lohnarbeiter im Regelfall aushalten will und muss, weswegen er sich notwendig reichlich viele Interessen abschminken muss – was man dann an den Fällen von Burn-Out besichtigen darf. Auch das merkwürdige Faktum, dass die Ehefrauen jammern, wenn ihnen der Alte als Rentner 24 Stunden lang lustlos im Hause herumhängt, auch dies eine der Schönheiten hiesiger Lohnarbeit.
    Dass solches Verhältnis nicht die Lohnarbeit kennzeichne, sondern das Verhalten von Kommunisten, die sich angeblich derart ‚borniert‘ verhielten – das glaubt nur libelle – in seiner eigenen einfältigen Borniertheit…
    (Soll jetzt dein Fußballspielen größere wahre Individualität versprühen als mein Chorgesang oder Spanischkurs? Oder umgekehrt? – Du wälzt vielleicht komische Probleme…)

  255. j.
    8. September 2015, 16:42 | #255

    ähhm, alfonsito, da isn h zuviel 😳 in der klammer !
    (editha: und natürlich groß W,dann brauchts kein „größere“-s)

  256. TomGard
    8. September 2015, 16:48 | #256

    Mattis

    außer im Negativen gegen mich

    Laß mich da ‚raus, ich kenn‘ dich nicht und hab das „Mattis-Modell“ mit dem Tolstoi-Vergleich ja nicht eben nieder gemacht.
    Aber:
    Wenn du weiterhin von
    ALLGEMEINEN AUFGABEN
    redest und mit

    – abgesehen von ein paar zugestandenen (??) Grundbedürfnissen –

    abfällig von erarbeitetem Reichtum, dann bau ich mich mit 170 cm Länge vor dir auf und sagte mit der vollen Körperspannung eines Adrenalinstoßes:
    „Alter, willst du auf’s Maule, oder was, Kerle!“
    Das Reden hört da auf, wo Spießer (und damit meine ich nicht nur Libelle), die Angst vor den Arbeitern (und überhaupt der Mehrheit der Menschen) haben, und sie tief verachten, sich glücklich und zufrieden von der Polizei beschützt und dem Militär gesichert fühlen.

  257. j.
    8. September 2015, 16:55 | #257

    ohohoh, 1,70 🙄
    nuja, ma schrumpfen alle mal… 🙄
    (edit: sorry, zwei tage urlaub nun … tja, sowas muß „dannmal“ auch geregelt werden, oder? )

  258. franziska
    8. September 2015, 17:15 | #258

    @TG nun die Mehrheit der Leute hat, wie mir scheint, Angst vor „den Andern“, und sie verachten leider nicht grad wenige, sehr oft auch sich selbst.
    ——————–
    Das Traurige, @Alfonsito, ist: dass eine unterstellte „Delegitimierung auf spätem DDR-Niveau“ womöglich garkeinen Unterschied macht; die Annahme, warum das so sein könnte, habe ich angeführt: Es gibt soviele möglich erscheinende Auswege – verschiedene für höchst unterschiedene Leute und Gruppen, Minderheiten unter ihnen (die – in sich komplett zerstrittene – nicht-staatssozialistische radikale Linke ist nur eine unter ihnen – selbst wenn man die mitzählt, die ihr „folgen“ würden…). Von solchen fundamental-oppositionellen „Milieus“ gibt es zuviele, und sie haben keins mit dem andern zu schaffen, sie kommen ja allesamt kaum mit sich selbst zurecht.
    DARAN ist (leider) erstmal niemand schuld, den man, als Verantwortlichen, oder als „die verantwortliche Ursache“ ausschalten, abschaffen, loswerden könnte.
    Es ist vielmehr (ich sage dazu: Ungleichzeitigkeit) Ausgangspunkt, Voraussetzung, mit der wir alle konfrontiert sind und irgendwie zurechtkommen müssen; so wie mit dem ganzen Ausmass an Natur-Zerstörung, -Beschädigung, die die so grossartig „produktive“ globale Industrie angerichtet hat.
    edit: letzter Absatz @Krim wg zuviel unausgegoren, unbelegt und unausgeführt Behauptetem gestrichen.

  259. Karl
    8. September 2015, 17:23 | #259

    „Einen Film zu sehen, ein Buch zu lesen, eine Reise zu machen, eine Sprache zu lernen usw… All diese Dinge haben es an sich, dass sie innerhalb der eigenen Möglichkeiten liegen. Wenn man ins Kino will, fährt man hin, kauft sich eine Karte, Popcorn und Cola und los geht’s. Nach 2 Stunden ist das Bedürfnis im Sack. Beim Lernen einer Sprache dauerts länger usw… Aber immer ist der Zweck endlich und man hat seine Verwirklichungsbedingungen unter Kontrolle.“
    Hm, wenn es „innerhalb der eigenen Möglichkeiten“ liegt, sich Filme, Bücher, Reisen und Sprachkurse zu kaufen, wie kann es dann überhaupt sein, dass Leuten das Geld dafür fehlt? Das Reich der Möglichkeiten ist ein Märchen und wird deswegen auch so erzählt. Waren wie Cola dienen offensichtlich einem ganz anderen Zweck als bloß den Durst zu stillen: Cola wird produziert, um daraus ein Geschäft zu machen und am Durst weltweit zu verdienen – ein solches Interesse liegt weit außerhalb der Verwirklichungsbedingungen von Nicht-Milliardären. Dass der Mensch seines Glückes Schmied sei, scheint eine passende Ideologie dafür zu sein, auf die Kontrolle stolz zu sein, unter der man steht: „Geh isch Cola kaufen, hab isch selbst entschieden“ – das Bedürfnis, sich unendliche Zwecke anderer auszudenken, um sie daran zu blamieren, scheint übrigens auch nicht endlich zu sein, leider ist es trotzdem ein Interesse, eben das unendliche libelle-Interesse an Ideologieverbreitung.

  260. Krim
    8. September 2015, 18:01 | #260

    „ist aber leider verkehrt.“ Warum?
    Du tust so als würde die Kapitalismuskritik von Kommunisten aus einer fixen spinnerten Idee folgen. „Sie halten [halt] eine andere gesellschaftliche Praxis für angebracht,“ Als wäre der Kapitalismus nicht ganz objektiv kritikabel, als würde er den Leuten nicht das Leben versauen.
    „Wegen der in keinerlei sachlichem Verhältnis zu ihren Möglichkeiten stehenden Aufgabe“ Das ist ja absurd. Um Argumente unter die Leute muss man bloß das Maul aufmachen oder ein paar Tasten drücken. Möglichkeiten und Aufgabe passt ganz gut.
    “ Sich nämlich ein Ziel zu setzen, das die eigenen Möglichkeiten komplett übersteigt“ Wenns dir grad passt, dann mimst du den ideologischen Trottel. Ja was macht man wohl bei Aufgaben, die man alleine nicht hinkriegt? – Man sorgt dafür, dass man nicht mehr alleine ist. Gibt’s da nicht ein Lied: „Was wir alleine nicht schaffen Das schaffen wir dann zusammen“ So einfach ist das.
    „All diese Dinge haben es an sich, dass sie innerhalb der eigenen Möglichkeiten liegen.“ Wenn es prinzipiell so unmöglich ist, dass sich Leute für einen Zweck zusammentun, warum schaffen das dann hundsnormale Bürger? Dir ist auch noch das blödeste Argument recht, wenn du es für die Gegenagitation für tauglich hältst.
    „Aber immer ist der Zweck endlich“ LOL – während kommunistische Agitation unendlich ist.
    „Also sind „für den Kommunismus kämpfen“ und „die Gesellschaft durch Kapitalismuskritik ändern“ schon mal keine richtigen Interessen.“ ROFL –
    weil die Interessen dir nicht passen sind es schon gleich gar keine.
    „Dass das Überzeugen des Nachbarn tatsächlich etwas mit der Verwandlung des Kommunismus von der ewigen Morgenröte am Horizont zum heraufziehenden gesellschaftlichen Tag zu tun hat, ist dabei die Einbildung, „ Wieso ist das eine Einbildung? Für den Kommunismus braucht es Leute mit kommunistischem Bewusstsein als Voraussetzung, also hat es etwas wesentliches mit der Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft zu tun. Dass du die Leute, die agitieren am Erfolg blamierst, ist bloß deinem Antikommunismus geschuldet.

  261. j.
    8. September 2015, 19:36 | #261

    nuja, s bleibt „dabei“ :
    jana
    02. Mai 2015 um 21:48 Uhr
    weißte libelle, …
    -wenn „man“ aufhört zu „meinen“ (glauben, davon überzeugt zu sein), daß es um eine/n nur so von gelegenheiten wimmelt (oder es zumindest welche gäbe), die zu ergreifen wären, um ein „angenehmes leben“ leben zu können , is das ne wahnsinnige ent-lastung…
    -wenn „man“ aufhört zu suchen, was an einer/m da so (psychisch oder denkleistungstechnisch oder glaubenstechnisch vielleicht zb) „verkehrt“ is, daß man immer wieder (da bei sich gesucht: an sich) scheitert, dann kann man schon n bissel was (auf-)finden, was da so (miteinander) verkehrt (konkurrenz) und auch das is ent-lastend, da einer/m so einiges konkurrieren um… nicht mehr recht vernünftig erscheint und mans halt seinläßt, oft mit verdutztem gegenüber…
    -wenn mans mal seinläßt, am „richtigen wertesystem für alle“ zu grübeln, am „richtigen weltbild“, am „richtigen menschenbild“, am …usw und einer/m klarwurd, wozu nicht nur das „richtig-..“, sondern „werte“ und „der mensch“ und „utopie“ undundund „taugt“, dann kann man sich diese „arbeit“ ersparen, nuja, auch ne entlastung…

    (und ja feindschaftserklärungen entlasten ebenfalls, dich offenbar nicht, da du sie zwar ständig hier „tätigst“, aber (da sie nicht angenommen werden von den meisten hier?) irgendwie hunderttausendmal wiederholen mußt…warum?
    klar, wenn man an leuten hängt „irgendwie“ (jupp, auch ich hab da einige), dann hängt man an denen halt und ja, auch da wird ne offen zutage getretene feindschaft auch mal ausgesprochen, vielleicht auch nochmal wiederholt, aber nuja, ich häng an diesen leuten „irgendwie“ und hab dann halt weniger mit ihnen direkt zu tun, also muß ihnen auch nicht beständig das einander-feind mitteilen…ja, das is dann eher belastend, aber s läßt sich „tragen“, weil (siehe oben) n haufen „arbeit“ liegengelassen wird…
    das isn sehr großer haufen und wie ichs verstanden hab, kennst du den loszuwerdenden haufen zu verrichtender (einrichtens)arbeit, also bist du wer, der mir zb diese arbeit aber abverlangen will, da du dich permanent dagegen aussprichst, daß leuts -so also auch mir- beim sich-vorlegen all der zu verrichtenden tätigkeiten (an sich selbst) geholfen wird… und klar brauchts hilfe und ja, „et hilft schon im janz falschen“, das is wie von vollzeitakkord auf nen fünfstundenarbeitstag umsteigen…klar, „weg“ is damit nichts, aber „weniger“ und „man“ hat „kapazität“, andren beim „sich was vorlegen wollen“ zu helfen und … irgendwann… öhhm, naja…usw 😉 )
    gutnacht
    wie zugegebenermaßen auch das:
    2015-05-09 @ 22:07:18
    (
    blöd is halt, daß, wenn man sich dannmal was „ausm kopp schlägt“, es sich nicht wieder reinhaun läßt…naja und da is das einzige, was man tun kann, andre damit zu „beglücken“, wieviel (nicht-„ent-lohnte“) arbeit „gespart“ wird (als nicht verrichtet liegenbleiben kann)…naja, … „eigennützig“ eben, wohl oder übel, da „uneigennützig“ gebot ist …
    lg

  262. franziska
    8. September 2015, 20:04 | #262

    @TG: Ausgerechnet der von dir, nicht mir, oben verlinkte Text hebt an mit der ausdrücklichen Richtigstellung („das ist nicht gemeint, wenn hier von Selbstbestimmung die Rede ist“) des FALSCHEN Eindrucks, den du hier
    http://neoprene.blogsport.de/2015/08/28/butter-bei-die-fische-r-mats-zur-debatte-um-einen-neuen-sozialismus/#comment-118044 davon zu verbreiten suchst.
    Das war der zweite Fall einer krass unwahren Behauptung über angeblich von mir Geschriebenes. Soviel zu: „verlogen“.
    Und klar, die Subjekte deiner Rede sind wir, soviel zu „verheuchelt“. (Wen wunderts, Parmenides („dasselbe ist Denken und Sein“) ist dein Hausheiliger.)
    Und alle zurück im Hickhacksumpf.
    Ich bin dann mal weg.

  263. libelle
    8. September 2015, 20:40 | #263

    Das Reden hört da auf, wo Spießer (und damit meine ich nicht nur Libelle), die Angst vor den Arbeitern (und überhaupt der Mehrheit der Menschen) haben, und sie tief verachten, sich glücklich und zufrieden von der Polizei beschützt und dem Militär gesichert fühlen.

    @TG – es steht noch schlimmer um mich als du es auszusprechen wagst: Ich habe nicht einfach nur Angst vor den Arbeitern, was mich wie jeden ganz normalen Spießer dazu bringen würde die Tage um den ersten Mai in einem Winkel meines Kellers zu verbringen und möglichst nicht aufzufallen, sondern bei mir liegt der Fall so schwer, dass ich nicht einmal etwas von meiner Angst vor den Arbeitern weiß! Man könnte (vermutlich, ich weiß ja nichts davon) also in meinem Fall davon ausgehen, dass ich so viel Angst vor den Arbeitern habe, dass ich sie schon gar nicht mehr merke. Das ist schon ’ne schwere Krankheit, die ich mir da geholt habe.
    @Karl – Du warst also noch nie im Kino, hast immer durstig vor dem Getränkeautomaten im Kino gestanden, sprichst keine Fremdsprache. Dann sind solche Bedürfnisse für dich natürlich genauso weit entfernt von deinen Möglichkeiten wie der Kommunismus. Da du nur von Regenwasser zu leben scheinst, nimm halt die Methoden, mit denen du dein Cenote auf einem entsprechenden Füllstand hälst. Du schlägst ein Loch in den Felsen, machst einen Überlauf und wartest auf Regen, der offenbar rechtzeitig gefallen ist, sonst könntest du hier nichts schreiben.
    Was ist der Unterschied beider Zwecke? (die Gesellschaft durch Kritik ändern und deinen Regenwasservorrat auf Vordermann halten)?
    Den ersten Zweck kannst du nicht verwirklichen, den zweiten ganz offensichtlich schon. Beim zweiten bist du Subjekt, beim ersten nicht. Und deshalb ist es verkehrt den ersten zu verfolgen (so zu tun, als könne man das, als hätte man da eine Methode, wie das ginge, als könne man auch nur eine seiner Bedingungen herstellen).
    Das bedeutet nicht (habe ich ja geschrieben), dass man die Kritik an dieser Gesellschaft, wie man sie hat nicht übt, sondern das bedeutet, dass das Dienstverhältnis, in das man die Kritik zu diesem Zweck stellt genauso verkehrt ist, wie auch die Erwartung zu hegen, dass Kritik das leisten könne. Deshalb ja meine Verständnisfragen: Welchen Beitrag haben die TeachIns von Karl Held für den Kommunismus geleistet? Welchen Beitrag leisten eure Beiträge hier? Ihr könnt diese Fragen nicht beantworten und das ist gleichbedeutend damit, dass man an der Herstellung des Kommunismus nicht arbeiten kann, ohne sich etwas vorzumachen, ohne irgendwelchen Tätigkeiten zuzuschreiben sie hätten etwas damit zu tun.
    Deshalb ist der Grund, warum man die Kritik äußert (nicht, warum man sie hat) ein anderer. Und es gibt falsche Gründe sie zu äußern (und zu entwickeln). Und dazu zähle ich eure.

  264. Mattis
    8. September 2015, 20:52 | #264

    @TomGard

    „Laß mich da ‚raus, ich kenn‘ dich nicht“

    Ich bezog mich auf das, was du hier veröffentlicht hast, und du hast dich auf das bezogen, was du von mir hier lesen konntest. Das ist ne ganze Menge, da braucht man nicht mehr, das Urteil über das Geschriebene würde sich nicht ändern.

    „Wenn du weiterhin von
    ALLGEMEINEN AUFGABEN
    redest und mit
    – abgesehen von ein paar zugestandenen (??) Grundbedürfnissen –
    abfällig von erarbeitetem Reichtum, dann bau ich mich mit 170 cm Länge vor dir auf und sagte mit der vollen Körperspannung eines Adrenalinstoßes:
    „Alter, willst du auf’s Maule, oder was, Kerle!“
    Das Reden hört da auf, wo Spießer (und damit meine ich nicht nur Libelle), die Angst vor den Arbeitern (und überhaupt der Mehrheit der Menschen) haben, und sie tief verachten, sich glücklich und zufrieden von der Polizei beschützt und dem Militär gesichert fühlen.“

    Bist du paranoid oder nur cholerisch? Sich über Bedürfnisse abfällig zu äußern, war jedenfalls nicht mein Part.
    Du spielst ein intellektuell unredliches Spiel, bewegst dich immer auf die Gegenseite deines Kontrahenten, um immer obenauf zu sein, aber das Argumentieren wird dabei immer fahriger und wird ersetzt durch martialisches Drüberwegformulieren – und durch Drohungen. Das war nicht das erste Mal, ich bin mit dir fertig.

  265. Alfonsito
    8. September 2015, 21:00 | #265

    @ libelle
    Wie lachhaft ist das denn?
    Sich in einem kommunistischen Blog als aufrechter Bürger zu outen?
    Das ist ja wirklich wahnsinnig interessant.
    Und die Komik an deiner Zweckhaftigkeitslogik fällt dir nicht mal selber auf?

  266. j.
    8. September 2015, 22:02 | #266

    -edith:is abgeschnitten worden, also besser ganz lösch nun-

  267. Karl
    8. September 2015, 22:04 | #267

    @libelle
    „Welchen Beitrag leisten eure Beiträge hier?“
    Na, das ist einfach: momentan leisten meine Beiträge Aufklärung über deine Ideologie. Dass ich DIR damit keinen Dienst erweise, stimmt. Du willst das Internet mit deinen Bekenntnissen ja glauben machen, dass es sich bei Gesellschaftskritik um ein wahnhaftes Vorhaben handeln muss. Kein sonderlich geistvolles Argument übrigens, deine Kritiker in die Anstalt zu schicken.
    Aber bemerkenswert, ist die direkte Wendung in einunddemselben Absatz: der beginnt mit dem Vorwurf, es handle sich bei Kapitalismuskritik um ein Dienstverhältnis, um postwendend Dienstbarkeit abzufragen. Das entlarvt übrigens all dein Getue als Heuchelei – da solltest du dich mal beraten lassen oder dir ein anderes Umfeld suchen.

  268. TomGard
    9. September 2015, 09:00 | #268

    @ Mattis
    An der Schwelle zur Prügelei zu stehen, kann – muß aber nicht – jemanden lehren, ein Gegenüber WAHR zu nehmen (von Wahrnehmung), ohne zwischenziehen staatlicher Institute speziell oder herrschaftlicher Institute (Recht, Moral) allgemein. Lehren, davon zu lassen, dies Gegenüber nurmehr als einen Exponenten solcher Institute zu behandeln.
    Falls solche Lehre stattfindet, führt das zwar nicht zwingend gleich auf solch „bahnbrechende“ Erkenntnisse wie
    „Ich bin du“
    oder
    „Wir teilen alle DIESELBE herrschaftlich verfaßte Individualität“
    aber es reichte ja auch erstmal der Schritt, zu bemerken, daß
    allgemein ungleich abstrakt
    abstrakt ungleich politisch
    Zum Beispiel an dem Trumm „Grundbedürfnisse“. Sakra Heini, geht es da um Essen, Trinken, sich kleiden, sich betten usf. oder etwas anderes? Sind diese Bedürfnisse „allgemein“, „abstrakt“, „politisch“ („zugestanden“) oder ja oder nein oder was, und wenn ja oder nein, W I E sind sie das eine oder das andere (nicht)??
    Ist „Sicherung der Grundbedürfnisse“ eine „allgemeine Aufgabe“ oder eine „persönliche Aufgabe“? Wie ist es dann überhaupt (k)eine „Aufgabe“? Was sind Identität und Unterschied von Kooperation und Koordination, zwischen Kommando und Befehl, zwischen Gehorsam und Gefolgschaft?
    Du weißt anscheinend nichts, gar nichts und wieder nichts als nur das eine: Im Verhältnis von Privatem und Politischem hat das Politische das Primat (zu haben). Du bist entweder Kommandeur oder Kommandierter. Mit dir ist Staat zu machen, aber keine andere Gesellschaft, als Tischgesellschaft unter Einhaltung der „guten Sitten“, die der Schutzmann in Rufweite garantiert.

  269. TomGard
    9. September 2015, 10:41 | #269

    Noch ein Letztes.
    Wir schreiben hier unter einem Eintrag, der mit folgendem Zitat beginnt:

    „Eine nach(?)revolutionäre Gesellschaft(??) soll den Kapitalismus ablösen, und der ist eine Produktionsweise. Deshalb gehört zu einer Debatte um (?)einen neuen Sozialismus(??) auch die (!) Frage, wodurch (!) der (!) Kapitalismus denn (!) eigent(!)lich ab-zu-lösen (??!!) ist (!).

    Eine Debatte, die da nicht jeden Satzteil fraglich stellt, ist von vorn herein für die Katz – deshalb ein logisches Verscheiden des Stranges.
    :bye:
    PS.: Eines habe ich noch vergessen. Wenn Marx Sentenzen über „Reich der Freiheit“ und „Reich der Notwendigkeit“ stimmen täten (die eine merk-würdige Ähnlichkeit zu libelles Begriff von „Zweck“ aufweisen), dann wäre die Menschheit immer eine Unter- oder Obergattung der Bonobos geblieben.
    Er war und blieb halt ein Patriarch.

  270. max beer
    9. September 2015, 10:51 | #270

    Im Kommunismus wird es allen Arbeitenden besser gehen als jetzt. (Der eine will mehr Schnitzel, der andere mehr Sushi, niemand will Angst haben, morgen zum Sozialfall zu werden.) Deswegen werfen sie auch die Gesellschaft um. Dass man inzwischen locker eine Super-Planwirtschaft (= Gebrauchswertproduktion) per EDV auf die Beine stellen könnte, geben sogar Oberfinanzspekulanten zu. Siehe Dietmar Dath (noch einmal – wie in Posting 1):
    http://www.youtube.com/watch?v=ZUNs-gWHa7Q
    Ab 4:22

  271. Alfonsito
  272. 9. September 2015, 14:17 | #272

    Alfonsito hat hier unter anderem auf einen alten Vortrag von Konrad Hecker von der damaligen Marxistischen Gruppe aus 1987 „70 Jahre Oktoberrevolution – Der Weg der KPdSU – Von der Verwirklichung einer Kritik an Staat und Kapital zum Bekenntnis, keine Revolution mehr zu wollen“ hingewiesen. Da möchte ich dann gleich wieder anführen, was ich schon vor drei Jahren dazu gefragt habe:
    „Stört sich eigentlich niemand an solchen Alles-oder-Nichts-Thesen wie dieser:

    „Eine Re­vo­lu­ti­on ist kein Macht­wech­sel, son­dern ein Um­sturz, der be­deu­tet, dass alles was in der Ge­sell­schaft bis­her ge­gol­ten hat, nicht mehr gilt.“

    Was ist denn da unter „Geltung“ zu verstehen, wenn die „Alles“ bestimmt haben soll?

    „Eine Re­vo­lu­ti­on ist kein Macht­wech­sel, son­dern das ist eine Ak­ti­on in der mit der Macht, die es gibt, auf­ge­räumt wird.“

    Und wenn die Revolutionäre das gar nicht hinkriegen, in dieser Absolutheit, nicht gleich und nicht überall?
    Mit welchem ja nur idealistisch zu denkenden Federstreich macht es die Revolution eigentlich, daß sie

    „sämt­li­che in der Ge­sell­schaft ver­an­ker­ten Ver­hält­nis­se auf­hebt“?

