Home > (3) Fundstellen > Demokratie – die süßeste Versuchung seit es Politik gibt? Workshop-Tag in Berlin

Demokratie – die süßeste Versuchung seit es Politik gibt? Workshop-Tag in Berlin

23. Januar 2014

Die internationalen kommunistInnen werden am Sonntag, den 26.01.2014 in Berlin einen Workshop zur bürgerlichen Demokratie veranstalten. Sie schreiben dazu auf ihrer Homepage:

„Wir nun wollen bei diesem Workshop-Tag fragen, ob sich die „politische Form der bürgerlichen Demokratie“ wirklich so einfach von dem „herben Kern“ der kapitalistischen Ökonomie abschälen und unverändert in eine nach-kapitalistische Gesellschaft verpflanzen, d.h.: mit „neuem sozialem Inhalt […] füllen“ läßt, wie Rosa Luxemburg meinte, oder ob die Metaphorik von Kern und Schale nicht vielmehr davon ablenkt, daß die „bürgerliche Demokratie“ gerade die politische Ideal-Form der kapitalistische Ökonomie ist.
Der Workshop-Tag findet statt:
Sonntag, den 26.01.2014
B-Lage – Mareschstraße 1
Berlin-Neukölln

13:30 h – 16:00 h: Workshop 1: Wie dumm waren wir damals – in den 20er Jahren und im ‚langen Roten Jahrzehnt‘ von Ende der 60er bis Ende der 70er Jahre?
Ein untaugliches Prinzip – Demokratie-Kritik der Kommunistischen Linken (die Sinistra Comunista und Amadeo Bordiga [1889- 1970]). Input von interkomm
Warum die Form immer noch wesentlich ist. – Mit Lenin (1870 – 1924) den Demokratie-Essentialismus kritisieren. Input von Detlef Georgia Schulze
Die Materialität ernst nehmen. Mit Poulantzas die Revolution durch, mit und gegen den Staat denken. Input von N.N.
16:00 – 16:30 h: Kaffeepause
16:30 – 18:30 h: Workshop 2: Sind wir heute soviel schlauer?
Radikal, aber nicht revolutionär? – Zum Konzept der radikalen Demokratie. Input von aze*
Zur Kritik freiraum-gradualistischer Konzeptionen von Vergesellschaftung und direkter Demokratie. Input von Rüdiger Mats
18:30 – 19:30 h: Essenspause
19:30 – 21:30 h: Abschluß-Diskussion: Herrschaft und Ausbeutung abschaffen – geht das demokratisch?
Als 2011 in Spanien die Rede von der democracia real aufkam, was die deutsche occupy-Szene als „echte Demokratie“ übersetzte, waren sich viele Linke einig, daran konstruktiv-kritisch anzuknüpfen und zu ergänzen: „Echte Demokratie – das geht aber nur ohne Kapitalismus“.
Wir wollen zum einen fragen, ob „konstruktiv-kritisch“ kritisch genug ist, und zum anderen, ob die Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung mit Demokratie identisch oder jedenfalls auf demokratische Weise möglich ist.
Anna Dohm: Warum / unter welchen Bedingungen ist (kann) direkte Demokratie mehr als eine selbstverwaltete Insel im Ozean des Kapitals (sein)?
Fast Forward Hannover: Warum Antikapitalismus etwas anderes als echte Demokratie ist
Interkomm: Warum Antikapitalismus nicht eine Frage der demokratischen Mehrheit, sondern der Macht und des Kräfteverhältnisses ist“

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. TaP
    25. Januar 2014, 12:02 | #1

    Bei indymedia ist ein Vorab-Bericht über den Workshop-Tag erschienen:
    https://linksunten.indymedia.org/de/node/104423
    Siehe außerdem:
    http://systemcrash.wordpress.com/2014/01/20/demokratie-und-revolutionarer-bruch/#comment-5028
    und
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2014/01/23/wer-war-amadeo-bordiga/#comment-17553
    sowie
    http://nao-prozess.de/start-wp/wp-content/uploads/2012/08/C_Eichhorn_Verf-Patriotinnen_OCR.pdf
    und dazu meine dortige:
    http://www.nao-prozess.de/blog/weiblicher-verfassungspatriotismus-oder-feminismus/
    kurze Anmerkung:

    1, 2 Sätze in dem Artikel von Cornelia Eichhorn klingen mir etwas zu stark nach einer prinzipiell antistaatlichen Position, die Forderungen nach und Stützung auf staatliche Reformmaßnahmen generell ablehnt. Sollten diese Stelle tatsächlich so gemeint gewesen sein, so würde ich insoweit mit dem Aufsatz nicht konform gehen.

  2. Ben Richards
    25. Januar 2014, 15:31 | #2

    Das sind Töne.“Wird die heilige Kuh geschlachtet?“ Als wären hier hier Wissensdurchbrüche neuerer Art auf die Tagesordnung gesetzt worden. Dass dem schon nicht so ist, zeigt der Hinweis auf teilweise doch recht klassische Autoren. Wenn also eine heilige Kuh geschlachtet würde, dann ist es doch längst geschehen.
    Eher lässt der Autorenverweis doch eher Zweifel an der Veranstaltung aufkommen. Einerseits: Wenn kritisch Rosa Luxemburg zitiert wird, also dass Demokratie nicht mit neuem Inhalt zu füllen sei, dann soll ausgerechnet Lenin, bei dem man gleichartige Passagen lesen darf, als Gegenredner herbeizitiert werden. Andererseits: Schon der Verweis auf irgendwelche linken Autoritäten legt den Verdacht eines Gegenstandswechsels nahe. Statt die Demokratie als das zu beurteilen, was sie ist, werden Ideen von altgedienten namentlich dringend genannte Autoren vorstellig gemacht. Als wenn das Urteil über die Demokratie Namen und Adresse bräuchte zu seiner Tauglichkeit.
    Schließlich legt der Verweis auf irgendeinen Feministinnentext den nächsten Gegenstandswechsel nahe.
    Aber ich bin gespannt und hoffe, dass es einen Mitschnitt gibt.

  3. Moritz
    26. Januar 2014, 00:02 | #3

    Im Moment ist richtig Bewegung in der Szene …
    IL, uG! und NaO diskutieren im »Neuen Deutschland«
    „Die Auflösung ihrer einzelnen Mitgliedsgruppen in eine gemeinsame Organisation debattiert aktuell die Interventionistische Linke. Antinationale Antifagruppen organisieren sich seit sechs Jahren im umsGanze!-Bündnis. Gruppen aus dem NaO-Prozess veröffentlichten kürzlich ein Manifest ihrer »Neuen antikapitalistischen Organisation«.
    Offensichtlich sieht die radikale Linke gerade eine Notwendigkeit, sich verbindlich zu organisieren. Niels Seibert lud deshalb drei AktivistInnen dieser Gruppen zu einem Gespräch ein.“ (…)

  4. Ben Richards
    26. Januar 2014, 08:07 | #4

    Naja. Auffällig ist, dass die offenbar den Mangel an Verbreitung ihrer linken Standpunkte – ich verkneife mir an der Stelle, ob die was taugen – an der mangelnden Organisationsform aufmachen. Dementsprechend reden sie eben auch über ihre Organisation und kaum über Inhalte.

  5. 26. Januar 2014, 11:32 | #5

    „Im Moment ist richtig Bewegung in der Szene …“

    Ach ja? Dann wohl nur im altbekannten Kreisverkehr. Schon die ach so neue Erkenntnis, sich nun endlich „verbindlich“ organisieren zu wollen, geht mir auf den Keks. Und das ND-Interview hat mich eher deprimiert als froh gestimmt bezüglich irgendwelcher nun besser gewordenen Perspektiven. Denn Ben hat ja leider recht:

    „sie [reden] eben auch über ihre Organisation und kaum über Inhalte.“

    Und wenn sie über Inhalte reden, wie zuletzt im NAO-Prozeß, dann geht das prompt auch nicht lange gut mit dem Organisieren, denn die einzelnen Strömungen wollen ja überhaupt nicht das Gleiche, was schon bei zaghaftesten Essential-Debatten nach fünf Minuten klar wird.

  6. Ben Richards
    26. Januar 2014, 12:02 | #6

    Eben. Die von der NaO sind ein gutes Beispiel. Der Ausgangspunkt aller Gruppen war die mangelnde Popularität ihrer jeweiligen politischen Kritik. Ihr Schluss: wir sind alleine zu klein. Unterstellt ist dabei aber bereits eine politische Gemeinsamkeit. Damit ist man aber weg von der Ermittlung der Ursachen für das „Sektendasein“ der radikalen Linken. Der Prütz spricht diesen Fehler auch noch aus: die Linke soll nicht mehr selbstreferentiell sein. Als wenn das Leute als Zweck verfolgen: sich auf sich selbst beziehen. Wäre dem so, dann wäre der Appell, eine große Organisation zu bilden, auch völlig sachfremd.
    Wenn man aber so inhaltlich abstrahierend argumentiert, so ist es kein Wunder, dass bei dem Versuch, einer inhaltlichen Auseinandersetzung die eigentlichen Gründe für die unterschiedlichen Gruppen wieder zutage kommen und das Projekt in Frage stellen. Da hat neoprene recht und so ist es ja auch geschehen.

  7. Moritz
    26. Januar 2014, 13:26 | #7

    „Bewegung“ meint hier tatsächlich erst einmal nur: In der linken/linksradikalen Szene rumort es. Das ist doch allein schon an einigen Threads dieses Blogs ablesbar, die die Veranstaltungsreihen, Kongresse, Workshoptage etc. der jüngeren Vergangenheit thematisieren. Da sind Organisationen und Menschen zusammen gekommen, die sich vor gar nicht so langer Zeit noch spinnefeind waren.
    Dass dieses Faktum als solches überhaupt noch nichts darüber aussagt, was diese Diskussionen bringen und wie sie ausgehen, sehe ich auch so. Und ein ganz zentraler Punkt der Kritik ist natürlich der von euch genannte: Die Inhalte, um deren organisierte Verbreitung es ja wohl gehen müsste, tauchen entweder gar nicht auf, oder nur reichlich nebulös. Bei solchen Debatten drängt sich einem wirklich der Eindruck auf, dass da nach dem Motto verfahren werden soll „Erst mal organisieren, die Inhalte finden sich dann schon“ Womit das Scheitern solcher Projekte vorprogrammiert ist.
    Es kann deshalb nicht schaden, mal wieder an eine uralte Wahrheit zu erinnern: „Klarheit vor Einheit!“ Und eine solche Klarheit hinsichtlich der Inhalte zu befördern, taugt die o.a. „Bewegung“ m.E. aber schon. Es wird sich ja wohl ganz aktuell zeigen, wer mit wem an welchen Punkten Gemeinsamkeiten und Differenzen hat; und ebenso, ob diese Gemeinsamkeiten ausreichen, sich auf einen weiteren Diskussionsprozess der Differenzen einzulassen.

  8. Ben Richards
    26. Januar 2014, 14:13 | #8

    Okay, Moritz. Wie gesagt: ich bin auf den Mitschnitt gespannt. Es ist immerhin schon mal was, wenn außerhalb des GegenStandpunktes und vielleicht noch Junge Linke eine Kritik der Demokratie vortragen. Das gibt es sonst nämlich nicht. Allenfalls wird Demokratie idealisiert.
    Ob das hier eingelöst wird, wird man sehen. Meine Zweifel habe ich vorgetragen. Und weitere lässt die Ankündigung aufkommen: da wird Bezug genommen auf kritische Bewegungen während der Finanzkrise. Diese werden dann doch nicht durchgenommen, vielmehr hält man ihnen vor, dass Demokratie (mit gefühlten 15 Autoritäten) doch gar nicht antikapitalistisch ist. Das unterstellt einen Antikapitalismus bei den Bewegungen, wo schon fraglich ist, ob der vorhanden ist.

  9. Ben Richards
    27. Januar 2014, 06:54 | #9

    Neoprene, kannst Du eine inhaltliche Kurzzusammenfassung geben und gibt es den Mitschnitt? Auf TaPs interessierte Berichte verlasse ich mich da eher ungerne…

  10. 27. Januar 2014, 08:27 | #10

    Ob es einen Mitschnitt geben wird, entscheiden die Veranstalter, die Diskussionen wohl schon mal nicht, aus den üblichen Sicherheitsgründen.
    Die inhaltliche Kurzzusammenfassung: In der Pause nach den ersten zwei Stunden habe ich den einzigen Genossen vom GSP, der sich das auch angehört hat, halb ironisch halb ernst gemeint gefragt, warum er eigentlich nichts gesagt habe (er ist bekannt dafür, daß er eigentlich immer was Vernünftiges sagen kann ohne den Leuten gleich eins Überzubraten). Er hat daraufhin, auch halb ironisch, halb ernst gemeint, es habe nicht gegeben, wozu er was hätte sagen wollen.
    Oder anders: Auf die Frage des Veranstaltungstitels „Demokratie – die süßeste Versuchung seit es Politik gibt?“ haben die Anwesenden durch die Bank die Antwort gegeben, au ja, Schoko ist doch was Feines! Auch auf die provokante Frage „Wie dumm waren wir damals – in den 20er Jahren und im ‚langen Roten Jahrzehnt‘ von Ende der 60er bis Ende der 70er Jahre?“ gab es keine kluge Antwort, und irgendwie habe ich auch auf die Frage „Radikal, aber nicht revolutionär? – Zum Konzept der radikalen Demokratie“ nur ein „doch, doch, natürlich“ rausgehört.
    Vielleicht hätte es dem Nachmittag doch noch eine Wende geben können, wenn es „Zur Kritik freiraum-gradualistischer Konzeptionen von Vergesellschaftung und direkter Demokratie“ gekommen wäre, aber Rüdiger Mats hatte wegen eines Krankheitsfalles absagen müssen. Dafür hat dann DGS versucht, die revolutionäre Demokratie mit einem roten Apfel zu retten. Der war wenigstens größer als der kleine grüne, der die bürgerliche Demokratie symbolisieren sollte.
    Ehe es dann um „echte“ und „reale“, nicht zu vergessen „direkte“ Demokratie ging, bin ich dann entäuscht gegangen.
    Nicht ganz vergessen habe ich dabei die Genossen, die sich „Mit Poulantzas die Revolution durch, mit und gegen den Staat denken“ vorgenommen haben, da fühle ich mich echt in die DKP-WGs meiner Jugend zurückversetzt, die sind damals auch schon mit den berüchtigten „Kräfteverhältnissen“ und dem Grundgesetz unter dem Arm ganz demokratisch zugange gewesen.

  11. Ben Richards
    27. Januar 2014, 10:18 | #11

    Danke. Hart. Das hätte ich so affirmativ dann doch nicht eingeschätzt…

  12. 27. Januar 2014, 10:30 | #12

    Aufgrund der ja mal ausnahmsweise erfrischend „antidemokratischen“ Ankündigungen hatte ich mir davon ja auch mehr versprochen. Vielleicht haben solche Interessenten aber besser gewußt, was sie da erwartet, denn erstens sind nur recht wenige Leute gekommen, erheblich weniger als die Veranstalter erwartet hatten, und Antidemokraten waren da keine drunter. Jedenfalls gab es hellaufe Empörung als der GSP-Genosse sie dazu aufforderte doch mal was antidemokratisches zu sagen. Da gab es die Standardreaktionen aller Demokraten, das man sowas sonst immer von Faschisten hört (das weiß eh jeder wackere Demokrat, daß Kommunisten nur linkslackierte Faschisten sein können, kann man in jedem Verfassungsschutzbericht nachlesen, die wissen das schließlich). Und natürlich ist Demokratrie immer besser als Faschismus usw. usw.

  13. Ben Richards
    27. Januar 2014, 10:52 | #13

    Toll. Aber gut zu wissen, was da für Standpunkte unterwegs sind. Allenfalls wäre der Teil von „Fast Forward Hannover“ vielleicht spannend gewesen, weil deren Ankündigungen zu dem Thema schon eher auf eine Kritik der Demokratie schließen lassen, die diskussionswürdig wäre. Hast Du davon was mitbekommen? Ansonsten sehr sehr ernüchternd :S

  14. 27. Januar 2014, 11:00 | #14

    @Ben
    Du beziehst dich wohl auf die Fußnote im Ankündigungstext:
    „Fast Forward Hannover: Warum Antikapitalismus etwas anderes als echte Demokratie ist“
    Das sollte aber wohl kein Input werden, sondern war vielleicht als Lesetext gemeint, verlinkt war da aber nichts. Gefunden habe ich solch ein Paper bisher auch nicht. Vielleicht lag es bei der Veranstaltung auch aus, dann hab ich es jedenfalls nicht gesehen.

  15. Ben Richards
    27. Januar 2014, 11:46 | #15

    Alles klar. Danke.

  16. Ben Richards
    27. Januar 2014, 12:21 | #16

    Vielleicht noch ergänzend: Dass zur Kritik der Demokratie kein unbedingt wahnsinnig großer Andrang herrscht, überrascht mich gar nicht. Die meisten Leute, die sonst durchaus auf solche Termine kommen, haben bei dem Thema meist den Standpunkt, dazu alles zu wissen. Die parlamentarische Demokratie – ja gut, die ist nicht gut, aber die direkte usw. Demokratie, die ist es! Dabei wären sie hier ganz offensichtlich gut aufgehoben gewesen. Wobei man dann am Sonntag bei dem Wetter sicher besseres zu tun hat.
    Vielleicht kann TaP ja dann doch noch einmal erörtern, welche „heilige Kuh“, um bei dem Bild zu bleiben, denn da überhaupt geschlachtet werden sollte?
    Schade jedenfalls. Also doch nur weitere kommunistische Hilfstruppen der Demokratie. Als gäbe es mit den Antifas nicht schon genügend davon…

  17. 27. Januar 2014, 13:41 | #17

    Einen kleinen Punkt (ich möchte ja fast sagen Tiefpunkt) möchte ich noch nachreichen. Der Genosse, der für die AZE sprach, hat nicht nur, wenn auch anspruchsvoll „postsrukturalistisch theoriefragmentarisch“ versucht, uns beizubringen, daß es „opportun“ sei, den Begriff Demokratie „aufzuladen“ mit dem letzten Quentschen Emanzipation, was da drin stecke, er hat gleich richtig fett auf die Pauke gehauen und das hohe Lied Poppers gesungen, daß es eh keine „absolute Wahrheit“ gebe, „es gibt nur den unsicheren Grund der Abwesenheit des letzten Grundes“ (!), „es lassen sich auch keine definitiven Aussagen über die Struktur der Gesellschaft treffen, sondern diese sind immer kontingent“. Früher hieß es „Anything goes!“. Und stimmte da ja auch schon nicht. Seis drum.

  18. Ben Richards
    27. Januar 2014, 14:48 | #18

    Mal die heilige Kuh der Erkenntnistheorie zu schlachten stünde da an. Hilfe, ich weiß grad nicht, ob ich lachen oder Angst haben soll vor diesen kantianischen Leninisten.

  19. 27. Januar 2014, 15:07 | #19

    Ach Gott!! Ich weiß nicht, ob da „Kantianer“ am Werke sind oder gar „Leninisten“. Das sind doch zumeist junge Linke deren „Poststrukturalismus“ noch glatt Postoberstufenniveau hat.

  20. Ben Richards
    27. Januar 2014, 16:14 | #20

    Der Unfug der Erkenntnistheorie (s. dazu auch den wiederveröffentlichten Artikel in GegenStandpunkt 4-13 „Kritik wie geht das?“) hat seinen Ursprung so elaboriert ja bei Kant genommen und zumindest DGSch hält sich ja sehr sein Leninistentum zugute. (s. dazu seinen Vortrag hier: http://antifa-neukoelln.net/component/content/article/42-aktuelles/649-abc-der-radikalen-linken leider ist das audio-mp3 offenbar kaputt, verdammt) Daher mein Rekurs.
    Aber Postoberstufe dürfte es wohl auch treffen.

  21. Ben Richards
    27. Januar 2014, 16:17 | #21

    Hier der Mitschnitt zu Anarchismus vs. Kommunismus bzw. Leninismus
    https://soundcloud.com/neukoellnerantifa5/wege-und-ziele-kommunismus

  22. Moritz
    27. Januar 2014, 17:37 | #22

    @ Neo
    Dann war der Tag ja wohl ein Reinfall auf der ganzen Linie. Das hätte ich so eigentlich nicht erwartet.
    Zu Fast Forward Hannover: Echte Demokratie jetzt – oder nie?:

    „In Zeiten in denen große Teile der Welt von der Wirtschaftskrise erfasst sind, ist nicht nur das kapitalistische Wirtschaften wieder Gesprächsthema über die radikale Linke hinaus. Auch die bisher als selbstverständlich beste Regierungsform angenommene parlamentarische Demokratie wird inzwischen kritisiert. Das reale Elend vieler Menschen in der EU als einer der reichsten Regionen der Welt provoziert die Frage nach der richtigen Repräsentation der Bevölkerung durch „die da oben“.
    So hat dann auch die Bewegung der Empörten aus Spanien die Forderung von „Democracia Real“, also echter Demokratie, in die deutschen Occupycamps gebracht, zumindest in deren kurzer Hochzeit. Dies zog ein Anknüpfen an diesen Slogan in linksradikalen Kreisen nach sich, so z.B. in den Blockupy-Protesten 2012. Diese Forderung nimmt erstmal an, dass eine Repräsentation aller durch ein demokratisches System möglich ist, ohne kritisch zu hinterfragen, wie gut dieses eigentlich dazu beigetragen hat, die alltägliche Krise unserer Gesellschaft zu befrieden.
    Wir möchten in unserer Veranstaltung versuchen zu zeigen, wie bürgerlicher Staat und repräsentative Demokratie zusammen funktionieren, über was man bei so einer Bundestagswahl eigentlich alles abstimmen kann und wie politische Teilhabe hier überhaupt funktioniert.“

    Beim UG-Kongress im Juli 2013 in Berlin haben die wohl einen Workshop zum selben Thema abgehalten. Vielleicht war ja jemand dabei. Ausserdem gab’s in Hannover mal eine Veranstaltungsreihe mit der Jungen Linken Hannover zu unterschiedlichsten Themen.
    P.S.: Die komplette ANA-Veranstaltungsreihe „ABC der radikalen Linken“ (2012).

  23. lala
    27. Januar 2014, 20:28 | #23

    und was wurde nun gesagt? Schokolade ist was feines ja wohl kaum bzw. nicht über nen halben Tag hinweg. Und was ist verkehrt am gesagten?

  24. 28. Januar 2014, 15:45 | #24

    Das wurde z.B. gesagt:
    GSPler: Zum ersten Beitrag (Demokratie mit anderem Inhalt füllen, [wohl der erste Beitrag des zweiten Blocks von *aze zu „radikaler Demokratie“, so der Hinweis von DGS]):
    Das ist natürlich ein verlockender Gedanke und hat auch seine Einsichtigkeit: wenn ich das Klo besetzen kann, dann auch die Begriffe, warum nicht? Aber dann finde ich es auch ein bisschen unmutig, sich so einen hinteren Begriff wie „Demokratie“ vorzunehmen und sich ein relativ verschwurbeltes Ersatzangebot auszudenken, wo ich das auch aus dem Vortrag nicht so recht rausgehört habe. Ich würde vorschlagen, machen wir doch weiter: Karneval heißt ab morgen Kommunismus, Schichtanfang bedeutet Schichtende, Arbeit bedeutet Freibier und Hartz IVler heißen eigentlich Millionäre. Wenn man nur genug dran glaubt, dann passiert es ja. Wenn es die Macht der Begriffe ist, dann muß man auch an die eigene Theorie glauben, dann muß man konsequent sein und es so machen.
    Ich will darauf raus: Ich halte diese Art, sich den Begriff zu konstruieren, was könnte Demokratie Besseres sein, als sie ist, für eine ganz unklare Art der Argumentation, die hat was Mogelhaftes in der Durchführung, man macht sich selber aber auch etwas über die Sache vor: Man springt eigentlich geistig immer hin und her, redet man über die Demokratie, die es wirklich gibt, das Ding, das damit bezeichnet wird in den verschiedenen Ländern, die demokratisch regieren, oder unterschiebt man dieser Sache ne eigene, schönere Vorstellung, wo man sagt, ja irgendwie könnte man das auch Demokratie nennen und springt geistig dann immer hin und her. Hat nicht auch die Herrschaft, die wir heute haben, auch schon ein bisschen was, (muß ja was gemeinsam haben) mit meiner besseren Vorstellung gemeinsam? Schon was verwirklicht, Beweis: ich kann es mir unter Demokratie ja auch schöner denken. Und umgekehrt, wenn man jetzt sagt, na ja, was hat denn deine Vorstellung eigentlich noch mit Demokratie zu tun, dann kommt: Na, ich will das doch gerade mit anderem Inhalt füllen, deswegen denke ich mir ein Zusatzding.
    Eigentlich läuft es darauf hinaus, daß man die eigenen Hoffnungen, die eigenen Utopien, stückweit verwechselt, ein stückweit schon reinlegt in die Sache, die es heute gibt. Die hat aber mit den Utopien des Besseren und selbstbestimmten und mitbestimmten Leben wirklich nichts gemeinsam. Wenn man bloß guckt, was ist die Demokratie, die wir hier haben, dann denkt man nicht, daß da schon Selbstverwirklichung und Autonomie und andere Schönheiten drin verwirklicht sind.
    Hast du jetzt ja auch nicht angeboten, du hast ja gesagt, die utopische Demokratie, die ist dann mit Sinnproduktion beschäftigt. Das kann meinetwegen auch demokratisch passieren, wenn ich da nicht mitmachen muß, kann das auch aristokratisch passieren. Ich bin gar nicht so an „Sinn“ interessiert, sondern wenn, dann würde mich ja mehr interessieren, daß ich die Herrschaft über mich loswerde und in der Gesellschaft die Konkurrenz um Lebensmöglichkeiten, die die Herrschaft durchsetzt. Das scheint mir der Inhalt der Demokratie zu sein, daß dieses Programm mit Verfassung, mit Rechten, ausgedrückt: Ihr „dürft“ konkurrieren um euren Lebensunterhalt, gemacht wird und durchgesetzt wird, und zwar nicht einfach durchgesetzt wird, sondern dabei auch um Zustimmung der Beherrschten geworben wird. Das ist das, was bei uns das Demokratische ist. Das will ich nicht mit anderem Inhalt füllen. Da will ich ganz klar sagen: Ich lehne alles an diesem Verfahren, ich lehne das Ideal und die Utopie von einer Herrschaft, die mir Rechte gibt, die mich immerhin versammeln und sprechen läßt, die lehne ich ab. Ich bin Antidemokrat! So kannst du doch auch mal in den Diskurs um die Begriffe intervenieren. Demokratie hat einen guten Ruf, ich bin dagegen. Da kannst du dann in ein klareres und lebhafteres Gespräch kommen.
    Bei den einzelnen Freiheiten ist es, glaube ich, jetzt hier im Raum, noch relativ schnell einsehbar. Soll man so was sagen, bei uns gibt es immerhin Versammlungsfreiheit, im Kommunismus will man sich ja auch versammeln, also ist das doch schon 1 % in die richtige Richtung? Nein! Versammlungsfreiheit ist doch erst mal die Unverschämtheit, daß der Staat eine Verfassung macht, wo drinsteht, ich erlaube den Leuten, sich am Brandenburger Tor zu versammeln und Buh! zu rufen. Sie dürfen das gar nicht, wenn er es ihnen nicht erlaubt. Und sie dürfen das nur unter den Bedingungen, zu denen er es erlaubt: Einhaltung der Kautelen des Versammlungsrechts. Es heißt aber vor allem auch, was dürfen sie jetzt eigentlich? Sie dürfen nicht selber praktisch tätig werden, sie dürfen nicht, da wo sie arm sind, wo ihnen was fehlt, einfach Tatsachen schaffen, sondern sie dürfen bei der Regierung eine lautstarke Petition mit Schildern und durch Brandenburger Tor laufen abgeben, „bitte regiert uns besser!“ Das ist eine sauuntertänige Geschichte! Freiheiten, die erlaubt werden per Recht, das ist eine abzulehnende Sache, das ist ein Prinzip, das man bekämpfen muß, weil das bedeutet die Vorschrift, wie darfst du dein Leben betätigen.
    Also, in der prinzipiellen Frage, Freiheit wird gewährt, ohne daß ich Versammlung davor sage, wird es auch deutlich, da wird es jetzt strittiger: eigentlich ist es doch klar, normalerweise will ich doch bloß ans Mittelmeer, und mich da in die Sonne legen. Jeder betätigt sich gerne frei und nimmt sich heute das eine und morgen das andere vor. Was hat das denn überhaupt zu tun mit einem Prinzip, daß es erst einmal eine Macht braucht in der Gesellschaft, die allen sagt, ihr seid frei und nicht unterdrückt von mir. Diese Erlaubnis hat offensichtlich nichts damit zu tun, daß die Leute ihre eigenen Entscheidungen treffen, das tun sie eh auch, daß es die Verfassung und das Recht gibt. Diese Freiheit ist eine, die das Prinzip, die Leute haben nichts miteinander zu tun, der Eine ist nicht für den Anderen verantwortlich, durchsetzt. Du mußt mit deinen Mitteln schauen, wie du zurecht kommst. Du bist frei, dich selber einzusetzen zu deinem Nutzen. Und wenn du es nicht schaffst, dann ist keiner für dich verantwortlich, denn das ist deine Freiheit. Das ist der Inhalt von dem, was Demokratie gewährt. Das macht einerseits ihren guten Ruf aus, weil es verwechselt wird mit Ermöglichung und das eigene Interesse voranbringen. Diesen guten Ruf sollte man bekämpfen, denn er ist eine Lüge! Und wo du das Potential der Demokratie, da gibt es doch viel Unzufriedenheit, deshalb stellen die Leute sich gern was Besseres darunter vor, ausmachst, das ist einfach nur das Ideal, Demokratie könnte doch auch so gehen, daß sie nicht die ganzen schlechten Folgen hat, die sie hat. Das geht aber nicht, die schlechten Folgen hat sie, weil es eine Herrschaft ist, die um Zustimmung wirbt.
    Podium: Das war ja jetzt eine deutliche, ich glaub für heute die deutlichste Antithese, die wir gehört haben, zur Verwendung des Demokratiebegriffs.

