Home > (3) Fundstellen > Ist der ML eine „antirevolutionäre Revolutionstheorie“ (gewesen)?

Ist der ML eine „antirevolutionäre Revolutionstheorie“ (gewesen)?

26. Juni 2014

Man sollte meinen, daß rund ein Vierteljahrhundert seit dem Untergang/der Selbstaufgabe der realsozialistischen Staaten auch die Debatten um deren Ideologie verblaßt und aus dem Blickkreis heutiger Linker entschwunden wären. Ich selber habe ja schon recht früh als Blogger eine grundlegende Kritik an zentralen Thesen des Selbst- und Weltverständnis der SEDler veröffentlicht: Peter Deckers (damals noch Marxistische Gruppe) Vortrag an der Parteihochschule der SED in Ostberlin, den er Anfang 1990 gehalten hat: „Marxismus – Anpassungslehre oder Kritik“.
Aber nein, dieses Thema gibt es immer noch: Die Gruppen gegen Kapital und Nation (früher junge Linke) haben hierzu einen Text veröffentlicht: „Der historische Materialismus – eine antirevolutionäre Revolutionstheorie“
Daraufhin hat ein linker Blogger aus dem kritisierten Lager eine Erwiderung geschrieben: „Zur Kritik der „Gruppen gegen Kapital und Nation“ am historischen Materialismus“

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. Max Beer
    27. Juni 2014, 17:08 | #1

    Danke für die interessante Meldung; den Decker-Vortrag bei der SED habe ich allerdings auf Argudiss nicht gefunden, aber hier:
    https://archive.org/details/MG_Decker_Marxismus_Anpassungslehre_oder_Kritik_1990
    [Neo: Es gibt aber den Mitschnitt immer noch auch bei farberot: http://www.farbe-rot.de/mp3/Marxismus%20-%20Anpassungslehre%20oder%20Kritik.mp3]

  2. Anarchostandpunkt
    27. Juni 2014, 19:08 | #2
  3. DDR_fast_Original
    28. Juni 2014, 19:02 | #3

    Als Originalvertreter der DDR-Weltanschauung
    versteht sich nach wie vor
    übrigens diese Homepage
    http://ddr-kabinett-bochum.blogspot.de/

  4. max beer
    1. Juli 2014, 07:33 | #4

    Der Vortrag von Decker, der übrigens höchstwahrscheinlich nicht an der Parteihochschule der SED gehalten wurde, sondern eher eine MG-Veranstaltung an einer Hochschule in Ostberlin war, muss für die Ossis echt ein Schock gewesen sein. Da stellt sich ein Marxist hin, haut ihnen ihren Histomat und Diamat um die Ohren und nennt Marx einen „alten Idioten“ und Engels einen „Auswalzer“ von Dummheiten.

  5. Dazu
    1. Juli 2014, 13:20 | #5

    Peter Decker, ein Vierteljahrhundert später, auch wieder in Berlin, über aktuelle Tendenzen des Imperialismus:
    Dienstag | 24.06.2014 | 19:30 Uhr
    Ort: Mehringhof Berlin-Kreuzberg
    Thema: Krise, Krisenkonkurrenz, Gewaltkonkurrenz heute
    Was ist dran an der These, dass Zeiten großer Krisen des Kapitalismus besonders kriegsträchtig sind?
    Aufzeichnng der Veranstaltung:
    http://kk-gruppe.net/mp3/Krisenkonkurrenz%20B%2020140624.mp3

  6. 1. Juli 2014, 15:35 | #6

    max, wie „offiziell“ der Vortrag von Peter Decker damals war, läßt sich jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr feststellen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß es damals sogar eine „offizielle“ Einladung gegeben hat. Ich kann mich erinnern, daß ungefähr zur gleichen Zeit Genossen von der SpAD selbst bei der sowjetischen Armee in deren Hauptstandort bei Berlin, Wünsdorf, vor Offizieren reden konnten.
    Das politische Klima für abweichende Meinungen verschlechterte sich aber seit Anfang 1990 an immer mehr, bis es dann im Anschluß einen traurigen Höhepunkt fand.

  7. Reader
    29. Juli 2014, 06:20 | #7

    Einen Reader mit der Kurzkritik am „Realen Sozialismus“
    kann man sich hier herunterladen:
    https://gegen-kapital-und-nation.org/brosch%C3%BCre-texte-zum-realsozialismus
    https://gegen-kapital-und-nation.org/print/3538

  8. Dialektik
    29. Juli 2014, 13:23 | #8

    Noch ein Link – Tipp
    Peter Decker: Was ist Dialektik?
    http://cba.fro.at/265021 (Teil 1)
    http://cba.fro.at/265379 (Teil 2)
    Das ist ein Vortrag von Peter Decker aus dem Jahr 1986 oder 1987 in Wien, der mit Kassettenrecorder aufgenommen und jetzt digitalisiert wurde.
    Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs erlitt der „dialektische Materialismus“ einen ziemlichen Karriereknick. Obwohl, man liest, in China hat er noch einen guten Rang als Staatsideologie.
    Dennoch kein Grund, die Dialektik links liegen zu lassen. Sie bedeutet nämlich bei Hegel etwas ganz anderes als das, was ihr später in der SU und von deren Anhängern zugeschrieben wurde.
    Der Vortrag zeigt die Bedeutung Hegels für die Wissenschaft: Wissen ist möglich! – die Unfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, mit seinem Vermächtnis umzugehen – und seine Kritik an der Methodenhuberei, exemplarisch vorgeführt an seinen Bemerkungen zur Kantschen Erkenntnistheorie.
    (Der oben angeführte Link zum Teil 1
    enthält auch die Original Hegel-Zitate,
    von denen dann der Vortrag handelt.)

