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Der Weg zum Konsens im Kommunismus

8. September 2013

Ursprünglicher Titel: Wählen ist verkehrt! Nicht wählen aber auch!

Nachdem der GegenStandpunkt schon reihenweise Veranstaltungen zum Bundestagswahl 2013 gemacht oder zumindest angekündigt hat (jedenfalls in „Westdeutschland“), es dürften so rund ein Dutzend sein, gibt es jetzt in Bremen eine interessante weitere Intervention in den Wahlkampf:
„… Gegen die Wahl“ heißt eine lokale Initiative von GegenStandpunktlern, die noch mal richtig nachlegen: Mit (Anti-)Wahlplakaten („Wer wählt, gibt seine Stimme ab“, oder „Wählen gehen heißt, zur Herrschaft zustimmen“, „Wer seine Stimme abgibt, hat nichts mehr zu melden“ usw), einem Vortrag am 19.09.13, einem Workshoptag am 21.09.13 und einer erstaunlichen Podiumsdiskussion am 20.09.13, wo neben Jonas Köper, dem Erz-Bremer GSPler „mindestens Klaus-Rainer Rupp von der Partei “die Linke”“ am Tisch sitzen wird (nicht umsonst verweisen die Antiwähler auf das mittlerweile historische „Streitgespräch zwischen Gregor Gysi und Karl Held“ aus dem Jahre 1994).
[update: Ich habe den Thread umbenannt, weil schon bald die Diskussion weit über den Ausgangspunkt hinausging und recht grundlegende Differenzen darüber vorgebracht wurden, wie denn in einer grundlegend auf die Bedürfnisbefrisdigung ihrer Menschen ausgerichteten Gesellschaft dies überhaupt erreicht werden kann. Kurz zusammengefaßt geht es dabei recht ausführlich hin und her zwischen den – ich nenne sie mal – „Rätekommunisten“ und den Anhängern eines herrschafts- also auch abstimmungsfreien Diskussions-prozesses zur Erreichung des alle einschließenden Konsenses.]

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Kowalski
    11. September 2013, 12:59 | #1

    Update zur Podiumsdiskussion am Freitag, 20. September 2013, 19 Uhr im Paradox (Bremen): Wählen ohne Alternative?
    „Nach aktuellem Stand werden Christoph Spehr von der Partei “die Linke” sowie Jonas Köper vom GegenStandpunkt auf dem Podium vertreten sein – weitere Anfragen stehen aus. Moderiert wird die Veranstaltung von uns. Die Diskussion soll möglichst schnell für die Gäste geöffnet werden.“

  2. Kowalski
    11. September 2013, 13:22 | #2

    P.S. Es wäre bei dieser Veranstaltung übrigens ganz besonders wünschenswert, wenn sie aufgezeichnet und online gestellt würde! Es ist ja in der Tat so, dass es sich um so etwas wie ein Remake der Diskussion Held – Gysi von vor fast 20 Jahren handelt.

  3. re:Kowalski
    11. September 2013, 22:11 | #3

    Eine Tonaufzeichnung wird es auf jeden Fall geben. Ein Video wurde vom Moderator nicht gewünscht…

  4. Bakunin
    12. September 2013, 20:37 | #4

    Der GegenStandpunkt polemisiert wieder einmal gegen das Wählen, klärt auf was Sache ist. Und? Ist das nun falsch?
    Die alte MG, aber auch z.B. die Zeugen Jehovas haben das schon vor mehr als 30 Jahren immer wieder gesagt, plausibel begründet und sich konsequent daran gehalten.
    Inzwischen haben das Millionen von Leuten kapiert, die Nichtwähler sind die größte „Partei“ im Lande, gut so, sehr gut!
    Denn damit wird dieses bürgerliche verlogene korrupte parlamentarische System mehr und mehr delegitimiert, können sich diese herrschenden Staatsparteien des Kapitals immer weniger auf den angeblich so mündigen Bürger und Wähler bei allen ihren asozialen Sauerereien und Kriegstreibereien (Nato, Syrien etc…) berufen.
    Der GSP hat absolut recht.
    Ich war nie ein 100% Fan und Streiter für MG/GSP, doch wo sich recht hatten und noch immer haben, da gehören sie vorbehaltlos unterstützt, und jedes intellektualisierendes taktisches Geschwafel über „kleinere Übel“.
    Also Leute, mmeidet diesen ganzen Scheiß, tut euch bitte auch bloß nicht nach der Tagesschau diese dämliche „Elefantenrunden“ an, besauft euch an diessem Tag von morgens an lieber, zur Not bis zur Bewusstlosigkeit, selbst das nützt der „Gesellschaft“ noch mehr als sinnlose Kreuze! 🙂

  5. Bakunin
    12. September 2013, 20:41 | #5

    ähm…… und jedes intellektualisierendes taktisches Geschwafel über „kleinere Übel“ oder „ungültig wählen“ ist Blödsinn.

  6. Kowalski
    12. September 2013, 21:36 | #6

    Der Titel der o.a. Veranstaltung in Bremen deutet es schon an und es ist ja eh klar, dass natürlich, wie immer, auch bei diesem Thema die unvermeidliche Frage nach der Alternative gestellt wird. Deshalb der Hinweis, worin die Alternative sicher nicht besteht: „Wie man’s auch macht: Wählen ist verkehrt – Nicht-Wählen aber auch!“

  7. 13. September 2013, 07:18 | #7

    „II. Eine Gemeinschaft bestellt sich ihre Führung?
    Gemeinhin gilt das Volk in einer Demokratie als eine Gemeinschaft von Menschen, die sich ihre Führung frei und geheim wählt. Ein solcher Regierungsauftrag sei unbedingt nötig, denn schließlich sei das demokratische Verfahren die unerlässliche Voraussetzung dafür, dass sich das „große Ganze“, das „wir alle“ in Gestalt der Nation überhaupt formieren kann und vorankommt. Dass mit dem Staat nicht alles, aber ohne ihn nichts ginge, das ist breiter Konsens.
    Aber weshalb braucht es eine machtvolle Aufsicht der Gemeinschaft – über sich selbst? Eine Herr-schaft des Volkes – über sich selbst? Was ist das für eine seltsame Gemeinschaftlichkeit, die eine Macht über sich und damit gegen sich braucht, damit sie funktioniert? Wenn die gewählten Macht-haber dem wählenden Volk ohnehin nur das aufzwingen, was dieses sich per Wahl bestellt hat – wieso macht dann das liebe Volk nicht ohne diesen seltsamen „Umweg“ ganz autonom das, was es halt so vorhat? Was sind das für Lebensumstände des (Wahl)volkes, wenn deren Gemeinschaftlich-keit keinen Bestand hätte, ohne eine Macht über sie, die sie zur Gemeinschaft zwingt?“

    Nochmal: Die Wahl ist der letzendliche schlagende Beweis für die Existenz einer Gemeinschaft. Das Argument dafür hat weiland Rousseau schon gewusst, aber Kommunisten unserer Tage weigern sich es zur Kenntnis zu nehmen. Wenn es nämlich keine Gemeinschaft gäbe, welche Veranlassung hätte der Verlierer einer Wahl das Wahlergebnis zu respektieren. Eine Wahl ist nur eine Herrschaftstechnik, also eine Art und Weise den Minderheitenwillen des Volkes unterzuordnen, weil es so eine Gemeinschaft gibt, um derentwillen die Minderheit ihren Willen relativiert. Ansonsten hätte sie keinen Grund von ihrem Willen Abstand zu nehmen.

    „Aber weshalb braucht es eine machtvolle Aufsicht der Gemeinschaft – über sich selbst?“

    Das ist der Irrtum. Der Staat ist nicht die Aufsicht der Gemeinschaft über sich selbst, sondern er ist die Aufsicht der Gemeinschaft über abweichende „partikulare Interessen“.

    „Was ist das für eine seltsame Gemeinschaftlichkeit, die eine Macht über sich und damit gegen sich braucht, damit sie funktioniert?“

    Das ist eine richtige Frage. Die Dödel merken das bloß nicht und denken gar nicht daran den Inhalt dieser Gemeinschaftlichkeit zu erklären und wie sie eine Staatsgewalt notwendig macht. Man kann nicht einerseits eine Gemeinschaft abstreiten und sich dann fragen, was der Inhalt dieser Gemeinschaft ist, was eine Gemeinschaft schließlich unterstellt. Obige Frage ist nicht ernst gemeint. Gemeint ist die Frage so: Wenn die Gemeinschaft eine Macht über sich und damit gegen sich braucht, damit sie funktioniert, dann ist es keine Gemeinschaft. Und dieser Schluß ist eben genau der falsche. Es g i b t eine Gemeinschaft, die eine Gewalt über sich und gegen diejenigen braucht, die gegen die Regeln und Gesetze der Gemeinschaft verstoßen und das ist die Gemeinschaft der Eigentümer. Hier bleibt der GSP völlig begriffslos und blöde. Leugnet man, dass es eine Gemeinschaft gibt, ist man nicht mehr in der Lage sie zu kritisieren. Vielleicht sollte man nach Huisken formulieren: Warum der GSP nicht in der Lage ist die Wahl zu kritisieren.

    „wieso macht dann das liebe Volk nicht ohne diesen seltsamen „Umweg“ ganz autonom das, was es halt so vorhat?“

    Weil es gar kein „seltsamer Umweg“ ist, sondern der haargenau passende Weg, wie sich eine Gemeinschaft von Gegnern und Konkurrenten überhaupt bloß organisieren kann.

    „Was sind das für Lebensumstände des (Wahl)volkes,“

    Wieder ein richtiger Anfang, wenn es weiterginge, „die eine Staatsgewalt über sich braucht, welche in Wahlen eine mehrheitlich akzeptierte Führung erhält.“ – Antwort: Das sind Eigentumsverhältnisse. Aber wie geht es wirklich weiter:

    „wenn deren Gemeinschaftlichkeit keinen Bestand hätte, ohne eine Macht über sie, die sie zur Gemeinschaft zwingt?“

    Einerseits, wie oben bewiesen natürlich der totale Müll, da eine Wahl eine Gemeinschaft unterstellt. Aber auch in sich nicht schlüssig. Wenn nämlich das Wahlvolk eine Macht wählt, die sie zur Gemeinschaft zwingt, dann wäre sich das Wahlvolk doch zumindest darin einig, dass das notwendig ist, bei ihrer Art von Lebensumständen.
    Das war der Kommentar von Krim auf die hier angeführte GSP-Radiosendung bei nestormachno.

  8. Mattis
    15. September 2013, 17:24 | #8

    Die Kapitalismus-Kritik wird beim GegenStandpunkt zunehmend abgelöst von einer formalen Staatskritik, die zudem so simpel falsch gestrickt ist, dass man mit ihr auch die Existenz von Schiedsrichtern bei Fussballspielen als „Herrschaft“ kritisieren könnte.
    Die Staatskritik des GSP geht so weit, dass jede Aktion gesellschaftlicher Instanzen, die irgendein konkretes Bedürfnis in irgendeiner Hinsicht einschränkt, als Herrschaft qualifiziert wird. Kein Wunder, dass die GSP-ler noch nie ein Konzept ihres Sozialismus-Verständnisses vorgelegt haben. Was immer sie vorschlagen würden, könnte man nämlich mit ihrer eigenen Logik garantiert sofort als „Staat“ und „Herrschaft“ wegkritisieren, insofern nämlich nicht einmal eine prinzipielle Einigkeit im Zweck 100%-ig deckungsgleich ist mit den konkreten Bedürfnissen aller Beteiligten.
    Im Kommunismus des GegenStandpunkt darf dann wohl ein jeder den Beruf ergreifen, den er gerne ausüben möchte; denn würden die gesellschaftlichen Leitungsgremien – übrigens allesamt selbsternannt, denn Wählen gilt dem GSP ja als grundsätzlich verkehrt – diesem Wunsch nicht nachkommen, wären die Betroffenen gezwungen (Zwang!), sich anderweitig zu orientieren – ein klarer Fall von Herrschaft.

  9. Paul
    17. September 2013, 19:46 | #9

    Nichtwähler kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich bin leider erst 15 und darf noch nicht wählen aber ich würde es trotzdem gerne tun da ich auch gerne mitreden würde was mit mir geschieht. Ich glaube dass Nichtwähler nur deswegen nicht wählen weil sie denken: Es wählen so viele Leute, da kann ich mit meiner Stimme auch nichts machen. Das mag ja vielleicht so sein aber es kommt ja auch darauf an was die breite Masse sagt und nicht nur ein einzelner Mensch. Ich finde außerdem dass man schon ab 16 wahlberechtigt sein sollte. Ich denke da ist man auch schon klug genug um nicht einfach die Partei zu wählen die die schönsten Farben hat.
    Außerdem: Findet ihr nicht auch dass das eine Sauerei ist wieviel Geld immer für die wahlplakate und sonstige Werbemittel ausgegeben wird? Das kommt ja auch alles vom Steuerzahler.
    Viele Grüße

  10. ErklärPeer
    18. September 2013, 02:01 | #10

    @krim:
    Die Gemeinschaft soll dadurch bewiesen sein, das sich die Wähler einer anderen Partei der Regierungspartei trotz Niederlage unterordnen?
    Erstmal wählen sie ja eine andere Partei, und sind insofern unterschiedlich. Stimmt, unterordnen tun sie sich dann aber schon. Weil sie aber den Gesetzen per Gewaltmonopol ganz praktisch unterworfen sind, und, darauf kommt es dann auch stark an, sich eine Gemeinschaft der Bürger einbilden! Diese Einbildung, basierend auf materiellen Gegensätzen, wird häufig auch Nationalismus genannt…
    Und als Nationalisten nehmen Bürger dann auch Abstand von ihrem Interesse um es wenigstens als erlaubtes im Rahmen des Rechts durchzusetzen und nicht prinzipiell auf die Schnauze zu fallen.
    Also nicht: ich will Brot, warum hab ich keins?, sondern ich hab keins, und was muss ich tun um morgen eins zu haben?.
    So ungefähr würde ich mir deinen ersten Teil erklären…
    Am Ende des zweiten Teil sprichst du auch von „Gegnern und Konkurrenten“. Sind denn da die Eigentümer Ausnahmen? Stehen diese nicht in Konkurrenz um Absatzmärkte? Wo sind sie also als eine Gemeinschaft (gemeinsamer Zweck den man zusammen (!) verfolgt) zu begreifen? Versteh‘ ich nicht.
    Zum Ende hin: was so abstrakt als Wahlvolk auftritt, ist sich eben nicht einig, wie ihre Lebensumstände auszusehen haben (-> Lauter Gegensätze=lauter unterschiedliche Auffassungen wie „es“ zu funktionieren hätte!).
    Ganz zum schluss bin ich mir nicht sicher: wenn Menschen dieser Gesellschaft auftreten und sich sicher sind, sie brauchen eine über ihnen stehende Macht, dann gehen sie doch davon aus, das „es“ ohne die Macht nicht ginge, weil sie sich eben nicht ohne sie einig werden können.
    Also, ist sich einig sein, das man sich nicht einig, arbeitsteilig, irgendwie vernünftig zusammensetzen kann einigkeit? Einig darin uneinig zu sein!?
    Und nochmal: Nationalisten bilden sich über alle Realität eine EINIGKEIT EIN, wo gar keine ist. Sie sind im weiteren Sinne eine GLAUBENSGEMEINSCHAFT!
    Falls ich in die völlig falsche Richtung schiesse sorry, aber her mit die Kritik.
    @paul:
    -wenn du mitreden willst, ist wählen eine schlechte Alternative. Da machst du nämlich nur ein x (reden, bzw schreiben auf einen Stimmzettel macht diesen sogar ungültig) für eine Person, die nicht nur über dich redet, sondern im „besten Fall“ über dich bestimmt. Damit legitimierst du sie, dich überhaupt nicht mehr zu fragen.
    -Steuern sind eine Zwangsabgabe, und da hat es schon einen Sinn, das du nicht gefragt wirst, wofür sie wieviel ausgegeben werden sollen. Das machen die Partein ganz ohne zu fragen.
    Das du dem gegenüber OHNmächtig bist, könnte ein erstes Urteil über die Verwendung von Steuern sein.
    Ansonsten sein dir die hier verlinkten Seiten/Artikel empfohlen…

  11. Leserfranz
    18. September 2013, 07:54 | #11

    Hallo Paul,
    welches Interesse möchtest du denn durch die Wahl vorwärtsbringen? Wenn du gar kein Interesse nennst, dann weiß ich nicht, wieso Kreuzchenmalen besser sein soll als die Arbeit in einer Bürgerinitiative, Jugendvertretung, Friedensinitiative, Jugendzentrum. Oder machst du etwas einfach deswegen, weil von oben gerade dazu aufgerufen wird?
    Was sind denn deine eigenen Interessen auf der Welt – auch noch nächste Woche, wenn irgendeine der Figuren gewonen haben wird?
    Oder sollen die dann dafür sorgen – und du willst sowieso nur in 4 Jahren ein Kreuzchen auf einen Zettel aufmalen?
    Freundliche Grüße

  12. Bakunin
    18. September 2013, 11:00 | #12

    Auch diese Wahl wird wieder die gleichen Ergebnisse bringen wie schon alle Wahlen zuvor seit 1949.
    Es gibt wieder über alle angeblichen „Parteigrenzen“ hinweg – so oder so -ein dickes JA aller dieser „fetten“ Wähler, welche an den „Wahlen“ noch immer teilnehmen.
    Selbst wenn einige dieser Wähler noch immer der Wahnvorstellung anhängen, sie hätten über die tatsächlichen Machtverhältnisse ausgerechnet einsam und verloren, hilflos in einer dieser Wahlbuchten irgend etwas mit zu entscheiden, sie sagen immer JA zu den bestehenden Verhältnissen, denn das Gros dieser Wähler gehört noch immer zu den einigermaßen Satten, Zufriedenen, auskömmlich Versorgten, können sich daher auch durchaus einen gewissen saturierten distanzierten Zynismus bei ihren Wahlentscheidungen leisten, munter von einer dieser Systemparteien nach „Gefühl“, Lust oder Laune zu einer anderen wechseln, das nächste mal wieder zurück.(Wechselähler).
    Und alle anderen, die übelst Ausgebeuteten, Ausgegrenzten, Armen, Arbeitslosen, „Sanktionierten“ auf vielen Ebenen, sie gehen ohnehin in immer größerer Zahl nicht mehr wählen, selbst zunehmend nicht einmal mehr die „Linke“.
    Denn sie wissen, dass ihr Schicksal, ihre Lage, ihr Elend, ihre Verzeifelung niemanden aus den etablierten Systemparteien und sonstigen bürgerlichen Sekten-Haufen („Piraten“, AfD…) und deren fetten satten Wählern wwirklich interessiert, trotz manchmal vorgetäuschter ekelhaftigster Heuchelei über das „Schicksal“ jener „Mitbürger“.
    Die bürgerliche Demokratie war ebenso wenig noch nie eine „Demokratie“ für die Ausgebeuteten, Hilflosen, Ohnmächtigen, vor allem aber völlig Unorganisierten wie es die einstige Athener „Demokratie“ der Sklavenhalter nie für die Sklaven und sonstigen Armen war.
    Wer satt und zufrieden, gar wohlhabend oder superreich ist, warum sollte der nicht wählen, egal welche dieser angebotenen „Farben“, er „gewinnt“ sowieso immer, vor, nach und zwischen den „Wahlen“, doch wozu sollten alle anderen, welche eben nicht zu diesen priviligierten Schichten der Gesellschaft gehören, mit ihrer Stimme auch noch ihre eigene Armut, weitgehende Rechtlosigkeit, Unorganisiertheit, Hilflosigkeit mit einer idiotischen Wahlbeteiligung, also mit einem absurden JA zu den Verhältnissen, in welchen sie zur Zeit so fest gefangen sind, noch zusätzlich abfeiern?
    Das ist doch einfach nur krank!

  13. doro
    18. September 2013, 16:19 | #13

    Ich finde es UNGLAUBLICH, wie man seine Stimme nicht nutzen kann.
    Es gibt für mich einfach keinen guten Grund, bewusst nicht wählen zu gehen.
    Ich bin Erstwähler und ich bin froh, dass ich diese Stimme habe. Wir können uns doch glücklich schätzen, dass wir eine Stimme haben, das war lange Zeit nicht so selbstverständlich. Wer mit etwas unzufrieden ist, muss wählen gehen. Jede Stimme bewirkt etwas. Mir kann keiner sagen, dass sowieso schon das Ergebnis steht, das ist Unsinn. Nichts steht fest, alles kann sich noch ändern.
    Zum Abschluss die beste Ausrede, die ich von einem Freund (auch Erstwähler) gehört habe:
    “Ich bin zu faul, da muss ich ja aus dem Haus gehen!” -”Dann mach Briefwahl?” “Nö, hab meine Benachrichtigung verloren und macht mir zu viele Umstände.” *arrrrrrgggggg!!!*
    Aber ich bin hier wohl im völlig falschen Blog gelandet, nichts für ungut.

  14. Mattis
    18. September 2013, 17:29 | #14

    Hallo Paul,
    so eine Kritik am Wählen, dass man nur ein Kreuzchen machen dürfe, hat man eigentlich nur dann, wenn man den Standpunkt einer Partei grundsätzlich gut findet, aber ab und zu anders entschieden haben möchte. Für solche Leute gibt es – neben den Wahlen zum Landtag und den kommunalen Wahlen – auch noch Sachen wie Volksbegehren und Volksentscheid, selber kandidieren etc.
    Dass man wenig Einfluss hat, ist auch kein gutes Argument gegen das Wählen, denn den hat man deshalb, weil die große Masse sich nach dem richtet, was von oben propagiert wird, und nicht wegen Einschränkungen beim Wahlsystem. Könnte jeder Bürger jeden Tag mitentscheiden, was in Berlin so regiert wird, wäre das Ergebnis nicht besser als jetzt, weil sich die Leute bei den meisten Fragen dann nach den maßgeblichen Politikern richten würden, denen sie richtungsmäßig am nächsten stehen. Das würde dann nur einen radikalen Demokratie-Idealismus zufriedenstellen, aber an der Härte der laufenden politischen Entscheidungen keinen Deut ändern.
    Ganz anders liegt die Sache, wenn jemand grundsätzliche Einwände gegen den Kapitalismus hat: gegen die Herrschaft des Profits über alle Lebensbereiche, gegen die gnadenlose Lohnhierarchie und so fort. Dann wählt so einer keine der kandidierenden Parteien, und zwar nicht, weil er dabei nur ein Kreuzchen machen darf, sondern weil die Kandidaten allesamt ganz viel vom Kapitalismus halten – auch die Linke – und diesen daher nach Kräften fördern werden – dieses Wahlversprechen halten alle garantiert.

  15. Paul
    18. September 2013, 18:10 | #15

    Ich Versuche nochmalmal so allgemein hier drauf einzugehen. Es wird doch wohl wenige unter 20 (oder sind es nicht noch mehr? 30?) Parteien die gegen den Kapitalismus sich orientieren?! Vielleicht findet man in einem geringern Übel eine Partei, die noch nie eine Chance gehabt hat, eine Partei, in der sich besorgte Bürger, so wie ich, sich mit ganzem herzen engagieren, um die Probleme unserer Zeit anzugehen. Findet man nicht ganz so individuelles, dann aber widerlegt es doch nicht, dass das wenigstens eine Partei wählen kann, die sich gegen den Erhalt der Missstände einsetzt, eine für Demokratiedefizite einsetzt. Vielmehr haben wir einen mangel an Demokratie zu beklagen, wenn Abgeordnete von der Bundesregierung genötigt werden, innerhalb weniger Tage über Gesetze abzustimmen, welche das Studium tausender Seiten dicker Unterlagen erfordert. Weil dieses schlicht nicht möglich ist, hält man sich dann an die “Empfehlungen” aus der Fraktion, von den sog. “Experten”, bei denen es sich aber oft um Lobbyisten innerhalb der eigenen Reihen handelt, weshalb es ja die “Experten” sind. Und diese drängen gemeinsam mit der Bundesregierung auf schnelle Abstimmung. Im Zweifel wird ein Abgeordneter sich also an den Empfehlungen der eigenen Partei orientieren, weil er gar nicht in der Lage ist, sich so tief in die Materie einzuarbeiten, um sich ein eigenes Urteil zu bilden. Um seine Partei nicht zu torpedieren, entspricht er dann der Abstimmungsempfehlung. Wenn wir also solche Missstände bzw. Erpressungsmuster zu bezweifeln haben, kann es doch keine Alternative sein, anderen die Wahl zu überlassen, welche genau dieses Befürworten? Vielmehr müssten wir uns doch selbst in politischen Parteien engagieren und mit anpacken, dass sich das ändert. Ich habe doch die Wahl, eine Partei zu unterstützen, die sich genau der Bekämpfung solcher Missstände, wie dem Fraktionszwang, verschrieben hat. Diese Partei gibt es doch… Systemwechsel muss doch damit beginnen, das bisherige System nicht mehr aktiv zu unterstuetzen. Aber ich sehe ja, wie ihr hier euch selbst drüber unterhaltet und trotzdem finde ich bleibt das Argument unklar, ob man *durch Wahlen* das System nicht doch verändern könte.

  16. ErklärPeer
    19. September 2013, 00:23 | #16
  17. ErklärPeer
    19. September 2013, 00:34 | #17

    @ doro:
    Was macht man denn bei der Wahl? Doch nichts anderes, als für eine Person/Partei zu stimmen, für die man ist, das sie einen Beherrschen soll. Damit unterschreibt man sozusagen, das man sich aus jeglichen, und zwar allen anderen Entscheidungen ausmischt.
    Und das ist doch alles andere, als ein vernünftiger Umgang mit Unzufriedenheit. Die sollte man sich besser mitsamt ihrer Gründe zu erklären versuchen. Aber wie gesagt: Faul, drum führ ich nicht weiter aus; sorry, vlt ein ander Mal…
    Nebenbei: es gibt keinen falschen Blog, wenn werden auf ihm nur falsche Dinge geschrieben

  18. Bakunin
    19. September 2013, 09:49 | #18

    ErklärPeer/GegenStandpunkt, na klar leben wir in einer Demokratie, einer zwar bürgerlichen, aber immerhin!
    Der Deutsche Super-DGB mit noch immer 7 Mio Heerscharen hat mal wieder einen Supiii- Vertrag über die Leiharbeit abgeschlossen:
    http://www.linkezeitung.de/index.php?option=com_content&view=article&id=16830:dgb-signalisiert-unterstuetzung-fuer-grosse-koalition&catid=30&Itemid=296
    Man lese und staune nur!
    Und das „Volk“, die nach Revi-Jargon „gewerkschaftlich organisierten Werktätigen“, zumeist natürlich „Stammarbeiter“…., was hört man von diesen?
    Ein „Aufschrei von 7 Millionen“? Und still ruht der See…
    Dank „Gewerkschaften“ und Staat/Politik sogar die herrlichsten Gegensätzen innerhalb des lohnknechtenden Proletariats in den Betrieben – zum Wohle des Kapitals, seiner Profite, der „Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe“, so einmütig „Gewerkschaften“ und Arbeitgeberverbände in allen Medien.
    Der Hund(t) reibt sich wieder erfreut die Hände, denn diese Demokratie funktioniert genauso, wie sie gedacht und konzipiert wurde.
    Apropos Wahlen: Welche Partei sollen nun die Leiharbeiter wählen, wenn selbst „Arbeitnehmerorganisationen“ gegen sie, ihre Interessen handeln?
    Tatsächlich, von solchem „Volk“ kann man wirklich öfters die „Schnauze voll“ (GSP) haben!

  19. Mattis
    19. September 2013, 11:11 | #19

    @ErklärPeer:

    „Was macht man denn bei der Wahl? Doch nichts anderes, als für eine Person/Partei zu stimmen, für die man ist, das sie einen Beherrschen soll. Damit unterschreibt man sozusagen, das man sich aus jeglichen, und zwar allen anderen Entscheidungen ausmischt.“

    Herrschaft ist nicht dadurch gegeben, dass man an andere Gesellschaftsmitglieder Leitungsfunktionen delegiert.
    In einer vernünftigen, also sozialistischen Gesellschaft wäre ich sturzzufrieden damit, die Leitungsaufgaben delegieren zu können, wenn ich wüßte, dass der Standpunkt derer, die ich fürs Planen und sonstige Entscheidungen delegiere, grundsätzlich in meinem Sinne ist. Ich will weder über Energienetze Bescheid wissen müssen noch mich in die Details des Recycling einmischen oder über die Ausbildungsgänge im Bildungswesen mitentscheiden etc. Wer will sich denn wirklich mit einem solchen überdrehten Ideal von „Selbstbestimmung“ überfordern? Im Zweifelsfalle halt eine Delegierung zurückziehen oder gleich selber kandidieren, wers mag, das reicht doch.
    Dass man nicht alles und jedes selber entscheidet, ist jedenfalls NICHT das Kriterium von Herrschaft. Das hat nicht einmal Karl Marx gefordert, und der kannte sich mit Kritik an Herrschaft ein bißchen aus.

  20. ErklärPeer
    19. September 2013, 11:21 | #20

    @ mattis:
    Ja, hast recht, so wars eigentlich auch nicht gemeint. Aber da diese Personen sich ein Gewaltmonopol vorenthalten und ganze Regale voll Gesetzesbücher erlassen, sind sie dann ja schon noch eine Herrschaft, die aber das „glück“ hat, von den beherrschten gewollt zu sein…

  21. 19. September 2013, 11:27 | #21

    Mattis, du unterschlägst, daß es bei der aktuellen Diskussion um die Bedeutung des Wählens nicht ums Wählen ganz abstrakt, sondern konkret hier und heute unter demokratischen, bürgerlichen, kapitalistischen Verhältnissen geht. Da gibt es Herrschaft, das ist ja wohl Konsens unter uns, und da bestätigt, affirmiert und legitimiert die Teilnahme der Bevölkerung (jedenfalls der Menschen, die da mitmachen) diese Herrschaft. Deshalb rufen die Herrschenden doch turnusmäßig diese Unterwerfungserklärung immer wieder ab. Denn offensichtlich sind sie doch nicht ganz sicher, ob die Bevölkerung wirklich dauerhaft dieses Herrschaftssystem nicht nur hinnimmt, sondern auch für gut und richtig findet.
    Denn solange, wie die Menschen in der Tat diese Verhältnisse und ihre dadurch gegebene Klassenlage für grundlegend befriedigend halten, selbst wenn sie nur Lohnabhängige (also wirklich nur Mini-Eigentümer) sind, und das sind ja fast alle, solange sind sie grundlegend für den demokratischen Staat und gehen deshalb freiwillig und überzeugt zu dessen Wahlen. Daß sie als Lohnabhängige in diesen Verhältnissen recht viel systematischen Ärger aufgehalst bekommen, bringt sie regelmäßig nur zum Protesterheben bis zum Protestwählen, aber fast geschlossen eben nicht zu der Erkenntnis, daß es besser für sie wäre, sich von ihrem demokratischen Klassenwesen und ihrer Rolle als Lohnabhängige loszusagen und gemeinsam dagegen den Kampf anzusagen.
    Unter *Nicht*-Herrschaftsverhältnissen würde sich das Wählen in der Tat aufs Delegieren reduzieren. Und dann ginge es wirklich nur noch um die „Sachfragen“, um die in den demokratischen Wahlkämpfen so viel Aufhebens gemacht wird (leider auch von vielen Wählern).

  22. Krim
    19. September 2013, 12:37 | #22

    Antwort an ErklärPeer: http://fk.siteboard.eu/f7t417-fehlersammlung-in-gsp-artikeln.html
    In dem von dir verlinkten Leserbrief steht ein Satz, mit dem ich einverstanden bin (die Kritik an dem Leserbrief stimmt auch): „Der gemeinsame Wille zur Unterordnung unter die staatliche Herrschaft stiftet überhaupt erst die Gemeinsamkeit, die eine Bevölkerung zu einem Volk werden lässt: Zu einem politischen Kollektiv von Konkurrenten, die ihre Gegensätze um die paradoxe Bereitschaft ergänzen, von diesen Gegensätzen abzusehen, weil sie deren staatlich organisierten Fortgang als ihre elementare Existenzbedingung nehmen.“ Und weil sie als Eigentümer die staatliche Gewalt brauchen.
    Der nächste Satz ist dann wieder der übliche falsche GSP-Mist vom Staat der alles unterwirft, produziert und herstellt.
    @neo: „Denn offensichtlich sind sie doch nicht ganz sicher, ob die Bevölkerung wirklich dauerhaft dieses Herrschaftssystem nicht nur hinnimmt, sondern auch für gut und richtig findet.“ Nein, neo. Die Wahl ist keine verkappte Systemfrage, sondern sie basiert auf der entschiedenen Systemfrage und darauf, dass dieses System allgemein gebilligt wird. In der Wahl entscheidet der Gemeinwille (der Eigentümer) daüber wie die Herrschaft in den nächsten 4 Jahren auszusehen hat. Zur Wahl stehen alternative demokratische Herrschaftswillen in Form von demokratischen Parteien, die vor der Wahl um Zustimmung zu ihrem Herrschaftsprogramm werben. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Die Parteien versuchen also den Gemeinwillen der Eigentümer für sich einzunehmen. Im Wahlergebnis zeigt sich dann, für welche Herschaftsalternative sich der Gemeinwille entschieden hat.

  23. doro
    19. September 2013, 13:24 | #23

    „..und jedes intellektualisierendes taktisches Geschwafel über „kleinere Übel“ oder „ungültig wählen“ ist Blödsinn.“
    @Bakunin
    Diese^ Argumentation ist aber doch dermaßen unlogisch, dass es mich schmerzt.
    Danach müsstest du also halbherzige Mittel grundsätzlich ablehnen, was dann auch bedeutet, dass du lieber verdurstet, bevor du aus einem schmutzigen Glas trinken musst und es darüber hinaus auch noch ablehnst, dich für saubere Gläser einzusetzen.
    Bitte, wenn du das so für dich entscheidest. Aber beschwere dich nicht, wenn eines Tages alle Gläser schmutzig sind, sodass du verdursten musst.

  24. 19. September 2013, 13:49 | #24

    Krim, wenn du mir entgegen hältst:

    „In der Wahl entscheidet der Gemeinwille (der Eigentümer) daüber wie die Herrschaft in den nächsten 4 Jahren auszusehen hat.

    dann will ich dem gar nicht widersprechen. Das istdie eine Seite. Peter Decker hat mir aber in dieser Sache bei der Veranstaltung zu recht entgegengehalten, daß die andere Seite, nämlich, was die Wahl für den Staat leistet, auch wichtig ist:
    Dieses Abrufen der grundlegenden Loyalität ist doch allen Demokraten, vor allem allen Staats- und Parteivertretern und deren Medien enorm wichtig. Wie willst du denn sonst die ansonsten völlig deplazierte Hetze gegen das bewußte Nichtwählen erklären, die z.B. der Spiegel in seinem Leitartikel diese Woche geradezu auf die Spitze getrieben hat? Warum sonst die Vorschrift in manchen Staaten, daß Wählen sogar Pflicht ist? Der Staat will immer darauf zeigen können, daß seine Agenten gewählt sind, am besten mit überwältigender Mehrheit. Dann ist denen am wohlsten.
    Wenn die in der Tat leider vorhandene Grundzustimmung zum Staat und seinen Prinzipien wirklich selbstverständlich und vernünftig wäre, bräuchten sich all die Demokraten doch gar nicht so ins Zeug legen mit ihren Aufrufen. Dann wären die Wahlen entweder Selbstläufer oder es wäre eh egal, wieviele nun ihrer Zustimmung durch konkretes Personalauswählen noch einen drauf setzen.

  25. doro
    19. September 2013, 14:19 | #25

    „Eine Wahl ist nur eine Herrschaftstechnik, also eine Art und Weise den Minderheitenwillen des Volkes unterzuordnen, weil es so eine Gemeinschaft gibt, um derentwillen die Minderheit ihren Willen relativiert. Ansonsten hätte sie keinen Grund von ihrem Willen Abstand zu nehmen.“
    Dazu will ich noch sagen, *bin ich* an den großen Entscheidung beteiligt, aber um des Findens einer Entscheidung willen stelle ich meine Bedenken oder Wünsche eben zurück, aber wie sollte es auch anders in einer friedlichen Gemeinschaft gehen?!
    Der Findungsprozess für ein kleiners Übel ist schon aufwändig genug, und um nicht alles zu blockieren, widerspreche ich dem Konsens nicht, doch selbstverständlich die Entscheidung ist nicht immer auch meine. Entsprechend meiner Übereinstimmung mit dem Konsens setze ich die Aufgaben mal motiviert und mal nur gezwungenermaßen um.
    Mischformen aus beiden Prinzipein sind da wohl die gesunde Regel.

  26. Krim
    19. September 2013, 14:23 | #26

    „Dann wären die Wahlen entweder Selbstläufer“ Das sind sie doch auch. Kaum jemand regt sich heute noch wirklich auf, sondern hat ein distanziertes Verhältnis zu dem „Wahlzirkus“. Da darf man ähnlich wie bei einem Fußballspiel gespannt sein, wer’s denn nun wird oder gelangweilt abwinken, weil eh schon klar ist wer das Rennen macht. Sogar zum Entertainment wird die Wahl mittlerweile genutzt. Siehe Fressesprecher Kalkofe http://www.tele5.de/videos/der-fressesprecher.html oder Stefan Raab. Wirklich als Systemwahl mißversteht das niemand.
    Richtig ist aber, dass die Wahl natürlich zur Agitation von Staatsbürgern genutzt wird und man hat ja auch in diesem Thread wieder gesehen, das diese Agitation durchaus fruchtet: „Bloß nicht die Stimme verschenken. Sei glücklich, dass du überhaupt wählen darfst. Das ist ein Recht, das dir gnädigerweise eingeräumt wird, also erfülle auch deine Pflicht. usw. Denen ist also klar, was ich sage, dass nämlich die Zustimmung zu den Verhältnissen die Grundlage der Wahl ist. Wer Wählen geht, ist mit den Verhältnissen grundsätzlich einverstanden. Diese Voraussetzung ist durchaus wichtig, aber sie ist eine Vorausetzung und nicht der Zweck von Wahlen.
    @doro: „aber wie sollte es auch anders in einer friedlichen Gemeinschaft gehen?!“ Eben doro. Das wichtige ist doch aber. Es i s t eine Gemeinschaft. Bloß – Welchen I n h a l t hat eigentlich diese grandiose Gemeinschaft? Darüber solltest du dir mal Gedanken machen. Wenn du das nämlich weißt, dann stellt sich die Frage ganz anders. Will ich eigentlich zu so einer barbarischen Gemeinschaft die aus lauter Konkurrenten besteht, die sich gegenseitig das Leben schwer machen, dazugehören? Diese Frage hab ich und viele in diesem Blog negativ entschieden und deshalb nehmen sie an dieser Veranstaltung auch nicht teil.

  27. Bakunin
    19. September 2013, 14:35 | #27

    Auch in diesem Blog mögen ihn viele nicht, dennoch wäre es nicht unbedingt falsch, einmal bezüglich des Themas Wahlen über folgende Zeilen dieses alten Genossen nachzudenken:
    „Sie mögen ihn zwar alle nicht, aber sie scheinen sich in ihrem Verhalten doch nach dem zu richten, was er sagte in seiner Rede vor der Wählerversammlung des Stalin-Wahlbezirkes der Stadt Moskau am 11. Dezember 1937:
    „Weiter möchte ich euch, Genossen, einen Rat geben, den Rat eines Deputierten-Kandidaten an seine Wähler. Nimmt man die kapitalistischen Länder, so bestehen dort zwischen Deputierten und Wählern gewisse eigenartige, ich möchte sagen, ziemlich sonderbare Beziehungen. Solange die Wahlen im Gange sind, liebäugeln die Deputierten mit den Wählern, scharwenzeln vor ihnen, schwören ihnen Treue, geben einen Haufen aller möglichen Versprechungen. Es scheint, als sei die Abhängigkeit der Deputierten von den Wählern vollständig. Sobald aber die Wahlen stattgefunden und die Kandidaten sich in Deputierte verwandelt haben, ändern sich die Beziehungen von Grund aus. Statt der Abhängigkeit der Deputierten von den Wählern erweist es sich, dass sie völlig unabhängig sind. Für die Dauer von vier oder fünf Jahren, d. h. unmittelbar bis zu den neuen Wahlen, fühlt sich der Deputierte völlig frei, unabhängig vom Volke, von seinen Wählern. Er kann von einem Lager ins andere hinüberwechseln, er kann vom richtigen Wege auf einen falschen abgleiten, er kann sich sogar in gewisse Machinationen nicht ganz sauberen Charakters verstricken, er kann Purzelbäume schlagen wie es ihm beliebt – er ist unabhängig.
    Kann man solche Beziehungen als normal betrachten? In keinem Fall, Genossen. Diesen Umstand hat unsere Verfassung berücksichtigt und hat ein Gesetz festgelegt, nach dem die Wähler das Recht haben, ihre Deputierten vor Ablauf der Frist abzuberufen, wenn sie Flausen zu machen beginnen , wenn sie vom Wege abweichen, wenn sie ihre Abhängigkeit vom Volk, von der Wählern, vergessen.“
    (aus J. Stalin „Über Lenin“, Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1946)
    Nun, ich wünsche mal viel Lesevergnügen! 🙂

  28. 19. September 2013, 14:39 | #28

    „Kaum jemand regt sich heute noch wirklich auf“

    Ja, das kann man allenthalben beobachten, selbst dieser Tage. Das abgeklärte Wählen (oder Nichtwählen, das nimmst sich ja nicht viel) ist vorherrschend. Wenn dann doch noch jemand auftritt, wie bei der Veransaltung in Berlin, der die Wahlen als fürchterlich wichtig verkaufen will (und dann bei sowas kläglichem gelandet ist, ob die Wasserwerke nun kommunal verwaltet werden oder von irgendeinem Konzern), dann wird der nicht nur da regelmäßig schon belächelt.
    Erst recht gilt, daß niemand den Wahlen zuschreibt, da würde übers „System“ abgestimmt. Vor allem dieser Tage, wo es ja weit und breit keine Bewegung von „Systemgegnern“ gibt, die zur Wahl antreten. Höchstens rechtsradikale Parteien rufen ab und zu zu „Systemwahlen“ auf.
    Du unterschätzt aber den Stellenwert, wenn du schreibst, „dass die Wahl natürlich zur Agitation von Staatsbürgern genutzt wird.“ Als wenn das nur das Aufgreifen einer ansonsten nicht gegebenen Gelegenheit wäre. Nochmal: Wie erklärst du dir die gerade vor Wahlen regelmäßig enorm zunehmende Propaganda fürs Wählen überhaupt? Bis hoch zum Bundespräsident muß man sich das doch anhören. Damit will ich nun wirklich nicht gesagt haben, daß eine mißmutige Bevölkerung, die schon so gut wie beim Absprung zur Systemgenerschaft ist, mit den Wahlkämpfen immer wieder zurück ins Boot des Privateigentums und seiner Demokratie zurückerobert werden müßte.