  25. Ben Richards
    28. Januar 2014, 18:42 | #25

    Ansonsten, lala, scheint es doch so zu sein, dass die Veranstalter ihrem Anspruch keineswegs gerecht geworden sind: Da sollte eine heilige Kuh geschlachtet werden und nachdem, was neoprene berichtet, wurden jede Menge Demokratieideale vorgestellt statt die süße Versuchung der Demokratie in Angriff zu nehmen. Das Gegenteil war offenbar der Fall.
    Und dazu hat neoprene jetzt eine Kritik zitiert. Findest Du das nicht richtig oder was findest Du an Demokratie gut?

  26. Mattis
    28. Januar 2014, 19:31 | #26

    Ich kann dem bisher Gesagten nicht zustimmen.
    Linke Demokratie-Idealisten und antidemokratische Kommunisten machen m.E. denselben Fehler: sich auf das Thema Demokratie zu fixieren. Die einen erklären die nicht-vorhandene oder eingeschränkte Demokratie zum Übel – die anderen erklären die Demokratie zur Grundlage des Kapitalismus. Beides ist verkehrt. Weder führt eine „vollständigere“ Demokratie irgendwie in Richtung Sozialismus, noch ist andererseits der Kapitalismus überhaupt auf die Demokratie angewiesen.
    Setzt man auf antikapitalistische Überzeugungsarbeit, dann ist nicht die Demokratie die Hürde, sondern das kapitalismuskonforme Bewusstsein der Lohnabhängigen. Also ist dieses die entscheidende Hürde und nicht die politische Form, in der dieses Bewusstsein immer wieder dem Kapitalismus seine Zustimmung gibt.

  27. 28. Januar 2014, 20:41 | #27

    Es scheint mir falsch, jedenfalls in Bezug auf den GSP, zu sagen, in deren Demokratiekritik würde die zur „Grundlage“ des Kapitalismus erklärt. Was ja so falsch wiederum auch nicht ist, denn in der Tat ist eine kapitalistische Klassengesellschaft ohne des bürgerliche Recht, also die klassischen bürgerlichen Freiheitsrechtzuweisungen auf die Rechtssubjekte nicht zu haben. Das muß, insofern gebe ich Mattis recht, natürlich nicht unbedingt demokratisch organisiert sein, da gibt es ja genügend Beispiele aus der Geschichte wie der Gegenwart, daß Gewinnmacherei auch ganz und gar undemokratisch vonstatten gehen kann.
    Es scheint mir aber dennoch wichtig, gerade bei der „antikapitalistischen Überzeugungsarbeit“ den prokapitalistischen Adressaten deren Demokratiefundierung anzugreifen. Das sind in der Praxis doch fast immer zwei Seiten der gleichen ideologischen Medaille. Und bei subjektiv antikapitalistischen Leuten, z.B. gab es die ja bei den blockupy-Protesten natürlich auch. Da hat sich der GSP doch extreme Mühe gemacht, denen das haarklein asuzutreiben. Was da jetzt die alles „entscheidende Hürde“ bei diesem gordischen Knoten ist, will ich gar nicht entscheiden.

  28. TaP
    29. Januar 2014, 00:56 | #28

    @ Neoprene (27. Januar 2014 um 8:27 Uhr)
    1. zu „provokante Frage[n]“ in der Einladung:
    Ja, ich stimme zu: Wenn sich die ReferentInnen direkter auf die Fragen eingelassen hätten, hätte die Diskussion zusätzlich an politischer Klarheit gewonnen.
    2. zu „Auf die Frage des Veranstaltungstitels ‚Demokratie – die süßeste Versuchung seit es Politik gibt?‘ haben die Anwesenden durch die Bank die Antwort gegeben, au ja, Schoko ist doch was Feines!“
    Du hättest schon – der Vollständigkeit halber – erwähnen können, daß
    — ich mich mehrfach im Laufe des Tages für das Absterben nicht nur des Staates und Rechts, sondern auch der Demokratie im Kommunismus aussprach
    — der InterKomm-Referent schon vor Erreichen des Kommunismus allenfalls bereit war, Demokratie als Notlösung zu akzeptieren.
    3. zu „Nicht ganz vergessen habe ich dabei die Genossen, die sich ‚Mit Poulantzas die Revolution durch, mit und gegen den Staat denken‘ vorgenommen haben, da fühle ich mich echt in die DKP-WGs meiner Jugend zurückversetzt, die sind damals auch schon mit den berüchtigten ‚Kräfteverhältnissen‘ und dem Grundgesetz unter dem Arm ganz demokratisch zugange gewesen.“
    a) Mir ist nicht erinnerlich, daß es in dem Referat einen affirmativen Bezug auf’s Grundgesetz gab.
    b) Auch war Poulantzas – ob nun zum Guten oder Schlechten – deutlich bewegungsorientierter und basisdemokratischer als die DKP in der BRD oder die KPF in Frankreich – und das wurde auch im Referat deutlich.
    c) Außerdem hat sich der Referent von pluralistischen Poulantzas-Lesarten distanziert und die Bedeutung revolutionärer Gewalt für die Überwindung des Kapitalismus betont.
    @ Neoprene (27. Januar 2014 um 13:41 Uhr)
    Zum *aze-Beitrag:
    1. Kuhn (Anything goes) und Popper sind aber auch noch mal zwei Sachen – Kuhn war ein und verstand sich als ein Popper-Kritiker – was nicht heißt, daß Popper (in allem) Recht gehabt hätte; aber gegen Kuhn vermutlich schon (jedenfalls was Anything goes anbelangt). – Und beide waren keine PoststrukturalistInnen; und beide wurde in dem *aze-Beitrag nicht erwähnt; der Poststrukturalismus aber sehr wohl.
    2. Was die „absolute Wahrheit“ anbelangt, so würde ich – anders als *aze – sagen:
    a) es gibt sie, aber sie ist immer nur annäherungsweise (hoffentlich: zunehmend!) erreichbar/formulierbar
    b) Mir scheint: *aze meinte gar nicht analytische Wahrheit, sondern politische Richtigkeit.
    @ Beitrag eines GSP-lers (Neoprene – 28. Januar 2014 um 15:45 Uhr):
    1. Zu „Zum ersten Beitrag (Demokratie mit anderem Inhalt füllen)“: Gemeint ist vermutlich nicht der „erste“ Beitrag bei dem Workshop-Tag (das war der der InterKomms zu Bordiga), sondern der Beitrag von *aze zu „radikaler Demokratie“.
    2. Marx hat unter „Kommunismus“ und „Sozialismus“ auch etwas anderes verstanden als Leute, die vor ihm von „Kommunismus“ und „Sozialismus“ gesprochen hatten – war das nach GSP-Ansicht auch die Konstruktion eines „relativ verschwurbeltes Ersatzangebot“ und „Mogelhaftes“?!
    Und 3.: Weil es im Kommunismus keinen Staat, kein Recht, keine Verfassung usw. mehr gibt, ist hier und heute nach GSP-Ansicht also egal, ob es in der Verfassung und der staatlichen Praxis – wenn auch begrenzte – Versammlungsfreiheit gibt oder nicht gibt?!
    Mit SOLCHEN Argumenten wird Demokratie-Kritik nicht vorangebracht, sondern ad absurdum geführt.

  29. TaP
    29. Januar 2014, 01:35 | #29

    Selbstkritisches PS.:
    Anything goes – das war gar nicht Kuhn, sondern Feyerabend, aber auch Feyerabend wurde in dem *aze-Vortrag nicht erwähnt – und auch Feyerabend war/ist kein Poststrukturalist.

  30. gpr
    29. Januar 2014, 14:54 | #30

    Hallo Tap.
    Keine Ahnung was die „GSP-Ansicht“ dazu ist, Dein Abschnitt 3. unter „@ Beitrag eines GSP-lers“ zeigt meines Erachtens jedenfalls einige klassische linke Denkfehler auf. Du schreibst:
    „ Und 3.: Weil es im Kommunismus keinen Staat, kein Recht, keine Verfassung usw. mehr gibt, ist hier und heute nach GSP-Ansicht also egal, ob es in der Verfassung und der staatlichen Praxis – wenn auch begrenzte – Versammlungsfreiheit gibt oder nicht gibt?!“
    
Dass die Existenz von Versammlungsfreiheit egal ist, hat niemand behautet. Im Gegenteil erfüllt die Versammlungsfreiheit gerade einen Zweck, der kritisiert werden sollte. Sie ist die staatliche Erlaubnis, sich zu Mehreren versammeln zu d ü r f e n, um an der öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen der FDGO teilzunehmen. Die Kritik daran steht oben eigentlich schon. Hier noch mal der Anfang:
    Menschen, deren Leben durch die politische Ordnung einer Gesellschaft bestimmt wird, haben nichts davon, dass ihnen zunächst von einer Instanz, die getrennt von Ihnen existiert, gestattet werden muss, sich zu treffen, um Politik zu erörtern. Ein Erlauben ist zugleich immer ein Begrenzen, sofern es mehr als ein Hirngespinst sein soll und bei Beschäftigung mit der Reichweite der Erlaubnis (in diesem Fall zb: Ohne Waffen, kein Aufrührertum, keine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung gleichwertiger Rechtsgüter)stellt sich nicht überraschend heraus, dass diese entlang des Interesse des Erlaubnisgebers gezogen ist, nicht des Interesse derjenigen die sie betrifft. Der demokratische Staat hat ein positives Interesse daran, dass seine Bürger darum streiten, welche konkrete Politik für i h n am geeignetsten ist und ihren Überzeugungen Ausdruck verleihen. Dass diese politische Meinungsbildung und die daraus folgenden Entscheidungen im Rahmen dessen, was er als für sich brauchbar erachtet verlaufen, stellt er sicher indem er ihre Grenzen zieht. Nur aus diesem Grund setzt er die Erlaubnis in die Welt und verpflichtet damit seine Bürger darauf, nur so wie er es will, an der Meinungsbildung teilzuhaben. Was er genau damit will und warum die Leute davon nichts haben, wäre dann der Fortgang der Kritik. Dass die Versammlungsfreiheit aber weder für Dich noch den Staat egal ist, sollte jetzt schon klar sein.
    Dein „Egal“ ist doch aber nicht eine Unklarheit über diese Fragen, oder? Du meinst damit doch wirklich wie oben gesagt ein „immerhin“, worauf zumindest Dein „ – wenn auch begrenzte –“ verweist.
    Fehler 1: Die Erlaubnis dafür kritisieren, dass sie eine Grenze hat. Eine Erlaubnis macht ohne Grenze keinen Sinn, hätte auch gar keinen eigenen fassbareren Inhalt mehr, getrennt von dem Gegenstand, den sie umfasst. Was ist der Unterschied zwischen sich bewegen und die Bewegungsfreiheit nutzen? Das eine ist die schlichte Betätigung im Wortsinne, also zu den notwendigen Bedingungen, die sich aus der Sache selbst ergeben, wie zb. von A nach B laufen. Das andere ist die Betätigung im Wortsinne unter Bedingungen, die sich nicht aus der Sache ergeben, für sie aber zur Bedingung gemacht werden: Hier sind das Aufenthaltserlaubnisse, Ein- und Ausreisebestimmungen, das liebe Geld. Wenn also gesagt wird, dass der Mensch frei zu etwas ist, ist es entweder eine unnötige Verdoppelung einer seiner Eigenschaften oder Tätigkeiten oder aber die Ansage, dafür Grenzen setzten zu wollen. Dann sollte man sich aber nicht nur darüber echauffieren, sondern prüfen, was es damit auf sich hat.
    Fehler 2: Schlimmer geht es immer. Ein Vergleich mit etwas anderem, ist kein positives Urteil über eine Sache. Versammlungsfreiheit unterworfen zu sein ist mir subjektiv lieber, als erschossen werden, obwohl das übrigens auch sehr gut zusammen geht. Ich persönlich würde gegenüber der Versammlungsfreiheit allerdings ein Wurstbrötchen bevorzugen, um mal einen anderen hochinteressanten Vergleich zu machen.
    Fehler 3: Du kommst überhaupt nur darauf diesen Vergleich zu machen, weil du Dir als freier Rechtsperson gleichzeitig überall die Grenzen deines Handlungsraums vorgegeben sind. Du weißt also, dass es hier nur so von Verboten wimmelt und bedankst dich dann dafür, dass du immerhin ein bisschen was darfst. Klar, wenn ich Mieter bin, bin ich darauf angewiesen, dass ich zB. einen Räumungsschutz habe. Dass dieser Räumungsschutz nichts weiter als die Kehrseite der Räumungserlaubnis des Vermieters ist, wird dabei übersehen. So ist es auch mit der Versammlungsfreiheit, ihre Existenz ist die Bedingung und Rechtfertigung, unter der das nächste Mal eine Demo erlaubt oder verboten wird oder die Bullen auf Leute einknüppeln. Du machst so den Grund für deine miese Lage zu ihrer Linderung, ohne zu sehen, dass das ein und dasselbe ist. Der allen bürgerlichen Freiheiten innewohnenden Einladung, nicht Grund, Zweck und Auswirkungen zu klären, sondern zu fragen, was Du aus ihnen unter diesen Verhältnissen herausschlagen kannst, bist Du damit gefolgt. So wirst Du auch in Deiner Analyse falsch und machst:
    Fehler 4: „Mit SOLCHEN Argumenten wird Demokratie-Kritik nicht vorangebracht, sondern ad absurdum geführt.“ Wer zu dem Schluss kommt, dass an der Demokratie keine gute Seite festzuhalten ist, führt Demokratie-Kritik ins Absurde? Dann sag doch einfach von Anfang an, das Du Kritik an Demokratie nur OK findest, wenn die Kritik zum Ergebnis kommt sie zu erhalten und zu verbessern. Dann gibts für Dich in Zukunft bestimmt auch weniger praktische Probleme mit der Versammlungsfreiheit.

  31. 29. Januar 2014, 15:29 | #31

    Nach den blockupy-Protesten in Frankfurt in 2012 hat der GegenStandpunkt mehrere Veranstaltungen gemacht, wo er die Punkte, die jetzt auch gpr vorgebracht hat (ich nehme an, ein bißchen kennt er deren Argumentation schon auch. Um sowas zu wissen muß man ja im übrigen auch nicht unbedingt ein GSPler sein,) in aller Ausführlichkeit dargelegt hat (z.B. in Nürnberg http://doku.argudiss.de/data/12_11/demokratie-protest_nbg_1112_ges.mp3). Ich habe dazu hier auch schon Stellung genommen: http://neoprene.blogsport.de/2012/12/02/zum-stellenwert-des-demonstrierens-fuer-kommunisten/
    Und zu den „praktischen Problemen mit der Versammlungsfreiheit“ kann man mittlerweile im MSZ-Online-Archiv nachlesen, wie es z.B. der MG ergangen ist, als sie noch demonstrieren gegangen ist (1978 gegen den Schah auch in Frankfurt): http://msz1974-80.net/Demonstranten.html

  32. Xaver
    29. Januar 2014, 17:14 | #32

    Ein Beispiel zu den „praktischen Problemen mit der Versammlungsfreiheit“ anno 1991:
    „Am 19. Februar (1991) findet eine Veranstaltung unter dem Motto „Protest gegen den Krieg am Golf: Redliche Empfindungen, aber keine Argumente?“ in der Max-Emanuel-Brauerei in der Adalbertstraße 33 statt. Polizei hat das Gebiet weitflächig umstellt, Polizeibeamte bestehen auf ihrem angeblichen „Anwesenheitsrecht“. Darauf verlassen viele Besucherinnen und Besucher die Veranstaltung, zwei der vorgesehenen RednerInnen verzichten auf ihre Beiträge.
    Am 20. Mai erklärt die Marxistische Gruppe (MG) ihre Selbstauflösung. Offenbar gab der Verfassungsschutz Daten von Menschen, die Veranstaltungen der MG besucht haben oder mit der MG in Verbindung stehen an das Berufliche Fortbildungszentrum der bayrischen Arbeitgeberverbände sowie an den Bayrischen Rundfunk weiter“

  33. TaP
    29. Januar 2014, 18:07 | #33

    Hallo gpr,
    zum Anfang:
    1. „
Dass die Existenz von Versammlungsfreiheit egal ist, hat niemand behautet.“
    Was wurde dann behauptet?! Der GSP-Genosse sagte bei der Veranstaltung: „Soll man so was sagen, bei uns gibt es immerhin Versammlungsfreiheit, […]. Nein!“
    Wenn dieser Satz nicht besagen soll, daß die Existenz von Versammlungsfreiheit egal ist, dann soll er wohl besagen, daß ein Staat mit Versammlungsfreiheit ein noch größeres Übel als ein Staat ohne Versammlungsfreiheit ist? Ok, wäre eine interessante These – würde ich dann aber gerne mal eine Begründung für hören.
    Die zweite denkbare Position lautet (und das ist bspw. meine Position, aber sicherlich nicht die des GSP), solange überhaupt ein Staat existiert, ist ein Staat mit Versammlungsfreiheit einem Staat ohne Versammlungsfreiheit vorzuziehen.
    Die dritte denkbare Position ist die ‚egal-These‘: Allen Unterschiede in der staatliche und gesellschaftlichen Organisation und Praxis unterhalb des Kommunismus (= eine Gesellschaft ohne Staat, Herrschaft und Ausbeutung) sind uns egal.
    Eine vierte Position ist nicht denkbar und auch von Dir nicht dargelegt.
    2. „Im Gegenteil erfüllt die Versammlungsfreiheit gerade einen Zweck, der kritisiert werden sollte. Sie ist die staatliche Erlaubnis, sich zu Mehreren versammeln zu d ü r f e n, um an der öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen der FDGO teilzunehmen.“
    a) Diese Zweckbegrenzung gilt nicht für „die Versammlungsfreiheit“ schlechthin, sondern für die Versammlungsfreiheit in der postfaschistischen BRD.
    b) Meine Position lautet, selbst mit der Zweckbegrenzung „fdGO“ bietet das Recht sich ohne staatliche Genehmigung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, bessere Bedingungen – was nicht heißt: optimale Bedingungen – für die große der Masse der Bevölkerung, insbesondere für die Lohnabhängigen, sich für ihre Interessen einsetzen.
    An diesem Umstand ändert nichts, daß das sich Einsetzen von Lohnabhängigen für ihre Interessen im Rahmen des Kapitalismus nicht der Kommunismus ist. Und an diesem Umstand ändert auch nichts, daß Versammlungsfreiheit kein Recht zum bewaffneten Aufstand ist.
    Auch der GSP scheint die Vorteile der Kampfbedingungen unter Presse- und Versammlungsfreiheit zu schätzen, denn der GSP wird nicht klandestin publiziert und vertrieben; jedenfalls nicht alle AutorInnen schreiben dort unter Pseudonym; GSP-AutorInnen treten öffentlich als solche auf und zu Veranstaltungen, bei denen sie auftreten, wird nicht klandestin eingeladen.
    Meine Frage lautet nun: Würde der GSP Verhältnisse vorziehen, in denen es nicht möglich ist, den GSP in dieser Weise zu publizieren, zu vertreiben und zu bewerben etc.? Ja oder Nein?
    3. „Menschen, deren Leben durch die politische Ordnung einer Gesellschaft bestimmt wird, haben nichts davon, dass ihnen zunächst von einer Instanz, die getrennt von Ihnen existiert, gestattet werden muss, sich zu treffen, um Politik zu erörtern.“
    a) Das besagt nicht mehr als die unstrittige These, daß kommunistische Verhältnisse (d.h.: ohne Staat, Herrschaft und Ausbeutung) gegenüber Verhältnissen mit Staat für die Lebensbedingungen von vielen „Menschen“ besser wären.
    Der Satz besagt aber nichts (d.h. enthält kein Argument) in Bezug auf die umstrittene Frage, ob bei Existenz eines Staates die Existenz von Versammlungsfreiheit oder Nicht-Versammlungsfreiheit einen Einfluß auf die Lebens- und Kampfbedingungen der großen Masse der Bevölkerung, insb. der Lohnabhängigen, hat oder nicht.
    b) Im übrigen bedeutet Versammlungsfreiheit gerade nicht, daß Menschen „zunächst von einer Instanz, die getrennt von Ihnen existiert, gestattet werden muss, sich zu treffen, um Politik zu erörtern.“
    Vielmehr bedeutet Versammlungsfreiheit, daß sie sich ohne ‚Gestattung‘ (ohne Genehmigung) versammeln dürfen.
    Versammlungsfreiheit bedeutet gerade, daß das Versammeln nicht einem Erlaubnisvorbehalt unterliegt, sondern es nur im Einzelfall – bei vorliegenden bestimmter Voraussetzungen verboten werden darf.
    Daher noch einmal die tatstächlich strittige Frage: Hat es einen Einfluß auf die Lebens- und Kampfbedingungen der großen Masse der Bevölkerung, insb. der Lohnabhängigen, ob das Versammeln ohne staatliche Genehmigung generell oder nur im Einzelfall verboten ist? – Ich bin gespannt auf die GSP-Antwort…
    4. „Der demokratische Staat hat ein positives Interesse daran, dass seine Bürger darum streiten, welche konkrete Politik für i h n am geeignetsten ist und ihren Überzeugungen Ausdruck verleihen.“
    a) Abgesehen von dem kritikwürdigen Kollektivsingular „[d]er demokratische Staat“ – statt präziser: „demokratische Staaten“ -: Ja.
    Genauso wahr ist allerdings auch: Ein undemokratischer Staat hat kein Interesse daran.
    b) Meinungsäußerungsfreiheit bedeutet allerdings nicht nur, daß die BürgerInnen darüber „streiten [dürfen], welche konkrete Politik für i h n [den demokratischen Staat]am geeignetsten ist“, sondern sie dürfen darüber streiten, welche Politik sie (die BürgerInnen) vorziehen.
    An diesem Umstand ändert nichts, daß nicht immer umgesetzt wird, was die BürgerInnen mehrheitlich vorziehen. Und an diesem Umstand ändert auch nichts, daß die BürgerInnen ziemlich häufig mehrheitlich etwas vorziehen, das ich nicht vorziehe.
    Bleibt die Frage: Sind unter emanzipatorischen Gesichtspunkten Verhältnisse vorzuziehen, in denen Menschen über diese Fragen streiten dürfen oder sind sie vielmehr abzulehnen oder ist dieser Frage mit einer Haltung der Indifferenz zu begegnen?
    Zu dem angeblichen „Fehler 1: Die Erlaubnis dafür kritisieren, dass sie eine Grenze hat.“:
    Sicherlich läßt sich sagen, daß es unsinnig wäre zu kritisieren, daß eine Erlaubnis überhaupt Grenzen hat. Dies heißt aber nicht, daß es unsinnig ist, unter diesen oder jenen gesellschaftlichen Verhältnissen diese oder jene konkreten Grenzen zu befürworten oder abzulehnen.
    Zu dem angeblichen „Fehler 2: Schlimmer geht es immer. Ein Vergleich mit etwas anderem, ist kein positives Urteil über eine Sache.“:
    Ja, und?! Ich sage ja nicht, daß demokratischere Staaten eine positive Sache sind. Ich sage vielmehr: Es wäre positiv, wenn wir in kommunistischen Verhältnissen leben würden. Und solange wir nicht in kommunistischen Verhältnisse leben (d.h.: nicht in der Lage sind, sie durchzusetzen), sind demokratische Verhältnisse positiver (Komparativ) als undemokratische.
    Zu dem angeblichen „Fehler 3: Du kommst überhaupt nur darauf diesen Vergleich zu machen, weil du Dir als freier Rechtsperson gleichzeitig überall die Grenzen deines Handlungsraums vorgegeben sind.“:
    Ja, so ist es! Aber dem Umstand, daß ich eine „Rechtsperson“ bin, kann ich nicht durch individuellen Willensakt entrinnen. – Den Kommunismus einzuführen, ist selbst kollektiv eine nicht so ganz einfache Sache.
    Allerdings lassen sich eventuell zu einem Zeitpunkt X (z.B. heute) BündnispartnerInnen, die sich nicht oder noch nicht für den Kampf für den Kommunismus gewinnen lassen, dafür gewinnen, die Grenzen des Handlungsraums der Lohnabhängigen etwas großzügiger zu bemessen. Ist es richtig oder ist falsch, eine solche Chance zu nutzen?
    Zu dem angeblichen „Fehler 4: ‚Mit SOLCHEN Argumenten wird Demokratie-Kritik nicht vorangebracht, sondern ad absurdum geführt.‘ Wer zu dem Schluss kommt, dass an der Demokratie keine gute Seite festzuhalten ist, führt Demokratie-Kritik ins Absurde? Dann sag doch einfach von Anfang an, das Du Kritik an Demokratie nur OK findest, wenn die Kritik zum Ergebnis kommt sie zu erhalten und zu verbessern.“
    Nein, absurd ist vielmehr, weil sowohl demokratische als auch undemokratische Staaten nicht der Kommunismus sind, dem Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Staaten mit einer Haltung der Indifferenz und gar einer Präferenz für die undemokratischen Staaten (bei ansonsten gleichen Verhältnissen) zu begegenen.
    Und ich rede auch nicht davon, ‚die Demokratie“ schlechthin zu erhalten und zu verbessern. Ich Rede vielmehr davon,
    — unter nicht-sozialistischen Verhältnissen konkrete demokratische Rechte und Freiheiten zu verteidigen und für ihre Erweiterung zu kämpfen
    — weitergehend für die Ersetzung der bürgerliche Demokratie durch sozialistische Demokratie zu kämpfen (was wie – ich am Sonntag in Kritik am Demokratie-Essentialismus von Luxemburg und anderen darlegte – nicht eine quantitativ-graduelle Steigerung von Demokratie schlechthin, sondern ein Formwechsel von Demokratie ist)
    und
    — schließlich für das Absterben auch der Reste von Herrschaft, Ausbeutung, des sozialistischen Übergangsstaates und damit von Demokratie zu kämpfen. –
    Siehe im übrigen:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/06/8-fehler-des-antidemokratischen-gegenstandpunkt-gsp-sorry-ada/
    und
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/10/06/wer-recht-hat-hat-recht-arbeitermacht-contra-gegenstandpunkt/

