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MASCH: Thesen (Teil 3) zur Übergangsgesellschaft

5. Januar 2014

Über die Eingangsthese des weltweiten Generalstreiks müßte man noch weiter reden, aber ansonsten finde ich das sehr vernünftig, was ich einem der Referate bei der MASCH-Tagung zur Ökonomie der Übergangsgesellschaft neulich entnehmen konnte:
„Die erfolgreiche Weltrevolution ist systematische Bedingung der Kommune. Vorausgesetzt, die große Mehrheit der Weltbevölkerung hätte den Willen gefasst, den Kapitalismus abzuschaffen, und dafür ist einiges an Organisationsarbeit nötig, der man sich nicht entziehen soll, dann ließe die Revolution sich weitgehend gewaltlos durchführen, beginnend mit einem weltweiten Generalstreik.
Dann wäre die Verwandlung der Produktionsmittel in Gemeinbesitz, die Abschaffung der Warenproduktion, und die Einrichtung einer geplanten Gebrauchswert-Produktion ein Leichtes. Sie stießen nur auf organisatorische und technische Schranken, die desto schneller überwunden wären, je höher der Bildungs- und Organisationsgrad der Revolutionäre wäre.
Alle Schwierigkeiten, und das ist jetzt wirklich ernst gemeint, der Aufhebung der kapitalistischen Warenproduktion, alle Kompromisse, die während der Transformationsperiode gemacht werden müssen, rühren daher, dass die Revolution von zu Wenigen getragen wird, auf zu viele und zu machtvolle Gegner trifft. Eine andere Schranke gibt es nicht. Die wesentlichen Bedingungen einer erfolgreichen Revolution sind daher die gegenseitige Aufklärung über den herrschenden Charakter der kapitalistischen Produktionsweise und die weltweite Organisation der kommunistischen Bewegung.
Das Thema dieser Tagung, die Ökonomie der Übergangsgesellschaft, ergibt sich überhaupt nur dann als Gegenstand spekulativer Überlegungen, wenn man nach einer Alternative zum Kapitalismus sucht, die einem die Weltrevolution und die dafür notwendige Aufklärung und Organisation erspart. Oder, sie ergibt sich als praktisches Problem, wenn mangels genügendem Organisationsgrades der Revolutionäre die Revolution regional beschränkt bleibt und sich gegen großen Widerstand im In- und Ausland durchzusetzen hat. So dass ein langwieriger Kampf einander widersprechende Prinzipien der Vergesellschaftung entbrennt. So viel zugestanden. Nur dann stellt sich die Frage des Übergangs als eines gewissen Gesellschaftstyps.
Welche Nöte und Zwänge sich ergeben, wenn der Sozialismus nur in einem oder wenigen Ländern verwirklicht wird, das ist einerseits systematisch zu erschließen aus den Bedingungen der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse, andererseits ist zu rekurrieren auf die Geschichte der Oktoberrevolution und der Sowjetunion als Modellfall, nicht als Vorbild sondern als Warnung.
Nehmen wir an, die Revolution sei nur in einem kleinen Teil der Erde gegen großen Widerstand durchführbar, dann nimmt sie den Charakter eines Putsches an, zieht einen Bürgerkrieg im Inneren und die kriegerische Intervention des kapitalistischen Auslandes nach sich, wird also zu einer gewalttätigen Angelegenheit. Ob man die Revolution unter dieser Bedingung will, oder doch lieber mit der organisatorischen Arbeit fortfährt, bessere Bedingungen zu schaffen, das sollte man sich gründlich überlegen.
Unter der genannten Voraussetzung, jetzt hypothetisch, erzeugen der revolutionäre Generalstreik, die Sozialisierung von Produktion und Distribution und das Chaos des Bürgerkriegs notwendig massive Versorgungsprobleme. Die Not leidenden Individuen werden dazu neigen, selbst Abhilfe für ihre Versorgungsprobleme zu schaffen also plündern, rauben und stehlen, und das gestohlene Gut entweder selbst verbrauchen oder durch Schwarzhandel für Lebensmittel eintauschen. Zur Führung des Bürgerkriegs, zur Wiederherstellung der Versorgung, und der Arbeitsdisziplin in den bereits vergesellschaften Betrieben, zur Unterbindung von Plünderung und Schwarzhandel und zu weiteren Sozialisierung der verbliebenen Privatproduktion und Distribution ist die Organisation eines revolutionären Gewaltapparates notwendig, die von Marx so genannte Diktatur des Proletariats.
Die Intervention des Auslands entspricht mit Notwendigkeit aus dem Prinzip der Kapitalakkumulation und bleibt nur dann aus, wenn Konflikte zwischen den realistischen Staaten und die Kriegsunlust ihrer Bevölkerung die Regierungen dieser Staaten daran hindern, gegen die Revolutionäre loszuschlagen. Das Kapital drängt dazu jede Schranke seines Wachstums zu überwinden. Wird ihm ein Teil des Globus als Kapital und Anlagesphäre, als Arsenal von Arbeitskräften und von Bodenschätzen entzogen, dann haben nicht nur die unmittelbar enteigneten Kapitalbesitzer, sondern alle auf dem Weltmarkt agierenden Kapitale und Nationen das Interesse, das ausgeschiedene Territorium dem Zugriff des Kapitals wieder zu unterwerfen. Davon war das revolutionäre Russland bzw. die Sowjetunion die ganze siebzigjährige Dauer ihres Bestehens bedroht. Sie musste zweimal einen heißen Krieg gegen imperialistische Mächte auf ihrem Territorium und in den Zeiten dazwischen eine kalten Krieg führen, war also gezwungen, sich militärisch zu rüsten.