    „Die Auf­he­bung all die­ser Ver­hält­nis­se ver­langt eine Ge­walt, die sie auf­hebt“

    Und wie sieht die aus und wie setzt die sich durch? Was ist denn der konkrete Inhalt von dieser These „es ist die an jedem Ort, wo die alte Ge­walt sich hält, sich be­tä­ti­gen­de, das alles auf­he­ben­de Ge­walt“?
    Ja es wird wohl niemand widersprechen wollen, wenn es heißt:

    „Unter dem, das man die Ver­hält­nis­se, wie sie nun ein­mal sind, außer Kraft setzt, sind diese Ver­hält­nis­se nun ein­mal auch nicht außer Kraft zu set­zen.“

    Und das „ist nicht wenig“, wohl war. Dazu heißt es dann im Konkreten (konkreter wurde es erstmal nicht):

    „Es wird außer Kraft ge­setzt der ganze Kos­mos pri­va­ter Vor­keh­run­gen und Ein­rich­tun­gen, mit denen die In­di­vi­du­en in die­ser Ge­sell­schaft, mit den ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen zu­recht­kom­men. Das lässt weder die Fa­mi­lie un­be­rührt, noch das Aus­bil­dungs­we­sen“

    Und was heißt das nun, daß all dieser Kosmos „nicht unberührt“ bleibt. (Mal ganz abgesehen davon, daß soziale Beziehungen nicht einfach dekretiert werden können und ihre soziale Basis erst recht nicht per Dekret abzuschaffen ist, vom Bewußtsein der Bevölkerung schon mal ganz abgesehen).
    Ja, ja,

    „wenn die Re­vo­lu­ti­on Er­folg hat, dann muss sie an viele Stel­len hin und dafür sor­gen dass sich die­ses Er­geb­nis ein­stellt, in der Ge­sell­schaft fort­an nichts an­de­res pas­siert als das, was die re­vo­lu­tio­nä­re Par­tei will“.

    Und wo sind diese vielen Stellen, bzw. wie geht man mit der leidigen Tatsache um, daß es viele Stellen gibt, an die man gar nicht rankommt, jedenfalls nicht „gleich“?
    Immerhin kommt ja das – wie ich meine zentrale – Eingeständnis

    „Es gibt über­haupt nur zwei Be­din­gun­gen auf die eine Re­vo­lu­ti­on ach­ten muss, un­ab­hän­gig von dem, was sie sel­ber will. Das ist zum einen das Über­kom­me­ne, was man vor­fin­det, was man damit an­fan­gen kann, wie z.B. die Pro­duk­tiv­kräf­te der Ge­sell­schaft be­schaf­fen sind und wie sie noch zu ent­wi­ckeln sind. Das an­de­re ist das Aus­land“.

    Wobei die Revolution natürlich nicht nur die Produktivkräfte so vorfindet, wie sie eben da sind, sondern genauso wichtig auch das Bewußtsein der Leute, halt all die „Muttermale der alten Gesellschaft“.
    Immerhin heißt es ja wenigstens noch

    „des­we­gen ist eine Re­vo­lu­ti­on auch nicht gleich­be­deu­tend mit der An­kün­di­gung, das mor­gen das Pa­ra­dies aus­bricht“.

    Auch wenn es bei manchen Genossen verdammt danach klingt.“

  273. Alfonsito
    9. September 2015, 23:08 | #273

    Noch weitere Fragen lassen sich anhand eines gerade erschienenen Textes über anarchistische und utopische Theoriebildung stellen.
    In der ‚theorie.org‘-Reihe des Stuttgarter Schmetterling Verlags ist nämlich ein neues Werk erschienen: „Utopie. Vom Roman zur Denkfigur“. Für Peter Schadt Grund genug, den Autor Alexander Neupert-Doppler für die Zeitschrift ‚Graswurzelrevolution‘ zu interviewen:
    http://keinort.de/?p=927

  274. 10. September 2015, 09:15 | #274

    Alfonsito, du formulierst recht eigenartig gleichmütig, „weitere Fragen lassen sich anhand eines gerade erschienenen Textes über anarchistische und utopische Theoriebildung stellen“.
    Sind denn die Fragen, die Schadt dem Autor gestellt hat, in deinen Augen sinvolle, gar wichtige gewesen oder stellst du dieses Gespräch nur vor als weiteres läppisches Beispiel für die „Tollerei“ hier? Und wenn du schon die Fragen erwähnst, wie findest du denn die Antworten von Neupert-Doppler? Z.B. sein sicher zentraler Satz:

    „Funktion von Kritik ist die Erklärung der objektiven Verhältnisse, Antizipation ihrer Abschaffung. Funktion von Utopie kann die Aufklärung subjektiver Wünsche sein, Artikulation von Absichten. Die Annahme, wir könnten auf den Willen zum Besseren verzichten, weil wir das Wissen vom Schlechten haben, ist eine theoretische Vorstellung, die mit praktischen Kämpfen wenig zu tun hat. Sicher ist es eine Aufgabe von linker Theorie, Ideologien in stattfindender Praxis zu kritisieren, sie muss aber auch die Utopien ernst nehmen, die eine emanzipatorische Praxis motivieren können.“

  275. j.
    10. September 2015, 09:45 | #275

    gesamt is vorweg:
    „Funktion von Kritik ist die Erklärung der objektiven Verhältnisse, Antizipation ihrer Abschaffung. Funktion von Utopie kann die Aufklärung subjektiver Wünsche sein, Artikulation von Absichten.“
    und hernach:
    „Es geht mir nicht darum, dass wir uns Utopien ausdenken müssten. Vielmehr müssen wir unterscheiden, was an den Vorstellungen, die in diesen gesellschaftlichen Verhältnissen entstehen, stabilisierende Ideologien sind und wo sich destabilisierende utopische Momente zeigen.“
    sowie:
    „Empörung so zu begreifen, bedeutet indes, sie ernst zu nehmen: Streben FeministInnen nach Gleichheit oder AnarchistInnen nach Freiheit, so hat Ideologiekritik nachzuweisen, dass die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter nur eine formale ist und freie Vereinbarungen nicht per se herrschaftsfrei. Aber auch wo MarxistInnen solche Kritik üben, erkennen sie Aspekte der gemeinsamen Utopie an. Es ist die Erfahrung mit patriarchalen Verhältnissen, welche deren utopische Negation, die Vorstellung dass es anders sein könnte, befördert. Freiheit von Staatsgewalt ist Motivation der AnarchistInnen. Die kapitalistische Globalisierung selbst begründet die Konkretion einer anderen Globalität. Nicht nur Kritik müht sich am Bestehenden ab, auch Utopien finden hier Stoff. Nur aufgrund dieser Gemeinsamkeit kann Kritik zwischen Ideologien und Utopien unterscheiden. Kritik geht, als Praxis der Theorie, den Utopien nicht voraus, sondern in sie ein bzw. ihnen nach. Utopien sind auch daran zu messen, ob ihre Funktionen – als Bestrebung und Intention, als Konkretion von Möglichkeiten, als Artikulation von Bedürfnissen und als Motivation von Bewegungen – auch dem Anspruch bestimmter Negation des Bestehenden gerecht werden.
    Es wären also nicht verschiedene Kritiken, die zu verschiedenen Utopien führen, sondern es sind verschiedene Utopien, die einer genauen historisch-materialistischen Kritik zu unterziehen sind. Dabei ist davon auszugehen, dass auch der Marxismus nicht an diesen Utopien vorbeikommt. Wünsche, Hoffnungen, Begehren und Absichten werden ihren Ausdruck finden – ob als Utopien oder als Ideologien. Zu zeitweiligen Leitbildern von Emanzipation taugen freilich nur die Utopien.“
    „Oskar Negt sagte einmal, „wenn es im 20. Jahrhundert so etwas wie eine konkrete Utopie gibt, dann ist es die der Räte“, also der Utopie vernünftiger Beratung, dies meine ich mit Gestaltungsfreiheit. Ebenso wie Utopien auf ihre Prüfung durch Kritik angewiesen sind, entscheidet erst eine so verstandene Politik als revolutionäre Beratung, was abgeschafft und was verwirklicht werden soll. Kritisches Wissen um objektive Bedingungen und utopisches Wollen als subjektiver Faktor sind Bedingungen von Emanzipation.“

  276. 10. September 2015, 10:13 | #276

    Mir gefällt schon diese Unterscheidung nicht:

    Vielmehr müssen wir unterscheiden, was an den Vorstellungen, die in diesen gesellschaftlichen Verhältnissen entstehen, stabilisierende Ideologien sind und wo sich destabilisierende utopische Momente zeigen

    Das erste scheint mir geradezu eine Tautologie zu sein:
    Was die Realität nicht korrekt beschreibt, ist per definitionem oder wenigstens zumeist eine ideologische Sichtweise auf die kapitalistischen Verhältnisse. Und selbstverständlich stabilisiert es diese Verhältnisse, weil damit ja die wahren Zusammenhänge, Triebkräfte, Geschädigte und Gewinner nicht richtig bestimmt werden.
    Wenn dann nach destabilisierenden utopischen Momenten gefandet wird, dann mag man ja reihenweise utopische Momente finden können (nun gut, herzlich wenig), aber wieso sind die denn gleich „destabilisierend“, bloß weil sie irgndwas anderes wollen, als die Verhältnisse, die es im Augenblick eben gibt?

  277. j.
    10. September 2015, 10:29 | #277

    ich „fand“ gestern genau diesen teilsatz bedenkenswert…
    edit: gestern nochmal den wentzke geschaut, der dir so „schwammig“ erschien, überhaupt nochmal alles überlesen natürlich 🙄
    und wenn die utopie „solidarität unter arbeitern/innen“ oder s ideal oder ka, was und den leuts hier „nur“ einleuchtet : wenn wa hier sand ins kapitalgetriebe streuen, dann „helfen“ wir unsren griechischen mitleidern irgendwie.
    nuja, bitte… wennse drüber bemerkten, daß sie sich selbst da vielleicht auch irgendwie „helfen“ , bitte…
    ma soll ja nicht „eigennützig“ tun, das wird eingehämmert, gut, dann eben „uneigennützig“ (per nahziel) und vielleicht bemerken, daß „man“ in „derselben“ scheiße hockt und diese scheiße „an sich“ vielleicht wegmüßte …
    (mag nicht weiter, war aber irritiert angetan von dieser halt arg vorsichtigen buchvorstellung… aber erstmal das schillo-ding fortsetzen und ja, sehr „angetan“ vom findeisen-ding, ähnlich wentzkes „geld“-ding)

  278. Alfonsito
    10. September 2015, 11:00 | #278

    Hierzulande gibt es doch nur noch ein Denken in den Kategorien von Sachzwanglogik. (Das geht für den deutschen Staat ja auch deswegen bestens aus, weil er darin die Duftmarken setzt.)
    Dass alles, was sich davon unterscheiden, was besseres vorstellen will, deswegen apriori reine Spinnerei sei – das meinen Merkel und Co. Es ist ja auch richtig, z.B. gegenüber der Syriza auf die Sachzwanglogik des Euros hinzuweisen. Oder darauf, wer nämlich einen bürgerlichen Staat managen will, dass der damit schon dies und jenes abgenickt habe.
    (Bloße bessere ideologiekritische Auskenner der Sachgesetzlichkeiten der hiesigen Scheiße (im Sinne einer ‚Besserwisserei‘) möchte mancher aber doch bittesehr nicht nur zeitlebens sein… das war ja auch Intention dieses Threads, zu fragen: was gehört denn alles zum Umfeld von Kommunismus und Sozialismus dazu.)
    Die auch von TG kritisierte unreflektierte Verengung auf sogenannte reale ‚Machbarkeitsvorstellungen‘ fand ich den ganzen Thread hindurch ununterbrochen falsch.

  279. max beer
    10. September 2015, 11:11 | #279

    neoprene: „Alfonsito hat hier unter anderem auf einen alten Vortrag von Konrad Hecker von der damaligen Marxistischen Gruppe aus 1987 „70 Jahre Oktoberrevolution – Der Weg der KPdSU – Von der Verwirklichung einer Kritik an Staat und Kapital zum Bekenntnis, keine Revolution mehr zu wollen“ hingewiesen.“
    Der Hecker ist ein alter Hegelianer, in dessen Vorträgen man nicht alles auf die Goldwaage legen darf. Er bringt gelegentlich Formulierungen, nur weil sie dialektisch gut klingen. Manchmal schiesst er weit übers Ziel hinaus. Ich erinnere mich an einen Vortrag, in dem er W.F. Haug und andere als „Drecksäue“ beschimpft hat. * Ich glaube, in diesem Oktoberrevolution-Vortrag geht er en passent auf den Spanischen Bürgerkrieg ein, wo er es für Schwachsinn hält, dass Kommunisten gekämpft haben. Heckers Kritik setzt Unkenntnis der Umstände damals voraus; marschierten die Faschisten irgendwo ein, wurden alle Linke, Gewerkschafter oder als links Verdächtige an die Wand gestellt, ob sie eine Waffe hatten oder nicht.

  280. Alfonsito
    10. September 2015, 11:17 | #280

    Über den Spanischen Bürgerkrieg könnte man gut diskutieren.
    Oder über die Oktoberrevolution.
    Oder über den deiner Ansicht nach verkehrten Hegelianismus von Konrad Hecker.
    Aber nicht im Abwisch – und alles auf einmal in zwei Zeilen.
    Anders formuliert: dir geht es gar nicht um Klärung.
    Dir geht es um was Anderes. (Vermutlich Denunziation.)
    (Oder dich als geistreiche Duftmarke versprühen.)
    (Mir ist übrigens früher immer schlecht geworden, wenn ich gesehen habe, wie DKPler die Kampflieder von Ernst Busch zum heldenhaften Sterben in der Jamara-Schlucht mitgegröhlt haben.
    Auch bei dem cubanischen Spruch ‚patria o muerte‘ – und das war der Gehalt der Ernst Busch-Hymne auf den heiligen Opfertod für die heilige Sache – wird mir nur übel.)

  281. 10. September 2015, 11:33 | #281

    Ja Alfonsito, es stimmt,

    Über den Spanischen Bürgerkrieg könnte man gut diskutieren. Oder über die Oktoberrevolution.

    Nicht ganz erstaunlicherweise hat sich hier aber von „euch“ damals z.B. niemand an der schmalen Diskussion über den Hecker-Vortrag beteiligt. Und ich nehme einfach mal an, daß du und die deinen das jetzt nicht ernsthaft nachzuholen gedenken.
    Ansonsten hast du natürlich recht, so en passant jemand in zwei drei Bemerkungen abzuwatschen trägt wirklich nicht zur Klärung bei. Wozu sonst es auch immer dienlich sein mag.

  282. Krim
    10. September 2015, 12:15 | #282

    Das Anliegen finde ich schon richtig bei Utopien zu unterscheiden zwischen Utopien, die den Kapitalismus rechtfertigen und solchen, die ihn stabilisieren. Man kann es auch anders sagen: Bloß weil einer eine Utopie macht, ist diese noch lange nicht gegen den Kapitalismus gerichtet. Es gibt ja reihenweise technologische Utopien und Utopien von Katastrophen, denen es kein bisschen um eine andere Gesellschaft geht.
    „Kritik geht, als Praxis der Theorie, den Utopien nicht voraus, sondern in sie ein bzw. ihnen nach.“ Praxis der Theorie? Was ist gemeint? Als Praxis, die aus der Theorie folgt? Oder als Praxis, die in Theorie besteht? Kritik die einer Utopie folgt, ist das Messen an einem Idealbild, das man sich als Utopie ausmalt. Als solche taugt Kritik gerade nichts.
    „Sicher können Computer die globale Kommunikation und Koordination erleichtern, soweit die soziale Utopie. Aber ihnen die Organisation zu übertragen, tötet die politische Utopie. Glück ohne Gestaltungsfreiheit wäre keines, sondern bloß effektivere Bedarfsdeckung des Konsums.“ Das wär ja schonmal was. Glück ist eh eine Stellung zum Leben und kann nicht produziert werden. Effektive Bedarfsdeckung schafft Raum für Gestaltungsfreiheit. Dass Computer nicht entscheiden können, stimmt natürlich. Ich finde es insgesamt eher langweilig über die Möglichkeiten von Utopien zu schwadronieren.

  283. j.
    10. September 2015, 12:29 | #283

    aber s is dein hauptgesprächs-/ansprechpartner…das sind -außer den „rechtschaffen dauerunzufriedenen“- die, die mit einem/r „quatschen“ wollen, sich mal „ne andre meinung/vorstellung“ anhören wollen, weilse permanent am optimieren/ausfeilen der eignen zukunftsdinger sind…
    ka, aber n kleines „sortieren“ dort an dieser stelle mit diesen gesprächsbereiten per „wahr-nehmen“ von bedürfnissen (abweichend vom „erlaubten“, „angemahnten“…nuja herrschaftlichen bedürfniskatalog) is halt in der 0,0001%-lage nich nur „drin“, sondern „optimistisch“ gedacht auch „wirksam“…
    (lg psychotante 😉 )

  284. TomGard
    10. September 2015, 12:31 | #284

    Schon eigenartig, wie wenig „Merker“ hier verfangen. Ich habe oben den Einleitungssatz der TE mit kommentierenden Satzzeichen angegriffen:
    „Eine nach(?)revolutionäre Gesellschaft(??) soll den Kapitalismus ablösen“
    Das erste Fragezeichen ergab sich reichlich in der Debatte. Das zweite ist nicht bloß eine Fortschreibung des ersten, aber erstmal zu dieser Fortschreibung: Wenn eine „nachrevolutionäre“ Gesellschaft zum Subjekt einer „Ablösung“ deklariert wird, dann ist sie in der Tat bereits als „fertig“ imaginiert. Das unterstellt schon, daß „Gesellschaft“ da nicht ein Summenbegriff für Verkehrsverhältnisse und -formen einer reproduzierenden und dabei kooperierenden Population ist, sondern mindestens eine (utopische) Ordungs- oder gar Herrschaftsvorstellung, und nach einem Entwurf gefragt ist, der diese Vorstellungen realisiert. „Revolution“ ist da wesentlich als „Coup“, als „Umsturz“ gedacht. Selbstverständlich schließt eine Revolution Coup und Umsturz ein – als Vorbedingung, daß sie stattfinden kann. Da hat der „Hegelianer“ Hecker einfach recht, wenn die zugrundeliegende Kapitalismuskritik über kleinbürgerliche Emanzipationswünsche- und -bestrebungen hinaus ist. Neoprene dazu:

    Und was heißt das nun, daß all dieser Kosmos [pri­va­ter Vor­keh­run­gen und Ein­rich­tun­gen] „nicht unberührt bleibt“

    Als hätte er seine TE nicht gelesen, in der von der Ablösung einer Produktionsweise durch eine andere die Rede ist, und wüßte rein gar nichts über die „abzulösende“ Produktionsweise und die dazu gehörigen „privaten Vorkehrungen und Einrichtungen“, Zweierkisten eingeschlossen.
    „Huch! eine Revolution! Eine Revolution??! Schreck laß nach.“ könnte man das übersetzen.
    Die Gründe:
    Die Leut sind doch nicht gleich alle mit und dafür, die Produktionsmittel kann man ihnen nicht so hinstellen, daß sie HB-versorgte Arbeitsmännchen werden, und überhaupt, sie sind defekt. Diese Muttermale! In jedem fünften Posting diese „Muttermale der alten Gesellschaft“ – ja, wie soll sich ein Utopist noch klarer outen, der Angst vor dem Despotismus einer Utopie hat?
    Das kennt man alles bis ins i-Tüpfelchen von Rechtfertigungen der Realsozialisten, die Rechtfertigungsgrund und Zweck schon in ihrem angenommenen Spitznamen tragen, „real“, weil sie einem Volk eine Utopie zur Staatsraison gemacht haben.
    Es sind also keine „Gründe“ sondern buchstäblich die selffulfilling prophecy eines Utopisten.
    Noch „krasser“ in diesem Posting

    Wenn dann nach destabilisierenden utopischen Momenten gefandet wird, dann mag man ja reihenweise utopische Momente finden können (nun gut, herzlich wenig), aber wieso sind die denn gleich „destabilisierend“, bloß weil sie irgndwas anderes wollen, als die Verhältnisse, die es im Augenblick eben gibt?

    Als habe Neoprene noch nie was von den (antagonistischen!) Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise gehört. Wenn diese Widersprüche keine „sprengenden Momente“ enthalten, wie das die Nomenklatur so schön sagt, wozu gib’s dann ’nen Staat, der niemanden so heftig, so tödlich verfolgt, wie Utopisten und „Utopisten“, es sei denn, sie tragen, wie Neoprene, unentwegt „KEINE GEWALT!“ vor sich her? Wozu taugte dann andererseits eine Revolution? Frauen vergewaltigen?
    Wenn man sich diesen „Komplex“ (ich will das jetzt nicht auswalzen) ma‘ kurz vor Augen hält, ist es da nicht klar, daß Revolutionäre unentwegt und mit allem, was sie tun, damit beschäftigt wären, Utopien aus IHRER gesellschaftlichen Welt zu schaffen?
    Wie es zu einem Urteil, wie Alfonsitos, kommt, ich hätte hier gegen eine „Konzentration auf das Machbare“ geschrieben, ist mir ein Rätsel.
    PS.: Zu den „Muttermalen“ – das ist kein semantischer faux pas, das ist konterrevolutionär. Nach einem Umsturz, der das Privateigentum an Produktionsmitteln und das Geld als Kommandomacht aus den Verkehrsverhältnissen gewaltsam entfernt, ist JEDES Glied der damit geschaffenen Gesellschaft eben das – ein Glied derselben. Er ist Teil der „neuen Gesellschaft“, wenn man diese blöde, unpersönliche Sprechweise denn unbedingt (anfangs) benutzen will, nicht „der alten“. Er selbst und seine Community müssen halt noch herausfinden, wo und wie er das vorteilhafterweise (für ihn und andere) ist und im Verlaufe der Revolution weiter wird.

  285. 10. September 2015, 12:32 | #285

    @ Krim

    Ich finde es insgesamt eher langweilig über die Möglichkeiten von Utopien zu schwadronieren.

    Daß die „möglich“ sind, ist ja seit einigen Jahrhunderten schon nicht zu bestreiten. Dem Buchautor geht es aber um das ganz andere Thema, ob und wie genau man mit solch einer Bastelei „destablisierend“ Sachen befördern kann. Wobei das ja noch nicht mal per se „systemtranszendierend“ oder „systemsprengend“ sein muß. Und da kommt dann dazu, was du aufgegriffen hast mit seinem Satz

    Kritik geht, als Praxis der Theorie, den Utopien nicht voraus, sondern in sie ein bzw. ihnen nach.

    Wenn die ganze Praxis im Verfertigen von „Kritik“ bestehen sollte, dann ist damit leider noch nicht allzuviel gewonnen, befürchte ich.

  286. Krim
    10. September 2015, 14:16 | #286

    Es ist aber ein Unterschied, ob revolutionäre Praxis auf Theorie folgt oder auf Utopie. Das zweite würde ich für falsch halten, weil sich Praxis dann an einem Leitbild sprich Ideal ausrichtet.
    Ein Plan oder ein Zweck ist übrigens etwas anderes wie eine Utopie. Eine Absicht braucht man natürlich. Das ist aber was anderes als das Auspinseln einer schönen neuen Welt.