  29. Bakunin
    19. September 2013, 14:51 | #29

    Zu meinem letzten Beitrag vielleicht bei ausreichender Toleranz mancher Leute noch eine kleine musikalische Untermalung:
    http://www.youtube.com/watch?v=D17PxknvwDg&list=TLJIAV3cI7qzg
    Und bitte, bleibt alle ruhig und besonnen, reßt euch keine Haare vom Kopf vor Schrecken, bald kommt der Winter, und im „Gulag“ wird’s kalt! 🙂

  30. Mattis
    19. September 2013, 15:01 | #30

    „Der Findungsprozess für ein kleiners Übel ist schon aufwändig genug, und um nicht alles zu blockieren, widerspreche ich dem Konsens nicht, doch selbstverständlich die Entscheidung ist nicht immer auch meine.“ (doro)

    Solche Entgegnungen hat sich verdient, wer Herrschaft mit demokratischen Verfahren als solchen bereits erwiesen sieht und nicht in dem, welche Art von „Ordnung“ dabei immer wieder mitgewählt wird.
    Interessant auch, dass, außer den ganz Rechten, fast nur solche Leute die demokratischen Verfahren als Herrschaft angreifen, die bereits Gegner der herrschenden Produktionsweise sind und auch immer erst nachdem sie solche geworden sind. Wie das kommt? Weil man doch insgeheim die Wunschvorstellung pflegt, dass bei wirklicher Befragung des Volkswillens ganz viel Widerstand sichtbar würde. So kann man sich täuschen.

  31. 19. September 2013, 15:05 | #31

    Nun ist aber genug, Bakunin: nicht nur das du uns Stalin vorstellst, was schon schlimm genug ist, da jetzt noch „musikalische Untermalung“ drunter zu schieben, ist nun wirklich zuviel!!

  32. 19. September 2013, 15:10 | #32

    Mattis, wieso wundert es dich

    „Interessant auch, dass, außer den ganz Rechten, fast nur solche Leute die demokratischen Verfahren als Herrschaft angreifen, die bereits Gegner der herrschenden Produktionsweise sind und auch immer erst nachdem sie solche geworden sind.“

    Genau das ist dann doch sachgerecht: Wenn man Befürworter der herrschenden Produktionsweise ist, und das sind fast alle Wahlberechtigten, ob sie wählen oder nicht, warum sollte man dann von Herrschaft reden? Dann paßt es doch, daß regiert wird, ja es ist geradezu erforderlich, notwendig. Objektiv wie subjektiv erkannt und gebilligt.
    Umgekehrt umgekehrt: nur wenn man Gegner der Verhältnisse ist, hat man auch etwas gegen symbolisch-faktische Unterwerfung unter das regiert werden und die Propaganda dafür.

  33. Mattis
    19. September 2013, 15:23 | #33

    „Mattis, du unterschlägst, daß es bei der aktuellen Diskussion um die Bedeutung des Wählens nicht ums Wählen ganz abstrakt, sondern konkret hier und heute unter demokratischen, bürgerlichen, kapitalistischen Verhältnissen geht.“ (Neoprene)

    Das muss dann aber auch am Argument selbst sichtbar sein und nicht, wenn man sich mit dem Thema Wahl an einen normalen Adressaten wendet, nur unterstellt sein. Sonst missversteht der andere die Kritik entweder a) als radikaldemokratische Mäkelei am nur Kreuzchen machen oder als Plädoyer für b) Anarchie oder c) Diktatur.
    Positionen wie die vom GegenStandpunkt wollen ja erklärtermaßen am Verfahren des Wählens selbst den Herrschaftscharakter beweisen, können dies aber freilich nur, indem sie dabei Herrschaft als bereits belegt unterstellen. So kann man dann, sofern überhaupt eine Debatte stattfindet, stundenlang aneinander vorbei reden.

  34. Bakunin
    19. September 2013, 15:29 | #34

    doro 19. September 2013 um 13:24 Uhr
    „..und jedes intellektualisierendes taktisches Geschwafel über „kleinere Übel“ oder „ungültig wählen“ ist Blödsinn.“
    @Bakunin
    Diese^ Argumentation ist aber doch dermaßen unlogisch, dass es mich schmerzt.
    Danach müsstest du also halbherzige Mittel grundsätzlich ablehnen, was dann auch bedeutet, dass du lieber verdurstet, bevor du aus einem schmutzigen Glas trinken musst und es darüber hinaus auch noch ablehnst, dich für saubere Gläser einzusetzen.“
    Absolut unsinnig ist deine Argumentation, in einer Gesellschaft allseitiger und oft auch absolut gegensätzlicher, feindlicher Interessen mit einer abstrakten Logik daherzukommen.
    Und das schmerzt mich sehr, zeigt den ganzen Unsinn heutigen verfaulten bürgerlichen Denkens.(Da waren selbst viele der alten bürgerlichen Aufklärer vor Jahrhunderten schon weiter! Muss ich dir da Namen nennen?)
    In dieser Gesellschaft saufen die einen grundsätzlich und lebenslang aus schmutzigen Gläsern, WESHALB andere ein Leben lang aus teuersten Kristallgläsern saufen dürfen, und zwar ganz frei ohne jegliche überflüssige Diskussionen über größere oder kleinere Übel, Demokratie, Herrschart etc….
    Das ist einfach so, so ist diese Gesellschaft eingerichtet, so funktioniert sie, und dieses Funktionieren wird bei jeder dieser Wahlen abgesegnet, abgenickt, ob nun bloß mit einem leichten Kribbeln im Bauch oder wahren Bauchkrämpfen, die erdrückende Masse der Wähler wählt „System“, aus tatsächlichen, erwarteten oder bloß eingebildeten Eigennutz.
    Und viele, die von diesem System die Schnauze voll haben, gestrichen voll, kapiert haben, dass keine Wahl an diesem System, seinen grundlegenden Strukturen etwas verändert, bleiben völlig zurecht zu Hause.
    Und sollten diese Wahlen doch mal „falsch“ ausgehen, auch nur falsch ausgehen zu drohen, „Unregierbarkeit“, „Extremismus“, „Chaos“, „Kommunismus“ drohen, nun, wir wissen alle, was die wirklich Herrschenden und deren Anhang, Lakaien (zur Not auch mit fremder Unterstützung ihrer ausländischen Klassenkumpane!), dann so alles im Köcher haben.
    Muss ich dir hierüber wirklich an dieser Stelle Nachhilfe in objektiver Geschichte erteilen?
    Mögen die Satten, Zufriedenen, kleinen und großen Opportunisten, Reichen wählen, die anderen am Samstag zuvor ein paar preiswerte Six-Packs vom Lidl für den Wahltag ranschaffen…
    Es bleibt alles wie es wahr – mit N U R wählen!

  35. 19. September 2013, 15:30 | #35

    Mattis, woher nimmst du deine These
    „Positionen wie die vom GegenStandpunkt wollen ja erklärtermaßen am Verfahren des Wählens selbst den Herrschaftscharakter beweisen,“?
    Denn, in der Tat, sie beschreiben ja die demokratische Realität, wo wirklich die Herrschaft ja schon „belegt“ ist.

  36. Bakunin
    19. September 2013, 16:20 | #36

    Neoprene 19. September 2013 um 15:05 Uhr
    „Nun ist aber genug, Bakunin: nicht nur das du uns Stalin vorstellst, was schon schlimm genug ist, da jetzt noch „musikalische Untermalung“ drunter zu schieben, ist nun wirklich zuviel!!“
    Och, och… neoprene…, ihr oft so humorlosen Linken, manchmal kann das olle Väterchen auch mal nützlich sein!
    Nun gut, lassen wir ihn vorläufig wieder in Frieden schlafen! ok…. 🙂

  37. Paul
    19. September 2013, 17:59 | #37

    Uuh, hier hat sich haber viel angesammelt zu lesen…
    Aber komisch finde ich warum mein Text da oben so zusammen gepackt wurde, gar keine Absätze und Unterteilungen mehr zu sehen sind, so wie ich sie aber hier rein setzte… na, man wirds im Grunde auch so verstehen.

  38. Teh Asphyx
    19. September 2013, 18:13 | #38

    „Im Kommunismus des GegenStandpunkt darf dann wohl ein jeder den Beruf ergreifen, den er gerne ausüben möchte; denn würden die gesellschaftlichen Leitungsgremien – übrigens allesamt selbsternannt, denn Wählen gilt dem GSP ja als grundsätzlich verkehrt – diesem Wunsch nicht nachkommen, wären die Betroffenen gezwungen (Zwang!), sich anderweitig zu orientieren – ein klarer Fall von Herrschaft.“

    Wieso sollte es im Kommunismus so was wie eine Berufsergreifung geben? Die Qual der Wahl eines für mich geeigneten Berufes (den ich mir deshalb auch so sorgfältig und möglichst angenehm wählen will, weil ich dann einen sehr großen Teil meiner Lebenszeit in ihm verbringen muss) habe ich doch gerade in der spezifischen Arbeitsteilung des Kapitalismus. Aber das gilt doch nicht für jede Form von Arbeitsteilung, schon gar nicht für eine kommunistische.

    „Die Kapitalismus-Kritik wird beim GegenStandpunkt zunehmend abgelöst von einer formalen Staatskritik, die zudem so simpel falsch gestrickt ist, dass man mit ihr auch die Existenz von Schiedsrichtern bei Fussballspielen als ‚Herrschaft‘ kritisieren könnte.“

    So falsch ist diese Parallele ja auch gar nicht. Damit eine Sportart wie Fußball wirklich als Konkurrenzkampf mit dann dafür nötigen Regeln der Fairness durchgesetzt werden kann, braucht es tatsächlich erst den Schiedsrichter. Ginge es um den Spaß an der Sache, dann wäre der nicht nötig, weil es halt egal ist, ob das jetzt ein Tor oder Abseits war, rennt man halt einfach weiter nach dem Ball, weil es eben nur um das Spielen ginge und den Spaß daran. Erst als Konkurrenzveranstaltung, bei der am Ende ein Sieger rauskommen soll, braucht der Fußball halt seine Schiedsrichter, Verbände, Regelwerke und den ganzen Kram.
    Und im Fußball finden sich ja dann auch die gleichen Kritiken wie sie auch sonst an Herrschaft gemacht werden. Dann sind Schiris halt doch mal parteiisch, korrupt, inkompetent oder was auch immer und haben die Konkurrenten sowie ihre Anhänger um eine faire Verteilung auf Sieger- und Verliererplätze betrogen.
    Was an dieser Feststellung eines herrschaftlichen Verhältnisses unter dem die Mannschaften ihre Konkurrenz zueinander organisieren denn falsch ist, müsstest Du erstmal erklären.

  39. doro
    19. September 2013, 19:35 | #39

    Was bitte soll an parlamentarischer Dekmokratie schlecht sein? O.o Selbstverständlich kann es doch nur in meinem Interesse sein, möglichst demokratisch von Abgeordneten vertreten zu werden, die sich Gewissen und Bürgerwillen verpflichtet füheln. Was bitte soll daran falsch sein? Bitte erkläre es mir, ich verstehe _das_ wirklich nicht.

  40. 19. September 2013, 19:48 | #40

    Interessant, daß jetzt wieder die Fußball-Metapher herangezogen wird. Das hat es hier ja schon früher gegeben. Gefunden habe ich auf die Schnelle eine Entgegnung von libelle auf einen GSPler:

    „Du willst darauf hinaus, dass der Staat die Gewalt ist, die die Bedingungen der Konkurrenz durchsetzt, den Grundlagen Geltung verschafft, auf denen sie stattfindet. Schaffen ist aber etwas anderes als eine Verpflichtung auf bestimmte Bedingungen unter denen man seinen Willen zu betätigen hat. Um das mal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der Schiedsrichter schafft nicht den Fußball; das ist kompletter Unsinn, sondern er sorgt Kraft der ihm von den Spielern verliehenen Weisungsbefugnis dafür, dass die Regeln der fußballerischen Konkurrenz eingehalten werden. Dass es Unterschiede zwischen einem sportlichen Wettbewerb und dem bürgerlichen Staat gibt ist (um gleich vorzubeugen) kein Einwand gegen diese Gemeinsamkeit zwischen Wettkampfrichter und Staat.“

    Der GSPler hat dem geantwortet:

    „Deine Aussage lautet: Beide schaffen jeweils nicht das, was sie regeln (Fußball/Kapitalismus). Das ist eine sehr dünne Gemeinsamkeit. Ein Unterschied zwischen Schiedsrichter und Staat besteht aber darin, dass jener nicht die Regeln macht, der Staat dagegen schon: Verfassung, Gesetze. Denen wird mit Gewalt Geltung verschafft. Schon aus dieser Tatsache geht hervor, dass es sich beim Staat um ein Subjekt mit eigenem Interesse und eigener Nutzenkalkulation handeln muss (trifft auf Schiedsrichter nicht zu, er hat selbst nichts davon, wie das Spiel ausgeht – wenn er sich nicht bestechen lässt).

    libelle darauf:

    „Dann nimm‘ halt den DFB oder die FIFA. Die machen den Fußball auch nicht, oder nur in sehr engen Grenzen (nämlich denen, die sich die Akteure (Vereine, Medien) etc… einleuchten lassen). Der DFB kann z.B. nicht hergehen und plötzlich Hockey-Tore einführen (irgendein blödes Beispiel). Gesetze verabschieden heißt eben nicht Subjekt der Sache zu sein.“

  41. Teh Asphyx
    19. September 2013, 20:44 | #41

    Wieso sollte der DFB keine Hockey-Tore einführen können? Auf den deutschen Fußball bezogen könnte er das eben sehr wohl, ob sich die internationale Fußballstaatengemeinschaft FIFA dem anschließt, ist da halt noch mal eine andere Sache. Der Schiedsrichter entscheidet das aber tatsächlich nicht, soweit ihm nicht doch vom Verband die Befugnis dazu verpasst werden würde. Ein Schiedsrichter kann dem ihm vom Verband gegebenen Regelwerk nach entscheiden, ob jetzt gerade Eckstoß oder Elfmeter fällig ist, ob ein Spieler einen anderen gefoult hat oder der andere gerade einen Sturz simuliert, um sich davon einen Vorteil im Spiel zu verschaffen, so wie ein Richter im Staat eben entscheidet, ob jemand eher den Knast wandert oder eine Geldbuße zahlt oder halt ob jemand eine berechtigte Klage gegen einen anderen führt oder halt doch eher der andere Ansprüche geltend machen kann. Ein Richter ist halt auch nicht der Staat, sondern nur ein Mensch, der den Willen des Staates im Rahmen seiner vom Staat verliehenen Befugnisse ausführt.
    Der DFB hat doch als Gesamtverband ein Interesse daran, dass konkrete Fußballregeln eingehalten werden, zumindest von allen ihm angeschlossenen Vereinen und deren Spieler (also innerhalb des sportlichen Konkurrenzbetriebs) und herrscht diese allen angeschlossenen Vereinen auf.
    Darin, was Staat und Fußballverband davon haben, ihren Untergebenen jeweils ihre Regeln aufzuherrschen, unterscheiden sich beide aber doch wohl in einigen Punkten. Nicht aber darin, dass sie Subjekte einer Herrschaft sind.

  42. 20. September 2013, 07:33 | #42

    „Wieso sollte der DFB keine Hockey-Tore einführen können?“

    Weil das dann für die Fußballfans kein Fußball mehr wäre. Der DFB zieht seine Macht und sein ganzes Regularium bis hin zu den Sportgerichten aus der millionenfachen Übereinstimmung der Fußballfreunde zu diesem speziellen Sport. Dieses gemeinsam geteilte Interesse legitimiert den Verband. Der DFB kann also nicht aus Fußballspielen Handballspielen machen, dann wäre es mit seiner Macht vorbei, weil die Mitgleider dann einfach in Scharen zu „echten“ Fußball-Vereinen überwechseln würden.
    Das widerlegt deine Schlußbehauptung, daß Staat wie Fußballverband jeweils „Subjekte einer Herrschaft“ wären. Nein, sind beide eben nicht. Jedenfalls in dem von dir unterstellten Sinne, daß sie autonom darin wären, die jeweiligen Regeln aufzustellen und durchzusetzen. Das können beide nur deshalb, weil sie Ausdruck einen zugrundeliegenden recht eindeutigen klaren Willens der jeweils Unterworfenen sind. Ohne den wäre es mit dem Subjektsein schnell zu Ende.

  43. 20. September 2013, 07:45 | #43

    doro, wenn du fragst

    „Was bitte soll an parlamentarischer Dekmokratie schlecht sein?“

    dann kann ich nur zurückfragen, ob du überhaupt irgendeines der kritischen Argumente (der GSP hat dazu gerade ein ganzens Buch vorgelegt, Peter Decker hat dazu gerade in Berlin drei geschlagene Stunden was vorgertragen) zur Kenntnis genommen hat, oder ob „Demokratie“ für dich das Wort des Herrn ist und Kritik daran der Gotteslästerung gleich?

  44. Bakunin
    20. September 2013, 12:15 | #44

    Schade, dass über die Demokratie bei manchen Leutchen hier so unendlich viel Nichtwissen, Verwirrung herrscht.
    Dass die Demokratie ebenso eine Herrschaftsform neben anderen Herrschaftsformen ist, wusste und schrieb der Genosse Lenin schon vor bald 100 Jahren, sehr gut nachzulesen etwa in „Staat und Revolution“ oder in „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautzky“.
    Dabei hat Lenin keinesfalls nur die bürgerliche Demokratie im Auge, worum es ja gerade hier geht, sondern auch die sozialistische Demokratie.
    In jeder Demokratie herrschen Menschen über Menschen, so oft man auch die Wörter Volk(Demos) und Herrschaft(Kratia) zusammensetzen mag.
    Demokratie, also Herrschaft von Menschen über Menschen, kann daher erst zusammen mit dem Staat verschwinden, in einer Zukunft freier Menschen ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, daraus folgender Herrschaft und Gewalt, sprich: Staat und „Demokratie“.
    doro, du fragst in aller Naivität, was an diesen Demokratien so falsch sein soll.
    Die Leichenberge, welche deine geliebten „westlichen Demokratien“ seit 1945 auf diesem Planeten aufhäuften, waren das alles nur „Fehler“, „Versämnisse“, „Irrtümer“?
    Kennst du denn überhaupt die Geschichte seit 1945 und jene fürchterlichen „Demokratien“-Mächte, die sie maßgeblich „machten“?
    Ich bitte dich in aller vitueller Freundschaft, falls dein Kopf noch nicht völlig „über’n Jordan“ ist, Lerne, Lerne, Lerne! (Zitat Lenin)

  45. Mattis
    20. September 2013, 12:24 | #45

    Das Interessante am Schiedsrichter beim Fussball ist doch, dass, obwohl alle Spieler die Regeln kennen und akzeptieren, dennoch aus momentanem Partikularinteresse die Versuchung zum Regelverstoß gegeben ist; trotzdem wiederum wird das Eingreifen des Schiedsrichters anerkannt.
    Es gibt eben auch diesseits und jenseits kapitalistischer Konkurrenz partikulare Interessen, die nicht immer mit einem grundsätzlich anerkannten Zweck konform gehen. Werfen wir mal einen Blick in die sozialistische Zukunft: es mag ja sein, dass man dort nicht den einen Beruf fürs Leben wählen muss, aber selbst wenn man öfter mal die Tätigkeit wechselt, wird man immer wieder Vorlieben und Abneigungen haben und nicht immer genau das tun können, was einem am besten gefällt. Wenn ich also zu einem Zeitpunkt X nicht meine favorisierte Tätigkeit ausüben kann, weil diese so nicht gebraucht wird oder andere das Ok dafür bekommen, dann ist das ein Zwang, dem ich in diesem Moment unterliege. Ich will vielleicht mal ein paar Jahre Pilot sein, aber man lässt mich in kein Cockpit. Ein zuständiges Leitungsgremium, mit dessen grundsätzlicher Aufgabenstellung ich voll und ganz einverstanden bin, hat also entschieden, dass mir die gewünschte Tätigkeit nicht ermöglicht wird, Punkt.
    Mein Hinweis war: es ist nicht, wie man beim GegenStandpunkt lesen kann, ganz und gar absurd, dass man eine Instanz berechtigt, Regeln durchzusetzen, deren Geltung man doch selbst grundsätzlich will. Gerade dann und nur dann macht es doch Sinn! Es handelt sich dabei um einen „doppelten“ Willen: ich will meine konkreten Bedürfnisse realisiert wissen, ich will aber zgleich – um meiner Bedürfnisse willen! – eine gesellschaftliche Ordnung, die in meinem Sinne ist, in deren praktischen Vollzug aber durchaus auch meine konkreten Bedürfnisse eingeschränkt werden können.
    Sowas ist weder verrückt noch ist das allein schon Herrschaft. Eine Art Zwang ist freilich schon enthalten, weil die Regeln und Entscheidungswege, deren Verbindlichkeit man anerkannt hat, gegen partikulare Übertretungen oder abweichende Sonderwünsche durchgesetzt werden. Ein wenig Frustrationstoleranz, die Bereitschaft zur Abstraktion vom Sonderinteresse, wird man also auch im Sozialismus brauchen.
    Beim GegenStandpunkt aber wird solche Verdoppelung des Willens, als „abstrakt freier Wille“ bezeichnet, ganz prinzipiell als Herrschafts-Verhältnis des bürgerlichen Staats kritisiert (s. Der bürgerliche Staat, §1) .
    Neoprenes Zitat (s.o. am 13.09.) enthält ebenfalls die grundsätzliche Kritik:

    „Was ist das für eine seltsame Gemeinschaftlichkeit, die eine Macht über sich und damit gegen sich braucht, damit sie funktioniert? Wenn die gewählten Macht-haber dem wählenden Volk ohnehin nur das aufzwingen, was dieses sich per Wahl bestellt hat – wieso macht dann das liebe Volk nicht ohne diesen seltsamen „Umweg“ ganz autonom das, was es halt so vorhat?“

    Jetzt steht noch die Frage, ob das nur für die bürgerliche Herrschaft formuliert wurde. Aber ist wirklich jemand der Meinung, der GSP würde im Sozialismus einen „abstrakt freien Willen“ für ok halten, weil dann ja die kapitalistische Konkurrenz weg ist? Es heißt ja von GSP-Seite, im Sozialismus gibts es nur noch Unterschiede, keine Gegensätze mehr. Das passt dann natürlich zur Ablehnung jeglicher Zwänge, ist aber freilich ein Idealismus.

  46. Teh Asphyx
    20. September 2013, 14:42 | #46

    @ Neoprene
    Doch, autonom sind sie darin schon. Das erfordert doch keinen unbedingten Gehorsam. Die Regeln für den deutschen Fußball stellt der DFB auf und dann steht es dem deutschen Volk frei, ob es den Zirkus mitmacht oder nicht. Im Gegensatz zum Staat hat der nämlich kein Gewaltmonopol mit einer solch übergreifenden Kompetenz, dass er irgendwen zum Mitmachen überhaupt zwingen könnte. Dieser Umstand zwingt den Fußball-Dachverband schon zu anderen Berechnungen als den Staat.
    Der DFB kann halt schon beschließen, dass Fußball jetzt wie Handball zu spielen ist, nur wird er dann damit leben müssen, dass dann viele Fußballfans enttäuscht sind und sich entweder einer anderen Sportart zuwenden oder „richtigen“ Fußball fordern werden – oder sogar so weit gehen, einen Konkurrenzverband aufzubauen. Der Staat regelt das ein wenig anders, der behält sich nämlich auch in einer Demokratie vor, sich per Notstandsgesetzgebung den Gehorsam per Gewalt zu erschaffen, ohne dass er sich dann noch aus dem freiwilligen Gehorsam legitimieren lassen müsste.
    Der DFB hätte halt nichts davon, Fußball zu Handball zu machen. Aber Regelentscheidungen, die einem Großteil der Fans nicht schmecken, die gibt es schon. Selbst UEFA und FIFA spielen ihre Turniere mit unterschiedlichen Regeln und es gucken sich die gleichen Leute die Spiele an. Und die finden dass dann auch schonmal ziemlich scheiße, dass ein Golden Goal eingeführt wird. Viele wollen, dass die Schiris selbst besser überwacht werden oder es genauere Computergestützte Systeme gibt, die dem Schiri zu faireren Entscheidungen helfen, dann kommt aber ein Günter Netzer an und sagt momentchen mal, das finde ich aber gar nicht gut, denn die Emotion des Zuschauers beim Fußball lebt ja davon, dass es nicht immer fair zu geht, dass Fehler passieren können ist ein Teil des Spiels etc. Die FIFA-Funktionäre hören sich all diese konstruktiven Kritiken natürlich auch gerne an und entscheiden dann aber nach ihrer Räson, ihren eigenen Zwecken gemäß – wonach auch sonst? –, welche Regeln und Maßnahmen sie künftig allen angeschlossenen Fußballspielern und Fans aufherrschen. Da wird schon keiner sagen ach, dann schau ich halt was anderes als Fußball. Und der Zuschauer ist auch nicht Zweck des Verbandes, sondern sein Profit oder bei Nationalverbänden eben das bessere Abschneiden der Nationalelf in internationalen Turnieren etc.
    Es ist doch nicht so, dass irgendein Fußballverband entsteht, weil da so ein Volkswille da ist, der gerne einen Verband hätte, der sich um die Regelung der Konkurrenzsituation in ihrem Lieblingssport kümmert. Umgekehrt ist es so, dass sich da halt welche denken, dass aus dem Spiel noch was ganz anderes rauszuholen ist, wenn man es reguliert in eine echte Konkurrenzsituation packt, in der es um was geht. Dann ist es kein Spiel mehr sondern Sport. So kommt es halt auch, dass Schach am Ende auch Sport ist, obwohl es mit Bewegung und körperlichen Verrenkungen nicht viel zu tun hat, das Yoga zuhause aber eben „nur“ Gymnastik.
    @ Mattis
    Das ist doch mit einem Richter im Staatsauftrag nicht anders. Das Eingreifen des Schiedsrichters wird deswegen letztlich anerkannt, weil sonst eben Spielverbot droht – und schlimmstenfalls das Ende einer ganzen Fußballerkarriere. Der Schiri – sofern er die Regeln des Sportverbandes in dessen Sinne umsetzt – sitzt eben immer am längeren Hebel und das weiß jeder Spieler auch. Der hat auch seine Sicherheitskräfte am Spielfeldrand, die zur Not auch mit Gewalt eingreifen.
    Spieler kalkulieren sogar, wann sie sich am besten eine gelbe Karte einfangen, damit sie möglichst nicht gesperrt werden (oder so, dass sie bei einem möglichst unwichtigen Spiel ausfallen), aber eben in einem gewissen Rahmen die Regeln verletzen können. Manch ein Autofahrer überlegt sich halt auch, wie viel Falschparken er sich leisten kann und wie sich das für ihn rechnet.
    Bestellen tut ein Spieler den Schiri doch nur in dem Sinne, dass der möglichst drauf achtet, dass sein Konkurrent sich keinen Vorteil verschafft, aber doch nicht, weil er sich selbst den Regeln unterordnen will. Dazu bräuchte es ihn doch nicht, weswegen ja auch Hobbyspieler, die mal am Wochenende zum Kicken in den Park gehen eben keinen Schiri dabei haben. Da geht es halt um nichts.
    Dementsprechend bestelle ich doch nur dann einen Staat, wenn ich will, dass der andere dazu zwingt, die Regeln einzuhalten, die ich so einleuchtend finde, nicht aber, damit ich sie selbst einhalte, denn mir leuchten sie ja schon ein.
    Wenn jetzt ein ganzes Volk diese Regeln von einer Regierung mit Gewaltmonopol bestellt, dann doch deswegen, weil sie alle in prinzipieller Konkurrenz zueinander stehen und ja sicher gehen wollen, dass die Regeln auch wirklich gegen alle Abweichungen von der Tagesordnung umgesetzt werden. Weil dann halt klar ist, dass die Interessen der Einzelnen grundsätzlich im Gegensatz zueinander stehen.
    Jetzt sagt einer, dass er lieber eine Gesellschaft haben möchte, in der es keine Konkurrenz gibt und in der Interessen deswegen auch nicht notwendig Gegensätze sind und Du fragst, wie er dann dort eine solche Konkurrenzsituation regeln möchte.
    Dass es in jeder Gesellschaftsform Aufgaben zu bewältigen gibt, die nicht immer angenehm sind, steht da ja gar nicht zur Debatte. Wenn ich was mir Unangenehmes machen muss, weil ich mir davon ausrechne, hinterher was Angenehmes als Resultat zu bekommen, das den Aufwand auch locker wert ist, dann muss mich da doch keiner zu zwingen. Da tut es für eine Arbeitsteilung auch gut eine Verwaltung, die gar keine Zwänge ausüben muss, weil es halt jedem klar ist, welchem Zweck das ganze dient. Nämlich eben nicht der Profitmaximierung einer Klasse, sondern der Steigerung des Reichtums aller in der produktivsten Weise, also auch eine Steigerung des eigenen persönlichen Reichtums auf eine viel produktivere Weise, als einer das alleine hinbekäme. Wenn ich dann Flugzeug fliegen will, dann mach ich das halt, ob ich dabei Linienflüge mache, weil es gerade gebraucht wird oder halt so als Hobby ist doch egal. Die Steuerung eines Flugzeugs sollte nur halt erstmal gelernt sein, das wäre mir da erstmal wichtiger.
    Wenn halt keine Piloten gerade gebraucht werden, dann schau ich halt, was sonst gerade so ansteht und was ich auch machen kann. Es gibt schon nicht nur Herrschaft oder totale Anomie.
    Ein Idealismus ist es nicht, ein Ideal aber erstmal schon, in dem Sinne, dass diese Vorstellung in der realen Gesellschaftsordnung alles andere als Verwirklicht ist. Das Ideal ergibt sich doch aber von allein aus der Kritik des Bestehenden. Es ist ja eben gerade nicht so, dass da einer vom GegenStandpunkt bei geht und den Kapitalismus an diesem vorher schon gedachten Idealzustand misst und dann darauf kommt, dass dem nicht so ist und dann guckt, wie das konstruktiv zu verändern ist. Von daher ist der Idealismusvorwurf wirklich völlig verfehlt. Und dementsprechend entspringt die Ablehnung aller Zwänge eben auch der Kritik und ihrem Resultat, dass Zwänge eben immer dann nötig sind, wenn Bedürfnisse systemisch zu Gegensätzen gemacht werden (sollen). Da ist halt auch einer der Unterschiede zu den Anarchisten, die alle Verhältnisse an ihrem eigenen hohen Ideal der Herrschaftslosigkeit misst und die deshalb den Staat letztlich auch nur moralisch ablehnen können.

  47. Mattis
    20. September 2013, 16:06 | #47

    @ Teh Asphyx:

    „Jetzt sagt einer, dass er lieber eine Gesellschaft haben möchte, in der es keine Konkurrenz gibt und in der Interessen deswegen auch nicht notwendig Gegensätze sind und Du fragst, wie er dann dort eine solche Konkurrenzsituation regeln möchte.“

    Doch nicht „eine solche Konkurrenzsituation“ – das mogelst du da rein.
    Klug ist es nicht gerade, den Begriff „Gegensatz“ quasi für den Kapitalismus zu reservieren. Für den Sozialismus sind jedenfalls jede Menge Konflikte absehbar, da solltest du dich mal besser nicht täuschen. Dafür hast du aber nur eine Antwort: die Menschen sind alle einsichtig, dass genau das nottut, was beschlossen wird, und dies auch ihr Mittel ist. Das kommt mir als Ideal aus der Staatsbürgerkunde bekannt vor.

    “Wenn ich was mir Unangenehmes machen muss, weil ich mir davon ausrechne, hinterher was Angenehmes als Resultat zu bekommen, das den Aufwand auch locker wert ist, dann muss mich da doch keiner zu zwingen. Da tut es für eine Arbeitsteilung auch gut eine Verwaltung, die gar keine Zwänge ausüben muss, weil es halt jedem klar ist, welchem Zweck das ganze dient.“

    Das sind aber Entscheidungen, die von Menschen gefällt werden, und keine Naturereignisse, deshalb kann man sich sehr wohl an ihnen reiben, sie für unnötig halten, oder andere Regelungen für sinnvoller empfinden etc. Das mit dem „ausrechnen“ funktioniert doch so nicht.
    Man kann z.B. eine bestimmte Tätigkeit, Projektidee oder Forschung für wichtig halten, aber die Leitungsinstanzen winken ab, weil sie anderer Meinung sind oder die Ressourcen nicht reichen. Darüber kann man dann stinksauer sein, während du im Geiste daneben stehst und dozierst, dass man doch auch durch diese unangenehme Entscheidung etwas „Angenehmes als Resultat“ bekomme. Na und? Aber wenn man der – sei es auch irrigen – Überzeugung ist, dass dieses angenehme Resultat auch ganz ohne die Einschränkung machbar wäre, die man gerade hinnehmen soll?
    Auch wenn der Betroffene das letztendlich akzeptiert, die Gesellschaft also „gar keine Zwänge ausüben“ muss, wie du schreibst, dann doch deshalb, weil man sich schließlich kein eigenes Labor oder Projekt einfach so hinstellen kann und genau dieser ganz praktische Zwang die Sache in der Regel entscheidet, als vermeintlicher Sach-Zwang. Aber wer sich einfach darüber hinwegsetzt, den wird man schließlich auch nicht einfach machen lassen, oder?
    „Zwang ausüben“, das müsste dir bekannt sein, ist ja nicht nur dann der Fall, wenn jemand am Kragen gepackt wird, sondern kann auch einfach in Nicht-Gewährung von Möglichkeiten und Mitteln bestehen, die man gerne hätte. Das macht den Zwang ja nicht weg, selbst wenn man diesen als Notwendigkeit (allerdings von fehlbaren Mitgenossen beschlossen) anerkennt.
    Schließlich noch: Auch im Sozialismus muss sowas wie Stuttgart-21 irgendwie entschieden werden. Und selbst wenn aufgrund anhaltender Kontroversen und fehlender Kompromisslösungen die Entscheidung einfach ausgesetzt wird, können andere genau damit wieder besonders unzufrieden sein und müssen alsbald die Zwänge hinnehmen, die ihnen in Form von Verkehrsengpässen auf die Nerven gehen, sei es als Reisender, als Lokführer oder Mitarbeiter im Stellwerk.
    Kleiner Hinweis am Rande: gerade beim Verkehrswesen sind jede Menge Konflikte vorprogrammiert, insbesondere wenn dann noch Arbeitszeitverkürzungen die Reisetätigkeit der Mitmenschen ordentlich erhöht. Das ist aber nur ein winziger Aspekt von tausend anderen.
    Aber das sind ja nie und nimmer Gegensätze, die da ins Spiel kommen, und nirgends gibts dabei Zwang, denn es gibt ja dann „hinterher was Angenehmes als Resultat“.

  48. Mattis
    20. September 2013, 20:58 | #48

    Nun zurück aus der polemischen Ironie meines letzten Absatzes, denn es sind noch Einwände offen.
    Der Einwand gegen demokratische Verfahren, da werde die Minderheit unterdrückt, ist u.a. auch vom US-Psychologen B. F. Skinner vorgebracht worden, der einst in seinem Buch Walden Two eine Utopie ohne Demokratie beschrieben hat. Außerdem hätten die Leute von der Straße eh keine Ahnung von Ökonomie, daher sei es nur konsequent, wenn nur die Fachleute entscheiden, denn es gibt nur noch Sachfragen. Er plädiert daher für eine Art Expertokratie, wo die Experten die Leitungsgremien wählen dürfen (das erinnert mich irgendwie an die katholische Kirche: Papst ernennt Kardinäle, diese wählen Papst; außerdem hat historisch die Demokratie selber ähnlich eingeschränkt angefangen: nur „freie Männer“ durften abstimmen).
    Also nun zum Minderheits-Argument: Wenn es in einer Gesellschaft keine systembedingten Gegensätze mehr gibt, also nicht ständig dieselbe Gruppe nach Nachsehen hat, dann ist es nicht existentiell, bei einer Abstimmung zu unterliegen; und das wird je nach Thema mal die einen, mal die anderen tangieren. Außerdem: Eine gemeinschaftlich denkende Gesellschaft wird wo immer es geht nach Kompromisslösungen suchen; eine solche Lösung hat dann die Chance, größte Zustimmung auf sich zu ziehen; auf diese Weise relativiert oder vermeidet man ein Unterliegen der Minderheitsposition. Trotz alledem: irgendwann muss halt entschieden werden, sonst geraten anderweitig anerkannte Zwecke in Gefahr, was dann wiederum für viele nachteilig sein kann.
    Eine solidarische Kultur ist also erforderlich, so pathetisch das jetzt klingen mag; existiert diese nicht, dann kann auch die Ablösung von demokratischen Methoden durch vermeintlich bessere Verfahren nicht den geringsten Vorteil bringen, ganz im Gegenteil.
    Eine solidarische Kultur bedeutet auch, dass man Zwänge nicht gegen andere wünscht, sich selbst aber ausnehmen möchte, sondern dass man sehr wohl weiß, dass man auch hin und wieder selbst tangiert ist von zwar vernünftigen Entscheidungen, die einem aber manchmal nicht in den persönlichen Kram passen.
    Man ist dann z.B. auch nicht deshalb für Geschwindigkeitsbegrenzungen, nur weil man die anderen drangsalieren will, sondern aus vernünftigen Gründen, an die man sich prinzipiell auch selber halten will. Aber das heißt noch lange nicht, dass das dann ganz und gar freiwillige Regelungen sind und keine Instanz eingreift, wenn irgendwelche Dödel z.B. privaten Frust auf der Straße mit Raserei austoben. Eine öffentliche Instanz wird durchaus beauftragt, die beschlossenen Regelungen auch verbindlich durchzusetzen. Dass man vernünftige Regelungen der Uneinsichtigkeit Weniger ausliefert, ist nämlich mit Sicherheit kein gutes Gesellschaftsmodell.

  49. franziska
    21. September 2013, 08:58 | #49

    Ich bin froh, dass als Quelle von Konflikten endlich auch mal abweichende Einschätzungen, Hypothesen, allgemeine Präferenzen ins Spiel kommen – und nicht immer bloss die vermeintlichen „Interessen“, noch dazu womöglich die ganz individuellen Sparren und infantilen Sehnsüchte („möchte aber Pilot sein!“)
    Es ist anderswo immer wieder das sogenannte (es gehört viel genauer analysiert und begriffen!) „interessierte Denken“ dafür verantwortlich gemacht worden, dass Leute massenhaft Eigentümer sein wollen und als solche immerhin darin übereinstimmen und sich einig sind (wenn auch in nichts sonst), dass sie einen Staat brauchen, der das Eigentum jedes Einzelnen gegen ständig erwartbare Übergriffe anderer schützt.
    Ich habe schon früher den Hinweis gegeben, und gebe ihn jetzt wieder: Diese Leute denken in ALLEN Lebensfragen, bei all ihren Entscheidungen „interessiert“. Das führt sie manchmal in Gruppen zusammen, in vielem kommt es garnicht dazu. Ihre ewigen Meinungsverschiedenheiten, ihre Unfähigkeit, sich einig zu werden, antizipieren sie ständig – darum sind sie auch Antikommunisten. Und… Befürworter des Mehrheitsprinzips (und „angemessenen Minderheitenschutzes“ – ach, Formeln haben sie viele, aber keine gemeinsamen Inhalte dafür!)
    Ein eigenartiger Fehler ist mir in der Debatte mit Doro aufgefallen: Warum hat eigentlich niemand hier sie darauf angesprochen, ob sie für Eigentum ist, und wenn ja, warum?
    Was Mattis äussert, ist zwar „problembewusster“ als das Wegwischend der Frage nach der Einigung – aber gut ist es auch nicht. Wir hatten das hier schon: Die Prozeduren sollen „Klarheit“ schaffen, als gäbe es nicht grad in einer Gesellschaft, wo alle aufeinander angewiesen sind, tausend Gelegenheiten für unterlegene Minderheiten bis Einzelne, die gegnerischen Projekte durch Sabotage und Verweigerung zu Fall zu bringen. Die demokratischen Prozeduren werden dafür sorgen, dass sich „das Vernünftige“ durchsetzt? – also das, was „mir“ in den meisten Fällen einleuchtet? Ich rechne da also (etwa als Mattis) damit, dass meine Positionen im wesentlichen (den Grundsätzen) mit denen der meisten andern, auf die es mir ankommt, übereinstimmen. (Etwa den Leuten, die arbeitsteilig für mich mit entscheiden, als je Zuständige und Experten – das hatten wir hier auch schon öfter.)
    „Interessiert Denkende“ bieten durch die Art, wie sie generell zu Einschätzungen und Entscheidungen gelangen, nicht mal im Ansatz die Gewähr für solch eine Erwartung. Darum lassen sie sich auch im Traum nicht auf Kommunismus ein. Sie taugen auch nicht dafür.
    Und Abstimmen ist nur die Verlaufsform ihrer (Meinungs-) „Unterschiede“. (Das ist ja heute schon so: Was Kommunisten als ihr Gemeinsames (ihre Klassenlage) ansehen, sehen SIE ganz anders… wenn auch ganz unterschiedlich anders..)

