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Schiffer-Nasserie: Polizei und Rassismus (jW 7.11.14)

7. November 2014

Zur Kritik am polizeilichen Rassismus
Plädoyers für »diskriminierungsfreie« Polizei ohne Racial Profiling sind illusionär, wenn dabei die dem polizeilichen Einsatz zugrunde liegenden Aufgaben und Zwecke unbestritten bleiben, wie dies leider nicht nur beim linken Juristen Andreas Fisahn der Fall ist: »Denn ein zentrales Problem sind nicht die Gesetzesvorschriften, sondern der angesprochene strategische Umgang mit dem Recht seitens der Exekutive, der auch beim Racial Profiling sichtbar wird (»Problem Polizei«, jW vom 20.10.). Die aus der Ohnmacht geborene Forderung wenigstens nach der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips beinhaltet darüber hinaus nicht nur die Ablehnung unzweckmäßig grober Zwangsmaßnahmen z. B. gegen Flüchtlinge, sondern befürwortet damit zugleich auch die jeweils angemessene Gewaltanwendung. Auf diesem Wege affirmieren die als konstruktive Kritiker angetretenen »Rechtsstaatsidealisten« schließlich auch noch den politischen Zweck des polizeilichen Einsatzes in gesetzlicher Form. Ganz so, als ob die Ausländerjagd gar keine mehr sei, wenn sie nur rechtsstaatlich formvollendet stattfindet.
Und jetzt? Opfer rassistischer Übergriffe können sich nur vor Gericht wehren und müssen das auch weiterhin tun. Dabei brauchen sie juristische Unterstützung. Mit einem Kampf gegen polizeilichen Rassismus ist das nicht zu verwechseln. Denn die polizeilichen Entgleisungen sind die unvermeidliche Fortsetzung einer Staatsräson, die in der Armut ihrer lohnabhängigen Bevölkerung im Innern und in der imperialistischen Durchsetzung gegen andere Nationalstaaten ihre feste Grundlage hat. Armut und Verelendung weltweit, Armutsquartiere mit »Marginalisierten« unter polizeilicher Aufsicht in den Metropolen und der Kampf gegen unerwünschte Flüchtlinge an ihren Grenzen sind deren notwendige Folge. Antirassistische Kritik muss deshalb beim politischen Zweck der polizeilichen Gewaltanwendung ansetzen.
Ein Nachtrag: Berichte über rassistische Misshandlungen von Schutzsuchenden durch private Wachdienste in deutschen Flüchtlingsheimen haben liebgewordene Illusionen erschüttert. Kaum sind die zerplatzt, so kommt – zum Teil auch bei Linken – die Forderung auf, den privaten Wachdiensten die Aufgabe zu entziehen und sie der Polizei anzuvertrauen. Der Polizei.
dieses sind die letzten Bemerkungen aus dem heutigen Artikel in der jungen Welt von Arian Schiffer-Nasserie.

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. dazu
    11. Januar 2015, 16:36 | #1

    Wenn der Schluss, aus dem „Racial (bzw. social) Profiling“ der Polizei zu entnehmen, dass die Ehre der Bewohner der banlieus hier missachtet werde, was daran liege, dass die Polizei es am Respekt vor den Muselmanen mangeln lasse – weswegen der Respekt vor Allah bedingungslos und mit aller Gewalt per Terror durchgesetzt gehöre – wenn dieser verkehrte Schluss 2015 nun seltener gezogen würde, – das wäre allerdings fast so etwas wie ein göttliches Wunder…

  2. Paco
    11. Januar 2015, 17:23 | #2

    Bereits 2005 wurde dieses social profiling dargestellt
    http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2005/4/gs20054c08h2.html