  287. j.
    10. September 2015, 15:21 | #287

    es ist für ne anpinslerin (gescheiterte utopistin in psychotherapie 😉 ), die „mal was richtig machn“ will, sehr „nett“ (spätestens am tag danach oder gut, auchn paar wochen hernach), wenn … :
    „Zur Sache
    Es läge nahe, die Ordnung mit dem scheinbar Einfachsten zu beginnen, dem, was Du zum Wählen bzw. den Varianten des Nichtwählens schreibst. Ich hab das verworfen, weil dies Herangehen zumindest ähnliche Ausgangspunkte in der Beurteilung der Sache unterstellt, die Du, glaub ich, auch beanspruchen würdest, doch ich behaupte, es gibt sie nicht!
    Mein Schlüssel zu dieser Behauptung ist Dein Satz:
    „eigentlich steht da nichts gegeneinander und doch gehts natürlich in gegensätzliche richtungen, mein hinterkopf hat selbst anscheinend beschlossen,sich dazwischen zu setzen (…)“
    „eigentlich steht da nichts gegeneinander …“ – wenn ich unbedarft und frei von der Leber weg da heran gehe, so frage ich mich:
    Was (!) fällt der Jana eigentlich ein, den Gegensatz, den ich zu Kette aufgemacht habe, derart vom Tisch zu fegen, ohne auf ein Argument einzugehen, mit dem ich den Gegensatz aufmachte.
    Ich hab also nachgeschaut und finde Folgendes (lege das aber nicht in Zitaten zum Nachvollzug vor, sondern paraphrasiere):
    ‚Kette und Tom wollen (!) doch eigentlich (im Großen und Ganzen) dasselbe‘
    Und unter diesem „im Großen und Ganzen dasselbe“ finde ich das von Dir absichtsvoll schief an die Wand gehängte Bild vom „neuen Menschen“.
    Dazu gebe ich Dir ein ‚einerseits – andererseits‘.
    Einerseits ist das auf einer Ebene, welche die Sache im besten Sinne kindlich auffasst – und ich wünschte sehr, es wäre gangbar, so zu urteilen – vollkommen korrekt.
    Jawohl, Kette wie ich wünschen, daß möglichst viele Leut sich eine Reihe wohlbestimmter schädlicher Gedanken aus dem Kopf schlagen, sie durch ein paar korrekte ersetzen und auf dieser Grundlage zu ihrem eigenen und unseren, Kette und meines Vorteil – Nutzen, Freude, Genuß – anders handeln, als bisher. Und ja, dabei geht es um’s Zusammenleben. Und ja, wenn sie das in dieser Reihenfolge täten, dann wären sie andere Menschen, als sie es jetzt sind, in jedem halbwegs rationellen Sinne.
    Ich will hier gleich einen Punkt anschließen, den ich später noch genauer behandeln will, nämlich den Umstand, daß das Menschenbild, das in diesem Urteil steckt, ein wesentlich anderes ist, als das, welches Du im selben Posting in anderem Zusammenhang (z.b. DDR, was soll man tun, wie soll man ‚auf die Leut‘ zugehen, einwirken, was willst du, Tom, eigentlich erreichen uvm) zur Anwendung bringst und ungefähr lautet: ‚Die Menschen sind halt so, wie sie sind, wie man sie vorfindet, und die ändern sich halt, wenn überhaupt, dann vielleicht nur im Verlaufe von Generationen.‘
    Wie gesagt, ich komme auf diesen Punkt zurück.“
    +++
    „Hm, ich setze erst mal nicht fort, geh‘ nur auf zwei Punkte ein.
    1)
    Zitat Tom:
    Jawohl, Kette wie ich wünschen, daß möglichst viele Leut sich eine Reihe wohlbestimmter schädlicher Gedanken aus dem Kopf schlagen, sie durch ein paar korrekte ersetzen und auf dieser Grundlage zu ihrem eigenen und unseren, Kette und meines Vorteil – Nutzen, Freude, Genuß – anders handeln, als bisher. Und ja, dabei geht es um’s Zusammenleben. Und ja, wenn sie das in dieser Reihenfolge täten, dann wären sie andere Menschen, als sie es jetzt sind, in jedem halbwegs rationellen Sinne.
    Antworten Jana, nebst Repliken:
    „—du mußts nicht derart überziehen ;-)“
    Ich wollte nichts überziehen und hab nix überzogen, ich meine jeden Buchstaben ernst, den ich schrieb.
    „…,du weißt selbst,daß das NICHT funktioniert,nicht auf dauer,…“
    Nein, ich meine NUR so funktioniert eine Aufhebung der patriarchalisch-kapitalistischen Lebensweise, alles weitere betrifft organisatorische Fragen sowie dann im Nachgang technische Umsetzungen.
    „da es ,wenn den leuten nicht klar ist,was sie da tun oder unterlassen…“
    Das ist just der gegenwärtige Zustand, den ich zu ändern versuche, hier damit, daß ich ihnen meinen, m.E. treffenden Begriff von dem vorlege, was sie tun, wenn sie wählen gehen. (Ergebenheitsadresse)
    “ diese leute nicht allzulange dahinterstehen,sich real selbst da leben,sie lebten,was ihr im „zwölfschritte-programm“ vorgeben würdet zu leben leben und ist die begeisterung des ne-weile-funktionierens vergangen werden andre programme zu „nutzen,freude,genuß“ verfolgt…“
    Ich verstehe nicht. Wo holst Du das metaphorische „zwölfschritte-Programm“ her, geschweige eine Absicht, sowas „vorzugeben“?!
    Wo das „Paradiesversprechen“? Nutzen, Freude, Genuß schließt nicht Mühsal aus, auch nicht Langeweile.
    Aber ich hab da einen Fehler gemacht, ich hätte beim Schritt „unterlaßt das Wählen“ bleiben sollen, damit’s nicht so unübersichtlich wird.
    2) Dazu zitier ich nicht, geht um den Unterschied / Gegensatz „Anspruch= Wirklichkeit“.
    Bei mir stehen nirgendwo andere Ansprüche, als die, die ich hier zur Forumskommunikation für notwendig und zu jedermanns Gewinn für teilbar halte, und die kann man auf einen einzigen zusammenschnurren lassen:
    „Hört auf euch selbst und andere zu belügen“
    „Nutzen, Freude, Genuß“ sind keine Ansprüche, sondern persönliche Ziele und zwar schon hier und jetzt, so beschränkt die Gelegenheiten dafür sein mögen. Du hast dazu weiter unten selbst ähnlches gesagt.
    Das aufs Wählen bezogen wiederhole ich mich einfach mal:
    Was ich tun wollte und tat ist doch ganz einfach abzulesen, ich sagte: „Wählen ist verkehrt“, legte ein paar Illustrationen dazu vor, wie ich das meine, erklärte noch was dazu und verkündete damit meinen Zweck, der darin besteht, daß ein Leser sich das überlegt, vielleicht was einsieht und entsprechend handelt, möglichst auch so, daß er das in irg e-r Weise an Dritte weitergibt.
    In meinen Argumenten dazu, auf die Du nicht eingehst, ist kein Anspruch ‚drin, und weil Dir die Argumente nicht das Gewünschte geben, erzähl ich Dir noch dazu, wie ich mich zur Wahl verhalten werde (außer, wie Du, auf Arbeit darüber zu reden, wenn’s sich ergibt, und da auch Argumente loszuwerden)
    Ich werd den Wahlzettel durchgestrichen abgeben um mit dieser „ungültig“-Wahl denen den Rücken zu stärken, die’s genauso halten.
    Punkt.
    Ich will diese Wahl-Kultur nicht, weil sie schädlich ist.
    Wünsch Dir guten Schlaf

  288. max beer
    10. September 2015, 15:22 | #288

    @ Alfons – (Nur am Rande: Natürlich sollen Kommunisten sich nicht für die bürgerliche Republik zu Tode engagieren, natürlich ist es makaberer Schwachsinn in Bierlaune Spanienlieder zu gröhlen…) Ich habe die Spanien-Episode aus dem SU-Vortrag erwähnt, weil ich mich – in dem sonst guten Vortrag – über sie geärgert habe.
    PS. Ich weiss auch was Hecker auf meinen Einwand gesagt hätte: „Klar muss man kämpfen, wenn man Gefahr läuft, an die Wand gestellt zu werden. Aber dann sollte man das so auch sagen und nicht, dass man für die Republik kämpft…“

  289. 10. September 2015, 15:24 | #289

    Das sagst du wieder mal so leichthin, Krim:

    Ein Plan oder ein Zweck ist übrigens etwas anderes wie eine Utopie. Eine Absicht braucht man natürlich. Das ist aber was anderes als das Auspinseln einer schönen neuen Welt.

    Was sind denn für dich die Kriterien, die den vernünftigen „Plan“ von der unnützen „Auspinselei“ unterscheiden?

  290. Krim
    10. September 2015, 17:38 | #290

    Ich sage überhaupt nie etwas leichthin. Wie kommst du nur immer drauf, dass ich ein Hallodri wäre, der bloß plappert was ihm in den Sinn kommt. Ein Plan ist zum realisieren da, also ein Zweck, der das Handeln bestimmt. Eine Utopie ist für die Phantasie da, damit man sich was schönes vorstellen kann. Eine Utopie ist ein ausgepinseltes Ideal oder Leitbild. Wer mit Idealen die Welt betrachtet wirft der Welt die Differenz zum ausgedachten Ideal vor. Er kritisiert sie also nicht dafür, was sie ist, sondern dafür dass das eigene utopische Interesse in ihr nicht oder zu wenig zum Zug kommt.

  291. 10. September 2015, 18:19 | #291

    Nein, Krim, ich halte dich wahrlich nicht für einen Hallodri. Und das du zumeist nachvollziehbar dir Gedanken machst, um was zu posten, kann jeder nachlesen, natürlich auch hier. Aber manchmal verwundert es mich, daß du als ja debattenmäßig ungefähr genauso alter Hase Sentenzen raushaust, als ob du die letzten Jahre, ja genauer eigentlich Jahrzehnte (wenn man die Geschichte der revolutionären Linken nicht erst 1968 anfangen läßt) gar nicht zurt Kenntnis genommen hättest.
    Schon bei deiner Entgegensetzung von Plan &gt; Realisierung versus Utopie = pure Phantasie ist doch in vielen Fällen von linken Utopisten gar nicht angemessen. Die haben doch von den Frühsozialisten angefangen regelmäßig zumindest irgendwas gemacht, um die zu realisieren. Daß du umgekehrt jeglichem Plänemachen entgegentrittst mit dem Argument, daß jetzt eh nichts davon zu realisieren ist (was stimmt) paßt dann wenigstens dazu.

  292. Krim
    10. September 2015, 18:59 | #292

    Herrgott. Du musst den Inhalt dessen, was ich schreibe auch versuchen zu Kenntnis zu nehmen. Oben steht: „Es ist aber ein Unterschied, ob revolutionäre Praxis auf Theorie folgt oder auf Utopie. Das zweite würde ich für falsch halten, weil sich Praxis dann an einem Leitbild sprich Ideal ausrichtet.“
    Nicht der Wille zur Umsetzung scheidet den Plan von der Utopie, sondern die Stellung zur Welt. Entweder ich denke mir eine schöne Utopie aus, ein Ideal und messe daran die Welt. Dann ist die Welt immer als schlechte Verwirklichung der Utopie bestimmt. Die Verwirklichung der Utopie sieht dann immer so aus , dass den eigenen Idealen versucht wird Gültigkeit zu verschaffen. Die Verwirklichung ist bloß für das ausgedachte Ideal da, soll ihm genügen.
    Ein revolutionärer Plan bestimmt die Welt so wie sie ist, macht also eine Theorie, die auf die Welt zutreffen sollte, setzt dann die eigenen Interessen dazu ins Verhältnis und entwickelt daraus einen Plan, wie die Welt zu ändern wäre, um die Interessen zum Zuge kommen zu lassen.

  293. Mattis
    10. September 2015, 22:51 | #293

    Die Rede von der „Auspinselei“ ist noch eine verächtliche Steigerung des Vorwurfs der Utopie; indessen ist bereits der Begriff Utopie eine Abkanzelung, keine Kritik.
    Sozialismus gelingt nur als Projekt; zum Projekt gehört mehr als eine fünfzeilige Absichtserklärung und der fromme Wunsch, alles weitere möge sich aus der Kritik am Bestehenden entwickeln. Und wann bitte wird denn dann aus der Kritik des Bestehenden die Alternative entwickelt? Wer auch immer damit anfängt, kriegt ja sofort die „Modellbastelei“ angehängt.
    Wenn bereits Ansätze für die grundlegende Architektur des Sozialismus als Auspinselei eines fernen Zustands abqualifiziert werden, sagt das was über den Kritiker: er denkt den Sozialismus als ein Ideal, nicht als ein Projekt, das mit Willen und Bewusstsein anzugehen ist.

  294. Krim
    11. September 2015, 00:59 | #294

    „Eine Utopie („der Nicht-Ort“; aus altgriechisch – ou- „nicht-“ und tópos „Ort“; vergleiche auch Dystopie und Atopie) ist der Entwurf einer fiktiven Gesellschaftsordnung, die nicht an zeitgenössische historisch-kulturelle Rahmenbedingungen gebunden ist. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Utopie auch als Synonym für einen von der jeweils vorherrschenden Gesellschaft vorwiegend als unausführbar betrachteten Plan, ein Konzept und eine Vision, benutzt.
    Ein ähnlicher, in diesem Kontext oft verwendeter Begriff ist der Wunschtraum (Eutopie, altgriechisch eu: gut). Es handelt sich um eine Gesellschaftsordnung, die bisher keinen Ort hat und nur als Gedanke und Idee existiert.“ (Wikipedia)
    „Und wann bitte wird denn dann aus der Kritik des Bestehenden die Alternative entwickelt?“ Erstens ist es wurscht wann. Zweitens erst dann, wenn es Sinn macht, also wenn die Mittel der Verwirklichung in Reichweite sind und man zumindest abschätzen kann welche das sind. Drittens will ich eh was anderes als du, also ist es müßig über ein gemeinsames Projekt zu streiten.
    „er denkt den Sozialismus als ein Ideal“ Du kannst nicht alles umdrehen. Wenn du einen leistungsgerechten Sozialismus einführen willst, dann bist du der Idealist und nicht derjenige, der dein Gerechtigkeitsideal kritisiert. Mich stört weniger das Auspinseln als der Inhalt deiner Vorstellungen.

  295. TomGard
    11. September 2015, 07:31 | #295

    Utopien „als“ verbesserte Natur
    (Fragment)
    Vorspiel
    „Unter biologisch determiniert verstehe ich, willentlich nicht beeinflussbar. Was nicht bedeutet, dass ich so handeln muss.“
    (Meine „Lehrerin“ Kit 2009)
    Tom:
    Folgt man der obigen Definition, sind die stofflichen Prozesse, die üblicherweise diskutiert werden, wenn von determiniertem Willen die Rede ist, lediglich „Prominente“ mit Schlüsselpositionen in einem Stoffwechsel, einer Physis, die in ihrer Gesamtheit zur „Determinante“ erklärt ist. …
    Der erhellende „Witz“ an einer „Determinante“, welche direkt und indirekt die gesamte Physis eines Menschen umgreift, besteht darin, daß sie implizit den homo sapiens zum GEISTWESEN definiert. Als „Determiniertes“ bleibt ein unbekanntes Geistwesen, wenn die gesamte Physis Determinante ist.
    Der Ursprung dieses intellektuellen Kurzschlusses ist eine hypostatische Idealisierung des Willens. Kit’s Gedanke opfert das Konzept, die Erfahrung und das Selbstbewußtsein eines freien Willens, obwohl der ein Pleonasmus ist. Ein Wille ist entweder frei, oder er ist NICHT. In dieser Wendung kann man schon erkennen, zu welchem Behuf und Nutzen Kit opfert:
    Eine Unfreiheit des Willens geht überhaupt nur zu denken, wenn man ihn zuvor von seiner Gegenständlichkeit gelöst hat. Der Reflexapparat des Menschen ist absolut armselig. Er kann kaum einen Finger krümmen, ohne Einsatz seines Willens. Die Willensfrage lautet:
    Krümmen oder nicht krümmen
    Nichts weiter!
    (Ich stelle das so dar, weil ihr vielleicht bemerkt, daß die „poetische“ Fassung:
    To Be or Not to Be, thats the question
    in ihrer kurzschlüssigen semantischen Tiefschlammtaucherei die Ablösung des Willens von allen Gegenständen unnachahmlich vorstellt)
    Trennt man den Willen von seinem Gegenstand, trennt man die Willensentscheidung von ihren Gründen. De facto hat man den Willen eskamotiert, man „definiert“ ihn auf diese Weise „weg“. Da der moderne Mensch diese geschichtlich vorgekommene Konsequenz (des frühen mechanischen Materialismus) nicht ziehen will, verleugnet er sie einfach. Und dies geht auf eine einzige Weise:
    Man definiert Entscheidungsgründe, zu Ur-Sachen um.
    Allerdings OHNE sie damit „als“ Entscheidungsgründe tat-sächlich fallen zu lassen.
    Das ist eine fatale Korruption des Denkens, eine vernichtende Kritik des selbstbewußten Willens. (Tatsächlich dürfte in solcher Korruptheit eine mentale Quelle vieler Phänomene von Geisteskrankheit liegen)
    Die Kritik der Rede von Determination ist damit im Prinzip fertig. In dieser Gestalt ist sie allerdings auch nutzlos, denn praktisch hindert ja die genannte Verrücktheit kaum jemanden, sie zu begehen – folglich wird das ihre theoretische Auflösung auch nicht tun. Deshalb ist die Frage zu klären, wieso sie überhaupt geht.
    Ich hatte vorher schon den Grundwiderspruch der Rede von „Determination“ thematisiert, daß sie eine „Freiheit“ setze, um sie anschließend zu leugnen. Reflektieren wir diesen Gedanken in allgemeiner Form in Willensgegenstände, so ergibt sich, daß die Umdeutung der Willensgründe und Willenszwecke in Ursachen, die Willensgegenstände innerhalb ihrer Trennung vom Willen auch FÜR ihn FESTHÄLT, und ebenfalls nicht fallen läßt. Denn es ist ja wahr, daß jeder bestimmte Wille in seinem Gegenstand auch sein Hindernis, seine Schranken hat, und daß dieselben Schranken eine URSACHE des Willensverhältnisses sind. Ich muß halt meinen Finger bewegen, wenn ich ihn krümmen will. Mein Willensakt befördert nicht instantan meinen Finger vom gestreckten in den gekrümmten Zustand. Genau da liegt das Reich der physikalischen Determinanten, Bestimmungen meines Willensgegenstandes, und vermittels dieses Gegenstandes auch meines Willenszweckes. Die Determinanten vermitteln meinen Willen und umgekehrt vermittelt mein Wille, in Gestalt der praktisch umgesetzten Zwecke, die Weise, wie die Determinanten zur Wirkung kommen. „Ich verwirkliche in meinem Arbeitsgegenstand meinen Zweck“
    Doch dies geht nur dann und insoweit dieser Zweck im dinglichen Verhältnis von Gegenstand und Mensch schon verborgen steckt und aufgefunden wird. Nichts kommt von Nichts. Das liefert den Übergang zur Form-Inhalt Dialektik:
    Ich kann das Material meines Willens, meinen Arbeitsgegenstand nur UM-FORMEN. Das Material bleibt unangetastet. Dies Verhältnis unterstellt, daß ein Wille in Gestalt seiner Zwecke vorweg schon durch seine Gegenstände vermittelt ist. Doch ist die unterstellte Vermittlung des Willens und Zweckes dann offenkundig nicht identisch mit der Art und Weise, wie die Gegenstände des Willens untereinander nämlich physikalisch vermittelt sind. Andernfalls gäbe es den Willen nicht, oder aber die Gegenstände wären auf dieselbe Weise beseelt, wie der zwecksetzende Mensch es ist.
    Die Verrücktheit der Willensverleugung geht nach alledem deshalb, weil sie sich selbst auf einer absolut abstrakten Ebene wieder aufhebt:
    Sie schließt den natur- und kulturgeschichtlichen Prozessder Vermittlung von Willensgegenstand und Zweck einfach kurz, sie vereinigt beide Seiten im Resultat:
    Der Gegenstand des Willens erscheint dann als Ursache, weil und insofern der Wille als Ursache seines Gegenstandes auftritt. Er nimmt sich seinen Gegenstand (auf), zum Zweck der Bearbeitung.
    Folglich ist Willensverleugnung die Weise, wie ein ABSOLUT gedachter (gesetzter) Wille zur „Naturbeherrschung“ sich selbst setzt. Verleugnung der Willensfreiheit ist die Form einer Vergöttlichung des Willens.
    Arbeit – Spiel – Traum
    Die Willensverhältnisse, welche zu viele Leute in der Rede von (biologischer) Determination und verwandten Abkömmlingen mit der eigenartig erniedrigenden Überhöhung be- und verhandeln, die ich in Teil 1 skizzierte, führten uns auf die Arbeit in einem Sinne, der nichts mit Erwerb, Pflicht und Not zu tun hat.
    Dazu zitiere ich mal Walter Benjamin:

    „Die Kennzeichnung des Arbeitsvorganges nach seinem Verhältnis zur Natur wird durch dessen gesellschaftliche Verfassung geprägt. Würde nämlich nicht eigentlich der Mensch ausgebeutet, so könnte man sich die uneigentliche Rede von der Ausbeutung der Natur sparen. Sie verfestigt den Schein des „Wertes“, den die Rohstoffe nur durch die auf der Ausbeutung menschlicher Arbeit beruhende Produktionsordnung bekommen. Hört diese auf, so wird die Arbeit ihrerseits den Charakter der Ausbeutung der Natur durch den Menschen abstreifen.“ (Das Passagenwerk, Beaudelaire)

    Die Schwäche dieses Aphorismus ist die Versubjektivierung „der Arbeit“, als ob „die Arbeit“ was täte, statt der Arbeitenden.
    (Nebenbemerkung an Kette und Interessierte: Diese Manier ist die Spur des fürchterlichen Adorno- Moralismus, der leider Benjamins Denken heillos infiziert hatte. Dessen methodisches Interesse ist eigentlich sofort kenntlich: Der moralische Urteilszweck bewegt Adorno und hier Benjamin mit ihm, die herrschaftliche soziologische Denkweise gegen ihren kritischen Inhalt zu bewahren. „Die Arbeit“, das ist soziologisch noch immer die Herrschaft über die Arbeitenden, gegen die sich die Heinis doch aufzumanteln scheinen. Der Standpunkt „Diese Sorte Arbeit ist schlecht, jene gut“ bewegt sie zu dieser Balance auf einem Strich für moralische Alkoholiker.)
    Diese Schwäche können wir eliminieren, wenn wir Benjamins Text gegen den Schluß von Teil 1 halten:

    “ … ist Willensverleugnung die Weise, wie ein ABSOLUT gedachter (gesetzter) Wille zur „Naturbeherrschung“ sich selbst setzt. Verleugnung der Willensfreiheit ist die Form einer Vergöttlichung des Willens.“

    Was geschieht denn mit „der Natur“ unter der Vergöttlichung des Willens? Richtig, sie wird komplementär vergöttlicht.
    Zugrunde liegt der Wahn des herrschaftlichen Privateigentümers, der „die Natur“, die er in Besitz zu nehmen trachtet, spaltet, nämlich in einen äußerlichen Bestandteil, der ihm gegenüber steht, und einen inneren, seine eigene Natur nämlich, die er verhimmelt. Auch die äußere Natur wird verhimmelt, nun aber nach dem Muster des patriarchalischen und königlichen Privateigentümers als Schöpfung und als REICH.
    Folgen wir unter unserer Korrektur Benjamin weiter:

    „Sie“ (leider wiederum „die Arbeit“) „wird (!) sich (??) dann (gemeint ist „nach Abschaffung des Privateigentums“) nach dem Modell (??) des kindlichen Spiels vollziehen, das bei Fourier der „travail passionné“ (leidenschaftliche Arbeit, TG) … zugrunde liegt. Das Spiel als Kanon der nicht mehr ausgebeuteten Arbeit … Eine solche vom Spiel beseelte Arbeit ist nicht die Erzeugung von Werten, sondern auf eine verbesserte Natur gerichtet.“