Die militärische Konkurrenz mit dem kapitalistischen Ausland zwingt der revolutionären Gesellschaft ökonomische Imperative auf, die im Widerspruch zu ihren Zielen stehen. Zu den Aufgaben, die Vergesellschaftung der Arbeit voranzutreiben, und die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, um die zerstörte gesellschaftliche Reproduktion der Gesellschaft wiederherzustellen und zu erweitern, treten nun die militärische Rüstung und der Aufbau einer Roten Armee hinzu. War es ursprünglich das Ziel der Revolution, eine Ökonomie einzurichten, die der Befriedigung der Bedürfnisse dient, und eine Verkürzung der Arbeitszeit ermöglicht, so erwächst ihr aus der Feindschaft des Auslands die Notwendigkeit, ein militärisch verwendbares Mehrprodukt zu erzeugen. Es muss jetzt Wissenschaft und technologische Forschung stattfinden, eine Rüstungsindustrie betrieben und versorgt werden, und dies, sowie die Armee selbst, binden einen großen Teil der gesellschaftlichen Arbeitskraft. Liegt das Produktivitätsniveau infolge der Zerstörungen durch Revolution und Bürgerkrieg hinter dem der imperialistischen Nationen zurück, dann muss man es auf Teufel komm raus entwickeln und gegebenenfalls moderne Technik auf dem Weltmarkt beschaffen.
Die Teilnahme auf dem Weltmarkt ist notwendig mit Unterwerfung unter dessen Gesetze verbunden, zwingt also der eigenen Ökonomie die kapitalistischen Kriterien der Rentabilität der Arbeit auf. Sofern das Ausland das technische Gerät überhaupt verkauft, und kein Embargo verhängt, setzt der Kauf die Verfügung über Weltgeld voraus, also Gold oder einen Devisenschatz. Um Devisen zu erwerben, muss zuvor ein Teil der eigenen Produktion exportiert werden. Um die Exportwaren ans feindliche Ausland verkaufen zu können, müssen die Weltmarktpreise der Exportgüter unterboten werden. (Unterboten, denn die Nationen haben ja sonst Gelegenheit, bei ihren kapitalistischen Brudernationen einzukaufen.) Es muss also nicht nur überhaupt ein exportfähiges Mehrprodukt erzeugt, sondern dieses Mehrprodukt muss zu einem Tauschverhältnis angeboten werden, dass angesichts des geringen Produktivitätsniveau im eigenen Land den Charakter der Selbstausbeutung annimmt. Es muss mehr eigene Nationalarbeit in Gestalt von Exportgütern vergegenständlicht werden, als man an fremder Nationalarbeit als Import erhält. Der Grad der Mehrarbeit in der sozialistischen Gesellschaft muss daher größer sein als der in den Weltmarkt beherrschenden kapitalistischen Ländern. Auf Basis geringer Produktivität der Arbeit ist das nur durch massive Einschränkung des Konsums der Arbeiter zu realisieren.
Historisch hat nur der Westen dauerhaft vom Weltmarktes mit dem COMECON profitiert, indem er billige Rohstoffe Fertigprodukte kaufen und technisch veraltetes Gerät, das sich für den rentablen Einsatz in der heimischen Industrie ohnehin nicht mehr eignete, also moralisch verschlissen war, verkaufte konnte. Da dem Osten trotz der für den Export mobilisierten Mehrarbeit langfristig die Weltgeldmittel ausgingen, verdiente der Westen zudem an den Dollar- und D-Mark-Krediten, mit denen der Ostblock seine Einkäufe auf dem Weltmarkt bezahlte. Und der Osten geriet in dieselbe Schuldenfalle, in die sich kapitalistische Entwicklungsländer verstricken. Statt dabei zu helfen, gegenüber dem Westen aufzuholen, hat der Welthandel dem Osten nichts als Abhängigkeiten und eine Unterwerfung unter die Konkurrenzgesetze des kapitalistischen Weltmarktes beschert, die die eigene Bevölkerung in Gestalt forcierter Mehrarbeit auszubauen hatte.
Sofern der Erwerb bestimmter Produkte unerlässlich ist für die Entwicklung der eigenen Industrie, und nicht an einem Embargo scheitert, mag man sich auf den Welthandel einlassen, im vollen Bewusstsein, dass man sich damit viel Mehrarbeit und enge Schranken des Konsums aufhalst. Die Abhängigkeit von Importen muss dann schnell überwunden und die eigene Industrie autark gemacht werden. Erst wenn die eigene Produktivität die des Auslands überflügelt hat, lohnt sich das Exportimportgeschäft mit dem Ausland auch quantitativ, indem man weniger eigene Nationalarbeit aufwendet, als man an fremder Nationalarbeit im Austausch erhält. Solange das kapitalistische Ausland ökonomisch und militärisch stärker ist als die eigene sozialistische Gesellschaft, ist das beste Mittel, den Sozialismus in einem Land zu retten, alle Mal die Agitation der Arbeiter in den kapitalistischen Ländern, um diese zum Anschluss das revolutionäre Projekt zu bewegen.
Solange die Weltrevolution nicht stattgefunden hat, bleibt die Existenz jeder sozialistischen Enklave durch den Imperialismus des Kapitals bedroht. Das alles ist nicht schön, und es zeigt, dass eine Revolution, die nicht als Weltrevolution stattfindet, und nicht mit dem Warentausch in jeglicher Form Schluss macht, wenig Aussicht auf Erfolg hat und sich Zwänge einhandelt, die dem Zweck der Revolution zuwiderlaufen. Es hilft also nichts, wir müssen national und international aufklären, agitieren und uns organisieren, damit die Bedingungen der gewaltlosen Einrichtung der weltweiten Kommune geschaffen werden.“