  50. doro
    21. September 2013, 13:13 | #50

    „Also Leute, mmeidet diesen ganzen Scheiß, tut euch bitte auch bloß nicht nach der Tagesschau diese dämliche „Elefantenrunden“ an, besauft euch an diessem Tag von morgens an lieber, zur Not bis zur Bewusstlosigkeit, selbst das nützt der „Gesellschaft“ noch mehr als sinnlose Kreuze! :-)“
    Das kann man nicht ernst meinen…
    Jetzt komm nicht wieder damit, ihr hättet so viel mehr Ahnung von Demokratietheorie oder großen Denkern (letzters von mir aus, das macht den Bock auch nicht fett)als ich oder andere. Das existiert nur in euen Köpfen. Auch das Gerede vom falschen System ist komplett unlogisch (auch verschwörungstheoretisch), weil ihr es durch Nichtwahl bestätigst, indem andere für einen entscheiden, die im Zweifel die Änderungen, die du willst, nicht wollen. Die von einem, wie auch immer gearteten – meinetwegen edlen Gedanken und Motive (mal unterstellt) – bewirken exakt nichts. Das ist der Punkt, den ihr noch nicht erfasst habt.
    Die Welt dreht sich dann weiter, aber ohne euch. Interessiert niemanden, was ihr dann kritisieren möchtet.

  51. doro
    21. September 2013, 13:37 | #51

    Die Wahlen sind frei und demokratisch (die Möglichkeit hat die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten nicht.), auch wenn wir ständig von den Medien manipuliert werden, letztlich hindert niemand die Menschen daran, die Linke (die die einzig wirkliche Alternative ist) zu wählen. Das ist nun mal Fakt. Theoretisch könnten wir eine andere Politik haben, der letzte und entscheidende Grund, warum wir das nicht hinbekommen ist die Dummheit und Faulheit (zur Wahl zu gehen) der Menschen hier in dem Land. So traurig wie das auch ist.
    Es kommt auch nicht die gute Fee, oder der liebe Gott eines schönen Tages und macht, dass alles gut wird.
    In einem Punkt kann ich euch besonders nicht zustimmen. Wenn man bedenkt, mit welchen Opfern das Wahlrecht für die unteren Schichten einst erkämpft wurde, dann ist die Wahlverweigerung aus Ekel vor dem System einfach obszön. Die angeblichen Anwälte der Abgehängten sollten ihre Energie darauf verwenden, die Leute an die Wahlurne zu bringen, statt sie davon abzuhalten.

  52. doro
    21. September 2013, 13:44 | #52

    PS:
    Nichts habe ich gegen Nichtwähler – ganz egal ob sie aus Faulheit daheim bleiben, Desinteresse, oder weil sie sich einfach nicht entscheiden können … aber „Nicht-Wählen“ / bzw Ungültigmachung für ne politische Aktion zu halten … sorry.

  53. doro
  54. doro
    21. September 2013, 13:55 | #54

    Entschuldigung, noch eines will ich los werden.
    Wäre ich nicht selbst Pirat, ich würde Linke wählen. Und allen, die weder Piraten,Links noch die üblichen Blöcke wählen wollen, denen empfehle ich die PARTEI als Protest.

  55. franziska
    21. September 2013, 14:40 | #55

    Hallo doro, da es grad sonst niemand tut, frag ich dich einfach mal: Was hältst du denn von Gruppen oder einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel (einschliesslich Ressourcen) niemandem mehr gehören, sondern gemeinsam von allen verwaltet werden, Umfang und Art aller Arbeiten zwanglos ebenso von allen im Konsens eingeteilt, und nach Ausführung die Erzeugnisse im Einverständnis aller an alle verteilt werden? Also: Kien Geld, kein Staat, keine Macht, kein Recht… – Dir ist natürlich bekannt, dass man das Kommunismus (und zwar in der genannten Version nicht Staatskommmunismus) nennt. Und falls du ein bisschen mitgelesen hast, dürfte dir aufgefallen sein, dass die Leute, die sich hier gegen Wählen erklären, genau diese Gesellschaftseinrichtung befürworten, und das Zustandekommen einer freiwilligen Zustimmung dazu in einem grossen Teil der Bevölkerung durch Überzeugungsarbeit zumindest befördern wollen. Das mögen nun Spinner sein. Aber vielleicht ist dir klar, dass man da aus gutem Grund KOMPLETT andere Probleme hat als Leute, die eine Regierung wollen?

  56. 21. September 2013, 15:50 | #56

    „Wir sind gegen demokratische Wahlen, weil man vorher nie sicher sein kann, was hinterher herauskommt.“ (Der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw MOLOTOW angeblich zum britischen Premier Sir Antony EDEN)
    „Dafür haben demokratische Wahlen, wenn man sie gewinnt, den Vorteil, daß die Regierung ihre Wähler beim Wort nehmen kann.“ (Die angebliche Antwort des britischen Premiers Sir Antony EDEN an den sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw MOLOTOW)
    aus der MSZ Nr. 24 vom 3. Juli 1987

  57. Mattis
    21. September 2013, 15:57 | #57

    @franziska:

    „Ich bin froh, dass als Quelle von Konflikten endlich auch mal abweichende Einschätzungen, Hypothesen, allgemeine Präferenzen ins Spiel kommen – und nicht immer bloss die vermeintlichen „Interessen“, noch dazu womöglich die ganz individuellen Sparren und infantilen Sehnsüchte („möchte aber Pilot sein!“)“

    Dann ist auch Landwirt sein zu wollen oder Hebamme oder Lokführer … ein „ganz individueller Sparren“?
    Das verwundert mich jetzt schon, da ich bisher den Eindruck hatte, du würdest gerade den Bedürfnissen auf der Arbeits-Seite mehr Aufmerksamkeit wünschen, statt dass die Bedürfnisse meist nur auf der Konsum-Seite diskutiert werden. Ich kenne etliche Menschen, die auf viel Materielles verzichten, weil sie momentan nur so wenigstens in etwa die Tätigkeit ausüben können, die sie tun möchten.
    Anscheinend gibt es hauptsächlich zwei Extrempositionen:
    – die naive: klar ist alles möglich im Sozialismus, keine Konsumbeschränkungen, und jeder kann auch genau das arbeiten was er möchte, das wird schon irgendwie zusammenpassen …
    – die brutale: was dir angeboten wird, ist immer genau das Richtige für dich, denn es dient ja dem gemeinschaftlich geteilten Zweck – wie könntest du also unzufrieden damit sein; „deine“ Bedürfnisse sind gar nicht die, die du wirklich hast …
    Zu der wahrhaft komplexen Aufgabe, die Bedürfnisse der Individuen abzustimmen mit den Notwendigkeiten, die eben diesen Bedürfnissen entspringen, habe ich noch keine guten Vorschläge gehört.

  58. Mattis
    21. September 2013, 16:24 | #58

    @franziska und andere
    noch zum Thema demokratische Abstimmungsverfahren:

    „Wir hatten das hier schon: Die Prozeduren sollen „Klarheit“ schaffen, als gäbe es nicht grad in einer Gesellschaft, wo alle aufeinander angewiesen sind, tausend Gelegenheiten für unterlegene Minderheiten bis Einzelne, die gegnerischen Projekte durch Sabotage und Verweigerung zu Fall zu bringen.“

    Da unterstellst du jetzt der Mehrheit, mit ihren Voten quasi die Existenz einer Minderheit kaputt zu machen, wieso soll ansonsten Sabotage etc. die Reaktion sein? Ich sehe für den Sozialismus keine systembedingten Interessensgegensätze, die den Menschen die Existenz schwermachen.

    „Die demokratischen Prozeduren werden dafür sorgen, dass sich „das Vernünftige“ durchsetzt?“

    Nein, das geht nur durch Überzeugungsarbeit, jeder setzt sich für seine Position ein. Dazu gehört aber eine transparente öffentliche Diskussions- und Entscheidungskultur.
    Wenn in einer sozialistischen Gesellschaft z.B. ein Streit um die Strenge der ökologischen Maßstäbe entbrennt (immerhin erfordern diese mehr Arbeit), dann müssen alle Seiten das diskutieren, aber um eine Entscheidung kommt man letztlich dann nicht herum, und sei es, dass man verschiedene Varianten zulässt und die Produkte entsprechend kennzeichnet. Wenn einer nur die strengsten Kriterien für richtig hält, diese Ansicht aber keine breite Zustimmung findet, dann gelten diese eben erstmal nicht oder nur teilweise. Dann muss derjenige seine Überzeugungsarbeit fortsetzen.
    Was wäre denn für dich ein alternatives Vorgehen: die Ökologie-Leute setzen sich einfach irgendwie durch und erklären die Standpunkte der anderen für uneinsichtig? Ich denke, das ist nicht deine Vorstellung des Weges, „dass sich „das Vernünftige“ durchsetzt?“ – aber welchen anderen Vorschlag hast du, der sich von meiner Sichtweise wesentlich unterscheidet?

  59. Bakunin
    21. September 2013, 19:35 | #59

    Hallo Fans oder Nicht-Fans des Wählens, warum bekamen heute alle Haushalte kostenlos BILD mit der Aufforderung und versuchten Begründung, unbedingt wählen zu gehen?
    Das gab es bisher in dieser massiven Form noch nie.
    Wovor fürchten sich die etablierten Parteien so sehr?
    Diese Aktion lässt tief blicken, zeigt doch im Grunde den wahren Charakter aller dieser Wahlen.

  60. Bakunin
    21. September 2013, 19:46 | #60

    doro 21. September 2013 um 13:37 Uhr
    „letztlich hindert niemand die Menschen daran, die Linke (die die einzig wirkliche Alternative ist) zu wählen.“
    Wirklich nicht? Noch nie was von diesem immer wieder aus CSU-Kreisen zu hörenden Grollen bezüglich eines Verbotes dieser Partei gehört?
    Soll nicht auch die NPD immer wieder mal verboten werden?
    Und wer oder was hindert seit 1956(!) Leute daran, die wirkliche alte ECHTE (Thälmann)KPD zu wählen?
    Ist dir auch bekannt, dass unsere Bundeskanzlerin sich strafbar machen würde, täte sie auf dem Gebiet der alten BRD eines Tages auf einer öffentlichen Veranstaltung in ihrer alten blauen FDJ-Bluse auftauchen?
    Ganz so einfach ist das alles nicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

  61. doro
    21. September 2013, 22:05 | #61

    Also, wenn ich nochmal zusammen fassen darf, die Wahlen an sich, so wie sie heute sich zeigen, sind nach den meisten Verständnissen hier bloß Schaukämpfe, Pappkamerade und Strohpuppen in Diskurs Form u.ä.
    Das mit dem Eigentum, ist hier erstmal gleich, spielt zum Thema um das so gescholtene „kleinere Übel“, welches aber vieles besser machen könnte in unsrer Gesellschaft, erstmal eine sekundäre Rolle.
    Politik war immer auch ein schmutziges Geschäft. Sie ist in Deutschland heute aus meiner Sicht sowohl auf der historischen Zeitachse als auch im Gegenwartsvergleich mit anderen Ländern vergleichsweise sauber…
    Selbst wenn definitiv wurscht wäre, wer was und ob überhaupt gewählt wird, da die relevanten Entscheidungen eben nicht von diesen „Gewählten“ getroffen werden könnte. Dann würde mein Argument lauten: Die relevanten Entscheidungen KÖNNTEN aber von den Gewählten getroffen werden, das ist der Punkt. Dass die derzeitigen Marionetten es nicht tun ist ja genau die Problematik. Deswegen sind diese Leute ja auch korrupt und antidemokratisch.
    Aber wenn man sich der minimalen Chance beraubt etwas zu ändern hat man von vorn herein schon verloren.
    Und wenn eine Million genauso denken… So Typen wie der Ackermann oder Asmussen,die gehen garantiert wählen,daran denke ich immer.Für mich ansporn genug wählen zu gehen.
    ..denn ihre Interessen werden 1 zu 1 von der Partei CDUSPDFDPGRÜNE vertreten. Wenn jemand nicht wählt, erhöht er das Stimmgewicht der Ackermänner um seine Stimme (wie auf der Seite die ich verlinkte auch steht), vorausgesetzt er hätte nicht die CdUSPDFDPGRÜNE gewählt…Nichtwähler wählen Merkel und Steinbrück.
    Meine Meinung ist eben, wenn alle Nichtwähler statt zu jammern links oder Piraten wählen würden, wenn diejenigen, die das gar nicht wollen, dann wenigstens Sonneborns PARTEI wählen würden, dann ginge der marktradikal-neoliberalen Einheitspartei von Grün bis CSU ganz schön das Zäpfchen.
    Aber da die Leute nicht zur Wahl gehen, ermöglichen sie das Merkel-Spiel. Die Nichtwähler sind schuld daran, dass es in der Politik so aussieht.
    Jedem Deutschen steht es frei, sich mit Beschwerden an das BVerfG zu wenden, ein Widerspruch gegen das Bundeswahlgesetz einlegen, das ist auch nicht zu gering zu bewerten. So etwas habe ich auch vor einzureichen.
    Nun gut, viele setzen sich hier nun also schon überbegrifflich zur möglichen Fähigkeit im Rahmen aller Wahlmöglichkeit ein. Arbeiten, so zusagen, schon viel „realitätsnaher“ an dem Besseren einer Gemeinschaft, ok gut; dennoch bleibt da für mich das Häufchen des kleineren „Übels“ mit dem man was konkret besser machen könnte…es bleibt für mich eine Begründung doch morgen zu wählen…
    Außerdem, wenn die Überschrift „Wählen ist verkehrt! Nicht wählen aber auch!“ ja aussagt, dass es egal im Resultat zur Wahl ist, dann
    bleibt aber noch ein Vorteil beim „wählen gehen“ (will ich meinen) im Verhältnis, wenn wir uns Bürger vorstellen, ein Mal mit hoffnungsvollem Charakter zum Besseren und im anderen Mal Nichtwähler die alle Hoffnung verloren haben und sonst auch nicht sich um Politik interessieren, also auch fern von Gesinnung der Art wie hier im Blog sind.
    …und mit Hoffnung und Utopie (wohl ein kommunisitisches Grundelement auch) lebt es sich besser, besser im weitesten Sinn, was sich auch im Alltag an den Menschen dan zeigen würde.

  62. doro
    21. September 2013, 22:25 | #62

    „Wirklich nicht? Noch nie was von diesem immer wieder aus CSU-Kreisen zu hörenden Grollen bezüglich eines Verbotes dieser Partei gehört?“
    Ja klar..ist mir ja bekannt. Aber da stehen doch die, die mit sozialeren Geist, die es durchschaut haben drüber.

  63. Krim
    22. September 2013, 10:24 | #63

    „Du unterschätzt aber den Stellenwert, wenn du schreibst, „dass die Wahl natürlich zur Agitation von Staatsbürgern genutzt wird.““ „Stellenwert“ erklärt halt nichts. Was weiß man denn, wenn man weiß, dass Wahlagitation an erster, dritter oder fünfter Stelle steht. Das Argument war: Nationalist oder Staatsbürger zu sein, die Zustimmung zu den Verhältnissen ist die Voraussetzung einer demokratischen Wahl. Als inhaltliche Bestimmung ist dieses Verhältnis viel aussagekräftiger als einen Stellenwert anzugeben.
    „Wie erklärst du dir die gerade vor Wahlen regelmäßig enorm zunehmende Propaganda fürs Wählen überhaupt?“ Wenn das Zustimmen zu Staat und Kapitalismus die Voraussetzung der Wahl ist, dann ist klar, dass Agitation für die Wahl unterstellt, dass der Wähler sich in ein positives Verhältnis zum Gemeinwesen gesetzt hat. Wer die Demokratie ablehnt, der sorgt sich auch nicht um die Herrschaftsalternativen. Wer also zum Wählen gebracht werden kann, der hat auch schon ein positives Verhältnis zur Demokratie entwickelt. Darauf kommt es Demokraten schon an. Gerade in der Wahl sollen ja möglichst viele Willen hinter die eigene Position geschart werden. Über je mehr Willen eine Partei verfügt, desto mehr Macht hat sie. Möglichst das ganze Volk soll sich bei der Wahl ins Verhältnis zur Herrschaft setzen und und sich konstruktiv drum Sorgen, was das Beste für’s Land ist. Egal was einer wählt, ein positives Bekenntnis zur Demokratie hat er auf jeden Fall dadurch schon abgeliefert, dass er überhaupt wählen geht. Darauf legen Demokraten natürlich wert. Bei einer Veranstaltung, in der das Bekenntnis zur Demokratie in einen möglichst breit getragenen Herrschaftwillen münden soll, hat die Wahlagitation natürlich Hochkonjunktur.
    Dass Decker diesen Aspekt der Wahl so stark betont, hat möglicherweise auch mit den Staatsvorstellungen des GSP zu tun – nachdem die Bürger den Staat immer bloß akzeptieren, zustimmen, sich beugen, fügen usw. Die Gewalt spielt immer die aktive Rolle, die Bürger passive. Sie segnen bloß ab, was die Gewalt anschafft. Die Bürger sagen zwar ja, aber nur weil ihnen der Staat eine Entscheidung quasi abnötigt. So sieht dann auch die Auffassung der Wahl aus: Das Stimmvieh tritt an zum einem Bekenntnis, das ihnen die Herrschaft abverlangt.

  64. Bakunin
    22. September 2013, 11:09 | #64

    Hallo doro, höre dir doch mal einfach den Beitrag von Peter Decker an.
    Dann kannst du dir ja immer noch überlegen, abwägen, ob man wählen soll oder nicht.
    Und nochmals: Wer sich in diesem System gut aufgehoben fühlt, kann und soll halt die üblichen etablierten Parteien (CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne) wählen.
    Die Linke ist für mich einfach deshalb nicht mehr wählbar (früher habe ich sie auch einige Male gewählt!), weil sie sich diesem System und seinen Parteien zunehmend anpasst, einfach nur noch mitmachen will, viele ihrer führenden Leute einfach nur noch nach fetten Staatsposten und dicker Altersversorgung auf Staatskosten streben.
    Und die sollen wirklich eine Alternative sein?
    Und AfDler oder „Piraten? Auch sie wollen dieses System beibehalten, mit einigen winzigen kosmetischen Korrekturen.
    Es sieht also auch bei allen diesen „Alternativen“ sehr düster, hoffnungslos aus!

  65. franziska
    22. September 2013, 12:46 | #65

    @Mattis
    Der kleine Zusatz „diese Leute denken in ALLEN Lebensfragen interessiert“, also nicht nur bezüglich der Art ihrer Vergesellschaftung, ist der entscheidende. Es ist der Grund, warum sie eine Eigensphäre (und deren Schutz durch den Staat) wollen, wo endlich nur noch IHRE Präferenzen und Einschätzungen gelten, die sie so mit kaum jemand anderm teilen. Ihre „Interessen“ sind keineswegs (darauf wollt ich mit meinem Eingangssatz oben hinaus) immer nur selbst-bezogene Wünsche, meist befürworten sie durchaus Prinzipien, Prozeduren, Entscheidungen, die andre, ja mehr oder weniger die ganze Geselslchaft betreffen, und haben „Meinungen“ dazu – bloss bilden sie mit Gleichgesinnten dabei bestenfalls kleinere oder grössere Minderheiten. Und es werden um so weniger, je mehr das ganze in die Privatsphäre und ihnen nahe rückt: Je mehr sie tangiert sind, desto weniger andre stimmen ihnen zu. Im wesentlichen bringt dieses Alleinsein mit dem, was man richtig findet, die Kategorie der Privatheit und der ganz persönlichen Interessen hervor.
    Du unterschlägst also den entscheidenden Teil meines Arguments, Mattis: Diese Leute wollen, eben wegen der Art, wie sie zu Entscheidungen kommen, keinen Kommunismus. Ihre Art zu entscheiden und mit (Un)Wissen umzugehen ist die normale hierzuland, sie sind die überwältigende Mehrheit. Mit ihnen wird es keinen Kommunismus geben. Umgekehrt werden bloss solche Leute den Übergang dorthin machen, die wissen, dass und warum sie einigungsfähig sind. Sie, und nur sie, könnten in ferner Zukunft das Zeug haben, die andern (die ihnen je Nächststehenden zuerst) zwanglos zu sich herüberzuziehen.
    Die Fragestellung hingegen, wo man (wer, warum?) „erstmal“ abschafft/einrichtet, und DANN sich das Problem der Einigung stellt, ist sinnlos. Sehr zurecht bemängelst du den Aufwand für Mediation und Konfliktbereinigung in Modell-Kommunen wie Niederkaufungen. Dazu sage ich: Die dort zugrundegelegten Erklärungen für Konflikte sind viel zu primitiv. Entweder, die Konfliktquellen verschwinden, oder aber diese Art Gruppe oder Gesellschaft. Das gilt auch für jedes andere Konflikt-Verwaltungsverfahren. (Da schliess ich mich Neoprene an.) Woher rühren die Konflikte? Woher zB Berufs-Wünsche*)? Wer darauf keine Antwort hat (und noch auf vieles andre, das heute nicht mal im Ansatz unter Linken analysiert und begriffen ist; die Debatten über den Staat zeigen es), weiss nicht, wie Kommunismus gehen kann.
    Es fehlt am nötigsten.
    *) Ich befürworte in der Tat, dass das Produzieren als zentraler Bedürfnis-Inhalt gesehen wird. Genau darum misstraue ich BERUFS-Wünschen. Wieviel muss da jemand bei sich missachten, um schon von vorneherein sich derart zu beschränken? Der Umgang mit (Forschungs-/Wissens-)Interessen und (praktischem) Erfahrenwollen wäre allerdings unter solchen, mit denen ich mich kommun(al)istisch zusammentun würde, ein ganz zentraler Gesichtspunkt. So wichtig wie die gemeinsame Reproduktion…

  66. Mattis
    22. September 2013, 15:37 | #66

    @franziska:

    Sehr zurecht bemängelst du den Aufwand für Mediation und Konfliktbereinigung in Modell-Kommunen wie Niederkaufungen.
    Dazu sage ich: Die dort zugrundegelegten Erklärungen für Konflikte sind viel zu primitiv. Entweder, die Konfliktquellen verschwinden, oder aber diese Art Gruppe oder Gesellschaft.

    Das sind große Worte; da muss ich sogar Einspruch erheben: das Ideal der Beseitigung aller Konfliktquellen ist verständlich, ich halte das aber letztlich für totalitär, weil dann schließlich menschliche Bedürfnisse am Pranger stehen und sich rechtfertigen müssen. Nein, es führt m.E. kein Weg daran vorbei, einen akzeptablen Umgang mit Konflikten zu finden; das ist der schwierige, realistische Weg.
    *
    Ich fühle mich in Sachen Mediation in Niederkaufungen von dir falsch wiedergegeben (das mit dem hohen Aufwand für Mediation war immer dein Argument!).
    Ich bemängele bei solchen Projekten vor allen Dingen eine Konsens-Fassade, wo man sich scheut, über alles offen abzustimmen, weil sonst die „Unterlegenen“ ein Pychoproblem bekommen könnten und das ganze Kommune-Projekt ein Ideal mehr infrage stellen müsste.
    Folge ist: eine eher stillschweigende, oft vorauseilende Unterordnung, weil man ja nicht unsolidarisch sein will, und damit das Ideal des scheinbaren Konsens aufrechterhalten bleiben kann. Diese Unehrlichkeit und Intransparenz kritisiere ich, denn das ist eine Garantie zur Verfestigung von Sackgassen. Das gilt für Kommunen bis hin zu „kommunistischen“ Parteien.
    In Kooperativen hat man ähnliche Phänomene beobachtet: wer abweichender Meinung ist, bemerkt das rechtzeitig, bevor es zu einer offenen Auseinandersetzung kommt, und aus lauter völlig falsch verstandener Solidarität bleibt man still; auch um den Betrieb nicht „unnötig“ aufzuhalten; man glaubt ja, die Mehrheitsmeinung bereits zu kennen; das produktive Engagement abweichend denkender Leute sinkt, man wundert sich dann über nachlassenden „revolutionären“ Elan. Hätte sich die Minderheits-Meinung klar und offen positionieren können, hätte sie inzwischen vielleicht sogar die Mehrheit überzeugt.

  67. Teh Asphyx
    22. September 2013, 16:43 | #67

    http://www.wahlrecht.de/lexikon/ungueltig.html

    Interessant ist hier folgender Satz:
    Häufig wird die Wahlbeteiligung als Gradmesser für die Zufriedenheit der Bürger mit dem politischen System angesehen. Die Wahlbeteiligung setzt sich aber aus den gültigen und ungültigen Stimmen zusammen. Wer nicht zu einer höheren Wahlbeteiligung beitragen will, sollte also zu Hause bleiben.
    Wenn ich mit dem kompletten politischen System alles andere als zufrieden bin, sollte ich eben gerade dann eher nicht wählen als bloß ungültig.

  68. Krim
    22. September 2013, 16:57 | #68

    Man kann die Auffassung des GSP zur Wahl an dieser Passage gut herausarbeiten. Nicht der Bürger will einen Staat und bestellt sich eine Führung, die er aus in Parteien organisierten alternativen Herrschaftswillen auswählt. Andersrum die Obrigkeit trickst die armen Wähler aus, damit die Gewehr bei Fuss stehen. Eigentlich wollen die Bürger gar nicht wählen und halten auch nichts von Demokratie, Kapital, Eigentum und Staat, aber leider trickst der Staat sie aus. Er erschwindelt sich eine Zustimmung zum System, die er nicht offen zur Wahl stellt, die dem Wähler in der Wahl aber trotzdem abverlangt ist.
    „Die Wahl is, mer könnt sagen a Trick – der Obrigkeit. Is a Trick. Sie stellt was zur Disposition und holt sich darüber ab, a Zustimmung ab, zu dem was sowieso nicht zur Disposition steht. Und sie auch nicht zur Disposition stellt. Die Wahlrechtsordnung bietet an. Die Bürger dürfen periodisch entscheiden, wer sie regieren soll – mehrheitlich. Und in dem Votum, was dann einläuft: der eine sacht d e r soll mich regiern, der andere sacht d e r soll mich regiern, der dritte sacht d e r soll mich regiern und am Schluß wird zammengezählt und mer sieht halt wer die meisten Stimmen gekriecht hat. Holt sich des Gemeinwesen, holt sich der Staat ab: Sie wollen alle regiert wern. Das war aber gar net zur Wahl gstanden. Es war nie zur Wahl gstanden: Wollt ihr regiert werden? Der Staat holt sich a Zustimmung zum Regiertwerden ab, ohne dass er das Regiertwerden selber zur Wahl stellt. Eigentlich ist des a Ding. Die Leut können gar nicht falsch machen beim Wählen. Was immer sie tun, ein Mandat der Regierten an die Staatsmacht, sie soll weitermachen, kommt immer raus, völlig wurscht was die nötig finden oder nicht nötig finden. Man stellt die Personen zur Disposition, die das Amt ausüben dürfen und nimmt damit die Selbstverständlichkeit des Amtes aus jeder Kritik. Denn ob Staat sein soll, ob’s Herrschaft geben soll, sogar ob Marktwirtschaft und Eigentumsordnung herrschen soll – das steht nicht zur Wahl.
    „Und damit löst sich a letztes Rätsel. Zu jedem Wahlkampf gehört an methodischer Wahlkampf dazu. Die Parteien sagen, wählt mich, andere sagen wählt mich. Und alle sang sie warum. Und dann kommt die Presse oder der Bundespräsident und sagt: Egal wen ihr wählt, geht überhaupt wählen. Jetzt könnt mer doch sang: Kommt doch gar net drauf an. A Kanzler kommt doch immer raus. Auch wenn bloß a Viertel wählt. Irgeneiner kriegt die Mehrzahl der Stimmen und dann is halt der der Chef. Warum isn so wichtig, dass alle wählen gehn. Da merkt mer: Das Wählen gehn is a Interesse des Staats. Nicht die Bürger bestehn drauf, dass sie wählen dürfen, sondern der Staat besteht drauf, dass sie wählen gehn.“ Auch hier wird die GSP-Ideologie wieder deutlich. Der Bürger will angeblich gar nicht wählen. Eine halbe Stunde vorher beim Punkt „frei, gleich, geheim“ hat Decker zwar zugestanden, dass die Beteiligung am Staat und an der Wahl erkämpft wurde. Hat er aber inzwischen wieder vergessen. Jetzt erscheint die Wahl wieder als obrigkeitliche Verordnung. Immer wird der Bürgerwille verharmlost und runtergeredet, während der Staat derjenige ist den Leuten Zustimmung zum Regiertwerden abverlangt.
    „Warum? Der Bundespräsident sagt’s. Er sagt: Er wünscht sich eine hohe Wahlbeteiligung, denn er meint in Deutschland bräuchte die Regierung, also bräuchten die Volksvertreter den größmöglichen Rückhalt. Da merkt mer schon. Eigentlich sacht der’s richtig hin. Der Nutzen der Wahl ist die über alle Phasen des Regiertwerdens und damit über alle Phasen der Unzufriedenheit hinweg erneuerte Bereitschaft der Bürger sich regieren zu lassen. „ Nein, das ist nicht der Nutzen der Wahl, sondern ihre Voraussetzung. Als würde die Wahlauszählung das Regiertwerden wollen erst herstellen.
    „Und diese Erklärung will man einholen. Es kommt drauf an, dass diese Bereitschaft deklariert wird. Dann kommen die Gewählten und sang: So jetzt sind wir gewählt, jetzt regieren wir. Dann ist umgekehrt die Wahl das Argument, nicht für ein Pflicht der Politiker, sondern das Argument für die Freiheit der Politik. Der gewählte Politiker ist nicht mehr seinen Wählern verpflichtet, sondern er hat das Recht Macht auszuüben und ist nurmehr seinem Gewissen verpflichtet. Also die Wahl stellt die Freiheit der Politik immer wieder her und die Verpflichtung der Bürger aufs Gehorchen auch. Damit ist die Frage: Wählen nützt nichts oder wenn wählen etwas nützen würde, wäre es verboten. Dieser Satz, da merkt mer, der Satz geht immer noch aus von der Vorstellung, Wahlen müsste nützen in dem Sinn, dass der Bürger sich den Staat zurechtmodelt, damit der seinen Interessen besser dient. Tatsächlich ist es umgekehrt. Wahlen nützen dem Staat, dadurch dass er sich das Volk zurechtmacht, nämlich den Volkswillen zum Regiertwerden immer wieder erneuert.“
    Als wäre das nötig. Als würden die Leute in Jahr 5 der Kanzlerschaft draufkommen: Jetzt lassen wir die Demokratie doch lieber und machen was anderes. Wenn man natürlich zurechtmodeln als Wunschzettel mißverstehen will, dann ist das Quatsch. Zurechtmodeln tun sie sich schon was, sie entscheiden mehrheitlich über alternative Herrschaftswillen. Dass bei dieser Veranstaltung das Regiertwerdenwollen und die Verpflichtung auf die Nation immer schon unterstellt ist, stimmt. So würde der GSP das wiederum gar nicht sagen wollen. Für den GSP wird das Regiertwerdenwollen vom Staat in der Wahl prodziert. Es ist immer dasselbe. Wenn der GSP Herrschaftsfragen bespricht ist das nicht ein Verhältnis von Oben und Unten, in das beide Seiten bestimmend eingehen, sondern das Oben produziert immer das Unten. Der Staat macht sich das Volk zurecht, sogar in der Wahl, wo das Volk die Herrschaft bestimmt.

  69. Mattis
    22. September 2013, 17:43 | #69

    „Denn ob Staat sein soll, ob’s Herrschaft geben soll, sogar ob Marktwirtschaft und Eigentumsordnung herrschen soll – das steht nicht zur Wahl.“

    Die ewige Tour: dass man nicht gefragt würde; absolut falsche Stoßrichtung der Kritik.
    Wer gar nicht der Meinung ist, dass hierzulande irgendwie Herrschaft existiert, wird von solchen Argumenten ja auch echt beeindruckt sein.
    Gut, dass im Kommunismus jedem Tag neu abgefragt wird, ob die Leute das überhaupt wollen. Bei Kindern ab Kita-Alter.

  70. franziska
    22. September 2013, 18:20 | #70

    @Mattis
    Also NOCH eine Konfliktverlaufsform mehr. Und, ok, dann wars eben mein Argument, denn das hab ich so von Leuten, die in Niederkaufungen leben und gelebt haben, gehört. Aber ich hab es doch generell genug ausgedrückt: Die Konflikt-Bewältigungsweisen sind unterschiedliche. Die Quellen der Konflikte aber wären das interessante. Ist da eine anthropologische Konstante, wird es das immer geben, nur mit totalitärer Gewalt zu unterdrücken? Schau, da beginnt, was ich den Analyse-Mangel nenne, und der hier gewiss nicht mit zwei, drei Sätzen erledigt wird – oder mit dem einem Wort von dir: „realistisch“.
    Was ich allenfalls vorschlagen kann, ist, sich Gedanken zu machen über den Grund des Willens zum Eigentum.
    Ich äussere mich nicht zu Krims Ausführungen (hier oder bei Nestor) über den Grund des Staats, weil er fürs erste aus meiner Sicht alles Nötige auf den Punkt bringt. Bei der Krimschen Erklärung des Eigentum- und Eigentümer-Sein-Wollens aus der Voraussetzung des Eigentums als Reichtumsform (ich hoffe, ich habe das recht verstanden) stocke ich aber. Denn die Erklärung spaltet sich, nicht unähnlich der verurteilten GSP-Theorie vom sich fügenden Bürger, in zwei Teile:
    Eine mächtige, aber dann doch nicht GANZ übermächtige Institution wirkt, was das Zeug hält, über alle psychologisch denkbaren Kanäle (Gewohnheitsbildung, Drohung, Verführung) auf die Subjekte ein, sich ihr anzubequemen, sie als unausweichlich, alternativlos, allgemeine Lebensbedingung aber auch Mittel und Chance zu sehen. Die so Bedrängten hätten dann eine Chance, sich ihres Verstandes zu bedienen, jederzeit, und der Verführung zum „interessierten Denken“ zu widerstehen. Ob und wann sie von dieser jederzeit betätigbaren Möglichkeit Gebrauch machen, ist dem unerforschlichen Ratschluss ihres freien Willens, oder irgendeiner anderen, nicht minder mysteriösen psychischen Instanz zuzuschreiben.
    Auch der „Realismus“ von Mattis baut auf solch ein Unvorgreifliches, eine psychologische Konstante.
    Das ist das Feld, auf dem ich den Mangel an Begriffen feststelle. Vor dem Einzelnen macht das nichtinteressierte Denken offenbar derzeit halt.
    Es gab einmal einen Ansatz, der eine Art Skizze für ein Fundament lieferte, auf dem die Thesen der Psychologie-Broschüre der MG hätten aufbauen können: den Begriff „Dummheit“, und die Explikation der Grundeinstellung bürgerlicher Individuen als: Die Welt ist mein Mittel. Es macht schon einen Unterschied, ob man dies als fundamentale Einstellung der Normalbürger „in allen Lebensfragen“ (meine Formulierung oben) anerkennt, oder wieder einmal als ganz spezielles Produkt staatlicher Zwangsausübung. Meine eigenen Überlegungen zum Thema*) haben von diesem Ansatz (mehr war es leider nicht) damals ihren Ausgang genommen.
    *) http://www.selbstbestimmung-als-aufgabe.de/pages/normalitaet-oder-die-begruendung-durchs-hinreichend-bewaehrte.php

  71. 22. September 2013, 18:56 | #71

    Auch noch mal zu dem Zitat von Mattis

    „Denn ob Staat sein soll, ob’s Herrschaft geben soll, sogar ob Marktwirtschaft und Eigentumsordnung herrschen soll – das steht nicht zur Wahl.“

    Von GSPlern kommt da nie der Zusatz, daß das bei demokratischen Wahlen ja auch sachgerecht ist, denn seine Bürger wollen ja gerade all das, was den Wahlen in der Tat vorausgesetzt ist. Peter Decker hat meinen Hinweis bei der Berliner Veranstaltung, daß Wahlen eh nur „funktionieren“, wenn dieses Vorausgesetzte zumindest in der großen Masse der Bevölkerung gewollt und geteilt wird, leichthin abgetan. Das halte ich für einen Fehler. Wenn GSPler mit dem Standard-Nörgler-Spruch kommen, „Die da oben machen doch eh was sie wollen“, dann kommt da nie der Zusatz, daß das in der Tat massenhaft verbreitete Desinteresse an den Wahlen ja andersrum auch Ausdruck der Einschätzung auch dieser Wähler (oder Nichtwähler, ist hier wieder wurscht) ist, daß die da oben, ja auch machen, was sie *sollen*. Wenn man die Staatsräson teilt, für sich als Minieigentümer auch, dann muß man sich doch wirklich nicht so fürchterlich intensiv reinhängen, welcher der Figuren, die „es“ machen wollen, es dann tatsächlich wegen der demokratischen Wahllegitimation auch dürfen.

  72. Mattis
    22. September 2013, 20:15 | #72

    „Wenn man die Staatsräson teilt, für sich als Minieigentümer auch, dann muß man sich doch wirklich nicht so fürchterlich intensiv reinhängen, welcher der Figuren, die „es“ machen wollen, es dann tatsächlich wegen der demokratischen Wahllegitimation auch dürfen.“ (Neoprene)

    Ja, es fällt auch bei der großen Masse der Wählenden auf, dass die eben nicht mal signifikant wechseln zwischen den Alternativen; also noch nicht mal ein Motiv wie „ich hatte mir das anders vorgestellt, bin enttäuscht und setze jetzt mal auf eine andere Partei“ taucht flächendeckend auf.
    Siehe heutiges Wahlergebnis, und das nach all dem Theater um die „Finanzkrise“ und angesichts von angeblich 99%, die was ganz anderes wollen täten, wenn man sie ließe …

  73. Mattis
    22. September 2013, 20:48 | #73

    „Die so Bedrängten hätten dann eine Chance, sich ihres Verstandes zu bedienen, jederzeit, und der Verführung zum „interessierten Denken“ zu widerstehen. Ob und wann sie von dieser jederzeit betätigbaren Möglichkeit Gebrauch machen, ist dem unerforschlichen Ratschluss ihres freien Willens, oder irgendeiner anderen, nicht minder mysteriösen psychischen Instanz zuzuschreiben.“ (franziska)

    Die MG-Rede von „Dummheit“ und „die Welt ist mein Mittel“ liegt schon nicht falsch, wobei letzteres der eigentliche Standpunkt ist und „Dummheit“ unser Urteil darüber.
    Das ist der unmittelbare Standpunkt der Lebewesen, und nicht, kritische Analysen vorzunehmen. Dass diese den Menschen möglich sind, heißt nicht, dass diese tatsächlich diese Möglichkeit nutzen, kritisches Denken also zu ihrem täglichen Repertoire gehören würde.
    Evolutionsgeschichtlich hat sich das Denken ja ganz und gar als Mittel zur Verbesserung des Zurechtkommens entwickelt, zur Optimierung, zur Durchsetzung der eigenen Horde, Gattung etc. (oft unter Opferung des Einzelwesens), und nicht als Ehrgeiz, die Dinge richtig zu beurteilen, also auch existentiell Gegebenes infragezustellen.
    Was ist nicht alles an Gräueln passiert, seit z.B. vor genau 100 Jahren Rosa Luxemburg versucht hat, deutsche Soldaten zu agitieren, sie seien doch zumeist Arbeiter und sollten doch nicht auf ihre französischen Klassenbrüder schießen. Das war vor dem Ersten Weltkrieg. Nicht mal das war als Einsicht und Standpunkt unter die Leute zu bringen.
    Die MG hat früher immer wieder behauptet, wie sehr diese „Dummheit“ eine „Leistung“ sei; weil Verdrehungen und falsche Unterstellungen enthalten seien etc. ; aber Unlogik tut erfahrungsgemäß der menschlichen Psyche nicht weh, ist nicht anstrengend, wenn es ihr anders besser ins Konzept passt, kann ihr sogar regelrechte Höhenflüge verschaffen (Eifersuchtsgeschrei, Kriegsgejubel) und was die eigentliche Leistung wäre, sich darüber mal kritisch zu erheben, die wird halt nicht erbracht.

  74. franziska
    23. September 2013, 12:43 | #74

    @Mattis
    Angesichts deines Statements frag ich mich dann schon, wieso du dich mit Konfliktbewältigung in kommunistischen Gesellschaften beschäftigst statt mit der Frage, wie je eine solche Gesellschaft zustandekommen soll?
    An deinem Text ist gut zu sehen, was die Kategorie des freien Willens leistet: Die Freiheit besteht in der MÖGLICHKEIT, etwas zu tun, die immer besteht. Wo aber kein Trieb oder Drang, etwa in Gestalt von „Ehrgeiz“ (evolutionär, aus dem Vorteil für die „Horde“, entwickelt, oder gar gleich als Grundzug aller Lebewesen; kurzer Ausflug in die Soziobiologie)), diesem Willen Beine macht, Möglichkeiten, die sich ihm bieten, auch wirklich zu ergreifen – da verfällt er in Trägheit: „die eigentliche Leistung… wird halt nicht erbracht“.
    Wie erklären wir da, dass es überhaupt Kommunisten gibt?
    Sind es Mutanten?
    Politische Inselbegabungen?
    Produkte eines unergründlichen Prozesses, wie beim nuklearen Zerfall, wo man nie sagen kann, welche Teilchen zerfallen, nur dass es immer gleiche Bruchteile pro Zeit sein werden (in allen Proben gleich, die wir herausgreifen)?
    Der freie Wille ist halt schon ein Mysterium:
    „Mir glangt dass i waas dass i kannt
    aber i dues ned weil i mues ned
    weil mir glangt dass i waas dass i kannt.“
    (Martina Schwarzmann)

  75. Mattis
    23. September 2013, 19:45 | #75

    @franziska:
    Ich hatte geschrieben:

    „die eigentliche Leistung… wird halt nicht erbracht“.