    Hoppla?! „Verbesserte Natur“ ??
    Klassisch, wie der soziologische Moralismus Benjamin ein Bein stellt! Drei Sätze, nachdem er den bürgerlichen Naturbegriff vernichtend kritisiert hat, setzt er ihn vermittels einer fiktiven „Rettungsoperation“ selbst wieder ins – Recht.
    Andererseits ….
    Andererseits ist sein Gedanke eigentümlich anziehend, nicht wahr?
    Fragen wir mal, was es mit dem Verhältnis von Arbeit und Spiel rationell auf sich hat.
    Über das Spiel ist eine absurde Zahl von Monographien veröffentlicht worden. Man möchte all den Psychologen und Pädagogen zurufen: Hey, wir wollten doch spielen (lassen), und nicht arbeiten …! Vermutlich werden unter meinen Lesern welche sein, die darüber 20 mal mehr wissen als ich; aber die Sache erscheint mir zu trivial, um mich darum zu streiten und deshalb breche ich sie über’s Knie:
    Jeder weiß, daß der Übergang vom Spiel zur Arbeit fließend sein kann, nach jeder Betrachtungsweise. Folglich gibt es ganz banal in den Tätigkeiten buchstäblich mindestens einen Drehpunkt, um den sie in die eine oder andere Richtung zu wenden ist. Dementsprechend schließe ich:
    Erstens:
    Eine zweckbestimmte Tätigkeit, in welcher der Tätige das Verhältnis von Subjekt und Objekt der Tätigkeit so gestaltet, daß er seine Zwecke vorzüglich auf die Wirkung seiner Handlungen auf das Objekt ausrichtet und konzentriert, heißt Arbeit.
    Zweitens:
    Je weiter er die umgekehrte Wirkung seiner Zwecke und seiner Tätigkeit zuläßt, die Wirkung seiner Handlungen auf das Objekt zum Mittel seines subjektiven Erlebens macht, wird die Arbeit spielerisch.
    Und drittens, nicht als Schluß, sondern Behauptung:
    Die Scheidung und Gewichtung der Zwecke in die eine oder andere Richtung geschieht nach Maßgabe eines Genusses, der Schönheit und Nützlichkeit vereint. Genuß der Schönheit und des Nutzens der Objekte für’s Subjekt, Selbstgenuß in der Schönheit und der Kräfte des Subjektes selbst, IN den Objekten und vermittels ihrer.
    Schönheit aber, das wiederhole ich hier nur nach dem in „Genitale Fetischisierung“ Gesagten, ist der Zentralbegriff einer Sexualität, die in integraler Erotik wurzelt.
    Wiener tun sich möglicherweise leichter tun mit diesen Bestimmungen. Denn der Wiener sagt(e früher?) nicht: „Das Kind spielt“, sondern:
    „Das Kind spielt sich!“
    So ist’s genau richtig. Das Spiel ist die Selbstformung und -gestaltung der Subjekte, das gilt für spielende Katzen nicht weniger, als für Kinder.
    Weiter Benjamin:

    „Auch für sie (die Natur, TG) stellt die fouriersche Utopie ein Leitbild, wie man es in der Tat in den Kinderspielen verwirklicht findet. Es ist das Bild einer Erde, auf der alle Orte zu Wirtschaften geworden sind. Der Doppelsinn des Wortes blüht hierbei auf: Alle Orte sind vom Menschen bearbeitet, von ihm nutzbar und schön gemacht; alle stehen wie eine Wirtschaft am Weg, allen offen.“

    Mein Kommentar: Besser wär es, alle Wirtschaften würden zu ORTEN … („Utopia“ – KeinOrt)
    Sind Benjamins Sätze noch kritisch? Oder lassen sie sich ein auf die religiöse Eschatologie? Schätzungsweise hat er das selbst offen gelassen.
    Ich hoffe einfach mal, es wird für einen Leser, der mir bis hierhin einigermaßen gefolgt ist, nicht nötig sein, daß ich ihm kleinkrämerisch auseinanderfummele, wie diese Utopie logisch unüberwindlich in der negativ festgehaltenen Naturvergötterung wurzelt. Wenn ihr mal die methodisch unsaubere Operation zulaßt, daß wir uns das Privateigentum, die bürgerliche Gesellschaft einfach wegdenken, dann gibt es keine „Wirtschaften“, sondern bewohnte und unbewohnte ORTE und wo immer du hinkommst ist es DEIN Ort. DEINE Natur. Gegenstand deiner Sinne, deines Empfindens, deiner Bewegung und auch deiner Ernährung, denn anders kommst du nicht hin, ist es entweder zu kalt oder zu hoch, oder du bleibst nicht. Und selbst wenn es Orte gibt, von denen man dich wegschickt, oder von denen du weggehst, weil sie dir keinen Platz bieten, ändert das nichts Grundsätzliches.
    Benjamins Utopie, Fourier folgend, ist ein kindliches Abziehbild bürgerlicher Verhältnisse, geboren aus Moralismus und einer in religiöser Verkleidung geborgen gedachter Staatstheorie.
    Doch Fouriers Utopismus hatte einen Bestandteil, der ein ihn sprengendes Moment enthielt, Freisetzung der Sexualität, und Benjamin folgt ihm auch dahin, indem er fortfährt:

    „Eine nach solchem Bild bestellte Erde würde aufhören, eine Welt zu sein, où l’action n’est pas une soer du rêve (Baudelaire nach Fourier). Auf ihr wäre die Tat mit dem Traum verschwistert.“

    That’s it! „Sex“ i.w.S., von genitaler Fetischisierung und Unterwerfung unter die Ökonomie der Ausbeutung entlastet, verschwistert die Träume den Taten, zerren beide aus dem Eltern-Kind-Verhältnis füreinander!

  296. TomGard
    12. September 2015, 09:46 | #296

    Das tiefe Schweigen 😉 finde ich begreiflich, spätestens die letzte Wendung des Fragmentes muß den meisten Lesern vorkommen, als schlage es „vollkommen aus der Art“. Das haben „Zusammenschauen“ (intuitive, poetische Verknüpfungen) halt so an sich. Doch eine „Zusammenschau“ ist just das, was das Thema fordert, vere? Es ist deshalb nicht erstaunlich und schon gar kein „Fehler“, wenn keiner dem anderen mir nichts dir nichts „zustimmen“ mag, wenn es darum geht, aus einem auf Konkurrenz und individuelle Unterwerfung unter die Last einer jahrtausende Jahre alten Tradierung des Privateigentums basierten Zusammenwirkens von Individuen heraus zu weisen – und zu finden. Wie soll das gehen, ohne etwas, was ihr vermutlich mehrheitlich – Franziska ausgenommen – verachten gelernt habt und deshalb keinen Gedanken dafür aufbringen mögt – Visionen?
    (Aber bitte: individuelle, nicht kollektive Visionen, und solche, die nicht in einer Kollektivität „auf-“ und daher untergehen sollten – schlechtes „aufheben“ – wenn’s recht ist!)
    Was ich oben postete, stand ursprünglich unter einem Arbeitstitel „Die Funktion des Orgasmus“ – und ich verlor mich in dem Thema. Deshalb setze ich jetzt noch eins ‚drauf und den Ausgangspunkt hinzu.

    TomGard wurde geboren, als im Jahr 2005 eine junge Frau, über das ihr Unfassbare eines Begehrens erstaunt, das er einer Dritten entgegen brachte, fragte: „Was ist Sex für Dich? Schreib mir das mal auf.“ Das tat er, halbtrunken und fieberhaft:

    Was Marie und mir geschah, nennt Juli punktgenau „Annexionsstreben auf den ersten Blick“. Sex ist, was einfach und unzweideutig geschieht, Annexion, oder, mit dem schönen deutschen Wort: Ein- bzw. angliedern_wollen.
    Unterstellen wir, was an/eingegliedert werden will, ist willkommen und was an/eingegliedert werden soll, hat Platz. Dann gibt es nur eine Quelle von Unfug, nämlich, wenn es das, was eingegliedert werden soll oder will, nicht gibt, was unter Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, nur dann kein rasch zu klärender Irrtum sein sollte, wenn eine Angliederung nicht einer Person, sondern einem ES gilt, dem eingegliedert werden soll.
    In letzterem Fall werden Kopf und Glieder zu Werkzeugen einer Eingemeindung. Die Feier, die beim Sex stattfindet, muß dann genau genommen neben ihm stattfinden, weil sie nicht den Beteiligten selbst, sondern dem ‚höheren‘, sie willkürlich oder unwillkürlich verklammernden ES gilt. Obendrein sind die Beteiligten vor einem ES erstmal „gleich“, bevor sie unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit auch verschieden sein dürfen und sollen.
    Du ahnst: alles Häßliche, Widerwärtige, Gewaltsame, nicht zu vergessen das Langweilige und Banale, das es mit Sex verknüpft gibt, entstammt einem Willen zur wechselseitigen Eingemeindung der Begierden und Bedürfnisse unter ein ES.
    Ein Bund freier Menschen räumt mit allem ES auf und beseitigt nach Kräften Gründe für das Neuentstehen von ES. Er wird, wenn er denn wird, ein Bund von Bünden sein, deshalb rede ich manchmal kokett vom „Return of the Indian Nation“.
    Ein Bund besteht nur katastrophalerweise aus weniger als fünf Menschen. Vermutlich sollte er zwei Dutzend (excl. Kinder und Greise) nicht weit überschreiten. In einem Bund gibt es naturgegeben keine Gleichheit, allenfalls Ähnlichkeit als Form dessen, was einzig zählt: Verschiedenheit. Bei dem, was ein Bund und jeder darin so treibt, wird es zwanglos um möglichst viel mehr, als Sex gehen und eben drum, – siehe oben und q.e.d. – wird es um Sex unentwegt gehen.
    Abseits unmittelbarer Existenzgefährdung ist Sex das reichste Motiv für einen „Bund aus Bünden“ und in meinem Empfinden durchdringen sich diese Konzepte zunehmend.
    (Nachbemerkung: Es ist nicht unnütz, zu ermitteln und sich vorzulegen, welche Rolle individuelle Visionen in archaischen Gesellschaften haben)

  297. Mitleser
    12. September 2015, 14:01 | #297

    „halbtrunken und fieberhaft“.
    Echt jetzt?

  298. TomGard
    12. September 2015, 14:36 | #298

    Ein zeitgemäßes Angebot an Temperenzler, Juristen, akademische Wortdrexler und Lordsigelbewahrer (pun intended). Zu anderen Zeiten hätte ich „rauschhaft“ geschrieben.

  299. Gph_Thesen
    12. September 2015, 15:09 | #299

    »…auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört.« (These VI)
    »Die Gefahr droht sowohl dem Bestand der Tradition wie ihren Empfängern. Für beide ist sie ein und dieselbe: sich zum Werkzeug der herrschenden Klasse herzugeben.« (These VI)
    http://bhoa.blogsport.eu/lesenswertes/walter-benjamin-%E2%80%93-uber-den-begriff-der-geschichte/

  300. j.
    12. September 2015, 19:26 | #300

    (wenn schon „dabei“: )
    zum gelöschten hiesigen hamsterraderkennen,
    2009-wahl/psychotante fragt tg „was“
    „Du findest die Vergleiche extremistisch und unfair, Jana? Nun denn, ich illustriere damit extremistisch den Gegensatz, den Du mit Deinem „ihr wollt doch eigentlich dasselbe“ zu MIR aufgemacht hast, und ihn zugleich nicht gelten lassen willst. Ich hatte nämlich nicht kritisiert, was Kette (wirklich oder scheinbar) WILL, sondern das, was er TUT. Aus einem kritischen Blickwinkel, von den Zwecken einer Kritik gesehen, haben diese beiden verschiedenen Ansatzpunkte absolut nichts miteinander gemein. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen / Absichten gepflastert, sagt schon der Volksmund.
    —siehe oben …ka,wurds klarer? ich fragte also nicht direkt und ausschließlich dich 😉 , ich frag eure auseinandersetzung miteinander und hoffe nur,daß nebenher eine option für mich bei „rumkommt“,etwas,was mich zu meinem tun,zu einer entscheidung dahingehend bringt und ich war/bin nicht sicher , ob ihr euch nur schlagabtauschen wollt,so rein „unterhaltungstechnisch“,also zum spaß oder obs wirklich um „wege“ geht…so eine unterhaltung,einander unterhalten,kurzweil bereiten ist sicher auch legitim,aber ich hock in ner klemme und mußt deshalb meinen „ernst“ hineinwerfen,mir stellen sich manchmal fragen ernsthaft,abseits von brain**** 😉 , sorry ;-)…—-
    Die Absicht, Jana, die ich verfolge, Dir das so scheinbar überflüssig, vielleicht verletzend ausführlich vorzulegen, besteht darin, Dir klarzumachen, wie Du Dir verrätselt hast, was ich hier tu und getan hab‘ um die Frage zu stellen: ‚Warum und Wozu tust Du das‘.
    Du hast nämlich ganz explizit Deinen Eigensinn an die Stelle meiner Absichten gesetzt. Du hast zwar formuliert, Du setzest Dich dazwischen, aber gemeint hast Du, dies „Dazwischen“ sei das „Eigentliche“ dessen, was ich will UND ergo tun wollte – oder sollte.
    —??? nein,ernsthaft und ehrlich : nein! vielleicht zielte die frage auf eben die ernsthaftigkeit des denkens ab,oder obs eben spaß am denken pur ist, niemandem wünsch ich dies dazwischen bzw projezierte es wem oderoder,wozu sollt ich das tun,dann käm ich ja nie heraus aus diesem unangenehmen zustand und ja,eher will ich dort hinaus,als mir jemandem mit ins boot zu holen…“
    warum läuft -bald eins zu eins- dieselbe diskussion wie vor drei jahren hier?

  301. Alfonsito
    12. September 2015, 19:55 | #301

    Welche Debatte lief hier vor 3 Jahren?
    Ernsthaft? Über die Ernsthaftigkeit des Denkens?
    Ernsthaft?

  302. j.
    12. September 2015, 20:28 | #302

    du hasts verlinkt weiter oben
    http://neoprene.blogsport.de/2012/09/19/klarstellungen-ueber-die-sozialistische-revolution/
    ja, ich sollte mir furchtbar peinlich sein,
    bins mir aber nicht und ich lern „euren scheiß“
    erst seit sechs/sieben jahren kennen…
    weiß ja nicht, wie lang deine „schulung“ her ist,
    aber du schriebst ja mal von „vor ner ganzen weile“
    und ja, dafür, daß „ihr“ das hier schon jahrzehnte „betreibt“ is meine frage an irgendne „ernsthaftigkeit des denkens“ (naja, brainfuck is was furchtbar komisches, macht ja auch spaß) tatsächlich „harmlos“…

  303. Alfonsito
    12. September 2015, 21:02 | #303

    Sorry, die Frage nach der Ernsthaftigkeit schien mir einem Privat-E-Mail-Verkehr zwischen Leuten, die miteinander Beziehungsfragen diskutieren, zu entstammen.
    Dass es um die Frage nach der Ernsthaftigkeit der Intentionen des Blogbetreibers Walgesang oder der hier Diskutierenden ginge, habe ich missverstanden.
    Bloggen – ist für mich auch nur eine andre Art des Diskutierens, das man ansonsten im Job, im persönlichen Umfeld, mit den Liebsten oder in explizit ‚politischen‘ Zusammenhängen betreibt. (Falls mein Arbeitskollege oder mein Freund irgend etwas komisch vorkommt, kann er mich ja dazu konkret inhaltlich befragen. Aber die Frage danach, ob das Gespräch ‚ernsthaft‘ sei, ist zu vage und auch zu allgemein gestellt: man ist so ernsthaft bei der Sache, wie es gerade so ist. Jedenfalls kenne ich keinen, der als Prinzipienreiter der Ernsthaftigkeit herumrennt. Wenn ich mit ihm Glück habe, dann ist er an der Sache interessiert.)

  304. j.
    12. September 2015, 21:36 | #304

    also ich „stieß“ auf dies blog hier übern nachfragen an wen, wie er „…“ denn beurteilen würde (oder so ähnlich) und dann kam ein link hierher mit nem „etwa wie neoprene“… 🙄
    naja, egal… ich denk halt nur „an mich und mein in-ner-klemme-stecken“ von vor sechs jahren, dies mich-überwinden meine brennende frage dort in ner diskussion zu eben „wählen is verkehrt“ zu stellen (romanartig und wirr wie hier 😉 ) und klar war mir nicht klar, was das fürn „schwanz“ an fragen nach sich ziehen würde durch einfach „agitation“ im besten sinne…
    indem eben auch mein „ey, ich versteh das echt nich“ oder eben einkopiertes „ey, mag sein, ihr beide seid mitnander irgendwie klar, aber ich mir für mich nich, helft mir mal bidde“ „ernstgenommen“ wurd…
    und dann „stell ich mir vor“ wie wer ebenso „unbeleckt“ mit ner arg brennenden frage hier auf dies blog stößt, weil verlinkt oderso als „antwort“ woanders und naja… diesem jenen oder dieser jener eben nicht „geholfen“ wird, weil so`n arg eingespieltes „team“ von „wir sind mitnnander klar, aber rührens halt zum zigsten mal durch“…diese einsortierei immer, wobei alle dann wissen, „wie/wer/was“ , ka, „die trotzkisten“, die „anarchisten“, die…naja, die ganzen untergruppierungen und unteruntergruppierungen sind/seien und das gegenüber, was vielleicht ne frage stellt oder stellen mag, gar nicht mehr existiert , höchstens eben noch als „sower“…
    s wär halt nett (für mich angenehmer), wenn „euer scheiß“ als „an diesem scheiß is echt was dran (wahr), ziemlich viel sogar“ (va natürlich am „alten scheiß“, aber auch an arg vielem neueren scheiß 😉 ) „verbreitung“ finden könnt und da brauchts halt nochn bissel andres/mehr (siehe n paar zeilen drüber) als „tuben“ (auch, wenn die sehr hilfreich sind! 😉 )
    lg+gutnacht

  305. j.
    18. September 2015, 20:16 | #305

    sorry, aber muß jetzt hierher:
    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/vw-rueckruf-101.html
    also: „technik, die begeistert“

  306. Wolf
    24. September 2018, 11:46 | #306

    Sorgen um die Zeit nach der Revolution
    Rüdiger Mats sprach am 20. September 2018 in Dresden über sozialistische Planwirtschaft. Ein Ausschnitt der Diskussion
    Ich fragte, warum man sich Gedanken machen soll über eine Planwirtschaft nach der Revolution – wo doch von Revolution nichts zu sehen ist. Die richtige Kritik des Kapitalismus beinhalte doch schon die „Lösung“. Nicht ganz zufällig hat sich auch Marx auf Kapital-Kritik beschränkt und
    keinen Plan für eine sozialistische Wirtschaft entworfen.
    Die Antwort darauf, neben Mats` Bemerkung, meine Frage schmecke nach GSP, war im Wesentlichen diese:

    „Man sollte erstmal die Ansprüche an eine Planwirtschaft herunterdampfen. Es wäre in einem ersten Schritt richtig, die kapitalistischen Austauschbeziehungen beizubehalten, aber das Privateigentum abzuschaffen. Das hätte Konsequenzen. Die Leute hätten keine Angst mehr vor Repressionen, die ihnen letztlich ans Leben gehen. Dann könnte man diskutieren, was man an den Austauschbeziehungen umstellen könnte.
    Also ich gehe von den heutigen Realitäten aus, wenn ich von der Zeit nach der Revolution denke.
    Und nicht so, dass man jetzt immer mehr Ansprüche an einen Kommunismus stelle, auf die man sich vorher einigen müsse, dass erst alle alles abgestimmt haben müssen- und dann kann man an die gemeinsame Umsetzung gehen.“

    Das erinnert an Neoprene: „Rüdiger Mats ist immer gut, wenn er die Fragen und Probleme formuliert, um die es der revolutionären Linken geht oder leider zumeist ja nur gehen müßte. …
    Aber was dann leider anschließend kommt, der berühmte Königsweg zur „Übergangsgesellschaft“ hin oder Kommunismus her, dann bleibt es immer dünn. …“
    Dem ist zuzustimmen.

  307. Krim
    24. September 2018, 14:25 | #307

    Vor allem ist es kompletter Blödsinn den Tausch zu behalten, aber das Privateigentum abzuschaffen, wo der Tausch doch Privateigentümer unterstellt, die in einem Gegensatz stehen. Wenn das Privateigentum abgeschafft ist, wo soll der Gegensatz herkommen, der einen Tausch erforderlich macht. Wenn alles gesellschaftliches Eigentum ist, wieso sollte die Gesellschaft mit sich selbst im Tausch einen Gegensatz ausfechten. Einen möglichst großen Nutzen auf sich ziehen, um auf der anderen Seite von sich selbst geschädigt zu werden. Das wäre wirklich ein sinnfreie Übung.

  308. Mattis
    26. September 2018, 18:50 | #308

    „Ich fragte, warum man sich Gedanken machen soll über eine Planwirtschaft nach der Revolution – wo doch von Revolution nichts zu sehen ist. Die richtige Kritik des Kapitalismus beinhalte doch schon die „Lösung“. Nicht ganz zufällig hat sich auch Marx auf Kapital-Kritik beschränkt und keinen Plan für eine sozialistische Wirtschaft entworfen.“ (Wolf)

    Marx hatte sich andere Prioritäten gesetzt. Für die Kritik am Kapitalismus war erstmal Grundlegendes zu erforschen.
    Aber eine Abhandlung über Sozialismus / Kommunismus wär schon nicht schlecht gewesen und hätte gut dazu beitragen können, die realsozialistischen und ähnliche Verirrungen zu vermeiden.
    Abgesehen davon hat Marx mehrfach angeführt, dass er die Arbeitszeitrechnung für geeignet hält, die transparenten ökonomischen Beziehungen in einer freien Assoziation der Produzenten zu realisieren. Also dieser Grundgedanke war durchaus schon bei ihm vorhanden. Insbesondere hat er klargestellt, dass Arbeitszertifikate, also Ansprüche auf individuellen Konsum gemäß geleisteter Arbeitsstunden, kein Geld sind und kein Tauschverhältnis bewerkstelligen.
    Gegen Rüdiger Mats ist also nicht zu setzen, dass das Thema Sozialismus unangebracht sei, sondern was er inhaltlich zu seiner Art Übergangsgesellschaft schreibt.
    So, und eine Gesellschaft der Konkurrenz ist nunmal ein ziemlich schädliches Ding, egal wer da Eigentümer der Produktionsmittel ist. Das fehlte gerade noch, dass die Arbeiter sich quasi selber den Konkurrenzdruck machen mit allen Konsequenzen bis hin zu den üblichen unvermeidlichen Entlassungen und Lohnsenkungen.

  309. Wolf
    29. September 2018, 11:58 | #309

    @Mattis: &gt;Aber eine Abhandlung über Sozialismus / Kommunismus wär schon nicht schlecht gewesen…
    Marx lebte 64 Jahre lang – warum soll seine ökonomische Betrachtung des Sozialismus zufällig (?) ausgeblieben sein? Er war eben keiner wie Mats, der sich in Spekulationen über eine sozialistische Gesellschaft ergeht, die sich gar nicht vernünftig entwickeln kann, solange ihre Basis nicht gegeben ist.
    Was ist so schwer an einer Planwirtschaft, orientiert an Bedürfnissen statt am Profit? Ja, man muss schon einiges wissen über Ökonomie und Organisation. Doch sicher ist es nicht notwendig, Lenins Fehler zu wiederholen, der aus der Überwindung eines Problems- damals die Versorgung der Städter durch die Bauern, mittels Zulassung kapitalistisch geprägten Handels – ein ganzes Wirtschaftsprogramm machte und Parteikader in die Schule der Kapitalisten schickte.
    So ähnlich stellt sich das Mats nämlich vor, wenn er empfiehlt, „die kapitalistischen Austauschbeziehungen beizubehalten“.
    Vielleicht meintest du ja eben das, was an der Theorie von Mats kritikabel ist?

  310. Wolf
    29. September 2018, 12:07 | #310

    @Krim: So ähnlich geht auch meine Kritik an Mats. Der hat nun per mail geantwortet. Mal sehen, ob sich NEOPRENE entschließt, diese Antwort hier einzustellen.