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  1. 5. Januar 2014, 14:56 | #1

    Das Einlassen auf den Weltmarkt ist eine Entscheidung, die man sich gut überlegen sollte. Produktivitätssteigerung ist nämlich keineswegs nur dadurch machbar, dass man die Produktivität in Form von Maschinen einfach kauft. Man kann sie auch selbst herstellen, wenn man das Know How hat. Die Frage ist wie lange das dauert. Das muss man in Relation setzen zu den Abhängigkeiten, in die man sich durch Kauf auf dem Weltmarkt begibt. Dabei kann durchaus rauskommen, dass man lieber länger braucht aber vom Weltmarkt die Finger lässt. Wenn das so einfach wäre, dann würde es jedes beliebige Entwicklungsland auch so machen. Die sind in der gleichen Situation, dass sie keine Devisen besitzen. Das Problem ist doch, das eine kommunistische Ökonomie in klein gebrauchswertmäßig sämtliche Bereiche abdecken muss, die vorher der gesamte Weltmarkt abgedeckt hat, um eine produktive Industrie aufzubauen. Um gegen den Kapitalismus ökonomisch konkurrieren zu können, wie es hier angedeutet wird, müsste man in den meisten Bereichen sogar produktiver sein als er, weil ja die Arbeit der Vorprodukte ins Endprodukt mit eingeht.

  2. 5. Januar 2014, 15:10 | #2

    Krim, deine Warnung, „Das Einlassen auf den Weltmarkt ist eine Entscheidung, die man sich gut überlegen sollte.“ ist einerseits offensichtlich naheliegend. Daraus aber den vorschnellen Schluß zu ziehen, wie das ja alle Autarkisten tun, das dann eben „einfach“ sein zu lassen, ist aber eben genauso problematisch (gewesen).
    Im Fall der frühen Sowjetunion z.B. hatten die eben für viele nötigen Sachen einfach nicht das nötige Produktions-„Know How“. Im Falle der Volksrepublik China war das eher noch schlimmer und im Fall Kubas, als einer hoffnungslos rückständigen kleinen Insel sowieso.
    Zentral ist deine Feststellung,

    „Das Problem ist doch, das eine kommunistische Ökonomie in klein gebrauchswertmäßig sämtliche Bereiche abdecken muss, die vorher der gesamte Weltmarkt abgedeckt hat, um eine produktive Industrie aufzubauen.“

    Daraus ziehe ich den Schluß, daß eine kommunistische Insel, selbst wenn der Begriff schon nicht mehr recht passen will, wie im Fall des RGW, aus gutem Grund eine internationalistische Perspektive braucht und den Leuten vermitteln muß, wenn es überhaupt eine Weile gut gehen soll. Insofern kann ich den Thesen aus Hamburg nur voll und ganz zustimmen.

  3. 5. Januar 2014, 16:55 | #3

    Diese zweite Möglichkeit habe ich angeführt, weil im Text nicht davon die Rede ist, sondern sofort davon ausgegangen wird, dass man sich irgendwie auf den Weltmarkt einlassen muss, um die Produktivität zu erhöhen. Das ist aber eine Entscheidung, die nicht automatisch für oder gegen den Weltmarkt ausfallen muss, sondern je nach den Umständen, den Ressourcen, dem Know How, den Konditionen die der Weltmarkt fordert usw. verschieden ausfallen kann.
    „Daraus ziehe ich den Schluß, daß eine kommunistische Insel, selbst wenn der Begriff schon nicht mehr recht passen will, wie im Fall des RGW, aus gutem Grund eine internationalistische Perspektive braucht“ Eigentlich heißt das nur, dass die kommunistische Insel nicht so klein sein darf, dass die geringe Größe eine Schranke der Produktivität wird. Bei großen Staaten wie China, USA, Russland, Indien oder Staatenbündnissen sehe ich diese Schranke nicht. Die Notwendigkeit einer internationalistischen Perspektive erwächst stärker aus der Feindschaft, die kapitalistische Staaten einer kommunistischen Ökonomie und Gesellschaft entgegenbringen.

  4. 5. Januar 2014, 17:30 | #4

    Ich glaube, du hast den Text mißverstanden, wenn du dem Redner unterstellst, daß der sagen würde, „dass man sich irgendwie auf den Weltmarkt einlassen muss“. Der ist doch andersrum von der klassischen GSP-These gestartet, daß eine Weltrevolution her muß:

    „Die erfolgreiche Weltrevolution ist systematische Bedingung der Kommune. Vorausgesetzt, die große Mehrheit der Weltbevölkerung hätte den Willen gefasst, den Kapitalismus abzuschaffen – und dafür ist, wie gesagt, einiges an Organisationsarbeit nötig, der man sich nicht entziehen soll – dann ließe die Revolution sich weitgehend gewaltlos durchführen, beginnend mit einem weltweiten Generalstreik.“

    um dann algebraisch weiterzumachen:

    „Alle Schwierigkeiten, und das ist jetzt wirklich ernst gemeint, der Aufhebung der kapitalistischen Warenproduktion, alle Kompromisse, die während der Transformationsperiode gemacht werden müssen, rühren daher, dass die Revolution von zu Wenigen getragen wird, auf zu viele und zu machtvolle Gegner trifft.“

    Er setzt ja noch hinzu:

    „Nehmen wir an, die Revolution sei nur in einem kleinen Teil der Erde gegen großen Widerstand durchführbar, dann nimmt sie den Charakter eines Putsches an, zieht einen Bürgerkrieg im Inneren und die kriegerische Intervention des kapitalistischen Auslandes nach sich, wird also zu einer gewalttätigen Angelegenheit. Ob man die Revolution unter dieser Bedingung will, oder doch lieber mit der organisatorischen Arbeit fortfährt, bessere Bedingungen zu schaffen, das sollte man sich gründlich überlegen.