  34. 29. Januar 2014, 19:26 | #34

    Diese Logik, daß man sich nur undemokratische Verhältnisse imaginieren muß (Gottseidank leben wir nicht mehr unter Hitler oder im Iran usw.), und schon geht es einem hier und jetzt in der FDGO und der EU doch Gold, relativ gesehen, die ist so weitverbreitet unter normalen Demokraten wie unter ihrem linken Teil, wie sie kaum zu knacken ist.
    Mit diesem ach so bescheidenem Trost in seinem ja nicht nur hinter der Hand als recht trist anerkannten Leben ist jede nüchterne Analyse, in welcher (bescheidenen) Situation man sich befindet, praktisch schon vorab abgebogen, denn so schlimm wie es sein mag (und regelmäßig wollen Demokraten das ja gar nicht so genau wissen), es ist schon deshalb nicht wirklich schlimm, weil es ja noch schlimmer kommen könnte.
    Und umgekehrt erstrahlt dann die miese Realität, durch all die rechtlichen Vorschriften und Einschränkungen ja ganz bewußt und zielgerichtet mies für uns eingerichtet, in einem unverdienten Glanz und hat geradezu einen positiven Umhang, der die kapitalistischen Zwecke der jeweiligen Freiheiten immer wieder wegwischt mit dem Totschläger, wie blöd man erst dran wäre, wenn man nicht einmal ein Petitionsrecht beim Bundestag oder den ordentlichen Rechtsweg oder all die anderen Schönheiten hätte.

  35. 29. Januar 2014, 19:54 | #35

    @TaP

    „Meine Position lautet, selbst mit der Zweckbegrenzung „fdGO“ bietet das Recht sich ohne staatliche Genehmigung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, bessere Bedingungen – was nicht heißt: optimale Bedingungen – für die große der Masse der Bevölkerung, insbesondere für die Lohnabhängigen, sich für ihre Interessen einsetzen.“

    Meine Position lautet hingegen, daß das Versammlungsrecht nur solange gewährt wird, wie ihr Einsatz gerade nicht die wichtigen Interessen der BRD tangiert. Sowie eine Demonstration sich auch nur verbal intentional gegen ein Ziel richtet, daß diesem Staat am Herzen liegt, kriegen die Demonstranten nach allen Regeln der Rechts- und Polizeikunst zu spüren, was ihre Grenzen sind. Muß ich das wirklich mit Beispielen aus der Geschichte der BRD belegen? Ein paar Fälle sind ja selbst hier schon angesprochen worden. Selbst ein nun wirklich eigentlich harmloser Protest wie die blockupy-Aktionen in Frankfurt sind da doch gegen eine harte Wand gefahren. Und die mobilisierte Arbeiterklasse war das ja eh nicht, da stand also noch nicht mal die Drohung von wirklichem Kampf, wirklichem Klassenkampf dahinter.

  36. TaP
    29. Januar 2014, 20:17 | #36

    @ Neoprene:
    Der Umstand, daß die Versammlungsfreiheit unter bestimmten Umständen abgeschafft oder eingeschränkt wird, ist doch kein Argument GEGEN die Aufassung, daß Lohnabhängige, Linke und auch KommunistInnen ein Interesse an ihrem bestehen haben (sollten).
    Das zeigt doch vielmehr, daß politische Freiheitsrechte jedenfalls nicht restlos in Kapitalfunktionalität aufgehen, sondern vielmehr gerade unter Umständen im Kapitalinteresse abgeschafft werden (müssen).
    Und zu Blockupy 2012:
    http://www.nao-prozess.de/blog/blockupy-fremd-und-selbstvitimisierung-statt-politischer-aussage/
    http://www.nao-prozess.de/blog/blockupy-versammlungsfreiheit-und-deutsche-demokratie-ein-paar-aufklaerungen/
    http://www.nao-prozess.de/blog/wenn-frankfurt-dann-gegen-repression-und-mit-revolutionaerer-perspektive/ (zur Kritik der Berufung auf das sog. „Verhältnismäßigkeitsprinzip“). —
    Die *aze-Broschüre zu „Demokratie“, die bei dem Workshop-Tag vorgestellt wurde:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2014/01/29/fuer-eine-raetesozialistische-de-konstruktion-des-demokratie-begriff/

  37. 29. Januar 2014, 20:37 | #37

    Ach TaP, ich weiß schon auch, daß sich fast alle fürs Recht auf Versammlungsfreiheit „interessieren“. Aber es ist doch demokratisch blauäugig, zu behaupten, nur „unter bestimmten Umständen“ würde das „abgeschafft oder eingeschränkt“. du bist doch selber hinreichend juristisch bewandert und demogeschichtserfahren, um zu wissen, daß diese „bestimmten Umstände“ praktisch immer gelten, so sieht es das Versammlungsrecht, vom GG angefangen, doch vor und so wird es seit Anfang der BRD an praktiziert. Da muß nicht erst was in ferner bürgerkriegsähnlicher Zukunft abgeschafft werden, diese Einschränkungen sind der Inhalt des Versammlungsrechts. Du klingst so, als ob Kommunisten hier und jetzt eigentlich freie Hand hätten und nur die Notstandsgesetzte dem einen Riegel vorschieben könnten.
    Und bisher ist auch noch nicht Konkretes gekommen, was denn unter den Kautelen des demokratischen Versamnmlungsrechtes Kommunisten so fürchterlich Weltbewegendes machen können, was nur mit Demos geht. Ich befürchte, daß dann sehr viel von dem Zeugs kommt, was brave Appelanten an „ihre“ Regierung so regelmäßig vorbringen.

  38. gpr
    29. Januar 2014, 20:47 | #38

    zu TaP:
    Zu 1.:
    „Dass die Existenz von Versammlungsfreiheit egal ist, hat niemand behautet.“
    Was wurde dann behauptet?! Der GSP-Genosse sagte bei der Veranstaltung: „Soll man so was sagen, bei uns gibt es immerhin Versammlungsfreiheit, […]. Nein!“
    Meines Erachtens ergibt sich daraus keine der von Dir angebotenen drei Positionen, sondern die Betonung liegt wie versucht darzustellen auf dem „immerhin“. Und weil es damit zusammenfällt und sich durch deinen gesamten Text zieht:
    „Zu dem angeblichen „Fehler 2: Schlimmer geht es immer. Ein Vergleich mit etwas anderem, ist kein positives Urteil über eine Sache.“: […] Und solange wir nicht in kommunistischen Verhältnisse leben (d.h.: nicht in der Lage sind, sie durchzusetzen), sind demokratische Verhältnisse positiver (Komparativ) als undemokratische.[…]
    Ja und undemokratische Verhältnisse sind positiver als früher bei den Hunnen und die sind positiver als Hungertod und der ist positiver als dabei noch Beulenpest dazu und so weiter. Merkst Du nicht du machst? Vor allem tu doch nicht so, als ob das Deine Entscheidung wär, wo und unter welchen Verhältnissen du lebst oder dich politisch betätigst. Was für einen Sinn macht es das System, das dich drangsaliert, dafür zu loben, dass es noch brutaler sein könnte? Das ist die alte Rechtfertigungsmasche von der Demokratie als schlechtester gesellschaftlicher Ordnung, außer eben allen anderen.
    Und das selbe bei
    „Zu dem angeblichen „Fehler 4: [mein kram] Nein, absurd ist vielmehr, weil sowohl demokratische als auch undemokratische Staaten nicht der Kommunismus sind, dem Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Staaten mit einer Haltung der Indifferenz und gar einer Präferenz für die undemokratischen Staaten (bei ansonsten gleichen Verhältnissen) zu begegenen.“
    Wieder: Als ob Du dir das aussuchen könntest! Es liegt doch nicht an Deiner oder meiner Präferenz welcher Sorte Herrschaft man unterworfen ist. Und du schaffst sogar noch die Steigerung
    bei deinem 2., b):
    „Auch der GSP scheint die Vorteile der Kampfbedingungen unter Presse- und Versammlungsfreiheit zu schätzen, denn der GSP wird nicht klandestin publiziert und vertrieben“
    Jetzt willst Du in einer Situation in der Dir ein Kampf aufgezwungen wird, etwas positives daran finden, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, ihn zu führen? Das ist in etwa so, wie wenn ich mich beim HI-Virus bedanke, dass es so beschaffen ist, dass ich mittlerweile recht gut mit Medikamenten dagegen vor gehen kann. (Was für Presse- und Versammlungsfreiheit damit nicht gesagt sein soll.) Das kann einem ja mal impulsiv rausrutschen, aber gerade wo es komplett ins eins fällt, wie zb. beim Staat und seinem Recht ist das als politische Auffassung verrückt.
    Insofern ist Deine Fragerei, was man da jetzt eigentlich vorziehen würde, einerseits interessiert, andererseits zynisch.
    Zur Versammlungsfreiheit:
    zu Deinem 2. a.): Dann ersetzt fdGO durch demokratisches Gemeinwesen, dann hast du Versammlungsfreiheit schlechthin.
    und 3.:
    „ b) Im übrigen bedeutet Versammlungsfreiheit gerade nicht, daß Menschen „zunächst von einer Instanz, die getrennt von Ihnen existiert, gestattet werden muss, sich zu treffen, um Politik zu erörtern. Vielmehr bedeutet Versammlungsfreiheit, daß sie sich ohne ‚Gestattung‘ (ohne Genehmigung) versammeln dürfen.Versammlungsfreiheit bedeutet gerade, daß das Versammeln nicht einem Erlaubnisvorbehalt unterliegt, sondern es nur im Einzelfall – bei vorliegenden bestimmter Voraussetzungen verboten werden darf.“
    Du hast das mit der Freiheit nicht verstanden und einen lustigen Widerspruch im zweiten Satz, ich hebe ihn mal hervor: „Vielmehr bedeutet Versammlungsfreiheit, daß sie sich OHNE ‘GESTATTUNG’ (ohne Genehmigung) versammeln DÜRFEN.“
    Wenn man etwas ohne Erlaubnis d a r f, was liegt dann wohl vor? Richtig, eine Erlaubnis. In Deutschland in Gestalt von Art. 8 und den Versammlungsgesetzen, Erlaubnis und Grenze. Dass diese sich darauf beschränkt, das man das anmelden soll und keine Genehmigung braucht, ist eben die konkrete Gestaltung, die dieser bürgerlicher Staat vornimmt, wenn er die jeweiligen Grenzen der einzelnen Freiheiten so zieht, dass dabei eine Gesellschaft in seinem Sinne herauskommt. Und auch dabei sind Zwecke unterwegs, die nicht deine sein werden. Statt die zu klären, fragst du aber lieber:
    „Daher noch einmal die tatstächlich strittige Frage: Hat es einen Einfluß auf die Lebens- und Kampfbedingungen der großen Masse der Bevölkerung, insb. der Lohnabhängigen, ob das Versammeln ohne staatliche Genehmigung generell oder nur im Einzelfall verboten ist?“
    Ja, das hat schon einen Einfluss. Vor allem manifestiert sich darin der Anspruch des bürgerlichen Staat an seine Bevölkerung, dass sie Parteigänger von ihm sein soll und sich selbstbewusst und aus freien Stücken in seinem Sinne betätigen. Das heisst sie sollen ihre Freiheiten nutzen um einerseits Geldvermehrung zu betreiben, bzw. vor allem dafür nutzbar sein, sowie andererseits sich im Wettstreit der politischen Meinungen beteiligen, bzw. diese abnicken. Auch die Versammlungsfreiheit ist ein Beleg dafür, dass so etwas besser geht, wenn man den Leuten ein Angebot macht, von dem sie annehmen, das es für s i e gemacht wäre, als sie per Zwang und Verbot dahin zu kriegen.
    Willst Du nicht etwas mehr Deiner politischen Energie darauf verwenden, zB. solche Fragen zu klären und dann entsprechend dagegen anzuagitieren, als geschichtsphilosophische Abwägungen darüber vorzunehmen, wann welche Bedingungen für die Vergrößerung von Handlungsspielräumen gut oder schlecht sind? Das ist ja löblich, wenn du da mehr für die Leute rausholen willst, aber es ist nicht das richtige Mittel um dauerhaft etwas an den Gründen ihrer Not zu ändern.

  39. TaP
    29. Januar 2014, 21:43 | #39

    @ Neoprene:
    „Du klingst so, als ob Kommunisten hier und jetzt eigentlich freie Hand hätten und nur die Notstandsgesetzte dem einen Riegel vorschieben könnten.“
    Solange sie sich friedlich und unbewaffnet versammeln, können sie das im Großen und Ganzen ziemlich unbehelligt machen.
    Wenn dabei Steine fliegen, werden sie allerdings schon behelligt – was wiederum nicht dagegen spricht, im geeigneten Moment Steine zu werfen.
    Auch wenn’s bei Versammlungen um eine aktuell existierende Guerilla-Gruppe, insbesondere wenn sie in einem NATO-Staat kämpft, geht, kann es Schwierigkeiten geben.
    Und mutatis mutandis (mit den notwendigen Änderungen) hinsichtlich der Meinungsäußerungs-, Vereinigungs- usw. -freiheit.
    Außer den Notstandsvorschriften gibt es noch die Vorschriften zur Grundrechtsentziehungen und zu Parteien- und Vereinigungsverboten. Aber zu Grundrechtsentziehungen und Parteienverboten kommt es höchst selten.
    Und in den 70er und 80er Jahen spielten Berufsverbote eine größere Rolle.
    Pi mal Daumen kann gesagt werden: Wenn eine bewaffnete Gruppe oder eine auswärtige Macht, wie die SU, eine Rolle spielt, reagiert der BRD-Staat ruppiger und gut und gerne illegal. – Selbst eine militante Demo-Praxis führt nicht gleich zu Vereinigungsverboten (sicherlich auch aus Effizienzgründen).
    Unter dem Strich bleibtübrig: KommunistInnen könnten heute in BRD – anders als in den 50er oder 70er Jahren – (sicherlich auch, weil sie heute irrelevanter als damals sind) fern von gewaltsamen Aktivitäten so ziemlich alles machen, was sie wollen. – Allenfalls fertigt der Verfassungsschutz einen Aktenvermerk über sie an. – Und auch in den 50er und 70er Jahren war das Repressionsrisiko und das Ausmaß der staatlichen Repressionshandlungen deutlich geringer als im Faschismus oder in Militärdiktaturen und damit die Möglichkeiten für kommunistische Agitation und Propaganda deutlich besser als im Falle der Vergleichsbeispiele.
    „Und bisher ist auch noch nicht konkretes gekommen, was denn unter den Kautelen des demokratischen Versamnmlungsrechtes Kommunisten so fürchterlich Weltbewegendes machen können, was nur mit Demos geht.“
    Ja, und mehr als um Möglichkeiten für Agitation und Propaganda geht es in der Tat kaum. – Demokratien sollten halt weder mit einem Recht zum Aufstand noch mit Diktaturen im staatsrechtlichen Sinne verwechselt werden. Mehr sage ich gar nicht.

  40. TaP
    29. Januar 2014, 22:23 | #40

    @ gpr:
    1.
    „Vor allem tu doch nicht so, als ob das Deine Entscheidung wär, wo und unter welchen Verhältnissen du lebst oder dich politisch betätigst.“
    „Wieder: Als ob Du dir das aussuchen könntest!“
    usw.

    a) Die Existenz von Unterschieden anzuerkennen, heißt nicht (notwendigerweise) zu behaupten, daß die Existenz dieser Unterschiede von Entscheidungen der die Existenz anerkennenden Person(en) abhängt. – Es geht zunächst einmal schlicht und ergreifend um eine realistische Analyse.
    b) Im vorliegenden Fall hängt die Durchsetzung dieser oder jener Alternative allerdings schon von Entscheidungen von Linken ab; Bündnispolitik ist nicht irrelevant. – Ich wies bereits darauf hin:
    „Allerdings lassen sich eventuell zu einem Zeitpunkt X (z.B. heute) BündnispartnerInnen, die sich nicht oder noch nicht für den Kampf für den Kommunismus gewinnen lassen, dafür gewinnen, die Grenzen des Handlungsraums der Lohnabhängigen etwas großzügiger zu bemessen. Ist es richtig oder ist falsch, eine solche Chance zu nutzen?“
    2.
    „Jetzt willst Du in einer Situation in der Dir ein Kampf aufgezwungen wird, etwas positives daran finden, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, ihn zu führen? Das ist in etwa so, wie wenn ich mich beim HI-Virus bedanke, dass es so beschaffen ist, dass ich mittlerweile recht gut mit Medikamenten dagegen vor gehen kann.“
    a) Von Danken und Loben steht in meinen Texten gar nichts; es geht um die Analyse und Bewertung von Handlungsbedingungen.
    b) Einfach zu beantwortende Frage: Ist ein Virus, gegen den sich mit Medikamenten vorgehen läßt, erträglicher, als einer gegen den das (noch) nicht möglich ist?
    3.
    a) „zu Deinem 2. a.): Dann ersetz fdGO durch demokratisches Gemeinwesen, dann hast du Versammlungsfreiheit schlechthin.“
    Nein. Der Art. 18 GG (Entziehung von Grundrechten im Falle deren ‚Mißbrauchs‘ für den Kampf gegen die fdGO) hat in klassischen bürgerlichen Verfassungen kein Vorbild – auch nicht, wenn wir „fdGO“ durch „demokratisches Gemeinwesen“ ersetzen.
    b) „Anspruch des bürgerlichen Staat an seine Bevölkerung, dass sie Parteigänger von ihm Diesein soll und sich selbstbewusst und aus freien Stücken in seinem Sinne betätigen.“
    Ideologisch mag es diesen Anspruch auch außerhalb der Postfaschismen geben; als sanktionsbewährte juristische Norm ist er ein Spezifikum der postfaschistischen BRD und ihres Sendungsbewußtseins gegenüber (anderen) ‚posttotalitären‘ Staaten.
    4.
    Zur Frage des Erlaubnisvorbehalts: Es geht um das Verhältnis von Regel und Ausnahme; darum,
    — ob auch friedliche und unbewaffnete Versammlungen unter freiem Himmel grundsätzlich verboten sind und allenfalls im Einzelfall genehmigt werden (die Rechtslage nach z.B. Art. 29 II Preuß. Verf. von 1850)
    oder
    — ob sie im Grundsatz erlaubt sind und nur im Einzelfall verboten werden können (die Rechtslage nach Art. 8 II GG).

  41. gpr
    30. Januar 2014, 00:12 | #41

    Ok, wir werden uns nicht einig.
    noch ein letztes mal:
    1.
    a.) Nichts gegen Analyse, aber was hier bisher von DIr zu lesen war, ist nur Vergleich.
    b.) Kann sein, aber mach Dir keine Illusionen darüber, dass in jeder Alternative die von Linken soweit gebracht wird, dass sie praktische Geltung erlangt, der bürgerliche Staat sein Interesse verwirklich erkennt. Siehe Umwelt-, Frauen-, Homusexuellen-, AusländerPolitik. Jede Verbesserung die man für Leute rausholt, muss eine sein, die der Staat als Verbesserung für sich begreift. Das kann man, ob der praktischen Verbesserung willen gern machen, ist aber etwas anderes als gegen die Verhältnisse zu arbeiten.
    2.
    Dir sind die Bedingungen erst aufgezwungen. Du hast auch zur Zeit nur mit einer Sorte Bedingungen zu tun. Das es andere Bedingungen gibt, die besser oder schlechter sind, ist dazu erstmal sachfremd. Meine Analogie mit dem Virus sollte aussagen, dass wenn der Schaden aus seiner Verfasstheit heraus, notwendig etwas beinhaltet, dass er nicht ganz so hart wie er könnte ausfälllt, ist es absurd ihn in die zwei Bereiche Schaden und Linderung aufzuspalten. Das Recht was für den einen die Freiheit ist, ist für andere die Pflicht. Das existiert nicht getrennt.
    3.
    a.) Das bezog sich nicht auf Art. 18, in jeder demokratischen Ordnung ist das Versammlungsrecht nicht dafür da, diese abzuschaffen. Dagegen wissen sich auch die meisten zu wehren. Die fdgo ist hier aber ein Rechtsgut, an dem die Versammlungsfreiheit lange vor Art. 18 ihre Schranken findet.
    b.) Das ist der allgemeine Anspruch bürgerlicher Staaten an ihre Bevölkerung. Um ihn zu erfüllen greifen sie eben nicht auf Verbote und Grundrechtsentziehungen zurück, sondern stiften allgemeine Freiheit uns setzten darüber die Bedingungen für j e d e Lebenslage ihrer Untertanen.
    4.
    Auch die Versammlungsfreiheit an sich steht unter Erlaubnisvorbehalt. Sonst würde sie nicht im GG stehen. Die Unterscheidung auf die du hinauswillst, ist eine für den Geschichtsunterricht, die kein Mensch für die Analyse der bürgerliche Demokratie braucht.
    ich bin dann wieder raus.

  42. 31. Januar 2014, 12:03 | #42

    @ gpr:

    „Ok, wir werden uns nicht einig.“

    Ja, das scheint mir auch so.
    zu 1.

    „Jede Verbesserung die man für Leute rausholt, muss eine sein, die der Staat als Verbesserung für sich begreift. Das kann man, ob der praktischen Verbesserung willen gern machen, ist aber etwas anderes als gegen die Verhältnisse zu arbeiten.“

    Ja, aber das heißt erst einmal nicht mehr als, daß Reformen nicht (die) Revolution(en) und daß Verbesserungen der Lebensbedingungen für Lohnabhängige, Frauen, Schwarze in Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus keine Überwindung von Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus sind. Und es heißt erst einmal nicht mehr als, daß ein Kompromiß nur einer ist bzw. nur zustandekommt, wenn alle Beteiligten darin gewissen Vorteile sehen (und sei es die Verhinderung von ‚Schlimmeren‘).
    Allerdings ist der Kampf für „praktischen Verbesserungen“ nur in dem eben dargestellten Sinne „etwas anderes als gegen die Verhältnisse zu arbeiten;“ darüber hinaus gilt aber – und dies wird vom GSP-Spektrum regelmäßig übersehen, „daß ‚der Wille zum Kom­mu­nis­mis‘ nicht durch Agi­ta­tion alleine ent­steht, son­dern durch Kampf­er­fah­run­gen und deren theo­re­ti­scher Refle­xion: Erfah­run­gen von Sie­gen und Nie­der­la­gen; Erfa­hun­gen der Gren­zen von Sie­gen, aber auch ‚Geschmack auf mehr‘ usw.“ (http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/30/luftblase-undoder-aal/, Text B. Abschnitt IV. Noch ein­mal zum NS und Demo­kra­tie“, Unterabschnitt „2. Das Bei­spiel Streik­recht“).
    Der Kampf für Verbesserungen im Bestehenden (nicht des Bestehenden!) kann also durchaus Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben. Der entscheidende Punkt dafür ist, daß sich die KommunistInnen nicht selbst auf das Kämpfen um Verbesserungen im Bestehenden beschränken, sondern als Avantgarde die Perspektive des Kampfes für die Überwindung des Bestehenden in die aktuellen Kämpfe hineintragen; d.h. in Bündnissen für Verbesserungen im Bestehenden die Freiheit der Agitation und Propaganda für ihre Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihr Ziel einer Gesellschaft ohne Herrschaft, Ausbeutung und Staat, also für eine Überwindung des Bestehenden, wahren und wahrnehmen.
    Vgl. auch: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/03/lenin-antwort-der-antidemokratischen-aktion/
    zu 2.:

    „Meine Analogie mit dem Virus sollte aussagen, dass wenn der Schaden aus seiner Verfasstheit heraus, notwendig etwas beinhaltet, dass er nicht ganz so hart wie er könnte ausfälllt, ist es absurd ihn in die zwei Bereiche Schaden und Linderung aufzuspalten.“

    Das mag so sein; aber bürgerlicher Staat und Kapitalismus fallen nicht aus ihrer Verfaßtheit heraus notwendigerweise so aus, daß der Staat parlamentarische Demokratie ist.
    Die ‚Entscheidung‘ z.B. für Faschismus oder parlamentarische Demokratie, für Fordismus oder Neoliberalismus usw. ist zwar Reaktion auf materielle Bedingungen, aber immer auch spezifische Reaktion auf diese Bedingungen – abhängig von Lageeinschätzungen, Strategien und Taktiken, die sowohl innerhalb der Herrschenden und Ausbeutenden als auch der Beherrschten und Ausgebeuteten umstritten sein können und in aller Regel auch tatsächlich umstritten sind; abhängig von Kräfteverhältissen und Bündnisschlüssen; von Kräfteverhältnissen, die sich im Laufe des Kampfes aufgrund dieser und jener (Fehl)entscheidungen der Kämpfenden verschieben können.
    zu 3.:

    „Das ist der allgemeine Anspruch bürgerlicher Staaten an ihre Bevölkerung.“

    Beleg?