  311. 29. September 2018, 12:53 | #311

    Da Rüdiger Mats in seiner Mail eh nichts privatpolitisches geschrieben hat, hier seine Antwort und meine Entgegnung darauf:
    „Zur Beibehaltung stofflicher Austauschbeziehungen, die vom Kapitalismus kommend vorgefunden werden: Hier ging es mir um die ersten Monate nach der Revolution, nicht um ein Konzept einer Übergangsgesellschaft allgemein oder gar der Befreiung. Abgewiesen werden sollte an dieser Stelle die Vorstellung, man könne sich im Vorfeld theoretisch eine vernünftige Umgestaltung der produktiven Beziehungen im Detail ausrechnen und dann am Tag x +1 unmittelbar umsetzen. Bzw. man müsse mit der Revolution warten, bis man das kann. Ich hoffe, dass das in den folgenden Sätzen dann auch klar wurde.
    Zur Einschätzung, ich bliebe in diesen Fragen arg „dünne“: Nun, vergleichsweise dick, würde ich entgegnen. Vor allem, wenn der Vorwurf von einer Seite kommt, die meint, mit Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie „hätte“ man dazu doch schon alles Nötige – ohne zu dem Verhältnis von zentraler Planung und relativer Autonomie der Einheiten vor Ort ODER dem Verhältnis von Kontrolle der Arbeitenden über die PM zu den Interessen der Nichtproduzenten ODER der Frage wie und von wem gegenläufige Zielvorstellungen wie mehr Produkt vs. mehr Freizeit kurzfristig in Einklang gebracht werden könnten, ODER der Frage, ob Kommunismus eigentlich auch vorübergehend mit vom Kapitalismus geerbten Mangel an bestimmten Gütern funktionieren kann… Ohne zu diesen und 1000 weiteren Fragen etwas Substanzielle beitragen zu können.. “
    „… zum Streitpunkt zwischen uns (dreien): Was du zum Thema zu sagen hast, habe ich ja immer gerne aufgenommen, auch wenn ich das letztlich, gemessen an den Problemen, die ich persönlich sehe, in der Tat, auch jetzt wieder, für „dünne“ halte. Was der GSP zum Thema sagt, bzw. ja eher nicht sagt, ist auch bekannt, der Genosse nun, der auf deiner Veranstaltung dementsprechend interveniert hat, liegt wohl weitgehend auf GSP-Linie.
    Ich halte es in der Tat auch für sinnvoller, wenn diese seine Frage im Zusammenhang mit deinem ganzen Vortrag gesehen werden kann und würde mich freuen, wenn du/ihr den Mitschnitt veröffentlichungsreif hinkriegen würdet.
    Mir persönlich geht es überhaupt nicht um die „ersten Monate nach der Revolution“, denn für die wird wohl die Märchenvorstellung des GSP, daß da schon am ersten Tag einfach nur der Kommunismus ausgerufen werden müsse und auf gehts, nichts werden. Ich mag den Begriff der „Übergangsgesellschaft“ zwar überhaupt nicht, denn damit wurde nun wirklich allzuviel Unfug angestellt und beschönigt (ich komme ja vom Trotzkismus her, die waren da immer besonders schnell damit bei der Hand) bin aber so realistisch, daß die „Muttermale der alten Gesellschaft“ sicherlich noch eine Weile nicht einfach wegzudefinieren sein werden. Ich will da auch keine Neuauflage von ausgemalten utopistischen Vorstellungen und Regelwerken haben, das wäre in der Tat unvernünftig.
    Wie du siehst, ist mein Urteil, deine bewußte Vagheit sei ein bißchen „dünne“ etwas merklich anderes als das Wegwischen der von dir ja zurecht gesehenen Probleme des (hüstel) Übergangs. Selbst aus dem weiteren Umfeld des GegenStandpunkts kam da in den letzten Jahren übrigens schon ein bißchen mehr als solch ein Abtun des Problems. Renate Dillmann hat in ihrem China-Buch einiges Lesenswertes zum Thema geschrieben (was leider nicht auf allzuviel Widerhall beim nicht allzugeneigten linken Publikum gestoßen ist) und gerade erst hat Hermann Lueer die alten rätekommunistischen Vorstellungen der Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) aufgegriffen und neu vorgestellt.
    Ich habe in solche Debatten immer gegen die (leider) naheliegenden Konzepte des kleinen autonomen „Selbstentscheidens“ eingegriffen und einer vernünftigen Gesamtplanung, die auch unterschiedliche Bedürfnisse und Leistungsbereitschaften oder Fähigkeiten berücksichtigt, das Wort geredet. Halt immer noch Kommunismus und nicht Commonismus, um es auf ein Modewort der letzten Jahre zu bringen.“

  312. Wolf
    29. September 2018, 18:55 | #312

    @Neoprene: &gt;&gt;Mir persönlich geht es überhaupt nicht um die „ersten Monate nach der Revolution“, denn für die wird wohl die Märchenvorstellung des GSP, daß da schon am ersten Tag einfach nur der Kommunismus ausgerufen werden müsse und auf gehts, nichts werden. Ich mag den Begriff der „Übergangsgesellschaft“ zwar überhaupt nicht, denn damit wurde nun wirklich allzuviel Unfug angestellt und beschönigt (ich komme ja vom Trotzkismus her, die waren da immer besonders schnell damit bei der Hand) bin aber so realistisch, daß die „Muttermale der alten Gesellschaft“ sicherlich noch eine Weile nicht einfach wegzudefinieren sein werden.<<
    Also einerseits pflegt der GSP „Märchenvorstellungen“ über die „Ausrufung des Kommunismus“- andererseits passt dir eine Übergangsgesellschaft nicht, und drittens wird es nach einer sozialistischen Revolution noch lange „Muttermale“ des Kapitalismus geben.
    Kommunismus wird nicht ausgerufen, zwischen Kapitalismus und Kommunismus liegt der Übergang des Sozialismus. Da hast du deine Übergangsgesellschaft, in die keine weiteren Übergänge hineinzudeuteln sind. Dir scheint nicht klar zu sein, welche konkrete Kritik der GSP am vergangenen „Realsozialismus“ hat. Abschaffung des Privateigentums, okay. Und dann Einführung kapitalistischer Instrumente, wie Lohn, Gewinnwirtschaft, ein Versicherungswesen und am Ende gar Kredite. Wahrscheinlich auch wegen gewisser „Muttermale“, nicht wahr?
    Eine Revolution stellt alle ökonomischen Verhältnisse um, radikal. Wenn es da Notwendigkeiten gibt, sich mit feindlichem globalen Kapitalismus zu vergleichen, dann sind die militärischer Art. Die haben Atomwaffen- dann brauchen wir auch welche.
    Seine Gegner jedoch „überholen, ohne einzuholen“- diese Maßgabe ist schon deshalb unsinnig, weil man entgegengesetzte Zwecke verfolgt. Wer den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden will, der entwickelt kein Wirtschaftsprogramm, das auf Gewinn aus ist. Aber vielleicht magst du ja näher definieren, was denn so unausrottbare Muttermale der alten Gesellschaft sein sollen, zu denen auch du Kompromisse zu machen bereit wärest…
    Vielleicht hilft hier ja auch weiter, was Peter Decker unlängst über Planwirtschaft und Oktoberrevolution sagte: file:///C:/Texte/Philosophie/gegenstandpunkt/neue%20Bücher/2017-Peter-Decker-Interview-zur-Oktoberrevolution.pdf

  313. 29. September 2018, 19:31 | #313

    Vor Jahren habe ich mal die Abschrift eines Vortrags eines der führenden MGler über die Oktoberrevolution gebracht http://neoprene.blogsport.de/2012/09/19/klarstellungen-ueber-die-sozialistische-revolution/
    Zu seinen steilen Thesen habe ich damals einige konkrete Fragen gestellt, die – Überraschung – sich alle um die Fragen drehten, dir mir wichtig und Hecker unwichtig erschienen, wie nämlich überhaupt z.B. „die Abschaffung des Privateigentums“ ablaufen kann bzw. im Falle des Zarenreichs gelaufen ist. Damals und später auch kam da aus der GSP-Ecke nichts an Antworten von Belang, weder hier noch irgendwo sonst soviel ich es mitbekommen habe.
    Und auch heute kommt da nur der Verweis auf die realsozialistische „Einführung kapitalistischer Instrumente“? NestorMachno z.B. wirft den Bolschewiki schon vor, das Privateigentum der Bauern auf dem Land überhaupt erst eingeführt zu haben. Sowas ist dem Hecker keine Silbe wert gewesen. Wahrscheinlich wegen der „Muttermale“. Kein Wunder, daß du immer noch ins gleiche durch und durch ideologische Horn von Hecker bläst und ohne rot zu werden einfach postulierst, „Eine Revolution stellt alle ökonomischen Verhältnisse um, radikal“. Ja wo denn, wie denn, was denn??? bin ich da geneigt entgegen zu halten. In und nach der Oktoberrevolution schon mal nicht, jedenfalls nicht gleich. Und die „Notwendigkeiten“ auf du – übrigens zu recht – verweist, erklären das beileibe nicht allein.
    Ärgerlicherweise reden GSPler immer wieder, du hier auch, über die letzten Jahrzehnte der Entwicklungen nach der Oktoberrevolution. Ja Ulbrichts „überholen, ohne einzuholen“ war kommunistisch und überhaupt Stuß. Ausgangspunkt in dieser Diskussion war aber die Frage, wie es nach einer politisch militärisch erfolgreichen Revolution überhaupt vernünftig losgehen kann. Und da fällt mir von Peter Decker eher ein, was er den DDRlern 1990 über die „Neue Ökonomische Politik“ gesagt hat, als was er und die Seinen „unlängst“ von sich gegeben haben

  314. Wolf
    29. September 2018, 19:52 | #314

    @Neoprene (immer hilfreich, Kommentare zu adressieren) Du bist immer noch verägert darüber, dass Leute vom GSP dir nicht antworteten- oder nicht so antworteten, dass es dich befriedigt. Was hättest du denn gern gehört darüber, „wie nämlich überhaupt z.B. „die Abschaffung des Privateigentums“ ablaufen kann“? Staat und Kapital stürzen, sozialistischen Staat aufbauen- weg mit dem Privateigentum. Und sonst noch? Eine Staatsgewalt hat auch im Sozialismus das Gewaltmonopol.
    Näheres zu diesem Thema findest du in dem von mir erwähnten Decker- Interview vom letzten Oktober. Aber das wolltest du jetzt gar nicht lesen, nicht wahr?

  315. 29. September 2018, 20:14 | #315

    Ja, Wolf, zumeist ist es hilfreich, Kommentare zu adressieren, wenn man darauf antwortet. Hier schien mir das nicht nötig, da ich ja direkt nach deinem Post geschrieben habe.
    Nein, ich bin nicht „immer noch verärgert darüber, dass Leute vom GSP dir nicht antworteten – oder nicht so antworteten, dass es dich befriedigt“. Ich stelle nur wieder mal fest, daß der offensichtlich semireligiöse Unfug von Hecker niemandem außer mir aufstößt. Was gerade in Bezug auf die Entwicklung der Oktoberrevolution besonders ignorant war, denn über all das, was ich da angemerkt hatte, hat es ja damals zumeist hitzige Debatten gegeben. Zum Teil ja immer noch (Nun gut nicht im und mit dem GSP.)
    Peter Deckers Interview zum Artikel im GegenStandpunkt 2/2017 (der link stimmte nicht, es gibt es hier: http://www.contradictio.de/blog/wp-content/uploads/2017-Peter-Decker-Interview-zur-Oktoberrevolution.pdf ) habe ich, natürlich, möchte ich hinzufügen, schon gelesen. In NestorMachnos Thread zur Kritik am zugrundeliegenden Artikel wurde übrigens von mehreren GSPlern auf dieses Interview hingewiesen, ohne daß das irgendeinen Nachhall gefunden hätte. Bei mir damals übrigens auch nicht.

  316. 29. September 2018, 21:03 | #316

    Ich habe mir das Decker-Interview nochmal angeschaut. Schon der Anfang ist daneben, sozusagen Hecker slight return:

    „Das, was sie erstmal gut gemacht haben, oder was sie gemacht haben, ist, dass sie wirklich eine Revolution durchgeführt haben. … Denn die Oktoberrevolution hat mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln auch die gesamte Privatmacht des Eigentums zerstört.“

    Haben die Bolschewiki doch gar nicht! Die große Errungenschaft der Revolution (mit der Hauptparole für Land und Frieden) war doch die Einführung der Privatbauernschaft. Und daß den Revolutionären damit letztlich dann doch „die Privatmacht des Eigentums“ entgegen geschlagen ist, haben Stalin und Bucharin ja auch gemerkt und Ende der 20er die Landwirtschaft zwangskollektiviert, wahrlich ein Ruhmesblatt der KPdSU!

  317. Wolf
    30. September 2018, 10:51 | #317

    Neoprene: „Die große Errungenschaft der Revolution (mit der Hauptparole für Land und Frieden) war doch die Einführung der Privatbauernschaft.“
    Das war ein Notprogramm, keine Errungenschaft der Revolution. Sonst wäre der Zweck der Revolution Kapitalismus gewesen. Hecker sagte ja schon, dass die Bolschewiken immer groß darin waren, aus einer Problemlösung eine Theorie zu machen. Lenin erwähnte, dass kapitalistische Wirtschaft im Sozialismus noch eine ganze Weile Bestand haben müsste- aber warum denn?
    Neoprene: „Und daß den Revolutionären damit letztlich dann doch „die Privatmacht des Eigentums“ entgegen geschlagen ist, haben Stalin und Bucharin ja auch gemerkt und Ende der 20er die Landwirtschaft zwangskollektiviert, wahrlich ein Ruhmesblatt der KPdSU!“
    Damit sagst du selbst, dass die Fortsetzung des Fehlers sehr gerecht zu weiteren Fehlern führte.
    Statt mit den Bauern und Arbeitern zu streiten, um zu einer vernünftigen sozialistischen Wirtschaft zu kommen, von der die Massen auch überzeugt sind- dann brauchen sie nämlich keine sozialistische Moral mehr- haben Stalin und weitere Herrscher die Kommandowirtschaft des Geldes erhalten, sich mit dem globalen Kapital direkt verglichen und sind folgerichtig am Ende gescheitert.
    Weiter sagte Decker: „Das Unglück ist, dass sie mit ihrer Freiheit nichts Gescheites anzufangen wussten. Sie haben, ohne dass die Sachgesetze des Kapitals noch gelten, ohne dass sie eine politische Not hatten, mit ihrer politischen Macht über die Wirtschaft eine Rechnungsweise wieder eingeführt, die sie tatsächlich vom Kapitalismus kopiert haben. Zuerst befreien sie die ganze Gesellschaft
    vom Zwang des Kapitals und dann richten sie eine Wirtschaft ein, in der sie alle von Marx damals benutzten Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie
    wie Rezepte für das richtige Wirtschaften missverstanden haben.“

  318. 30. September 2018, 11:44 | #318

    Wolf, du mußt dich schon entscheiden, ob die Bolschewiki „wirklich eine Revolution durchgeführt haben“ oder ob die gemeint haben, nur ein „Notprogramm“ durchsetzen zu können. Und warum die dann noch so blöd waren, das nicht als Notprogramm sondern als Schritt in die richtige Richtung zu verkaufen (deshalb mein Hinweis auf die NEP und Deckers frühere Kritik an den Bolschewiki in dieser Frage).

  319. Wolf
    30. September 2018, 12:12 | #319

    Da wir hier über u. a. die Oktoberrevolution diskutieren und das langsam zu einer Art Historikerstreit wird, der danach fragt, wie sehr die Bolschewiken damals unseren heutigen Ansprüchen an Sozialismus genügen, eine kleine Ergänzung.
    Der GSP in einer Antwort auf den Vorschlag, im Jahre 2017 in Dresden einen Vortrag über das historische Erbe der Oktoberrevolution zu halten:
    „Erstens halten wir die traditionsreiche linke Übung, Situationen, Entwicklungen, Ereignisse „einzuschätzen“, für ein grundfalsches Bemühen. Solche Einschätzungen sind nämlich immer in der einen oder anderen Weise der Abgleich mit einem Maßstab, der vielerlei Herkunft haben kann, eine aber nie: Aus der Sache, die da zum Objekt der Einschätzung gemacht wird, kommt er garantiert nicht – das macht ja die ganze theoretische Schwierigkeit und den faden Reiz aus. Z.B. an der Oktoberrevolution: Von eurem 2017 offenbar gehegten Wunsch nach – irgendeiner völlig unbestimmten und in irgendeiner ebenso völlig unbestimmten Weise – „tiefen“ „Veränderung“, wollt ihr den Revolutionären von 1917 und ihren Taten nachsteigen. An denen wollt ihr überprüfen, wie sehr diese Leute es geschafft haben, euren Maßstäben zu genügen. Was sie wollten;was für eine Kritik nämlich sie an den Verhältnissen hatten; ob die russischen Zustände 1917 mit „bürgerlich“ überhaupt getroffen sind; was die Bolschewiken – aus ihrer Kritik folgend – mit der gewaltsam eroberten Macht stattdessen einrichten wollten; warum dann das daraus wurde, was als „Realer Sozialismus“ knappe 70 Jahre lang einen Teil der Welt beherrscht hat: All das haltet ihr augenscheinlich in der Subsumtion unter die bei Linken beliebte Allerweltsfloskel von „Veränderung“ für ausreichend charakterisiert. So dass ihr euch nur noch, das aber dann ganz genau, fragt, „wie tief“ die Abstraktion„Veränderung“ der – ebenfalls leeren Abstraktion – „bürgerliche Strukturen“ tatsächlich gereicht habe. Mit wem wollt ihr euch eigentlich darüber verständigen, wie revolutionär „verändernd“ die Bolschewiken wirklich waren und was sie uns heute noch zu sagen haben? Mit einer bürgerlichen deutschen Öffentlichkeit? …
    Oder mit den vielen unzufriedenen deutschen Bürgern? Die sind tatsächlich zu großen Teilen sehr für „Veränderung“ – nämlich für eine ganz andere Härte der deutschen Staatsgewalt gegenüber arabischen Islamisten und Flüchtlingen, türkischen Politikern, griechischen Schuldnern …
    Das sollte den theoretischen Blick doch eher darauf lenken – welche heute weltweit gültigen ökonomischen Maßstäbe es sind, an denen gemessen das ökonomische Inventar des Sozialismus so gründlich durchgefallen ist, dass sich die mächtige Sowjetunion in nullkommanichts in einen etwas überdimensionierten Öl- und Gasexporteur mit einem zum großen Teil verarmten und verrotteten Volk verwandelt hat; – was der wirklich gültige Maßstab moderner imperialistischer Weltmachtkonkurrenz ist, an dem gemessen die Vernichtung der Sowjetunion sogar einen Weltkrieg wert gewesen wäre. …
    Für eine Kritik der Zustände des Jahres 2017, für Streit mit euch darüber in Form von Vorträgen, Diskussionen oder sonstwie, sind wir zu haben – für ganz und gar selbstbezogene Geschichtsbetrachtungen nicht.“ (U. Taraben)

  320. 30. September 2018, 14:07 | #320

    Wolf, du mußt dich schon wieder entscheiden:
    Entweder der Artikel im GegenStandpunkt anläßlich der vergangenen hundert Jahre seit der Oktoberrevolution, (dazu gab es ja in den Jahrzehnten der MG und des GSP mehrfach Artikel) war nötig und richtig, entweder Peter Decker hat im Interview nur Korrektes dazu zu sagen gehabt, dann mußt du auch mit Kritik daran leben (und der GSP natürlich erst recht).
    Oder es gilt auf einmal, daß GSPler über sowas, was schließlich unheimlich lange her ist und zudem per definitionem nur „ganz und gar selbstbezogene Geschichtsbetrachtungen“ sein könnten, partout nicht (mehr) diskutieren wollen. Dann hätte es aber den Anlaß für meine jetztige Kritik an den jetzigen Statements auch nicht geben dürfen.

  321. Mattis
    30. September 2018, 17:56 | #321

    „Marx lebte 64 Jahre lang – warum soll seine ökonomische Betrachtung des Sozialismus zufällig (?) ausgeblieben sein? Er war eben keiner wie Mats, der sich in Spekulationen über eine sozialistische Gesellschaft ergeht, die sich gar nicht vernünftig entwickeln kann, solange ihre Basis nicht gegeben ist.“ (Wolf)

    Welche Basis fehlt denn? Bessere Produktivkräfte als Bedingung? Revolutionäre Situation als Voraussetzung, das Nachdenken über die Alternative anzufangen? – etwas spät!
    Das Argumentieren mit fehlenden Bedingungen ist doch eine einzige Kaschierung der momentanen Unwissenheit. Statt sich der Unwissenheit gewahr zu werden, behauptet man souverän, das sei ja jetzt alles gar nicht Thema. So in etwa, als sei der Sozialismus ein ferner Planet, dessen Besiedlung man erst besprechen könne, wenn man bereits auf ihm gelandet sei. Was man in fast 200 Jahren nicht zustande gebracht hat, ein Konzept der Ökonomie des Sozialismus – das kann man dann wenn man es braucht schnell aus dem Ärmel schütteln?

  322. Mattis
    30. September 2018, 18:16 | #322

    „Zuerst befreien sie die ganze Gesellschaft vom Zwang des Kapitals und dann richten sie eine Wirtschaft ein, in der sie alle von Marx damals benutzten Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie wie Rezepte für das richtige Wirtschaften missverstanden haben.“ (Peter Decker)

    Ja, seltsam, nicht wahr? Nee, missverstanden haben die nix. Wo soll denn so ein Missverständnis plötzlich herkommen? Die haben gleich am Anfang aus lauter Ratlosigkeit eine Kehrtwende gemacht.
    Im „ABC des Kommunismus“ (Bucharin und Preobraschenski 1920) stand seitenlang, wie der Kapitalismus funktioniert, aber nur ein knapper Abschnitt darüber, wie Ökonomie im Sozialismus geht! Und jetzt wollten sie den Übergang zum Kommunismus aufbauen. Aber keiner wusste, wie das konkret geht, nochmal abgesehen von den damaligen Umständen. Marx und Engels hatten dazu nichts geschrieben außer ein paar Absichtserklärungen. Kein Wort dazu, wie die Ökonomie des Sozialismus gemacht wird. Also war das ein gigantisches Risiko, mit dem man alles aufs Spiel setzen konnte.
    Andererseits wussten alle, dass Marx und Engels den Kapitalismus quasi als Vorstufe und Wegbereiter des Sozialismus bezeichnet hatten. Da hatte man etwas, wo man dran anknüpfen konnte, das war aus berufenem Munde. Also wollte man den Spagat versuchen, die Methoden des Kapitalismus zu nutzen, ohne ihn selbst einzuführen. Man wollte das so sehen, weil es die einzige Lösung zu versprechen schien.
    Das war der Übergang, fertig. Alles weitere, viele Worte über Geltung des Wertgesetzes im Sozialismus und der ganze entsprechende theoretische Überbau, das ist alles nachträgliche Legitimation dieser einen wesentlichen Entscheidung. Das hat man beim GegenStandpunkt nicht verstanden. Aber es handelt sich nicht um ein Missverständnis der Theorie. Hätten sie das von Anfang an missverstanden, hätten sie es schon ins ABC reingeschrieben. Deshalb ist es auch verkehrt zu meinen, sie hätten auch vorher schon was anderes gewollt als im ABC formuliert. Die Realität ist banal: sie sahen sich unter dem ungeheuren Druck der Umstände nicht in der Lage, diese mit einem eigenen, neu zu entwickelnden Konzept einer sozialistischen Ökonomie zu bewältigen. Die NÖP aber erlaubte es, sogar Marx und Engels als Quelle der Einsicht zu behaupten bei dem, was man als einzig realisierbare nächste ökonomische Schritte ansah.