    Das ist eine Feststellung. Ein Verfechter des „freien Willens“ bin ich nicht, ich wüßte nicht, was das sein soll. Ein von all seinen Motiven befreiter Wille wär kein Wille mehr, viel mehr kann ich dazu nicht sagen.
    Gesellschaftskritiker als „Mutanten“ – witzig, naja, ist etwas exotisch ausgedrückt, sagen wir einfach, die sind meistens eher eine Randerscheinung. Bei ihrer breiten Streuung diverser Mentalitäten hat die Natur die Neigung zum kritischen Hinterfragen eben sehr unterdurchschnittlich berücksichtigt … was weiß ich. Auch Kinder von MG-lern haben bisweilen geäußert, dass es ihnen zu anstrengend sei, alles zu kritisieren.
    Tatsächlich scheint es förderliche und hemmende Bedingungen zu geben, aber ich will darüber nicht spekulieren.
    Das alles spricht aber nicht dagegen, vorhandene Möglichkeiten der Überzeugungsarbeit zu nutzen, das soll also keinen Defätismus verbreiten oder irgendwelche Prognosen suggerieren.
    Umso mehr sollte man im übrigen gut vorbereitet sein, wenn, wann und wodurch auch immer, die momentan fehlende Kritik-Bereitschaft mal sprunghaft ansteigen sollte. Da, wo die Möglichkeiten sich bisher mal historisch geboten hatten, standen leider immer nur ziemlich verkorkste Konzepte im Raum. Grund genug, sich eben auch mit der Alternative genau zu beschäftigen. Diesbezüglich sieht es immer noch sehr dürftig und sehr kontrovers aus.

  76. Teh Asphyx
    24. September 2013, 10:14 | #76

    Ich habe nach einiger Überlegung definitiv beschlossen, aus dem Gespräch über Zukunftsvisionen auszusteigen, weil ich es für kontraproduktiv halte, darüber zu reden.
    Zum Abschluss nur noch folgender Verweis: http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/1/lb-plan.htm
    Wer darüber schwadroniert, was ja alles gebraucht würde (solidarische Kultur etc.) hat jedenfalls die Kritik nicht wirklich nachvollzogen und ich bin aufgrund einiger Erfahrung paranoid genug, um mich nicht mit jedem da sofort in einer ausufernde Diskussion einzulassen, ohne erstmal sicher zu gehen, dass mein Gegenüber die Kritik überhaupt nachvollziehen will.
    Dass Leute einen auf eine Alternative festnageln wollen, um ihnen diese dann nach Herzenslust zu zerreißen und daran die Fehlerhaftigkeit der Kritik zu „beweisen“, das gibt es leider wirklich oft.

  77. Mattis
    24. September 2013, 11:30 | #77

    @ Teh Asphyx:

    „Ich habe nach einiger Überlegung definitiv beschlossen, aus dem Gespräch über Zukunftsvisionen auszusteigen, weil ich es für kontraproduktiv halte, darüber zu reden. … “

    Da bist du nicht der erste, der mit Hinweis auf die GSP-Stellung dazu die Debatte meidet. Schon dass du das Thema als „Zukunftsvisionen“ bezeichnest zeigt, dass du nicht verstanden hast, worum es geht.

    „Dass Leute einen auf eine Alternative festnageln wollen, um ihnen diese dann nach Herzenslust zu zerreißen und daran die Fehlerhaftigkeit der Kritik zu „beweisen“, das gibt es leider wirklich oft.“

    Das scheint eher dein Problem zu sein: sich auf ein schwieriges Terrain zu begeben und sich dort auch noch der Kritik auszusetzen. Aber damit bist du nicht allein: deshalb weiß auch heute noch kein Mensch, wie Sozialismus gehen soll. Wobei es ja zuallererst um eine „interne“ Debatte der Sozialismus-Theorie gehen würde und nicht darum, dass man sich von jedem Angesprochenen zu Darstellung und Rechtfertiung der Alternative nötigen lässt!
    Aber schön, wenn man so ein Argument vorschieben kann, auch schön, wenn man vorschieben kann, man hätte ja noch nicht die konkreten Daten der Zukunft und könne daher keinen Plan aufstellen … als ob es bei dieser Debatte um den ersten 5-Jahresplan oder so ginge.
    Der GegenStandpunkt schreibt an der von dir angegebenen Stelle u.a.:

    „Kaum hören sie „Plan“, verstehen sie „Zwang“ und entdecken Gewalt …

    So, und damit uns kein Bürger sofort mit seinen üblichen Vorurteilen konfrontieren kann, lassen wir das Thema am besten sein, oder? Das ist ja eine geniale Strategie.
    Interessant, dass der GSP beim Thema Staat und Demokratie NIE dermaßen argumentiert: auch da kommt der Bürger doch innerhalb von 10 Sekunden auf „ohne Staat gehts nicht“ und „Diktatur“.
    Also: alles vorgeschoben, diese ganzen merkwürdigen Einwände. Es wäre weniger peinlich, der GSP hätte sich diese unsägliche Polemik verkniffen. Haben die keine anderen Sorgen?
    Die endgültige Keule steckt im letzten Absatz, denn ein Interesse am Thema Alternative kann natürlich nur definitiv anti-kommunistisch sein:

    Wer nach der Attraktivität des kommunistischen „Angebots“ fragt, der verwechselt Kapitalismuskritik mit der Wahlwerbung einer alternativen Elite, die verspricht, es dem werten Bürger besser zu richten als diejenigen, die die Macht innehaben. Der missversteht sich selbst als den umworbenen Wähler, der im Warenhaus der polit-ökonomischen Systeme entscheiden darf, welches er lieber in Auftrag geben will – bei anderen, die dann für die Lieferung zuständig sind. Der denkt als Untertan, über den herrschende Instanzen entscheiden, und hat beschlossen, genau das zu bleiben: demokratischer Untertan, dem nur die Wahl zwischen zwei Sorten Herrschaft bleibt – die aber schon.

    Wer so unangemessen zurückschlägt, hat wohl ein großes Problem mit dem Thema selbst.
    Dass jemand das Thema Alternative vielleicht gerade deshalb wälzt, weil er selbst über seine Lage entscheiden will, und das Wie leider nicht einfach vom Theorie-Himmel fällt, kann natürlich nicht sein. Soviel zum Thema, dass die Leute ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen sollen … aber immer nur in der genehmigten Reihenfolge, gell?

  78. Teh Asphyx
    24. September 2013, 11:44 | #78

    Mein Problem hat nichts mit schwierigem Terrain zu tun, sondern damit, dass ich einfach nicht die Zeit habe, mich mit jedem Wichtigtuer ganz persönlich auseinanderzusetzen, wenn es eh um nichts geht.
    Das mit der internen Diskussion ist auch quatsch. Erstens kenne ich Dich nicht und sehe nicht, warum ich mich mit Dir in irgendeiner Form „intern“ sehen soll. Zweitens: was soll denn das überhaupt für ein Kreis sein, in dem intern diskutiert wird? Wenn das nur auf die Sozialismus-Theorie bezogen ist, dann habe ich keine und bin somit wohl gar nicht dem gleichen Kreis angehörig. Und da ich auch begründet ablehne, eine solche zu haben, wird das eben nie dazu kommen. Damit kann ich sehr wohl die Diskussion beenden, ohne dass Du mir dafür jetzt ein psychologisches Problem andichten müsstest.

  79. 24. September 2013, 12:10 | #79

    Das nenne ich eine feine wohlabgewogene unpsychologische Stellungnahme:

    „dass ich einfach nicht die Zeit habe, mich mit jedem Wichtigtuer ganz persönlich auseinanderzusetzen, wenn es eh um nichts geht.“

    Wie schön, das wenigstens Teh kein „Wichtigtuer“ ist, der sich „persönlich“ nur um die ganz wichtigen Sachen kümmert, wenn schon nicht „hier“, dann wenigstens in der wohl nicht allzuweiten Welt seines Umkreises.

  80. Teh Asphyx
    24. September 2013, 12:26 | #80

    Jedenfalls bin ich nicht persönlich beleidigt, wenn jemand keine Lust hat, mit mir über etwas zu diskutieren, was ich zwar für wichtig halte, er aber nicht. Und ich muss dann auch keine Unterstellungen abgeben, warum er das nicht tut. Entweder gehe ich dann auf die Gründe ein oder ich lasse es halt.
    Man muss sich oder etwas aber schon ganz schön wichtig nehmen, wenn man deswegen gleich schon bestens über die Probleme eines Fremden bescheid weiß, der sich nicht auf den Kram einlässt, den man so wichtig findet. So funktioniert halt eine Psychologisierung.
    Und Du bist gerade dabei eine ebenso unqualifizierte Unterstellung abzugeben, wenn Du Dich darüber auslässt, was ich wohl so in meinem Umkreis mache.

  81. 24. September 2013, 12:39 | #81

    Ach Teh, wenn du hier oder irgendwo nichts sagen oder schreiben willst, dann laß es halt. Dazu bist du ja nun wirklich nicht zu verpflichten. Mach nur kein Geschiß darum und laß die blöden, weil inhaltslosen Begründungen wie „Keine Zeit, keine Zeit!“, „Hab was Wichtigeres zu tun!“

  82. Teh Asphyx
    24. September 2013, 12:48 | #82

    Darum geht es doch gar nicht. Ich habe doch nicht gesagt, dass ich generell keine Zeit zu Diskutieren hätte, aber deswegen muss ich doch nicht gleich für jedes Thema direkt zur Verfügung stehen. Und Mattis hat nunmal unterstellt, dass jeder, der den Kapitalismus kritisiert zu der Frage der Alternative zur Verfügung stehen sollte.
    Da gibt es halt auch ganz begründet Wichtigeres zu tun, als mich mit dieser Frage zu beschäftigen. Die Begründungen habe ich zum Teil abgeliefert, die werden aber nicht ernst genommen, sondern es wird psychologisiert.

  83. 24. September 2013, 13:03 | #83

    Teh, deine Begründung „Da gibt es halt auch ganz begründet Wichtigeres zu tun, als mich mit dieser Frage zu beschäftigen.“ nehme ich dir nicht ab: Du (und viele andere, die so denken wie du) halten es nicht für weniger wichtig, sondern für völlig irrelevant. Du und die beschäftigen sich ja buchstäblich nie damit, den berühmten Ablehnungsartikel mal ausgenommen. Da steht also die Vorschrift dahinter, das „man“ dazu einfach nichts sagen darf, ganz abgesehen, daß man auch nichts zu sagen hätte.

  84. Teh Asphyx
    24. September 2013, 13:36 | #84

    Irrelevant oder sogar kontraproduktiv, ja. Beschäftigt habe ich mich damit früher zumindest schon viel, nur läuft es halt tatsächlich darauf hinaus, dass einem die Alternative keiner abkauft. Im Gegenteil, es wird wirklich darauf gelauert, um die Alternative dann gleichsam einer total vernichtenden Kritik zu unterziehen (meistens nach dem Motto: „Funktioniert nicht!“).
    Also abgesehen davon, dass es wirklich sehr elitär ist, sich mit denen „intern“ zusammen zu setzen, die eh schon alles durchschaut haben, und dann zu überlegen, wie denn die neue Weltordnung so aussehen könnte, wird man mit der Präsentation einer noch so gelungenen Alternative keinen Blumentopf gewinnen.
    Ich hatte sogar mal eine Diskussion mit einem Politologen, der hat nicht mal einen Hehl daraus gemacht, dass er von mir deswegen eine Alternative will, damit er sie genauso vernichtend kritisieren kann, wie ich seine geliebte Demokratie kritisiere. Dass da der Unterschied ist, dass ich ein bestehendes System kritisiere, was schonmal nicht gleichwertig mit der Kritik einer Idee sein kann, wollte der gar nicht sehen, und sich inhaltlich auf meine Kritik einlassen auch nicht. Er fand halt nur, dass man ruhig etwas affirmativer mit der Demokratie umgehen könnte und hat das auch unter anderem mit dem berühmten Churchill-Zitat über die schlechteste aller Herrschaftsformen begründet.
    Das will ich Mattis aber gar nicht unterstellen. Dass es ihm darum geht, eine wirklich gute Alternative zu finden, kaufe ich ihm schon ab. Nur lehne ich das aus genannten Gründen eben ab.
    Das ist aber eine Konsequenz meiner Kritik und keine Berührungsangst mit schwierigen Themen. Denn mich damit beschäftigt und darüber diskutiert habe ich durchaus mehr als genug, jedenfalls als ich mit meiner Kritik noch nicht an dem Punkt war.
    Ich habe halt schon den Anspruch an eine Diskussion, dass die einzigen Unterstellungen, die da vorkommen, die sind, dass der Gesprächspartner auch tatsächlich das meint, was er sagt (und sich daraus ergebene Dinge). Und wenn da irgendwo ein Widerspruch drin ist, dann löst man den halt auf, anstatt deswegen zu sagen, dass das ja nicht der Grund sein kann, also muss es der und der Grund sein.

  85. Mattis
    24. September 2013, 15:25 | #85

    @ Teh Asphyx:

    „Man muss sich oder etwas aber schon ganz schön wichtig nehmen, wenn man deswegen gleich schon bestens über die Probleme eines Fremden Bescheid weiß, der sich nicht auf den Kram einlässt, den man so wichtig findet. So funktioniert halt eine Psychologisierung.“

    Soweit der Vorwurf an mich. Wenn allerdings jemand schreibt:

    „Dass Leute einen auf eine Alternative festnageln wollen, um ihnen diese dann nach Herzenslust zu zerreißen und daran die Fehlerhaftigkeit der Kritik zu „beweisen“, das gibt es leider wirklich oft.“

    dann heißt das doch, ich will dem ausweichen, dass der andere mich widerlegen könnte. Aber diese Gefahr droht bei jeder anderen Argumentation ebenso. Also hat man wohl gerade bei dem einen Thema ein Problem. Ich lass mich doch von dem Hinweis, dass wir uns nicht persönlich kennen („Fremder“), nicht von einfachsten Schlussfolgerungen abhalten!

    Also abgesehen davon, dass es wirklich sehr elitär ist, sich mit denen „intern“ zusammen zu setzen, die eh schon alles durchschaut haben, und dann zu überlegen, wie denn die neue Weltordnung so aussehen könnte, wird man mit der Präsentation einer noch so gelungenen Alternative keinen Blumentopf gewinnen.

    Elitär? Fragst du auch immer brav bei den Arbeitern nach, ob du dich kritisch mit Staat und Nation auseinandersetzen darfst? Und ob man mit dieser Kritik Blumentöpfe gewinnen wird (auch nett, dieses Erfolgsargument)?
    Wenn es ernstgemeint wäre, dass die Arbeiter ihre Sache selber in die Hand nehmen sollen, wieso kritisierst du dann diejenigen, die sich fragen, wie sie das am besten anstellen sollen? Weißt du, dass ich keiner dieser Arbeiter bin?
    Oder sollen diese Arbeiter warten, bis du Bescheid weißt, um sich das Wissen dann bei dir abzuholen? Natürlich erst, wenn du unangreifbar beim Argumentieren bist, siehe oben.

  86. Teh Asphyx
    24. September 2013, 15:43 | #86

    Es scheint mir, dass wir ganz schön aneinander vorbeireden.
    Ich weiche aber nicht deswegen aus, weil mich der andere widerlegen könnte, sondern ich lasse mich gar nicht erst auf das Spielchen ein, wenn ich den starken Verdacht habe, dass das die Absicht des Gegenübers ist. Wie gesagt war da einer sogar so ehrlich, diese Absicht gleich im Voraus anzukündigen. Das war ja aber gar nicht meine Unterstellung an Dich.
    Es ist schon ein Unterschied, ob ich jemandem sage, wie es ihm gut gehen würde oder ob ich analysiere, was da gerade in dem herrschenden System die Probleme produziert. Das betrifft mich ja auch.
    Mit dem „Erfolgsargument“ wollte ich nur vorwegnehmen – und auch diesen Vorwurf gibt es häufig –, dass man mit destruktiver Kritik ja kaum jemanden überzeugen könne und deswegen auch eine Alternative bräuchte, eben totaler Quatsch ist, weil die Vorstellung einer Alternative ebensowenig zum Erfolg führt. Darum soll es halt gar nicht gehen, wenn es um Inhalte geht.
    Und wer sagt umgekehrt, dass ich kein Arbeiter bin? Wieso soll ich dann warten, bis sich irgendwer bei mir was abholt? Vielleicht bin ich einfach einer, der es auch selbst in die Hand nehmen möchte, aber dafür von niemandem eine Utopie vorgesetzt bekommen will.

  87. franziska
    24. September 2013, 17:48 | #87

    In gewisser Weise tauchen in dem kleinen Disput mit Teh Asphyx viele Themen und Gesichtspunkte kurz auf und verschwinden wieder, an die ich dachte, als ich mich über Mattis wunderte: Weil sich mir bei den gegenwärtigen Befunden (über die man sich, aber ja doch!, erstmal klarwerden und übereinstimmen muss!) die Frage, wie ein Übergang zu kommunistischer Vergesellschaftung irgend vorstellbar sein soll, stärker als jede andre aufdrängt.
    Genauer geht es da um das Verhältnis von
    – Befund
    – dem aus Sicht des jeweiligen Beurteilers Kritikwürdigen daran
    – „Agitation“ (die war ja Ausgangspunkt des threads, davon entfernt sich meine Betrachtung garnicht)
    – praktischer Konsequenz (dass sie überhaupt gezogen werden kann), und der
    – Bewältigung von (absehbaren) Folgeproblemen.
    In den Befunden hinsichtlich der bestehenden Verhältnisse tauchen auch Aussagen über das Verhalten potentieller Adressaten einer möglichen Agitation auf – wie sie ihrerseits zu Urteilen über die Verhältnisse gelangen (nämlich „interessiert“).
    Es hat nun für mich den Anschein, dass Menschen mit Sympathien für die GSP-Beschreibung der Dinge „Agitation“ damit gleichsetzen, diese ihre Sicht auszusprechen, wobei sich die „Kritikwürdigkeit“ offenbar aus der Beschreibung (dem Befund) ganz von selbst ergibt.
    GSP-orientierte Agitatoren scheuen sich da nicht, den Adressaten auch den Befund hinsichtlich deren Urteilsweise offen ins Gesicht zu sagen. Und auch da soll sich die Kritikwürdigkeit bzw. praktische Konsequenz von selbst ergeben.
    Genau da treten gehäuft solche Situationen auf, über die Teh Asphyx sich beklagt:
    „Und wenn da irgendwo ein Widerspruch drin ist, dann löst man den halt auf, anstatt deswegen zu sagen, dass das ja nicht der Grund sein kann, also muss es der und der Grund sein.“
    Der Widerspruch ergibt sich normalerweise zur anderslautenden Beschreibung der Verhältnisse und/oder Beurteilung der „Alternative“, die der Adressat ausspricht.
    Er kriegt dann gerne etwas von der Art gesagt („du denkst so, du bist so…“), wie Teh Asphyx es oben ÜBER Adressaten dieses Typs aussagt: Sie wollen doch bloss eine alternative Herrschaft, und wollen umworben sein als solche, die die Wahl haben. (Während der Adressat zB zeigen wollte, dass und warum herrschaftsfreie Verhältnisse nicht funktionieren können osä).
    Der Agitator dieses (GSP-)Typs verhält sich da nicht unähnlich einem Psychoanalytiker (von Freud werden (zB von seinem „Wolfsmann“ später) solche netten Geschichten erzählt, wie er Patienten am Schluss anbrüllt, sie sollten jetzt endlich zugeben, dass die Deutung stimmt, und dass sie nicht wahrhaben wollen dass….)
    Die Ähnlichkeit besteht darin, dass ein explizit von einem Sprecher seinem Adressaten zugeschriebenes Verstehens- und Verständigungs-Hindernis diesem gegenüber nichit nur aus- und angesprochen wird, sondern das auch noch mit der Erwartung geschieht, dass genau dadurch das Hindernis aufgegeben wird. Naja, aufgegeben werden MÜSSTE…
    Falls nicht, ist das erst recht der Beweis, dass es besteht.
    Auch die Agitatoren brüllen bisweilen („du willst halt nicht einsehen, dass…“). Sie entscheiden höchstselbst, nicht anders als Teh Asphyx das hier vorführt, wann ein Argument noch ein Argument, oder eben BLOSS noch Symptom der zugrundeliegenen Haltung ist, ihre EIGENE Argumentation also hätte eingesehen werden müssen. Besonders drollig wirkt das, wie Mattis schön herausgearbeitet hat, wenn GARKEIN Argument von keiner Seite vorherging, sondern der Abwehrreflex unmittelbar kommt: „Ich soll hier bloss was (über die Alternative) sagen, weil du weisst, dass du es dann niedermachen kannst.“ Aber auch die demonstrativen Rückzüge der Art „deine Erwiderungen sind ab jetzt wurscht (du hast dich als Gesprächspartner disqualifiziert), aber was WIR sagen, bleibt stehen und kann daundda jederzeit nachgelesen werden“ machen Eindruck: WIR müssen nichts erwidern, wir haben auch so recht.
    Mit dem Befund „interessiertes Denken“ (den habe ich oben noch vor dem Beitrag von Teh Asphyx ins Spiel gebracht) ist dem Adressaten ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: Alles, was du sagst, ist eh entwertet, das SAGST DU BLOSS WEIL…
    Umgekehrt…
    …steht hinter dem „Übergang“ zur „Objektivität“ keinerlei Erkenntnisinhalt oder -fortschritt, denn was da (an) zu erkennen, zu bekennen, zuzugeben ist, steht da seit langem fest: Nicht ein Begreifen, eine Einsicht steht an, sondern ein SICH DURCHRINGEN ZU einer solchen wie nur je zu einem unter Krämpfen und Kämpfen erreichten GLAUBEN.
    Wie sonst soll man sich denn auch eine Lehre zueigen machen wie die vom Staat, diesem objektiven Zweck in der (politischen) Welt, der (wer?) sich sogar noch seine eigenen Agenten nach SEINEN Anforderungen zurechtmacht oder aber sie wegschmeisst. Vom gemeinen Untertanenvolk zu schweigen, das er fest im Würgegriff hat. Es sei denn… (folgt: der freie Wille, der JEDERZEIT sich DAGEGEN (es gibt da immer genau zwei Möglichkeiten) entscheiden kann).
    Da ist der Zusammenhang von Theorie (über die anderswo, etwa bei nestormachno, gestritten wird) und Agitation (von der hier gesprochen wurde). Das wars, worauf ich nochmal aufmerksam machen wollte: So die Botschaft, so die Predigt.

  88. Teh Asphyx
    24. September 2013, 18:09 | #88

    @ franziska
    Zwischen Bewältigung von absehbaren Folgeproblemen und eine ganze positive Sozialismustheorie ist doch aber auch ein gewaltiger Unterschied.
    Ich finde, dass Du da arg viel reininterpretierst, in dem, was ich bisher hier geschrieben habe. So was wie ein „Du willst halt nicht einsehen, dass …“ käme von mir jedenfalls nicht. Ob das irgendwer vom GSP macht oder nicht weiß ich nicht, mir ist das bisher da noch nicht begegnet, aber das heißt nicht viel.
    Vielmehr hat mit Mattis unterstellt, Dinge nicht verstanden zu haben, sie dann aber auch nicht weiter erklärt.
    Bei Dir habe ich auch einige Schwierigkeiten beim Verständnis.
    Ich habe hier auch niemanden disqualifiziert. Ich wollte nur einfach diese Diskussion für mich beenden, mich aber nicht einfach wortlos aus der Diskussion stehlen. Und dann habe ich mit einer Negativformulierung sagen wollen, dass ich erstmal sicher gehen möchte, dass sich eine Diskussion für mich auch lohnt. Dafür kenne ich Mattis noch zu wenig und diesen Mist, den ich erwähnt habe, habe ich eben schon zu oft erlebt und somit meine Zeit verschwendet. Damit hab ich Mattis nichts unterstellt. Das jetzt als Anlass zu nehmen, auf mir rumzuhacken und mir alles mögliche zu unterstellen, was ich nicht gesagt habe, finde ich ziemlich daneben. Wenn ihr schon auf was eindreschen wollt, dann auf das, was ich gesagt habe, dann kann ich wenigstens versuchen, was richtigzustellen, wo ich mich ungünstig ausgedrückt habe oder versuchen, es besser zu erklären. Aber was soll ich denn mit solchen Unterstellungen anfangen?

  89. Asphyx
    24. September 2013, 18:20 | #89

    Nur mal noch kurz eine Frage: Habe ich hier eine Maulsperre oder ist das irgendein Fehler mit dem Spamfilter? Wenn ersteres der Fall ist, darf ich dann wenigstens noch den Grund erfahren?
    [Neoprene: Es lag am SPAM-Filter, da bist du hängen geblieben, der ist so wie er ist, ich hab da jedenfalls nichts speziell für/gegen dich eingestellt. Ich räume den halt nur alle ein zwei Tage auf, da entgeht mir sowas manchmal. Da kann man mir aber bei Ungeduld immer eine Mail an die Kontak-box schicken, dann fische ich das gleich raus.]

  90. Mattis
    24. September 2013, 20:43 | #90

    @franziska:
    Hätte Teh einfach erklärt, er halte das Thema für nicht an der Zeit, hätte ich meine anderweitige Meinung dazugesagt und es wär rum gewesen. Aber seine beliebig vielen Begründungen waren eben unplausibel und insbesondere der Verweis auf den GSP-Artikel, der eine arrogante Beschimpfung auch aller ernstmeinenden Theoretiker darstellt, war dann doch zuviel. Vielleicht liest er den Artikel ja nochmal und merkt, was für eine Tirade die sich da geleistet haben. Dann hätte der Sturm hier im Wasserglas doch noch was genutzt.

  91. libelle
    25. September 2013, 08:12 | #91

    @Franziska:

    Weil sich mir bei den gegenwärtigen Befunden (über die man sich, aber ja doch!, erstmal klarwerden und übereinstimmen muss!) die Frage, wie ein Übergang zu kommunistischer Vergesellschaftung irgend vorstellbar sein soll, stärker als jede andre aufdrängt.

    Tja, es liegt dann wohl an Deinen Befunden, dass sich diese Frage aufdrängt. Und wenigstens einer dieser Befunde muss falsch sein, damit sich die Frage überhaupt aufdrängen kann!
    Du meinst ja mit „Vorstellbarkeit eines kommunistischen Übergangs“ nicht solche banalen Dinge wie den Umstand, dass dieser Übergang eben von den Menschen, die diesen „kommunistischen Übergang“ veranstalten, gewollt sein wird. Dann können die sich diesen Überhang auch vorstellen und machen ihn – Ende der Vorstellung.
    Du meinst aber etwas ganz anderes als die obige „Vorstellbarkeit eines kommunistischen Übergangs“. Du meinst, wie man die Leute dazu bringen könnte, diesen Übergang zu machen. Ich erinnere daran, dass die Idee, dass das überhaupt möglich ist, Ergebnis einer Deiner Befunde sein muss d.h. Du glaubst daran, Dich zum Subjekt dessen machen zu können, was die Leute sich über die Welt denken. Darin teilst Du das religiöse Verhältnis des GSP zu Welt. Und dann erklärt man auch nicht das gesellschaftliche Bewusstsein, sondern man erklärt es mit diesem Interesse, d.h. als Bedingung seiner Veränderung.
    Das religiöse Moment an Dir ist, dass Du dich von einer Möglichkeit, deren Subjekt Du nicht bist, in dem, was Du denkst, bestimmen lässt. Darin behandelst Du diese Möglichkeit wie eine Tatsache und das ist genau das, was religöse Leute machen.
    Um gleich vorzubeugen: Natürlich bekommt man, wenn man das gesellschaftliche Bewusstsein erklärt, auch die Antwort auf die Frage, was die Leute davon abhält, andere gesellschaftliche Verhältnisse zu etablieren. Das ist aber absolut nicht mit der Antwort auf die Frage zu verwechseln, warum sie keine Kommunisten werden oder wie man sie dazu machen könnte.

  92. libelle
    25. September 2013, 09:52 | #92

    Vorausschauende Antwort auf franziskas Frage, was mich zum Kommunisten gemacht hat: ICH BIN KEINER UND WERDE AUCH KEINER!
    Auf Kritik am Kapitalismus kommt man mit der Idee, dass eigentlich alle Interessen aufgehen müssten. Der Umstand, dass das nicht so ist setzt die gesellschaftlichen Verhältnisse auf unterschiedliche Art als Gegenstand. Wenn sich jemand der obigen Idee nicht verschreibt und nur will, dass sein Interesse aufgeht, dann kritisiert der vielleicht seine Konkurrenten, nicht aber die Konkurrenz.
    Jetzt kann man wieder fragen, woher die Idee, dass alle Interessen aufgehen sollen kommt und da ist die Antwort, dass es sich da um ein ursprünglich aus dem staatlichen Bezug auf die Gesellschaft geschöpftes Ideal handelt (bzw. aus dem staatsbürgerlichen Bewusstsein), weil der in dieser Gesellschaft das politische Subjekt ist, das für „das Ganze“ steht. Das gibts auch als Theorie an der Uni usw..

  93. Mattis
    25. September 2013, 12:10 | #93

    @libelle:

    „Auf Kritik am Kapitalismus kommt man mit der Idee, dass eigentlich alle Interessen aufgehen müssten.“

    Dass dies ein falsches Ideal ist, sagst du selber. Der GSP z.B. verlagert diese Ideal ins Kommunistische, wie man immer wieder an der vehementen Zurückweisung von Interessengegensätzen im Sozialismus feststellen kann.
    Dass diese Idee aber der Punkt ist, wie man auf Kritik am Kapitalismus kommt, ist als Generalklausel verkehrt. Das mag zwar für etliche zutreffen – eine falsche Kritik und Alternative sind dann die unvermeidliche Folge. Man muss schon die besondere gesellschaftliche Natur der beanstandeten Gegensätze beachten, statt sie einfach unter die Abstraktion Interessensgegensätze zu subsumieren.
    Aber es gibt eben auch die rationelle Kritik, dass eine Gesellschaft ohne die systembedingten Gegensätze des Kapitalismus möglich ist. Von paradiesischem Aufgehen aller Interessen ist da nicht die Rede.

  94. libelle
    25. September 2013, 13:26 | #94

    Es sollte auch nicht gesagt sein, dass es keine rationelle Kritik am Kapitalismus gäbe. Es sind ja die Interessengegensätze, unter denen man leidet.

  95. franziska
    25. September 2013, 17:51 | #95

    Entwarnung, libelle. Mir persönlich, falls das hier von besonderem Interesse ist, gehts nur um die rationelle kritik am Kapitalismus und von mir aus auch gern, wie man darauf kommt (ob sich da überhaupt was gecheites drüber sagen lässt).
    Dasselbe für die Leute: Ich frag mich halt, wie sie denken, obs da Muster gibt, oder einfach nur, der eine so, der andre so, Milliarden Varianten…
    Und ganz gewiss glaub ich nicht, dass ich Leute zu was machen kann. Die Frage, wie sie denken, stell ich mir allenfalls für mich. und rede mit solchen, die sie sich auch stellen.
    Hätt ich gewusst, dass du anwesend bist, hätt ich vielleicht „eigentumsfrei“ (Befürworter eigentumsfreoer Vergesellschaftung usw) gesagt. Dir hätt ich die Frage (schon darum) nicht gestellt.
    @Teh Asphyx
    Ich hab dich garnicht anmachen wollen,und mein Aufgreifen (denn mehr sollt es nicht sein) von Formulierungen bei dir möglichst neutral charakterisieren. Da, wo inhaltlich Differenzen aufscheinen, gehen sie mutmasslich (wäre zu klären) in Richtung der bekannten Auseinandersetzung über die Bestimmung des Staats. Der Zeitpunkt, diese Debatte hier jetzt auch noch mit dir loszutreten im Moment, wo du dich zurückziehen willst, wäre wohl etws unglücklich gewählt.
    Verständlicher wäre ich gerne, hab aber leider auch nicht immer Zeit, meine Beiträge zu überarbeiten. Obwohl ich etliches schon früher vorgebracht habe, ist das meiste für mich selber immer noch relativ neu, ich denke weiter drüber nach. Dabei unterlaufen Bandwurmsätze (die auch mal im Nichts enden), und jede Menge Schreibfehler. Das würd ich natürlich gern abstellen, komm aber nicht dazu.
    @Mattis
    Zwischen das, was eine Person an biologischen Dispositionen mitbringt und/oder ausbildet, und das, was man ihre „Mentalität“ (Denkweise) nennen kann, tritt eine lange Reihe vermittelnder Instanzen, vor allem: Erfahrungs- und traditions-vermittelnde, und immer wieder die Verarbeitung all dessen durch die Person. Im weitesten Sinn nennt man dies „Lernen“ (Denken iSv Vorstellungen und Begriffe bilden, anwenden, damit Versuchs-Entwürfe und Problemlösungen konstruieren ist ein wesentlicher Teil davon), und die physische Fähigkeit, oder besser Disposition dazu ist die biologische Voraussetzung von Personalität (Rationalitüät usw).
    ((Anm. Denken bezieht sich nicht nur auf Mittel, sondern vor allem auch auf die Formulierung von (experimentellen9 Zielen. Wenn Denken ein Mittel wäre – Mittel wofür sollte es sein? Zum Überleben? – womöglich „um jeden Preis“?))
    Hingegen solche durch kulturelles und individuelles Lernen erzeugte und darum durch Dazulernen normalerweise abänderbare Gebilde wie Mentalitäten für biologisch determiniert halten, und das auch noch für den Normalfall halten, bedeutet, den so Determinierten das zentrale Merkmal von Personalität abzusprechen. Mit welchen Gründen sollte oder könnte man das tun?
    Es ist erfreulich, dass du (andererseits) den Willen durch Motive und vielleicht auch Gründe bestimmbar hältst, zumindest, wenn er einigermassen normal funktioniert (und das kann man dann natürlich auch „frei“ nennen, iSv besonnen, rational, abwägend usw, und im Gegensatz zu „affektgeladen, unter Druck oder Belastung, in schlechter physischer Verfassung“ usw)
    Ich spreche erneut meine Verwunderung aus, wieso dir die positive Stellung von Leuten zum Eigentum sowenig Nachdenken wert ist. Vielleicht ergibt sich da nämlich (deute ich ja weiter oben an: Eigensinn, Eigensphärre) die Auflösung der Sozialismus-Probleme. Ich denke nämlich,es sind dieselben.
    Und ich schlage genau darum vor, die Frage nach dem Grund des Willens zum Eigentum zu stellen, und DAMIT die nach den Voraussetzungen für einen Übergang in eigentumsfreie Verhältnisse (oder den Gründen, warum er aktuell massenhaft abgelehnt wird, vgl. libelle: was die Leute hindert…): Weil anders keine zwangfreie Zustimmung zu solchen Verhältnissen zu erwarten ist. Da wären die Leute schön blöd: Erstmal Revolution und Kommunismus machen, und dann sehen, was sich ergibt…?

  96. Mattis
    25. September 2013, 21:07 | #96

    @franziska

    „Hingegen solche durch kulturelles und individuelles Lernen erzeugte und darum durch Dazulernen normalerweise abänderbare Gebilde wie Mentalitäten für biologisch determiniert halten, und das auch noch für den Normalfall halten, bedeutet, den so Determinierten das zentrale Merkmal von Personalität abzusprechen.“

    Für mich hängt die Personalität, wie du es formulierst, nicht davon ab, ob ich die „Willensfreiheit“ bei Entscheidungen nachweisen kann.
    Ich kann es jedenfalls nicht. Und die vielen Schritte: Eindrücke, Erziehungsnormen, Kulturgewohnheiten etc. – all das ist dennoch eine singulare Kette von Reaktionen auf Umwelt und Gesellschaft, bei der ich bei jedem einzelnen Mikroschritt dieselbe Frage stellen kann: ob man eine bestimmte Reaktion als frei (von was und wieweit denn) bezeichnen kann oder nicht. Respektieren wir sie einfach als die Willen, die sie sind, unabhängig vom ohnehin diffusen Freiheits-Kriterium.
    Hast du schon mal geplant, eine ganz bestimmte gute Idee zu haben, bevor du sie hattest? Hast du schon mal entschieden, dass du ein Argument überzeugend findest, bevor es dich überzeugt hat? Wenn dir ein Fehler bewusst wird – ist es deine Freiheit, diese Bewusstwerdung wollen oder ablehnen zu können?
    An der Stelle hört jedenfalls meine Suche auf. Selbst wenn ich die „inneren Mechanismen“ kennen würde, würde ich diese nicht nutzen wollen, um Leute zu „überzeugen“ – es wäre ein Manipulieren.

  97. franziska
    26. September 2013, 12:02 | #97

    Mattis, ich weiss nicht, wie du drauf gekommen bist, ich hätte es mit diesem hoch abstrakten und grundlosen freien Willen – gegen den hatte ich oben eigentlich polemisiert. Obendrein hatte ich dir zugestimmt, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit Motiven und (meine Zutat) Gründen stehen, und da „Freiheit“ allenfalls als dasselbe wie Vernünftigkeit, Besonnenheit usw. (s.o.) von Entscheiden, Zweckesetzen, Absichtenbilden verstanden werden kann. Man könnte auch sagen: Freiheit ist der Zustand, wo eine Person durch Gründe zur Bildung seiner (Versuchs)Absichten bestimmt wird, in denen die Gesamtheit des Wissens, über die es verfügt, vernünftig verarbeitet wird. (Aber was ist vernünftig? Das erörtere ich gewiss hier nicht mehr…)
    Der kleine Abstecher ins Philosophische war freilich ausgelöst durch deine etwas sorglosen Bemerkungen über Denken, das sich als „Mittel“ der prähistorischen Horde entwickelt habe. Und, dass Mentalitäten wohl biologisch breit gestreut seien. Das eine war ein biologistisches, das andre ein (tut mir leid, es heisst halt so) rassistisches Fehlurteil (und, nebenbei, wie so oft die Soziobiologie, aller-lausigste Naturwissenschaft), und ich wollte kurz die Anfänge des Gegenarguments skizzieren. (Die meisten Anti-Biologisten und Antirasissten kennen keine Argumente, nur moralische Verurteilung.)
    Alles andre führt hier zu weit und gehört wirklich nicht mehr in diesen Thread.

  98. franziska
    26. September 2013, 16:05 | #98

    verspätete Korrektur: sollte natürlich heissen:
    Freiheit ist der Zustand, wo eine Person durch Gründe zur Bildung IHRER (Versuchs)Absichten bestimmt wird, in denen die Gesamtheit des Wissens, über das SIE verfügt, vernünftig verarbeitet wird.
    Bei der Wahl des Wortes „rassistisch“ (oder biologistisch) kommts mir nicht auf aggressive (Ab)Qualifizierung an, sondern auf die ART des Gedankens, der darin steckt: Resultate (egal, ob erwünschte oder unerwünscht) von Lernen (also von Vernunft-Betätigung) sollen biologisch festgeschrieben sein. Also durch Dazu-Lernen nicht mehr (vernünftigerweise) zu verändern.
    Der Gedanke einer Möglichkeit von „Manipulation“ beruht eigentlich auf ähnlichen Vorstellungen. Was mir hier als Glaube oder mögliche Absicht unterstellt wurde, ist in Wirklichkeit bereits als Inhalt einer Absicht oder voon Wissen („die inneren Mechanismen kennen“) begrifflicher Unsinn.
    Aber ich bin weiter der Meinung, dass der thread gesprengt wird mit diesem Thema, und es (wenn überhaupt) anderswo oder privat erörtert werden sollte.
    Falls die gewählten Ausdrücke zu offensiv oder gar polemisch und aggressiv wirken, bitte ich sie durch angemessener erscheinende zu ersetzen. Ich verfolge keine offensiven usw Absichten mit dieser Wortwahl.
    (Ähnliches gilt für den Ausdruck „Kommunist“ oder „kommunistisch“. Solang ich und andre wissen, was gemeint ist, sind mir die Worte eher egal.)

  99. Mattis
    26. September 2013, 18:58 | #99

    @franziska:

    „deine etwas sorglosen Bemerkungen über Denken, das sich als „Mittel“ der prähistorischen Horde entwickelt habe. Und, dass Mentalitäten wohl biologisch breit gestreut seien. Das eine war ein biologistisches, das andre ein (tut mir leid, es heisst halt so) rassistisches Fehlurteil …“

    Schon bei Zwillingen, kaum sind sie auf der Welt, kannst du oft klar unterscheiden: der eine ist neugieriger, mutiger etc., der andere beobachtet mehr, ist vorsichtiger. Woher das wohl kommt, wenn es nicht biologisch geprägt ist? Du wirst nicht behaupten wollen, dass dies ein Resultat von bewusstem Denken oder der Gesellschaftsform geschuldet ist, oder?
    Was der Mensch damit dann macht und wie er auf das reagiert, was ihm begegnet, ist wieder was anderes, dabei entwickeln sich Temperamente / Mentalitäten weiter und können sich freilich auch stark ändern.
    Vor Jahren hat mich mal ein „historisch-dialektischer Materialist“ angegriffen, wie ich behaupten könnte, es gäbe im Gehirn von Mann und Frau Unterschiede. Da fiel natürlich auch das böse R-Wort. Was kann ich dafür, wenn es so ist? Auch gutgemeinte Parteilichkeit ist wissenschaftsfeindlich. Die Feststellung von Unterschieden ist ja auch keine hierarchische Aburteilung.
    Aber ja, wir können das hier auch abschließen.

  100. earendil
    27. September 2013, 11:37 | #100

    @Mattis: Merkwürdig, dass viele Leute von individuellen umstandslos aus geschlechtsbezogene Unterschiede kommen…

  101. libelle
    1. Oktober 2013, 10:36 | #101

    libelle: „Auf Kritik am Kapitalismus kommt man mit der Idee, dass eigentlich alle Interessen aufgehen müssten.“
    Mattis: Dass dies ein falsches Ideal ist, sagst du selber. Der GSP z.B. verlagert diese Ideal ins Kommunistische, wie man immer wieder an der vehementen Zurückweisung von Interessengegensätzen im Sozialismus feststellen kann.