    „Um ihn zu erfüllen greifen sie eben nicht auf Verbote und Grundrechtsentziehungen zurück, sondern stiften allgemeine Freiheit uns setzten darüber die Bedingungen für j e d e Lebenslage ihrer Untertanen.“

    Um ihn [den Anspruch?] zu erfüllen greifen sie [die bürgerlichen Staaten?]“ – ???
    Gemeint ist vermutlich: „Damit die BürgerInnen den Anspruch der bürgerlichen Staaten erfüllen, tun die bürgerlichen Staaten … [dieses und jenes].“
    Aber: Liegt es allein in der Hand der bürgerlichen Staaten, ob sich die BürgerInnen so verhalten, wie die Staaten wollen?! – Worum erreichen die bürgerlichen Staaten ihr (vermeintliches) Ziel gerade dadurch, daß sie „allgemeine Freiheit [stiften]“? Und was ist genau mit „setzten [sie = die bürgerlichen Staaten] darüber die Bedingungen für j e d e Lebenslage ihrer Untertanen“ gemeint?

  43. 31. Januar 2014, 12:22 | #43

    Es wundert mich nicht, daß auch TaP hier wieder die Trommel rührt für die Nützlichkeit des „Erfahrungen machen“:

    „darüber hinaus gilt aber – und dies wird vom GSP-Spektrum regelmäßig übersehen, „daß ‚der Wille zum Kom­mu­nis­mis‘ nicht durch Agi­ta­tion alleine ent­steht, son­dern durch Kampf­er­fah­run­gen und deren theo­re­ti­scher Refle­xion: Erfah­run­gen von Sie­gen und Nie­der­la­gen; Erfa­hun­gen der Gren­zen von Sie­gen, aber auch ‚Geschmack auf mehr‘ usw.““

    Da möchte ich mal wieder auf das Streitgespräch zwischen Peter Decker und Michael Heinrich verweisen, das ich auszugsweise verschriftet habe (http://neoprene.blogsport.de/2012/05/10/erfahrungen-versus-unbrauchbare-unzufriedenheit/):

    „Publikum: Ich will gar nicht bestreiten, daß man dann, wenn man sich vom Polizeiknüppel wieder erholt, auch einen klugen Gedanken fassen kann. Aber es hat in gewisser Weise etwas Zynisches, zu sagen, man will eigentlich etwas völlig anderes, man will eigentlich, daß die Leute aufstehen und sagen, ich finde die eigene Revenuequelle Scheiße und dementsprechend einen Umsturz wollen, und läßt sie jetzt aber in Kämpfe reinlaufen, und ist sogar für Kämpfe, die was ganz anderes wollen. Nur damit sie dann dabei merken, daß das, was sie wollen, damit nicht geht.
    Michael: Dann wäre es zu wenig. Aber du merkst in einem Kampf nicht nur, was nicht geht. Du merkst auch plötzlich, was zum Beispiel eine kollektive Aktion ist. Das ist ein bedeutender Unterschied, ob wir hier abstrakt darüber reden, dass Kämpfe, Umstürze usw. nötig sind, oder zum ersten Mal wirklich einen Streik zu machen, eine Fabrik zu besetzen, zum ersten Mal bestimmte Grenzen bürgerlichen Rechts, die du vorher peinlich genau ein gehalten hast, weil du Angst hast, einen Strafzettel für dein Auto zu kriegen, und jetzt plötzlich besetzt du ein fremdes Grundstück, akzeptierst nicht mehr diese normalen Eigentumsregeln. Das ist ein verdammter Unterschied, ob du das praktisch machst oder nur darüber redest vorher. Und diese Erfahrung, die ist wichtig.
    Publikum: Als „kollektive Aktion” kann man auch ins Fußballstadium gehen.
    Michael: Ich sag nicht, jede kollektive Aktion ist, weil sie kollektiv ist, schon gut. Aber eine kollektive Aktion, die darauf rausläuft, bestimmte bürgerliche Eigentumsrechte zu verletzen, und zu sagen, das ist jetzt notwendig, für das was wir wollen, das ist ein Unterschied.
    Publikum: Bei Agitation ist mir etwas verschwommen, was der Gegensatz war: Du hast über Agitation geredet und eigentlich gesagt: Ja, und in den Kämpfen muß man die dann zuspitzen, also doch wieder aufklärerisch wirken, da habe ich den Gegensatz zu Peter überhaupt nicht verstanden, denn Peter hat ja überhaupt nicht gesagt, Agitation findet dadurch statt, dass wir uns in Unisälen treffen, sondern – das ist ja auch der Zeitschrift zu entnehmen – die gehen ja auch auf Demos und verteilen da Flugblätter, „spitzen” also sozusagen „die Kämpfe” da zu und treiben da Agitation. Da würde ich sagen, das ist nicht der Dissens. Was ich aber komisch finde, sind zwei Punkte. Erstens: Erfahrung ist doch was ganz anderes, als bestimmte Schlüsse aus der Erfahrung zu ziehen. Aus der Erfahrung, ich gehe auf den Streik und wir verlieren den Streik, da kann man dann sagen: Scheiße, die Arbeiterklasse ist noch nicht entschlossen genug, jetzt wird mal ordentlich aufgeklärt, damit das nächste Mal alle mitmachen, die das auch angeht. Und man kann genauso sagen: Was für ein Scheiß, da gehe ich doch lieber ins Stadion. Den Schluß, den man aus dem Streik zieht, das ist kein deterministischer, das ist halt die Sache, welches Argument je nach dem mir mehr einleuchtet. Also wieder die Notwendigkeit der Agitation.

    Peter Decker dazu:

    „Als unausgeräumt bleibt vorläufig stehen, dass der Michael sagt, alles mit dem Bewusstsein und der Aufklärung und der Einschätzung der Gesellschaft und des Gegners, mit dem man es zu tun hat, das alles ist gut und schön und auch richtig und will er auch unterstützen und haben, aber das reicht nicht. Es braucht darüber hinaus die Erfahrung wirklicher Kämpfe. Und da kommen dann Formulierungen, die in die Nähe einer sagen wir es mal psychologischen Theorie der Emanzipation gehen: Ängste überwinden, Schranken missachten, Erfahrungen kollektiver Stärke sammeln und solche Formulierungen. Und das gibt es sehr viel in den linken Bewegungen, dass eben – in deinem Fall ganz ausgesprochen – du fällst richtig voll raus aus deiner Kapitalanalyse, das hat jetzt damit gar nichts mehr richtig zu tun, sondern jetzt sind wir in einer ganz anderen Welt, in der Welt der wirklichen Kämpfe.
    Da meine ich, gibt es eine einfache Formel: Der Mensch, der sich zu irgendwas aufrafft, hält immer soviel Radikalität für nötig und zweckmäßig, wie er die Lage einschätzt. Es ist sein Urteil über den Gegner, sein Urteil über seine Lage, sein Urteil über den Zweck, den er überhaupt verfolgt, aus dem sich ergibt, wie frech, wie zerstörerisch, oder wie vorsichtig er auftritt. Beim Lohnkampf, wie er existiert, ist es doch kein Wunder, dass die Leute einerseits sehen, dass sie ihn führen müssen, andererseits davor Angst haben: Sie wollen ja hinterher wieder beschäftigt werden. Und mit diesem Zweck ist man vorsichtig. Mit dem Zweck ist man dann auch quasi der Versuchung schnell erlegen, dass man den notwendigen Gegensatz delegiert: Man ist zahlendes Mitglied der Gewerkschaft, aber man lässt sich am besten nirgendwo sehen. Die Gewerkschaftsfunktionäre sollen den Gegensatz zum Kapital aushandeln, selber ist man Basis und lässt sich allenfalls dann aufrufen, wenn auch schon quasi die Rechtslage geklärt ist, dass es keine Sanktionen von Seiten der Unternehmer für Streikaktionen geben darf, weil das ja gesetzliche erlaubte Streiks sind, usw.
    Ich meine, es gibt keine lebensmäßige Schulung in Radikalismus, oder Schulung in Kampfentschlossenheit jenseits des Urteils dessen, wogegen man wie sich betätigen möchte und muß. Ich will ja gar nicht leugnen, dass Erfahrungen gemacht werden, die man nicht in Büchern liest, wenn Leute sich mal zu etwas aufraffen, das ist doch klar. Aber aufraffen tun sie sich bloß zu dem, was sie für nötig halten und dann mit den Widersprüchen, die dem Zweck anhaften, den sie für nötig halten, (wo ich jetzt beim Lohnkampf ein paar Bestimmungen dafür geben wollte). Deswegen meine ich, ist die Vorstellung, außer sich den Zweck zu setzen, den Laden umzuschmeißen, auch noch das Kämpfen lernen auf einem ganz anderen Feld, diese Idee, nein, die ist es nicht. Nach beiden Seiten hin: Natürlich ist der Bücherwurm zu jedem Radikalismus bereit, wenn er der Meinung ist, das bringt es und das braucht es. Und umgekehrt: Die größten radikalen und äußerst erbittert geführten Kämpfe, die die Spontis in Deutschland geführt haben, haben doch zu nichts geführt, weil kein anderer Zweck damit verbunden war. Es stimmt doch nicht, dass Radikalität lernen irgendwohin führen würde. Da verbeißt man sich in der Gorlebenfront, oder Stuttgart 21, und ist da superradikal und macht auch alle Erfahrungen von Solidarität und Feindschaft usw. Aber wozu führt das?“

  44. 31. Januar 2014, 12:23 | #44

    PS.:
    zu 4.:

    „Auch die Versammlungsfreiheit an sich steht unter Erlaubnisvorbehalt. Sonst würde sie nicht im GG stehen.“

    Die Versammlungsfreiheit steht in der BRD schon mal gar nicht unter Erlaubnisvorbehalt. Wenn überhaupt, würde (Konjunktiv!) das Versammeln unter Erlaubnisvorbehalt stehen.
    Daß die Versammlungsfreiheit – beschränkt auf Fälle des friedlichen und bewaffneten Versammelns – im GG steht, bedeutet (Indikativ!) gerade nicht, daß das friedliche und unbewaffnete Versammeln unter Erlaubnisvorbehalt steht, sondern daß es erlaubt ist – sei es denn es liegen ausnahmsweise die – aufgrund des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 II GG im Versammlungsgesetz statierten – Verbots- bzw. Auflösungsvoraussetzungen vor.
    Etwas anderes als unzutreffenderweise zu behaupten, das friedliche und unbewaffnete Versammeln stände in der BRD unter Erlaubnisverbot halt, wäre zu kritisieren, daß überhaupt ein Staat existiert, der als Staat entscheiden kann, ob er
    — das Versammeln unter dem Vorbehalt der Genehmigung im Einzelfall verbietet
    oder
    — das Versammeln vielmehr – umgekehrt – unter dem Vorbehalt des Verbots im Einzelfall erlaubt
    oder oder…
    Es sind also zu unterscheiden: Generelle Erlaubnis – Erlaubnis unter Verbotsvorbehalt – Verbot unter Erlaubnisvorbehalt – generelles Verbot.

  45. 31. Januar 2014, 12:31 | #45

    @ Neoprene:

    „Es wundert mich nicht, daß auch TaP hier wieder dir Trommel rührt für die Nützlichkeit des ‚Erfahrungen machen‘:“

    Bitte genau lesen! Ich schrieb: „durch Kampf­er­fah­run­gen und deren theo­re­ti­scher Refle­xion„. Die ersteren sind dabei nur der Andenkanstoß und das Material für die letzteren; die letztere dabei das entscheidende Kettenglied:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2011/06/22/widerstand-und-lernen-aus-erfahrungen-kommt-nicht-aus-dem-inneren-von-subjekten-sondern-aus-der-konfrontation-von-widerspruechlichen-erfahrungen-von-sub-jekten-mit-gesellschaftlich-produzierten-begrif/

  46. 31. Januar 2014, 12:31 | #46

    Bekanntermaßen legt der bürgerliche Staat fest, ob er eine Versammlung als „friedlich“ und „gewaltlos“ einschätzt, selbst in der Frage der „Bewaffnung“ ist er sehr eigenwillig (ich erinnere an die aparte Konstruktion der passiven Bewaffnung). Oder anders: Welche Versammlungen er durch die einsamen Straßen Frankfurts oder Berlins laufen läßt, entscheidet er nach seinen politischen Kalkülen, da ist man als friedlicher Demonstrant im Nu in einem Polizeikessel und kriegt eins drüber.

  47. 31. Januar 2014, 12:45 | #47

    Nochmal TaP, ja die „Erfahrungen“ sind nur der Andenkanstoß und das Material für die theoretische Reflektion; die letztere ist dabei das entscheidende Kettenglied. Dann kommt es aber eben auf die an und nicht auf die Erfahrungen. Oder andersrum, irgendwelche Erfahrungen, die die Arbeiterklasse oder auch nur Teile, insbesondere der aktivere kämpferische Teil, oder irgendwelche anderen aktiveren Bewegungen durchgemacht haben, bestimmt in keiner Weise, was sich die Mesnchen, die das mitgemacht haben, darauf für einen poltischen Reim machen. Das geht in beide Richtungen, erfolgreiche kleine Kämpfe wie fetzige Niederlagen bedeuten erst mal per se gar nichts für das poltische Bewußtsein. Die deutsche Bevölkerung hat ab 33 bis 45 die allerschlechtesten „Efahrungen“ mit dem Projekt der nationalen Wiedergeburt mit Hitler gemacht, reihenweise bestand ihre Erfahrung ja sogar darin, irgendwo in Europa als Leiche verscharrt zu werden, und was hat sie das „gelehrt“? Sind die da als Antinationalisten rausgekommen, hat die kommunistische Bewegung einen steilen Aufstieg genommen? Nein, all diese Erfahrungen waren für uns jedenfalls für die Katz.

  48. 31. Januar 2014, 13:01 | #48

    @ Neoprene:
    Ja, der bürgerliche Staat hat qua sog. „Gewaltmonopol“ die letztliche Definitionsmacht, aber soweit der Staat nicht nur Zwang, sondern auch Hegemonie ist (Gramsci), kann er diese Definitionsmacht nicht völlig losgelöst vom üblichen Sprachgebrauch ausüben.
    Und der Unterschied zwischen einem faschistischen und einem demokratischen Staat besteht darin, daß letzterer
    — in der Regel nur solche linksradikalen und revolutionären Demos zusammenprügelt, die militant sind, bei denen verbotene Symbole gezeigt werden u.ä. (Kolletaralschäden unter den gesetzmäßig handelnden Demo-TeilnehmerInnen eingeschlossen) und linksliberale Sitzblockaden in der Regel auf sanftere Art auflöst,
    während
    — faschistische Staaten nicht nur einen Teil der linksradikalen und revolutionären Versammlungsaktivitäten, sondern sämtliche nicht-faschistischen öffentlichen politischen Versammlungen unterbinden.
    Schließlich: Die „Passivbewaffnung“ ist zwar in der Tat eine kuriose Begriffsbildung. Aber „Passivbewaffnung“ ist auch nach staatlichem Verständnis kein Fall von „Waffen“ im Sinne von Art. 8 GG.
    („Passivbewaffnung“ liegt – auf Verfassungsebene – nicht außerhalb des Schutzbereiches von Art. 8 GG für Versammlungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel. Vielmehr ist das Verbot von „Passivbewaffnung“ eine spezielle Regelung, die der Gesetzgeber – aufgrund des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 GG – für Versammlungen unter freiem Himmel treffen konnte. – Es besteht kein Grund, diese deshalb zu befürworten; aber der Staat hat mit dem Verbot von sog. „Passivbewaffnung“ im Versammlungsgesetz nicht einfach willkürlich den Begriff „Waffen“ im Grundgesetz uminterpretiert. Vielmehr hat er die Hierarchie von Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht und die unterschiedlichen Regeln, die die Verfassung für Versammlungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel setzt eingehalten.)

  49. 31. Januar 2014, 13:13 | #49

    @ Neoprene (31. Januar 2014 um 12:45 Uhr):
    Ja, das ist ja meine Rede: Aus Erfahrungen als solches wird erst einmal gar nichts gelernt; Erfahrungen werden nur erfahren.
    Aber eben deshalb hängt vieles von revolutionärer Avantgarde / Organisierung ab; davon, Erfahrungen / Kämpfe im Kontext der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen kollektiv zu analysieren und dafür zu streiten, den Kampf gegen Symptome (sofern der denn überhaupt stattfindet) zu einem Kampf gegen Ursachen weiterzuentwickeln.
    Und jetzt kommt die Differenz zum GSP-Spektrum: Das GSP-Spektrum sagt Kampf (oder eigentlich nur: verbale Kritik) an den Ursachen statt Kampf gegen die Symptome. – Ich sage dagegen: Wenn die revolutionäre Avantgarde darin richtig agiert, können Kämpfe gegen Symptome eine Vorbereitung auf den Kampf gegen Ursachen sein.
    Begründung: Siehe bereits 31. Januar 2014 um 12:03 Uhr (zu 1.) und den dort genannten link: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/03/lenin-antwort-der-antidemokratischen-aktion/.

  50. 31. Januar 2014, 13:17 | #50

    Noch ein Nachtrag zum Recht auf friedliches Demonstrieren in der Demokratie, was einem ein faschistischer Staat nicht erlaubt:
    Wikipedia:

    „Als Massaker von Paris 1961 ging ein Blutbad in Paris am 17. Oktober 1961 während des Algerienkriegs (1954–1962) in die Geschichte ein. Die Pariser Polizei ging brutal gegen eine nicht genehmigte, aber friedliche Demonstration mehrerer zehntausend Algerier vor, zu der die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN aufgerufen hatte. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 200 Menschen getötet wurden.[1] Sie wurden erschossen, erschlagen und zum Teil in der Seine ertränkt. Die blutig verlaufene Massendemonstration wurde in den französischen Medien seinerzeit nahezu flächendeckend totgeschwiegen und erst mit großem zeitlichem Abstand zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion in Frankreich.“

    Maurice Papon war Träger von drei Stufen des Ordens der Ehrenlegion, zuletzt seit 1978 Commandeur.

  51. 31. Januar 2014, 14:22 | #51

    „aber der Staat hat mit dem Verbot von sog. „Passivbewaffnung“ im Versammlungsgesetz nicht einfach willkürlich den Begriff „Waffen“ im Grundgesetz uminterpretiert.“
    Ach nicht? Klingt aber verdammt dannach. Mit der Bezeichnung als Waffe, soll der Träger ganz klar ins Unrecht gesetzt werden. Denn der Staat kann ja nicht zugeben, dass er selbst der „Adressat“ dieser „Waffe“ ist, insofern sich ein Demonstrant sich gegen Waffeneinsatz der Polizei schützen will, weil er damit rechnet. Komische Schutzmacht des Versammlungsrechts, wenn die gleiche Schutzmacht plötzlich Partei in der Auseinandersetzung wird. Der Gesetzgeber legt also fest, dass man sich nur dann frei versammeln darf, wenn man gleichzeitig durch Verzicht auf passive Bewaffnung gewährleistet, dass die Staatsgewalt, den Versammelten maximalen körperlichen Schaden zufügen darf bis hin zum Tod. Was ist denn das für eine Freiheit, wenn ihre Nutzung dir die Kalkulation aufmacht gewaltsam aufgemischt zu werden und dabei vielleicht sogar das Leben zu lassen.
    Mann Mann. So ein Misthaufen lässt sich wirklich nur noch mit dem Vergleich zu einem fiktiven Faschismus refertigen, von dem man sich ausmalt, dass demonstrieren gleich unter Todesstrafe gestellt wird. Nebenbei eine ungeschickte Verfahrensweise vom Standpunkt des Staates. Wenn er sie demonstrieren lässt, kommen seine Feinde aus ihren Löchern und er kann sie bequem erfassen und nach Gusto zu einem späteren Zeitpunkt fertigmachen, wenn die Presse nicht mehr hinsieht. Mit kluger Staatsraison hat die Vorstellung eines faschistischen Staates als abgrundtief Böses nichts zu tun. So wird der demokratische Staat zu einem Schutz vor einem gar nicht existierenden faschistischen Staat auf dem gleichen Territorium. Daran merkt man wie untertänig diese Denkweise ist. Man will einfach nicht vom guten Glauben an den demokratischen Staat lassen, sonst würde man auf solche Verrenkungen nicht kommen.
    „Vielmehr hat er die Hierarchie von Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht und die unterschiedlichen Regeln, die die Verfassung für Versammlungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel setzt eingehalten.“
    Was soll denn das bedeuten? Der Staat kann nicht anders, weil er sich an seine Gesetze halten muss? Und das soll man ihm zugute halten? Dass er sich an das hält, was er eh will?

  52. 2. Februar 2014, 14:21 | #52

    systemcrash hat auf seinem Blog noch einen Kommentar nachgereicht: http://systemcrash.wordpress.com/2014/02/01/vom-sinn-der-herrschaftskritik/
    „auf dem workshop der interkomms in Berlin zum thema “demokratie” (siehe zur diskussion hier ) wurde deutlich, dass linksradikale politik(en) im spannungsfeld zwischen reformistischer anpassung und (ultralinker) verweigerung existiert/existieren. um beiden fallstricken zu entgehen, ist es notwendig, die begriffe “herrschaft” und “staat” möglichst exakt zu bestimmen. insbesondere unter bedingungen, in denen die sozialen kämpfe sehr schwach entwickelt sind (wie in deutschland) ist die gefahr des abrutschens in die eine oder andere ecke sehr gross.
    Herrschaft = Schlecht, egal wie?
    der gegenstandpunkt macht es sich sehr einfach. da auch “demokratische” gesellschaften eine form von herrschaft darstellen (das stimmt), wird daraus die schlussfolgerung gezogen, es mache keinen unterschied zu “undemokratischen” (das stimmt sicher nicht). um die absurdität auf die spitze zu treiben, wird sogar das “setzen der freiheit (durch den staat)” als die effektivste und perfideste form der herrschaftssicherung imaginiert.
    was dabei vollkommen übersehen wird, ist, dass rechtsverhältnisse nicht einfach im luftleeren raum existieren, sondern schon selbst ausdruck von gesellschaftlichen KRÄFTEverhältnissen sind. die position des gegenstandpunktes läuft also darauf hinaus, nicht an die eigene politische bedeutung (wirkmächtigkeit) zu glauben und eine haltung der “verweigerung” zu “theoretisieren”. (ich kann mich noch an eine parole der alten MG zur NATO doppelbeschluss demo in Bonn erinnern: “die NATO will nach Osten, UNS REICHT DER FREIE WESTEN [sic!])
    folgerichtig schreibt ein gewisser gpr auf dem neoprene blog (der stark mit gsp positionen durchzogen ist):

    “Nein, absurd ist vielmehr, weil sowohl demokratische als auch undemokratische Staaten nicht der Kommunismus sind, dem Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Staaten mit einer Haltung der Indifferenz und gar einer Präferenz für die undemokratischen Staaten (bei ansonsten gleichen Verhältnissen) zu begegenen.“ [zitat TaP; anm. v mir]
    Wieder: Als ob Du dir das aussuchen könntest! Es liegt doch nicht an Deiner oder meiner Präferenz welcher Sorte Herrschaft man unterworfen ist.”

    was ist das anderes als eine haltung, die hände (schicksalsergeben) in den (theoretischen) schoss zu legen? wenn man dann auch noch schicksalsmässig das glück hat, in der relativ reichen BRD geboren worden zu sein (und mit politischen freiheitsrechten ausgestattet!), ist so eine haltung auch recht billig zu haben!
    Staat – nur Herrschaftsinstrument oder Kampf um Hegemonie?
    wenn man in der Lenin schule politisch grossgeworden ist, neigt man leicht dazu, den Staat nur als instrument der herrschenden klassen und in seiner repressiven funktion wahrzunehmen. diese sichtweise ist auch nicht (unbedingt) falsch, aber sicher einseitig. gerade in einer gesellschaft, die relativ frei ist von grösseren krisen und sozialen kämpfen, ist die bedeutung der repression (die natürlich auch stattfindet) eher gering. wichtiger ist die integrationsfunktion durch kulturelle und ideologische apparate (bildung, medien, kulturelle werte etc.). und in diesen bereichen findet aber ein kampf um hegemonie und definitionsmacht statt; ist also ein (politischer) raum, dessen jeweilige zeitlich gebundene existenz das ergebnis eines konkreten kräfteverhältnisses ist, welches prinzipiell veränderbar ist. der gen. DGS_TaP hat das sehr gut ausgedrückt:

    “Die ‚Entscheidung‘ z.B. für Faschismus oder parlamentarische Demokratie, für Fordismus oder Neoliberalismus usw. ist zwar Reaktion auf materielle Bedingungen, aber immer auch spezifische Reaktion auf diese Bedingungen – abhängig von Lageeinschätzungen, Strategien und Taktiken, die sowohl innerhalb der Herrschenden und Ausbeutenden als auch der Beherrschten und Ausgebeuteten umstritten sein können und in aller Regel auch tatsächlich umstritten sind; abhängig von Kräfteverhältissen und Bündnisschlüssen; von Kräfteverhältnissen, die sich im Laufe des Kampfes aufgrund dieser und jener (Fehl)entscheidungen der Kämpfenden verschieben können.”

    als Fazit aus dem ganzen möchte ich ebenfalls des gen. DGS_TaP zu wort kommen lassen, denn besser kann man es nicht sagen:

    “Der Kampf für Verbesserungen im Bestehenden (nicht des Bestehenden!) kann also durchaus Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben. Der entscheidende Punkt dafür ist, daß sich die KommunistInnen nicht selbst auf das Kämpfen um Verbesserungen im Bestehenden beschränken, sondern als Avantgarde die Perspektive des Kampfes für die Überwindung des Bestehenden in die aktuellen Kämpfe hineintragen; d.h. in Bündnissen für Verbesserungen im Bestehenden die Freiheit der Agitation und Propaganda für ihre Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihr Ziel einer Gesellschaft ohne Herrschaft, Ausbeutung und Staat, also für eine Überwindung des Bestehenden, wahren und wahrnehmen.”