  5. 5. Januar 2014, 17:50 | #5

    Deine Zitate hab ich gelesen. Ich beziehe mich auf folgendes:
    „Liegt das Produktivitätsniveau infolge der Zerstörungen durch Revolution und Bürgerkrieg hinter dem der imperialistischen Nationen zurück, dann muss man es auf Teufel komm raus entwickeln und gegebenenfalls moderne Technik auf dem Weltmarkt beschaffen.
    Die Teilnahme auf dem Weltmarkt ist notwendig mit Unterwerfung unter dessen Gesetze verbunden, zwingt also der eigenen Ökonomie die kapitalistischen Kriterien der Rentabilität der Arbeit auf.“
    Es wird hier nur an der Möglichkeit den Weltmarkt zur Erhöhung der Produktivität zu nutzen weitergedacht. Das geht mir zu schnell. Erst mal müsste doch erörtert werden, wie „auf Teufel komm raus“ ohne Weltmarkttechnik aussieht und was das für Konsequenzen hätte. Und dagegen muss man dann stellen, was im Text ausgeführt ist.

  6. 5. Januar 2014, 18:15 | #6

    „Auf Teufel kom raus“ bedeutet ganz konkret, daß die kommunistischen Arbeiter länger arbeiten müssen und weniger konsumieren können als möglich wäre, wenn dieser (politisch-militärisch-ökonomische) Druck nicht auf der Kommune lasten würde. Und dies übrigens mit und ohne Weltmarktbeteiligung. Da könnte man wirklich von der Wahl des geringeren Übels reden.

  7. bigmouth
    6. Januar 2014, 09:26 | #7

    ganz ohne welthandel ergäben sich ständig situationen, plötzlich von wichtigen rohstoffen abgeschnitten zu sein. ich halte es für unwahrscheinlich, dass unter diesen bedingungen eine moderne industrialisierte gesellschaft möglich wäre ohne große einbrüche im materiellen wohlstand im vergleich zu jetzt. wenn die oma kein MRT kriegen kann, weil die seltenen erden für die starken magneten nur im handel mit china zu kriegen sind, werden die leute sich schon überlegen müssen, ob autarkie jetzt so ne art selbstzweck ist, oder ob die nicht mehr nach- als vorteile bringt in vielen gebieten

  8. 6. Januar 2014, 09:40 | #8

    Ob eine kommunistische Insel von wichtigen Rohstoffen oder komplexen Industrieprodukten z.B. der Medizintechnik abgeschnitten werden, hängt übrigens nicht nur davon ab, ob die Insel sich auf Welthandel einlassen will, sondern auch davon, ob sie es überhaupt schaffen, einen sicherlich zu erwartenden Kalten Embargokrieg zu unterlaufen. So oder so wird es die Kommune einiges kosten, daß sie es gewagt hat, aus dem kapitalistischen Weltmarkt im wesentlichen aussteigen zu wollen. (So, wie sie es ja auch was kostet, eventuell im wesentlichen weiterhin dem Weltmarkt ausgeliefert zu sein.)

  9. Krim
    6. Januar 2014, 14:26 | #9

    „ob autarkie jetzt so ne art selbstzweck ist, oder ob die nicht mehr nach- als vorteile bringt in vielen gebieten“

    Es ist schon verkehrt, die Konsequenz aus dem Umstand, dass der Handel mit dem kapitalistischen Ausland erhebliche Nachteile beschert, wenn er überhaupt stattfindet, als Autarkie zu besprechen. Denn die kommunistische Insel will ja nicht für sich bleiben, sondern sie will sich nur vor dem Kapitalismus hüten, der ihr lauter Belastungen aufhalst, die mit dem Zweck der kommunistischen Insel nicht vereinbar sind. Es gibt also nicht das abstrakte Ideal vom Ausland unabhängig zu sein, sondern nur gute Gründe vom Kapitalismus unabhängig zu sein.

  10. 6. Januar 2014, 14:57 | #10

    „Es gibt also nicht das abstrakte Ideal vom Ausland unabhängig zu sein, sondern nur gute Gründe vom Kapitalismus unabhängig zu sein.“

    Das gilt für Kommunisten. Kommunalisten hingegen haben dieses Ideal schon, wenn ich das z.B. hier recht gelesen habe.
    Ach ja, historisch gab es natürlich auch noch die dann leider siegreiche Stalin-Fraktion der KPdSU, die den „Sozialismus in einem Land“ in Verbindung mit der dafür erforderlichen „friedlichen Koexistenz“ der antagonistischen System gepredigt und umgesetzt hat.

  11. Krim
    6. Januar 2014, 16:27 | #11

    „Kommunalisten hingegen haben dieses Ideal schon,“ Ja. Aber auch bloß, weil es den Außenkontakt nur als Kapitalismuskontakt gibt, der ihnen die Notwendigkeit des Geldverdienens aufzwingt. Aus den Zwängen des Kapitalismus folgern sie ein Unabhängigkeitsideal. So kommen sie auf Kommune. Das ist genau ihr Widerspruch. Denn es kann durchaus sein, dass sie die versuchte teilweise Ausgliederung aus dem Kapitalismus härter ankommt, wie die Teilnahme in ihm.