  9. dazu
    30. Juli 2014, 10:02 | #9

    Der „Historische Materialismus“ (Histomat) der DDR
    war ja immer begleitet vom „Dialektischen Materialismus“ (Diamat),
    der dann quasi zur Staatsdoktrin
    zumindestens der Wissenschaftler der DDR wurde.
    Maßgeblich geht es bei Deckers Darstellung um logische Fehler, die an alten Hegel-Texten und an modernen Wissenschaftstexten herausgearbeitet werden
    (Was ist eine „Funktion“, was ist eine „Bedingung“;
    exemplarisch entwickelt am Begriff „Begabung“.)
    http://cba.fro.at/265021 (Teil 1)
    http://cba.fro.at/265379 (Teil 2)

  10. 30. Juli 2014, 10:42 | #10

    Den Dialektik-Vortrag hat Peter Decker übrigens damals mehrfach gehalten:
    1984/85 in Hamburg https://archive.org/details/GegenStandpunktDeckerWasIstDialektik1HH1184
    Diese Version gibt es auch bei farberot:
    https://www.farberot.de/audio/details/298-Hegel.html
    Und Argudiss hat eine weitere aus München von 1970(!)
    http://www.argudiss.de/node/62
    Die Wiener Version ist massiv nachgearbeitet worden, die beiden anderen sind klanglich noch lausiger, aber gerade noch anhörbar.

  11. Proto
    1. August 2014, 19:41 | #11

    Neues Jourfixe-Protokoll
    Besprechung des Artikels „Kritik – Wie geht das?“ (GS 4-13)
    http://www.gegenstandpunkt.de/jourfixe/prt/2014/jf140721.html

  12. Moritz
    6. Oktober 2014, 21:58 | #12

    „Die Misere hat System: Kapitalismus“ von den Gruppen gegen Kapital und Nation
    „An „Kapitalismuskritik“ kann man schon merken: Wir halten nichts von Kapitalismus.
    Damit stehen wir nicht allein. Schließlich hat der Begriff Kapitalismus zumindest in Deutschland selbst in den Tageszeitungen einen schlechten Beigeschmack und es wird lieber von „sozialer Marktwirtschaft“ gesprochen. Und nicht nur Linke haben was gegen Kapitalismus, sondern immer wieder finden sich auch bei Nazis Gruppierungen, die sich in Abgrenzung zum Kapitalismus einen nationalen Sozialismus auf die Fahnen geschrieben haben.
    Unsere Kritik am Kapitalismus lässt sich wie folgt zusammenfassen:
    Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das der Bedürfnisbefriedigung sehr vieler Leute entgegensteht. Das materielle und auch viel psychisches Leid in dieser Gesellschaft ist kein „Fehler“ und auch kein „Versagen“ des Systems oder einzelner Akteur_innen, sondern notwendige Folge, warum und wie gewirtschaftet wird.
    Leuten, die Das Kapital von Marx gelesen haben, wird auffallen, dass viele Überlegungen in diesem Buch dem Werk entnommen sind. Wir halten die drei Bände für gute Bücher und es lohnt sich, sie zu studieren. Es wird aber auch auffallen, dass manche Begriffe von Marx gar nicht auftauchen oder nur modifiziert – die „Mehrwertrate“ wird man in diesem Buch z. B. vermissen, auch wenn Inhalte, die in diesem Prinzip enthalten sind, verhandelt werden.
    Dieses Buch ist nicht die wissenschaftliche Erklärung oder die Ableitung des Kapitalismus. Das soll aber nicht heißen, dass die Sachen in diesem Buch nur zusammengefasst,verkürzt oder unzureichend erklärt sind.Die Überlegungen und Erklärungen stimmen – daran wollen wir gemessen werden. Während Marx im „Kapital“ die alltäglichen Phänomene aus dem Wesen des Wertes erklärt, nehmen wir uns die alltäglichen Phänomene vor und versuchen, von dort aus auf die Prinzipien der Gesellschaft zu kommen. Offen bleiben bei unserem Herangehen allemal ein paar Fragen, die man vielleicht nur anhand des „Kapitals“ von Marx klären kann. Siehinterfragen aber nicht die Ergebnisse, zu denen wir in diesem Buch gekommen sind.“

  13. Moritz
    7. Oktober 2014, 12:06 | #13

    Nachtrag
    Montag, 20. Oktober 2014, 19:00 in der Tristeza Kollektivkneipe, Pannierstr. 5, Berlin 12047
    Buchvorstellung mit Lesung
    „Nach einer Einleitung über Allgemeines zum Buch wird vorgelesen aus dem Kapitel „Missverstanden, kleingeredet und hoffnungsvoll überschätzt – der Klassenkampf“. In diesem wird erläutert, dass Klassenkampf auch im achso harmonischen „sozialpartnerschaftlichen“ Kapitalismus täglich stattfindet und dass dieser aber leider erstmal wenig mit dem Willen zu anderen gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun hat. Damit klingt an, dass es in dem Kapitel auch um eine Kritik gegen bestimmte linke Vorstellungen zum Klassenkampf geht; Zitat: „Aus Erfahrungen folgt keine Interpretation, aus der Lage kein Bewusstsein.“
    Das Buch wird auf der Veranstaltung zu geringen Unkosten zu erwerben sein. Wir freuen uns auf streitlustige wie unseren Argumenten zustimmende Gäste.“

Kommentare sind geschlossen