    — ebenda

  53. Krim
    2. Februar 2014, 15:21 | #53

    „Der Kampf für Verbesserungen im Bestehenden (nicht des Bestehenden!) kann also durchaus Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben.“ Und Schwarz ist eigentlich Weiß, und Bremsen eine Vorbereitungsfunktion fürs Beschleunigen und Zustimmen eine Vorbereitungsfunktion für’s Ablehnen und der Winter ist die Vorbereitungsfunktion für den Sommer und der Sommer für den Winter und der Abstieg hat Vorbereitungsfunktion für den Aufstieg und Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Nie sind die Dinge das was sie sind, sondern das, was man möchte, dass sie sind. Wenn sie in Wirklichkeit das genaue Gegenteil von dem sind, was man sich vorstellt, muss das ja nicht weiter stören. Man muss sich bloß weiter selbst einreden, dass die Verbesserung des Systems eigentlich seine Abschaffung vorbereitet.

  54. 2. Februar 2014, 16:03 | #54

    @ Neoprene / „Massaker von Paris“:
    1. Das Beispiel bestätigt genau das, was ich so sagte: „Wenn eine bewaffnete Gruppe oder eine auswärtige Macht, wie die SU, eine Rolle spielt, reagiert“ – nicht nur, so können wir im hieisigen Kontext ergänzen – „der BRD-Staat ruppiger“.
    Auch wenn die Demo friedlich war, spielte in Bezug auf die Demo eine bewaffnete Gruppe „eine Rolle“: Die algerische nationale Befreiungsbewegung FLN. – Ähnliche Fälle in der BRD in Bezug auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit: Früher: mit dem bewaffneten Kampf der RAF in einem Zusammenhang stehende Themen und Anliegen; heute: im Zusammenhang mit der kurdischen PKK stehende Themen und Anliegen.
    2. Im übrigen war die Demo nicht nur „nicht genehmigt“, sondern sie fand auch unter Verletzung einer verhängten Ausgangssperre statt, wie aus dem Rest des Wikipedia-Artikels hervorgeht. – Kein Wunder, daß der Staat umso ruppiger im Falle einer politischen Demonstration vorgeht, wenn schon das bloße individuelle Betreten der Straße verboten war.
    3. Aber was zeigt denn das Beispiel nun: Daß KommunistInnen das Bestehen oder Nicht-Bestehen, stärkerere oder geringere Beschränkungen der Versammlungsfreiheit egal sind bzw. egal sein sollten? Und entsprechend in Bezug auf das Verhängen von Ausgangssperren.
    Ziehen KommunistInnen einen Zustand ohne Ausgangssperrre und mit Versammlungsfreiheit vor oder nicht? Oder treten sie dieser Alternative mit Indifferenz gegenüber?
    @ Krim (31. Januar 2014 um 14:22 Uhr):
    1.

    [TaP:] ‚aber der Staat hat mit dem Verbot von sog. ‚Passivbewaffnung‘ im Versammlungsgesetz nicht einfach willkürlich den Begriff „Waffen“ im Grundgesetz uminterpretiert.‘
    Ach nicht? Klingt aber verdammt dannach.“

    Ja, mag in Deinen Ohren danach klingen – ist aber (wie ausgeführt) trotzdem der Fall: Das Verbot der „Passivbewaffnung“ ist in der BRD keine (vorgänige) Verminderung des Schutzbereiches der Versammlungsfreiheit auf Verfassungsebene, sondern eine – von der Verfassung zwar zugelassene, aber nicht vorgeschriebene – ’nachträgliche‘ Beschränkung der Versammlungsfreiheit auf einfach gesetzlicher Ebene.
    Was dieser Unterschied für Demo- und Gesetzgebungspraxis sowie die politische Auseinandersetzung bedeutet, kann ich im Bedarfsfalle noch in einem separaten Kommentar genauer erklären (vgl. dazu unten schon mal den vorvorletzten sowie den letzten Absatz).
    2.

    „Der Gesetzgeber legt also fest, dass man sich nur dann frei versammeln darf, wenn man gleichzeitig durch Verzicht auf passive Bewaffnung gewährleistet, dass die Staatsgewalt, den Versammelten maximalen körperlichen Schaden zufügen darf bis hin zum Tod.“

    Ja, und?! Das dementiert aber nicht die Existenz von Versammlungsfreiheit. Denn „der Staat“ fügten den Versammelten i.d.R. nur dann körperliche Schäden – und zwar nicht „maximale“, sondern „verhältnismäßige„! – zu, wenn sie nicht friedlich und unbewaffnet demonstrieren und in einigen verwandten Fällen.
    Hierbei ist wiederum der schon erwähnte Umstand zu berücksichtigen, daß die Versammlungsfreiheit kein Recht zum bewaffneten Aufstand ist und und der Staat auch nicht beansprucht / vorgibt, es sei ein solches Recht. Die Versammlunsfreiheit schützt vielmehr den kollektiven (massenhaften) Modus der politischen Meinungsäußerung. – Folglich begibt sich der Staat in keinen Selbstwiderspruch, wenn er das bewaffnete und unfriedliche Demonstrieren nicht erlaubt und auch nicht, wenn er ebenfalls verbietet, sich beim Demonstrieren so auszustaffieren, daß es dem Staat erschwert wird, gegen unfriedliche DemonstrantInnen vorzugehen.
    Man/frau kann zwar den ‚Wunsch‘ haben, auch der bewaffnete Aufstand solle legal sein. Aber Illusionen in den bürgerlichen Staat bzw. in bürgerliche Demokratie haben nicht diejenigen, die anerkennenen, daß es Unterschiede zwischen Faschismus und Demokratie, zwischen Staaten mit und Staaten ohne Versammlungsfreiheit gibt. Vielmehr haben die Illusionen diejenigen, die die Existenz von Versammlungsfreiheit für irrelevant erklären, weil sie kein Recht zum bewaffneten Aufstand ist und von Staats wegen auch nicht sein kann.
    3.

    „Mit kluger Staatsraison hat die Vorstellung eines faschistischen Staates als abgrundtief Böses nichts zu tun. So wird der demokratische Staat zu einem Schutz vor einem gar nicht existierenden faschistischen Staat auf dem gleichen Territorium. Daran merkt man wie untertänig diese Denkweise ist. Man will einfach nicht vom guten Glauben an den demokratischen Staat lassen, sonst würde man auf solche Verrenkungen nicht kommen.“

    zu Satz 1:
    Ja, nicht immer ist Faschismus die geeigneteste politische Reproduktionsform der kapitalistischen Produktionsweise. Aber daraus folgt nicht, daß KommunistInnen dem Unterschied zwischen Faschismus und bürgerlicher Demokratie mit Indifferenz begegenen sollten. Es verweist vielmehr gerade auf die – von mir schon erwähnte – Wichtigkeit der je spezifischen historischen Konstellationen, Kräfteverhältnisse und Widersprüche innerhalb der verschiedenen Klassen; auf die Schwierigkeit, die Effekte von bestimmten Handlungen und Maßnahmen sicher vorauszusehen usw.
    Sich dazu ins Verhältnis zu setzen, bedeutet den Übergang von der theoretischen zur politischen Praxis zu vollziehen. Nach Lenin ist „die kon­krete Ana­lyse einer kon­kre­ten Situa­tion“ die „leben­dige Seele des Mar­xis­mus“ (LW 31, 154). Den Unterschied zwischen faschistischen und (bürgerlich-)demokratischen Staaten, zwischen Staaten mit und Staaten ohne Versammlungsfreiheit zu negieren, weil sie alle (bürgerliche) Staaten seien, ist dagegen – bestenfalls – „ein Mar­xis­mus der blo­ßen Worte“ (LW 31, 153).
    zu Satz 2:
    Nein, ein demokratischer Staat ist kein „Schutz“ vor einem faschistischen Staat (und er wird auch nicht durch das, was ich sage, dazu [implizit] gemacht). Vielmehr ist ein demokratischer Staat eine der möglichen Alternativen zu faschistischen Staaten. – Und in Bezug auf das Wirklichwerden der einen oder anderen Möglichkeit sind wir wieder auf der Ebene der konkreten historischen Konstellationen, Kräfteverhältnisse usw.
    zu Satz 4:
    Bürgerlich demokratische Staaten sind kein „Glauben“ (weder ein „gute[r]“ noch ein schlechter „Glauben“), sondern eine Realität – eine Realität, die sich sowohl von (beispielsweise) faschistischen bürgerlichen Staaten, von sozialistschen demokratischen Staaten und von hypothetischen kommunistischen Verhältnissen (= ohne Staat) unterscheidet.
    4.

    [TaP:] ‚Vielmehr hat er die Hierarchie von Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht und die unterschiedlichen Regeln, die die Verfassung für Versammlungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel setzt eingehalten.‘
    Was soll denn das bedeuten? Der Staat kann nicht anders, weil er sich an seine Gesetze halten muss? Und das soll man ihm zugute halten? Dass er sich an das hält, was er eh will? „

    zu Frage 2:
    Nein!
    a) Vielmehr hätte der Staat anders gekonnt. Es haben sich aber die Kräfte, die nicht anders wollten, gegen die Kräfte, die (weiterhin) anders wollten, durchgesetzt.
    b) Was „der Staat“ kann, hängt in letzter Instanz nicht von seinen Gesetzen ab; die Gesetze regeln vielmehr, was zulässig ist. Die Einhaltung der Gesetze ist weder auf Seiten der BürgerInnen noch auf Seiten des Staates eine Zwangsläufigkeit.
    c) Der Staat hat im fraglichen Fall (Einführung des Verbots der sog. „Passivbewaffnung“) seine Verfassung eingehalten und ein einfaches Gesetz – das Versammlungsgesetz – geändert.
    zu Frage 3 und 4:
    a) Es geht nicht darum, ‚dem Staat‘ etwas „zugute halten“, sondern es geht darum, unterschiedliche Kampfbedingungen zu analysieren sowie um die Entwicklung und Anwendung von Strategien, die ermöglichen, Verbesserungen der Kampfbedingungen durchzusetzen und Verschlechterungen der Kampfbedingungen abzuwehren. – Im Fall der Einführung des Verbots der sog. „Passivbewaffnung“ war das nicht gelungen; in anderen Fällen ist es gelungen.
    b) In der Tat ist es für KommunistInnen, solange sie nicht in der Lage sind, die bürgerlichen Staaten zu zerschlagen, oftmals von Vorteil, wenn bürgerliche Staaten zumindest ihre eigenen Regeln einhalten. – Dies gilt insbesondere für die Verfahrensregel, daß Gesetze erst geändert und die Gesetzesänderungen erst verkündet werden müssen, bevor sie angewendet werden dürfen. Die Einhaltung dieser Regel durch den Staat bedeutet, zu wissen, was legal und daher offen gemacht werden kann, und zu wissen, was nicht legal gemacht werden kann und daher, wenn dann, klandestin getan werden sollte. – Das ist nicht viel, aber immerhin etwas.

  55. 2. Februar 2014, 16:24 | #55

    @TaP

    „Ziehen KommunistInnen einen Zustand ohne Ausgangssperrre und mit Versammlungsfreiheit vor oder nicht?“

    Ich frag mich immer, aus welchem Supermarkt für demokratische Rechte so ein Linker eigentlich kommen mag. Als wenn unsereiner sinnend vor dem Regal für Demoequipment steht und sich nicht sicher ist, ob er nicht auch mal eine Versammlungssperre einkaufen soll. Überhaupt ist es ja daneben sich auszudenken, daß wir was auswählen und nicht der bürgerliche Staat.

  56. 2. Februar 2014, 17:53 | #56

    @ Neoprene (02. Februar 2014 um 16:24 Uhr)

    „Überhaupt ist es ja daneben sich auszudenken, daß wir was auswählen und nicht der bürgerliche Staat.“

    1. Bezüglich „Der Staat“ und auch „der bürgerliche Staat“ (jeweils: Kollektivsingular) ist das Gleiche zu sagen, das in der *aze-Broschüre (S. 26 f.) und am vergangenen Sonntag bei dem InterKomm-Workshop-Tag über „die Demokratie“ zu sagen war:
    n‘ existe pas / er existiert genauso wenig wie sie!
    2. Auch die konkreter Staaten (Plural) der einen oder anderen (faschistischen, bürgerlich-demokratisch, sozialistisch-demokratischen usw.) Form sind weder homogene Subjekte (mit einheitlichem Willen) noch einfach nur der Ausdruck der „Kapitallogik“ oder ähnliches.
    3. Unter gewissen Gesichtspunkten kann dem – horribile dictu: sozialdemokratisch-kantianischen – Rechtstheoretiker Hans Kelsen zugestimmt werden, daß Staaten (- anders als die herrschende Lehre sagt – keine juristischen Personen, sondern) „Zurechnungspunkte“ sind: Den unterschiedlichen Staaten werden die Willen und Handlungen ihrer FunktionärInnen (BeamtInnen, Abgeordneten, MinisterInnen, …) zugerecht.
    4. Zum dritten Mal (systemcrashs Zitierung mitgezählt: zum vierten Mal) – so langsam könnte ein Gegenargument kommen -: Welche dieser unterschiedlichen Willen bzw. welcher (in der Regel) Willenskompromiß (zwischen diesen unterschiedlichen Willen, die von – horrible dictu: widersprüchlichen – materiellen Verhältnissen determiniert [aber nicht prä-determiniert] sind) durchgesetzt wird, hängt von konkreten historischen Konstellationen und Kräfteverhältnissen, Widersprüchen innerhalb der verschiedenen Klassen, von Bündnispolitiken usw. weiter ab.
    Vgl. dazu auch: Louis Althusser, Contradiction and Overdetermination; http://www.marx2mao.net/Other/FM65i.html#s3.
    5. Da Staaten u.a. Klassenstaaten – politische Formen von gesellschaftlicher, unter anderem Klassenherrschaft – sind, kommen in diesen Konstellationen und Kräfteverhältnisse zwar die Willen von Angehörigen je spezifischer Klassen besser und die von Angehörigen je spezifischer anderer Klassen schlechter zum Zuge. Da aber die gesellschaftlichen Verhältnisse widersprüchlich sind und auch innerhalb der verschiedenen Klassen Widersprüche existieren und da Herrschaft in den allerseltensten Fällen totale Macht auf der einen Seite und totale Ohnmacht auf der anderen Seite bedeutet, spielt Politik, spielt auch Politik der Lohnabhängigen und der KommunistInnen – und zwar bereits lange vor / weit unterhalb der Durchsetzung des Kommunismus – eine Rolle – wenn auch in Form von Bündnissen und Kompromissen mit anderen Klassen(fraktionen) und politischen Strömungen.
    6. Deshalb ist es unnötig und falsch, den Form- und Praxisveränderungen bürgerlichen Staaten von kommunistischer Seite mit fatalistischer oder indifferenter Haltung gegenüber zu treten. Politics – and even communist politics – matter – und zwar auch schon unter Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise.
    Vgl. zu diesem Problemkreis auch noch:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/11/05/subjekt-konstituierung-und-materialismus-der-praxis/
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/10/07/revolitionaere-aktion-stuttgart-nicht-waehlen-aendert-nicht-genug/
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/ (Abschnitt B.I. Kri­tik an der Reduk­tion der poli­ti­schen Pra­xis auf Agi­ta­tion sowie Abschnitt B.II. Kri­tik an der Ver­nei­nung des Kamp­fes um Teil­ziele und des Unter­schie­des zwi­schen grö­ße­ren und klei­ne­ren Übeln)

  57. Krim
    2. Februar 2014, 20:37 | #57

    “ Das Verbot der „Passivbewaffnung“ ist in der BRD keine (vorgänige) Verminderung des Schutzbereiches der Versammlungsfreiheit auf Verfassungsebene, sondern eine – von der Verfassung zwar zugelassene, aber nicht vorgeschriebene – ‚nachträgliche‘ Beschränkung der Versammlungsfreiheit auf einfach gesetzlicher Ebene.“ Du hast sie doch nicht mehr alle. Hechelst den juristischen Unterscheidungen der Staatsgewalt hinterher, als würden deren juristische Kniffe die Sache verändern. Ist mir doch scheißegal auf welcher Ebene der Staat seine Verbote erlässt. Wenn der „Schutzbereiches der Versammlungsfreiheit auf Verfassungsebene“ durch nachträgliche Beschränkungen auf gesetzlicher Ebene so verändert wird, dass mir die Wahrnehmung dieser Freihiet die Alternative zwischen Leben, Unversehrheit und Tod, Versehrheit aufmachen, dann ist davon halt n i c h t s zu halten. Dann ist Versammlungsfreiheit kein Schutz, sondern die Zuständigkeitserklärung der Staates für’s Versammeln. Du darfst dich versammeln, wenn du dafür sorgst, dass der Staat dich zusammenschlagen kann. Du hast das Recht auf Leben, wenn der Staat dich in den Krieg schicken darf, usw. Das soll ein Schutz sein? Ein Verhöhnung ist das und eine Verarsche für Leute wie dich, die sich unbedingt ihren guten Glauben an den Staat behalten wollen.
    „kann ich im Bedarfsfalle noch in einem separaten Kommentar genauer erklären“ Danke nicht nötig. Mir reicht schon dein letzter Kommentar.
    „Ja, und?!“ Ja, und? Der Staat bläst dir dein Lebenslicht aus, weil du wagst dich zu versammeln und dir fällt nichts anderes ein als „ja, und?!“ Na dich dich kann wohl so schnell nichts schocken, wenn dich das nicht schockt. Kein Wunder, dass du Völkermord brauchst, damit dich überhaupt noch etwas empört. „Das dementiert aber nicht die Existenz von Versammlungsfreiheit.“ Ich sagte auch nicht es gäbe keine Versammlungsfreiheit, sondern ich sagte, dass Versammlungsfreiheit der hinterletzte Scheißhaufen ist und nur beinharte Demokratiefans auf die Idee kommen, diesen Scheiß dem Staat auch noch hoch anzurechnen.
    „Denn „der Staat“ fügten den Versammelten i.d.R. nur dann körperliche Schäden zu“ In der Regel also. Wie beruhigend.
    „wenn sie nicht friedlich und unbewaffnet demonstrieren und in einigen verwandten Fällen.“ Super Sache – nur wenn friedlich und unbewaffnet – sehr beruhigend. Und wer stellt die Friedfertigkeit fest? Etwas die Polizeieinsatzleitung vor Ort. Echt super. Und wer „Schutzwaffen“ trägt, ist ja bewaffnet und verdächtig. Also hat der Staat jedes Recht nach gutdünken zuzuschlagen. Und das hältst du für Schutz.
    „Hierbei ist wiederum der schon erwähnte Umstand zu berücksichtigen, daß die Versammlungsfreiheit kein Recht zum bewaffneten Aufstand ist“ Ah ja. Da sehen wir ja schön, wie du dich zum Sprachrohr der Polizeieinsatzleitung machst. Sowas könnte auch in der Pressekonferenz von einem Pressesprecher der Polizei geäußert werden. Plötzlich fällt dir ein, dass der Staat ja ein gutes Recht hat Systemgegner niederzuknüppeln. Und du willst kein Demokratiefan sein? Lächerlich.
    „Folglich begibt sich der Staat in keinen Selbstwiderspruch,“ Schon wieder sorgst du dich um den Staat. Wer sagte denn, dass sich der Staat einen Widerspruch leistet. Behauptet war, dass die Versammlungsfreiheit nicht den Bürgern nützt. Für Gesellschaftskritiker ist die Versammlungsfreiheit ein Widerspruch. Denen nützt sie nicht, dem Staat nützt sie allerdings schon.
    „daß es Unterschiede zwischen Faschismus und Demokratie, zwischen Staaten mit und Staaten ohne Versammlungsfreiheit gibt.“ Die Frage ist doch warum die Unterschiede mit und ohne Versammlungsfreiheit überhaupt interessieren, wenn du dich bloß mit den negativen Folgen der Versammlungsfreiheit herumschlagen musst. Das machst du doch nicht aus wissenschaftlichem Interesse, weil du findest, dass das auch mal gesagt werden muss. Das machst du deswegen, weil es sonst an der Versammlungsfreiheit nichts hochzuhalten gibt. Mit andern Worten, die Versammlungsfreiheit kann man nur dann gut finden, wenn man sich noch etwas schlechteres ausdenkt. Die Frage ist nun? Warum willst du überhaupt die Versammlungsfreiheit gut finden? Antwort: Du bist ein elender Demokrat, der auf die eigentliche Güte seines Staates nichts kommen lassen will.
    „Aber daraus folgt nicht, daß KommunistInnen dem Unterschied zwischen Faschismus und bürgerlicher Demokratie mit Indifferenz begegenen sollten.“ Indifferenz soso. Wenn ich beides aus u n t e r s c h i e d l i c h e n Gründen schlecht finde, dann hältst du das für Indifferenz. Nicht indiffernt ist dann man dann wohl bloß, wenn man die Demokratie lobt, weil sie kein Faschismus ist. Dein Vorurteil ist also, dass man etwas vorziehen muss, wenn man sich nicht den Vorwurf der Indifferenz einfangen will. Beides ablehnen geht wohl nicht.
    “ In der Tat ist es für KommunistInnen, solange sie nicht in der Lage sind, die bürgerlichen Staaten zu zerschlagen, oftmals von Vorteil, wenn bürgerliche Staaten zumindest ihre eigenen Regeln einhalten.“ Also doch. Na das sieht man ja an der „Schutzbewaffnung“ welcher Riesenvorteil es ist, wenn der Staat sich an seine eigenen Regeln hält. Prima. Dann wird man total rechtsstaatlich korrekt niedergeknüppelt. Die Opfer werden sich freuen.
    „Das ist nicht viel, aber immerhin etwas.“ Dämlicher Knecht!

  58. 2. Februar 2014, 23:52 | #58

    Krim auf der Spur von Eduard Bernstein!
    @ Krim (02. Februar 2014 um 15:21 Uhr):

    [TaP:] ‚Der Kampf für Verbesserungen im Bestehenden (nicht des Bestehenden!) kann also durchaus Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben.‘ Und Schwarz ist eigentlich Weiß, und Bremsen eine Vorbereitungsfunktion fürs Beschleunigen und Zustimmen eine Vorbereitungsfunktion für’s Ablehnen und der Winter ist die Vorbereitungsfunktion für den Sommer und der Sommer für den Winter und der Abstieg hat Vorbereitungsfunktion für den Aufstieg und Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Nie sind die Dinge das was sie sind, sondern das, was man möchte, dass sie sind. Wenn sie in Wirklichkeit das genaue Gegenteil von dem sind, was man sich vorstellt, muss das ja nicht weiter stören. Man muss sich bloß weiter selbst einreden, dass die Verbesserung des Systems eigentlich seine Abschaffung vorbereitet.“

    1.
    Das ist zwar laut gebrüllt, aber um zu überzeugen, müßtest Du zunächst einmal beweisen, daß
    — sich Kämpfe für Verbesserungen im Bestehenden zu Kämpfen für die Überwindung des Bestehenden
    — wie schwarz zu weiß
    und nicht wie – beispielsweise – grau zu schwarz oder rosa zu rot verhalten.
    Zwar ist die Beschränkung auf Kämpfe für Verbesserungen im Bestehenden unvereinbar mit dem Kampf gegen das Bestehende. Aber Deine weitergehende These, daß alle Kämpfe für Verbesserungen im Bestehenden – egal, wie sie geführt werden – keine Vorbereitungsfunktion für Kämpfe gegen das Bestehende haben können, müßtest Du nächst einmal beweisen. Deine Analogien könnten dann als Bebilderung des Bewiesenen dienen; aber Analogien können keine Beweisführung in der Sache selbst ersetzen / überflüssig machen.
    Zur Begründung meiner Gegen-These, daß Kämpfe für Verbesserungen im Bestehenden sehr wohl eine Vorbereitungsfunktion für Kämpfe gegen das Bestehende haben können, erlaube ich mir, noch einmal auf den dortigen Abschnitt B.II. Kri­tik an der Ver­nei­nung des Kamp­fes um Teil­ziele und des Unter­schie­des zwi­schen grö­ße­ren und klei­ne­ren Übeln zu verweisen:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/
    2.
    Oder noch einmal anders gesagt:
    a) In der Tat sind diejenigen (d.h.: die ReformistInnen) zu kritisieren, die den Kampf gegen das Bestehende durch den Kampf für Verbesserungen im Bestehenden ersetzen (oder den Kampf gegen das Bestehende noch nie geführt haben).
    b) (Fast) genauso falsch ist allerdings, den Kampf für Verbesserungen im Bestehenden durch den Kampf gegen das Bestehende zu ersetzen, bevor der Kampf gegen das Bestehende siegreich geführt werden kann.
    Zur Begründung sei auf Lenins Kritiken des „‚linken‘ Radikalismus“ verwiesen.
    http://marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1920/linksrad/index.html
    Über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit
    http://kpd-ml.org/doc/lenin/LW27.pdf, S. 315 – 347.
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/andere/lenin-ueber-lukacs-und-bela-kun/
    c) Richtig ist vielmehr, den Kampf für Verbesserungen im Bestehenden und den Kampf gegen das Bestehende gleichzeitig zu führen (solange der letztere noch nicht siegreich geführt werden kann), und dabei den Kampf für Verbesserungen im Bestehenden so zu führen, daß er den Kampf gegen das Bestehende begünstigt und nicht behindert.
    Zur Begründung sei auf die diesbezüglichen Ausführungen vom Luxemburg und Lenin verwiesen:
    Absatz 1 und Halbsatz 1 des zweiten Absatzes von Rosa Luxemburgs Sozialreform oder Revolution?:

    „Der Titel der vorliegenden Schrift kann auf den ersten Blick überraschen. Sozialreform oder Revolution? Kann denn die Sozialdemokratie gegen die Sozialreform sein? Oder kann sie die soziale Revolution, die Umwälzung der bestehenden Ordnung, die ihr Endziel bildet, der Sozialreform entgegenstellen? Allerdings nicht. Für die Sozialdemokratie bildet der alltägliche praktische Kampf um soziale Reformen, um die Besserung der Lage des arbeitenden Volkes noch auf dem Boden des Bestehenden, um die demokratischen Einrichtungen vielmehr den einzigen Weg, den proletarischen Klassenkampf zu leiten und auf das Endziel, auf die Ergreifung der politischen Macht und Aufhebung des Lohnsystems hinzuarbeiten. Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.
    Eine Entgegenstellung dieser beiden Momente der Arbeiterbewegung finden wir erst in der Theorie von Ed. Bernstein„.
    (http://marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1899/sozrefrev/vorwort.htm – Hv. i.O.)