  12. franziska
    7. Januar 2014, 12:24 | #12

    NOCH härter als Kapitalismus? Nun ja. Bekanntlich wusste schon Mao, dass Kommunalismus kein Deckchensticken… usw.
    ——————————
    „Kommunalistisch“ nenne ich eine bestimmte Art der Planung und Einrichtung einer gesellschafts- (und möglichst welt-)weit eigentumsfrei operierenden Produzenten-Assoziation, die grob gesprochen 3 leitenden Prinzipien folgt:
    1. Die Einheiten der Produktion sind auch die der Planung. („Die Produzenten planen selbst.“)
    2. Die Produktion findet „vertikal subsidiär“ statt, heisst: Zusammenschlüsse von Produzentengruppen produzieren (jeweils) nur das, was die Gruppen (jeweils) nicht selbst (re)produzieren können. („So dezentral wie möglich, so zentral wie nötig.“)
    3. Mängel werden „horizontal solidarisch“ ausgeglichen (was man etwas paradox soumschreiben könnte: „So überregional wie möglich, so regional wie nötig.“)
    Aus dieser Art Zielzustand ergibt sich die Notwendgkeit seines sorgfältigen Aufbaus „von unten“. Die Frage, ob und wie weit das für Enklaven in einem umgebenden Kapitalismus möglich ist, ist demgegenüber nachrangig. (Es wurde nie bestritten, dass diese Enklaven für ihre Einrichtung längere Zeit von Reichtums-Zuflüssen von „aussen“ abhängen, bevor sie sich selbst tragen oder gar Überschüsse nach aussen abgeben können.)
    Die kommunalistischen Prinzipien für ein gesellschaftsweit-eigentumsfreies Produzieren sind anders erschlossen, als Krim sich das vorstellt; die wesentlichste Anforderung, auf die diese Aufbau- und Planungsstrategie antwortet, ist: Sie soll bedürfnisgerecht (damit auch ökologisch und „Ungleichzeitigkeiten beseitigend“) sein. Warum sie dann so ausfällt, müsste (wenn denn überhaupt) viel eingehender, als es hier bislang geschehen ist, begründet werden.
    Gegenüber einer („konservativ-modern“) industriell-hocharbeitsteilig organisierten (und darum notwendig „kommunistischen“) Produktions-Organisation eröffnet die kommunalistische Zielsetzung, ohne es darauf anzulegen, als Option, dass Teile der bisherigen Eigentümer-Gesellschaft ihr (jeweiliges) Eigentum in kommunalistisch organisierte Gemeinschaften einbringen, die bei hinreichender Zahl und Grösse zu einem ebensolchen Gesellschafts-Sektor zusammenwachsen können, der in und mit einer kapitalistisch verfassten Umgebung koexistiert. Ähnlich wie beim Übergang zu einem säkularen politischen Gemeinwesen, müsste es über die Frage der beide Sektoren übergreifenden politischen Struktur keinen („revolutionären“) Glaubenskrieg geben.
    Da ergibt sich vielleicht ein (nicht ganz so überraschender) Zusammenhang miti der Frage der Stellung der Eigentümer-Gemeinschaft zu ihrem, dem bürgerlichen Staat.
    Die endlos sich hinziehende Debatte darüber könnte nämlich womöglich dahingehend entschieden werden, dass man es mit einer historischen Drift zu tun hat – in deren Verlauf die Gegenstände der linksradikalen Theorien vor wie nach Marx iihren Charakter geändert haben:
    So, wie Frühsozialisten (noch) keine alle andern Reproduktionsformen verdrängende Zwei-Klassen-Gesellschaft vor Augen hatten, so Marx keinen Rahmenbedingungen aller Art regulierenden und feinjustierenden bürgerlichen Staat.
    Und so gab es in Zeiten der bundesdeutschen Studentenbewegung und kurz danach vielleicht noch keine solch ausgedehnte Zivilgesellschaft, die sich in ihrem bürgerlichen Staats- und Wirtschaftswesen als angemessene Entsprechung ihrer (allererst durch letzteres erzeugten) Lebensweise eingerichtet haben.
    Solche „Dialektik“ (erst ein Erzeugungsverhältnis, dann ein Wechselverhältnis, dann die Übernahme der Hegemonie durch das ursprünglich Erzeugte) hatte Marx für das Paar Produktivkräfte und Produktions- im Sinne von: für die Produktions-Organisation benötigte Klassen-Verhältnisse behauptet. Das ist dann wohl so weitergegangen: Der technische Fortschritt erzeugte eine (die ganze Gesellschaft durchdringende) (Zwei)Klassenstruktur (1850 fing das alles in vielen späteren Industrieländern allererst an!); die Klassen erzeugten eine ihnen gemässe politische Gewalt, den bürgerlichen Staat – zu seiner Entfaltung (im Rahmen dieses Erzeugungsverhältnisses) brauchte der mindestens weitere 100 Jahre; und… dieser Staat erzeugt allererst eine Zivilgesellschaft, die ihn als ihre Heimat ansieht (und nicht als fremde, sie (um)formende Obrigkeit, gegen die kein Kraut gewachsen ist).
    Immer benötigte das Frühere das später Hinzukommende zu seiner eigenen Stabilisierung… trat dann in ein Verhältnis wechselseitiger Erhaltung dazu.. und wurde schliesslich zur abhängigen Variablen, zum „Getragenen“ des von ihm ursprünglich Erzeugten: die Produktivkräfte allererst durch den Kapitalismus explosionsartig entwickelt, der bürgerliche Staat an den Aufgaben erst gereift, die „die Wirtschaft“ ihm fortwährend stellte, dann unentbehrlich für sie – sie formend und ihr in Gestalt des (Zentralbank)Geldes die entscheidende Existenzbedingung liefernd; die bürgerliche (Zivil)Gesellschaft als eigentliche Trägerin des „Gemeinwillens“ der Eigentümer – auch derjenigen von „Lohnarbeit“…
    ((Vielleicht gibt es da noch eine Stufe, die sich als die eigentlich „tragende“ erst noch ganz vage am historischen Horizont abzeichnet.))
    Warum, so wäre zu fragen, sollten die Eigentums-Freiheit bevorzugenden Teile der (Zivil)Gesellschaft nicht ihre Verfügungsberechtigung zum (gemeinsamen) Ausschluss der Eigentums-orientierten Anderen nutzen? Es müsste viel von den fest etablierten Spielregeln dieser Eigentümer-Gesellschaft zurückgenommen werden, wenn man ihnen das untersagen wollte.
    Über alles andre (Steuern, Rechtsformen) sollte man sich einigen können.
    Hans ua. muss darin rechtgegeben werden, dass es keineswegs immer so war, und… auch keineswegs überall (in den überhaupt halbwegs bürgerlichen Staaten der Welt) so ist. Aber die Strukturen, die MG/gsp (übrigens selbst mit enier gewissen Drift in ihren Theorien) beschrieben haben, müssen historisch vielleicht nicht das letzte Stadium vor Ausbruch des Kommunismus sein..