  323. Geerd
    1. Oktober 2018, 08:50 | #323

    Effizienz – getrennt davon, wofür diese Effizienz im Kapitalismus die Methode ist – war vorgestern, gestern und heute das Loblied auf den Kapitalismus, welches die Realsozialisten nachgebetet haben.
    Und dementsprechend war ihre Kritik an ihren eigenen Mängeln oder an ihren Versuchen mit einer anderen Ökonomie: das war ineffizient bis selbstmörderisch. Auch die chinesische KP hat so die merkwürdigen Versuche, die Industrialisierung per eigenen Hochöfen auf den Dörfern darin dann kritisiert: sie seien ineffektiv. Als wäre das das daran einzig zu registrierende. So auch die Selbstkritik Gorbatschows an den Resultaten seiner Methode, szialistische Interessen konkurrierend gegeneinander produktiv nutzen zu wollen: An Effektivität lässt sich aus Sicht der Realsozialisten der Kapitalismus nicht ‚einholen und überholen…‘

  324. 1. Oktober 2018, 11:15 | #324

    Ja Geerd,

    „Effizienz – getrennt davon, wofür diese Effizienz im Kapitalismus die Methode ist – war vorgestern, gestern und heute das Loblied auf den Kapitalismus, welches die Realsozialisten nachgebetet haben.“

    Aber eben nicht erst im ersten 5-Jahres-Plan der SU oder im Großen Sprung nach Vorn in der VR China, während die Bolschewiki wenigstens eine „richtige“ Revolution gemacht hätten.
    Vor Jahren habe ich hier mal auf die frühe Begeisterung nach der Oktoberrevolution in Rußland hingewiesen
    http://neoprene.blogsport.de/2009/10/12/mussten-die-auch-oder-wollten-die-nur-zum-charakter-der-sowjetunion/#comment-41114

  325. Wolf
    1. Oktober 2018, 11:23 | #325

    Planwirtschaftliche Konzepte als Wahlwerbung einer alternativen Elite
    @Neoprene: Ich entscheide mich dazu, die Dinge zusammen zu denken. Was der GSP dazu sagte – und was er überhaupt zu historisierenden Betrachtungen zu sagen hat. Du findest auch im Decker-Interview den Bezug zur Gegenwart. Mit Bezügen auf Venezuela und auf die wenigen Leute, welche sehen, dass ihre revolutionären Ideen kaum Anklang finden. Und schließlich im Brief von Usama Taraben, der fragt, wen denn eigentlich solche linken Debatten um die Oktoberrevolution interessieren – die keinen Bezug zur Gegenwart haben.
    Es ist ja bekannt, aus welch unterschiedlichen Gründen und Interessen heute Geschichte betrachtet wird. Die einen sind Historiker, sie erklären nicht, was eine Sache war und fragen stattdessen immer nach dem „Warum“. Soziologen liefern auch nichts zur Erklärung der Gesellschaft, nehmen die Verhältnisse (alte wie aktuelle) als naturgegeben und haben Vorschläge, wie sich Menschen besser in ihrer Armut einrichten können. Politologen gehen von politischen Sachzwängen aus und erklären nicht die Interessen der Politik. Usw.
    Da muss sich jeder selbst fragen, was ihn denn nun an der Geschichte- und einer möglichen Zukunft- interessiert.
    Hier noch eine Erklärung des GSP, warum es blöd ist, sich über planwirtschaftliche Konzepte Gedanken zu machen. Ein Kernsatz:

    „Wer nach der Attraktivität des kommunistischen „Angebots“ fragt, der verwechselt Kapitalismuskritik mit der Wahlwerbung einer alternativen Elite, die verspricht, es dem werten Bürger besser zu richten als diejenigen, die die Macht innehaben.“

    Konkret:

    „Wenn Leute, die du mit einem „durchdachten planwirtschaftlichen Konzept“ mobil machen möchtest, uns jetzt immer noch fragen, welche bessere Alternative wir ihnen zu bieten hätten, dann müssen wir mal dagegen fragen: Haben die sich eigentlich ihr Dasein im Kapitalismus aus dem großen Warenhauskatalog der Systeme herausgesucht? Haben sie womöglich nur deswegen nicht für den Sozialismus votiert, weil der entsprechende Prospekt nicht rechtzeitig bei ihnen eingegangen ist? Oder haben sie womöglich doch mal was von einer Staatsmacht gehört, die überhaupt keine Systemalternativen zulässt, sondern ihre Bürger gesetzlich darauf festlegt, sich in den verordneten Existenzbedingungen der Geldwirtschaft zu bewähren, also zu verschleißen? Und wenn sie sich schon vorstellen können – oder wenigstens so tun, als ob –, dass eines Tages die Macht des Kapitals gebrochen und eine neue Ordnung errichtet wird, womöglich sogar von ihnen selbst – von wem denn sonst? –: Wollen sie sich dann wirklich unmittelbar hinterher von einer neuen Obrigkeit sagen lassen, was sie zu tun haben und was ihnen zusteht?
    Anders gesagt: Wer nach der Attraktivität des kommunistischen „Angebots“ fragt, der verwechselt Kapitalismuskritik mit der Wahlwerbung einer alternativen Elite, die verspricht, es dem werten Bürger besser zu richten als diejenigen, die die Macht innehaben. Der missversteht sich selbst als den umworbenen Wähler, der im Warenhaus der polit-ökonomischen Systeme entscheiden darf, welches er lieber in Auftrag geben will – bei anderen, die dann für die Lieferung zuständig sind. Der denkt als Untertan, über den herrschende Instanzen entscheiden, und hat beschlossen, genau das zu bleiben: demokratischer Untertan, dem nur die Wahl zwischen zwei Sorten Herrschaft bleibt – die aber schon. Solchen Leuten können wir nur sagen: Die freie Auswahl bietet ihnen niemand. Entweder sie erkämpfen sich die Freiheit, sich ihre politökonomischen Lebensbedingungen vernünftig einzurichten, oder sie haben in der Frage weiterhin nichts zu melden.“

    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/leserbrief-kritik-statt-alternativen

  326. 1. Oktober 2018, 11:37 | #326

    Das wundert mich leider nicht, daß auch du Wolf, ganz GSPler, der du offensichtlich bist, am liebsten zur Beschimpfung mit Unterstellungen greifst. Du bist und bleibst halt der einzig senkrechte Kommunist umgeben von demokratischen Idioten, die sich auch noch für was Besseres halten.

  327. Geerd
    1. Oktober 2018, 12:09 | #327

    Effizienz und Systemvergleich – das ist eine falsche Deutung und Schlussfolgerung aus Mängeln der Planung. Die Planung zielte aber zunächst einmal auf die Versorgung (!) der Leute. Das war der ursprüngliche Zweck – nicht einholen und überholen u.dgl.
    Mattis Idee, dass sie, nachdem andere „Planungsmethoden“ am Maßstab der Versorgung gescheitert waren, auf die Idee verfallen seien, die NEP sei deswegen ein guter Ausweg, weil Marx und Engels, ihrer Lesart zufolge, die Ahnherren des historisch-dialektischen Geschichtsdeterminismus gewesen seien, inkl. dieser heiligen Stadien und deren Vorstufen etcpp, leuchtet mir für die Phase der NEP und auch als Grundlegung der späteren Plan-Wertgesetz-als-Hebel-Ökonomie schon ein.

  328. Mattis
    1. Oktober 2018, 12:10 | #328

    @Wolf
    Ja, dieser wirklich unsägliche Artikel des GSP, einer der peinlichsten überhaupt, in dem Theorie verwechselt wird mit einem 5-Jahres-Plan und das dann auch noch als Wahlwerbung für den Bundestag diffamiert wird.
    „Oder haben sie womöglich doch mal was von einer Staatsmacht gehört, die überhaupt keine Systemalternativen zulässt“
    Ach so, ja, was machen wir dann hier noch?

  329. Geerd
    1. Oktober 2018, 12:21 | #329

    Nachfrage:
    Dass die Bolschewiki aufgrund der Erfahrung, dass es mit der Durchsetzung ihres ursprünglichen Zweckes der Versorgung nicht geklappt hatte, deswegen einen Zweckwechsel getätigt haben: es muss „möglichst effektiv gewirtschaftet“ werden …
    … stimmt das so als Erklärung für den Übergang?

  330. Mattis
    1. Oktober 2018, 12:25 | #330

    „Effizienz und Systemvergleich – das ist eine falsche Deutung und Schlussfolgerung aus Mängeln der Planung. Die Planung zielte aber zunächst einmal auf die Versorgung (!) der Leute. Das war der ursprüngliche Zweck – nicht einholen und überholen u.dgl.“ (Geerd)

    Richtig, und selbst die allergrundlegendste Versorgung der Leute war damals schon ein Mammutprogramm, unter den gegebenen Umständen.
    Der GegenStandpunkt macht es sich zu leicht mit dem ständigen Verweis auf die Konkurrenz mit dem Kapitalismus. Hätte man in der DDR bessere Wohnungen und mehr Auswahl an Lebensmitteln gehabt, wenn man die „Konkurrenz“ sein gelassen hätte? Wie hätte das ausgesehen?
    Oder soll man schlechtere Wohnungen ganz ok finden, nur weil das Streben nach besseren Wohnungen ein blödes Messen mit dem Kapitalismus wäre?
    Worin bestand denn diese angebliche Konkurrenz materiell? Wo hat man denn in der DDR tolle Autos für den Weltmarkt produziert und deswegen für die eigenen Bürger nur den Trabbi übriggehabt? Ist denn wirklich das mobilisierende Gerede vom Einholen und Überholen der Grund für Versorgungsmängel, die ansonsten angeblich ganz locker behebbar gewesen wären?

  331. Wolf
    1. Oktober 2018, 12:35 | #331

    @Geerd: Zwecke sind keine Mittel. Ein Notprogramm zur Versorgung ist ein Mittel – warum sollte man da 70 Jahre lang vom Zweck – Versorgung ohne Ausbeutung – notwendig absehen, wenn man ein temporäres Problem – Versorgung damals – vor sich hatte?

  332. Krim
    1. Oktober 2018, 12:48 | #332

    „Wer nach der Attraktivität des kommunistischen „Angebots“ fragt, der verwechselt Kapitalismuskritik mit der Wahlwerbung einer alternativen Elite,“

    Verwechseln tut dieser Frager nichts. Im Gegenteil, der ist sich doch sicher, dass das kommunistische Angebot unattraktiv ist. Sonst wurde er nicht fragen. Das ist bloß eine Methode den Gegner auflaufen zu lassen, indem man ihn an den eigenen (systemkonformen) Maßstäben scheitern lässt.
    Deshalb ist auch folgender Hinweis daneben:

    „Oder haben sie womöglich doch mal was von einer Staatsmacht gehört, die überhaupt keine Systemalternativen zulässt, sondern ihre Bürger gesetzlich darauf festlegt, sich in den verordneten Existenzbedingungen der Geldwirtschaft zu bewähren, also zu verschleißen?“

    Klar haben sie von ihr gehört und sie begrüßen sie als Garant der Demokratie, das so ein unschlagbar tolles System auf die Beine stellt, dass man sich als Bürger heuchlerisch, ähm „unschuldig“ hinstellen kann, um vom Gegner den virtuellen Vergleich der Systeme zu fordern. Blamage des politischen Gegners ist der Zweck dieser Gedankenoperation. Deshalb ist auch der Hinweis daneben:

    „Der missversteht sich selbst als den umworbenen Wähler, der im Warenhaus der polit-ökonomischen Systeme entscheiden darf, welches er lieber in Auftrag geben will – bei anderen, die dann für die Lieferung zuständig sind.“

    Hier missversteht nur einer was und das ist der GSP. Der Bürger glaubt doch nicht im Ernst, dass ihm eine Systemwahl vorgelegt wird. Der ist einfach ein Parteigänger des demokratischen Kapitalismus. Weil er den g u t findet, gibt er vor die Wahl zu haben und schickt den politischen Gegner in einen virtuellen Systemvergleich von dem er sich sicher ist, dass er für Demokratie und Kapitalismus ausgeht. Und warum geht er für Demokratie und Kapitalismus aus. Einfach weil er die Auswahl trifft und seine Maßstäbe, die die eines Bürgers sind, entscheiden.

    „Solchen Leuten können wir nur sagen: Die freie Auswahl bietet ihnen niemand.“

    Sehr matt. Als wüssten sie das nicht längst.

    „Entweder sie erkämpfen sich die Freiheit, sich ihre politökonomischen Lebensbedingungen vernünftig einzurichten, oder sie haben in der Frage weiterhin nichts zu melden“

    Oh je. Da hat man einen beinharten Systemapologeten vor sich und der GSP schlägt vor: „Erkämpf dir die Freiheit!“ Der denkt sich eine Methode aus, um den GSP möglichst blöd dastehen zu lassen und der GSP meint, er soll sich die Freiheit erkämpfen, als hätte der Bürger sich beklagt, unterdrückt zu sein. Da könnte man auch einem Fleischesser empfehlen, „entweder du erkämpfst dir die Freiheit vom Fleischkonsum oder du hast weiterhin nichts zu melden und musst auch in Zukunft Fleisch essen“.

  333. Geerd
    1. Oktober 2018, 12:57 | #333

    Ein Notprogramm zur Versorgung – ist ein Mittel für den Zweck der Versorgung, den man zunehmend aber immer besser hinkriegen will, mittels Planwirtschaft. So ginge das doch rationell. Oder?
    Ist Versorgung nun der Zweck (gewesen) – oder nicht?
    Die Bolschewiki hatten augenscheinlich beides: den Zweck der Versorgung wollten sie durchsetzen. Gleichzeitig müssen sie am Kapitalismus dessen Effizienz nicht als bekämpfenswert, sondern als bewundernswert angesehen haben. Aber die Falschen hätten von der Effizienz profitiert. Also hatten sie so auch den Zweck der „Effizienz“. [Und zwar nicht erst später, als er ihnen per Konkurrenz auf dem Weltmarkt etcpp noch mal praktisch als Anforderung entgegen gekommen ist. Das lass ich jetzt weg.]
    B e i d e Maßstäbe müssen bei den Bolschewiki bereits vorhanden gewesen sein, sonst hätten sie nicht ratzfatz den einen, kaum dass dessen Umsetzung extrem schwierig war, durch den anderen ersetzt.
    Dass Effiziens des Kapitalismus auf Ausbeutung beruhte, meinten sie zu wissen. Dabei haben sie aber gar nicht auf das ökonomische System des Kapitalismus („Arbeit und Reichtum“), sondern einzig a) auf den Nutznießer, den fetten Kapitalisten, b) auf den entrechteten Proletarier, geschaut. Nicht aber darauf, dass die bewunderte Effizienz des Kapitalismus ohne den produktischen Verschleiß der Arbeitskraft notwendig gar nicht ginge.

  334. Krim
    1. Oktober 2018, 13:05 | #334

    „Hätte man in der DDR bessere Wohnungen und mehr Auswahl an Lebensmitteln gehabt, wenn man die „Konkurrenz“ sein gelassen hätte? Wie hätte das ausgesehen?“

    Das ist eine hypothetische Frage. Wenn man einen Fehler lässt, kann dieser auf jeden Fall nicht mehr der Grund eines Mangels sein.

    „Oder soll man schlechtere Wohnungen ganz ok finden, nur weil das Streben nach besseren Wohnungen ein blödes Messen mit dem Kapitalismus wäre?“

    Eigentlich war es so, dass die schlechten Wohnungen, das Resultat ihrer massenhaften industriellen Erstellung in Konkurrenz zum Westen waren. Bessere, aber weniger Wohnungen hätten nicht zu der Konkurrenz gepasst.
    Deshalb ja die Abkehr vom den stalinistischen Arbeiterpalästen der 50er Jahre.

    „Wo hat man denn in der DDR tolle Autos für den Weltmarkt produziert und deswegen für die eigenen Bürger nur den Trabbi übriggehabt?“

    Tolle Autos vielleicht nicht, aber Privileg Kühlschranke und Waschmaschinen für Quelle und zu gleicher Zeit nur Trabis. Der Trabbi ist sicher nicht nur eine Ergebnis von Mangel, sondern auch das was sich die Führung als Mobilität fürs Volk vorgestellt hat. Der Trabbi war eben ein Volkswagen. Im Westen ist das Auto ja auch ein Fetisch und von mir nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Man schaue sich nur die riesigen, schweren, Benzinfressenden SUV-Kutschen für Städter an, die ihr Leben lang keine Offroadstrecken fahren. Ist das ein Vorbild?

  335. Geerd
    1. Oktober 2018, 14:04 | #335

    „Zwecke sind keine Mittel. Ein Notprogramm zur Versorgung ist ein Mittel – warum sollte man da 70 Jahre lang vom Zweck – Versorgung ohne Ausbeutung – notwendig absehen, wenn man ein temporäres Problem – Versorgung damals – vor sich hatte?“
    @ Wolf
    Deswegen meine ich ja, dass die Bolschewiki sich als zweitbestes Mittel (es war aber doch gar keines!) zur Verbesserung der Versorgungslge sich ihr Ideal von der ‚geplanten Hebel-Wertgesellschaft minus der Figur des ausbeutenden Kapitalisten‘ haben vorstellen wollen – und zwar derart intensiv, dass das schon kein „Mittel“ mehr war für den Zweck der Versorgung.
    Da sie „das Übel des Kapitalismus“ falsch bestimmt haben, haben sie diverse Mechanismen des Kapitalismus als angebliches bloßes Mittel zur Versorgung eingesetzt. Dass es nur das war, das haben sie bis zuletzt geglaubt. Gleichzeitig müssen sie auch geglaubt haben, mit ihrer Variante hätten sie die Effizienz des Kapitalismus einholen und überholen können.
    (Die Chinesen denken da ja ähnlich. Führen aber genau deswegen den gesamten Scheißdreck des Kapitalismus von A bis Z auch wirklich bei sich ein.)

  336. Mattis
    1. Oktober 2018, 15:55 | #336

    „Eigentlich war es so, dass die schlechten Wohnungen, das Resultat ihrer massenhaften industriellen Erstellung in Konkurrenz zum Westen waren. Bessere, aber weniger Wohnungen hätten nicht zu der Konkurrenz gepasst.“ (Krim)

    Ich bezweifle wirklich, dass die Art des Wohnungsbaus sich irgendwie an der Konkurrenz orientiert hat. Und selbst an dem Beispiel ist zu sagen: es wäre den Leuten auch nicht gedient gewesen, hätte man bessere Wohnungen, aber weniger davon gebaut!

  337. Mattis
    1. Oktober 2018, 16:08 | #337

    In einem Vortrag zur DDR Ökonomie 1989 sagte Peter Decker, dass der beständige Zwang zur Akkumulation, den Marx im Kapitalismus erkannte, von den Realsozialisten als allgemeines Gesetz aufgefasst worden sei, an dem jetzt die ganze Produktionsweise festgemacht werde. (ca ab 02:52)
    Ich halte dagegen: in der DDR hat man nicht die Produktivkräfte entwickeln wollen, weil man an ein Akkumulationsgesetz glaubte, sondern man hat dieses „Gesetz“ angeführt, um die Belastungen, die das Weiterentwickeln der Produktivkräfte, welches zur besseren Versorgung nötig war, mit sich bringt, ideologisch zu überhöhen und unangreifbar zu machen.
    Rein sachlich stimmt es ja gar nicht, dass die DDR unsinnigerweise Mittel in die Verbesserung der Produktion gesteckt hat und sozusagen Produktionsmittel um ihrer selbst willen aufgebaut hätte zu Lasten des Konsums. Am Beispiel gefragt: Wo stehen denn die modernen Autofabriken, die man angeblich gebaut hat, statt mit demselben Umfang an Arbeit einfach Autos fürs Volk zu bauen? Hatte man denn überhaupt Fabrikkapazitäten genug, um mehr Autos zu bauen statt eine Autofabrik zu modernisieren? Nein, eben nicht – also was ist falsch am Fabrikenbauen und -modernisieren, wenn dies nötig ist zur Erzeugung noch fehlender oder besserer Konsumgüter?

  338. 1. Oktober 2018, 16:14 | #338

    Meiner Erinnerung nach haben DDR-Bürger die verfallenden Innenstadtwohnungen als „schlechte“ Wohnungen angesehen (wegen mangelnder Heizbarkeit und fehlender Badezimmer moderner Art) und nicht die WBS70-Neubauwohnungen die nach dem SED-Beschluß von 1973, bis 1990 die Wohnungsnot zu beheben, gebaut wurden.
    Wenn Mattis behauptet,

    „es wäre den Leuten auch nicht gedient gewesen, hätte man bessere Wohnungen, aber weniger davon gebaut!“

    ist sowas schon mal grundsätzlich ein Problem: die Leute sind ja vor dem Beschluß auf der 10. ZK-Tagung der SED überhaupt nicht gefragt worden. Nachdem jahrelang nach Abschluß der Vorzeigeprojekt wie der Stalin-Allee in Berlin weder groß in Renovierung investiert wurde noch in Neubau, war dann der politische Druck doch so groß geworden, daß die SED einen massiven Schwenk machte:

    „Das neue Wohnungsbauprogramm sollte durch industrielle Technologien (z. B. die Plattenbauweise) die materiellen Voraussetzungen für eine entscheidend höhere Bauleistung schaffen und mit dem komplexen Wohnungsbau auch die ganze umgebende, soziale Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Polikliniken, Einkaufsmöglichkeiten, Gaststätten, Kinos u. ä.) erfassen.
    Die Wohnverhältnisse von weit mehr als der Hälfte der DDR-Bürger sollten verbessert werden. Es war vorgesehen, bis zu 3 Millionen Wohnungen neu zu bauen“

    Es wird schon gestimmt haben, daß die DDR-Bauwirtschaft durch Altbausanierungen, die sehr arbeitsaufwendig gewesen wären, nicht schnell viele „neue“ Wohnungen hingekriegt hätte und die SED deshalb als Motto die durchgängige Industrialisierung des Wohnungsbaus ausgegeben hat. Aber nochmal, Ergebnis einer allseitigen gesellschaftlichen Diskussion auf der Grundlage von vernünftigen Alternativplänen hat es dazu eben zu keiner Zeit gegeben.

  339. Mattis
    1. Oktober 2018, 16:23 | #339

    @Neoprene

    „Ergebnis einer allseitigen gesellschaftlichen Diskussion auf der Grundlage von vernünftigen Alternativplänen hat es dazu eben zu keiner Zeit gegeben.“

    Stimmt zwar, dass das nicht üblich war. Allerdings hätte das die Mittelknappheit nicht aufgelöst: Wenn man junge Leute, die ja in absehbarer Zeit eigene Wohnungen benötigen, gefragt hätte, ob man lieber neue Wohnungen bauen soll als alte Wohnungen, in denen schon jemand wohnt, zu sanieren, wie wäre deren Votum wohl ausgefallen? Und umgekehrt umgekehrt.

  340. 1. Oktober 2018, 17:14 | #340

    Mattis, um solch blöde Alternativen ging es doch gar nicht. Und grundsätzlich würde ich sagen, daß gerade in Zeiten knapper Ressourcen besonders offen über die Entwicklungsvarianten diskutiert werden sollte, damit möglichst alle Menschen die dann gefaßten Beschlüsse auch mittragen können. Ob schneller Konsum jetzt oder größerer Konsum erst in der Zukunft und jetzt erst mal die Investitionen dafür, ist doch nichts, wo man vorher sagen kann, was da „richtig“ ist.

  341. Geerd
    1. Oktober 2018, 20:52 | #341

    „… Was ist falsch am Fabrikenbauen und -modernisieren, wenn dies nötig ist zur Erzeugung noch fehlender oder besserer Konsumgüter?“

    Auch hier ist mir nicht klar, welcher Standpunkt darin von den DDR-Oberen gepflegt wurde. Ginge es um den Standpunkt der Versorgung, scheint es mir nahe liegend zu sein, dass man sich dann auch um Verbesserung, Folgekosten etc. kümmern muss, dann erledigt sich Mattis Frage von selbst.
    Sie hat sich aber ja, darauf weist Mattis hin, nicht von selbst erledigt. Also wenn es ein Versorgungsstandpunkt gewesen wäre, was mir nicht klar ist, ist es als Versorgungsidee zumindestens abseitig, dafür Kriterien von Rentabilität, Planzwänge als Zwänge einbauen zu wollen – denn wo sollte der Gegensatz herkommen, dem man mit solchen Tricks hätte austricksen wollen?
    Wie man an der Nach-DDR studieren kann, war die DDR aber augenscheinlich gar keine Gesellschaft mit „sozialistischem Bewusstsein“. Also gar keine sozialistische Gesellschaft.
    Andererseits geht ihr hier aber davon aus, dass es sich hier um im sozialistischen Sinne verstehbare Konflikte und Alternativen handele. Wieso das denn, wenn die Grundlage dafür gar nicht vorhanden war? Bewusstseinsmäßig ist und war doch augenscheinlich bei sehr vielen DDR-Bürgern, nicht nur bei den Rübergemachten, eher das Gefühl einer Vermischung von Fremdherrschaft, die einem aufgezwungen wurde, mit Versatzstücken, dass man dort irgendwie trotzdem seine Heimat hatte. Bei dem einen mehr so herum, beim anderen anders herum. Und darauf, dass beide produktiv füreinander den Aufbau bewerkstelligen müssen, darauf „passt die Partei auf“ und organisiert ihn – als Mischung von Zwangsveranstaltung, dem sich Fügen der DDR-Bürger und dem begeisterten Mittun. Auch hier – mal mehr so, mal mehr anders herum. Wem das alles nicht passte, oder wer im Westen lieber seine Alternative sah, der war dann schon schnell weg, oder er hatte sich gedanklich längst von dort verabschiedet.
    Und: was soll das denn auch sein, ein Sozialismus ohne massenweise wirkliches sozialistisches Altagsbewusstsein?
    Herangezüchtet hat die SED nämlich dort augescheinlich ein ganz anderes Bewusstsein. Jedenfalls schon mal keinen Sozialismus.
    [Und ich meine jetzt die unmittelbaren „Wende-Jahre“ 1985 folgende, also seit Gorbatschow bis hin zum CDU-Wahlsieg 1990:
    „Nie wieder Sozialismus“ war die Hauptparole der Wahlgewinnerin CDU.
    Und so was soll Kommunisten/Sozialisten eingeleuchtet haben????]