    Lenin:

    „Auf keinen Fall beschränken wir unsere Aufgabe darauf, die meist verbreiteten Losungen der reformistischen Bourgeoisie zu unterstützen. Wir betreiben eine selbständige Politik und machen nur solche Reformen zu unserer Losung, die unbedingt im Interesse des revolutionären Kampfes sind, die unbedingt zur Erhöhung der Selbständigkeit, der Bewußtheit und der Kampffähigkeit des Proletariats beitragen. Nur durch eine solche Taktik machen wir die stets halbschlächtigen, stets heuchlerischen, stets mit bürgerlichen oder polizeilichen Fußangeln ausgestatteten Reformen von oben unschädlich. Mehr noch. Nur durch eine solche Taktik bringen wir den Kampf um ernste Reformen wirklich vorwärts. Das scheint ein Paradox zu sein, aber dieses Paradox wird durch die ganze Geschichte der internationalen Sozialdemokratie bestätigt: die Taktik der Reformisten gewährleistet die Durchführung von Reformen und ihre Realität am schlechtesten. Die Tak­tik des revolutionären Klassen­kampfes gewährleistet das eine wie das an­de­re am besten.“
    (LW 11, 57 f.)

  59. 3. Februar 2014, 00:39 | #59

    @ Krim (02. Februar 2014 um 20:37 Uhr):
    Ich werde Dir bestimmt nicht auf jeden noch so absurden Nebenkriegsschauplatz folgen. Daher zu Deinem neuesten Kommentar nur das folgende:
    — bzgl. einfachgesetzlichem Verbot der sog. „Passivbewaffnung“ und grundgesetzlicher Versammlungsfreiheit:
    1.
    „Ist mir doch scheißegal auf welcher Ebene der Staat seine Verbote erlässt.“
    Das mag Dir „scheißegal“ sein, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und politischen Praxis bedeutet es sehr wohl einen Unterschied, ob
    ++ die Polizei ad hoc die Verfassung uminterpretiert oder die verfassungsrechtliche Versammlungsfreiheit von vornherein sehr eng definiert ist,
    ++ oder aber die verfassungsrechtliche Versammlungsfreiheit weit definiert ist und erst – bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen – durch einfach-gesetzliche Regelungen zulässig eingeschränkt wird, was die Möglichkeit einschließt, dagegen Protest zu organisieren, BündnispartnerInnen zu gewinnen und unter Umständen eine solche Einschränkung zu verhindern. – Wie schon gesagt: Im Falle der sog. „Passivbewaffnung“ gelang dies nicht; in anderen Fällen schon.
    2.
    „Wenn der ‚Schutzbereiches der Versammlungsfreiheit auf Verfassungsebene‘ durch nachträgliche Beschränkungen auf gesetzlicher Ebene so verändert wird, dass mir die Wahrnehmung dieser Freihiet die Alternative zwischen Leben, Unversehrheit und Tod, Versehrheit aufmachen, dann ist davon halt n i c h t s zu halten.“
    „Der Staat bläst dir dein Lebenslicht aus, weil du wagst dich zu versammeln“
    Tja, nur ist das halt in der BRD und anderen Demokratien und Halb-Demokratien gar nicht der Fall! Wenn Du Dich an bestimmte – hier mehrfach dargelegte – Regeln hälst, kannst Du Dich weitgehend unbeschadet für Deine körperliche Unversehtheit und erstrecht Dein Leben (1.) versammeln und (2.) für den Gegenstandpunkt schreiben, ihn herausgeben, seine Hefte kaufen und verkaufen, sie lesen und zitieren, usw. usf.
    — überhaupt zur Versammlungsfreiheit:
    3.
    „Ich sagte auch nicht es gäbe keine Versammlungsfreiheit, sondern ich sagte, dass Versammlungsfreiheit der hinterletzte Scheißhaufen ist“
    „Wer sagte denn, dass sich der Staat einen Widerspruch leistet.“
    Vielmehr suggerierte Neoprene anhand von Beispielen wie dem Verbot der sog. Passivbewaffnung und dem ‚Paris-Massaker‘, daß die Versammlungsfreiheit in (bürgerlichen) Demokratien das Papier nicht Wert sei, auf dem sie steht; d.h.: daß sich der Staat nicht an sein Versammlungsfreiheits-Versprechen halte. Dem widersprach ich, und meinem Widerspruch widersprachst Du wiederum – nur beruht Dein Widerspruch auf einer Verkennung von Inhalt und Reichweite der Versammlungsfreiheit:
    — zu dem Umstand, daß Versammlungsfreiheit kein Recht zum bewaffneten Aufstand ist:
    4.
    „Sowas [wie ich schreibe, TaP] könnte auch in der Pressekonferenz von einem Pressesprecher der Polizei geäußert werden.“
    Mag schon sein, was aber nur zeigt, daß selbst Polizeipressesprecher ein realistischeres Verständnis von Inhalt und Reichweite der Versammlungsfreiheit haben als Du!
    — zu den vermeintlichen „Folgen“ der Versammlungsfreiheit:
    5.
    „Die Frage ist doch warum die Unterschiede mit und ohne Versammlungsfreiheit überhaupt interessieren, wenn du dich bloß mit den negativen Folgen der Versammlungsfreiheit herumschlagen musst.“
    Daran ist schon die Vorstellung falsch, daß Grenzen und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit „Folgen“ der Versammlungsfreiheit seien. Zutreffend ist zwar, daß Versammlungsfreiheit nicht – ohnehin illusorische – Freiheit an und für sich ist; aber der konkrete Umfang von Grenzen und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit ist keine automatische „Folge“ der Existenz von Versammlungsfreiheit, sondern das Ergebnis von politischen Auseinandersetzungen über diese Frage – also Resultat der nun schon mehrfach erwähten konkreten historischen Konstellationen, Kräfteverhältnisse usw.
    — generell zur Wichtigkeit der juristischen Formen:
    „Hechelst den juristischen Unterscheidungen der Staatsgewalt hinterher, als würden deren juristische Kniffe die Sache verändern.“
    Warum (nicht nur hinsichtlich des Unterschiedes zwischen bürgerlicher und sozialistischer Demokratie – siehe dazu meine Ausführungen bei dem InterKomm-Workshop am 26.1. -, sondern) auch im Antirep-Kampf die Form wichtig ist, siehe dort:
    http://interkomm.so36.net/archiv/2008-08-30/nse.pdf, S. 39 f. (im Abschnitt VI.: „Die (Rechts)Form ist wesentlich“)
    http://www.trend.infopartisan.net/trd1108/D_G_Schulze_Vortrag.pdf;
    vgl. auch:
    http://www.trend.infopartisan.net/trd0508/Buko%20GSR-Debatte_KURZ-FIN.pdf.

  60. Krim
    3. Februar 2014, 04:08 | #60

    „um zu überzeugen, müßtest Du zunächst einmal beweisen, daß sich Kämpfe für Verbesserungen im Bestehenden zu Kämpfen für die Überwindung des Bestehenden wie schwarz zu weiß…verhalten“ Wenn man gegen den Kapitalismus ist, dann ist die logische Konsequenz, dass man dagegen kämpft und nicht die, dass man dafür kämpft in ihm besser zurecht zu kommen. Wenn man letzeres tut, hat man sich mit ihm arrangiert und die Behauptung, das wäre nur eine Vorbereitung für den Kampf gegen den Kapitalismus ist eine A u s r e d e. In deinem Abschnitt BII., wo ein gewisser „Krimli“ kritisiert werden soll, konnte ich keine Begründung deiner Vorbereitungsfunktionsthese entdecken.
    „Richtig ist vielmehr, den Kampf für Verbesserungen im Bestehenden und den Kampf gegen das Bestehende gleichzeitig zu führen“ Das geht aber nicht, weil es zwei unterschiedliche Ziele sind. Du kannst nicht einen gerechten Lohn verlangen und gleichzeitig die Lohnarbeit abschaffen wollen. Du kannst m e h r Lohn verlangen und den Kapitalismus abschaffen wollen. Letzteres ist eine Konsequenz dessen, dass man zurechtkommen m u s s. Ersteres ergibt sich daraus, dass man der Meinung ist, dass es ein gerechtes Aufteilungsverhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit geben muss, was ein Indiz dafür ist, dass man zurechtkommen w i l l. Was du erzählst ist alles viel zu philosophisch bzw. zu allgemein. Ich sag doch nichts dagegen, dass man sich gegen Mieterhöhungen zu Wehr setzt oder auch mal bei einem Streik mitmacht, wenn das der eigenen Lohntüte etwas bringt. Ich hab aber sehr wohl was dagegen, dass man sich an die systemkonformen Forderungen der existierenden Protestkräfte anwanzt und deren Gründe für Protest übernimmt. Da zeigt sich nämlich ganz schnell, warum das zumeist keine Vorbereitungsfunktion für einen Systemwechsel erfüllt, sondern für dieses Ziel untauglich und kontraproduktiv ist.
    „Das mag Dir „scheißegal“ sein, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und politischen Praxis bedeutet es sehr wohl einen Unterschied“ Mag ja sein, dass es in der politischen Praxis Auswirkungen hat. Aber für die theoretische Beurteilung und der daraus folgenden A b l e h n u n g der Versammlungsfreiheit sind deine juristischen Unterschiede gleichgültig. Mir passt die Versammlungsfreiheit eben genau deswegen nicht, weil sie bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen auf Gesetzesebene eingeschränkt werden kann. (erst bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen wird beschränkt – oh danke auch, dass es nicht gleich verboten ist) Das ist doch kein Lob einer so konstruiert Versammlungsfreiheit, wie du behauptest, sondern eine Kritik daran.
    „Tja, nur ist das halt in der BRD und anderen Demokratien und Halb-Demokratien gar nicht der Fall!“ Natürlich nimmt er das in Kauf, wenn er „Schutzwaffen“ verbietet. Wenn dann einer draufgeht, war das für dich wohl ein Unfall/Zufall/Misgeschick. Deine Rechtfertigungen nehmen kein Ende. — „Wenn Du Dich an bestimmte – …– Regeln hälst,“ Klar du musst dich bloß unvermummt, damit der VS deine Identität dingfest machen kann, und ungeschützt als Pinata der Polizei zum draufschlagen anbieten, schon darfst du dein Recht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, sogar „weitgehend unbeschadet“. Wow, echt toll diese Versammlungfreiheit.
    “ für den Gegenstandpunkt schreiben, ihn herausgeben, seine Hefte kaufen und verkaufen, sie lesen und zitieren,“ Bravo! Wie ein aufrechter Demokrat gesprochen. Einfach Wahnsinn, dass der Staat sie nicht zusammenknüppelt, sondern bloß für die Auflösung ihrer Vorgängerorganisation gesorgt hat, indem er den Verfassungsschutz dazu veranlasst die bürgerliche Existenz ihrer Mitglieder zu ruinieren.
    „daß die Versammlungsfreiheit in (bürgerlichen) Demokratien das Papier nicht Wert sei,“ Damit wollte neo nicht sagen, dass der Staat sich einen Widerspruch leistet, sondern dass die Versammlungsfreiheit kein Schutz ist. „was aber nur zeigt, dass selbst Polizeipressesprecher ein realistischeres Verständnis von Inhalt und Reichweite der Versammlungsfreiheit haben als Du!“ Nein, das zeigt, dass du die Sorgen und Nöte der Staatsgewalt so gut nachvollziehen kannst, dass man dich für ihr Sprachrohr halten könnte. Du machst keinen großen Hehl daraus, dass du auf deren Standpunkt stehst.
    „aber der konkrete Umfang von Grenzen und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit ist keine automatische „Folge“ der Existenz von Versammlungsfreiheit, sondern das Ergebnis von politischen Auseinandersetzungen über diese Frage – also Resultat der nun schon mehrfach erwähnten konkreten historischen Konstellationen, Kräfteverhältnisse usw.“ Ob automatische Folge oder nicht, ist mir alles völlig wurscht. Wenn die Versammlungsfreiheit als Resultat politischer Kämpfe eine solche Ausgestaltung erfahren kann, dann taugt sie halt nichts. Da mag ich einfach nicht mehr trennen zwischen eigentlich guter Versammlungsfreiheit und schlechter Verwirklichung. Das ist der älteste Trick um sich mit dem System einverstanden zu erklären, nie ist das System selbst schuld, immer ist es prinzipiell voll in Ordnung, wenn nicht die bösen historischen Konstellationen und politischen Kräfte wären, die es korrumpieren, missbrauchen, in den Schmutz ziehen usw. Demokratieidealismus as usual eben.

  61. Ben Richards
    3. Februar 2014, 07:11 | #61

    TaP muss sich mal entscheiden, ob der Staat die Gewalt der kapitalistischen Produktionsweise ist, mithin einen Zweck hat oder ein Kräfteverhältnis (dann offenbar von verschiedenen Zwecken? wovon? wer verhält sich da zu wem wie?) ist. Beides geht gleichzeitig nicht.

  62. 3. Februar 2014, 08:37 | #62

    Ich hatte oben geschrieben:

    „Ich frag mich immer, aus welchem Supermarkt für demokratische Rechte so ein Linker eigentlich kommen mag. Als wenn unsereiner sinnend vor dem Regal für Demoequipment steht und sich nicht sicher ist, ob er nicht auch mal eine Versammlungssperre einkaufen soll. „

    Zu meiner Verblüffung konnte ich nun bei TaP lesen, daß der wirklich ernsthaft meint, wer Demokratie kritisiert (wie z.B. der GSP), der kann eigentlich nur für undemokratische kapitalistische Zustände sein:

    „Nein, absurd ist viel­mehr, weil sowohl demo­kra­ti­sche als auch unde­mo­kra­ti­sche Staa­ten nicht der Kom­mu­nis­mus sind, dem Unter­schied zwi­schen demo­kra­ti­schen und unde­mo­kra­ti­schen Staa­ten mit einer Hal­tung der Indif­fe­renz und gar einer Prä­fe­renz für die unde­mo­kra­ti­schen Staa­ten (bei ansons­ten glei­chen Ver­hält­nis­sen) zu bege­gnen.“

    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2014/02/02/gsp-zur-kritik-der-gegenstandpunktlerischen-uebel-indifferenz/
    Also doch alles rotlackierte Faschisten, das hat die zentrale für politische Bildung doch auch schon immer gewußt.

  63. libelle
    3. Februar 2014, 09:20 | #63

    Wenn man gegen den Kapitalismus ist, dann ist die logische Konsequenz, dass man dagegen kämpft und nicht die, dass man dafür kämpft in ihm besser zurecht zu kommen.

    Vorher muss man eine Kritik aber ersteinmal in einen gegnerischen Standpunkt übersetzt oder sie gleich daraus geschöpft haben! Dessen logische Konsequenz – besser: dessen praktisch werden – ist es dann gegen den Kapitalismus kämpfen zu wollen. Dass dieser Kampf nichts bringt, außer Opfern, interessiert so einen Kommunisten dann schon nur noch Legitimation der Fortsetzung seines „Kampfes“. Die begründete Ablehnung einer Sache macht „Kampf“ noch lange nicht zu einer logischen Konsequenz dieser Ablehnung.
    Danke für diese erhliche Einlassung, zu der Kommunisten, wenn man sie darauf anspricht nicht fähig sind. Da winden sie sich und lügen das Blaue vom Himmel.

  64. Krim
    3. Februar 2014, 11:51 | #64

    Der „Kampf“ ist eine Vokabel von TaP. Dieser hat durchaus verstanden, wie es gemeint war, da er auf seiner Seite sich gegen das Agitieren ausspricht. „Kampf“ kann ja mit ganz verschiedenen Mittel stattfinden, auch mit Argumenten gegen Ideologien. Es bedeutet, dass man einen gegensätzlichen Standpunkt versucht praktisch zur Geltung zu bringen. Selbst dem Bürger ist diese Bedeutung durchaus gängig, wenn er vom Lebenskampf spricht und ihm die Konkurrenz zum Schlachtfeld wird, auf dem er um sein Wohlergehen kämpft im Rahmen des gesetzlich erlaubten. Kampf bedeutet nicht unbedingt die Anwendung von Waffengewalt.
    „Vorher muss man eine Kritik aber ersteinmal in einen gegnerischen Standpunkt übersetzt…haben“ Steht doch da. – „Wenn man gegen den Kapitalismus ist“

  65. 3. Februar 2014, 12:16 | #65

    libelle paßt gut in eine mittlerweile auch schon wieder in die Jahre gekommene antikommunistische Tradition:

    Man setze an die Stelle von »barer Zahlung« »Waffenentscheidung«, an Stelle von »Krisen« »große Gefechte«, und schon entdecken wir, wonach Marx sich sehnte: nach der Sonne von Austerlitz und dem Abend von Waterloo.“

    Das Zitat ist von A. Glucksmann, einem der bekanntesten exmaoistischen Staatsfans (Für den Krieg gegen Serbien, für den Irakkrieg usw.), genauer aus dem Artikel in der MSZ Nr. 26 „Neuer Philosoph Glucksmann: Meisterkoch als Denkerfresser“.

  66. 3. Februar 2014, 12:19 | #66

    @ Krim (03. Februar 2014 um 11:51 Uhr):

    „Der ‚Kampf‘ ist eine Vokabel von TaP. Dieser hat durchaus verstanden, wie es gemeint war, da er auf seiner Seite sich gegen das Agitieren ausspricht.“

    Bitte genau lesen und zitieren: Ich spreche mich auf meiner Seite gegen die „Reduk­tion der poli­ti­schen Pra­xis auf Agi­ta­tion“ aus:
    http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/, Abschnitt B.I.

    „‚Kampf‘ kann ja mit ganz verschiedenen Mittel stattfinden, auch mit Argumenten gegen Ideologien. […] Kampf bedeutet nicht unbedingt die Anwendung von Waffengewalt.“

    Zustimmung insoweit von meiner Seite.

  67. 3. Februar 2014, 12:47 | #67

    @ Krim (03. Februar 2014 um 4:08 Uhr):

    „In deinem Abschnitt BII., wo ein gewisser ‚Krimli‘ kritisiert werden soll, konnte ich keine Begründung deiner Vorbereitungsfunktionsthese entdecken.“

    Vielleicht steigt bei erneuter Lektüre zu nicht-nachtschlafender Zeit die Aufmerksamkeit:

    II. Kritik an der Verneinung des Kampfes um Teilziele und des Unterschiedes zwischen größeren und kleineren Übeln
    [….] Da mir nun auch nicht jede Woche etwas Neues einfällt, wiederhole ich hier der Einfachheit halber das, was ich schon in dem Abschnitt „2. Warum ist nun aber richtig, derartige tatsächliche Reformforderungen zu stellen?“ meines Textes zum Vergleich von Existenzgeld- und Mindestlohn-Forderung geschrieben hatte*:
    1. Es spricht nichts dafür, wenn man/frau/lesbe nicht ‚alles‘ haben kann, nicht zumindest einen ‚Teil‘ durchzusetzen. Der These, daß die Durchsetzung von Teilzielen domestizierend wirke, ist folgendes entgegenzuhalten:

    „Kommunisten sind aber so gut wie immer auch Lohnarbeiter. Kämpfe für mehr Lohn betreibt man eben in der aufoktroyierten Rolle des Proleten, da sich vom Kommunistentum allein heutzutage nicht leben lässt. Dass eine Domestikation des Kap. ihn stabilisieren sollte halte ich übrigens für eine gewagte These, weil dies ebenso bedeuten würde, dass elende Verhältnisse ihn destabilisieren würden. Das falsifiziert sich doch recht schnell, schon allein angesichts der reaktionären Haltung der hiesigen Unterschicht. Eine Revolution vollzieht sich eben in bewusster Aktion und nicht nach einem Reiz-Reaktions Schemata.“
    (http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/13/heute-gelesen-138/#comment-216 [Hv. nachträglich hinzugefügt])

    Ich würde meinerseits noch ergänzen, daß ‚etwas‘ durchzusetzen – jedenfalls unter bestimmten, hinzukommenden Bedingungen – sogar dazu führen kann, Geschmack auf noch mehr zu bekommen.
    2. […].
    3. NiemandE wird als RevolutionärIn oder gar KommunistIn geboren, und es wird auch – anders als Krimli zu meinen scheint – nahezu niemandE allein dadurch eine revolutionäre Haltung einnehmen und eine revolutionäre Praxis entwickeln, daß ihm/ihr jemandE „den Kapitalismus erklärt“ – und zwar selbst dann nicht, wenn die Erklärung zutreffend ist. – Eine revolutionäre Haltung hat nämlich – wie schon ausgeführt – nicht nur mit einer zutreffenden Erkenntnis dieses oder jenes Herrschaftsverhältnisses (oder auch aller Herrschaftsverhältnisse) zu tun (eine solche Erkenntnis kann nämlich durchaus auch mit deren Affirmation einhergehen – Herrschen und Ausbeuten sind ja keine Dummheiten)! Sie hat auch damit zu tun, eine realistische Alternative zu dem Erkannten (oder sogar Verkannten) zu sehen; hat damit zu tun, glaubwürdige Kampfperspektive zu sehen.
    4. Dies setzt voraus, überhaupt erst einmal die Vereinzelung der Markt- und Familien-Subjekte zu durchbrechen, Solidarität, die Möglichkeit des gemeinsamen Kämpfens, zu erfahren.
    5. Kämpfen setzt ‚Techniken‘ und Organisierung voraus. (Organisierung ist allein schon notwendig, um Erfahrungen nicht nur zu machen, sondern sie zutreffend zu analysieren und die richtigen Konsequenzen aus ihnen zu ziehen. Jede etwas komplexere Erkenntnis entsteht nicht durch individuelle Eingebung, sondern durch einen kollektiven Arbeits- und Diskussionsprozeß.) Diese (‚Techniken’ und Organisierung) erst dann zu entwickeln, wenn eine hinreichend große Anzahl von Leuten das richtige ‚revolutionäre Wollen‘ hat, würde Zeit verschenken. – Warum damit nicht schon hier und heute beginnen?! Es wäre sogar falsch, nicht bereits hier und jetzt in Kämpfen für Reformforderungen damit zu beginnen, denn:
    6. NiemandE sollte versuchen, das Bergsteigen, mit einer Besteigung des Mont Everests, zu beginnen. Auch RevolutionärInnen, die sich als erstes Projekt vornehmen, die ‚Revolution zu machen‘, werden dabei blutig auf die Nase fallen, was die Nicht-RevolutionärInnen wiederum in der Überzeugung bestärken würde, daß es ohnehin keine realistische Alternative gibt.
    7. Erfolgreich kämpfen setzt voraus, die Kampfmethoden der GegnerInnen kennenzulernen. Auch damit sollte – wenn es etwas nützen soll – nicht erst in der vermeintlich finalen Schlacht begonnen werden. In jedem Reformkampf (und andere sind in der BRD z.Z. nicht möglich) kann das Lernen beginnen (nur sollte es damit nicht auch enden).
    8. In den seltensten Fälle dürften sich Leute davon überzeugen lassen, den falschen Willen zu haben – nach dem Motto: ‚Ihr wollt nur Mindestlohn, aber Ihr müßt doch den Kapitalismus (das Patriarchat, den Rassismus …) abschaffen wollen.‘ Daß Leute etwas sagen, garantiert nicht, daß ihnen auch zugehört wird. Wer/welche ZuhörerInnen haben will, wird zunächst einmal über die Themen, die die gewünschten ZuhörerInnen interessieren, etwas Sinnvolles sagen müssen – und von da aus zu den eignen Themen kommen. – Wieso sollten RevolutionärInnen von ‚den Leuten‘ das Zuhören geschenkt bekommen, wenn sich die RevolutionärInnen zu dem, was ‚die Leute‘ interessiert – und das sind heute maximal Reformforderungen und deren Durchsetzung -, nicht äußern. Erst wer/welche dazu Brauchbares zu sagen hat und politisch-praktische Vorschläge macht, kann damit rechnen, auch zu viel weitergehenden Projekten gehört zu werden. (Und gute Vorschläge zu machen, setzt voraus, nicht von der ZuschauerInnenbank aus zu kommentieren, sondern in den entsprechenden Bündnissen und Bewegungsstrukturen präsent zu sein.)
    9. Grundlegende Veränderungen zu wollen, setzt auch voraus, einzelne Verbesserungen durchgesetzt zu haben, und dann zu merken, immer noch unzufrieden zu sein [vgl. noch einmal Punkt a): ‚auf den Geschmack kommen’].
    * http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/01/existenzgeld-mindestloehne-und-politisierung-richtige-und-falsche-reformforderungen/ Ergän­zend sei noch auf die Zita­te­samm­lung „Lenin ant­wor­tet der Anti­de­mo­kra­ti­schen Aktion“ hin­ge­wie­sen.
    (http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/)
    Siehe auch ergänzend:
    http://www.nao-prozess.de/blog/workshop-b-4-von-den-tageskaempfen-zum-revolutionaeren-bruch/:
    „die Selbstaktivität der Arbeiter_innenklasse […] fördern. […]. Die Bewegung braucht auch Erfolge und sei es nur im Abwehrkampf, wenn sie Selbstvertrauen und Stärke gewinnen soll. […]. Aus gewonnenen Abwehrkämpfen heraus lässt sich tausendmal besser über weitergehende Perspektiven diskutieren, als wenn nur die Niederlagen kommentiert werden.“
    (Mit anderen Formulierungen in dem zuletzt zitierten Text bin ich dagegen nicht einverstanden, da dort die von mir hier mehrfach betonte Wahrung und Wahrnehmung der „Freiheit der Agitation und Propaganda für ihre [die der KommunistInnen] Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihr [das der KommunistInnen] Ziel einer Gesellschaft ohne Herrschaft, Ausbeutung und Staat, also für eine Überwindung des Bestehenden“ zu kurz kommt.)

  68. 3. Februar 2014, 13:19 | #68

    TaP wieder archetypisch für fast alle Linken:

    „Ich würde meinerseits noch ergänzen, daß ‚etwas‘ durchzusetzen – jedenfalls unter bestimmten, hinzukommenden Bedingungen – sogar dazu führen kann, Geschmack auf noch mehr zu bekommen.“

    Das unehrliche bei solchen Sprüchen ist, daß insgeheim aus dem „kann“ ein „wird ja wohl“ wird. Denn nur dann kommt man mit dem „etwas“ durchsetzen ja weiter in Richtung Revolution. Bekanntlich haben linke Organisationen ganze Heerscharen von Unterstützern in refomistische Projekte gesteckt und da hat sich ganz offensichtlich kein „Geschmack auf noch mehr“ entwickelt. Nein, die Spitzenkader dieser Bewegungen sitzen mittlerweile in Parlamenten und arbeiten alle an dem Weniger, was jetzt auf der bürgerlichen Tagesordnung steht.