    Ich denke aus dieser Perspektive kommen die Diskussionen über Staat/Gewalt in einer vernünftigen Gesellschaft.
    1) Dass „alle Interessen sollen aufgehen“ ein Ideal ist, liegt in der bürgerlichen Gesellschaft am Bezug der Interessen aufeinander. Als Eigentümerinteressen schließen sie einander aus. Hier ist also die konkrete Beschaffenheit der Interessen der Grund, warum die Idee „alle Interessen sollen aufgehen“ ein Idealismus ist.
    2) Die Forderung ist es auch, wenn man sie als Konstruktionsziel eines idealen gesellschaftlichen Zustandes nimmt, weil die Menschen, für die dieser Zustand von den wohlmeinenden Weltverbesserern konstruiert wird eben welche sind die mit diesen eigens für sie entworfenen Verhältnissen überhaupt nichts anfangen wollen, sondern weiter z.B. ihrer bürgerlichen Sozialisation nachleben wollen. Und hier gehört Dein furchtbarer Realismus hinein, der das Ideal einfach umkehrt und die vemeintlich „nun mal vorhandene“ Gegensätzlichkeit der Leute anerkennt und sie mit der guten, sozialistischen Gewalt deckeln will.
    3) Die Forderung ist als Zweck aber kein Ideal, sondern genau das, was man tun muss, wenn man gesellschaftliche Verhältnisse haben will, die ihren Insassen entsprechen d.h. damit wird eine rationelle Herangehensweise an Interessengegensätze kenntlich gemacht: Man muss sie aufheben, wenn man will, dass die Leute aufhören unter ihren gesellschaftlichen Verhältnissen zu leiden! Und letzteres ist der Übergang aus den bürgerlichen Verhältnissen in eine rationelle Kapitalismuskritik. Man vollzieht den Standpunkt des Staates nach, der alle Interessen der Gesellschaft aufeinander bezieht (indem er sie auf sich und seinen Standpunkt als Subjekt der Verhältnisse, des Ganzen, bezieht) und schaut darauf, wie die Interessen dieser Gesellschaft zusammenpassen. Hinterfragt man dann die Interessen, wird man Kritiker dieser Gesellschaft In diesen Punkt schließe ich mich ein, da sind aber noch andere unterwegs. Auch wenn jemand z.B. Marx nur als intellektuelle Herausforderung begreift, vollzieht er im Werk von Marx diesen Standpunkt nach.
    4) Kommunisten (zumindestens ihre durchgesetzte Erscheinungsform, alles andere ist schon ausgerottet, niedergemacht, totignoriert) sind dann welche, die sich als Konkurrenten um die Macht aufstellen, um ihre Sorte Gesellschaftskritik zu verwirklichen.

  102. Mattis
    1. Oktober 2013, 22:01 | #102

    @libelle:

    „Und hier gehört Dein furchtbarer Realismus hinein, der das Ideal einfach umkehrt und die vemeintlich „nun mal vorhandene“ Gegensätzlichkeit der Leute anerkennt und sie mit der guten, sozialistischen Gewalt deckeln will.“

    Nichts da mit Anerkennung einer „nun mal vorhandenen“ „Gegensätzlichkeit der Leute“. Wenn der Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital nicht mehr existiert, das Konkurrieren der Bürger insgesamt, dann ist diese systembedingte Gegensätzlichkeit aus der Welt, fertig.
    Nicht aus der Welt sind damit alle übrigen Formen von unterschiedlichen Interessen der Menschen, die vor allem aufgrund der Begrenztheit der Ressourcen als Gegensätze auftreten.
    Ein von allen akzeptiertes gesellschaftliches Verfahren der Regelung solcher Konflikte ist daher erforderlich, und es zeugt von der Ignoranz des Kritikers, wenn er dies als „Deckelung durch eine sozialistische Gewalt“ bezeichnet.
    Aber das ist mehr als nur ein blauäugiger Idealismus. Das hat Konsequenzen!
    Wenn vorhandene Gegensätze geleugnet werden, wird die Gewalt zur Tagesordnung. Weil dann nämlich nicht sein kann, was nicht sein darf. Und das ist eine wirklich brisante Konstellation. Die Definition von Konflikten als nicht vorhanden ist die Legitimation der totalitären Form der Staatsgewalt. Das Ideal, dass keine Gegensätze existieren (sollen!), wird dann praktisch wahrgemacht, was ein grausiger Vorgang ist. Die unbedingte Einigkeit wird hergestellt. Und dies hängt übrigens nicht davon ab, ob das Gebilde, in der das durchgesetzt wird, sich selbst als Staat bezeichnet oder nur scheinheilig als „Verwaltung“ oder „Kommune“.

  103. libelle
    2. Oktober 2013, 07:41 | #103

    Um mit der Begrenztheit von Ressourcen umzugehen braucht es keine Gewalt. Die braucht man nur, wenn man diesen Umstand zum Anlass nimmt, die Befriedigung eigener Bedürfnisse auf Kosten Anderer zu verfolgen. Was Du unter dem Titel begrenzte Ressourcen vorbringst, ist also auch nichts weiter als der (auch nur teilweise) Umgang bürgerlicher Monaden mit begrenzten Ressourcen. Ich halte das für ein Menschenbild, weil bei Dir dieses Verhalten (bürgerlicher Egoismus) ja nicht gesellschaftlich bedingt ist, sondern dem Menschen als solchem anhaften soll.
    Aus dem „Dilemma“ kommt man heraus, wenn man sich überlegt, was „begrenzte Ressource“ überhaupt heißt. Als Ressource ist sie auf irgend einen Konsumzweck bezogen, für den sie nicht reicht. Der sachgerechte Umgang damit ist, die Nutzung der Ressource zu optimieren und sie zu erweitern, was i.d.R. Forschung in Sachen Ressourcenerschließung bedeutet (siehe z.B.Energie, Solartechnik, Kernfusion etc…).. Und das stellt selbstredend gleich wieder eine Ressourcenfrage, die man genau so löst. Unter dem Strich steht in Sachen Ressourcen einer vernünftigen Gesellschaft (aber auch einer unvernünftigen, wie der aktuellen Gesellschaft) ein ihrem Zweck entsprechendes, gigantisches Optimierungsproblem ins Haus. Das ist alles.
    edit:

    Ein von allen akzeptiertes gesellschaftliches Verfahren der Regelung solcher Konflikte ist daher erforderlich, und es zeugt von der Ignoranz des Kritikers, wenn er dies als „Deckelung durch eine sozialistische Gewalt“ bezeichnet.

    Wer über Verfahren redet, der hat auf die Menschen der Gesellschaft die Perspektive von Objekten gewonnen, die sich in diesem Verfahren tummeln und jenseits dessen was sie denken durch das jeweilige „Verfahren“ zu vernünftigem Handeln gebracht werden sollen. Dann muss man sagen, dass Du eben gesellschaftliche Verhältnisse willst, in denen Verfahren die Menschen kontrollieren, während ich will, dass die Menschen ihre gesellschaftlichen Verhältnisse kontrollieren.
    Nochmal der Unterschied: Wenn erst durch das Verfahren der Mensch zur Vernunft gebracht wird, dann ist er als von sich aus unvernünftiger angenommen.
    Richtiger ist es dafür zu argumentieren, dass die Idee eines sachgerechten Umgangs mit bergenzten Ressourcen gesellschaftlich verwirklicht wird und damit möglichen Gegensätzen die Grundlage entzogen wird.

  104. 2. Oktober 2013, 07:51 | #104

    libelles

    „Um mit der Begrenztheit von Ressourcen umzugehen braucht es keine Gewalt. Die braucht man nur, wenn man diesen Umstand zum Anlass nimmt, die Befriedigung eigener Bedürfnisse auf Kosten Anderer zu verfolgen.“

    stimme ich zu. Es ist danach naheliegend, daß es umso mehr Gewalt braucht, umso mehr Menschen nicht auf ihre „Kosten“ kommen. Umgekehrt umgekehrt: Wenn die Produktion so hinorganisiert wurde („gigantisches Optimierungsproblem“), daß die meisten Bedürfnisse der Menschen eh erfüllt werden, dann wird um die Befriedigung des kleinen Restes („Luxus“-Bedürfnisse?) sicherlich nicht mit aller Gewalt gerungen werden. Jedenfalls wäre das sehr unvernünftig.

  105. libelle
    2. Oktober 2013, 08:36 | #105

    …dann wird um die Befriedigung des kleinen Restes („Luxus“-Bedürfnisse?) sicherlich nicht mit aller Gewalt gerungen werden.

    Der Ressourcenmangel ist eher etwas, das in der Produktion auftaucht und da wird wie oben vorgegangen (optimieren, erschließen, substituieren)
    Die einzelnen Menschen sind da viel flexibler und haben viel mehr unter Kontrolle, da man auf einem gewissen Niveau (wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind) einfach besser und bequemer lebt, wenn man nur das leicht Verfügbare haben will, mit Champignons statt Trüffeln volieb nimmt. Man kann natürlich auch Trüffelschweine ausbilden, Futter für Trüffelschweine anbauen, Nachts nicht mehr schlafen, um als erster an den Trüffelbäumen zu sein etc.. Aber das ist kein anständiges Leben.
    Das Gleiche gilt für den Kampf um das Schloss, den einsamen Strand, das Haus auf der Zugspitze. Man lebt mit diesen Zwecken einfach nicht gut.

  106. 2. Oktober 2013, 09:38 | #106

    libelle, was du jetzt (zutreffenderweise) anführst, sind die vernünftigen Argumente für einen wahrscheinlich unter dann vernünftigen Menschen erreichbaren letztendlichen Konsens. Es wird dann schon in gewissen Umfang dazugehören, daß einige etwas bekommen (von allen miterarbeitet), was die Mehrheit für unnötig/unvernünftig/ungut hält. Mattis hebt immer auf den Fall ab, daß es in wichtigeren (was z.B. Ressourcenverbrauch, Risiken usw. angeht) Fragen zu Unterschieden kommt. Dann geht das wie „früher“ auch, irgendwann doch nur durch Unterordnung des Willens der einen unter den der anderen. Und in Extremfällen sicherlich auch nur mit Gewalt/tatsächlicher Verhinderung.

  107. libelle
    2. Oktober 2013, 09:48 | #107

    Mattis hebt immer auf den Fall ab, daß es in wichtigeren (was z.B. Ressourcenverbrauch, Risiken usw. angeht) Fragen zu Unterschieden kommt. Dann geht das wie „früher“ auch, irgendwann doch nur durch Unterordnung des Willens der einen unter den der anderen. Und in Extremfällen sicherlich auch nur mit Gewalt/tatsächlicher Verhinderung.

    Die Frage ist, wann und ob überhaupt dieses „irgendwann“ eintritt. Dazu sind Annahmen über eine außergesellschaftliche Konstitution des Willens nötig, die sämtlich nicht haltbar sind.
    Man kann sich das daran klarmachen, dass in einfachen Gesellschaften, wenn Hunger drohte, Alte selbständig sterben gegangen sind d.h. sie haben an sich die Idee, dass die Gemeinschaft als funktionierend erhalten werden muss vollstreckt.
    Das zeigt, dass diese Annahmen völlig spekulativ sind und aus einem Spekulationsinteresse gespeist werden, das der Ansicht heutiger gesellschaftlicher Verhältnisse entnommen ist. Mangel induziert eben überhaupt kein Verhalten, sondern es kommt darauf an, was die Leute sich dazu denken.

  108. 2. Oktober 2013, 09:59 | #108

    „Mangel“ ist eh zumeist bei solchen Streitereien der falsche Begriff. Ich habe das neutraler mit „Dissens“ umschrieben. Manchmal geht eben nur das Eine oder das Andere (z.B bei der Flächennutzung). Auch da ist es nicht möglich, vorher zu sagen, wie die Menschen dann damit umgehen werden.

  109. Mattis
    2. Oktober 2013, 17:41 | #109

    @libelle:

    „Um mit der Begrenztheit von Ressourcen umzugehen braucht es keine Gewalt.“

    Habe ich das behauptet?

    Wer über Verfahren redet, der hat auf die Menschen der Gesellschaft die Perspektive von Objekten gewonnen, die sich in diesem Verfahren tummeln und jenseits dessen was sie denken durch das jeweilige „Verfahren“ zu vernünftigem Handeln gebracht werden sollen. Dann muss man sagen, dass Du eben gesellschaftliche Verhältnisse willst, in denen Verfahren die Menschen kontrollieren, während ich will, dass die Menschen ihre gesellschaftlichen Verhältnisse kontrollieren.

    Das ist ja nett: die Menschen dürfen noch nicht mal Verfahrensweisen entwickeln, wie sie „ihre gesellschaftlichen Verhältnisse kontrollieren“. Was ist denn das für ein Unfug.
    Und, was absehbar war: wenn dann doch Konflikte gnädigerweise zugestanden werden, dann müssen natürlich die Bedürfnisse selbst schuld sein. Was nicht reibungslos integrierbar ist, muss sich sagen lassen, dass das auch ganz verkehrte Zwecke sein müssen. Musst nur aufpassen, dass deine Bedürfnisse und Vorstellungen nicht genau so behandelt werden! Und mir wirfst du vor, die menschliche Natur verantwortlich zu machen!
    Welche Variante von Stuttgart-21 ist denn z.B. der verkehrte Zweck?
    Interessant ist, wie du momentan 100% wie der GegenStandpunkt argumentierst, und das in so einer wesentlichen Frage. Also den Vorwurf von wegen „Konkurrenz um die Macht“ würde ich mir an deiner Stelle nochmal überlegen, weiter will ich mich da nicht mehr einmischen.

  110. Mattis
    2. Oktober 2013, 20:10 | #110

    @libelle:

    „Was Du unter dem Titel begrenzte Ressourcen vorbringst, ist also auch nichts weiter als der (auch nur teilweise) Umgang bürgerlicher Monaden mit begrenzten Ressourcen. Ich halte das für ein Menschenbild, weil bei Dir dieses Verhalten (bürgerlicher Egoismus) ja nicht gesellschaftlich bedingt ist, sondern dem Menschen als solchem anhaften soll.“

    Wieso das „bürgerlicher Egoismus“ sein soll, wenn ein Teil der Gesellschaft zum Umgang mit den Ressourcen andere Vorstellungen hat als der übrige Teil, erschließt sich mir nicht. Ob man Hochhäuser bauen wird oder nicht, ob noch in großem Stil Viehhaltung betrieben werden soll, ob man statt Straßen nur noch Schienen baut und Flughäfen stilllegt, ob man die Entscheidung über seine Arbeitszeit jedem Einzelnen überlässt etc. – alles bürgerlicher Egoismus?

    „Aus dem „Dilemma“ kommt man heraus, wenn man sich überlegt, was „begrenzte Ressource“ überhaupt heißt. Als Ressource ist sie auf irgend einen Konsumzweck bezogen, für den sie nicht reicht. Der sachgerechte Umgang damit ist, die Nutzung der Ressource zu optimieren und sie zu erweitern, was i.d.R. Forschung in Sachen Ressourcenerschließung bedeutet (siehe z.B.Energie, Solartechnik, Kernfusion etc…).. Und das stellt selbstredend gleich wieder eine Ressourcenfrage, die man genau so löst.“

    „Sachgerecht“, „Optimierung“, das ist genau der pseudo-objektive Standpunkt beim Thema Ressourcen. Dass man da unterschiedliche Vorstellungen und Prioritäten haben kann, kommt dabei nicht vor (denn Verfahren zur Lösung konfligierender Vorstellungen werden ja für überflüssig erklärt). Angeblich alles pure Sachfragen, man braucht dann nur ein paar geniale Logistiker und sonstige Spezialisten. Und das Ergebnis finden alle immer überzeugend.
    Manche Utopisten stellen sich dann vor, dass alle gesellschaftlichen Entscheidungen gleich von einem Computer getroffen werden. Da gibts jetzt schon Modelle über das künftige Aussehen von Städten – per Computer optimiert (s. z.B. die Zeitgeist-Bewegung). Damit wird die Ideologie, dass es nur noch „Sachfragen“ und „Verwaltung“ gibt, konsequent auf die Spitze getrieben.

  111. Krim
    2. Oktober 2013, 21:28 | #111

    „die Menschen dürfen noch nicht mal Verfahrensweisen entwickeln, wie sie „ihre gesellschaftlichen Verhältnisse kontrollieren“. Was ist denn das für ein Unfug.“ Das ist kein Unfug, das sage ich dir schon seit eh und je. Eine Verfahrensweise ist notwendig eine Methode einen Willen unterzubuttern bzw. Sieger und Verlierer herzustellen, wie beim Wählen. Denn die Verfahrensweise soll ja gerade unabhängig vom Inhalt des verhandelten Problems/Gegensatzes funktionieren. Wäre der Umgang mit der Sache von der Sache und den Interessen der Beteiligten abhängig, wäre sie keine Verfahrensweise mehr. Du willst ja eine Struktur schaffen, an die man sich halten kann. Und um diese Struktur sein zu können, muss sie auf alles passen. Um aber auf alles zu passen, muss sie so abstrakt sein, dass sie auf gar nichts passt. Der Inhalt der Struktur ist es also eine Entscheidung herbeizuführen. Weil es aber dabei gar nicht um den Inhalt des verhandelten Problems geht und die Interessen, die sich dazu ins Verhältnis setzen, kann die Struktur bloß eine abstrakte Methode sein dem einen Willen Geltung zu verschaffen und den anderen unterzuordnen.
    „Was nicht reibungslos integrierbar ist, muss sich sagen lassen, dass das auch ganz verkehrte Zwecke sein müssen.“ Dieser Übergang ist nicht notwendig. Sachen die nicht reibungslos integrierbar sind, mit denen muss eben ein Umgang gefunden werden. Das heißt aber nicht, dass sie moralisch ins Unrecht gesetzt werden.
    “ Dass man da unterschiedliche Vorstellungen und Prioritäten haben kann, kommt dabei nicht vor“ Wieso unterschiedliche Vorstellungen? Die Frage war, wie man mit Mangel bzw. Ressourcenknappheit umgeht. Und die Lösung dieser Frage ist nunmal optimieren, die vorhandenen Resourcen optimal ausnutzen und neue erschließen bzw. durch andere ersetzen. „Hau weg die Scheiße“ oder „Wat wech is, is wech“ scheint mir jedenfalls kein vernünftiger Umgang.
    „Da gibts jetzt schon Modelle über das künftige Aussehen von Städten“ Ja, ja. Stadtplanerische Utopien gibt es solange es Stadtplanung gibt und immer ist es gebaute Ideologie und keine von Computern optimierte vernünftige Planung gesellschaftlicher Funktionen. Sowas hat es bislang noch nicht gegeben.

  112. libelle
    2. Oktober 2013, 22:23 | #112

    Ob man Hochhäuser bauen wird oder nicht, ob noch in großem Stil Viehhaltung betrieben werden soll, ob man statt Straßen nur noch Schienen baut und Flughäfen stilllegt, ob man die Entscheidung über seine Arbeitszeit jedem Einzelnen überlässt etc. – alles bürgerlicher Egoismus?

    Und warum genau willst Du stellvertretend für die Insassen einer freien Vereinigung von Produzenten entscheiden, wie sie ihre Differenzen bzgl Städtebau beizulegen haben? Merkst Du nicht, dass Du mit diesen Ideen nur Dein Dogma illustrierst, dass es Verfahren geben muss, über die ein einheitlicher gesellschaftlicher Wille durch Herstellung einer Willenshierarchie hergestellt werden soll?
    Mit den Fragen, mit denen sich die Leute in Deinen Beispielen tatsächlich herumzuschlagen haben, beschäftigst Du Dich völlig sachgerecht überhaupt nicht (wie hoch ist Hochhaus, was ist Viehhaltung im großen Stil und was stört daran)!
    Als bürgerliche Egoisten unterstellst Du die Insassen Deines Sozialismus, indem Du ihnen anbehauptest sie müssten aus ggf. vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen zu Sachfragen der Produktion ableiten, dass sie um ihre Lösung innerhalb Deiner Verfahren zu konkurrieren hätten.

    Welche Variante von Stuttgart-21 ist denn z.B. der verkehrte Zweck?

    Über verkehrte Zwecke hatte ich nichts geschrieben. S21 verwirklicht ein Standortprojekt f. einen Kapitalstandort. Der Streit geht darum, wie dieses Interesse am besten bedient wird, ob es nicht billiger geht usw.. Nach dieser Seite hat S21 ein spekulatives Element, da der zukünftige Kapitalstandort, zu dem es ein Beitrag sein soll u.a. durch das Projekt erst verwirklicht werden soll. Die Leute entzünden sich an diesen unter Verkehrsplanern kompromissfähigen Fragen an der Idee, dass sie in solchen Entscheidungen übergangen werden d.h. sie nehmen S21 als Fall von Misswirtschaft, in die sie ihre Lebensumstände übersetzt haben. Das hat nichts mit Ressourcenknappheit zu tun.

  113. Kim B.
    3. Oktober 2013, 08:26 | #113

    Wenn man die Ressourcen unter dem Gesichtspunkt der Knappheit betrachtet, also dem Grunddogma der kapitalistischen Reproduktion, dann wird daran eine noch nicht überwunde bürgerliche Mentalität offenbar: Es muss entweder um sie gekämpft und gestritten werden oder, in idealistischer Manier, Verlaufsformen des Zugriffs (übergeordnete Verwaltung, Regelung, Verfahrensweisen) auf sie gefunden werden, die Gewalt verhindern sollen.
    Würde man mal von diesem eher barbarischen Gesichtspunkt wegkommen und Ressourcen unter dem Gesichtspunkt der Kapazität betrachten, dann stellt sich die Frage der Gewalt gleich gar nicht. Dann will man mit diesem Bestand eine vernünftige Reproduktion in Gang setzen, dann bedenkt man Alternativen und darüber nach, wie die Produktivkräfte entwickelt werden können, um begrenzte Ressourcen zu schonen oder zu ersetzen.
    Kim

  114. Mattis
    3. Oktober 2013, 15:20 | #114

    Natürlich hat Stuttgart-21 nichts mit Ressourcenknappheit zu tun. Ein wenig mehr Abstraktionsvermögen hab ich jetzt bei dem Beispiel schon vorausgesetzt. Als ob gerade die Belastung durch Verkehrs-Infrastrukturen kein künftiges Konfliktpotential wäre, auch jenseits von Profitgründen, vielleicht sogar dann erst recht, denn heute werden ja fast alle Belastungen von den Betroffenen klaglos hingenommen.
    Die Verfahrensweisen, um zu Entscheidungen zu kommen, sind notwendigerweise abstrakt; das ist hier zwar festgestellt, aber nicht begriffen worden. Solange es konkrete Lösungen gibt – und die sind allemal vorzuziehen – braucht man die Verfahren ja auch nicht.
    Aber wenn ich das richtig sehe, habe ich bei diesem Thema hier indirekt eine seltene Einigkeit heraufbeschworen, sehe aber meine Argumente durchaus nicht widerlegt. Die gemeinsame Devise scheint zu sein: man wird sich doch wohl konkret einigen können. Schön immer da, wo es klappt, natürlich. Aber das ist mir nach wie vor zu dünn, es erscheint mir als euphorisches Pfeifen im dunklen Wald.

  115. Hans
    3. Oktober 2013, 15:21 | #115

    @Kim
    Das mit der Mentalität stimmt: Knappheitstheorien sind DIE ideologische Begleitung einer Gesellschaft, die notwendigerweise im Überfluss Nützliches vernichtet – sobald die Produkte nicht profitabel sind. Die Brille der Knappheit soll also eine menschlich geschaffene Knappheit (die der Geldwirtschaft) in ein quasinatürliches Ressourcenproblem verwandeln. Die „sozialistische“ Knappheit soll dasselbe Phänomen bebildern, lustigerweise als Fehlen von Gebrauchswerten!
    „Verlaufsformen des Zugriffs (übergeordnete Verwaltung, Regelung, Verfahrensweisen) auf sie gefunden werden, die Gewalt verhindern sollen.“
    Achwo, der Gedanke übergeordneter Mächte, die notwendig seien, will Gewalt einer Instanz zubilligen und nicht verhindern, dass es Gewalt gibt – ganz im Gegenteil: die sog. „Verlaufsformen“ von Zugriffsvorschriften usw. sind ein einziger Ruf nach Gewalt, die für die Durchsetzung angeblicher „Regelungen“ zuständig ist! Ohne Gewaltandrohung müssten die dann Zugreifenden nämlich selbst entscheiden, wie sie was „regeln“.

  116. Mattis
    3. Oktober 2013, 17:01 | #116

    @libelle:

    „Und warum genau willst Du stellvertretend für die Insassen einer freien Vereinigung von Produzenten entscheiden, wie sie ihre Differenzen bzgl Städtebau beizulegen haben?“

    Merkwürdiges Statement von dir. Als künftiger potentieller „Insasse“ (!) nehme ich mir die unglaubliche Frechheit heraus, mir ein paar konzeptionelle Gedanken dazu zu machen. Muss ich dir dafür einen proletarischen Betriebsausweis vorlegen? Wer bitte und ab welchem Zeitpunkt bitte darf sich denn von libelles Gnaden Gedanken machen?
    Jeder Gedanke, den sich hier irgendwer über eine nicht-kapitalistische Alternative macht, betrifft natürlich die Gesellschaft, damit konzeptionell eben auch die Mitglieder einer solchen Gesellschaft. Das haben auf die Gesellschaft bezogene Vorschläge meistens so an sich!
    Ist es also schon Diktatur, wenn man einen Vorschlag in die Welt setzt, der das Zusammenleben mit anderen Menschen zum Inhalt hat? Oder dürfen die künftigen „Insassen“ nur solche Konzepte formulieren, die ausschließlich für sie selbst als isolierte Individuen gelten? Was für ein Nonsense.
    Schön, dass wenigstens du zu dem ganzen Thema schweigst …, ich meine, sonst könnte ja der üble Verdacht aufkommen, du würdest irgendetwas stellvertretend für andere entscheiden wollen … z.B. dass sie auf gar keinen Fall Entscheidungsverfahren einführen sollen. – Oder darf man deine werten Kriterien nicht auf dich selber anwenden?

  117. Mattis
    3. Oktober 2013, 17:12 | #117

    @Hans

    „Ohne Gewaltandrohung müssten die dann Zugreifenden nämlich selbst entscheiden, wie sie was „regeln“. „

    Na klar, nichts als Gewaltandrohung. – Du heuchelst doch, denn wenn die Leute mal tatsächlich anfangen und „selbst entscheiden, wie sie was „regeln“ „, kommen doch sofort die Verbotsschilder: nein, so nicht, abstrakte Entscheidungsverfahren gehen gar nicht.
    Dann sag halt ehrlich: du willst solche Verfahren nicht, aus diesem und jenem Grund, aber verschanz dich nicht hinter die Leute sollen das selbst entscheiden!

  118. Krim
    3. Oktober 2013, 18:17 | #118

    „sehe aber meine Argumente durchaus nicht widerlegt. Die gemeinsame Devise scheint zu sein“ Es wurden doch hier ein paar Argumente lanciert und keine Devisen ausgegeben. Die Argumente muss du kritisieren und kannst nicht einfach sagen, dass du sie nicht für widerlegt hältst.
    „Die Verfahrensweisen, um zu Entscheidungen zu kommen, sind notwendigerweise abstrakt; das ist hier zwar festgestellt, aber nicht begriffen worden.“ Du hast das nicht begriffen. Dir ist entgegengehalten worden, dass man um zu Entscheidungen zu kommen keineswegs abstrakte Verfahrensweisen braucht. Man kann die Dinge nämlich der Sache nach beurteilen und dann ins Verhältnis zum Interesse setzen, abstrakt gesprochen. Aber mit dieser „abstrakten Verfahrensweise“ wärst du ja nicht zufrieden. Du willst ein Prozedere, das unabhängig von der Sache und den Leuten, die es betrifft, einen Sieger, einen triumphierenden Willen ermittelt. Das halte ich aber für eine gesellschaftliche Gemeinschaft für verkehrt und tendenziell zerstörerisch, weil sie Gegensätze nicht auflöst, sondern ihnen bloß eine Verlaufsform gibt.
    Und ich sag es gerne nochmal. Selbst die Wahl unterstellt die Gemeinschaft der Eigentümer und Nationalisten, sonst funktioniert sie nicht. Diese grundlegende Einigkeit kann ebenfalls nicht mit einer Verfahrensweise hergestellt werden, sondern nur durch Überzeugung der Individuen. Eine Verfahrensweise kann deshalb eh nur eine Zugabe sein zur einer inhaltlichen Willensbildung in einem kommunistischen Gemeinwesen. Darüber sollte man sich also zuletzt Sorgen machen. Eine Verfahrensweise stellt eben überhaupt keine Einigkeit her, sondern setzt sie schon voraus – immer – im Kapitalismus und im Kommunismus.
    „Ist es also schon Diktatur, wenn man einen Vorschlag in die Welt setzt, der das Zusammenleben mit anderen Menschen zum Inhalt hat?“ Kritisiert wurde der Inhalt deines Vorschlags, nicht dass du überhaupt einen Vorschlag hast.

  119. Mattis
    3. Oktober 2013, 20:06 | #119

    @Krim:

    „Kritisiert wurde der Inhalt deines Vorschlags, nicht dass du überhaupt einen Vorschlag hast.“

    Nein, du musst schon zur Kenntnis nehmen, dass ich mich auf eine Kritik von libelle bezogen habe und dieser hat mich abgesehen vom Inhalt auch formell dafür angegriffen, dass ich Vorstellungen äußere, die sich auf das Zusammenleben der Mitglieder der Gesellschaft beziehen, und dies als „stellvertretende“ Entscheidung verurteilt. Mit dieser Masche könnte ich jede – auch deine – Äußerungen zum Thema als „stellvertretende“ Entscheidung maßregeln. Dann bleibt wirklich nur noch der Universalspruch übrig, den ich aus dem marx-forum so unangenehm im Ohr habe: das entscheiden alles die Leute im Sozialismus. Das ist ein Theorieverbot. Wenn jeder zurückgewiesen wird, der konzeptionelle Vorschläge macht, mit dem sinnigen Argument, du kannst nicht für alle sprechen, die es betreffen wird, dann wird es logischerweise NIE ein Konzept geben. Bin ich im Kindergarten oder was?

    „Eine Verfahrensweise kann deshalb eh nur eine Zugabe sein zur einer inhaltlichen Willensbildung in einem kommunistischen Gemeinwesen.“

    Dann deute doch mal ein klitzekleinwenig an, wie diese „inhaltliche Willensbildung“ stattfinden kann ohne definierte Gremien und diesbezügliche Regeln. Darum drückt sich hier doch jeder, der mir widersprochen hat. Morgens versammeln sich hunderte Millionen Gesellschaftsmitglieder im Internet und besprechen tausende von Entscheidungen bis zur Einstimmigkeit? Und selbst dieses Verfahren müsste mal festgelegt worden sein. Also was nun? Ich bin bereit, dazuzulernen!
    Abgesehen davon hatte ich geschrieben:

    „Solange es konkrete Lösungen gibt – und die sind allemal vorzuziehen – braucht man die Verfahren ja auch nicht.“

  120. Mattis
    3. Oktober 2013, 20:32 | #120

    @Kim B.:

    „Würde man mal von diesem eher barbarischen Gesichtspunkt wegkommen und Ressourcen unter dem Gesichtspunkt der Kapazität betrachten, dann stellt sich die Frage der Gewalt gleich gar nicht. Dann will man mit diesem Bestand eine vernünftige Reproduktion in Gang setzen, dann bedenkt man Alternativen und darüber nach, wie die Produktivkräfte entwickelt werden können, um begrenzte Ressourcen zu schonen oder zu ersetzen.“

    Ja was denn sonst. Wir sind doch bei der Frage: wer ist dieses „bedenkt man„? Wo und wie werden denn Entscheidungen über mögliche Alternativen getroffen? Schon die Festlegung, welche Alternativen man zu einem gegebenen Zeitpunkt detaillierter erforscht, erfordert bereits einen diesbezüglichen Diskussions- und Entscheidungsprozess.

  121. Hans
    3. Oktober 2013, 21:17 | #121

    @Mattis
    wenn die Leute mal tatsächlich anfangen und „selbst entscheiden, wie sie was „regeln“ „, kommen doch sofort die Verbotsschilder: nein, so nicht, abstrakte Entscheidungsverfahren gehen gar nicht.
    Ich fange hinten an:
    1. Ganz richtig, deine abstrakten Entscheidungsverfahren „gehen nicht“, weil schon die Suche nach solchen Verfahren eine verkehrte Abstraktion ist: Entscheidungen haben einen konkreten Inhalt, der nicht mit einem Verfahren erfasst wird, sondern darunter subsumiert. Das dient nur dazu, von allen inhaltlichen Erwägungen zu abstrahieren. Krim hat das richtig ausgeführt.
    2. Wenn jemand dein Methodenideal kritisiert, ist das kein Verbotsschild, sondern der Hinweis über Verfahren von Entscheidungen noch einmal nachzudenken: du bist ja auch nicht per Münzwurf auf deine Argumente gekommen, also würde es hier schonmal nichts nützen über deine Meinung abzustimmen oder solange die Münze zu werfen, bis du gleicher Auffassung bist.
    3. Du willst immer noch Entscheidungsverfahren für FREI ERFUNDENE Entscheidungen, die nicht einmal anstehen würden, wenn es den FREI ERFUNDENEN MANGEL gäbe. D.h. hier werden Fantasiewolken ventiliert, nicht nur um spekulative „Problemlösungen“ zu präsentieren, sondern die vermeintlichen „Methoden“ sind von dir schon als sozialistischer Inhalt gedacht. Gruselig.

  122. Mattis
    4. Oktober 2013, 12:01 | #122

    @Hans:

    „Du willst immer noch Entscheidungsverfahren für FREI ERFUNDENE Entscheidungen, die nicht einmal anstehen würden, wenn es den FREI ERFUNDENEN MANGEL gäbe.“

    Du gehörst halt zur Fraktion „es wird für alles was gewünscht wird genügend Ressourcen geben“ und „man wird sich auf alles einstimmig einigen können“; wenn ich mich diesem Wunschbild anschließen würde, hätte ich das Thema Entscheidungsverfahren natürlich auch nicht.

  123. Hans
    4. Oktober 2013, 12:25 | #123

    „Du gehörst halt zur Fraktion …“
    Zerrbild raus, Schublade zu.
    Aber das Argument bleibt: Es ist ein Fehler, Verfahren für mögliche Entscheidungen eines erwünschten Gesellschaftszustands „finden“ zu wollen, nicht nur weil es spekulativ ist oder ich Ressourcen-Optimist wäre, sondern vor allem weil es sich um die Suche nach METHODISCHEN VORSCHRIFTEN für ein dafür konstuiertes Fantasieprodukt handelt. Und das Ganze soll auch noch den Zustand begünstigen, den es vorgibt vorausschauend zu regeln.

  124. Krim
    4. Oktober 2013, 13:25 | #124

    Dann deute doch mal ein klitzekleinwenig an, wie diese „inhaltliche Willensbildung“ stattfinden kann ohne definierte Gremien und diesbezügliche Regeln. Dass du nicht immer sagst, man würde sich drücken. Deute ich jetzt mal spekulativ an, damit du eine Vorstellung kriegst. Die Gremien werden sich am Zweck der kommunistischen Gesellschaft orientieren und der heißt vernünftige Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion und des Individuums. Insgesamt ein gutes Leben soll ein gutes Leben dabei rumkommen, also Organisation der Produktion so, dass die Menschen darin nicht vernutzt, vergiftet usw. werden, und für einen vernünftigen Zweck, also Produktion von Gebrauchswerten. Die Arbeitszeit muss sich in Grenzen halten, damit man das Resultat der Arbeit auch genießen kann. Denn man lebt ja nicht für die Arbeit, sondern arbeitet um zu leben.
    Die Gremien werden sich also an der Organisation der gesellschaftlichen Produktion ausrichten. Dabei muss nicht jeder alles entscheiden. Von den Leuten werden grundlegende Richtungsentscheidungen getroffen. Der Rest leitet sich daraus ab. Nicht jeder muss mit allem belästigt werden. Wie z.B. die Stadtplanung in Hamburg aussieht sollen die Hamburger entscheiden, natürlich in übereinstimmung mit der Rolle von Hamburg in der Gesamtgesellschaft z.B. soll es einen Hafen geben, weil der wichtig ist für die gesamte Gesellschaft, also können die Hamburger nicht beschließen statt Hafen einen Stadtstrand anzulegen. Der Rest ist aber ihr Bier. Oder die Stahlproduzenten, die sollen selbst entscheiden, wie sie die gesellschaftlichen Vorgaben umsetzen. Das heißt nicht, dass sie autonom sind. Natürlich müssen sie tun was von ihrer Seite erforderlich ist als Teil des gesellschaftlichen Gesamtprozesses.
    Mit anderen Worten: Es wird gar keine richtige losgelöste abstrakte politische Struktur geben. Sondern die Organisation der Gesellschaft ist die Organisation ihrer Produktion und Reproduktion.

  125. Kim B.
    4. Oktober 2013, 15:22 | #125

    @krim
    Dem, was du vorher geschrieben hast, kann ich völlig zustimmen. Würde eigentlich auch gut ins marx-forum passen, aber irgendwo habe mal gehört, dass du das nicht besonders magst.
    @mattis
    „Dann bleibt wirklich nur noch der Universalspruch übrig, den ich aus dem marx-forum so unangenehm im Ohr habe: das entscheiden alles die Leute im Sozialismus. Das ist ein Theorieverbot.“
    Zu diesen Leuten zähltest du doch auch. Und wenn möglichst im Konsens entschieden wird (ansonsten wird die Sache vertagt) kann dir wohl kaum was verboten werden.
    „Ja was denn sonst. Wir sind doch bei der Frage: wer ist dieses „bedenkt man“? Wo und wie werden denn Entscheidungen über mögliche Alternativen getroffen? Schon die Festlegung, welche Alternativen man zu einem gegebenen Zeitpunkt detaillierter erforscht, erfordert bereits einen diesbezüglichen Diskussions- und Entscheidungsprozess.“
    Natürlich Diskussions- und Entscheidungsprozess, lass’ es dabei und wir wären d’accord. Aber dir geht es eben um etwas anderes, um Verfahren und Regelungen, weil du eben meinem Argument und denen anderer nicht gefolgt bist, sondern weiter verbissen an deinem eigenartigen Menschenbild und der Vorstellung vom erbitterten Kampf um die Ressourcen festhältst. Ja natürlich sind die Ressourcen begrenzt, ja und? Falls du denkst, dass Menschen mit ein bisschen Grips, generell nicht vernünftig mit diesem Faktum umzugehen verstehen, ja dann sieht’s in der Tat zappenduster für unsere Nachgeborenen aus.
    Gruß
    Kim

  126. earendil
    4. Oktober 2013, 16:28 | #126

    Weil er hier grade so allein dasteht, erstmal ganz argumentfrei: Mattis hat im Großen und Ganzen recht. So.
    @Krim:

    Eine Verfahrensweise stellt eben überhaupt keine Einigkeit her, sondern setzt sie schon voraus – immer – im Kapitalismus und im Kommunismus.

    Ganz richtig. Wie heißt es im berühmten Böckenförde-Diktum: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Das gilt für eine kommunistische Gesellschaft genauso, auch wenn die Voraussetzungen selbstredend andere sind.
    Aber auch in einer kommunistischen Gesellschaft, die nicht die Organisation des Gegeneinanders von Klassen und Privateigentümern darstellt, sondern „die Organisation der Produktion und Reproduktion der Gesellschaft“, sind gegenläufige Interessen, die sich nicht aus gesellschaftlichen Antagonismen, sondern einfach aus unterschiedlichen Bedürfnissen speisen, nicht einfach verschwunden, und müssen über irgendwelche Verfahren ausgeglichen werden. Den kommunistischen Metakonsens, dass also ein Großteil der Leute eine auf Bedürfnisbefriedigung hin organisierte Gesellschaft will, kann nicht durch Verfahren hergestellt werden. Es ist aber gemogelt, aus diesem Metakonsens auch gleich eine Einigkeit oder problemlose Einigung bei Sachfragen abzuleiten. Wenn ich als Vegetarier keine Schweinemastanlage in meinem Wohnort haben will, bin ich deswegen ja nicht gegen die kommunistische Organisation der Gesellschaft – genauso wenig wie das diejenigen sind, die diese Anlage haben wollen. Damit man eine wie auch immer geartete Entscheidungsfindung akzeptiert, ist ja ein Metakonsens mit dem grundsätzlichen Zweck wie auch mit der Art der Entscheidungsfindung nötig. Die Art der Entscheidungsfindung leitet sich aber mitnichten umstandslos aus der Sachfrage selbst ab.
    Und noch was zu „Verfahren stellen keine Einigkeit her“: Nein, sollen sie auch nicht unbedingt. Ob da nun eine Schweinemastanlage hin soll oder nicht, darüber werden sich die Vegetarier vermutlich nicht mit den Fleischessern einig werden. Es geht bei diesen Verfahren darum, einen Ausgleich bei gegenläufigen Interessen zu erzielen, aber keine Einigkeit.
    In deinem letzten Kommentar hast du ja doch mal ein paar Gedanken über Verfahren und Strukturen gewagt, und ich denke mal, dass Mattis sich das nicht so wesentlich anders vorstellt. Ein paar entscheidende Fragen hast du aber gar nicht erst gestellt: Wie werden „grundlegende Richtungsentscheidungen“ von allen getroffen, wie werden Gremien besetzt, nach welchen Prinzipien entscheiden die usw.
    Verfahren müssen übrigens keineswegs dazu dienen, einige Willen zugunsten anderer unterzubuttern. Es sind auch Konsens- und Kompromissfindungen denkbar. Und ich meine, wo das möglich ist, sollte Konsensverfahren immer der Vorrang vor Mehrheitsentscheidungen gegeben werden. Aber auch dafür braucht man geeignete Verfahren.

  127. Mattis
    4. Oktober 2013, 16:33 | #127

    @Krim, @Kim B.:
    Das sind gutgemeinte Absichtserklärungen, aber keinerlei sichtbarer Ansatz, wie das vor sich gehen soll. Es müssen dabei doch mindestens irgendwelche Gremien und deren Kommunikation unterstellt sein, damit so eine koordinierte Planung überhaupt zustande kommen kann. Dann wären wir aber wieder in der hier unerwünschten Debatte über Verfahrensweisen – z.B. wie kommen Leute in solche Gremien etc.