  342. Mattis
    1. Oktober 2018, 21:43 | #342

    @Neoprene:
    Mir ging es an dem Wohnungsbeispiel darum, allgemein die Argumentationsweise zu kritisieren, die so daher kommt, als hätten die in der DDR nur dies und jenes andersrum machen sollen, und dann wärs den Leuten gleich sehr viel besser gegangen.
    *
    In dem von mir genannten Vortrag des GegenStandpunkt heißt es, im Kapitalismus sei 3/4 der gesellschaftlichen Arbeit nur der kapitalistischen Form zu verdanken, objektiv zeige dass, wie wenig Arbeit tatsächlich nötig sei fürs Produzieren der Gebrauchswerte.
    Wenn das so stimmt, hätte die Ökonomie der DDR abgehen müssen wie eine Rakete, selbst wenn ein Viertel der Kapazitäten den Reibungsverlusten der Hebelökonomie zum Opfer gefallen wäre. Aber so oft standen dort die Fabriken auch wieder nicht still. Irgend was stimmt da nicht.

  343. 1. Oktober 2018, 21:50 | #343

    @Mattis

    „In dem von mir genannten Vortrag des GegenStandpunkt heißt es, im Kapitalismus sei 3/4 der gesellschaftlichen Arbeit nur der kapitalistischen Form zu verdanken“

    Ja, das stimmt nicht. Sage ich den GSPlern ja auch schon immer. Aber auf dem Ohr sind sowas von taub.
    (Es gibt übrigens gar nicht so viele Abschätzungen, wieviel an bisherigem kapitalistischem Arbeitsaufwand eigentlich wegfallen kann und wieviel zusätzliche erst im Sozialismus nötig werdende Mehrarbeiten man einplanen sollte.)
    Dir habe ich das übrigens auch schon so geantwortet:

    „Mattis, der Einsparung der FIRE-Wirtschaft (Finance, Insurance, Real Estate u.ä.) will ich einerseits grundsätzlich gar nicht widersprechen, ja, da wird man sehr viel sehr schnell einsparen können. Auch in der güterproduzierenden Wirtschaft ist sicherlich ne Menge Luft drin (auch wenn Freerk Huisken z.B. hier schon mal extrem übers Ziel hinausschießt, als er vor Jahren in Wien behauptet hat, daß moderne kapitalistische Konzerne für einen PKW nur noch Minuten bräuchten, was nur deshalb stimmte, weil Ford z.B., im Unterschied zu VW, die Fertigungstiefe im eigentlichen Endmontagewerk massiv reduziert haben und die Produktion einfach auf die Zulieferer ausgelagert haben, weil die die Löhne besser drücken können), wo es aber umgekehrt massiv zusätzliche Beschäftigung braucht, sind all die Dienstleistungen, die bisher noch so gut wie ohne Maschinen auskommen müssen, Gesundheitswesen, Kinder-, Jugendlichen- und Altenbetreuung. Ich halte deshalb z.B. die Schlußfolgerung von Hermann Lueer,
    „Wenn daher in einer so­zia­lis­ti­schen Ge­sell­schaft der Teil der Ar­beit, der in der Markt­wirt­schaft im Dienst der Geld­ver­meh­rung steht, statt­des­sen in For­schung und Ent­wick­lung, Pro­duk­ti­on und Di­stri­bu­ti­on nütz­li­cher Dinge in­ves­tiert würde, könn­te der glei­che phy­si­sche Reich­tum mit un­ge­fähr der Hälf­te der Ar­beits­zeit bzw. der dop­pel­te Reich­tum mit glei­cher Ar­beits­zeit ge­schaf­fen wer­den.“
    für zu optimistisch, jedenfalls wenn das eine Prognose für ein Gebiet sein soll, zu dem auch weite Teile der nicht industrialisierten Welt gehören.“

    Nur den Unterschied von Ford und VW nehme ich zurück, das war sachlich falsch. Das machen die heutzutage alle auf die gleiche Weise.
    Freerk Huisken habe ich vor vielen Jahren mal Folgendes hierzu geschrieben:

    „Du hast gesagt, daß du irgendwo gelesen hast, daß man heutzutage für ein Auto nur noch acht Minuten bräuchte. Das scheint mir eine enorme Überschätzung der bisher im Kapitalismus erreichten Produktivität einer der „fortgeschrittensten” Branchen überhaupt zu sein (Ihr redet deshalb ja auch immer von der enormen Senkung der Arbeitszeiten, die im Sozialismus aus dem Stand heraus möglich wären, ich bin da viel skeptischer, selbst wenn man Jobs wie den meinen nun wirklich gleich in die Tonne treten könnte). Noch 2007 z.B. betrug in Wolfsburg die Montagezeit für einen Golf 30 Stunden (statt noch 50 früher, wann auch immer das war, das gab meine Quelle nicht her). Selbst diese von allen Konzernen gern gestreuten Zahlen sind noch systematisch falsch, denn sie beziehen sich nur auf die reine Endmontage von Autos. Da gab es inden letzten Jahrzehnten aber gerade und auch in der Autoindustrie einen enorme Verlagerung der Montage zu den Zulieferbetrieben. Heute wird eben ein kompletter vorgefertigter Kabelbaum, das ganze Armaturenbrett am Stück eingebaut, der komplette Scheinwerfer, etc. Dann arbeiten natürlich im Endmontagewerk (mit den vergleichsweise noch etwas höheren Löhnen) relativ weniger Leute, und dafür in den Zulieferbetrieben entsprechend mehr.
    Auch schon der Durchschnittspreis eines Autos belegt, daß die nicht für umsonst zu haben sind, weder jetzt im Kapitalismus, noch in einer überraschend zustande gekommenen Planwirtschaft. Gerade bei Standardautos kann man grob davon ausgehen, daß da die Verkaufspreise grob die Werte widerspiegeln. Also letztlich die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, um sie herzustellen. Da sind dann 25.000 Euro eben schon mächtig viel mehr als der Gegenwert von 8 Menschminuten Arbeitszeit.“

  344. Wolf
    2. Oktober 2018, 09:30 | #344

    @Neoprene: Die Antwort von Huisken wäre hier mal interessant.
    Denkst du, Huisken würde tatsächlich glauben, dass ein Auto in acht Minuten produziert werden kann? Da hätte ich gern mal ein Zitat samt Kontext…
    Und dass „der Durchschnittspreis eines Autos belegt, daß die nicht für umsonst zu haben sind, weder jetzt im Kapitalismus, noch in einer überraschend zustande gekommenen Planwirtschaft“- zeigt doch, dass auch du in Preisen denkst, also aus deiner Denke im Kapitalismus gar nicht herauskommst.
    Der Aufwand für ein Auto ist in einer sozialistischen Planwirtschaft ein ganz anderer, da fällt einiges weg. Keine Werbung, keine Konkurrenzbedingungen, keine immer weiteren Innovationen mit technischem Schnickschnack, keine besonderen Tricks zur Umgehung von Abgasnormen und vor allem: keine immer höhere „Arbeitsdichte“, sondern das Bemühen um weniger Arbeit für ein nützliches Produkt, damit Entlastung des Arbeiters.
    Huisken brachte das Beispiel mit dem Auto, um den immer geringeren Aufwand der Produktion zu belegen- bei gleichzeitig höherem Verschleiß der Arbeitskräfte. Darum ging es- und deshalb ist dein Herumhacken auf den „8 Minuten“ obsolet.

  345. Wolf
    2. Oktober 2018, 10:44 | #345

    @Krim
    GSP: „Wer nach der Attraktivität des kommunistischen „Angebots“ fragt, der verwechselt Kapitalismuskritik mit der Wahlwerbung einer alternativen Elite,“
    KRIM: „Verwechseln tut dieser Frager nichts. Im Gegenteil, der ist sich doch sicher, dass das kommunistische Angebot unattraktiv ist. Sonst wurde er nicht fragen. Das ist bloß eine Methode den Gegner auflaufen zu lassen, indem man ihn an den eigenen (systemkonformen) Maßstäben scheitern lässt.“
    Das hast du falsch verstanden. In dem Leserbrief hieß es:
    „Wäre es da nicht von Vorteil, denjenigen, welche die kapitalistische Wirtschaftsweise für inhuman, aber leider alternativlos halten, mit guten Argumenten beweisen zu können, dass es eine bessere Produktionsweise gibt, oder anders gefragt: Büßt nicht auch die zutreffendste Kapitalismuskritik an Überzeugungskraft ein, wenn man keine positive Alternative anzubieten hat?“
    Der Leser bemüht sich, Kapitalismuskritik wirksamer zu machen. Und hält nicht das kommunistische Angebot für „unattraktiv“- ganz im Gegenteil. Würde er sonst von „guten Argumenten“ reden, mit denen „die zutreffendste Kapitalismuskritik“ erst so richtig funzen würde?
    Der „beinharte Systemapologet“ ist gar nicht der Leser, auf dessen Brief sich der Text bezieht.
    Im Kern geht es der Absage an eine Werbung für Planwirtschaft darum, dass ohne einen Sturz der Produktionsverhältnisse durch die von ihr Geschädigten alle Erwägungen und Versprechungen in Richtung einer schönen Zukunft falsche Argumente sind. Deshalb, weil sie gar nicht die Schadensursache mit den Massen klären und daraus Pläne entwickeln, sondern weil eben diese linken Eliten am Schreibtisch Luftschlösser bauen- und sich nach einer Revolution in eben der Lage befinden, in der sich die Realsozialisten befanden.
    Man herrscht dem Arbeitsvolk eine Ideologie auf, redet wie Rüdiger Mats von „Commons- Ökonomie“ und findet überall Missmut und das falsche Bewusstsein vor, welches schon im Ostblock alles andere als Begeisterung für die „sozialistische“ Wirtschaft erzeugte.
    Wer den riesigen Misthaufen erkennt, der vor seiner Haustür liegt, dem genügt es, den zu beseitigen. Welche Vorstellungen die Hausgemeinschaft von einer Nutzung des beräumten Geländes hat, wird danach verhandelt. Kapitalismus ist ein solcher Misthaufen, in dem sich keiner realistische Gedanken machen kann, wie es denn ohne den gehen kann. Was man an den vor allem immanenten Kritiken und Zukunftsbildern sieht.
    Rüdiger Mats sagte in Dresden: „Ich fürchte, dass ich mir Kommunismus ohne Demokratie (Herrschaft steckt da drin) nicht vorstellen kann. Die Frage ist, wie weit geht die, und wie weit ist die kontrolliert.“
    Das bebildert er mit den Notwendigkeiten im Krankenhaus, wo es eben auch Befehlsketten geben muss, sonst stirbt der Patient. Dass Organisation etwas anderes ist als Herrschaft, will ihm gar nicht einleuchten. Fachautorität hat aber gar nichts mit „Demokratie“ zu tun. Die freie Entscheidung von vielen Menschen, Fachautoritäten anzuerkennen und ihnen wichtige Entscheidungen zu überlassen, heißt nicht, dass diese Autorität nun unbegrenzte Macht hätte.
    Dazu nun das Schlusswort als Zitat des GSP:
    „Kaum deutet mal jemand an, dass die gesellschaftlichen Produktions- und Verteilungsbedingungen durchaus selber einmal Gegenstand vernünftiger Überlegung werden und von den betroffenen Menschen selber zum Objekt ihrer freien Entscheidung gemacht werden sollten, warten sie prompt mit der vernichtenden Frage auf: Und wer diktiert dann…?“

  346. 2. Oktober 2018, 10:59 | #346

    Ja Wolf, eine Antwort von Huisken wäre interessant. Habe ich aber nicht bekommen. Leider kann ich auch mit einem Zitat nicht dienen, denn den Mitschnitt seiner Veranstaltung an der Wiener Uni während der studentischen Besetzung 2009 finde ich nicht wieder. Da du offensichtlich selber über einen Mitschnitt oder eine Abschrift verfügst, so sicher wie du bist, was Huisken da wohl gemeint hat, solltest du ihn uns verfügbar machen.
    Dein Versuch, das Schönreden des GSP mit meinem Bezug auf Marktpreise zu widerlegen trifft nicht: Ich hatte ja selber schon darauf hin gewiesen, welche Problematik es mit sich bringt, in einer kapitalistischen Gesellschaft so etwas weitgehend abstraktes wie die in einer Ware inkorporierte gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit, bestimmen zu wollen. Huisken hat übrigens nicht von der Autoproduktion in einer fiktiven sozialistischen Gesellschaft sondern im heutigen Deutschland geredet. Erstaunlicherweise bringt du jetzt gegenläufige Tendenzen, die den Aufwand von Sachen betreffen: Einerseits stimme ich dir zu, daß in einer sozialistischen Planwirtschaft eine Menge wegfallen kann und wird. Aber dein ja richtiger Verweis auf ein dann mögliches und sicherlich nötiges Zurückfahren der „Arbeitsdichte“ wird in manchen Fällen dann eher zu einer Erhöhung der aufzuwendenden Arbeitszeit führen.

  347. Wolf
    2. Oktober 2018, 11:54 | #347

    @neoprene:
    1. Wer sucht, der findet. Zwar nicht von 2009, sondern von 2013- aber warum sollte Huisken 2009 von „8 Minuten für eine Auto“ geredet haben?
    Hier bei Minute 12:15: Huisken zitiert Zetsche, Daimler- Manager: „Es ist uns gelungen, die Produktionszeit pro PKW im Durchschnitt von 60 auf 40 Stunden zu reduzieren…“
    https://www.youtube.com/watch?v=kz6lHRcjJCA
    2. Dass in einer soz. Planwirtschaft der zeitliche Aufwand pro Auto steigt, lässt außen vor, was das Auto überhaupt bedeutet. Im Kapitalismus ist es das teuerste Konsumgut, dass sich Lohnarbeiter leisten müssen. Ob sie nun diesen Aufwand überhaupt leisten wollen, steht nicht zur Debatte.
    Warum sollte im Sozialismus jeder ein Auto haben wollen, wenn er den Aufwand bedenkt, den das erfordert? Planwirtschaft für Bedürfnisse statt für Profit heißt ja auch, dass möglichst wenig gearbeitet wird- und erstmal für Grundbedürfnisse, zu denen auch „disposible time“ gehört- somit kommen relative Luxusbedürfnisse wie privates Autofahren nicht primär in der Planung vor.
    Es werden schlicht viel weniger Autos gebraucht- sowohl deshalb, weil sich Arbeitswege nicht nach dem jeweilig fürs Kapital wichtigen Produktionsstandort richten, der auch ruhig mal 2 Stunden Arbeitsweg erfordert. Als auch wegen der vernünftigen Einsicht, dass die Unterhaltung eines Autos für jeden eine die Gesellschaft unverhältnismäßig belastende Sache ist, zugunsten derer alle sehr viel Arbeit leisten müssen.
    Wie auch für den Einzelnen die lästige Suche nach einem Parkplatz und die Staus eine bedarfsorientierte Planung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs weit bequemer macht, als eine Orientierung auf das Privatauto. Von ökologischen und gesundheitlichen Aspekten mal abgesehen: Radfahrer sind für sich und ihre Umgebung gesünder als Autofahrer.
    Dann braucht es eben länger, ein Auto zu produzieren. Tja, wen juckts?
    Dass Huisken nicht von Planwirtschaft, sondern von Marktwirtschaft mit Bezug auf Autoproduktion sprach, ist auch mir klar. Doch ebenso klar ist mir, dass er damit das impliziert, was vernünftig ist in der soz. Wirtschaft: weniger arbeiten statt mehr. Damit macht er das, was der GSP immer auf Fragen nach „Alternativen“ sagt: In der Kritik steckt die Lösung.

  348. Krim
    2. Oktober 2018, 11:56 | #348

    „Wenn das so stimmt, hätte die Ökonomie der DDR abgehen müssen wie eine Rakete, selbst wenn ein Viertel der Kapazitäten den Reibungsverlusten der Hebelökonomie zum Opfer gefallen wäre.“

    Du vergisst, dass in der DDR auch noch eine ganze Menge kapitalistische Form mitgeschleppt wurde. Also kannst du nicht denken Kapitalismus – 3/4 Form + Hebelwirtschaftsverluste = DDRPlan. Sondern eher Kapitalismus – ja was eigentlich + Hebelwirtschaftsverluste = DDR-Plan

    „Ich bezweifle wirklich, dass die Art des Wohnungsbaus sich irgendwie an der Konkurrenz orientiert hat.“

    Auf jeden Fall ging es um Effizienz und darum viele Einheiten fertigzustellen, was natürlich auch ein Ausweis der Erfolgs des Realsozialismus gegenüber dem Westen war. Konkurrenz ist ja Systemkonkurrenz und nicht kapitalistische Konkurrenz. Und Systemkonkurrenz heißt, dass nicht die Kapitalistischen Maßstäbe übernommen wurden, sondern die eigenen dagegengehalten wurden.

    „Es wird schon gestimmt haben, daß die DDR-Bauwirtschaft durch Altbausanierungen, die sehr arbeitsaufwendig gewesen wären, nicht schnell viele „neue“ Wohnungen hingekriegt hätte und die SED deshalb als Motto die durchgängige Industrialisierung des Wohnungsbaus ausgegeben hat. „

    Wenn ich das recht weiß, ist die DDR darin einfach dem großen Bruder gefolgt. Auch die Stalinallee war keine DDR-Erfindung, ebenso die Abkehr vom Sozialistischen Klassizismus. Schon deshalb halte ich die Begründung, dass es wegen des Bedarfs zur Industrialisierung des Wohnungsbaus in der DDR kam nur für die halbe Wahrheit. Der Bedarf war zwar da, aber die Wende wurde von Chruschtschow angestoßen und die DDR ist gefolgt.

  349. 2. Oktober 2018, 16:09 | #349

    Früher mal habe ich zur Wohnungsfrage mal Folgendes bei NestorMachno geschrieben:
    „Zur den „Wohnungsangelegenheiten“:
    „Erst Einquartierung (Dr. Schiwago! Schöne Illustration der Entstehung der Kommunalkas), daneben Baracken aus Holz, schließlich schnell schnell! die Leute brauchen Wohnraum die Chrustschowkas, mit vorprogrammierten Rohrbrüchen und Kurzschlüssen, alles natürlich zugeteilt, Hauptsache ein Dach über dem Kopf, usw. usf.“
    Ja, die Einquartierungsszenen aus Dr. Schiwago, die habe ich auch noch im Kopf. Das war einerseits schrecklich andererseits erst mal gar nicht zu umgehen und deshalb was Sinnvolles. Was anderes könnte ich auch heute in vergleichbaren Situationen nicht vorschlagen.
    Die wirklich wichtige Frage ist die Organisierung des Übergangs von Notlösungen hin zu nachhaltig vernünftigen Lösungen. Am Anfang werden immer Bruchbuden stehen, z.B. nach einer Erdbeben- oder Flutkatastrophe wird auch eine kommunistische Gesellschaft die Notzelte und Dieselaggregate auf LKWs packen und zu den Opfern hinkarren. Aber irgendwann, sogar recht bald, werden die Leute sagen, daß sie was „Richtiges“ haben wollen. Und schon geht der Streit wieder los, bei denen, wie bei uns hier auf dem Blog. Da es typischerweise damals in der Sowjetunion und in vielen Gebieten der Welt auch heute noch, nicht genügend Ressourcen gibt, um für alle die wirklich tollen Wohnungen zu bauen, wird doch festgelegt werden müssen, welche suboptimalen Dinger statt dessen hingestellt werden sollen.
    Ich kann mich noch gut an eine Direktive der SED-Führung an die Wohnungsbaukombinate erinnern, Vorschläge zu machen, wie man der massiven Kritik aus der Bevölkerung über die öden Plattenbauten den wind aus den Segeln nehmen könnte, indem man das WBS 70-System variantenreicher gestaltet. Das ist dann von den Architekten und Ingenieuren der DDR allerhand zusammengetragen worden. Es scheiterte aber an der unumstößlichen Vorgabe des Politbüros, daß der Aufwand pro Wohnung an Gesamtarbeitszeit und an Materialaufwand nur unwesentlich steigen darf, weil doch schließlich das Wohnungsproblem als soziale Frage nunmehr schnell zu lösen sei, das hatten sie ja in jede Zeitung und Betriebsversammlung getragen.
    Was ist den überhaupt eine vernünftige Wohnung. Gleich alle mit Balkon? Keine unter 90-Quadratmeter? Alle Wohnungen mit mehr als 4 Zimmern gleich mit zweitem Klo oder Bad? Nur Vierstöcker oder gleich klotzen und Sechszehnstöcker, damit man z.B. Verkehrswege spart?
    Das Verbrechen der realsozialistischen Planungs- und Produktionsbürokraten war nicht, daß sie da die eine und die andere Frage „falsch“ beantwortet haben, sondern daß sie diese Fragen überhaupt nie in der Bevölkerung ernsthaft kontrovers haben ausdiskutieren lassen. Da gibt es nämlich in vielen konkreten Fragen gar kein absolut richtig versus grottenfalsch. Es hängt enorm davon ab, wer von den Leuten was konkret haben will und was er dafür an Zeit und Aufwand bereit ist hinzunehmen.“
    http://nestormachno.blogsport.de/2010/08/29/staat-und-revolution-teil-7/#comment-2783

  350. Krim
    2. Oktober 2018, 16:59 | #350

    Sicher habe ich das damals auch gelesen und ich gebe dir auch recht, dass es im vernünftigem Rahmen kein absolut richtig und völlig grottenfalsch gibt. Bei Hochhäusern wird es z.B. mit zunehmender Höhe unvernünftiger. Man k a n n schon auch wirklich total unvernünftig bauen, aber es gibt auch eine große Bandbreite von Lösungen, wo es einfach drauf ankommt, was man will.

  351. Mattis
    2. Oktober 2018, 17:06 | #351

    @Wolf

    „Warum sollte im Sozialismus jeder ein Auto haben wollen, wenn er den Aufwand bedenkt, den das erfordert? Planwirtschaft für Bedürfnisse statt für Profit heißt ja auch, dass möglichst wenig gearbeitet wird- und erstmal für Grundbedürfnisse, zu denen auch „disposible time“ gehört- somit kommen relative Luxusbedürfnisse wie privates Autofahren nicht primär in der Planung vor.“

    Also auf dem Land bist du ohne Auto meistens aufgeschmissen, und ob man man im Sozialismus Bahn und Bus zu jedem Ort haben wird, ist noch nicht ausgemacht, und auch nicht, ob jeder Arbeitsplatz beim Arbeiter um die Ecke liegen wird.
    Man wirft mir ja oft Utopismus vor, weil ich mir über Grundstrukturen des Sozialismus Gedanken mache, aber wie du mit einem utopistischen Auspinseln bedenkenswerte Argumente abwiegelst, ist schon arg. Dass die abnehmende Arbeitsdichte schon erstmal zu bedeutend weniger Output führt, müsste klar sein, es sei denn, man schätzt die kapitalistische Arbeitshetze nicht besonders hoch ein, was ich sehr merkwürdig fände. Allein schon diese Reduktion zu kompensieren mit wegfallenden Aufwandsposten, dürfte keine so eindeutige Rechnung sein.
    Die Behauptung mit dem 3/4 Aufwand, der wegfallen kann, ist jedenfalls nachzuhören und natürlich plausibel, wenn man wie du dazu tendiert, alles als Luxus oder überflüssig zu definieren, was du aus deiner Sicht für entbehrlich hältst. Das wird nicht jeder so sehen.
    Der ganze Streit um die sogenannten überflüssigen Bedürfnisse löst sich natürlich eher auf, wenn der entsprechend Bedürftige eben ein paar Arbeitsstunden mehr dafür hinlegt. Dann spart man sich gesellschaftsweite endlose Debatten darüber, welche Einheitsbedürfnisse in Sachen Wohnung, Mobilität, U-Elektronik etc. denn für alle gelten sollen.
    *
    Aber ich will diesmal nicht nur meckern: immerhin hast du auch „disposible time“ als Bedürfnis anerkannt, welches ich diverse Male nur mit Mühe gegen Verfechter eines sozialistischen Normalarbeitstages vorbringen konnte.