  3. Beate
    4. Februar 2015, 06:59 | #3

    Die Polizei schlägt zurück:
    „Vor Kurzem noch gingen in den USA Zehntausende auf die Straße und protestierten gegen Polizeigewalt und Rassismus. Sonderbar schnell ist die Debatte abgeflaut. Obwohl es fast täglich neue Fälle gibt. (…)
    Mehr als zwei Wochen lang hatten New Yorks Cops „den Dienst verlangsamt“, als Zeichen ihres Unmuts – über Bürgermeister Bill de Blasio, über Gewaltattacken auf Polizisten, über die Proteste gegen Polizeigewalt. Untätig blieben sie in ihren Streifenwagen sitzen, ließen das Gesetz ruhen und die Leute falsch parken. (…)
    Eines ist ihnen jedenfalls gelungen: Die landesweite Debatte über Rassismus innerhalb der Polizei ist so gut wie beendet.
    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/rassismus-bei-der-us-polizei-die-skandale-gehen-weiter-a-1013238.html

  4. Max
    17. Mai 2015, 19:15 | #4

    Die Gewalt der Konkurrenz
    Warum US-Polizisten schwarze Bürger töten
    Von Arian Schiffer-Nasserie
    Aus: junge Welt – Ausgabe vom 18.05.2015, Seite 12 / Thema

  5. Islam_Debatte
    25. Mai 2015, 18:24 | #5

    Vor fast 10 Jahren trat 2005 das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft.
    Prof. Schiffer-Nasserie schreibt am 07.04.2015 über den Wandel der deutschen Migrationspolitik und die Auseinandersetzungen um das Thema “Integration” u.a.:
    Integration ist nicht das schöne Gegenteil, sondern das fordernde Pendant zur Regel nationalstaatlicher Ausgrenzung. Integration ist kein Angebot, sondern eine Verpflichtung zur Loyalität. Sie ist damit ein Spiegelbild der politischen Erwartungen an das eigene Volk.
    Wer staatlichen Zwang, nationalistische Loyalitätsbekundungen und deren Untermauerung durch die Religion ohnehin für nützlich und notwendig hält, weil er gar nicht mehr anders als mit einer nationalen Sicht zu denken bereit ist; wer es selbstverständlich findet, dass die materiellen Interessen der “kleinen Leute” vor dem Erfolg der Nation zurückzustehen haben, der soll sich über die repressiven, irrationalen und tendenziell islamfeindlichen Konsequenzen der deutschen Zuwanderungspolitik nicht beschweren. Alle anderen haben Anlass genug, ihre Rolle als nützliche Idioten für die Interessen von Politik und Unternehmen kritisch zu hinterfragen – statt im Glauben an Gott oder Vaterland vergeblich Trost und Hoffnung für ihr trostloses Dasein zu suchen.
    http://www.islamiq.de/2015/04/07/zuwanderungsgesetz-integration-und-die-ewige-islamdebatte/
    ——
    Ein grundsätzlicherer Artikel zum Thema STAAT UND RELIGION findet sich hier auf diesem Blog auch von Freerk Huisken, der hierzu einen Vortrag bei einem Workshop auf dem Antifa-Kongress in Köln vom 5.-7.9.08 gegen die Anti-Islam-Konferenz der „Rechtspopulisten“ vom 20.09.08 gehalten hatte.
    http://neoprene.blogsport.de/2009/04/18/freerk-huisken-091208-staat-und-religion/

  6. dazu
    25. Mai 2015, 18:59 | #6

    Der im Thread oben als Ausgangstext verlinkte vorzügliche Artikel von Arian Schiffer-Nasserie: „Polizei und Rassismus“ (jW 7.11.14) über die systematische Notwendigkeit des ‚racial profilings‘ durch die Polizeibehörden ist bei der jw ohne Online-Abo leider gar nicht mehr aufrufbar.
    Stattdessen gibt es im Internet von dem Artikel nun aber diese Version:
    http://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/grundrechte-all/polizeistaat/polizei-und-rassismus-uber-einen-unschonen-aber-unvermeidlichen-zusammenhang/

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