  128. Mattis
    4. Oktober 2013, 16:45 | #128

    @earendil:

    „Die Art der Entscheidungsfindung leitet sich aber mitnichten umstandslos aus der Sachfrage selbst ab.“

    Ja, zum einen das, zum anderen ist es sicher auch wenig „optimierend“, für jede strittige Sachfrage vorab ein eigenes Entscheidungsverfahren zu diskutieren. Schließlich geht es da ja nicht um Leben und Tod und auch nicht um triumphale Siege über Unterlegene, wie das hier jemand wild fantasiert hat.

  129. Krim
    4. Oktober 2013, 17:37 | #129

    „Es ist aber gemogelt, aus diesem Metakonsens auch gleich eine Einigkeit oder problemlose Einigung bei Sachfragen abzuleiten.“ Das sagt ja auch niemand.
    „Wenn ich als Vegetarier keine Schweinemastanlage in meinem Wohnort haben will,“ Da wäre zu fragen, was dich daran stört, dass sie in deinem Wohnort steht. Denn den Fleischessern willst du das Schweinemästen ja nicht verbieten. Also scheint es bloß darum zu gehen, dass sie woanders entstehen soll. Aber warum? Wenn dich beispielsweise der Gestank stört, muss man eben Filter einbauen. Der vorgetragene Gegensatz ist also erstmal nur Anlass zur Nachfrage. Vielleicht kann man ihn ja ausräumen.
    „Ob da nun eine Schweinemastanlage hin soll oder nicht, darüber werden sich die Vegetarier vermutlich nicht mit den Fleischessern einig werden.“ Erstmal ist doch zu fragen, was die Vegetarier die Essgewohnheiten anderer Leute angehen. Wenn sie das unethisch finden, dürfen sie die Fleischesser ja gern davon überzeugen, davon zu lassen. Jedenfalls sollten nicht die Schweinemastanlagen dazu genutzt werden, das Vegetariertum zur gesellschaftlichen Vorschrift zu machen. Da sollte man aus Unterschieden keine Gegensätze basteln. Wenn einer Vegetarier sein will, ist das ok und wenn einer das nicht sein will auch.
    „Wie werden „grundlegende Richtungsentscheidungen“ von allen getroffen,“ Ganz normal durch Nachdenken, und abwägen der Argumente, wie man Entscheidungen eben treffen sollte.
    „wie werden Gremien besetzt,“ 1. Durch Leute, die sich Auskennen in dem Sachgebiet. 2. Wenn eine Auswahl erforderlich ist – durch Wahl oder Würfeln – ist eigentlich ziemlich wurscht wie. „nach welchen Prinzipien entscheiden die usw.“ Nach den grundlegenden Richtungsentscheidungen, die oben angesprochen sind.
    „Es sind auch Konsens- und Kompromissfindungen denkbar.“ Kompromisse findet man nicht durch ein abstraktes Verfahren, sondern durch das Diskutieren der Sache.
    “ Die Art der Entscheidungsfindung leitet sich aber mitnichten umstandslos aus der Sachfrage selbst ab.“ Die Sache ist nur die Hälfte, die andere Hälfte ist das Interesse an der Sache also das Verhältnis, das man zu ihr einnehmen will. Also e r s t objektiv beurteilen und d a n n das Interesse dazu ins Verhältnis setzen. Nicht umgekehrt die Sache aus dem Verhältnis zu ihr Ableiten. Das wäre nämlich Ideologie.

  130. 4. Oktober 2013, 17:49 | #130

    Wenn Krim so schöne Allgemeinplätzchen raushaut wie jetzt wieder:

    „Die Gremien werden sich am Zweck der kommunistischen Gesellschaft orientieren und der heißt vernünftige Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion und des Individuums.“

    mit Adjektiven, die auch der berüchtigte DGB in ähnlichem Zusammenhang gern benutzt:

    „Insgesamt ein soll ein gutes Leben dabei rumkommen“, „Die Arbeitszeit muss sich in Grenzen halten“

    (welchen Grenzen eigentlich?) dann frag ich mich immer wieder, was solche Genossen eigentlich aus all den Fetzereien der letzten Jahre zu diesen Themen mitgenommen haben, wenn dann solche lächerlichen Sentenzen rauskommen wie

    „Von den Leuten werden grundlegende Richtungsentscheidungen getroffen.“

    wo schon in so schönen Vokabeln wie „Richtungsentscheidung“ und „den Leuten“ alles platt gemacht wird, was da so dahinter stehen könnte.
    Kaum wird Krim konkret, sieht es ja ein Blinder mit dem Krückstock, daß es da Ärger geben könnte (so ähnlich, wie es ihn jetzt ja um solche Fragen auch schon gibt):

    „Wie z.B. die Stadtplanung in Hamburg aussieht sollen die Hamburger entscheiden, natürlich in Übereinstimmung mit der Rolle von Hamburg in der Gesamtgesellschaft z.B. soll es einen Hafen geben, weil der wichtig ist für die gesamte Gesellschaft, also können die Hamburger nicht beschließen statt Hafen einen Stadtstrand anzulegen.“

    Wer definiert denn dann, was „Übereinstimmung“ zu heißen hat, wenn die „Einen“ eine Hafen haben wollen, und die „Anderen“ das nicht haben wollen?
    Was hat es denn mit den „gesellschaftlichen Vorgaben“ auf sich, wenn die nur noch umgesetzt werden dürfen, aber umgestoßen kann man sie nicht mehr? Das haben doch manche noch aus der angeblichen Planwirtschaft z.B. der DDR in schlechter Erinnerung.
    Natürlich ist das alles „natürlich“ (früher sagte man zu sowas gottgegeben später dann Sachzwang):

    „Natürlich müssen sie tun was von ihrer Seite erforderlich ist als Teil des gesellschaftlichen Gesamtprozesses.“

  131. Krim
    4. Oktober 2013, 18:17 | #131

    „Wer definiert denn dann, was „Übereinstimmung“ zu heißen hat, wenn die „Einen“ eine Hafen haben wollen, und die „Anderen“ das nicht haben wollen?“ Es wird doch wohl einzusehen sein, dass die Bananen, die jeder essen will irgendwo an Land müssen. Und dann nimmt man eben die Möglichkeiten die es gibt, statt wegen drei Anwohnern, die lieber einen Stadtstrand haben wollen, einen neuen zu bauen.
    Und der Vorwurf der Abstraktheit ist eben dem Umstand geschuldet, dass „Entscheidungsverfahren“ her sollen „für FREI ERFUNDENE Entscheidungen, die nicht einmal anstehen würden, wenn es den FREI ERFUNDENEN MANGEL gäbe. D.h. hier werden Fantasiewolken ventiliert, nicht nur um spekulative „Problemlösungen“ zu präsentieren“ Solange man nicht weiß, was zu entscheiden ist, kann man auch keine Verfahren entwickeln, die darauf passen. Ich hab mich nur drauf eingelassen, um eine ungefähre Vorstellung zu geben. Abstrakt bleibt das aber n o t w e n d i g.

  132. earendil
    4. Oktober 2013, 19:46 | #132

    @Krim:

    Da wäre zu fragen, was dich daran stört, dass sie in deinem Wohnort steht.

    Das kann – jetzt mal von mir abstrahiert – ganz unterschiedliche Gründe haben: Vielleicht mag jemand den Gestank nicht, vielleicht sieht er Naturschutzbelange gefährdet, vielleicht hat er aus tierethischen Gründen generell was gegen Viehhaltung… Je nach den Gründen können Kompromisse verschieden aussehen. Nur muss man sich im Vorhinein über Verfahren zur Entscheidungsfindung einig werden und das Ergebnis davon respektieren.
    Es geht ja gar nicht darum, schon jetzt irgendwelche Verfahren für bislang imaginäre Probleme festzulegen. Sondern darum, dass man sich überhaupt klarmacht, dass es verbindliche Verfahren für Entscheidungsfindungen geben muss, und dass sich nicht alle Interessengegensätze in Wohlgefallen auflösen werden.

    „Wie werden „grundlegende Richtungsentscheidungen“ von allen getroffen,“ Ganz normal durch Nachdenken, und abwägen der Argumente, wie man Entscheidungen eben treffen sollte.

    Ich meine doch nicht, wie die Leute zu ihren Ansichten kommen, sondern wie dann eine gemeinsame Entscheidung zustande kommen soll: durch Konsensbildung, durch Mehrheitsentscheidung, durch Auswürfeln… je nachdem schließen sich weitere Fragen an.
    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich gegen Strohpuppen kämpfe, aber mir scheint gelegentlich, dass GSP-Leute oder GSP-affine Leute den Unterschied zwischen wissenschaftlichen und – in sehr weitem Sinne – politischen Fragen nicht auf dem Schirm haben. Im Gegensatz zu ersteren sind letztere keine Wahrheitsfragen, die rein argumentativ entschieden werden könnten. Ob, wo, wie ein Hafen, eine Schweinemastanlage oder ein Schwimmbad gebaut werden soll, ist keine Frage von wahr oder falsch, sondern von unterschiedlichen Bedürfnissen, für die ein Ausgleich gefunden werden muss.

    Es wird doch wohl einzusehen sein, dass die Bananen, die jeder essen will irgendwo an Land müssen. Und dann nimmt man eben die Möglichkeiten die es gibt, statt wegen drei Anwohnern, die lieber einen Stadtstrand haben wollen, einen neuen zu bauen.

    Nanu, jetzt werden doch eben mal Willen untergebuttert? Und wenn es nun hundert Leute sind, die lieber einen Stadtstrand haben wollen? Ab wievielen Leuten müssen die das nicht mehr gefälligst einsehen? Und braucht man für dieses Unterbuttern nicht schon wieder Herrschaft und Gewalt? (Ist zwar ein imaginäres Beispiel, aber wenn dann geht es bei sowas vermutlich auch eher darum, ob ein bestehender Stadtstrand zum Hafen umgebaut werden soll, als umgekehrt.)

    Solange man nicht weiß, was zu entscheiden ist, kann man auch keine Verfahren entwickeln, die darauf passen.

    Doch, man muss sogar. (Nicht jetzt, aber überhaupt.) Wie Mattis schon sagte, wäre es höchst ineffizient, vor jeder Entscheidungsfindung sich erstmal auf den Modus der Entscheidungsfindung einigen zu müssen.
    Alles in allem finde ich deine Herangehensweise hier geradezu fahrlässig naiv.

  133. Hans
    4. Oktober 2013, 21:47 | #133

    „Wie Mattis schon sagte, wäre es höchst ineffizient, vor jeder Entscheidungsfindung sich erstmal auf den Modus der Entscheidungsfindung einigen zu müssen.“

    An dieser Stelle wäre es von euch beiden interessant zu erfahren, worin eure Effizienz besteht, wenn sie nicht an den Entscheidungen gemessen wird?! Eine Effizienz neben den strittigen Entscheidungen verrät einen übergeordneten Maßstab, dem sich die Subjekte unabhängig von ihren Entscheidungen unterordnen sollen: Was ist denn für den Veganer oder für den Fleischesser effizient, wenn der jeweils andere den Münzwurf gewinnt? Für den Verlierer eines konstruierten Entscheidungsgegensatzes ist jede Entscheidungsfindung ineffizient!
    Außerdem: Wer soll denn in einer fernen Gesellschaft etwas davon haben, dass ihr heute den Münzwurf bevorzugt bei Uneinigkeiten? Warum soll die das überhaupt interessieren? Abstrakte „Entscheidungsfindung“ als Schranke für ihre effizente Umsetzung kommt dabei heraus. Und die Lösung soll sein, dass sich dieselben, die sich nicht einigen konnten, an ein abstraktes Verfahren halten, was ihr euch ausgedacht habt?
    Und schließlich: Warum soll es eigentlich nach einer (wie-auch-immer-gearteten) Umwälzung schwieriger sein, sich bei Unentschieden für Mehrheit, Münze oder Streichholz zu entscheiden? Dann weiß man doch erst, wie wichtig z.B. eine Entscheidung ist und wie man dann mit der vorfindlichen Lage umgehen möchte.

  134. Mattis
    4. Oktober 2013, 22:36 | #134

    @Hans:

    „Und die Lösung soll sein, dass sich dieselben, die sich nicht einigen konnten, an ein abstraktes Verfahren halten, was ihr euch ausgedacht habt?“

    Ich fang mal beim letzten Nebensatz an: wer sich was ausdenkt, ist doch so wurscht wie nur was. Schon wieder also dieser Anmaßungsvorwurf, libelle lässt grüßen! Ja ja, Kommunisten wollen immer, dass die Leute nach ihrer Pfeife tanzen – genau das ist im Moment dein Vorwurf.
    Deine Kapitalismuskritik hat sich auch nicht Xaver Löhner persönlich ausgedacht, ja und, ziehst du sie deshalb zurück? Wenn der deine Kritik annimmt, dann ist es seine, und wenn jemand meine oder sonstige Vorschläge für die Zukunft annimmt, dann sind es seine. Wenn man hier noch um solche Banalitäten ringen muss!
    So und jetzt zum Hauptteil des Satzes: ja, eine Portion „abstrakte“ Disziplin in Sachen Verfahren ist erforderlich. Wenn man dagegen die Entscheidungsverfahren bei jedem Thema neu diskutieren will, dann bedeutet das, dass man gar keine Kompromissbereitschaft mitbringt, sondern tricksen will, und das führt zu einer jedesmaligen Vor-Verlagerung des Streits: jede Seite wird dann solche Verfahren bevorzugen, die jeweils ihrer Position die größeren Chancen ermöglicht. Das Ergebnis wird keinen Deut besser, aber alle kommen vom eigentlichen Thema weg und sind immer gut beschäftigt.
    Ein solcher opportunistischer Geschäftsordnungszirkus ist das genaue Gegenteil eines vereinbarten Verfahrens von Gremienbildung und Entscheidungsfindung.
    Ich glaube, du hast ein Problem mit Verbindlichkeiten und verwechselst diese mit Herrschaft.

  135. Krim
    4. Oktober 2013, 23:22 | #135

    “ Nur muss man sich im Vorhinein über Verfahren zur Entscheidungsfindung einig werden und das Ergebnis davon respektieren.“ Wie soll man sich den ohne ein Verfahren der Entscheidungsfindung für ein Verfahren der Entscheidungsfindung entscheiden. Wenn man sich nur mit einem Verfahren entscheiden kann, dann kann man sich gar nicht für ein Entscheidungsverfahren entscheiden, denn um sich zu entscheiden, bräuchte man das Verfahren ja schon, das in der Entscheidungsfindung erst gefunden werden soll. Die Behauptung man bräuchte ein Verfahren zur Entscheidungsfindung ist also logisch in sich widersprüchlich. Wenn es dagegen für’s Entscheiden kein Verfahren braucht, braucht man sich auch keins ausdenken, um das Entscheiden zu gewährleisten.
    „Sondern darum, dass man sich überhaupt klarmacht, dass es verbindliche Verfahren für Entscheidungsfindungen geben muss,“ Nein, muss es überhaupt nicht, wie oben bewiesen.
    „und dass sich nicht alle Interessengegensätze in Wohlgefallen auflösen werden.“ Gegensätze lösen sich auch mit einem Verfahren nicht auf. Verfahren/Methoden produzieren bloß Gewinner und Verlierer, sonst nichts. Sie ordnen Willen unter und das ist nicht das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft. Im Gegenteil wenn einer als erstes nach Entscheidungsverfahren fragt, wenn es um Kommunimus geht, werde ich mistrauisch, dann weiß ich woher, der Wind weht. Dann wälzt einer das Problem, wie man Willen unterordnet. So ein Kommunimus wäre mit mir nicht zu haben. Der Kommunimus soll doch nicht in einer Struktur bestehen, die Willen beschränkt, sondern ein Mittel sie gemeinsam zu verwirklichen.
    „Ich meine doch nicht, wie die Leute zu ihren Ansichten kommen, sondern wie dann eine gemeinsame Entscheidung zustande kommen soll:“ Das ist ja der Fehler, dass du nicht meinst wie die Leute zu ihren Ansichten kommen. Darin besteht aber die Entscheidung inhaltlich.
    „Nanu, jetzt werden doch eben mal Willen untergebuttert?“ Klar werden Willen untergebuttert unter den Gemeinwillen der Gesellschaft. Dagegen ist nichts zu sagen, schließlich gibt es im Kommunimus keine Freiheit. Ich habe nur was dagegen, wenn man das Entscheiden durch Methoden ersetzen will, die systematisch den alleinigen Zweck haben Willen unterzubuttern. Es wird übrigens auch der Wille von Kapitalisten untergebuttert oder der Wille von Psychopathen, die es geil finden anderen das Licht auszublasen. Und es werden eben auch Leute ungebuttert, die gegen jede Vernunft die Gesellschaft zwingen wollen, einen beträchtlichen Teil der zur Verfügung stehenden Arbeitskraft (heute Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich) für einen neuen Hafen aufzubringen, damit sie ihren Stadtstrand an der Stelle des alten Hafens aufmachen können. Das geht mir jetzt wieder in Bereich Kommunisten für uneinsichtige Egomanen zu halten, damit man das Problem eines unlösbaren Willensgegensatzes bebildern kann. Auf solche Diskussionen habe ich aber keine Lust mehr.
    „Wie Mattis schon sagte, wäre es höchst ineffizient, vor jeder Entscheidungsfindung sich erstmal auf den Modus der Entscheidungsfindung einigen zu müssen.“ Ja und deshalb lässt man diesen Mumpitz am besten auch, bespricht das für und wieder und entscheidet sich dann einfach ganz ohne Verfahren.

  136. earendil
    5. Oktober 2013, 01:52 | #136

    @Hans:

    An dieser Stelle wäre es von euch beiden interessant zu erfahren, worin eure Effizienz besteht, wenn sie nicht an den Entscheidungen gemessen wird?!

    Zum Beispiel in der Zeitdauer, die gebraucht wird, um zu einer Entscheidung zu kommen? Das ist zwar weder das einzige noch das wichtigste Kriterium für eine gute Entscheidungsfindung, und das muss auch nicht technokratisch „gemessen“ werden. Aber dass diese Zeitdauer unmäßig verlängert wird, wenn jedesmal erst der Modus der Entscheidungsfindung gefunden werden muss, ohne dass dadurch die Qualität der Entscheidungsfindung steigt, liegt auf der Hand.

    Außerdem: Wer soll denn in einer fernen Gesellschaft etwas davon haben, dass ihr heute den Münzwurf bevorzugt bei Uneinigkeiten?

    Ich wiederhole: Es geht ja gar nicht darum, schon jetzt irgendwelche Verfahren für bislang imaginäre Probleme festzulegen. Sondern darum, dass man sich überhaupt klarmacht, dass es verbindliche Verfahren für Entscheidungsfindungen geben muss.
    @Krim: Du willst also Willen unterbuttern, aber keine verbindlichen, nachvollziehbaren, transparenten Verfahren dafür haben? Was unterscheidet dann zumindest aus der Perspektive der Träger der untergebutterten Willen das noch von Willkürherrschaft?
    Außerdem kennst du nur noch Leute, die sich in allen Fragen halbwegs zeitnah und vernünftig einigen können, und sowas wie Feinde der kommunistischen Gesellschaft (Egomanen, Psychopathen). Das hat schon einen Hauch Stalinismus, und dann sind wir tatsächlich an dem Punkt, den Mattis oben schon beschrieben hat.

    Ja und deshalb lässt man diesen Mumpitz am besten auch, bespricht das für und wieder und entscheidet sich dann einfach ganz ohne Verfahren.

    Ja, ganz einfach. Heidewitzka, ist das naiv!
    Das Für und Wider besprechen, das können wir hier in dieser Diskussion. Denn erstens geht es hier um Fragen, über die man sich argumentativ auseinandersetzen kann, und zweitens können wir entweder argumentativ zu einer Einigung kommen oder halt nicht. Dann diskutieren wir endlos weiter oder gehen ohne Einigung auseinander.
    Wenn es aber um die Schweinemastanlage oder was weiß ich geht, dann kann man da zwar auch bei ein paar Aspekten das Für und Wider erörtern, aber der Kern des Problems, nämlich die konfligierenden Bedürfnisse, lässt sich auf diese Weise nicht lösen. Da gibt es im Wesentlichen zwei Extreme von Lösungsvarianten: a) beide Seiten stecken zurück, und man findet einen Kompromiss, mit dem beide Seiten gleichermaßen gut leben können, oder b) eine Seite, etwa die Mehrheit, setzt sich gegenüber der anderen durch. Zwischen diesen Extremen gibt’s noch ne Menge Mischvarianten. Aber wie auch immer die Entscheidung zustande kommt, sie folgt nicht aus einer argumentativen Auseinandersetzung. Denn an unterschiedlichen Bedürfnissen kann meistens das beste Argument nichts ändern.
    Und das zweite ist, dass im Gegensatz zu uns hier bei solchen Fragen eine Entscheidung fallen muss, und zwar halbwegs zeitnah. Wenn es um den Hafen oder die Schweinemastanlage geht, können die Leute nicht einfach ohne Entscheidung auseinandergehen. Da ist es durchaus hilfreich, wenn zumindest der Modus der Entscheidungsfindung schon feststeht.
    Manchmal könnte man denken, viele, die hier diskutieren, hätten noch nie in ihrem Leben an einem Plenum teilgenommen, in Gremien mitgemacht, sich in einer Organisation engagiert oder auch nur in einer WG gelebt. Anders kann ich mir nicht erklären, woher der unerschütterliche Glaube kommt, man würde sich dann schon einfach und ganz ohne festgelegte Verfahren einigen können.
    Mit Sophistereien über eine angeblich logisch notwendige Ur-Ur-Entscheidung über Verfahren zur Entscheidungsfindung schafft man das Problem übrigens auch nicht aus der Welt. Na klar kann man auch informell zu Entscheidungen gelangen, und um überhaupt erstmal einen Modus festzulegen, muss man das sogar. (Oder man lehnt sich an schon bestehende Modi an, schließlich gibt’s ja in bescheidenem Rahmen auch heute schon Erfahrungen mit diversen verfahren.) Aber das jedesmal neu auszukaspern ist nicht so sehr sinnvoll, und eine ganze Gesellschaft ohne verbindliche Organisation und Verfahren der Entscheidungsfindung ist schlicht nicht vorstellbar.

  137. Hans
    5. Oktober 2013, 08:03 | #137

    „Ja ja, Kommunisten wollen immer, dass die Leute nach ihrer Pfeife tanzen – genau das ist im Moment dein Vorwurf.“

    Nein, du benennst Notwendigkeiten, die es nicht gibt. Wenn du die Not von Entscheidungsfindungsverfahren für Fantasieprodukte plausibel machen könntest, bräuchte niemand nach einer Pfeife zu tanzen. Wer auf den Inhalt einer Entscheidung scharf ist, denkt sich nämlich keine Verfahren aus, sondern kennt Gründe. So machst du das ja jetzt auch: Du lieferst ARGUMENTE dafür, dass Verfahren her müssten – oder willst du auch übers Abstimmen erst einmal abstimmen? (die Sheldon-Cooper-Methode: anderen ihre Entscheidung schwer machen, indem das Entscheiden immer wieder verdoppelt wird!)

    „ja, eine Portion „abstrakte“ Disziplin in Sachen Verfahren ist erforderlich. Wenn man dagegen die Entscheidungsverfahren bei jedem Thema neu diskutieren will, dann bedeutet das, dass man gar keine Kompromissbereitschaft mitbringt, sondern tricksen will“

    Das sollte gezeigt werden: Die Abstraktion, übers Entscheiden zu entscheiden (wer entscheidet DAS eigentlich?), dient der Unterordnung, sonst nichts – und die Belohnung soll sein, dass endlich das lästige Diskutieren überwunden wird. Jaja, die Flagge der Effizienz ist wohl von vorneherein eher eine der „Gremien“.

  138. Krim
    5. Oktober 2013, 10:59 | #138

    „Du willst also Willen unterbuttern, aber keine verbindlichen, nachvollziehbaren, transparenten Verfahren dafür haben?“ Nochmal das Argument: Verfahren dienen nichts anderem als der systematischen Unterordnung anderer Willen und das will ich nicht. Ich will eine gemeinsame Entscheidung herbeiführen, in der jeder individuelle Wille irgendwie zum Zug kommt. Der individuelle Wille gilt zwar nicht unbedingt gegen die Gemeinschaft aber gilt als ihr mitkonstituierender Bestandteil.
    Was helfen dem untergebutterten Willen eigentlich „verbindliche, nachvollziehbare, transparente Verfahren“? Ist sein Wille dann nicht mehr untergebuttert? Der Unterworfene weiß dann, dass er in einem „verbindlichen, nachvollziehbaren, transparenten Verfahren“ untergebuttert wurde. Da hat er was davon. Das Verfahren beweist übrigens, dass Interessen unterbuttern, der Zweck derer ist, die es benutzen wollen. Wenn das regelmäßige unterbuttern nicht vorgesehen wäre, bräuchte es auch keine Verfahrensstruktur.
    “ nämlich die konfligierenden Bedürfnisse, lässt sich auf diese Weise nicht lösen.“ Lüg doch nicht rum. Wo gibt es bei einer Schweinemastanlage sich widersprechende Bedürfnisse. Der eine will Fleisch der andere nicht. Dann produziert halt man jedem das, was er haben will. Und nochmal: deine Vegetarierideologie, die diskutierst du gefälligst nicht am Bau einer Schweinemastanlage aus. Da merkt man nämlich, dass du ein Instrument willst, die Gesellschaft für dein ideologisches Vegetariersüppchen einzuspannen und anderen den Vegetarismus vorzuschreiben. Dafür braucht es natürlich Verfahren – für’s deckeln von anderen.
    “ Da ist es durchaus hilfreich, wenn zumindest der Modus der Entscheidungsfindung schon feststeht.“ Herrgott, du willst es nicht verstehen. Nein es ist n i c h t hilfreich. An den Gegensätzen ändert ein Verfahren gar nichts.
    „Mit Sophistereien“ Klar, was dir nicht in den Kram passt, ist eine Sophisterei. Dann braucht man sich dem Argument nicht stellen, sondern kann pseudopraktisch von seinen grusligen WG Erfahrungen berichten.
    „Na klar kann man auch informell zu Entscheidungen gelangen, und um überhaupt erstmal einen Modus festzulegen, muss man das sogar.“ Aha, um Regeln festzulegen andere unterzubuttern, da ist dir die informelle Methode genehm. Ansonsten ist sie aber bäh und braucht zuviel Zeit und…
    „Aber das jedesmal neu auszukaspern ist nicht so sehr sinnvoll,“ Nochmal: Deshalb sollte man Metadiskussionen über Entscheidungsmodi auch sein lassen, sondern lieber gleich sagen was es zu sagen gibt und entscheiden.

  139. earendil
    5. Oktober 2013, 12:22 | #139

    Nochmal das Argument: Verfahren dienen nichts anderem als der systematischen Unterordnung anderer Willen und das will ich nicht.

    Das Argument ist immer noch falsch. Auch für die Berücksichtigung individueller Willen und ihr Eingehen in einen Gemeinwillen braucht man Verfahren. Die verwirklichen sich nämlich nicht naturwüchsig und von selbst.

    Ich will eine gemeinsame Entscheidung herbeiführen, in der jeder individuelle Wille irgendwie zum Zug kommt.

    Zu deutsch: Du präferierst Konsensverfahren, soweit es geht. Ich ja auch, es schließt sich halt nur die Frage an, was man macht, wenn man keinen Konsens findet.

    Was helfen dem untergebutterten Willen eigentlich „verbindliche, nachvollziehbare, transparente Verfahren“?

    Dann ist vorher klar, auf welchen Wegen er seinen Willen einbringen kann. Und wenn man sich vorher auf die Entscheidungsmodi geeinigt hat, ist es leichter, eine konkrete Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn sie einem in dem Fall nicht ganz in den Kram passt.

    An den Gegensätzen ändert ein Verfahren gar nichts.

    Natürlich nicht. Es soll auch nur ein Weg sein, mit diesen Umzugehen.

    Klar, was dir nicht in den Kram passt, ist eine Sophisterei.

    Nein, solche Ur-Ursprungs-Argumente sind nie was anderes als Sophistereien.
    Fragen der Tierethik sind also für dich reine Ideologie und haben gesellschaftlich keinen Platz. Bei entgegengesetzten Bedürfnissen findet man dagegen immer, problemlos und informell eine Einigung, abgesehen höchstens von ein paar Egomanen. Entweder alles paletti, oder Feinde der Gesellschaft.
    Übrigens, selbst für den Umgang mit tatsächlichen aktiven Antikommunisten, genauso wie mit Psychopathen etc., braucht man Verfahren, wenn das nicht in Willkür ausarten soll.

  140. Mattis
    5. Oktober 2013, 14:45 | #140

    @Hans:

    „Für den Verlierer eines konstruierten Entscheidungsgegensatzes ist jede Entscheidungsfindung ineffizient!“

    Am Beispiel geplante Hafenerweiterung gesagt: diejenigen, die dagegen sind, haben doch nicht ausgerechnet dadurch mehr Einfluss, wenn es keine Gremien und Verfahren gibt, in denen sie ihre Position überhaupt irgendwie zur Geltung bringen könnten. Oder sollen sie Blockupy spielen, Zelte aufstellen und sich mit den Bauleuten prügeln?
    Und dass du so ziemlich jeden Gegensatz „konstruiert“ nennst, zeigt mir nur wieder, dass du das Thema nicht ernst nimmst.

  141. Krim
    5. Oktober 2013, 15:05 | #141

    „Auch für die Berücksichtigung individueller Willen und ihr Eingehen in einen Gemeinwillen braucht man Verfahren.“ Nein. Willen werden nicht „berücksichtigt“. Das unterstellt nämlich schon einen Gemeinwillen, in den ein individueller einzuordnen ist. Anders: Der Gemeinwille wird gemeinsam gebildet, dadurch dass man die Sache objektiv ermittelt und dann ins Verhältnis zu den Interessen setzt. Welches Verfahren soll es dafür brauchen, außer dem sachlichen Zusammenhang, den ich im letzten Satz beschrieben habe?
    „Du präferierst Konsensverfahren,“ Ich präferieren keine Konsensverfahren, sondern du übersetzt jeden sachlichen Zusammenhang in ein „Verfahren“, weil du denkst das Verfahren sei zu allem möglichen gut.
    „Ich ja auch, es schließt sich halt nur die Frage an, was man macht, wenn man keinen Konsens findet.“ Wenn kein Konsens gefunden wird, macht man entweder nichts, oder wenn das nicht geht und eine Entscheidung getroffen werden muss, wird eben die genommen, die den meisten Konsens hat, (vorausgesetzt die Sache wurde korrekt erörtert, d.h. es geht nicht nach unsinnigem Konsens). Dann werden Willen untergeordnet. Durch ein Verfahren würde sich daran aber nicht das geringste ändern.
    „Dann ist vorher klar, auf welchen Wegen er seinen Willen einbringen kann.“ Er bringt ihn ein, indem er ihn äußert. Reicht doch. Einfach Maul aufmachen, wenn man was will, so wie sonst auch.
    „Und wenn man sich vorher auf die Entscheidungsmodi geeinigt hat, ist es leichter, eine konkrete Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn sie einem in dem Fall nicht ganz in den Kram passt.“ Nein, ist es nicht. Wieso auch? Weil die Menschen in ihrem tiefsten Innern Bürokratenseelen sind, die alles schlucken, wenn es bloß eine Regel dafür gibt. Prost Mahlzeit. Das muss man denen also auch noch argumentativ austreiben. So Zeug gehört übrigens zu den Geburtsmalen einer neuen Gesellschaft. Mag schon sein, dass manche noch in solchen alten Denkgewohnheiten festhängen. Das gilt es dann eben zu kritisieren.
    „Es soll auch nur ein Weg sein, mit diesen Umzugehen.“ Das ist doch nur für bürgerliche Charaktere ein Problem, die für alles ein Recht und eine Berufungsverhandlung brauchen.
    „Nein, solche Ur-Ursprungs-Argumente sind nie was anderes als Sophistereien.“ Das war kein Ur-Ursprungsargument. Das war die Widerlegung der Auffassung für’s Entscheiden müsste man sich auf ein Verfahren einigen. Wenn das stimmen würde, dann gäbe es dieses Verfahren nicht, weil es für die Einigung das Verfahren ja schon braucht, auf das sich erst geeinigt werden soll. Sag mal lieber ein Gegenargument, statt die Widerlegung als Sophisterei zu beschimpfen.
    „Fragen der Tierethik sind also für dich reine Ideologie und haben gesellschaftlich keinen Platz.“ Ich sag doch. Wer Tierethik diskutieren will, soll das und der soll andere von seiner Ansicht überzeugen aber er soll kein Verfahren (z.B. beim Bau einer Schweinemast) benutzen, um Fleischessern ein Vegetarierdasein zu verordnen.
    „Bei entgegengesetzten Bedürfnissen“ Nein nicht entgegengesetzt. Den Gegensatz schummelst du immer rein. Wie widerspricht sich denn ein Fleischburger und ein Vegiburger. Erklär das mal. Die Bedürfnisse sind bloß verschieden, aber ein Gegensatz kommt da doch nicht raus.
    „wenn das nicht in Willkür ausarten soll.“ Was hast du denn gegen Willkür? Kommt doch auf den Inhalt des Willens an. Außerdem hat der Vorwurf der Willkür keinen anderen Inhalt als Entscheiden ohne Verfahren. Als bürgerlicher Kampfruf wird er geständig, dass ein Wille nur dann Gültigkeit beanspruchen darf, wenn er sich an demokratische Verfahren hält.

  142. Mattis
    5. Oktober 2013, 15:09 | #142

    @Krim:

    „Wie z.B. die Stadtplanung in Hamburg aussieht sollen die Hamburger entscheiden, natürlich in übereinstimmung mit der Rolle von Hamburg in der Gesamtgesellschaft z.B. soll es einen Hafen geben, weil der wichtig ist für die gesamte Gesellschaft, also können die Hamburger nicht beschließen statt Hafen einen Stadtstrand anzulegen. Der Rest ist aber ihr Bier. Oder die Stahlproduzenten, die sollen selbst entscheiden, wie sie die gesellschaftlichen Vorgaben umsetzen. Das heißt nicht, dass sie autonom sind. Natürlich müssen sie tun was von ihrer Seite erforderlich ist als Teil des gesellschaftlichen Gesamtprozesses.“

    Man sieht doch an diesen Beispielen ganz gut, dass eine Art Bund-Länder-Kommunen-Betriebe-Gerangel entstehen dürfte, wenn die Zuständigkeiten nicht sauber geklärt und abgegrenzt sind. Gerade weil das alles zusammenpassen muss, ist es so sauschwierig. Z.B können Stahlproduzenten eben nicht „selbst entscheiden“, wie sie ihre Vorgaben (woher eigentlich?) umsetzen, denn zur Umsetzung bedarf es wiederum Maschinerie und Materialien und Zeitplanungen, die mit anderen Betrieben und Ressourcenquellen abgestimmt sein müssen, um überhaupt zu funktionieren.
    Vor jeglichem „Optimieren“, von dem so oft (zu Recht) die Rede war, steht nämlich das grundlegende „Organisieren“. Das hast du einerseits richtig benannt, wenn du schreibst:

    „die Organisation der Gesellschaft ist die Organisation ihrer Produktion und Reproduktion“

    Nur mit den Konsequenzen bzw. Vorbedingungen dafür haderst du. Also dass zu klären ist: welche Bereiche und welche Gremien und Instanzen dort haben welche Kompetenzen; da müssen also Regional- und Kommunalverfassungen konzipiert werden etc., und das schließt Verfahren der Entscheidung nun mal mit ein. Wird dieser Schritt nicht getan, ist das in der Tat „geradezu fahrlässig naiv“, wie earendil es formulierte. Der Sozialismus soll ja schließlich auch praktisch funktionieren, und nicht nur der guten Absicht nach. Aber deine guten Ansätze wirfst du gleich wieder in die Tonne. Du fahndest lieber nach üblen Hintergedanken:

    „Im Gegenteil wenn einer als erstes nach Entscheidungsverfahren fragt, wenn es um Kommunimus geht, werde ich mistrauisch, dann weiß ich woher, der Wind weht. Dann wälzt einer das Problem, wie man Willen unterordnet.“

    Weil evtl. nicht jeder bedingungslos bekommt, was er sich wünscht, sondern auch mal zurückstecken muss, weil sein Begehren überstimmt wurde, haben wir es also mit einer pösen Willensunterordnung zu tun.
    Aber dann noch einen gewaltigen (!) Schritt verrückter:

    „Klar werden Willen untergebuttert unter den Gemeinwillen der Gesellschaft.“

    Wieso eigentlich „klar“, wenn doch alles inhaltlich ausdiskutierbar ist? Kannst du auch mal ohne Extreme auskommen? Übrigens gibt es ohne Verfahrensweisen überhaupt keinen feststellbaren „Gemeinwillen“. Aber das ist dir egal, die Hauptlinie ist ja jetzt plötzlich, dass „Unterbuttern“ eigentlich gar kein Problem sei, denn:

    „Dagegen ist nichts zu sagen, schließlich gibt es im Kommunimus keine Freiheit. Ich habe nur was dagegen, wenn man das Entscheiden durch Methoden ersetzen will, die systematisch den alleinigen Zweck haben Willen unterzubuttern.“

    Dieser Klatsche kann ich als einfache Stubenfliege leider nichts mehr entgegensetzen.

    „Es wird übrigens auch der Wille von Kapitalisten untergebuttert oder der Wille von Psychopathen, die es geil finden anderen das Licht auszublasen.“

    Klar, dass die Gegner einer Hafenerweiterung ungefähr genau so teuflisch sind, auch wenn sie mit ihrer ökologischen Position gegen noch weiter zunehmende Importe vielleicht vollkommen richtig liegen!
    Kann aber nicht sein, denn Krim kennt schließlich den „Gemeinwillen der Gesellschaft“. Was nicht passt, kann also nur konterrevolutionär sein. Dann wirds halt passend gemacht, historische Vorbilder gibts dazu genug. Wie du schon eindeutig genug gesagt hast: solches Unterbuttern „entscheidet sich dann einfach ganz ohne Verfahren“.

  143. earendil
    5. Oktober 2013, 19:06 | #143

    Der Gemeinwille wird gemeinsam gebildet, dadurch dass man die Sache objektiv ermittelt und dann ins Verhältnis zu den Interessen setzt.

    Dabei kommen erstmal nur Übereinstimmungen und Gegensätze der Interessen in Bezug auf die jeweilige Sache heraus. Denn wenn die Leute die Sache in Bezug zu ihren jeweiligen Interessen setzen, werden manche feststellen, dass die Sache für ihre Interessen gut ist, andere, dass sie ihren Interessen entgegensteht, und wieder andere, dass sie ihnen egal ist. Ob da eine problemlose Einigung möglich ist oder tiefgreifendere Konflikte auftreten, ist je nach Sachlage verschieden.
    Was du beschreibst, ist also grade mal die Voraussetzung für eine Entscheidungsfindung. Aber auf welchem Wege diese nun laufen soll, bleibt weiter im Dunkeln.
    Also nicht ganz, denn:

    Wenn kein Konsens gefunden wird, macht man entweder nichts, oder wenn das nicht geht und eine Entscheidung getroffen werden muss, wird eben die genommen, die den meisten Konsens hat, (vorausgesetzt die Sache wurde korrekt erörtert, d.h. es geht nicht nach unsinnigem Konsens). Dann werden Willen untergeordnet.

    Zu deutsch: Wenn möglich, Konsensverfahren. Gelingt kein Konsens: Nichtentscheidung / Vertagung. Ist das auch nicht möglich: Mehrheitsentscheidung. Du willst also durchaus ähnliche Verfahren anwenden wie andere auch, willst aber darüber nicht reden und auch nichts festlegen.

    Er bringt ihn ein, indem er ihn äußert. Reicht doch. Einfach Maul aufmachen, wenn man was will, so wie sonst auch.

    Wenn es kein Verfahren gibt, in dem dieser geäußerte Willen sich irgendwie Geltung verschaffen kann, ist das Maulaufmachen genauso folgenlos wie heute auch. Daraus, einfach über eine Sache zu diskutieren und sein Interesse für oder gegen diese kundzutun, folgt doch noch kein Gemeinwille und keine Entscheidung!

    Die Bedürfnisse sind bloß verschieden, aber ein Gegensatz kommt da doch nicht raus.

    Es wurden jetzt schon mehrfach Beispiele für mögliche Interessenkonflikte genannt, die aus unterschiedlichen Bedürfnissen resultieren. Noch eins: Ein städtischer Marktplatz soll eventuell neu gestaltet werden. Die einen möchten ein Gebäudeensemble denkmalgerecht sanieren, die anderen schätzen dessen Denkmalwert nicht so hoch ein und wollen lieber einen Neubau, den dritten ist der Aufwand insgesamt zu groß, die wollen den Platz lieber noch eine Weile so lassen wie er ist und sich maximal mit kleineren Reparaturen begnügen.
    Ich denke mal, du findest auch hier wieder einen Weg, um die Gegensätzlichkeit der Interessen wegzudiskutieren, oder aber ein Interesse als unvernünftig oder so abzukanzeln, so dass es dann kein Problem mehr ist, dieses unterzubuttern. Das geht solange problemlos, wie es bei Diskutierkreisen bleibt und keine revolutionäre Organisation, geschweige denn eine kommunistische Gesellschaft organisiert werden muss.
    Was Schweinemastanlagen und Tierethik betrifft, mal ein vergleich, der reichlich überzogen ist, aber vielleicht verdeutlicht, dass die Sache aus Sicht von Tierschützern oder -rechtlern nicht so lapidar zu erledigen ist:
    Es gibt dann sicher auch bei einigen Leuten einen Bedarf nach Kinderpornos. Sollen sich Leute, die was dagegen haben, dann auch auf Überzeugungsarbeit beschränken, aber kein Verfahren (z.B. bei Entscheidungen zur Filmförderung) benutzen, um anderen Verzicht zu verordnen?