  352. Mattis
    2. Oktober 2018, 17:10 | #352

    @Geerd

    “Und: was soll das denn auch sein, ein Sozialismus ohne massenweise wirkliches sozialistisches Altagsbewusstsein?“

    Mir ist es so in Erinnerung, dass die ständige Belämmerung mit Kampf- und Arbeits-Parolen bei vielen ein permanentes Gefühl des Druckes erzeugten; zum einen, weil da eine Instanz immerzu etwas verlangte, von oben nach unten, nicht umgekehrt; zum anderen, weil durch ewiges Wiederholen von im Prinzip denselben Losungen der Eindruck vermittelt wurde, dass man diesen Anforderungen von oben nie wirklich entsprechen konnte, also immer in einer Art Bringschuld war.
    Wenn eine Partei herrscht, dann sind es eben nicht die Werktätigen, die das Sagen haben. Das hat ja auch Neoprene gerade noch mal aufgezeigt. Das blöde bei der Parteiherrschaft ist ja, dass eine Partei bestimmen kann, wer in ihr Mitglied ist und wer nicht. Wer nicht passt, fliegt raus, da mag er noch so gute Argumente haben. Da er aber auch keine alternative Partei bilden darf, kommt es zu keinerlei vernünftigen Korrekturen: das System ist in einer Sackgasse. Es macht stur seinen Stiefel weiter, macht alle abweichenden Meinungen nieder – und schmeißt am Ende hin, wenn es selber nicht mehr weiter weiß.

  353. 2. Oktober 2018, 19:40 | #353

    Geerd hat ja eine wichtige Frage gestellt, bzw. Einschätzung vorgenommen:

    „was soll das denn auch sein, ein Sozialismus ohne massenweise wirkliches sozialistisches Alltagsbewusstsein?
    Herangezüchtet hat die SED nämlich dort augenscheinlich ein ganz anderes Bewusstsein. Jedenfalls schon mal keinen Sozialismus.“

    Ich bin mir nur nicht sicher, ob der mit „kein Sozialismus“ nur das Bewußtsein der gesellschaftlichen Situation oder eben diese Gesellschaft gemeint hat. Wobei dann ja noch ne Menge fehlen würde, denn Negativdefinitionen sind ja eigentlich nicht viel wert.

  354. Geerd
    2. Oktober 2018, 21:36 | #354

    „Wenn eine Partei herrscht, dann sind es eben nicht die Werktätigen, die das Sagen haben.“ (Mattis)

    Könnte sein, dass du jetzt gerne über Partei, Individuum, Wille etc. diskutieren möchtest. So ganz grundsätzlich. Das vermute ich.
    Dagegen möchte ich nur darauf hinweisen, dass es die russische Besatzungsmacht war, die als Resultat der Aufteilung der Welt nach WK II die Partei SED in der damaligen SBZ auf die Sessel der Macht gehievt hat, und, gelegentlich diverser Vorfälle, auch mit eiserner Faust die Macht der SED garantiert hat, und sie so damit auch stabilisiert hat.
    Und dass man sich mit Disziplin und Gewalt gegen die drohende NATO-Invasion vorzubereiten und ideologisch aufzurüsten habe, ist auch so eine historische Besonderheit, die vermutlich auch anders hätte behandelt werden können, so ganz theoretisch, was aber dann ja doch derart ‚fiktiv‘ wäre, dass es hier deswegen überhaupt auch gar nicht erwähnt wird…
    … weil Mattis trotz all dieser Besonderheiten ausgerechnet die stalinistsche DDR als Belegmaterial dafür hernehmen will, was bei der Konstruktion des Sozialismus so alles schief gehen könnte und generell zu beachten sei…
    (Das Ärgerliche ist jetzt nur, dass Mattis das längst weiß, aber trotzdem – ausgerechnet – daran seine Zukunftsfragen entwickeln will. Ja – Cuba als Belegexemplar will mir auch nicht einleuchten. Venezuela auch nicht. Mit Nordkorea kommt Gottseidank kaum jemand als Beleg daher. Bestimmten Westdeutschen galt auch mal Albanien als Vorbild des Sozialismus. Oder Rumänien.
    „Sozialismus“ war angeblich überall dort zugange. Das war es auch – als Staatsparole der Staatspartei.)
    „Negativdefinitionen sind ja eigentlich nicht viel wert.“ Ich wollte auch nicht positiv das Bewusstsein „der“ Ex-DDR-Bürger erklären. Sondern nur feststellen: Sozialisten ermächtigen nicht eine CDU als Regierungspartei in ihrem Land, die mit der Parole antritt: „Nie wieder Sozialismus.“ Das ist nichts weiter als die bloße Zurückweisung, dass es damals ein sozialistisches massenweises Bewusstsein in der DDR gegeben habe.

  355. Krim
    3. Oktober 2018, 11:46 | #355

    @Wolf:
    „Das hast du falsch verstanden.“ Ich denke ich hab das richtig verstanden. Meine Zitate stammen meines Wissen aus Punkt 5. des Artikels und der beginnt mit folgendem Satz:

    “ Wenn Leute, die du mit einem „durchdachten planwirtschaftlichen Konzept“ mobil machen möchtest, uns jetzt immer noch fragen, welche bessere Alternative wir ihnen zu bieten hätten,… „

    Es ist hier also nicht der Leserbriefschreiber, der seine Kapitalismuskritik nur wirksamer machen will, sondern es sind die bürgerlichen Adressaten des Leserbriefschreibers, die hier in Punkt 5. die Frage nach der Alternative stellen. Darauf habe ich mich bezogen, genauso wie der GSP. Also sehe ich auch nicht warum ich meine Kritik zurücknehmen soll.

  356. 3. Oktober 2018, 11:54 | #356

    Es ist in der Tat die Standardunterstellung beim GSP, daß auch die Leute, die sich für Kommunisten halten, letztlich doch nur Gleiche sind wie alle anderen Dutzendantikommunisten und schon von daher keine vernünftige Antwort verdienen und abgebürstet gehören.

  357. Mattis
    3. Oktober 2018, 12:57 | #357

    @Geerd

    „Könnte sein, dass du jetzt gerne über Partei, Individuum, Wille etc. diskutieren möchtest.
    (…)
    … weil Mattis trotz all dieser Besonderheiten ausgerechnet die stalinistsche DDR als Belegmaterial dafür hernehmen will, was bei der Konstruktion des Sozialismus so alles schief gehen könnte und generell zu beachten sei…“

    Besatzung, NATO etc. – es gab und gibt immer ein Argument für die Unterdrückung sozialistischer Opposition. Man definiert diese als bürgerlich und fertig ist die Laube. Auch für das real blutige Gemetzel in der KPDSU muss man dann wohl historisches Verständnis üben. Und das Ganze hat natürlich auch nichts damit zu tun, dass man Diktatur des Proletariats als Diktatur der Partei umdefiniert hat. So einfach ist die Welt.
    Jegliche Vertreter eines wirklichen (statt „realen“) Sozialismus hätten in all diesen Szenarien Verfolgung bis zu physischer Vernichtung erleiden müssen.
    Aber deshalb muss man doch nicht gleich über Partei, Individuum etc. diskutieren, warum auch. Sind doch alles Szenarien, die sich auf keinen Fall wiederholen werden.
    Dir reicht es ja, mit dem Thema schnell fertig zu werden mit einem Spruch: „Sozialisten ermächtigen nicht eine CDU als Regierungspartei“. Gehts noch?

  358. Wolf
    3. Oktober 2018, 13:35 | #358

    @Mattis: Auf dem Lande kam man in der DDR einigermaßen klar ohne Auto. Da fuhren die Busse häufig. Das vermied u. a. Staus in den Dimensionen, wie wir sie heute kennen. Letztlich sparten die Leute dadurch Zeit, die sie nicht zur Reparatur des Wagens (man staune- viele konnten damals Autos noch selbst reparieren) und vor allem nicht für Lohnarbeit fürs Auto aufwenden mussten.
    Dass in einer Planwirtschaft (die auch noch diesen Namen verdient, anders als im Ostblock) weit weniger Zeit für Arbeitswege benötigt wird, dürfte dir einleuchten.
    Weniger „Output“ als heute- warum denn nicht? Was heißt schon weniger oder mehr, die Frage ist doch, ob genug für alle da ist. Und dass eine ganze Menge heute weggeschmissen wird von dem, was Leute brauchen, dürfte dir auch nicht neu sein.
    Nicht ICH bin es, der hier seine Ansprüche diskutiert- DU bist es, der sich um meine Argumentation herummogelt.
    Ich sprach nicht von „überflüssigen Bedürfnissen“, sondern von „relativen Luxusbedürfnissen“.
    Überflüssig ist etwas, was keinem Bedürfnis entspricht. Luxus ist, was sehr wohl einem Bedürfnis entspricht, aber nicht existenziell notwendig ist. Und relativ luxuriös ist, was sich als Luxus in der Relation gegebener Verhältnisse erweist. Du denkst da wieder nur immanent, bedenkst nicht, dass ein Auto in kapitalistischen Verhältnissen ein enormer Luxus ist- für die meisten Leute, die dieses Ding gern mal mit einem Aufwand vergleichen, der einer zweiten Miete entspricht. Sie müssen sich das leisten, weil Arbeitsplätze mit öffentlichen Verkehrsmitteln oft gar nicht erreichbar sind. Und weil die Zeit nicht reicht, um mal eben für die ganze Familie ohne Auto einzukaufen.
    Kein Luxus dagegen ist eine bedarfsgerechte Planung des öffentlichen Verkehrs- und der wird in einer sozialistischen Gesellschaft abnehmen. Weil es ein Bedürfnis ist, möglichst wenig herumzufahren und dafür öfter etwas anderes zu tun- etwa, sich selbst zu bewegen, statt sich bewegen zu lassen.
    Auch ich spreche dir ein Lob aus- immerhin hast du auf meinen Kommentar geantwortet, der an Neoprene gerichtet war. Diesem ist es jetzt nur peinlich, dass ich ihm nachwies, dass Huisken gar nicht von „8 Minuten Arbeitszeit für ein Auto“ geredet hat. Wahrscheinlich hätte er ähnlich geantwortet wie du, naja, nun kann er sich die Mühe sparen.

  359. Geerd
    3. Oktober 2018, 13:39 | #359

    Du hast mein Argument unterschlagen:
    „Was soll das denn sein, ein Sozialismus ohne massenweise wirkliches sozialistisches Altagsbewusstsein?“
    Sozialismus hat als A und O, dass nicht irgendeine Gruppe einen Putsch macht oder serviert kriegt, und anschließend irgendein angeblich volksfreundliches Regierungsprogrammm dahinstellt, sondern, dass da kommunistisch gesinnte Menschen ihre Alltagsgeschäfte planen und erledigen, und dazu gehört dann auch, dass sie ihre eigenen Vorlieben und Reproduktionsnotwendigkeiten, und die ihrer Gesellschaftlichkeit, vernünftig regeln.
    Dass Mattis sich das jetzt schon theoretisch vornehmen will, das ist übrigens noch ein anderes Projekt – wie sein ewiges Deuten auf allerlei stalinistische oder sonstige Staaten, an deren Fehlern und Brutalitäten man wunders was feststellen können solle für den Verein freier Menschen.
    (Mag ja interessant sein, was dir so alles als sozialistisch vorstellbar vorkommt für die Unterdrückung von Opposition. Fass dich also an d e i n e eigene Nase. Mit Sozialismus hatte das, wie gesagt, nicht die Bohne zu tun. Eher schon hatten etliche Unterdrückungsmethoden in der Geschichte ziemliche große Ähnlichkeiten mit solchen der anderen Abteilung, nämlich der der National-Sozialisten.)

  360. Mattis
    3. Oktober 2018, 13:55 | #360

    @Wolf:

    „Im Kern geht es der Absage an eine Werbung für Planwirtschaft darum, dass ohne einen Sturz der Produktionsverhältnisse durch die von ihr Geschädigten alle Erwägungen und Versprechungen in Richtung einer schönen Zukunft falsche Argumente sind. Deshalb, weil sie gar nicht die Schadensursache mit den Massen klären und daraus Pläne entwickeln, sondern weil eben diese linken Eliten am Schreibtisch Luftschlösser bauen- und sich nach einer Revolution in eben der Lage befinden, in der sich die Realsozialisten befanden.“

    Die russischen Revolutionäre hatten eben gerade kein Konzept für den Aufbau des Sozialismus. Ihre grundsätzlichen Vorstellungen waren zu Beginn der Revolution zunächst noch gar nicht „realsozialistsich“, sondern bestanden aus genuin kommunistischen Grundpositionen:

    „alle Fabriken, Werke, Erzgruben und sonstige Einrichtungen sind in der kommunistischen Gesellschaft nur eine Art Abteilung einer großen Volkswerkstätte, die die ganze Volkswirtschaft umfaßt.“ (aus §19)
    „Die kommunistische Produktionsweise setzt auch nicht eine Produktion für den Markt voraus, sondern für den eigenen Bedarf. Nur erzeugt hier nicht jeder Einzelne für sich selbst, sondern die ganze riesengroße Genossenschaft für Alle. Folglich gibt es hier keine Waren, sondern bloß Produkte. Diese erzeugten Produkte werden nicht gegeneinander eingetauscht; sie werden weder gekauft, noch verkauft. Sie kommen einfach in die gemeinschaftlichen Magazine, und werden denjenigen gegeben, die sie benötigen.“ (aus §20)

    Nirgends ist hier vom Wertgesetz im Sozialismus die Rede oder dergleichen.
    Die Wende zu realsozialistischen Prinzipien kam nicht aufgrund von „Luftschlössern“ aus den Studierstuben, sondern angesichts der kaum zu bewältigenden praktischen Probleme in einem kaum industrialisierten Land. Für diese Situation hatte man kein schlicht und einfach Konzept, und da halfen auch die Kapitalismus-Kritik und die alten Grundpositionen nicht weiter. Da hat man sich dann an den Strohhalm geklammert, dass im Kapitalismus die Produktivkräfte stark entwickelt wurden, und dass man jetzt einzelne Methoden von dort verwenden müsse, um überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen. Das war die Kehrtwende. Danach folgte dann die ideologische Legitimation mit angeblichem Wertgesetz im Sozialismus etc. Aber das stand nicht am Anfang.
    Quelle: ABC des Kommunismus, III.

  361. 3. Oktober 2018, 13:59 | #361

    Nein, Wolf, es stimmt nicht, wenn du vermutest,

    „Diesem ist es jetzt nur peinlich, dass ich ihm nachwies, dass Huisken gar nicht von „8 Minuten Arbeitszeit für ein Auto“ geredet hat.“

    Zudem du ja auch nichts „nachgewiesen“ hast. Weder konkret in Bezug auf Huiskens leider nicht mehr verfügbaren Wiener Vortrag, noch allgemein in Bezug auf die Laxheit von GSPlern in dieser Frage überhaupt. Nicht mal Huisken selber hat das Ende 2009 ja zurückgewiesen.
    Was für eine irre Vorstellung von der „Lohnarbeit“ in der DDR hast du eigentlich, wenn du denkst,

    „Letztlich sparten die Leute dadurch Zeit, die sie nicht zur Reparatur des Wagens (man staune- viele konnten damals Autos noch selbst reparieren) und vor allem nicht für Lohnarbeit fürs Auto aufwenden mussten.“

    Als wenn die autogeilen Werktätigen der DDR extra Überstunden geschoben hätten, um sich die Trabants leisten zu können. Bekanntlich gab es herzlich wenig an teurerern Konsumgütern, die sich DDRler von ihrem Ersparten kaufen konnten, die Trabi-Produktion vor allem war ja vom Politbüro streng gedeckelt worden. Warum auch immer jemand deshalb Extraschichten gemacht hat, für Saus und Braus im Regelfall schon mal nicht.

  362. Mattis
    3. Oktober 2018, 16:05 | #362

    @Wolf:
    Dass man hierzulande nur als Arbeiter ein Auto braucht oder „weil die Zeit nicht reicht, um mal eben für die ganze Familie ohne Auto einzukaufen“, das sind doch von dir absichtlich einseitige Darstellungen. Du drehst das so hin, um deine Prophezeiung zu begründen, dass es im Sozialismus ein Bedürfnis sei, „möglichst wenig herumzufahren und dafür öfter etwas anderes zu tun- etwa, sich selbst zu bewegen, statt sich bewegen zu lassen.“
    Trotz der von dir beschriebenen guten Abdeckung mit Bussen etc. hätten viele DDR-Bürger sich gerne ein Auto geleistet, und sie werden besser gewusst haben warum, als selbsternannte Richter über die Sinnhaftigkeit von anderer Leute Bedürfnisse.

  363. Wolf
    3. Oktober 2018, 16:45 | #363

    @Mattis: Wieder unterstellst du mir etwas, was ich nie sagte. Von wegen, man „braucht hierzulande nur als Arbeiter ein Auto“. Jeder Gemüsehändler braucht ein Auto- von Speditionsfirmen ganz abgesehen.
    Ich sage auch nicht, dass erst im Sozialismus das Bedürfnis da ist, nicht täglich herumzukutschen und dafür lieber durch möglichst viel freie Zeit Bedürfnisse zu entwickeln- meinetwegen Hobbys- die etwas ganz anderes sind als in einer Blechkiste zu sitzen.
    In der DDR hätten gern viele Leute ein Auto gehabt, um eben der geforderten Lohnarbeit bequemer „entgegen zu kommen“- der Aufwand für ein Auto hat da den meisten den Spaß am reinen Fahren reichlich verdorben. Ja, sie mussten für diesen Spaß sehr teuer bezahlen. Ein Trabi kostete rund 10.000 Mark- ein Vermögen bei dem damaligen Einkommen. Dafür haben sie viel gearbeitet- gerne auch mal schwarz nach Feierabend. Da hatten sie eine ebensolche Vereinseitigung ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Lohnarbeit wie heutige Arbeiter.
    Zur Abwechslung hier mal die Betrachtung eines Verkehrswissenschaftlers zum Thema Auto:
    „Das Auto ist wie ein Virus, das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und Wahrnehmung total umkehrt. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen! Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.“
    Klar benennt der das Auto als „Virus“- im Kapitalismus- und liefert damit eine bürgerliche immanente Kritik. Daran jedoch, dass es ein Wahnsinn ist, wenn so viele Autos überall herumdüsen, ändert das nichts.
    https://www.zeit.de/2007/38/Interv_-Knoflacher

  364. 3. Oktober 2018, 17:09 | #364

    Ein paar Fakten zur PKW-Frage in der DDR:
    Dem Neukauf eines PKW ging grundsätzlich eine Bestellung einer volljährigen und mündigen Person voran, an die sich eine langjährige Wartezeit bis hin zur Zuteilungsreife anschloss. Der Zeitraum zwischen Fahrzeugbestellung und -lieferung belief sich ab Anfang der 1970er Jahre auf durchschnittlich 17 Jahre. … Die Wartezeit musste dazu genutzt werden, den Kaufpreis anzusparen. Bis zum Frühjahr 1990 war es nicht möglich, einen Neuwagenkauf beim VEB IFA-Vertrieb mit einem Kredit zu finanzieren. … Die günstigste Ausführung, der 601 Standard, kostete im Jahr 1985 8.500 Mark. Der Preis war niedrig festgesetzt; auf dem Schwarzmarkt aber wurden neue Trabant ohne Wartezeit für 20.000 Mark gehandelt. … Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in der DDR betrug 1985 1.130 Mark, während es 1970 noch 775 Mark gewesen waren. … Die Sparquote der Bevölkerung der DDR betrug im Jahre 1988 7 Prozent, in der BRD im gleichen Jahr 13,9 Prozent.
    (wikipedia)

  365. Geerd
    3. Oktober 2018, 17:21 | #365

    @ Wolf
    A) Die Unterscheidung: „Das brauchst du nicht“, das ist Luxus. Und das andere, das seien hingegen wahre Notwendigkeiten. – Das ist eine heikle Argumentation. Menschen und ihre Bedürfnisse sind eben sehr verschieden.
    Negativ und zynisch stimmt es natürlich: wer verhungert ist, der hätte Essen gebraucht. Der war also garantiert arm. Daraus wird die zynische Botschaft gezimmert: Bei uns verhungert keiner, also habe man genügend, dafür sorge der Staat, also gäbe es hier keine Armut. Das ist bloßer Zynismus, solche Festlegung, was man braucht, und was Luxus sei.
    B) Es ist ein Standardagument von oben: „Das braucht ihr nicht.“ Und zwar selbstverständlich nicht ein Argument über die gehobenen Bedürfnisse der Reichen, sondern über z.B. das, was einem Harzler zusteht, und woraufhin sein Überlebensnotwendigstes berechnet bzw. um solcherlei „Überflüssiges“ gekürzt wird.
    Darüber streiten sich die Politiker – ob sie einem Harzler nun bloße fünf Euro mehr zubilligen wollen, oder ob der das dann ja doch „nur“ so verjuxt. Für den sei das also wohl überflüssiger Luxus. Und ‚deswegen‘ solle er die 5 Euros besser nicht kriegen. So die regelmäßige jährliche Leier sowohl von AFD als auch von SPDCDUGRÜNENFDP.
    https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/ideologien-ueber-konsum-konsument-marktwirtschaft#section5
    C) Ich habe gar kein Auto, weil ich ggf. lieber noch einen Rotwein im Bistro der Bundesbahn beim Zugfahren trinke und im GSP lese, als stundenlang in Staus auf überfüllten Autobahnen herumzuhängen. Das sind aber private Kalkulationen von mir. Soll das nun Bedürfnis sein? Oder Luxus? Das ist doch eine quatschige Differenzierung.

  366. Mattis
    3. Oktober 2018, 17:40 | #366

    @Wolf
    Belegt habe ich jedenfalls die Aussage von Peter Decker, im Kapitalismus sei 3/4 der gesellschaftlichen Arbeit nur der kapitalistischen Form zu verdanken. Er nennt das ganze Zirkulationswesen, Versicherungsbranchen, Werbung und „was weiß ich“. Objektiv sei das ein Argument dafür, dass immer weniger Arbeit nötig ist.
    In einem anderen Text zur Kritik der DDR-Ökonomie wird von ihm derselbe Aspekt so vorgebracht:

    „es gibt Leute, denen die da oben zu blöd werden, die meinetwegen in unserem westlichen Kapitalismus sagen, die Produktivkraft ist soweit, dass wenn man die Arbeit vernünftig verteilen würde, dann würde jeder nur noch einen Tag in der Woche arbeiten und könnte mindestens so gut leben wie jetzt.“
    (Quelle)

    Zwar ist es so, dass der Wertschöpfungsanteil des Dienstleistungssektors an der Gesamtwirtschaft etwa 3/4 beträgt. Aber trotzdem kann man Deckers Angaben wieder mal nicht so stehen lassen.
    Erstens: Es wurde hier im Thread schon darauf gedeutet, dass ein großer Teil der Produktionsarbeit (verarbeitendes Gewerbe) nicht verschwunden, sondern nur ausgelagert ist und in Form fertiger Module importiert wird. Die Auto-Zulieferindustrie ist dabei nur das bekannteste Beispiel; es gilt für fast alle Branchen!
    Zweitens: Zu den Dienstleistungen gehört außer den von Decker genannten unter anderem aber auch: sämtliche Logistik und Verkehrswesen (Speditionen / Eisenbahn / Schiffahrt/ Luftverkehr), Reparaturen von Maschinen / Autos / Geräten, alle Datenverarbeitungsdienste, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, das ganze Gesundheitswesen, alle Reinigungs- und Entsorgungsdienste, Forschung und Entwicklung, Architektur- und Ingenieursdienste.

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