  13. 7. Januar 2014, 13:42 | #13

    @ franziska
    Schon bei deinem Einstieg komme ich ins Grübeln:
    „gesellschafts- (und möglichst welt-)weit eigentumsfrei operierenden Produzenten-Assoziation“
    Was fügt das „gesellschaftsweit“ denn dem „möglichst weltweiten“ hinzu?
    Zu deiner ersten These „Die Einheiten der Produktion sind auch die der Planung.“:
    Gerade, wenn deine „Kommune“ weltweit wäre, wäre die Festlegung der Produktionsparameter ausgerechnet in den Produktionseinheiten, die das zufällig oder aus guten Gründen konzentriert machen, ein Unding, angesichts der mehr oder weniger weltweiten Bedürfnisse, die damit befriedigt werden sollen.
    „So dezentral wie möglich, so zentral wie nötig.“
    Das geht aber mächtig auf Kosten von Effizienz, von daher würde ich das als Prinzip schon mal ablehnen. Oder andersrum, für mich ist offensichtlich erheblich mehr Zentralität „nötig“ als für dich.
    „Mängel werden „horizontal solidarisch“ ausgeglichen“
    Das scheint mir einer der zentralen Streitpunkte zu sein: wie gehen deine Kommunalisten damit um, daß von den Ressourcen über Produktionsmittel, von den Naturverhältnissen bis zum Stand der Allgemeinbildung enorme Unterschiede auf dem Gebiet der Gesamtkommune vorhanden/geerbt sein werden? Zwischen Misereor und zentraler Planwirtschaft liegen eben Welten.
    Aus all dem ergibt sich für mich eher die Notwendgkeit seines sorgfältigen Aufbaus „von oben“.
    Dabei sehe ich auch die bei dir herabgespielte Rolle des (bzw. der vielen) bürgerlichen Staates („Zivilgesellschaft, die sich in ihrem bürgerlichen Staats- und Wirtschaftswesen als angemessene Entsprechung ihrer (allererst durch letzteres erzeugten) Lebensweise eingerichtet haben.“) weniger idyllisch (es gibt reihenweise Staaten, die eben jetzt schon *nicht* als „Heimat“ angesehen werden und es ja auch gar nicht sind)
    Deshalb glaube ich auch, daß deine unschuldige, optimistische Frage

    „Warum, so wäre zu fragen, sollten die Eigentums-Freiheit bevorzugenden Teile der (Zivil)Gesellschaft nicht ihre Verfügungsberechtigung zum (gemeinsamen) Ausschluss der Eigentums-orientierten Anderen nutzen?“

    als Antwort bekommen wird, daß ihnen die bürgerlichen Staaten mit dem Hackebeilchen hinterherkommen werden und dafür vieles „zurücknehmen“ werden.

  14. 7. Januar 2014, 14:06 | #14

    „Warum, so wäre zu fragen, sollten die Eigentums-Freiheit bevorzugenden Teile der (Zivil)Gesellschaft nicht ihre Verfügungsberechtigung zum (gemeinsamen) Ausschluss der Eigentums-orientierten Anderen nutzen?“

    Das unterstellt aber, dass die Kommunalisten sich entgegen ihren Autarkievorstellungen unentbehrlich gemacht haben, also sehr verbreitet sind bzw. einen wesentlichen Anteil der Gesellschaft ausmachen. Ist das nicht so, frage ich mich warum es die Eigentümer jucken sollte, wenn sie vom Eigentum der Kommunalisten ausgeschlossen sind, schließlich sind sie vom Reichtum der anderen Eigentümer sowieso ausgeschlossen.

  15. 7. Januar 2014, 15:16 | #15

    Dem Referenten muß gegen franziska rechtgegeben werden, wenn er sagt:

    „Die Intervention des Auslands entspricht mit Notwendigkeit aus dem Prinzip der Kapitalakkumulation und bleibt nur dann aus, wenn Konflikte zwischen den realistischen Staaten und die Kriegsunlust ihrer Bevölkerung die Regierungen dieser Staaten daran hindern, gegen die Revolutionäre loszuschlagen. Das Kapital drängt dazu jede Schranke seines Wachstums zu überwinden. Wird ihm ein Teil des Globus als Kapital und Anlagesphäre, als Arsenal von Arbeitskräften und von Bodenschätzen entzogen, dann haben nicht nur die unmittelbar enteigneten Kapitalbesitzer, sondern alle auf dem Weltmarkt agierenden Kapitale und Nationen das Interesse, das ausgeschiedene Territorium dem Zugriff des Kapitals wieder zu unterwerfen.“

  16. 7. Januar 2014, 16:20 | #16

    Der Unterschied ist aber, dass die Kommunalisten Eigentümer ihrer Kommune sind. So einfach kann der Staat nicht gegen einen rechtmäßigen Eigentümer vorgehen, bloß weil ihm nicht gefällt, was er mit seinem Eigentum anstellt. Jedenfalls kann er nicht einen Eigentümer anders behandeln, wie alle anderen.

  17. 7. Januar 2014, 16:31 | #17

    Wie auch du weißt, Krim, hat z.B. die BRD nicht lange gefackelt mit dem Volkseigentum und es wieder abgeräumt, nachdem sie sich die DDR einverleibt hatte.