    „Eine revolutionäre Haltung hat… auch damit zu tun, eine realistische Alternative zu dem Erkannten (oder sogar Verkannten) zu sehen; hat damit zu tun, glaubwürdige Kampfperspektive zu sehen.“

    Das ist doch offenkundiger Unsinn: Die Arbeiter, Bauern und Soldaten, die in den Brusilow-Offensiven des ersten Weltkriegs verheizt wurden sind doch nicht durch „realistische Alternativen“ (demokratische Wahl des nächsten Sturmobjektes oder so) zu Revolutionären geworden.

    „Kämpfen setzt ‚Techniken‘ und Organisierung voraus.“

    Das zu allerletzt. Vor allem setzt es Bewußtsein voraus, vernünftiges Erkennen seiner Situation, überzeugendes Werben der anderen, die das bisher nicht so gesehen haben, damit die auch beim „Kampf“ mitmachen.

    „Niemand sollte versuchen, das Bergsteigen, mit einer Besteigung des Mont Everests, zu beginnen.“

    Wenn es aber nicht ums Bergsteigen geht, sondern man nur in den Süden kommt, wenn man über den Himalaja wegfliegt, wie das manche Vögel tun (müssen), dann geht es eben darum. Zumindest wissen diese Vögel, die auch erst in bißchen in China rumflattern, daß das alles nichts bringt, wenn sie es nicht über den Himalaja schaffen. Die Kriegsgegner unter den Soldaten der zaristischen Armee haben auch gewußt, daß die vielen kleinen Schritte, mal hier einen Offizier in die Luft sprengen, mal da eine Kanone kaputt machen, oder was man als vereinzelter Antimilitarist in solch einer Situation überhaupt machen kann, buchstäblich nichts bringen, wenn sie das Zarenregime nicht stürzen können.

    „Erfolgreich kämpfen setzt voraus, die Kampfmethoden der GegnerInnen kennenzulernen.“

    Wohl war, aber was sind denn diese Methoden? In einer modernen kapitalistischen Gesellschaft sind das in erster Linie ideologische „Waffen“, die da zum Einsatz kommen, also Presse, Funk und Fernsehen, Bundestagsdebatten usw. Um das zurückschlagen zu können, um davon die Massen wegzubrechen, braucht es wieder vernünftige Argumente, korrekte Erklärungen, kommunistische Agitation und Propaganda eben.

    „Wer/welche ZuhörerInnen haben will, wird zunächst einmal über die Themen, die die gewünschten ZuhörerInnen interessieren, etwas Sinnvolles sagen müssen.“

    Genau, und dies heißt vor allem, den Befürwortern all der „interessanten“ Projekte klarzumachen, daß sie dabei entweder was Blödes wollen, oder daß sei es so nicht kriegen werden, wie sie es sich vorstellen. Ein typisches Beispiel war die Reihe von Veranstaltungen des GegenStandpunkts zum BGE dem bedingungslosen Grundeinkommen. Da gingen die davon aus, was die Leute im Sozialkampf „interessiert“, um daran anknüpfend das in Grund und Boden zu kritisieren, was nicht ganz überraschend viele Zuhörer zu drastischer Empörung gebracht hat, die sich ein aufmunterndes „Nur weiter so!“ erwartet hatten.
    Deshalb halte ich es auch grundlegend und selbst historisch belegt für falsch, wenn TaP die These aufstellt:

    „Grundlegende Veränderungen zu wollen, setzt auch voraus, einzelne Verbesserungen durchgesetzt zu haben, und dann zu merken, immer noch unzufrieden zu sein.“

    Der DGB, oder genauer die deutschen Gewerkschaften haben in den letzten 100 Jahren manches durchgesetzt und sind die ganze Zeit über unzufrieden geblieben, wollen die nun eher „grundlegend“ anderes als früher? Wohl nicht.

  69. 3. Februar 2014, 13:45 | #69

    @ Ben Richards (03. Februar 2014 um 7:11 Uhr):

    TaP muss sich mal entscheiden, ob der Staat die Gewalt der kapitalistischen Produktionsweise ist, mithin einen Zweck hat oder ein Kräfteverhältnis (dann offenbar von verschiedenen Zwecken? wovon? wer verhält sich da zu wem wie?) ist. Beides geht gleichzeitig nicht.

    Daß beides nicht gleichzeitig geht, mag sein – nur vertrete ich keine von beiden Behauptungen, die Du mir unterzuschieben versuchst:
    a) „Der Staat“ „ist“ nicht Gewalt, sondern wendet Gewalt an, um ’seine‘ Entscheidungen durchzusetzen, wenn sie nicht freiwillig befolgt werden.
    b) „Der Staat“ „ist“ auch kein Kräfteverhältnis, aber ’seine‘ Entscheidungen sind Resultat von Kräfteverhältnissen.
    c) „Der Staat“ ist auch kein Subjekt, das sich einen „Zweck“ setzten würde; und er wurde auch nicht von einer Verschwörung böser Subjekt, die ihn mit einem bestimmten „Zweck“ in die Welt gesetzt hätten, erschaffen.
    d) Vielmehr sind Staaten – als Resultat von historischen Prozessen – in bestimmter Weise in die Struktur der Gesellschaft (Basis + Überbau) eingebaut und selbst in bestimmter Weise strukturiert. Diese bestimmte Art der Strukturierung und des Eingebautseins bewirkt, daß die Entscheidungsfindung eines jeden Staates in systematischer Weise zugunsten dieser oder jener gesellschaftlichen Gruppen ‚verzerrt‘ ist.
    e) Dessen ungeachtet funktionieren Staaten in unterschiedlichem Ausmaß (je nach ihrer demokratischen oder nicht-demokratischen Form) nicht in der Weise, daß sie linear und einseitig nur die Interessen einer gesellschaftlichen Gruppe (die im übrigen auch nicht homogen sind) durchsetzen würden, sondern in der Weise, daß sie – wie gesagt: im unterschiedlichen Ausmaß und je nach Kräfteverhältnis – auch die Interessen der anderen gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigen.
    f) Staaten sind nämlich nicht nur eine Verdoppelung der ohne schon existierenden gesellschaftlichen Herrschaft und Ausbeutung, sondern haben dieser gegenüber eine spezifische sowohl Zwangs- als auch Hegemonie- (manchmal sogar: Konsens-) Funktion: http://www.nao-prozess.de/blog/latest/wordpress/wp-content/uploads/2013/09/Die_GAM_sagt_dem_Leninismus_Ade.pdf, S. 11, FN 4.
    g) Bei dem Ganzen dominiert aber die Struktur in letzter Instanz über die konjunkturellen Kräfteverhältnisse, weshalb für den Bruch mit der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise kein Weg an der Zerschlagung der bürgerlichen Staatsapparate vorbeiführt. – Dies heißt aber wiederum nicht, daß es ‚unterhalb‘ des Bruchs mit der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise kein Spielraum für politische Entscheidungen und Kompromisse gibt oder daß es – nach dem Motto „Um so schlimmer desto besser“ – aus Sicht der Lohnabhängigen und/oder KommunistInnen falsch wäre, sie zu nutzen.

  70. 3. Februar 2014, 13:49 | #70

    systemcrash hat auf Facebook folgendes wohl abschließendes Statement bei „Theorie als Praxis“ geschrieben:

    „es ist offensichtlich, dass die ganzen argumentationsstränge auf gsp linie nur auf einer grundlage existieren: sie verstehen nix von dialektik! bei denen gibt es entweder schwarz oder weiss, ja oder nein … aber sie können sich nicht vorstellen, dass es auch was dazwischen und übergangsformen gibt. ich weiss nicht, wo der gsp philosophiegeschichtlich mit seiner metaphysik eingeordnet werden kann, bei Marx aber sicher nicht!
    „TaP muss sich mal entscheiden, ob der Staat die Gewalt der kapitalistischen Produktionsweise ist, mithin einen Zweck hat oder ein Kräfteverhältnis (dann offenbar von verschiedenen Zwecken? wovon? wer verhält sich da zu wem wie?) ist. Beides geht gleichzeitig nicht.“ http://neoprene.blogsport.de/…/demokratie-die…/…
    doch! genau das geht! der staat ist sowohl ein „gewaltapparat“ der kapitalistischen produktionsweise ALS AUCH kampf um hegemonie, ein kräfteverhältnis. wenn das nicht so wäre, bräuchte man sich über systemveränderung gar keine gedanken machen, es gäbe nur die reproduktion des immergleichen. da es aber in der geschichte sehr wohl revolutionen mit systemveränderungen gab, ist die ganze argumentation vom gsp vollkommen unernsthaft, eine spielerei, die vlt durch ihre provokative art eine interessante diskussion auslösen kann, mehr aber auch nicht. es lohnt nicht, sich weiter mit solchen leuten zu beschäftigen. man kann sie getrost rechts liegen lassen!“

    Entweder es gibt wirklich den Staat der berüchtigten „Kräfteverhältnisse“, den man nur Schritt für Schritt in die rechte Ecke schubsen muß, oder der Staat und seine Staatsräson setzen dem „anders“ sein handfeste Grenzen, dann muß er weg, dann muß es eine Revolution geben, damit es anders werden kann. Der erste Weltkrieg hat es manchen, in der Tat nur recht wenigen in der in der Arbeiterbewegung damals vorherrschenden Sozialdemokratie gelehrt, daß ohne den Sturz der imperialistischen Staaten z.B. Frieden nicht zu haben sein wird. Daran hat sich seit buchstäblich hundert Jahren kein Jota geändert.
    Das als Linker nicht einsehen zu wollen, fällt mir schwer nicht umgekehrt als “ unernsthaft, eine spielerei, die vlt durch ihre provokative art eine interessante diskussion auslösen kann, mehr aber auch nicht“ einzuschätzen.

  71. libelle
    3. Februar 2014, 13:51 | #71

    Hier streiten sich ganz offensichtlich zwei Parteien, die den demokratischen Umgang mit Interessengegensätzen schätzen. Der besteht nämlich im Kampf um die Duchsetzung von Interessen d.h. in der Austragung von Machtfragen und nicht im Bemühen um die Aufhebung der Gegensätze. Wer ankündigt für sein Interesse kämpfen zu wollen, der zeichnet einen Gegner aus und dann bestimmt (das will einfach nicht in euren Kopf) der Zweck sich im Gegensatz durchzusetzen die Mittel und nicht die Ritterlichkeit der Parteien o.ä. d.h. die Wahl der Waffen steht euch nicht frei.
    Kämpfen zu wollen ist der Entschluss einen gegnerischen Willen niederringen zu wollen. Das kann auch der eigene Wille aufzugeben z.B. in einem Marathon sein. Also wollt ihr selbstverständlich auch Waffengewalt mit eurem Entschluss zu kämpfen, obwohl ich die nichteinmal erwähnt hatte. Aber darüber hinaus eben auch alle anderen schädlichen Übergänge, die man macht, wenn man Machtfragen austrägt.

  72. 3. Februar 2014, 14:36 | #72

    @ Krim (03. Februar 2014 um 4:08 Uhr):
    „Wenn man gegen den Kapitalismus ist, dann ist die logische Konsequenz, dass man dagegen kämpft und nicht die, dass man dafür kämpft in ihm besser zurecht zu kommen.“
    „Das geht aber nicht, weil es zwei unterschiedliche Ziele sind. Du kannst nicht einen gerechten Lohn verlangen und gleichzeitig die Lohnarbeit abschaffen wollen.“
    Ja, es sind unterschiedliche Kämpfe für unterschiedliche Ziele; aber das heißt nicht, daß es nicht möglich oder nicht sinnvoll wäre, sie in der Weise als ergänzende Kämpfe zu führen, daß je nach Zeitpunkt und Kräfteverhältisse
    — Verschlechterungen im Bestehenden abgewehrt oder zumindest abgemildet werden
    — Verbesserungen im Bestehenden durchgesetzt werden
    und schließlich
    — das Bestehende überwunden wird.
    Damit diese Steigerung funktioniert ist allerdings – wie schon mehr ausgeführt – erforderlich, auch bereits hier und jetzt die Überwindung des Bestehenden zu thematisieren und sie nicht durch Kämpfe im Bestehenden zu ersetzen – sondern sie durch diese vielmehr zu ergänzen!
    „Wenn man letzeres tut [dafür kämpft in ihm besser zurecht zu kommen], hat man sich mit ihm arrangiert und die Behauptung, das wäre nur eine Vorbereitung für den Kampf gegen den Kapitalismus ist, eine A u s r e d e.“
    Das ist Deinerseits eine bloße Unterstellung. Du ignoriest die Unterschiede, die sowohl in der theoretischen als auch politischen Praxis zwischen RevolutionärInnen einerseits und ReformistInnen und GradualistInnen andererseits bestehen.
    „Du kannst m e h r Lohn verlangen und den Kapitalismus abschaffen wollen. Letzteres ist eine Konsequenz dessen, dass man zurechtkommen m u s s. Ersteres ergibt sich daraus, dass man der Meinung ist, dass es ein gerechtes Aufteilungsverhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit geben muss, was ein Indiz dafür ist, dass man zurechtkommen w i l l.“
    Nein, Du kannst auch (und KommunistInnen machen es!) für Lohnerhöhungen kämpfen ohne Dir einzubilden, daß ein höherer Lohn ein „gerechter“ Lohn wäre oder daß die Kategorie „gerechter“ Lohn überhaupt eine sinnvolle Kategorie sei.
    „Ich sag doch nichts dagegen, dass man sich gegen Mieterhöhungen zu Wehr setzt oder auch mal bei einem Streik mitmacht, wenn das der eigenen Lohntüte etwas bringt. Ich hab aber sehr wohl was dagegen, dass man sich an die systemkonformen Forderungen der existierenden Protestkräfte anwanzt und deren Gründe für Protest übernimmt.“
    Wenn Du das ernstmeinst, dann wären wir uns einig. Denn ich argumentiere ja die ganze Zeit, daß Kämpfe im Bestehenden nur dann eine Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben, wenn die Kämpfe im Bestehenden anders geführt werden, als die von ReformistInnen und GradualistInnen geführt werden. Ich argumentiere die ganze Zeit, daß diese Vorbereitungsfunktion daran hängt, daß die RevolutionärInnen mit ihren elaborierteren Analysen und ihren Zielen in die Kämpfe im Bestehenden intervenieren.

    „Mir passt die Versammlungsfreiheit eben genau deswegen nicht, weil sie bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen auf Gesetzesebene eingeschränkt werden kann.“
    Na dann kämpfe doch für die Abschaffung des Gesetzesvorbehaltes in Art. 8 II GG und für die Streichung der Wörter „friedlich“ und „unbewaffnet“ in Art. 8 I GG – wenn das der Gegenstand Deiner Kritik. – Dafür mußt Du aber nicht die Versammlungsfreiheit als solche verwerfen (solange Du überhaupt [noch] Staat und Recht am Hals hast).
    (Nebenbei: Die Streichung des Gesetzesvorbehaltes in Art. 8 II GG wäre [auch] m.E. eine sinnvolle Reformforderung; die Streichung von „friedlich“ zu fordern, wäre dagegen eine kindische Albernheit, weil es kein Recht auf einen bewaffneten Aufstand geben kann. Er kann nur illegal vollzogen werden.)
    „Einfach Wahnsinn, dass der Staat sie nicht zusammenknüppelt, sondern bloß für die Auflösung ihrer Vorgängerorganisation gesorgt hat, indem er den Verfassungsschutz dazu veranlasst die bürgerliche Existenz ihrer Mitglieder zu ruinieren.“
    Einen solchen Radikalitäts-Anspruch vor sich her tragen – und sich an selbst auflösen, nur weil der VS ein Dossier geschrieben und irgendwo hingeschickt hat…
    Ich spare mir, ein erneutes Mal auf den Inhalt der Versammlungsfreiheit und auf das Verhältnis von Grenzen und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit zum Inhalt der Versammlungsfreiheit einzugehen. – Die unterschiedlichen Auffassungen und die zugrundeliegenden Argumente dürften deutlich geworden sein; die gleichen Argumente nur in neue Worte zu gießen und mit neuen Beispielen zu illustrieren bringt demgegenüber nichts Neues.
    Ich fasse meine Auffassung noch einmal wie folgt zusammen:
    — Ein Staat mit Versammlungsfreiheit ist nicht der Kommunismus.
    — Versammlungsfreiheit ist auch kein Recht zum bewaffneten Aufstand.
    — Trotzdem ist sie für KommunistInnen, solange eine Gesellschaft ohne Herrschaft, Staat und Recht nicht durchsetzbar ist, nicht nutzlos und daher von KommunistInnen gegen Einschränkungen zu verteidigen.
    — Wenn der Staat die Zulässigkeit des Versammelns an bestimmte Bedingungen knüpft, dann heißt das nicht, daß gar keine Versammlungsfreiheit existiert.
    — In welchem Ausmaß die Versammlungsfreiheit beschränkt oder nicht beschränkt wird, ist nicht irgendeinem „Wesen“ der Versammlungsfreiheit inhärent, sondern das Ergebnis konkreter Kämpfe und Kräfteverhältnisse; es ist für KommunistInnen sinnvoll, sich in diesen zu engagieren.

  73. Krim
    3. Februar 2014, 14:54 | #73

    „hat damit zu tun, glaubwürdige Kampfperspektive zu sehen.“ Nee. Das grenzt an Opportunismus. Du weißt doch: Der wahre Held bahnt sich sich seinen Weg und gibt nicht auf, wenn er keinen erkennen kann. Das macht er, weil er von der Notwendigkeit seines Ziels überzeugt ist.
    „Jede etwas komplexere Erkenntnis entsteht nicht durch individuelle Eingebung“ Dann war das wohl eine individuelle Eingebung. Oder ist diese Erkenntnis zu wenig komplex, um einen kollektiven Diskussionsprozess zu erfordern.
    „Wer/welche ZuhörerInnen haben will, wird zunächst einmal über die Themen, die die gewünschten ZuhörerInnen interessieren, etwas Sinnvolles sagen müssen“ Als wären die Themen unterschiedlich.
    „wenn sich die RevolutionärInnen zu dem, was ‚die Leute‘ interessiert – und das sind heute maximal Reformforderungen und deren Durchsetzung –, nicht äußern.“ Wer sagte, dass man sich nicht kritisch zu Reformforderungen äußern darf.
    „Erst wer/welche dazu Brauchbares zu sagen hat und politisch-praktische Vorschläge macht,“ q.e.d. Radikale Forderung wie Abschaffung des Kapitalismus sind also nicht „brauchbar“ oder „politisch-praktisch“. Also schlägst du eben doch vor sich konstruktiv an der demokratischen Konkurrenz um systemverbessernde und -stablisierende Entscheidungen zu beteiligen.
    “ Grundlegende Veränderungen zu wollen, setzt auch voraus, einzelne Verbesserungen durchgesetzt zu haben,“ Quatsch mit Soße. Wer dabei hilft systemkonforme Interessen durchzusetzen, tut rein gar nichts für die Abschaffung des Kapitalismus.

  74. 3. Februar 2014, 15:15 | #74

    Krim hat ja TaPs Punkt schon aufgegriffen:

    „Wieso sollten RevolutionärInnen von ‚den Leuten‘ das Zuhören geschenkt bekommen, wenn sich die RevolutionärInnen zu dem, was ‚die Leute‘ interessiert – und das sind heute maximal Reformforderungen und deren Durchsetzung –, nicht äußern. Erst wer/welche dazu Brauchbares zu sagen hat und politisch-praktische Vorschläge macht, kann damit rechnen, auch zu viel weitergehenden Projekten gehört zu werden.

    Dazu möchte ich noch ergänzen, daß das „Brauchbare“ eben das ist, was *in* diesem System zu gebrauchen ist und dazu paßt, sonst bräuchte doch sowas wie eine „Mietsteigerungsbremse“ oder einen flächendeckenden „Mindestlohn“ niemand. Deshalb betont doch Gregor Gysi immer wieder, daß alles, was er vorschlägt, finanzierbar ist, also zum geltenden kapitalistischen Zweck der Geldvermehrung in privater Hand, paßt (und dann darf man eben nicht die Abschaffung der Miete, also des Eigentums an Grund und Boden fordern und dann kann eben der Mindestlohn nur so mickerig aussehen wie er ist). Daß er mit seiner Agenda auf dem Boden der FDGO steht, usw. Umgekehrt scheitern doch Kommunisten regelmäßig daran, daß das, was sie den Menschen beibringen wollen, denen für ihr Zurechtkommen *im* System nichts bringt.

  75. 3. Februar 2014, 15:35 | #75

    Wenn nicht die tatsächlich vertretenen Positionen kritisiert werden, sondern nicht-vertretene Positionen unterstellt werden, hat es keinen Sinn, weiterzudiskutieren!
    @ Neoprene (03. Februar 2014 um 13:49 Uhr):
    Der Staat „muß […] weg, dann muß es eine Revolution geben, damit es anders werden kann.“
    Das ist ja zwischen LeninistInnen, wie systemcrash und mir, einerseits sowie dem GSP-Spektrum andererseits überhaupt nicht strittig.
    Strittig ist, was sinnvollerweise zu tun ist, solange wir weder in der Lage sind, jeden Staat wegzuhauen, noch auch nur den bürgerlichen.
    @ Krim (02. Februar 2014 um 20:37 Uhr):
    „Wenn ich beides [Demokratie und Faschismus] aus u n t e r s c h i e d l i c h e n Gründen schlecht finde, dann hältst du das für Indifferenz.“
    Strittig ist nicht, beides „schlecht“ zu finden. Strittig ist, ob solange wir nicht in der Lage sind, beides wegzuhauen und durch eine Gesellschaft ohne Herrschaft und Ausbeutung und folglich auch ohne Staat und ohne Recht zu ersetzen,
    — Demokratie für die ausgebeuteten und beherrschten Massen und für die KommunistInnen ein kleineres Übel gegenüber dem Faschismus darstellt
    und
    — ob es für KommunistInnen a) möglich und b) sinnvoll ist, z.B. durch Bündnispolitik und Beteiligung auch an Kämpfen im Bestehenden, auf das Kräfteverhältnis zwischen DemokratInnen und FaschistInnen Einfluß zu nehmen.
    Ich bejahe meinerseits alle drei Fragen; beim GSP-Spektrum bleibt – aufgrund sprunghaften Argumentierens und ausweichenden Antwortens auf klare Fragen – unklar, ob es alle drei Fragen oder nur einen Teil der Fragen verneint.
    @ Neoprene (03. Februar 2014 um 8:37 Uhr):

    „Zu meiner Verblüffung konnte ich nun bei TaP lesen, daß der wirklich ernsthaft meint, wer Demokratie kritisiert (wie z.B. der GSP), der kann eigentlich nur für undemokratische kapitalistische Zustände sein:
    [TaP:] ‚Nein, absurd ist viel­mehr, weil sowohl demo­kra­ti­sche als auch unde­mo­kra­ti­sche Staa­ten nicht der Kom­mu­nis­mus sind, dem Unter­schied zwi­schen demo­kra­ti­schen und unde­mo­kra­ti­schen Staa­ten mit einer Hal­tung der Indif­fe­renz und gar einer Prä­fe­renz für die unde­mo­kra­ti­schen Staa­ten (bei ansons­ten glei­chen Ver­hält­nis­sen) zu bege­gnen.‘

    Nein, ich sage nicht, „wer Demokratie kritisiert […], der kann eigentlich nur für undemokratische kapitalistische Zustände sein“.
    Ich sage vielmehr:
    — Wenn wir nicht in der Lage sind, kommunistische Verhältnisse durchzusetzen (im Zitat: „bei ansons­ten glei­chen Ver­hält­nis­sen“!)
    — wenn bürgerliche und sozialistische Demokratie nicht gewünscht ist,
    — wenn auch undemokratische sozialistische Verhältnisse jedenfalls nicht durchsetzbar sind, weil unsere Kraft und unsere Fähigkeiten nicht nur nicht ausreichen, um den Kommunismus durchzusetzen, sondern nicht einmal für die Durchsetzung einer sozialistischen Übergangsgesellschaft (in der Klassen, Staat, Herrschaft und Recht noch existieren) ausreichen,
    dann ist die fatalistische Hinnahme oder sogar Affirmation von nicht-demokratischen kapitalistischen Verhältnissen die logische Konsequenz.
    @ Krim (03. Februar 2014 um 14:54 Uhr):

    „[TaP:] ‚Erst wer/welche dazu Brauchbares zu sagen hat und politisch-praktische Vorschläge macht,‘ q.e.d. Radikale Forderung wie Abschaffung des Kapitalismus sind also nicht ‚brauchbar‘ oder ‚politisch-praktisch‘. Also schlägst du eben doch vor sich konstruktiv an der demokratischen Konkurrenz um systemverbessernde und -stablisierende Entscheidungen zu beteiligen.“

    Ich schrieb vielmehr (Nr. 8): „Wieso sollten RevolutionärInnen von ‚den Leuten‘ das Zuhören geschenkt bekommen, wenn sich die RevolutionärInnen zu dem, was ‚die Leute‘ interessiert – und das sind heute maximal Reformforderungen und deren Durchsetzung –, nicht äußern. Erst wer/welche dazu Brauchbares zu sagen hat und politisch-praktische Vorschläge macht, kann damit rechnen, auch zu viel weitergehenden Projekten gehört zu werden.“ (Fettsetzung nachträglich hinzugefügt)
    Und ich schrieb („zu 1.“): „Der Kampf für Verbesserungen im Bestehenden (nicht des Bestehenden!) kann also durchaus Vorbereitungsfunktion für den Kampf gegen das Bestehende haben.“
    Der Punkt ist:
    — Den Kapitalismus kann ich heute nicht abschaffen, und der GSP kann ihn heute auch nicht abschaffen.
    Unstrittig ist, daß es dennoch richtig ist, auch bereits heute für die Abschaffung des Kapitalismus zu argumentieren.
    Unstrittig ist – entgegen Deiner Unterstellung – auch, daß es für KommunistInnen nicht um „systemverbessernde und -stablisierende Entscheidungen“ im Kapitalismus geht.
    Strittig ist allerdings, ob es für KommunistInnen, solange ein Bruch mit der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise nicht möglich ist, richtig ist, für Verbesserungen der Lebensbedingungen der ausgebeuteten und beherrschten Massen im Bestehenden zu kämpfen.
    Alles andere ist Schaumschlägerei, die von den tatsächlichen Differenzen ablenkt. Ich verabschiede mich daher an dieser Stelle aus der hiesigen Diskussion.