    Was hast du denn gegen Willkür?

    Dass sie für mich als Betroffenen nicht berechenbar ist?

    Wenn das stimmen würde, dann gäbe es dieses Verfahren nicht, weil es für die Einigung das Verfahren ja schon braucht, auf das sich erst geeinigt werden soll.

    Meine Fresse. Natürlich kann eine Entscheidung auch „einfach so“ zustande kommen, indem irgendein gängiger Modus genommen wird und niemand dagegen oder gegen die Entscheidung selbst großartig Widerstand leistet. In Notsituationen oder um Verfahren selbst festzulegen ist das manchmal auch nötig. Aber für die dauerhafte Organisation einer ganzen Gesellschaft ist das der blödeste denkbare Weg.
    Klar kann man eine Maschine auch ohne Einsatz anderer Maschinen herstellen, sonst hätte es ja nie eine Maschine gegeben. Auf Dauer ist das aber kein vernünftiger Weg.

  144. Krim
    5. Oktober 2013, 23:41 | #144

    @mattis:„Z.B können Stahlproduzenten eben nicht „selbst entscheiden“, wie sie ihre Vorgaben (woher eigentlich?) umsetzen,“ Der nächste Satz heißt: „Das heißt nicht, dass sie autonom sind.“ Gemeint war, dass Stahlproduzenten am besten wissen, wie sie ihren Produktionsprozess organisieren. Ihnen das von außen vorzuschreiben, wäre kontraproduktiv.
    „Wird dieser Schritt nicht getan“ Der Schritt wird ja auch getan und zwar dann wenn es wirklich was zu entscheiden gibt. Aber nicht dann, wenn man bloß darüber spekulieren kann, welche Probleme es irgendwann einmal geben wird. Das ist einfach vertane Zeit.
    „haben wir es also mit einer pösen Willensunterordnung zu tun.“ Versucht doch einfach mal zu verstehen, was ich schreibe ohne gleich wieder mit dem moralischen Vorwurf zu kommen. Zweck des Kommunismus ist es Bedürfnisse zu befriedigen und nicht zu beschränken, also wenn möglich keine Willensunterordnung. Andererseits ist Kommunimus nicht die Verwirklichung bürgerlicher Freiheitsideale. Der individuelle Wille muss sich natürlich daran relativieren, was die Gesellschaft als ganzes will und kann und damit hat er wenn er Kommunist ist auch kein Problem, weil die Gesellschaft tatsächlich sein Mittel ist. Im Kommunismus ist das gerade kein falsches Bewusstsein, sondern die wirkliche Stellung des Einzelnen zur Gesellschaft.
    Ich habe daher auch kein prinzipielles Problem damit, dass auch mal ein individueller Wille untergeordnet wird. Aber ich habe ein Problem damit, dass man sich jetzt Verfahren ausdenkt, wie Willen untergeordnet werden sollen. Da gehen bei mir die Alarmglocken an, weil das auf ein Vorhaben verweist, bei dem Unterordnung systematisch notwendig ist. Wozu sonst bräuchte man eine Regel, Willen unterzuordnen. Das beweist eben, dass Unterordnung regelmäßig auftreten soll.
    „Übrigens gibt es ohne Verfahrensweisen überhaupt keinen feststellbaren „Gemeinwillen“.“ Im Kapitalismus gibt es auch keine Verfahrensweise, die die Systemfrage stellt. Trotzdem gibt es den Gemeinwillen der Eigentümer. Wenn es einen kommunistischen Gemeinwillen gibt, braucht man ihn nicht mehr festzustellen.
    „Klar, dass die Gegner einer Hafenerweiterung ungefähr genau so teuflisch sind, auch wenn sie mit ihrer ökologischen Position gegen noch weiter zunehmende Importe vielleicht vollkommen richtig liegen!“ Nochmal: Das Beispiel war, dass der Hafen verlegt wird, um einen Stadtstrand aufmachen zu können. Politische Einwände werden dort diskutiert, wo sie hingehören. Wenn aber ein Hafen gebraucht wird für das Funktionieren der Gesellschaft, dann ist das ein übergeordnetes Erfordniss, dem sich Anwohner mit dem Wunsch nach einem Stadtstrand unterordnen müssen. Und ich bin mir sicher, dass auch das kein unversöhnlicher Gegensatz ist.
    „Was nicht passt, kann also nur konterrevolutionär sein.“ Nein, nicht konterrevolutionär. Kommunistisch durchdacht allerdings auch nicht. Denn dass für das Funktionieren der Gesellschaft bestimmte Einrichtungen notwendig sind, das kann man als Kommunist leicht einsehen.

  145. Krim
    6. Oktober 2013, 00:35 | #145

    @earendil: „Aber auf welchem Wege diese nun laufen soll, bleibt weiter im Dunkeln.“ Nochmal: Die bleibt notwendig im Dunkeln, weil gar nicht klar ist, um was es gehen soll. Du kannst eben kein Verfahren für hypothetisch spekulative Angelegenheiten festlegen.
    „Zu deutsch: Wenn möglich, Konsensverfahren.“ Arrh. Wie oft denn noch? Konsens ist kein „Verfahren“. Konsens ist das Wort für die Bildung eines gemeinsamen Willens.
    „Mehrheitsentscheidung.“ Nein, keine Mehrheitsentscheidung, weil es kein Verfahren ist. Mehrheitsfragen sind Machtfragen und nicht Fragen, wie man sinnvoll Bedürfnisse befriedigt. Nochmal: Verfahren führen w e g von der Sache und sie führen weg von den Interessen, h i n zu puren Macht also Unterordnungsfragen. Das ist Scheiße.
    „Wenn es kein Verfahren gibt, in dem dieser geäußerte Willen sich irgendwie Geltung verschaffen kann, ist das Maulaufmachen genauso folgenlos wie heute auch.“ Blödsinn. Das Gegenteil stimmt. In der Demokratie ist der letzte Furz einem Verfahren unterworfen, und genau dadurch bleibt der Wille folgenlos. Du darfst wählen und vor Gericht ziehen, und kannst deinen Willen überhaupt nur so äußern wie in dem Verfahren vorgesehen. Gerade das Verfahren macht den Willen folgenlos und ordnet ihn unter. Also echt. Wieso sollten Kommunisten sich ein System einrichten, indem ihre Willensäußerungen folgenlos bleiben?
    „Daraus, einfach über eine Sache zu diskutieren und sein Interesse für oder gegen diese kundzutun, folgt doch noch kein Gemeinwille und keine Entscheidung!“ Nicht für oder gegen. Ich sagte sein Interesse zur Sache ins Verhältnis setzen. Da kommt nicht nur ein Abstimmungkompatibles „für oder gegen“ heraus, sondern eine inhaltliche Stellung und die führt zu einer Entscheidung. Begründe doch mal, warum das nicht so sein soll.
    „Beispiele für mögliche Interessenkonflikte genannt, die aus unterschiedlichen Bedürfnissen resultieren.“ Das ist ja zu Auswachsen!! Liest du überhaupt was ich schreibe? Aus Unterschieden folgen keine Gegensätze.Erklär doch mal, warum das so sein soll, statt immer das selbe zu repetieren.
    „Die einen möchten ein Gebäudeensemble denkmalgerecht sanieren, die anderen schätzen dessen Denkmalwert nicht so hoch ein und wollen lieber einen Neubau, den dritten ist der Aufwand insgesamt zu groß, die wollen den Platz lieber noch eine Weile so lassen wie er ist und sich maximal mit kleineren Reparaturen begnügen.“ Das kommt drauf an. z.B. auf die zur Verfügung stehenden Mittel, den Denkmalwert, die Art des Neubaus usw.
    „Es gibt dann sicher auch bei einigen Leuten einen Bedarf nach Kinderpornos. „ Du bist ein Arschloch. Weil Kinder ungefähr das selbe sind wie Schweine oder wie soll ich das verstehen.
    „Dass sie für mich als Betroffenen nicht berechenbar ist?“ Das ist ja lächerlich. Bei der Wahl oder irgendeinem anderen Verfahren, weißt du auch nicht wie es ausgeht.
    “ Aber für die dauerhafte Organisation einer ganzen Gesellschaft ist das der blödeste denkbare Weg.“ Bisher hast du noch kein Argument anführen können, warum das ein blöder Weg sein soll, das mir eingeleuchtet hätte.
    „Klar kann man eine Maschine auch ohne Einsatz anderer Maschinen herstellen, sonst hätte es ja nie eine Maschine gegeben.“ Nein, ein Verfahren ist kein Weg eine Entscheidung produktiver zu machen, sondern sie ist ein Weg vom Inhalt dessen worüber entschieden wird zu abstrahieren und die Entscheidung in eine Macht und Unterordnungsfrage zu überführen. Nochmal: Das ist Scheiße.

  146. earendil
    6. Oktober 2013, 18:37 | #146

    Im Kapitalismus gibt es auch keine Verfahrensweise, die die Systemfrage stellt. Trotzdem gibt es den Gemeinwillen der Eigentümer. Wenn es einen kommunistischen Gemeinwillen gibt, braucht man ihn nicht mehr festzustellen.

    Es geht doch nicht um den kommunistischen Meta-Gemeinwillen, sondern um den Gemeinwillen in Bezug auf den Hafen oder eine beliebige andere Sachfrage. Wie stellt man denn da den Gemeinwillen fest? Ist das der Wille der Mehrheit, oder ein Kompromiss, den alle mittragen können, oder eine Mischung davon oder noch was anderes? Und welcher Personenkreis darf überhaupt entscheiden? Das sind doch Fragen, denen man sich mal stellen muss!

    Politische Einwände werden dort diskutiert, wo sie hingehören.

    Wo gehören sie denn hin? Warum sind politische Einwände von Sachfragen getrennt? Und hattest du nicht eben noch erklärt, es solle dann keine von den Sachfragen getrennte politische Sphäre mehr geben?

    Und ich bin mir sicher, dass auch das kein unversöhnlicher Gegensatz ist.

    Vielleicht. Aber auch versönliche Gegensätze sind Gegensätze, die irgendwie ausgeglichen werden müssen.

    Konsens ist das Wort für die Bildung eines gemeinsamen Willens.

    Ok, das beantwortet meine Frage oben schon zum Teil. Und wenn drei Leute den Konsens nicht mittragen wollen, ist das dann kein Gemeinwille mehr? Oder ab wieviel Dissens ist der Konsens kein Konsens mehr? Und was passiert dann?

    Du darfst wählen und vor Gericht ziehen, und kannst deinen Willen überhaupt nur so äußern wie in dem Verfahren vorgesehen.

    Nö, äußern darfst du deinen Willen auch außerhalb der Verfahren, interessiert dann bloß niemanden.
    Und du magst schon recht haben, dass die Verfahren im bürgerlichen Staat dazu dienen, Willen unterzubuttern. Aber weder sind sie zu diesem Zweck unbedingt notwendig (die Nazis etwa haben ja explizit so weit wie möglich auf Verfahren verzichtet), noch dienen Verfahren automatisch diesem Zweck. Wenn der Zweck im Kommunismus ein anderer ist, sehen auch die Verfahren etwas anders aus bzw. werden eben für einen anderen Zweck eingesetzt.

    Aus Unterschieden folgen keine Gegensätze.

    Nicht zwangsläufig. Bei den genannten Beispielen aber schon.

    Das kommt drauf an. z.B. auf die zur Verfügung stehenden Mittel, den Denkmalwert, die Art des Neubaus usw.

    Gut, darüber diskutiert man dann sachlich, fragt Leute, die sich damit auskennen, und auf Grundlage der vorgebrachten Argumente bilden sich die Leute dann ihre Willen. Sind wir leider immer noch nicht bei einer Entscheidung oder einem Gemeinwillen…

    Weil Kinder ungefähr das selbe sind wie Schweine oder wie soll ich das verstehen.

    Ich hab zwar extra drauf hingewiesen, dass der Vergleich ein wenig überzogen ist, aber offensichtlich hast du trotzdem nicht verstanden, worauf ich hinauswollte…
    Bekanntlich sehen manche radikalen Tierrechtler Menschen und Tiere tatsächlich auf einer Stufe. Selbst wenn man diesen (wie ich finde) Blödsinn nicht mitmacht, kann man trotzdem in Tieren was anderes sehen als Sachen. Wie auch immer, eins haben höhere Tiere und Kinder gemeinsam: Sie können ihre Interessen nicht vollumfänglich selbst vertreten. (Geht bei Kindern immer noch besser als bei Tieren, aber dennoch.)
    Versuch doch mal darauf zu antworten, ohne dich in moralistischen Ausfällen zu ergehen.

    Nein, ein Verfahren ist kein Weg eine Entscheidung produktiver zu machen, sondern sie ist ein Weg vom Inhalt dessen worüber entschieden wird zu abstrahieren und die Entscheidung in eine Macht und Unterordnungsfrage zu überführen.

    Blödsinn. Verfahren sind einfach verbindliche Regeln, wie eine Entscheidungsfindung ablaufen soll. Mit Macht und Unterordnung hat das überhaupt nix zwangsläufig zu tun. Und abstrakt sind Regeln halt naturgemäß. Es gibt auch Regeln, wie ne Podiumsdiskussion oder ein Plenum ablaufen kann. Die sind dem diskutierten Inhalt gegenüber natürlich abstrakt, stehen der Diskussion aber nicht entgegen, sondern befördern sie im Gegenteil (sofern sie vernünftig sind).

  147. franziska
    6. Oktober 2013, 19:09 | #147

    Vielleicht kann ich mal an jede Partei je eine (für mich) klärungs-orientierte Zwischenfrage stellen.
    An Mattis und earendil:
    Mattis hat oben gesagt: Die (aus dem Kapitalismus bekannten) system-bedingten Gegensätze sind verschwunden, andere könnten aber bestehen bleiben. Verstehe ich das richtig, dass eure Kommunismus-Vorstellung lautet: die KLASSEN begründende UNGLEICHVERTEILUNG von Eigentum verschwindet, aber jedes (naja, jedes erwachsene und zurechnungsfähige) Bevölkerungsmitglied hat GLEICHVIEL Bestimmungsrecht über Produktionsentscheidungen und Widmungen von Teilen des gesellschaftlichen Reichtums wie jedes andere?
    Dieselbe Frage, anders gestellt:
    Kann es sein, dass euer Kommunismusbegriff eigentlich garkeine Aufhebung dieses Eigentümer-Standpunktes (MEINE Stimme… MEIN Recht…) vorsieht?
    Frage an Krim (und ev. libelle):
    Kann es sein, dass der kommunistische Gemeinwille gerade im – allen Einzelentscheidungen vorausliegenden – Konsens der kommunistisch denkenden überwiegenden Gesellschaftsmehrheit besteht, alle anstehenden Entscheidungen NUR NOCH aufzulösen in objektiv erörterbare Sachfragen und ihren Bezug zu Bedürfnissen der Einzelnen (welch letztere nur noch unterschiedlich sein können, aber darum keine Gegensätze mehr bilden, ausser bei Knappheit, welche dann aber schon wieder das gemeinsame Bedürfnis (ev. abgestuft nach Intensität) nach deren Behebung durch (vernünftig, angemessen gleich verteilten) Aufwand an Arbeit und sonstigen Ressourcen nach sich zieht)?
    Anders gefragt:
    Ist eure Überzeugung im wesentlichen so richtig wiedergegeben: Ein vernünftiger Umgang der Einzelnen mit ihren Interessen und denen der Andern sowie mit objektiven Sachfragen (das vernünftige Beziehen der Interessen auf die gemeinsam festgestellten Sachverhalte) lässt erwarten, dass es keine Gegensätze der Art mehr gibt, dass ein Wille notwendig „untergebuttert“ wird?
    ——————–
    Anschlussfrage an Mattis und earendil: An welchen Stellen haltet ihr den Krim’schen kommunistischen Gemeinwillen für nicht ausbildbar, bzw. welche Gegensätze (wo nur ein wille sich durchsetzen kann gegen den andern) haltet ihr ev. auf Grundlage dieses Gemeinwillens immer noch für möglich?
    Anschlussfrage an Krim (und ev. libelle): Könntest du ev. noch pointierter herausarbeiten, worin der Unterschied dieser „Vorgehensweise“ (wenn sie denn richtig beschrieben wurde) gegenüber einem „Verfahren“ liegt?
    Eine Anmerkung von meiner Seite.
    Wir stossen hier in jene, wie soll ich sagen, kommunistischen Problemzonen vor, die für mich (und das gilt bereits für die Mattis/earendilschen Verfahren, wieviel mehr die natürlich von mir ebenfalls einzig befürworteten Krim/libelleschen Vorgehensweisen) die Erwartung begründen, dass niemals mit dem Übergang ganzer Gesellschaften zu solchen Praktiken zu rechnen ist. Meine letzte Frage an die Beteiligten wäre, wie sie sich das angesichts des Anspruchsniveaus der von ihnen je präferierten Verfahren bzw. Vorgehensweisen auch nur im Traum vorstellen können?

  148. Krim
    6. Oktober 2013, 19:58 | #148

    „Warum sind politische Einwände von Sachfragen getrennt?“ Die Frage, ob man der Gesellschaft den Vegetarismus verordnen soll, ist eine prinzipielle Frage. Und so eine Frage sollte auch prinzipiell entschieden werden und nicht von Vegetariern bei jedem Schweinemastbetrieb in ihrer Nähe aufgeworfen werden, bloß damit sie ihr vegetarisches gutes Gewissen betätigen können.
    „Aber auch versönliche Gegensätze sind Gegensätze, die irgendwie ausgeglichen werden müssen.“ Und am Schluss sind sie versöhnt.
    „Oder ab wieviel Dissens ist der Konsens kein Konsens mehr?“ Wenn man zu keinem Konsens kommt, dann wird man irgendeinen Umgang damit finden müssen, wenn es eine Handlungsnotwendigkeit gibt. Wenn nicht macht man gar nichts. Dieser Umgang lässt sich aber nicht abstrakt festlegen, weil er vom Problem abhängt.
    „noch dienen Verfahren automatisch diesem Zweck.“ Doch. Das ist jedenfalls meine Behauptung. Sag doch mal ein Gegenbeispiel.
    „Bei den genannten Beispielen aber schon.“ Bei Vegetariern und Fleischessern jedenfalls nicht. Außer es sind militante Vegetarier, die das Fleischessen verbieten wollen. Aus unterschiedlichen Essgewohnheiten ergeben sich keine Gegensätze.
    „Blödsinn nicht mitmacht, kann man trotzdem in Tieren was anderes sehen als Sachen.“ Sachen sind sie bloß als Eigentum. Man kann übrigens auch als Fleischesser was dagegen haben, wie mit den Tieren in kapitalistischen Betrieben umgegangen wird. Denn auch wenn sie am Schluss auf dem Teller landen, heißt das nicht, dass sie vorher eine erbärmliche Existenz haben müssen.
    „Sie können ihre Interessen nicht vollumfänglich selbst vertreten.“ Die meisten Tiere haben keine Interessen, weil sie kein Bewusstsein haben.
    „ohne dich in moralistischen Ausfällen zu ergehen.“ Das sagst ausgerechnet du, der du mit Kinderpornos ankommst. „Es gibt auch Regeln, wie ne Podiumsdiskussion oder ein Plenum ablaufen kann.“ Was meinst du? 20min Redezeit für jeden. Jeder darf seinen Gedanken zu Ende formulieren.
    „Verfahren sind einfach verbindliche Regeln, wie eine Entscheidungsfindung ablaufen soll.“ Du erzählst wieder bloß die Hälfte. Was soll denn der Zweck dieser Regeln sein? Die Regeln sollen eine einvernehmliche Entscheidung garantieren. Das können aber Regeln nicht leisten, weil sie notwendigerweise so abstrakt sind, dass sie vom Inhalt der Entscheidung nichts wissen. Also leistet ein Verfahren bloß die Produktion eines gültigen mit Macht ausgestatteten Willens und das bedeutet auf der anderen Seite die Produktion ungültiger Willen.

  149. Mattis
    6. Oktober 2013, 22:12 | #149

    @franziska:

    „Kann es sein, dass euer Kommunismusbegriff eigentlich gar keine Aufhebung dieses Eigentümer-Standpunktes (MEINE Stimme… MEIN Recht…) vorsieht?“

    Wenn das ein „Eigentümer-Standpunkt“ wäre, dann wäre allein schon die Tatsache, Bedürfnisse zu haben, ein „Eigentümer-Standpunkt“. Oder z.B. die Tatsache, dass dein Standpunkt hier deutlich als dein Standpunkt eingebracht wird …
    Die Alternative zur gleichrangigen Mitentscheidung aller ist doch entweder ein intransparentes Gemauschel, bei dem diejenigen sich durchsetzen, die sich rhetorisch oder sonstwie vorzudrängen verstehen, oder aber gleich ein Kasten- oder Ständewesen, wo jeder nur bei seinesgleichen sein Wort einbringen darf, oder eine Aristokratie der Experten, wo man die vermeintlich Wissenden gleich ganz unter sich sind. Ach ja und natürlich noch, nicht zu vergessen – die Diktatur. Die ist ja in Sachen Meinungsbildung am übersichtlichsten. Im Faschismus schließlich ist das Allgemeinwohl im Willen des Führers manifest, so dass alles, was dem Führer widerspricht, direkt wider das Allgemeinwohl steht. Alles verdammt unerfreuliche Varianten.
    *
    Zu deiner Frage nach Beispielen für Gegensätze: es sind weiter oben wirklich viele genannt worden. Verkehrslärm- und Flächenbelastung ist eines der neuralgischen Themen; dann der Streit darum, ob weniger arbeiten ok ist bei denen, die auch weniger konsumieren; dann so Sachen wie: welche Standards legt man fest zum Thema Wohnen, Verkehrs-Infrastruktur etc. Es besteht m.E. keinerlei Grund zur Annahme, dass das alles bis zur Einigkeit aller Beteiligten ausdiskutierbar wäre. In seinem vorigen Statement hat earendil das ja nochmal allgemein zusammengefasst. Dass manche Beispiele nicht ganz passend waren, ist leider wie ein Beweis gedeutet worden, dass doch alles in Harmonie auflösbar sein wird. So macht man sich weiterhin was vor.
    So und jetzt ausnahmsweise, ganz entgegen meiner Einschätzung, mal für einen Moment angenommen, dass all diese Einigkeit herstellbar wäre: dann wären die so heftig beanstandeten Verfahrensansätze ja überhaupt kein Problem, denn es würde ja ohnehin immer zum Konsens kommen, und eine Notlösung wie Abstimmung müsste niemals zum Einsatz kommen. Wozu also die ganze Aufregung? Die ganze Aufregung unterstellt nämlich sehr wohl ein ganz deutliches Gespür, dass da massenhaft Gegensätze auf die Tagesordnung kommen werden!
    *
    Zur Frage des „Übergangs“ äußere ich mich momentan überhaupt nicht mehr, weil das nur Sinn macht, wenn man eine konkretere Vorstellung von dem hat, was man erreichen will. Und da haben wir ja schon Dissens genug.

  150. Krim
    7. Oktober 2013, 01:01 | #150

    „Ist eure Überzeugung im wesentlichen so richtig wiedergegeben: Ein vernünftiger Umgang der Einzelnen mit ihren Interessen und denen der Andern sowie mit objektiven Sachfragen (das vernünftige Beziehen der Interessen auf die gemeinsam festgestellten Sachverhalte) lässt erwarten, dass es keine Gegensätze der Art mehr gibt, dass ein Wille notwendig „untergebuttert“ wird?“ Im Prinzip ja. Zu dem vernünftigen umgang des Einzelnen mit seinen Interessen gehört auch, dass er sie vernünftig ins Verhältnis zur Gemeinschaft setzt, sie also nicht verabsolutiert gegen sie, sondern sich bewusst ist, dass seine Interessen in der Gesellschaft ihr Mittel vorfinden.
    „Könntest du ev. noch pointierter herausarbeiten,“ Die Kritik an abstrakten Verfahrensweise steht eigentlich schon mehrfach pointiert da. Meine Gegenfrage wäre, was dir fehlt. Ein Verfahren schreibt eigentlich bloß die Gegensätze fest, die es gibt, löst sie aber nicht auf. Das merkt man auch an earendils Fragen und Anmerkungen. Verfahren sollen: Zeit sparen, Verlässlichkeit garantieren, Willkür verhindern, praktikabel sein, Entscheidungen herstellen, der sich alle Beteiligten unterordnen. Unterm Strich sollen die Verfahren also den Stand der Interessen festschreiben und einen herrschenden/gültigen gesellschaftlichen Willen herstellen.
    “ wie sie sich … Vorgehensweisen auch nur im Traum vorstellen können?“ Das brauche ich mir nicht im Traum vorzustellen, sondern das praktiziere ich zum Beispiel in diesem Thread, wo ich die Leute von meinen Ansichten zu überzeugen versuche.
    @mattis: „dann wären die so heftig beanstandeten Verfahrensansätze ja überhaupt kein Problem, denn es würde ja ohnehin immer zum Konsens kommen,“ Na, das ist mal ein Argument. Wenn man Verfahren nicht braucht, weil Einigkeit hergestellt wird, sind sie kein Problem. Stimmt. Wenn man sie nicht braucht, sind sie kein Problem. Bloß. Wenn man sie ohnehin nicht braucht, wieso sollte man dann Verfahren einführen.

  151. Hans
    7. Oktober 2013, 09:02 | #151

    „Die Alternative zur gleichrangigen Mitentscheidung aller ist doch entweder ein intransparentes Gemauschel, bei dem diejenigen sich durchsetzen, die sich rhetorisch oder sonstwie vorzudrängen verstehen, oder aber gleich ein Kasten- oder Ständewesen, wo jeder nur bei seinesgleichen sein Wort einbringen darf, oder eine Aristokratie der Experten, wo man die vermeintlich Wissenden gleich ganz unter sich sind. Ach ja und natürlich noch, nicht zu vergessen – die Diktatur. Die ist ja in Sachen Meinungsbildung am übersichtlichsten.“

    Hier hast du in deiner negativen Abgrenzung schön zusammengefasst, wofür solche Utopien gut sind, nämlich für Forderungen nach Verbesserung BESTEHENDER Prinzipien wie
    – Gleichheit: Gemauschel oder aristokratisches Ständewesen sollen verhindert werden, weil auch alle „sozialistischen“ Unterschiede als Konkurrenzvorteile bzw. -nachteile gedacht sind, die ausgerechnet in einer Ökonomie nach Bedarf ausgeglichen werden müssten …
    und
    – Freiheit: Wehe, die Meinungsbildung kommt zu kurz, denn das wäre Diktatur oder Faschismus, Konderpornos zu unterbinden und so zwischen vernünftige und unvernünftige Interessen einen Keil zu treiben. Darunter könnte auch insgesamt und allgemein die Effizienz leiden …
    Die Debatte über Verfahren ist dabei ein untergeordneter Gesichtspunkt, die Utopien sollen die Aufmerksamkeit von Kapitalismuskritik ablenken: Wenn lauter ausgedachte Probleme künftiger Kommunisten Thema sind, sind die realen Verhältnisse weit (genug) weg – und erscheinen fast niedlich angesichts der angedrohten Abstimmungsverfahren in spe.

  152. 7. Oktober 2013, 09:10 | #152

    Ach Hans!

    „die Utopien sollen die Aufmerksamkeit von Kapitalismuskritik ablenken: Wenn lauter ausgedachte Probleme künftiger Kommunisten Thema sind, sind die realen Verhältnisse weit (genug) weg – und erscheinen fast niedlich“

    Das wiederum wäre fast niedlich, wenn hinter der Denunziation der hiesigen Diskussionsteilnehmer als vorsätzlicher Antikommunisten (denn Kommunisten sind für dich ja nur Leute wie du und sonst niemand) nicht eine ganze Geschichte einer dementsprechenden Praxis stände. Zumindest weiß ich jetzt, daß das MfS noch lebt, wenn auch nur virtuell.

  153. earendil
    7. Oktober 2013, 09:43 | #153

    Na, das ist mal ein Argument. Wenn man Verfahren nicht braucht, weil Einigkeit hergestellt wird, sind sie kein Problem. Stimmt. Wenn man sie nicht braucht, sind sie kein Problem. Bloß. Wenn man sie ohnehin nicht braucht, wieso sollte man dann Verfahren einführen.

    Weil sich eben aller Voraussicht nach nicht immer alle Gegensätze in Wohlgefallen auflösen werden, Hergott nochmal! Und dann wird nämlich deine Verfahrenslosigkeit zum Problem, weil dann nämlich kein von allen Beteiligten akzeptierter Weg besteht, zu einer Entscheidung zu gelangen.
    Aber ich glaube, ich zieh mich jetzt mal aus der Diskussion zurück, denn imho sind inzwischen alle wesentlichen Argumente ausgetauscht, und wir kommen an der Stelle trotzdem nicht weiter. Im Unterschied zu einer Diskussion über einen Hafen oder so, wo wir an diesem Punkt ohne verbindliche Verfahren zur Entscheidungsfindung vor einem massiven Problem stehen würden, ist das hier ja auch problemlos möglich.
    Eins aber noch:

    Das brauche ich mir nicht im Traum vorzustellen, sondern das praktiziere ich zum Beispiel in diesem Thread, wo ich die Leute von meinen Ansichten zu überzeugen versuche.

    Das zeigt mir deutlich, dass ich oben nicht ausschließlich gegen Pappkameraden angeschrieben habe: Du raffst einfach den Unterschied zwischen einem Erkenntnis- und einem Entscheidungsprozess nicht.

  154. earendil
    7. Oktober 2013, 10:11 | #154

    Na gut, noch was, da Franziska explizit auch mich fragte:

    Verstehe ich das richtig, dass eure Kommunismus-Vorstellung lautet: die KLASSEN begründende UNGLEICHVERTEILUNG von Eigentum verschwindet, aber jedes (naja, jedes erwachsene und zurechnungsfähige) Bevölkerungsmitglied hat GLEICHVIEL Bestimmungsrecht über Produktionsentscheidungen und Widmungen von Teilen des gesellschaftlichen Reichtums wie jedes andere?

    Erstmal geht’s nicht nur um ungleich verteiltes Eigentum, sondern darum, dass die Gesellschaft überhaupt auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet sein soll statt auf die Vermehrung von Reichtum. Ansonsten: Ja sicher, was denn sonst? Kommunismus bedeutet m.A.n. unter anderem, dass die Bedürfnisse aller Menschen im gleichen Maße befriedigt werden. Das kann nur gewährleistet werden, wenn sich auch alle Menschen gleichermaßen an der Bildung des Gemeinwillens beteiligen können, über welches Verfahren auch immer. (Also, soweit ihnen das möglich ist – über die Befriedigung der Bedürfnisse von kleinen Kindern, Demenzkranken usw. muss dann zwangsläufig stellvertretend entschieden werden.)
    Soweit das allgemeine; ob nun immer alle Menschen entscheiden dürfen, oder nur ein bestimmter Kreis von tatsächlich von der Entscheidung Betroffenen, oder ob stärker Betroffene einen größeren Einfluss auf die Entscheidung haben sollen als weniger stark Betroffene, oder ob manche Entscheidungen lieber an Gremien delegiert werden sollten und wie diese besetzt werden sollen, das wären dann weitere Fragen. Aber auch diese Fragen scheut ja eine gewisse Fraktion von Kommunisten wie der Teufel das Weihwasser…
    Die Frage nach auch im Kommunismus voraussichtlich bestehenden Gegensätzen wurde nun schon mehrfach beantwortet.

  155. 7. Oktober 2013, 10:34 | #155

    @ earendil

    Kommunismus bedeutet m.A.n. unter anderem, dass die Bedürfnisse aller Menschen im gleichen Maße befriedigt werden.

    Da gibt es nur das grundlegende Problem, daß es überhaupt kein gemeinsames Maß zur Messung der Bedürfnisbefriedigung gibt. Drachenfliegen und Lyrikbände sind halt einfach nur verschieden.
    Wie soll denn die Zufriedenheit all der Menschen mit dem Gesamtplan festgestellt werden, wenn der nur einen Haufen inkomensurabler nützlicher Sachen und Dienstleistungen festlegt?

  156. libelle
    7. Oktober 2013, 11:07 | #156

    @franziska:
    1. Gegenfrage: Findest du es denn richtig Erwartungen über eine vernünftige Gesellschaft auszutauschen? Der Gegenstand dieser Erwartungen ist doch menschliches Verhalten im Allgemeinen, also streng genommen rassistische Spekulation. „Menschliche Beziehungen“ haben in dieser Abstraktheit keine gegensätzliche Natur.
    2. Mal angemommen es gäbe da Bedürfnisse, die einander ausschließen. Dann ist es doch eine Frage, ob die Menschen dieser vernünftigen Gesellschaft sie in gegensätzliche (d.h. um den gleichen Gegenstand konkurrierende) Interessen verwandeln. Vernünftig wäre daran nichts, weil „zu konkurrieren“ keine rationelle Art ist Bedürfnisse zu verfolgen, sondern da bewegt man sich in einem Gegensatz, den man (wegen der Konkurrenten) nicht kontrolliert! Das, was man ursprünglich mal wollte – irgendwie wegen befriedigter Bedürfnisse zufrieden in die Welt schauen – bekommt man nicht, wenn man in einen Gegensatz eintritt. Das ist das vernünftige Argument gegen die Verwandlung sich ausschließender Bedürfnisse in einen Interessengegensatz (und das ist auch eine Kritik an Kommunisten, die sie einfach nicht raffen wollen – jedenfalls nicht, wenn es um ihr Lieblingsprojekt geht.).
    edit
    3. Vernünftig, wie die Leute, die eine vernünftige Gesellschaft machen sind, wissen sie, dass ihre Bedürfnisse, die über die Grundbedürfnisse hinausgehen a) nicht vom Himmel gefallen sind und b) sie als eben die gesellschaftlichen Produkte, die sie sind von ihrer Gesellschaft leben. Also suchen sie a) nach den Quellen der gegensätzlichen Bedürfnisse und b) pflegen ihren Zusammenhang und zerstören ihn nicht, weil sie gegeneinander um sich ausschließende Bedürfnisse konkurrieren.
    edit 2: Und was soll man nun machen, wenn die Eisenbahntrassse durch das eigene Haus gehen soll? Na umziehen und sich nicht einbilden, dass die vier Wände in denen man lebt der einzige Ort sind, an dem man es auf der Welt aushalten kann.

  157. Krim
    7. Oktober 2013, 11:17 | #157

    „Du raffst einfach den Unterschied zwischen einem Erkenntnis- und einem Entscheidungsprozess nicht.“ Den Unterschied hab ich oben hingeschrieben, b e v o r du mir den Vorwurf gemacht hast, ich würde den Unterschied nicht kennen und das spricht widerum dafür, dass du ihn nicht kennst, sonst wär dir das nämlich aufgefallen. Ich schreib es aber gerne für dich nochmal hin, der du lieber Vorwürfe lancierst, statt die Sachen zu erklären. Der Unterschied besteht darin, dass im Erkenntnisprozess die Bestimmungen der Sache ermittelt werden. Im Entscheidungsprozess sind diese ermittelten Bestimmungen Voraussetzung einer vernünftigen Entscheidung, wenn diese Voraussetzungen nicht da sind dann müssen sie im Entscheidungsprozess hergestellt werden. Dann kommt aber der zweite Schritt, der den Entscheidungsprozeß vom Erkenntnisprozeß unterscheidet, nämlich das ins Verhältnis setzen der Sache zu den Interessen des Individuums und der Gesellschaft.
    So ganz interesselos ist diese Diskussion von meiner Seite auch nicht. Denn was ich hier schreibe, das habe ich zum großen Teil auf der Pfanne, das muss bloß noch serviert werden, denn gekocht in der Erkenntnisküche ist es zum großen Teil schon. Das Interesse wäre dich zu überzeugen.

  158. Mattis
    7. Oktober 2013, 12:18 | #158

    @Hans:

    „Utopien sollen die Aufmerksamkeit von Kapitalismuskritik ablenken“ …

    Und staatskritische „Seminarmarxisten“ sollen bekanntlich den Klassenkampf verhindern, behaupten gewisse Kreise. Es geht halt nichts über eine solide Verschwörungstheorie.

  159. Mattis
    7. Oktober 2013, 12:24 | #159

    @libelle:

    „Und was soll man nun machen, wenn die Eisenbahntrassse durch das eigene Haus gehen soll? Na umziehen und sich nicht einbilden, dass die vier Wände in denen man lebt der einzige Ort sind, an dem man es auf der Welt aushalten kann.“

    Was lernen wir daraus für unsere Debatte hier? Gegensätze lösen sich in Luft auf, wenn die Betroffenen sie nicht mehr als solche interpretieren. Könnte man doch gleich im Kapitalismus anwenden, oder? – Aber ich glaube, das ist tatsächlich dein Standpunkt.

  160. 7. Oktober 2013, 12:33 | #160

    libelles Beispiel hat es ja jahrzehntelang z.B. in der DDR gegeben. Da sind ganze Landschaften mit allem drum und dran, ganze Dörfer verschwunden in den Riesengruben des Braunkohletagebaus. Und da haben die SEDler den Betroffenen auch gesagt, daß sie sich ihre „Heimat“ eben knicken können und froh sein dürfen in Hoyerswerda eine Dreiraumwohnung zu kriegen als Ersatz. Mehr war eben nicht drin, aus und fertig. Jedenfalls wenn nun einmal festgelegt worden war (vom Politbüro und sonst niemandem), daß die Energieversorgung sich auf Braunkohle stützen „muß“, weil man von den sozialistischen „Brüdern und Schwestern“ in der UdSSR leider kein Öl mehr bekommen konnte, jedenfalls nicht mehr so günstig wie vorher.
    Die „vier Wände“ des Politbüros waren jedenfalls lange Zeit einer der Orte, wo es die Herren lange ausgehalten haben in ihrer kleinen Welt.

  161. Krim
    7. Oktober 2013, 12:46 | #161

    Und was ist jetzt die Kritik? Hätten sie teures Öl kaufen sollen? Oder Atomkraftwerke bauen oder eine Vier- statt einer Dreiraumwohnung als Ersatz anbieten sollen? Oder dass es ein Recht auf Heimat geben muss oder hätten die Herren des Politbüros ab und zu umziehen sollen, damit es gerecht zugeht?

  162. libelle
    7. Oktober 2013, 12:48 | #162

    @Mattis – Du darfst nicht immer alles in einen Topf werfen.

    Was lernen wir daraus für unsere Debatte hier? Gegensätze lösen sich in Luft auf, wenn die Betroffenen sie nicht mehr als solche interpretieren.

    Das Wohnbedürfnis von A und das Transportbedürfnis der Gesellschaft widersprechen sich in dem Beispiel. Einen Gegensatz müssen aber weder A, noch die Gesellschaft eröffnen, sondern sie suchen in dem Beispiel eine Konstellation, in der das Wohnbedürfnis von A und das Transportbedürfnis der Gesellschaft zum Zug kommen. Also bekommt A eine andere Wohnung angeboten. Da es in der Gesellschaft um die Befriedigung der Bedürfnisse von A geht, wird das schon kein Loch neben der Müllhalde sein.
    Ein Verfahren ginge von einem Gegensatz aus, den es über den Parteien stehend zu regeln hätte d.h. A und die Gesellschaft wären als unversöhnlich unterstellt und das Verfahren befindet dann unter höheren Gesichtspunkten inwiefern jede der Parteien ins Recht gesetzt gehört. Den Unterschied musst Du anerkennen und den ganz banalen Umstand, dass man sich angesichts dieser Bedürfnislage mal unterhalten muss und die Bedürfnislage neu zu gestalten ist, meinst Du ja nicht mit Verfahren. D.h. da wird eben wirklich nach den Möglichkeiten der Gesellschaft gefragt A anzubieten, was neben der Wohnung, in der A wohnt seinem Wohnbedürfnis entsprechen würde.
    Fragen an Neoprene:
    1) Mal angenommen, es gäbe wg. Stand der Technik nur Braunkohle als Energieträger. Wie sollte denn eine vernünftige Gesellschaft mit dem Umstand, dass dafür ein paar Dörfer weichen müssen umgehen?
    2) Was tut es für die Probleme der Leute zur Sache, ob das ZK auf einem Kohleflöz wohnt oder nicht?

  163. 7. Oktober 2013, 13:44 | #163

    Zu Krims und libelles gleichlautender erstaunter/rhetorischer Frage, was denn das Politbüro der SED der DDR hätte anders entscheiden sollen, wo „es“ doch offensichtlich gar nicht anders ging (nun gut Krim entscheidet sich nicht und redet im Konditionalis), kann ich nur wieder mal gegenhalten, daß man schon ein bornierter Realsozialist der Marke Sozialismus-in-einem-Lande-Aufbauen sein mußte, um die Politik, z.B. auch die Energiepolitik der DDR als einer der Fundamente davon als „vernünftig“ bewerten zu können.
    Habt ihr Vorzeigekommunisten/Vorzeigeantikommunisten schon mal daran gedacht, daß über das Schicksal der DDR im wesentlichen gar nicht vernünftig in Ostberlin zu entscheiden war, sondern in der Sowjetunion? Daß deren nationalistischer Kurs die „Bruder“-Staaten im RGW erst zu all diesen lausigen Ausweichaktionen „gezwungen“ hat? So wie ihr jetzt daher redet, könnte das glatt aus einer Rede von Raoul Castro zitiert sein, der bringt diese „Vernunft“ ja immer noch archetypisch auf den Punkt.
    Da paßt es dann auch, wenn es für libelle buchstäblich keinen Unterschied macht, ob ein in Wandlitz abgeschottetes Politbüro festlegt, was das Interesse der Nation ist, oder ob man die Bevölkerung wirklich fragt, was die will. Dann wäre z.B. die Urlaubsinsel des ZK wahrscheinlich schon viel früher zum Naturschutzgebiet deklariert worden.

  164. libelle
    7. Oktober 2013, 13:56 | #164

    @neoprene: Entschuldige, dass ich Deinen vorletzten Beitrag als Beitrag zur Sache interpretiert habe. Kommt nicht wieder vor.
    Zitierst Du bitte noch die Stellen aus meinen Beiträgen, in denen „DDR“ vorkommt?