  18. Krim
    7. Januar 2014, 19:25 | #18

    Das war aber das Eigentum einer fremden, feindlichen, also unrechtmäßigen Staatsgewalt, was bei den Kommunalisten nicht so ist. Das sind rechtmäßige Eigentümer ihrer Kommune und dieses Eigentum muss der Staat schützen und kann sich nicht so locker darüber hinweg setzen. Enteignen darf er nur, wenn es gewichtige übergeordnete Gründe gibt – eine Autobahn z.B. Und dann muss er entschädigen. Er kann sie natürlich kriminalisieren und behaupten, das Treiben der Kommunalisten sei gegen die Demokratie gerichtet. Das muss er aber beweisen. Wenn er es drauf anlegt, findet sich natürlich irgendwie schon ein Weg. Einfach so kann aber auch der Staat nicht gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen.

  19. franziska
    10. Januar 2014, 13:06 | #19

    1. Neoprene: „Weltweit alle“ wäre auch für Kommunalisten das Ziel, national-gesellschaftsweit ein Zwischenstadium. Der einzige Unterschied zum klassisch „kommunistischen“ Vorgehen ist: dass das nicht durch plötzlichen „revolutionsartigen“ Übergang zustandekommen muss. Insofern käme „Gesellschaft“ immer zuerst und „Welt“ wahrscheinlich später. Das ist aber nicht Grund, sondern allenfalls Nebeneffekt der kommunalistischen „Aufbau“-Strategie und ihrer Version von „Übergangsgesellschaft“; die hat – hier noch nicht diskutierte, noch nichtmal dargestellte – eigne Motive, von denen bloss die Titel angeführt werden: bedürfnisgerecht (darum auch ökologisch und geeignet Ungleichzeitigkeiten (zur Rest(welt)gesellschaft) abzubauen).
    2. Neoprene: Du musst die 3 Prinzipien der Produktions-„Architektur“ schon im Zusammenhang sehen: Es ist ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass Dinge weltweit eben bloss an einem Ort hergestellt werden – an der Spitze der „vertikalen“ Arbeitsteilung also. Über die Frage der „Effizienz“ wird da freilich anders geurteilt werden müssen, wenn beispielsweise Transportaufwände (mit ihrer riesigen industriellen Infrastruktur) realistisch kalkuliert werden, Energiebilanzen vollständig aufgestellt werden, und die Frage der Recyclebarkeit und Abfallvermeidung in den Blick gerät. Damit sind Fragen der „technologischen Strategie“ (also Auswahl und Zusammensetzung technologisch verfügbarer (oder in einem gegebnen Horizont entwickelbarer) Optionen berührt, die bislang etwas ZU alternativlos beantwortet werden.
    3. „Das geht aber mächtig auf Kosten von Effizienz“: Effizienz-Bewertung – wie eben schon angedeutet – ist eine vertrackte Sache. Lass mich in dem Zusammenhang kurz etwas weiter ausholen.
    Alle kennen die Marx’schen Grössen c v m, die Zeit-Quanten der Verausgabung abstrakter „gesellschaftlich /(produktions-)notwendiger (und reproduktionsfähiger)“ Durchschnittsarbeit unter kapitalistischen Bedingungen bedeuten. Zur Verdeutlichung der Vorteile von Kommunismus werden dieselben Parameter auch mal herangezogen, etwa wenn drauf hingeweisen wird, dass man im Kommunismus nur noch die notwendige Arbeitszeit bei gleichem Ertrag für die Arbeitenden benötige, weil die Abpressung der Mehrarbeit entfalle – falls die freiwillig doch erbracht werde, dann eben für Zwecke, die wirklich die der Produzenten sind. In den Betrachtungen zu diesem Thema wird unter der Rubrik „nur noch soviel arbeiten, wie für den Lebensunterhalt notwendig“ gern die Grösse v herangezogen, vor allem unter dem Gesichtspunkt, wie unglaublich produktiv die Konsumgüter- und Lebensmittelproduktion im Kapitalismus doch gemacht worden ist; vergessen wird gern die andere Grösse c, und zwar als Bestandteil der gesellschaftlich zu erbringenden GESAMTARBEITSZEIT, die (wenn das mal so einfach geht) die vorhandenen arbeitsfähigen Produzenten gleichmässig auf sich verteilen. Mittel, die individuelle „disposable time“ zu reduzieren, können nur auf DIESE Grösse zielen, die Arbeits-Produktivität des Lebensmittelsektors allein ist nicht entscheidend.
    (Fehler in der Effizienz-Bewertung durch Konzentration auf punktuelle Verbrauchs-Grössen (deren Senkung) sind exemplarisch bei Versuchen, „Energie“-Verbrauch durch technische Installationen zu senken, deren Produktion insgesamt mehr Energie verbraucht, als sie einsparen helfen.)
    Einen vorhandenen Produktionsmittelapparat UMZURÜSTEN und ihn neuen Anforderungen anzupassen, kostet eine grosse Menge an Mehraufwand über den reproduktiven hinaus. Wieviel mehr, ihn im laufenen Betrieb KOMPLETT NEU AUFZUBAUEN (wie es bei Beachtung ökologischer Anforderungen mötig wäre).
    4. Die Fragestellungen und charakteristischen Szenarios, die von „kommunistischen“ Befürwortern „revolutionsartiger“ Übergänge in die gesamtgesellschaftliche Eigentumsfreiheit als Problem dieser Übergänge bzw des Sozialismus-Aufbaus erwogen werden, werfen eine viel weitergehende Frage auf, nämlich: Wie es vorzustellen sein soll, dass grosse Teile gegenwärtiger modern-kapitalistischer Industriegesellschaften sich zu solchen zeitgleich, also doch im breiten gesellschaftlichen Konsens vollzogenen Übergängen entschliessen sollen, ohne überzeugt zu sein, dass es auf diese Fragestellungen bereits halbwegs sichere und befriedigende Antworten gibt. Wieso sind sich eigentlich die „Kommunisten“ selbst so sicher, dass sie – um so wahrscheinlicher, je weitreichender die einbezogenen Bevölkerungen und Territorien – mit Bezug auf DIESE Fragestellungen nicht in ein mörderisches Chaos stürzen?