  76. 3. Februar 2014, 15:56 | #76

    Es macht mich perplex, wie TaP zum x-ten Mal sein Credo hinschreiben kann, als wenn inzwischen dazu nichts gekommen wäre:

    „Strittig ist, ob solange wir nicht in der Lage sind, beides wegzuhauen.“

    Wo lebt der denn, bin ich geneigt, nicht ganz ironisch auszurufen? Was soll denn das eifrige Faschismusbilder an die Wand werfen, wenn wir hier und heute doch offensichtlich von ganz und gar demokratischen Verhältnissen umfangen sind? Angesichts eines „Kräfteverhältnis zwischen DemokratInnen und FaschistInnen“, bei dem die schon seit Jahrzehnten hier wie auch anderswo keinen Fuß in die Tür der kapitalistischen Machtverhältnisse kriegen, wo Demokraten ihnen z.B. mit ihrer de facto Abschaffung des Asylrechts in Deutschland und mit dem Festung-Europa-Konzept den Wind aus den Segeln genommen haben, soll man sich durch passende „Bündnispolitik“ sprich verrottete Propagandablöcke mit den Demokraten deren Sorgen machen??
    Was anderes als „Schaumschlägerei“ der übelsten Sorte ist es eigentlich, wenn TaP meint, an seinen Kritikern „die fatalistische Hinnahme oder sogar Affirmation von nicht-demokratischen kapitalistischen Verhältnissen“ als „logische Konsequenz“ erkennen zu können? Da könnte ich glatt zurückbolzen und in Einlassungen wie von ihm demokratischen Kretinismus entdecken. Tue ich aber nicht.

  77. Krim
    3. Februar 2014, 17:26 | #77

    „– Demokratie für die ausgebeuteten und beherrschten Massen und für die KommunistInnen ein kleineres Übel gegenüber dem Faschismus darstellt“ Warum interessiert dich denn, wer das kleinere Übel ist. Vielleicht sollte man sich ja einen Faschismus wünschen, statt einem Gottesstaat, oder einer Sklavenhaltergesellschaft. Das ist genauso hirnrissig. Warum ziehst du einen Staat als Vergleichsmaßstab heran, den es gar nicht gibt und mit dem du nicht das geringste zu tun hast. So eine Konstruktion denkt man sich bloß dann aus, wenn man die Demokratie hochleben lassen will. Von wegen es ist unstrittig, dass beides schlecht ist.
    “ b) sinnvoll ist, z.B. durch Bündnispolitik und Beteiligung auch an Kämpfen im Bestehenden, auf das Kräfteverhältnis zwischen DemokratInnen und FaschistInnen Einfluss zu nehmen.“ Es ist nicht sinnvoll. Warum willst du der Pest gegen die Cholera helfen oder der Cholera gegen die Pest. Das ist unvernünftig.
    „Ich schrieb vielmehr“ Ich weiß was, du schriebst. Willst du auch noch ein Gegenargument loswerden oder bloß wiederholen was du geschrieben hast.
    „– Den Kapitalismus kann ich heute nicht abschaffen, und der GSP kann ihn heute auch nicht abschaffen.“ Na aber vielleicht morgen. Du ziehst einen merkwürdigen Schluss. Wenn ich ihn heute nicht abschaffen kann, dann such ich mir halt ein anderes Ziel. Das hat zwar mit meinem vorigen nicht mehr das geringste zu tun, aber ich tu einfach mal so als wäre das so. Vorbereitungsfunktion und so – Leute die ähnlich ticken, werden schon nicht so genau nachfragen und auf meinen Trick hereinfallen.
    „Strittig ist allerdings, ob es für KommunistInnen, richtig ist für Verbesserungen der Lebensbedingungen der ausgebeuteten und beherrschten Massen im Bestehenden zu kämpfen.“ Ja das ist strittig, weil es das selbe ist, wie für „systemverbessernde und -stablisierende Entscheidungen“ im Kapitalismus zu kämpfen. „Das Bestehende“ herrscht dir nämlich die Regeln auf innerhalb derer Verbesserung der Lebensbedingungen der Massen nur funktioniert. Dazu musst du dich eben auf sämtliche Regeln des Bestehenden einlassen und die sind nunmal so konstruiert, dass nur systemstabilisierende Maßnahmen möglich sind.

  78. AgneS
    6. Februar 2014, 13:08 | #78

    Die Demokratie kann man ja in der Theorie ablehnen, und dafür sind hier wirklich gute Gründe genannt, solange aber eine praktische Ablehnung eben nicht gleich morgen oder in nächster Zukunft zu erwarten ist, muss man sich in der Demokratie eben einrichten.
    Wie man auch die blöde Lohnarbeit eben zum Erhalt seiner Existenz nutzen muss, wenn einem an letzterer eben gelegen ist und man die praktische Nichtakzeptanz anderer Leute Eigentum auf Grund der diesbezüglich drohenden Gewalt nicht reskieren will.
    Genauso wie es zweckdienlich ist, aus diesem schlichten Interesse auch mal für einen höheren Lohn zu streiten (allein in Lohnverhandlungen, mittels Gewerkschaft oder gar politisch) kann es eben für dieses Einrichten – unter den gegebenen leider nicht zu verändernden Bedingungen – zweckdienlich sein, ein paar demokratische Rechte die es gibt,zu nutzen, sich deshalb über dessen Existenz nicht gerade zu beschweren, sondern sie als Mittel (Wie Lohnarbeit eben auch – für eben jenen schlichten Zweck) zu begreifen, sich über deren Existenz also auch zu freuen, oder gar das Erkämpfen weiterer Rechte in Erwägung zu ziehen.
    Das es immer und bei allem um das große Ganze zu gehen habe, wo hier niemand weiß, wie es denn aussähe und ob es dann einem dabei wirklich spontan besser ginge, halte ich schon für recht weltfremd.
    Auch schon das Recht sprich die Möglichkeit, sich hier um Alternativen zum Kapitalismus (und zuvor dessen Erkenntnis) zu Bemühen, ist nicht einfach egal für mich.
    Aber auch schon die Theoretische Ablehnung der Demokratie findet seine Widerstand, weil jede Ablehnung das Gegenteil des Abgelehnten eben erst mal haben wollen muss. Wenn einem die gewährten Rechte nicht behagen, weil die bloße Existenz dahinterstehender Verbote einem eben nicht behagt, dann spricht man doch das Wort für die Anarchie, oder?
    Wenn die Beschreibung der Nichtdemokratie und der Wirkung auf mich und meine Existenz eben sehr dünn ist, bleibt auch der theoretische Widerstand gegen die Demokratie recht dünn.

  79. 6. Februar 2014, 14:28 | #79

    AgneS, wenn du sagst,

    „Die Demokratie kann man ja in der Theorie ablehnen, und dafür sind hier wirklich gute Gründe genannt, solange aber eine praktische Ablehnung eben nicht gleich morgen oder in nächster Zukunft zu erwarten ist, muss man sich in der Demokratie eben einrichten.“

    dann kann man dem, so abstrakt das ja erstmal daherkommt, kaum widersprechen. Es kommt eigentlich „nur“ darauf an, was das „Einrichten“ dann umfaßt.
    Denn das damit für die auch hier so engagiert aufgetretenen Verfechter der Demokratie damit nicht nur gemeint war,

    „ein paar demokratische Rechte die es gibt, zu nutzen, sich deshalb über dessen Existenz nicht gerade zu beschweren“

    liegt ja auf der Hand.
    Strittig ist das Propagieren des „Erkämpfens weiterer Rechte“. Regelmäßig waren solche kleinen Rechtsveränderungen doch Hin wie Her Ergebnis von ernsthaften Klassenauseinandersetzungen, bei denen es um mehr ging, als um die Genehmigung des Demorechts auf dem Zentralplatz der Republik.

  80. Krim
    6. Februar 2014, 15:48 | #80

    „sich deshalb über dessen Existenz nicht gerade zu beschweren, sondern sie als Mittel (Wie Lohnarbeit eben auch – für eben jenen schlichten Zweck) zu begreifen, sich über deren Existenz also auch zu freuen, oder gar das Erkämpfen weiterer Rechte in Erwägung zu ziehen.“ Wie jetzt? Du freust dich, dass du zur Lohnarbeit gezwungen wirst? Freust du dich auch, wenn der Hackklotz schön gesäubert und gepolstert wurde, auf dem dir dein Kopf abgeschlagen wird? Wenn du etwas tun m u s s t und es gibt etwas, dass diesen Zwang funktionaler gestaltet, dann ist es doch immer noch ein Zwang.
    Freuen kann man sich nur dann, wenn man vergessen will, dass es sich um einen Zwang handelt, erst dann ist ein Gesetz hilfreich. Ansonsten hilft es nur dem Z w a n g nachzukommen. Wer sich darüber freut, ist selbst schuld oder anders gesagt – ganz schön dämlich.
    „Das es immer und bei allem um das große Ganze zu gehen habe,“ Es geht nur dann um das große Ganze, wenn man dieses Ganze als den Grund ausgemacht hat, der einem das Leben versaut. Bei dir ist das offensichtlich nicht so.
    „wo hier niemand weiß, wie es denn aussähe und ob es dann einem dabei wirklich spontan besser ginge“ Ich weiß das schon. Weil besser und bekömmlicher als in der Barbarei des Kapitalismus kriegt der Kommunist die Organisation der Gesellschaft immer hin.
    „Auch schon das Recht sprich die Möglichkeit, sich hier um Alternativen zum Kapitalismus (und zuvor dessen Erkenntnis) zu Bemühen, ist nicht einfach egal für mich.“ Lobet und preiset die Demokratie, denn die hilft dir mit Gesetzen den Zwang selbst zu organisieren. Sogar um deine Ausbeutung musst du dich noch selbst kümmern. Dafür ein Halleluja, meint der untertänige Denker.
    „Aber auch schon die Theoretische Ablehnung der Demokratie findet seine Widerstand, weil jede Ablehnung das Gegenteil des Abgelehnten eben erst mal haben wollen muss.“ Nein, das ist nicht logisch. Wär ja auch schön blöd, wenn man sich von dem, was man nicht will, vorgeben ließe, was man zu wollen hat. Wenn man etwas ablehnt, heißt das nur das man das Abgelehnte nicht will. Was man dann stattdessen will, ist nicht durch das Abgelehnte bestimmt.
    „dann spricht man doch das Wort für die Anarchie, oder?“ Nein. Anarchie ist ein negative Bestimmung. Sie bedeutet keine Herrschaft. Anarchie würde also nur darüber Auskunft geben, was nicht sein soll, nicht wie die Gesellschaft und die Ökonomie aufgebaut sein soll. Was Kommunisten positiv wollen ist kein Geheimnis: Eine gesellschaftsweit geplante gemeinsame Produktion und Konsumtion von Gebrauchswerten.
    „Wenn die Beschreibung der Nichtdemokratie und der Wirkung auf mich und meine Existenz eben sehr dünn ist, bleibt auch der theoretische Widerstand gegen die Demokratie recht dünn.“ Warum? Weil du dir auch die Demokratie so ausgesucht hast, wie die Wurst beim Metzger? Schaumer mal was so im Angebot ist und nehmen dann was am besten aussieht? Widerstand ergibt sich aus der begründeten Ablehnung der vorfindlichen kapitalistischen Übel und nicht aus einem Vergleich mit einer fiktiven besseren Welt.

  81. AgneS
    6. Februar 2014, 18:22 | #81

    @neoprene
    So weit einig.
    @Krim
    „Wie jetzt? Du freust dich, dass du zur Lohnarbeit gezwungen wirst?… Wenn du etwas tun m u s s t und es gibt etwas, dass diesen Zwang funktionaler gestaltet, dann ist es doch immer noch ein Zwang. “
    Ja – da fällt mir der ein:
    >wollt einer seinem Gaul das Fressen abgewöhnen. Blöd, kurz bevor er es geschafft hat, ist das Vieh verstorben.

  82. AgneS
    6. Februar 2014, 18:24 | #82

    (da war was abgeschnitten)
    @Krim

    Wenn ich zu meiner Existenz essen muss (auch ein Z W A N G, über den ich mich nicht gerade freuen muss), dann freue ich mich aber eben unter gegebener Bedingung, wenn ich was zu essen habe.
    Es ist ja nicht der einzelne Kapitalist – der mir die Lohnarbeit (ja – zu seinem Vorteil) anbietet – in persona jene Ursache, die mich zur Lohnarbeit zwingt, die mich Lohnabhängig macht.
    Es sind die Zwänge, die der Kapitalismus in Gänze setzt. Wenn mir diese Zwänge aber eben so unveränderlich sind, wie die Naturgesetze, … dann nimmst in dem Fall ja auch du dir nicht gleich dein Leben.

    „Weil besser und bekömmlicher als in der Barbarei des Kapitalismus kriegt der Kommunist die Organisation der Gesellschaft immer hin.“

    Bist du nicht Kommunist? Dann mach doch!!!
    Ach es hängt gar nicht an dir allein? Dann muss sich auch der Kommunist also Bedingungen beugen, die ihm äußerlich sind.
    Im Ernst, eine mir schlüssige gesellschaftliche kommunistische Utopie, die man mal so von heute auf morgen realisieren könnte und gleichzeitig mir ein besseres Leben _garantiert_ ist mir ncoh nicht begegnet.
    Minde3stens für den Übergang ist meist allerlei Zwang angesagt und ein „paar“ Opfer durchaus eingeplant.

    „„Auch schon das Recht sprich die Möglichkeit, sich hier um Alternativen zum Kapitalismus (und zuvor dessen Erkenntnis) zu Bemühen, ist nicht einfach egal für mich.“ Lobet und preiset die Demokratie, denn die hilft dir mit Gesetzen den Zwang selbst zu organisieren. Sogar um deine Ausbeutung musst du dich noch selbst kümmern. Dafür ein Halleluja, meint der untertänige Denker. „

    Den Zusammenhang vertstehe ich nicht. was hat das eine mit dem anderen zu tun?

    „Wenn man etwas ablehnt, heißt das nur das man das Abgelehnte nicht will.“

    nichts anderes hatte ich gemeint. wer die demokratie ablehnt, will eben die Negation der Demokratie haben/leben, … was sonst? Willst du sie nur akademisch ablehnen? So, wie man die Naturgesetze eben auch blöd finden kann?

    „„dann spricht man doch das Wort für die Anarchie, oder?“ Nein. Anarchie ist ein negative Bestimmung. Sie bedeutet keine Herrschaft. Anarchie würde also nur darüber Auskunft geben, was nicht sein soll, nicht wie die Gesellschaft und die Ökonomie aufgebaut sein soll. Was Kommunisten positiv wollen ist kein Geheimnis: Eine gesellschaftsweit geplante gemeinsame Produktion und Konsumtion von Gebrauchswerten.“

    Aber Anarchie ist eben eine (wenn auch negative) Bestimmung! Das hatte ich schon so gemeint! Wer die demokratie ablehnt, und den Rechten nichts abgewinnen kann, weil sie nur die kehrseite der Verbote sind, der lehnt eben Rechte und Verbote ab.
    Die Frage ist eben:
    Ist dein Modell von Kommunismus nun mit der Anarchie vereinbar, weil es keine Rechte und Verbote gibt – also keine Herrschaft gibt, oder ist Kommunismus keine Anarchie, sondern bin ich da gezwungen (mit welcher Gewalt auch immer) Konsumgüter zu produzieren (und zwar nicht aus privatem Antrieb wie Hungergefühl, sondern weil ich der gesellschaftlichen Organisation dienen muss?

    „Widerstand ergibt sich aus der begründeten Ablehnung der vorfindlichen kapitalistischen Übel und nicht aus einem Vergleich mit einer fiktiven besseren Welt.“

    LOL – der blöde Satz ist schon so alt wie falsch.
    Der Grund der Ablehnung muss immer die Aussicht auf die Alternative beinhalten.
    Wenn ich gar keine Alternative habe, ist eine Ablehnung nur Unsinn – So, wie die Ablehnung der Naturgesetze eben Unsinn ist.
    Wenn ich aber Alternativen weiß, aber keine mir wirklich als besser erscheint als das Gegenwärtige, dann ist Ablehnung auch nicht gerade zweckmäßig.

  83. 7. Februar 2014, 12:16 | #83

    „Wenn ich zu meiner Existenz essen muss (auch ein Z W A N G, über den ich mich nicht gerade freuen muss)“ Essen ist kein Zwang, sondern eine Naturnotwendigkeit. Ein Zwang ist die Unterordnung eines Willens durch einen anderen Willen. Die Natur hat aber keinen Willen. Interessant, dass du die staatliche Gewalt wie eine Naturnotwendigkeit auffasst. Das ist nämlich genau die Art und Weise wie die staatliche Gewalt im Bewusstsein des Bürgers vorkommt, nämlich als quasi Naturgesetz, als unhinterfragbar Voraussetzung des Handelns. Die staatliche Gewalt ist aber sehr wohl hinterfragbar. Sie wurde von Menschen hergestellt und wird von Menschen aufrechterhalten. Die Verhältnisse sind keineswegs so unveränderlich, wie sie dem systemkonform denkenden Bürger scheinen. In jeder Generation gab es allein in Deutschland mindesten einen Systemwechsel. Der letzte ist knapp 25 Jahre her. Wer sich also freut über die Leistungen der Staatsgewalt beim Zurechtkommen, der begreift die Verhältnisse samt zugehöriger Staatsgewalt nicht als Zwang, sondern als unhinterfragbare Bedingung seines Handels, der akzeptiert die Verhältnisse.
    „Ach es hängt gar nicht an dir allein? Dann muss sich auch der Kommunist also Bedingungen beugen, die ihm äußerlich sind.“ Deine Behauptung war, dass man nicht wissen könne, wie eine nachkapitalistische Gesellschaft aussieht und ob es den Menschen besser ginge. Dagegen sagte ich, dass Kommunisten das sehr wohl wissen und allemal eine bessere Gesellschaft aufbauen können. Dass sie das nicht allein können ist klar.
    „die man mal so von heute auf morgen realisieren könnte“ Na dann eben von heute auf übermorgen. Soviel Zeit muss sein. Jedenfalls hängt es weniger an der Vorstellungskraft oder an der stofflichen Seite, sondern am Willen der Leute, die das Privateigentum behalten wollen.
    „Den Zusammenhang verstehe ich nicht.“ Du willst die Demokratie dafür loben, dass man in ihr sich Alternativen zu ihr überlegen darf. So ernsthaft kann die Suche nach Alternativen bei dir nicht sein, wenn du zuvor erstmal einen gedanklichen Kotau vor der Demokratie absolvierst, weil sie so viel erlaubt.
    “ wer die Demokratie ablehnt, will eben die Negation der Demokratie haben/leben, … was sonst?“ Na ja. Aber wo soll jetzt der Fortschritt im Gedanken sein. Das ist doch das selbe: Demokratie ablehnen und die Negation der Demokratie haben wollen. Demokratie abschaffen halt.
    “ Wer die Demokratie ablehnt, und den Rechten nichts abgewinnen kann, weil sie nur die Kehrseite der Verbote sind, der lehnt eben Rechte und Verbote ab.“ Das ist zu abstrakt betrachtet. Es geht ja schon auch immer darum welchen Inhalt und welchen Zweck die Rechte haben. Jedenfalls haben die Gebote im Kommunismus nicht den Zweck die Leute vom gesellschaftlichen Reichtum auszuschließen und sie haben auch nicht den Zweck die Leute in ein Lohnarbeitsverhältnis zu zwingen, das ihre Arbeitskraft ausbeutet. Gewalt ist immer nur dann erforderlich, wenn systematisch Gegensätze zwischen den Gesellschaftsmitgliedern geschaffen und erhalten werden sollen. Eine kommunistische Gesellschaft bemüht sich aufkommende Gegensätze aufzulösen. Die gesellschaftliche Gewalt wird also aufgelöst, weil der Grund für Gewalt, die Gegensätze, aufgelöst werden.
    „sondern bin ich da gezwungen (…) Konsumgüter zu produzieren (und zwar nicht aus privatem Antrieb wie Hungergefühl,) sondern weil ich der gesellschaftlichen Organisation dienen muss?“ Das ist eine seltsame Konstruktion. Warum soll ich die Gesellschaft als Zwang betrachten, ausgerechnet in dem Moment wo sie wirklich mein Mittel ist. Mit einer gesellschaftlichen Organisation, lässt sich doch ungleich mehr, besser und in viel kürzerer Zeit produzieren als wenn du nur deine private Arbeitskraft einsetzt. Deine Arbeitskraft als gesellschaftliche einzusetzen nützt dir ungleich mehr. Gesellschaftliche Arbeitskraft ist sie aber nur dann, wenn du in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess integriert bist und dazu musst du natürlich machen, was dieser vorsieht. Das man sich nach den Notwendigkeiten der Arbeit richten muss ist immer so. Selbst Robinson muss sich überlegen wann er aussät und wann er am günstigsten auf die Jagd geht. Das entscheidet nicht er. Andererseits bestimmt jeder mit, wie der gesellschaftlich Produktions- und Reproduktionsprozess aussehen soll.
    „Wenn ich gar keine Alternative habe, ist eine Ablehnung nur Unsinn „ Wieso soll es keine Alternative geben? Das abgelehnte nicht zu wollen, wäre z.B. die aller abstrakteste Alternative. Keine Ausbeutung ist besser als Ausbeutung, keine Umweltzerstörung besser als Umweltzerstörung. Ausgangspunkt ist doch die Kritik der vorfindlichen gesellschaftlichen Verhältnisse und die sind im Unterschied zu Naturgesetzen durchaus änderbar.

  84. AgneS
    12. Februar 2014, 12:50 | #84

    Nur noch kurz:

    “ Keine Ausbeutung ist besser als Ausbeutung, keine Umweltzerstörung besser als Umweltzerstörung. Ausgangspunkt ist doch die Kritik der vorfindlichen gesellschaftlichen Verhältnisse und die sind im Unterschied zu Naturgesetzen durchaus änderbar. „

    Genau das unterscheidet uns hier.
    Ja, wenn die Gesellschaft das wollte, ginge wohl auch die Beseitigung „der vorfindlichen gesellschaftlichen Verhältnisse “
    Das bloße Erkennen von den Ursachen von Ungemach, heißt noch nicht, dass bloße Beseitigung der Ursache gleich grundsätzlich besser ist.
    Wer sich nicht ausbeuten lassen will, muss eben nur keiner Arbeit nachgehen. Verhungern geht auch, ohne ausgbeutet zu werden.
    Wohin etwas verändert wird, ist genau nicht gleich klar.
    Wenn du aber gleich meinst, es geht darum die Ursache der Abhängigkeit von Ausbeutung gleich mit zu beseitigen, … dann ist mit bloßer Negation dessen eben noch lange nicht klar, was statt dessen da sein soll, dass NOTWENDIG besser sei (und auch hinreichend, damit sich die Mühe dahin lohnt). Und wenn Kommunisten immer genau zu wissen glauben und sich darin einig sind, dass sie schon was besseres hinkriegen, so ist eben genau das für die Masse der Leute überhaupt nicht klar – zumal die konkrete Alternative eben dann auch gleich unter Kommunisten immerzu strittig ist. Und wenn die bessere Alternative schon mal überhaupt nicht so klar in Aussicht steht, dann ist der Aufwand, sich wenigstens schon mal Gedanken zu machen über die Zusammenhänge in und zwischen Demokratie und Kapitalismus, eben oft nur als unnütze Mühe eingeschätzt (wenn nicht wie bei uns hier, die Gedanken selber und der Streit darum ein weinig Spass oder Stressabbau bringen.)

  85. Krim
    12. Februar 2014, 15:07 | #85

    „Das bloße Erkennen von den Ursachen von Ungemach, heißt noch nicht, dass bloße Beseitigung der Ursache gleich grundsätzlich besser ist.“ Besser als das Ungemach schon, sonst wäre es ja kein Ungemach. Willst du den Schaden nicht haben, musst du seine Ursache beseitigen. Von alleine geht der nicht weg.
    „dann ist mit bloßer Negation dessen eben noch lange nicht klar, was statt dessen da sein soll, dass NOTWENDIG besser sei“ Na ja, wir sind ja intelligente Menschen, die ihr Leben nicht auf dürren logischen Abstraktionen aufbauen. Man muss aus der Negation dessen, was man nicht will schon ein paar vernünftige Konsequenzen ziehen, die nicht so fern liegen, dass man da nicht leicht draufkommen könnte. Wer z.B. das Privateigentum kritisiert, weil es die Menschen in zwei Klassen einteilt, eine die arbeiten muss, um schlecht zu leben und eine die arbeiten lässt, um ihr Geld zu vermehren, dann folgt daraus, dass man dieses abschafft und keine private, sondern eine gesellschaftliche Produktion einrichtet, in der gemeinsam produziert und gemeinsam konsumiert wird, statt das ganze als Konkurrenz gegeneinander auszutragen, die fast allen das Leben verhagelt.
    “ so ist eben genau das für die Masse der Leute überhaupt nicht klar „ Als würden sich die Leute die Frage stellen, ob Kommunisten was besseres hinkriegen könnten und als würde Kommunismus daran scheitern, dass den Leuten die kommunistische Alternative zu wenig schmackhaft gemacht wird. Kapitalismus gibt’s doch nicht deswegen, weil die Leute sich im Supermarkt der Gesellschaftssysteme verschiedene Angebote angeschaut hätten und sich dann für den Kapitalismus entschieden hätten, weil das das Markenprodukt ist, während beim Kommunismus die Inhaltstoffe angeblich nicht auf der Packung stehen. So einen Supermarkt gibt es halt nicht. Das ist bloß die Bebilderung deiner Affirmation der Verhältnisse.
    „Und wenn die bessere Alternative schon mal überhaupt nicht so klar in Aussicht steht,“ Wenn etwas nicht klar in Aussicht steht, dann muss man sich eben einen Punkt suchen, der die Aussicht gewährt. Dann muss man schonmal auf einen Baum klettern. Das ist vernünftiger als in der Wüste zu verdursten. Du nölst aber lieber rum: „Öh, schon wieder auf einen Felsen klettern. Das ist so anstrengend. Da komm ich ja ins Schwitzen. Ist doch eh unnütz. Bleibe ich lieber in der Wüste. Ist auch so schön warm. Solange kein Kommunist vorbeikommt und mir einen Swimmingpool baut, bleibe ich lieber hier.“
    „(wenn nicht wie bei uns hier, die Gedanken selber und der Streit darum ein weinig Spass oder Stressabbau bringen.)“ Verpfeif dich ganz schnell, du Idiot! Für deinen Stressabbau gehst du gefälligst ins Fitnessstudio und deinen Spaß hast du auch besser mit Freund oder Freundin.

  86. 14. Februar 2014, 20:45 | #86

    @ Moritz am 26. Januar 2014 um 0:02 Uhr wegen NAO und so:
    Star-Regisseur meets Möchte-Gern-Polit-Regisseure
    https://linksunten.indymedia.org/de/node/106228
    und
    [B] Veranstaltung mit Ken Loach
    https://linksunten.indymedia.org/de/node/106225

Kommentare sind geschlossen