    5. In der kommunalistischen Strategie tauchen dieselben Probleme durchaus auch auf; nur eben deutlich gemildert, weil sie auskommt ohne die Notwendigkeit, mit einem plötzlichen Übergang in Eigentumsfreiheit fertig zu werden:
    a) Es sind nur solche Bevölkerungsteile (Gruppen, Einzelpersonen) involviert bzw. schliessen sich zusammen (oder werden in die Zusammenarbeit mit ihnen „aufgenommen“), die von der gewählten Vorgehensweise restlos überzeugt sind.
    b) Genau darum hat Eigentumsfreiheit überhaupt eine Chance, gesellschaftlich Fuss zu fassen und sich als alternative Lebens- und Vergesellschaftungsform anschaubar zu präsentieren.
    c) Es gibt kein historisches Beispiel für IRGENDEINEN revolutionären (hier im Sinne von: radikalen) Epochen-Übergang, bei dem nicht die neue Produktionsweise (also sowohl von seiten der Produktivkräfte als der Produktionsverhältnisse) „im Schoss der alten Gesellschaft“ „herangereift“ wären. Die kommunalistische AUFBAU-Strategie (die man nicht mit dem Vorschlag einer kommunalistischen STRUKTUR der eigentumsfreien Gesellschaft im Endzustand gleichsetzen muss; Kommunalisten tun das natürlich, es ist aber nicht zwingend) wäre nicht zuletzt das Resultat von 100 Jahren historischer Erfahrung mit „Revolutionen“ und der mörderischen Überforderung und Über-Beschleunigung, die sie ALLEN Beteiligten auferlegt – mit der Perspektive des beinah sicheren Scheiterns, spätestens als Rückfall in die überwunden geglaubten kapitalistischen Verhältnisse, und das ist dann noch glimpflich.
    d) „Reifen“ bedeutet dabei, dass die Aufbau-Experimente innerhalb von Rechtsformen und mit Reichtum bestritten werden (müssen!), der in den alten und noch intakten Vergesellschaftungsformen erwirtschaftet wurde. Ohne Schenkungen und Eigentums-Umwidmungen zugunsten der (anfangs sehr) kleinen Kommunen geht das nicht.
    e) Die formal-juristischen Prinzipien, die Krim zugunsten der (rechtlichen) Möglichkeit von kommunalem Eigentum inmitten des privaten anführt, könnten ergänzt werden durch Verweis auf die mittlerweile (durch ihren bürgerlichen Staat selbst) herausgebildete Zivilgesellschaft, deren Entstehungsweise ich nicht ohne Grund (und auf den ersten Blick eher unpassend) in mein Statement oben eingeflochten habe: Während nämlich ein politisches, bewaffnetes und eben staats-artig geschlossenes „revolutionäres“ Gebilde auch heute noch, nicht weniger als ein „revolutionär“ umsturz-orientierter (agitierender, organisierter) Teil der Gesamtgesellschaft, das äusserste Misstrauen der Eigentümer-(Zivil)Gesellschaft und „ihres“ Staates weckt, würde ein kommuanlistischer Gesellschafts-Sektor, der auf Basis völlig legaler Eigentums-Überträge entstanden ist, als Teil der vielfältig-pluralen privaten Lebensformen der bürgerlicihen Gesellschaft angesehen (zumindest IN einer solchen Gesellschaft), der womöglich sogar ansonsten vernachlässigte Aufgaben (ökologische, soziale) zum Vorteil der Gesamtgesellschaft wahrnimmt und als Bereicherung, wenn nicht schon recht bald als unentbehrlich angesehen wird. Was voraussetzt, dass sich dieser Sektor nicht ständig als potentielle Bürgerkriegspartei verhält – eher schon als Lösungsangebot für Probleme, die im Rahmen der zurückgebliebenen gesellschaftlichen Verhältnisse, mit denen er ko-existiert, je länger desto unlösbarer erscheinen.
    6. Mit meinen kurzen Reflexionen zu Entwicklung und zum Reifezustand auch der bürgerlichen Gesellschaften, in und aus denen sich eigentumsfreie Verhältnisse bilden sollen, wollte ich darauf hinweisen, dass ein „Übergang“ nicht aus jeder bürgerlichen Umgebung heraus gelingen kann. Eine bis an die Zähne bewaffnete militante „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ im Kalten Krieg hätte freilich keinen kommunalistischen Sektor ertragen; es gibt ganz gewiss genug Bevölkerungsgruppen (unter den Eliten, und deren Unterstützern), die diese Mentalität bis heute pflegen. Die alles entscheidende Frage ist, ob deren Stimme noch soviel Gewicht hat.
    Noch eine Anmerkung. Meine Beiträge spalten sich notgedrungen durch die Art eurer Antworten. Mit Neoprene wird von meinem Standpunkt aus wohl eher über Fragen der technologischen Strategie (industriell oder nachindustriell) zu reden sein (also anknüpfend an 2. und 3.); mit Krim (oder gar Hans) hingegen mehr über die Frage der Erfüllbarkeit der Voraussetzungen für „revolutionsartige“ Übergänge grosser Bevölkerungen in eigentumsfreie Vergesellschaftungsformen.

  20. franziska
    10. Januar 2014, 22:22 | #20

    Im Punkt 3 oben soll es natürlich nicht heissen:“Mittel, die individuelle „disposable time“ zu REDUZIEREN2″, sondern: sie zu erweitern.

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