  165. 7. Oktober 2013, 14:07 | #165

    Libelle, du hattest geschrieben (ja rein fiktiv, da kam bei dir formell die DDR nicht vor, soweit stimmt das schon):

    „Das Wohnbedürfnis von A und das Transportbedürfnis der Gesellschaft widersprechen sich in dem Beispiel. Einen Gegensatz müssen aber weder A, noch die Gesellschaft eröffnen, sondern sie suchen in dem Beispiel eine Konstellation, in der das Wohnbedürfnis von A und das Transportbedürfnis der Gesellschaft zum Zug kommen. Also bekommt A eine andere Wohnung angeboten.“

    Da kommt sie aber inhaltlich vor: Wie selbstverständlich gehst du eigentlich davon aus, daß die Trasse (die dein Politbüro als unumstößlich im Interesse des Fortschritts festgelegt hat) koste es was es wolle an Ärger da gebaut wird, wo das die drei Hauptarchitekten in enger Abstimmung mit dem Politbüro festgelegt hatten. Und daß sich die Bewohner der Häuschen, die da im Wege stehen, gefälligst vom Acker zu machen haben. So kriegst du Konsens natürlich immer hin!

  166. libelle
    7. Oktober 2013, 14:22 | #166

    @neoprene: Wie plant man eine Eisenbahnstrecke? Was entscheidet die Trassenführung?
    Sicher gibt es da Alternativen, aber im Vergleich zu einer Trassenänderung, die z.B. mit Mehraufwand, längeren Fahrzeiten etc… verbunden ist, ist es eben ökonomischer jemandem ein Haus irgendwohin zu bauen. Im Grundsatz muss auch der Hausbesitzer dieses Interesse haben, weil er ja eine Gesellschaft will, die effizient funktioniert.
    Was Du machst ist bürgerliche Egoisten, die ihren gesellschaftlichen Zusammenhang im Verhältnis zu ihren Interessen negativ wahrnehmen in Deinen Sozialismus projizieren und so ein Ideal zu konstruieren, nämlich Sozialismus mit bürgerlichen Menschen. Und da ist schon mehrfach gesagt: mit solchen Leuten geht keine vernünftige Gesellschaft, Sozialismus schon. Es ist Irrsinn sich Leute vorstellen zu wollen, die rücksichtslos gegen die Umstände, in denen sie leben ihre Interessen verfolgen (das ist Egoismus) und dann zu meinen, dass mit denen eine Gesellschaft ginge, in der die Bedürfnisse befriedigt werden, Das geht nicht, weil solche Leute eine einzige Verhinderung eines vernünftigen Zusammenhangs sind. Sie wollen ja nach eurer Annahme in nichts Einsicht entwickeln und dann wollt ihr trotzdem alles zu ihrem Besten regeln. Verrückt, einfach nur verrück ist das.
    Wer was festlegt habe ich auch nicht geschrieben. Lies nach.

  167. 7. Oktober 2013, 14:32 | #167

    Ich bin immer wieder baff, wenn Leute wie du – Kommunisten oder Antikommunisten ist mir dabei egal – in null-komma-nichts dabei landen, daß die Leute, die in deiner „vernünftigen“ Gesellschaft darunter inhaltlich was anderes verstehen als du (hier eben im Falle der Infrastrukur, des Verkehrswesens) die rücksichtslosen bürgerlichen Egoisten sind, während du selbstverständlich das Gemeinwohl auf deiner Fahne vor dir herträgst. Wer sich dem entgegenstellt, der kann nur „irrsinnig“ sein, so sah das auch die Psychiatrie der DDR und behandelte Dissidenten dementsprechend. Nur die haben gefälligst „Einsichten“ zu entwickeln. Bei Leuten wie dir ist sowas offensichtlich weder nötig noch drin.

  168. libelle
    7. Oktober 2013, 14:48 | #168

    Ich bin selbstverständlich Antikommunist. Die Gründe sind bekannt.
    Sonst missverstehst Du mich. Ihr nehmt etwas über die Leute an: Sie wollen nicht einsehen, dass sie z.B. ihre Wohnung wg. der Trassenführung der Eisenbahn wechseln müssen. Und dann sage ich: solche Leute, solche Egoisten kann man nur mit Gewalt beglücken und diesen Zweck sollte man sich nicht setzen.

  169. Krim
    7. Oktober 2013, 14:49 | #169

    Mensch neo. Halt dich doch einfach mal an meine obige Fragestellung: Was wolltest du eigentlich kritisiert haben? Ob es vernünftig in der DDR zuging interessiert mich im Moment gar nicht.

  170. 7. Oktober 2013, 14:56 | #170

    @ Krim

    „Ob es vernünftig in der DDR zuging interessiert mich im Moment gar nicht.“

    Dann solltest du aber keine ja wohl ernst gemeinten Fragen stellen, die Herr Mittag nicht besser hätte fragen können.
    Solange Kommunisten wie du (und andere meinetwegen auch) meinen, nur sie und ihresgleichen hätten die „Vernunft“ mit Löffeln gefressen und die „Unvernünftigen“ sind immer nur die anderen („Egoisten“), solange wird aus einer gewaltfreien Regelung der Verhältnisse sicher nichts.

  171. Krim
    7. Oktober 2013, 14:59 | #171

    „Wer sich dem entgegenstellt, der kann nur „irrsinnig“ sein, so sah das auch die Psychiatrie der DDR und behandelte Dissidenten dementsprechend.“ Du ersetzt den Nachweis eines Fehlers durch den Verweis auf die Praxis der DDR. Sag doch mal, warum es vernünftig sein soll, der Gesellschaft Rohstoffe vorzuenthalten, weil drei Hanseln auf der Lagerstätte wohnen bleiben wollen.

  172. Krim
    7. Oktober 2013, 15:03 | #172

    „Dann solltest du aber keine ja wohl ernst gemeinten Fragen stellen, die Herr Mittag nicht besser hätte fragen können.“ Auch der Herr Mittag interessiert mich nicht. Sag doch einfach mal genau, was dich an der Umsiedlung gestört hat, statt deine allgemeine schlechte Meinung über die DDR abzulassen.

  173. 7. Oktober 2013, 15:05 | #173

    Leute wie libelle wollen nicht einsehen, daß es vernünftig sein kann, z.B. auch mal eine Trassenführung der Eisenbahn wechseln zu müssen, wenn das dem Konsens dient. So wie ja auch schon heute ein seltener Vogel Verteidiger findet, die eine ICE-Trasse beeinflussen.

  174. 7. Oktober 2013, 15:21 | #174

    Krim, welch ein in der wolle gefärbter Stalinist willst du denn sein, wenn du nach all den Jahrzehnten des Realsozialismus immer noch ernsthaft fragst, was mich an Umsiedlungen wegen dem Scheiß-Braunkohletagebau gestört hat??
    Meintest du deine Fragen „Hätten sie teures Öl kaufen sollen? Oder Atomkraftwerke bauen oder eine Vier- statt einer Dreiraumwohnung als Ersatz anbieten sollen?“ nun ernst (also auf die DDR bezogen, denn nur da macht das ja so konkret überhaupt Sinn) oder was sonst wolltest du statt dessen als Antwort provozieren?

  175. Krim
    7. Oktober 2013, 15:23 | #175

    Die Frage ist doch, ob es vernünftig ist die Trasse um die Häuser herumzuführen. Eine Eisenbahnstrecke neben dem Haus ist auch nicht so prickelnd. Außerdem geht das Verlegen nicht immer, weil man sich dann möglicherweise mit einer anderen Streckenführung noch größere Beeinträchtigungen erkauft. Es plant doch keiner leichtfertig eine Trasse, die durch Häuser geht, bloß weil er das Sagen hat.

  176. Krim
    7. Oktober 2013, 15:31 | #176

    Na klar meine ich das ernst. Ist es denn besser die Gesellschaft als ganzes für die Bezahlung von teurem Öl einzuspannen, damit 50 Leute nicht umziehen müssen? Hat der Mensch ein Recht auf Heimat oder waren die Ersatzwohnungen einfach scheiße. Oder ist es ungerecht bzw. eine besondere Bösartigkeit, dass das Politbüro nicht mit umgezogen ist, obwohl sie gar nicht auf einer Rohstofflagerstätte gewohnt haben. Das sind doch total unterschiedliche Kritiken. Als Verurteilungen der DDR scheinen sie dir aber alle in den Kram zu passen, da du sie alle anführst.

  177. franziska
    7. Oktober 2013, 16:22 | #177

    Zentraler Punkt: Mit was für Leuten kann man eigentlich eigentumsfreie gemeinsame Reproduktion aufziehen? Besser noch: was für Leute werden und wollen das allenfalls tun (wohingegen die andern zurecht abwinken: das ist nichts für uns!)?
    In der Antwort spricht man nicht wirklich eine Erwartung aus, was passieren wird, sondern man sagt etwas über Anforderungen, die eine bestimmte Vergesellschaftungsform stellt – und: dass es Vernünftigen möglich ist, diese Anforderungen zu erfüllen; womit man seinen Begriff von Vernünftigkeit (wodurch auch immer gerechtfertigt) wenigstens in dieser Hinsicht näher bestimmt.
    Ich persönlich sehe mich (vernünftigerweise) zusätzlich verpflichtet, mir und andern klarzumachen, was für Typen von Erfahrungs-, also Lernverläufe (vernünftige Erfahrungsverarbeitung) nötig sind, damit Leute in den (mentalen) Zustand kommen, wo sie diese Anforderungen erfüllen. Nach meinem Sprachgebrauch habe ich (dann) damit das Kriterium erfüllt für ein nicht-rassistisches Urteil über das, was diese Leute von andern unterscheidet und was der (vernünftige, verständliche, vernünftigerweise zwingende) Grund für sein Zustandekommen war.
    Dazu aber (so wichtig es ist) später oder anderswo.
    Die bei Krim vermisste Pointierung des Unterschieds zu dem Mattis/earendil-Szenario lautet aus meiner Sicht:
    In deren Soziaismus wird es als Normalfall unterstellt, dass objektive Sachstandsurteile (incl. vernünftiger Hypothesen und als nächstes zu machender Experimente) und Bedürfnisse ununterbrochen VERMISCHT werden, in Gestalt von „Meinungen“ und „Befürwortungen“. Es scheint etwas Inhalt eines Bedürfnisses (aus Sorge, Angst, um sich oder Dinge, die einem (auf denselben haltlosen Grundlagen) wichtigsind), weil es zugleich Inhalt einer Einschätzung ist, die eigentlich hypothetischen Charakter hat und zustandekommt aus einer Mixtur aus Risiko- und Chancenschätzungen sowie „gefühlter“ Gewissheitsgrade hinsichtlich aller dabei überhaupt erwogener Alternativen (woran man denken sollte, und was erwägen, unterliegt ähnlichen Schätzungen – vor allem, wo man aufhört damit).
    Mit Leuten, die so zu objektiven Sachverhalten einerseits, und ihren Bedürfnissen (in die ständig auch ihre Risiko- und Chancen-Schätzungen und gefühlten Gewissheiten als „Ängste, Hoffnungen, Zweifel eingehen) andererseits stehen, kann man nicht eigentumsfrei vergesellschaftet sein. Anders als Mattis das oben darstellte, ist bei ihnen eben ein wenig zu viel „ihres“: Genau weil sie nicht zwischen dem, was WIRKLICH ihnen zugehört (genuine Bedürfnisse und (veränderliche) Erfahrungsstände, vernünftig verarbeitet), und Objektivem unterscheiden (und sich das für ihre Schätzung der „Berechtigtheit“ der Ängste, Hoffnungen, Zweifel anderer fortsetzt) – genau darum wollen sie Einfluss und Eigentum, wo eben dieses vermeintlich „Ihre“ Geltung hat. Zur Not, um nicht ganz untergebuttert zu werden, gleichviel wie jeder andre, mit dem sie sich dann bei aller und jeder Frage zusammentun können, um sich (gemeinsam) durchzusetzen.
    Was Krim und libelle derzeit noch nicht gesagt haben, ist die (nicht schnell zu gebende) Antwort auf die Frage, wie eigentlich ein Nachvollzug gesellschaftlich verfügbaren Wissens durch ALLE Betroffene (die Abtrennung des Relevanten vom Indifferenten bzw Delegierbaren) unter Bedingungen modernen Wissenserwerbs aussehen kann.
    Und: Wie man genuine Bedürfnisse ermittelt, bei sich wie andern. Ist ja keine Selbstverständlichkeit, angesichts von deren Dauer-Missachtung unter heutigen Lebensbedingungen.

  178. Krim
    7. Oktober 2013, 17:41 | #178

    „In deren Soziaismus wird es als Normalfall unterstellt, dass objektive Sachstandsurteile (incl. vernünftiger Hypothesen und als nächstes zu machender Experimente) und Bedürfnisse ununterbrochen VERMISCHT werden,“ Du meinst hoffentlich earendil und Mattis mit „deren“. Denn ich habe ja ausgeführt, dass sich das bei mir nicht vermischt, sondern dass Entscheiden und Beurteilen zwei paar Dinge sind und dass Entscheiden, eine korrekte Beurteilung der Sache zur Grundlage hat. Überhaupt wird das Erarbeiten von korrekten Urteilen über alles mögliche in der Gesellschaft am besten als getrennte Sphäre organisiert, damit man korrekte Urteile zur Verfügung hat, wenn es an das Entscheiden geht.
    “ wie eigentlich ein Nachvollzug gesellschaftlich verfügbaren Wissens durch ALLE Betroffene (…) unter Bedingungen modernen Wissenserwerbs aussehen kann.“ Da gibt es viele Möglichkeiten, die individuell unterschiedlich sein können. Der GSP veröffentlicht zum Beispiel Protokolle der Jour Fixe oder Jour Fixe selbst. Es sind auch Blogs und Foren denkbar. Vorträge und als Ergänzung Termine in denen alles nochmal diskutiert wird. Natürlich Schriften und Publikationen der unterschiedlichsten Art.
    Eigentlich sind das Schulungen ohne Notenkonkurrenz als Zweck.
    „Wie man genuine Bedürfnisse ermittelt“ Wozu soll das gut sein? Man wird sich wohl kaum mit genuinen Bedürfnissen begnügen wollen. Nur ursprüngliche Bedürfnisse zu erfüllen, ist mehr oder weniger ein Notprogramm.

  179. franziska
    7. Oktober 2013, 17:48 | #179

    Natürlich waren Mattis und earendil gemeint.
    Genuine, dh „wirkliche“ Bedürfnisse. Also eben nicht mit Risiko-/Chancen/Gewissheitsschätzungen vermischte Sorgen und Wünsche. Die dafür um so dringlicher „gespürt“ und geltend gemacht werden.

  180. Mattis
    7. Oktober 2013, 18:50 | #180

    @libelle:

    „Und was soll man nun machen, wenn die Eisenbahntrassse durch das eigene Haus gehen soll? Na umziehen und sich nicht einbilden, dass die vier Wände in denen man lebt der einzige Ort sind, an dem man es auf der Welt aushalten kann.“

    Die Tonart ist es hier, die mir nicht passt und die, so formuliert, gar keine einvernehmlichen Lösungen sucht, sondern nach dem Motto verfährt „stellt euch nicht so an“.
    Nicht dass eine Gesellschaft völlig ohne die eine oder andere Zumutung an ihre Mitglieder auskommen könnte, ist dabei mein Standpunkt (genau solchen Harmonie-Idealismus habe ich kritisiert – und bin dafür angegangen worden!).
    Dein jüngster Hinweis auf angemessene Entschädigungen bzw. Ersatzbeschaffungen hört sich da schon besser an.

  181. 7. Oktober 2013, 19:41 | #181

    „Die Tonart ist es hier, die mir nicht passt und die, so formuliert, gar keine einvernehmlichen Lösungen sucht, sondern nach dem Motto verfährt „stellt euch nicht so an“.“

    Was Mattis hier festhält, das ist mir auch schon ein paar mal aufgestoßen. Das Verrückte an diesen Streitereien ist dabei, daß es nun wirklich rein virtuelle Sachen sind. Schon jetzt, wo Einfühlungsvermögen, Verständnisbereitschaft, Offenheit für Alternativen jeglicher Art, Geduld beim Ausdiskutieren, der Wille, es an diesem Streitpunkt doch nicht gleich knallen zu lassen, usw. doch buchstäblich umsonst zu haben wären, selbst hier versteigen sich manche auf Positionen, die im Ernst, darauf wurde ja mehrfach hingewiesen, recht gewaltsame „Lösungen“ finden könnten. Von Harmonie-Idealismus jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.

  182. earendil
    7. Oktober 2013, 21:21 | #182

    Von Harmonie-Idealismus jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.

    Doch, im Sinne von nichts wissen wollen bzw. nicht zulassen wollen von Konflikten. Der neueste Dreh dabei sind ja die „wirklichen“ oder „genuinen“ Bedürfnisse. Ob das Bedürfnis, in seinem Heimatdorf wohnen zu bleiben, statt in eine Ersatzwohnung in der nächsten Stadt zu ziehen, wohl als „genuin“ durchgeht? Und wer entscheidet das?
    Krims und Franziskas Kommunismus geht offenbar nicht nur nicht mit kapitalistischen Konkurrenzmonaden, sondern überhaupt nur mit Superaltruisten, die ihre Bedürfnisse umgehend an denen aller anderen Menschen relativieren. Da scheint mir Libelles Position noch am stringentesten, die gleich alle praktischen Versuche, zum Kommunismus zu gelangen, ablehnt. Warum sie sich dann überhaupt Gedanken um eine kommunistische Gesellschaft macht, ist mir ein Rätsel. (Ist aber ein anderes Thema.)

  183. Krim
    7. Oktober 2013, 23:24 | #183

    Das „stellt euch nicht so an“ geht doch eigentlich nicht an die theoretisch Betroffenen, sondern an euch, dir ihr alles in einem unversöhnlichen Gegensatz enden lassen wollt. Als wollte irgendjemand Leute vor die Tür setzen, als würde es drum gehen die Leute zu schädigen. Die sollen in dem Beispiel bloß umziehen und bekommen dafür natürlich jede Hilfe.
    „Der neueste Dreh dabei sind ja die „wirklichen“ oder „genuinen“ Bedürfnisse.“ Das habe ich oben schon kritisiert.
    „die gleich alle praktischen Versuche, zum Kommunismus zu gelangen,“ Unterordnungsverfahren sind praktischer bloß für die Gewinner. Wenn das Praktische darin besteht, dass alle Mitglieder der Gesellschaft „Konkurrenzmonaden“ bleiben können, dann bleibe ich in der Tat auch lieber unpraktisch.

  184. libelle
    8. Oktober 2013, 09:25 | #184

    … noch nicht gesagt haben, ist die (nicht schnell zu gebende) Antwort auf die Frage, wie eigentlich ein Nachvollzug gesellschaftlich verfügbaren Wissens durch ALLE Betroffene (die Abtrennung des Relevanten vom Indifferenten bzw Delegierbaren) unter Bedingungen modernen Wissenserwerbs aussehen kann.

    Ich verstehe die Frage nicht. Der Umstand, dass „die Gesellschaft“ bzw. ein Ausschnitt davon die eigenen Lebensbedingungen ausmacht generiert ersteinmal das Bedürfnis darüber auch bescheidzuwissen. Das gilt auch für bürgerliche Verhältnisse, nur sind es die gefassten und damit gesetzten Interessen in der bürgerlichen Gesellschaft, die Teile der Lebensbedingungen als Gegenstand des Wissens als unnütz für die Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen ausblenden.
    Bestimmt sich eine Gesellschaft „vernünftig“ sind die Interessen genauso Gegenstand des Wissens, wie die durch sie hervorgebrachten Lebensbedingungen d.h. man betrachtet den Ausschnitt der Gesellschaft, von dem man betroffen ist umfassend (und wechselt ihn auch mit der Betrachtung).
    Die Angebotsseite meinst Du ja vermutlich nicht (das Wissen muss verfügbar sein, man muss die Muße haben es sich anzueignen etc…)

    Und: Wie man genuine Bedürfnisse ermittelt, bei sich wie andern. Ist ja keine Selbstverständlichkeit, angesichts von deren Dauer-Missachtung unter heutigen Lebensbedingungen.

    Die Sache mit den genuinen Bedürfnissen halte ich für problematisch. Es geht um das Verhältnis der Bedürfnisse zum Zweck einer Gesellschaft frei von Antagonismen. Es gibt Bedürfnisse, die man sich eben nicht als Zweck setzen kann, ohne Gegensätze zu anderen Menschen zu eröffnen – und die gehören aussortiert. Das meint nicht, dass sie verboten werden sollen, sondern, dass Bedürfnisse im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Grundlagen entstehen.

  185. 8. Oktober 2013, 12:39 | #185

    ja, libelle, so wird es schon sein:

    „Es gibt Bedürfnisse, die man sich eben nicht als Zweck setzen kann, ohne Gegensätze zu anderen Menschen zu eröffnen – und die gehören aussortiert.“

    Nur ist das doch widersprüchlich: Entweder Leute haben nun mal diese problematischen Bedürfnisse entwickelt und beharren drauf, dann gibt es den Ärger oder sie schminken sich das wieder ab, „sortieren“ das bei sich wieder aus und schwenken wieder auf Konsenskurs ein.
    Oder meinst du sogar, daß es neben, über oder gegen die Menschen eine Institution geben müsse, die dafür sorgt, daß das, was sich nicht „gehört“, von Amts wegen sozusagen, „aussortiert“ wird, also verbindlich als nicht zu befriedigen festgelegt wird?
    Was soll der recht diffuse Nachsatz, „dass Bedürfnisse im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Grundlagen entstehen“? Das wird ja wohl so ungefähr für alle Bedürfnisse gelten, die ein moderner Mensch so entwickeln kann. Jedenfalls hat man damit noch nichts zu den potentiellen Gegensätzen gesagt, die damit im Einzelfall verbunden sein können.

  186. libelle
    8. Oktober 2013, 13:59 | #186

    Du darfst nicht durchstreichen, dass eine Gesellschaft, unter der die Leute nicht leiden eben eine ist, in der es keine Antagonismen gibt. Will man so eine Gesellschaft, muss man die Leute für dieses Projekt gewinnen. Menschen, die soetwas einrichten, reflektieren dann ihre Bedürfnisse auf dieser gesellschaftlichen Grundlage und sortieren selbstverständlich Ideen aus, die ihr widersprechen (z.B. Einkommen durch Verfügung über Produktionsvoraussetzungen erzielen zu wollen, oder Sex auch gegen den Willen des dafür vorgesehenen Menschen machen zu wollen etc…).
    Bei den Bedürfnissen gibt es m.E. immer 2 Wege, wie sie entstehen – entweder notwendig, als Ergebnis der gesellschaftlichen Stellung der Leute (z.B. Repräsentation) oder eben auch zufällig. Und die zufällige Seite ist auch in einer Gesellschaft, in der es kein Eigentum gibt vorhanden und da sortieren die Leute die nicht passenden Bedürfnisse tatsächlich aus, wie sie es vorher gesellschaftsweit getan haben, wennl sie sich z.B. dem Projekt Gesellschaft frei von Antagonismen angeschlossen haben.
    Diffus ist das nur für jemanden, der eine Mechanik erwartet, die Leute in „kommunistische Bahnen“ lenkt. Nein – es bleibt immer ein Erklären, Nachdenken, zur bewusst gewollten Gesellschaft ins Verhältnis Setzen.

  187. 8. Oktober 2013, 14:26 | #187

    Es ist ein bißchen tautologisch, libelle, wenn du schreibst,

    „Menschen, die soetwas einrichten, reflektieren dann ihre Bedürfnisse auf dieser gesellschaftlichen Grundlage und sortieren selbstverständlich Ideen aus, die ihr widersprechen“.

    Interessant (für diese Diskussion) ist doch folgende Situation:
    Menschen, die meinetwegen sogar schon in einer vernünftigen Gesellschaft groß geworden sind, entwickeln Bedürfnisse, von denen sie persönlich meinen, das die partout befriedigt gehören, meistens geht es dann ja jetzt schon gar nicht um individuell zu befriedigende Bedürfnisse, sondern um „Größeres“, Allgemeinverbindlichkeit Beanspruchendes. Die sortieren das dann ganz selbstverständlich überhaupt nicht aus ihrem Sortiment der Wünsche, sondern pochen mehr oder weniger lautstark darauf, das die anderen das auch so einsehen sollen wie sie. Das müssen dann auch beileibe nicht nur „zufällige“ Sachen sein, sondern das kann dann schon ins Grundlegendere gehen. Mit manchen „Naturschützern“ hätte ich es jedenfalls dann wahrscheinlich genausoschwer wie jetzt auch schon.

  188. libelle
    8. Oktober 2013, 14:42 | #188

    Bei den Naturschützern musst Du eben diskutieren, in welchem Verhältnis man zu Natur steht (Lebensgrundlage). Das hat auch subjektive Seiten und da kann man unter dem Fällen einer Eiche schon mal leiden, aber nochmal: Der Naturschützer ist auch jemand, der in diesem hypothetischen Fall eine vernünftige Gesellschaft will und dem musst Du dann Deine Gründe vorbringen, warum die Eiche gefällt werden muss. Und das alles findet nicht auf der Grundlage wie im Kapitalismus statt, dem die Natur Mittel zur Kapitalakkumulation ist, und dessen Naturschützer ihre Interessen gegen die Gesellschaft durchsetzen müssen, weil die Natur auch objektiv als Lebensgrundlage der Leute zerstört wird, sondern auf der, dass die Natur in einer vernünftigen Gesellschaft schon auf dem sachlich bestimmbaren Niveau als Lebensgrundlage der Leute gepflegt und erhalten wird.
    Da tragen beide Seiten (Naturschützer und Holzfäller) ihren Konflikt ausgehend von einem Ausgangspunkt aus, in dem sie sich grundsätzlich einig sind, sich nur bei der Eiche scheiden und beide wissen, dass sie mit der Radikalisierung ihrer Zwecke letztendlich ihren gesellschaftlichen Zusammenhang zerlegen, oder wenigstens belasten.
    Aber selbstverständlich kann man sich auch Naturschützer vorstellen, mit denen eine vernünftige Gesellschaft nicht geht, weil sie die Benutzung der Natur als Lebensgrundlage unterbinden wollen. Das sind die radikalisierten Typen, die der Kapitalismus hervorbringt und die gegen die Naturzerstörung in dieser Gesellschaft die Natur als Wert einwenden, der nicht verhandelbar ist. Aber da ist man wieder an dem Punkt, dass mit Bürgern eben keine vernünftige Gesellschaft geht, gleich welchem Lager dieser Gesellschaft sie entstammen

  189. earendil
    8. Oktober 2013, 15:20 | #189

    … sondern auf der [Grundlage], dass die Natur in einer vernünftigen Gesellschaft schon auf dem sachlich bestimmbaren Niveau als Lebensgrundlage der Leute gepflegt und erhalten wird.

    Ja, auf diesen allgemeinen Ausgangspunkt werden sich die meisten wohl schon einigen können. Die Konflikte entstehen dann, wenn es etwas konkreter wird, wenn es um Prioritäten geht, wenn die Frage ist, ob die Straße oder die Feuchtwiese jetzt wichtiger ist. Darüber kann es nämlich auch bei grundsätzlicher Einigkeit über die Natur als Lebensgrundlage heftige Differenzen geben. Der Konflikt rührt in dem Fall dann weniger von unterschiedlichen Bedürfnissen als von unterschiedlichen Ansichten. Die kann man dann zwar sachbezogen und argumentativ diskutieren, aber ob man – oder gar alle Beteiligten – damit zu einer Einigung kommt, ist nicht sicher. Ich würde halt gern eine Gesellschaft haben, in der man auch dann zu einer Entscheidung kommt, wenn diese Einigung in der Sache nicht hergestellt werden kann. Das muss übrigens nicht unbedingt eine Mehrheitsentscheidung sein, man kann auch versuchen, einen Kompromiss zu finden, ohne dass eine inhaltliche Einigung hergestellt werden muss.

  190. Mattis
    8. Oktober 2013, 15:29 | #190

    @libelle:

    „Aber da ist man wieder an dem Punkt, dass mit Bürgern eben keine vernünftige Gesellschaft geht, gleich welchem Lager dieser Gesellschaft sie entstammen“

    Es sind nicht immer nur die „Bürger“, nicht an allen Verhaltensweisen ist der Kapitalismus schuld, auch wenn er gewisse Mentalitäten wie Opportunismus und Ego-Trips auf die Spitze treibt.
    Man sehe sich uralte Stammesgemeinschaften im Regenwald an, da kannst du jede Menge Verhaltensweisen studieren, die von „Marxisten“ als „spezifisch bürgerlich“ definiert werden. Auch unter diesem Blickwinkel ist von Euphorien bezüglich des sozialistischen Gemeinwesens zu warnen.

  191. 8. Oktober 2013, 15:33 | #191

    @ earendil

    „Die Konflikte entstehen dann, wenn es etwas konkreter wird, wenn es um Prioritäten geht,“

    und zwar in praktisch allen wichtigen Bereichen: Arbeitszeitaufwand, Investitionsquote, Rüstungshaushalt, Revolutionsexportförderung, Forschungsschwerpunkte usw. Da gibt es durch die Bank in ganz breiten Bereichen kein „richtig“ oder „falsch“, sondern das könnte man eben so oder anders machen, ohne das so machen zu „müssen“.

  192. franziska
    8. Oktober 2013, 17:41 | #192

    Meine Bemühungen, die strittigen Positionen aufeinander zu beziehen und den entscheidenden Punkt des Gegensatzes herauszuarbeiten, scheinen wirkungslos zu verpuffen. Das liegt daran, dass die Kategorie des Subjektiv/Objektiv-vermischenden Verhältnisses zur Welt (grob ist es übrigens der Standpunkt: die Welt ist mein Mittel – all mein Handeln ist ein Versuch herauszufinden, WIE WEIT sie das ist; davon war anderswo schon die Rede) sich in der Alltagserfahrung der hier Schreibenden offenbar nicht genug herausgehoben hat, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    Das könnte daran liegen, dass ihr eigenes Entscheiden (noch immer) massgeblich von dieser Art Stellung zur Welt bestimmt wird.
    Dieser scheinbar vom Gesellschaftlichen und Politischen wegführende Punkt ist, wenn ich rechthaben sollte, die Basis zum Verständnis der Kategorie „eigen, Eigentum“, oder des Willens dazu. Diese meine Ableitung dieses Willens aus einer KOGNITIVEN Grundeinstellung widerspricht leider auch noch gewissen Tendenzen in den Darstellungen von libelle (von Krim ist mir als Äusserung zu diesem Thema nur ein achtloses „um so schlimmer für diese Leute (wenn die sich bei allem und jedem so verhalten)“ im Ungarn-thread bei Nestor erinnerlich.) Libelles Darstellung benennt als Ursprung des „interessierten Denkens“ – womit nicht besonders bestimmt, aber irgendwie doch die selbe Richtung wie mein sog. „vermischenden Urteilen“ gewiesen sein könnte – immer eine existierende gesellschaftliche Norm oder Praxis, an der sich die in in die Gesellschaft Hineinwachsenden orientieren. Libelle interessiert sich offenbar wenig für die Gründe, aus denen sich diese Norm bzw. Praxis gesellschaftsweit derart stabil erhält: Die Stabilität soll womöglich (oder etwa nicht, libelle?) schon dadurch gewährleistet sein, dass beinah alle es so halten. Als könnten sie auch ganz andere Praktiken haben, Hauptsache: gesellschaftlich durchgesetzt.
    Superaltruisten? Die freiwilligen Mitglieder einer eigentumsfreien Assoziation à la Krim/libelle scheinen doch vor allem super-rational zu sein. (Erneut weise ich drauf hin, dass es sinnvoll sein kann, sich genauer anzusehen, wie eigentlich NICHTrationales „Entscheiden“ funktioniert. Ich habe versucht, eine Beschreibung davon zu liefern.)
    Der sog. Altruismus erklärt sich dann mit folgenden (allerdings genauer zu erörternden) quasi subsidiär nacheinander eintretenden Standpunkten:
    a) das Maximum: die „genuinen“ („unvermischten“) menschlichen Bedürfnisse stiften keine Gegensätze (das wäre jedenfalls meine Position (vielleicht ist Krims Position eine ähnliche). Sie einsichtig zu machen bedarf aber recht aufwendiger Begründungen);
    b) libelles hilfsweises Submaximum: eventuelle Gegensätze (wechselseitige Ausschlüsse von Befriedigung) auszuräumen, hat in einem rationellen Vergesellschaftungszustand für alle OBERSTE Priorität, vor Befriedigung der Bedürfnisse;
    c) Neoprenes Indifferenz: hier gilt banalerweise, was indifferent ist, kann unter Vernünftigen keinen Streit verursachen.
    Das Billige all dieser formellen Prinzipien liegt auf der Hand, es gilt auch für die Gegenseite. Wenn man hier weiterkommen möchte in Richtung nicht-trivialer Behauptungen, müsste man, so denke ich, einmal danach fragen, inwieweit Praxis PRINZIPIEN-geleitet sein kann. Die (entlang der Prinzipien-Hierachie) fortschreitende Verständigung innerhalb der rationalen (daher eigentumsfreien) Assoziation würde nämlich nicht in immer wieder bei jedem einzelnen Anwendungsfall neu einsetzendem Herumdebattieren bestehen. Sondern in der fortschreitenden Präzisierung, nach welchen Grundsätzen und Regeln man (egal wer) in dieser Assoziation anfallende Probleme löst bzw. Entscheidungen fällt. Dh diese Leute kennen auf allen RELEVANTEN (das zu bestimmen, gehört zu ihren wichtigsten Aufgaben) Entscheidungsebenen die Praxis ihrer Assoziation, haben sie geprüft und stimmen den geltenden Regeln zu. Auch hier zeigt sich die KOGNITIVE Ausrichtung von Voraussetzungen funktionierender eigentumsfreier Verhältnisse.
    Oder, wei ich es in meinem persönlichen Jargon ausdrücke: Die („Lern“)Regeln des (praktischen) Umgangs mit und reagierens auf (Un)Wissen und (gezieltem, ungezieltem und unfreiwilligen) Wissenserwerb werden geteilt.
    Anmerkung 1.
    Man kann mir da, ähnlich wie bei den „Bedürfnissen“, den Vorwurf machen, dass dies alles einmal viel genauer ausgeführt gehörte, bevor man sich auf diese Art Überzeugung überhaupt einlassen kann. Das ist richtig. Dies auszuführen und darüber gemeinsam nachzudenken, würde, wenn die Überzeugung rechthat, sogar das Eintreten in die Vorbereitungen des eigentumsfreien Zustands bedeuten.
    Aber dasselbe kann man die Mattis-Fraktion fragen. Was macht ihr jetzt eigentlich mit euerm Standpunkt? Arbeitet ihr die Verfassungen der kommunistischen Pendants von Gebietskörperschaften aus? Was heisst es denn, dass man kein „Improvisationskunstwerk“ will, sondern „eine Art Grundlagenforschung“ für eine „sozialistische (Gesellschafts)Architektur“? (alle Zitate entnommen aus Beiträgen von Mattis drüben im Räte-thread)
    Ich für meine Seite wiederhole: Die wichtigsten Regeln für gesellschaftlichen Umgang mit Unwissen und bestehendem Wissen sowie mit Wissenserwerb auf ALLEN relevanten (es bleibt zu bestimmen, welche das sind) Gebieten müssen ermittelt, vernünftig begründet, und als begründete zuverlässig gemeinsam eingesehen sein.
    Das ist offensichtlich eine andere „Art von „Grundlagenforschung“ (Mattis), als die von Mattis angestrebte.
    Anmerkung 2.
    Es ist wenig sinnvoll, wenn kulturell NOCH primitivere Lebensformen als die bürgerlichen herangezogen werden, um das Überdauern von kulturellen Atavismen als anthropologische Konstante zu erweisen. Wenn das so weitergeht, ist die Debatte über Biologismen und Rassismen (die die Tatsache des zumindest kulturellen (Dazu)Lernens und die Möglichkeit aufholbarer historischer Zurückgebliebenheit leugnen) doch noch zu führen.

  193. Krim
    8. Oktober 2013, 18:05 | #193

    Verstehst du meine Kritik an den genuinen Bedürfnissen nicht oder warum gehst du darauf nicht ein. Auch Steinzeitmenschen befriedigten ihre genuinen Bedürfnisse. Das ist aber nicht das was ich will. Ein bisschen mehr darf es schon sein. Was soll denn die Trennung? Die Annehmlichkeiten, die eine kommunistische und sogar kapitalistische Gesellschaft hervorbringt, wieso sollte man die von den genuinen Bedürfnissen abtrennen. Zumal ich gar nicht einsehe, wieso Bedürfnisse die eine kommunistische Gesellschaft zu befriedigen in der Lage ist, Gegensätze heraufbeschwören sollten.
    „Die wichtigsten Regeln für gesellschaftlichen Umgang mit Unwissen und bestehendem Wissen sowie mit Wissenserwerb auf ALLEN relevanten (es bleibt zu bestimmen, welche das sind) Gebieten müssen ermittelt,“ Dafür braucht es keine Regeln. Wenn jemand etwas nicht weiß, dann erklärt man es ihm. Wenn Wissen fehlt, dann forscht man bis man es weiß. Mehr „Regel“ braucht es nicht.

  194. franziska
    8. Oktober 2013, 19:11 | #194

    Genuine Bedürfnisse hatte ich definiert (und damit ausdrücken wollen, dass hiermit eine terminologische Präzisierung für Zwecke der Verständigung hier vollzogen werden sollte): es geht um Bedürfnisse, die nicht den Charakter von Ängsten, Hoffnungen, (emotional aufwühlenden) Zweifeln, ich könnte noch hinzufügen: auch enttäuschten Hoffnungen (Depressionen) oder Süchten (gegen ihr Scheitern aufrechterhaltene Hoffnungen und Erwartungen) haben.
    All das kann nämlich auch „Bedürfnischarakter“ annehmen, und seinen Besitzer dazu veranlassen, von andern Berücksichtigung bzw. Verständnis zu fordern. Kann er haben, aber nicht im Rahmen eigentumsfreier gemeinsamer Reproduktion mit MIR, denn ich halte solche Leute für permanente „Gegensatz“-Ursachen. ICH jedenfalls sortiere solche (von mir nach dem eben festgelegten Sprachgebrauch so getauften) „nichtgenuinen“ Bedürfnisse schon von mir aus aus meinem Leben möglichst aus. Und bleibe dabei: Alle andern Bedürfnisse (und Leistungsgrenzen, sollte man vielleicht hinzufügen) sind nicht Ursachen von Gegensätzen.
    Forschen kostet. Eine (mindestens) modern operierende eigentumsfreie Assoziation kann mit Fug und Recht im wesentlichen als eine Forscher- undn Entwickler-Gesellschaft bezeichnet werden. Da will ich mit den Beteiligten verständigt sein, worüber vorrangig geforscht wird und warum. Damit wir uns unterwegs nicht ständig streiten.
    Wir müssen das nicht hier machen, wo sogar noch DIESE banale Anfangs-Orientierung nicht Konsens-fähig zu sein scheint. Aber irgendwann schon.. jedenfalls vor Gründung einer Assoziation, der ICH angehören will, würde das so gemacht. Gibts was dagegen einzuwenden, Krim?

  195. fakeraol
    8. Oktober 2013, 20:34 | #195

    Zuerst müssen sich die Menschen mal darüber klar werden, was “wählen” bedeutet:
    es bedeutet, die “Stimme”, also das Recht, zu entscheiden, abzugeben.
    es bedeutet, die Stimme in eine “Urne” zu werfen (daß der Zusammenhang zum Tod nicht an den Haaren herbeigezogen ist, sieht man regelmäßig am Widerspruch zwischen den (Wahl)versprechen, für die man gestimmt hat und der dann tatsächlich umgesetzten Politik).
    es bedeutet, zu legitimieren, den Politikern einen Freibrief auszustellen (“freies Mandat”) und sich damit vorauseilend mit allem einverstanden zu erklären, was dann entschieden wird.
    es bedeutet, mit dem Einsatz von Uran-Munition im Kosovo-Krieg einverstanden gewesen zu sein,
    es bedeutet, damit einverstanden zu sein, daß die Zukunft der eigenen Kinder möglicherweise eine ist, wie die der ehem. Bewohner des Todesstreifens um Fukushima, die trotz Evakuierung jetzt massiv mehr Krebserkrankungen haben.
    es bedeutet, mit dem Tod jedes einzelnen Kindes einverstanden zu sein, das in Basra oder Falludscha jetzt als lebensunfähige Kreatur mit schwerstewn Missbildungen geboren wird, und mit dem Leid der Mütter, die ihre Babys sterben sehen.
    Niemand kann sich damit herausreden, nicht gewusst zu haben, daß Wahlversprechen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.
    Niemand kann sich damit herausreden, vorher nicht gewusst zu haben, was die Politiker an Grausamkeiten beschließen werden, was für Fehlentscheidungen sie absegnen werden, und daß sie die letzten Reste von “Demokratie” mit weiteren Notstands- und Überwachungsgesetzen auch noch zu Makulatur machen werden.
    Nach 60 Jahren westlicher “Demokratie” weiß jeder Wähler, daß Politiker lügen. Wer heute seine Stimme abgibt, legitimiert, und er tut es in dem Bewusstsein, belogen zu werden und zugestimmt zu haben zu allem, worunter denn nicht nur die Nichtwähler in seinem Land, sondern Menschen weltweit leiden werden.
    Der Wähler legitimiert, und er ist damit direkt und persönlich verantwortlich für alle Verbrechen, die in seinem Namen begangen werden.
    „Wählen“ kann ich erst, wenn ich eine Wahl habe, nicht zwischen verschiedenen Opportunisten, die „nur ihrem Gewissen“ Eigeninteresse verpflichtet sind, sondern zwischen verschiedenen Optionen von SACHFRAGEN.
    freie Menschen in freien Vereinbarungen statt einer Diktatur der (angeblichen – CDU 2013 = 29% der Stimmen aller Wahlberechtigten) „Mehrheit“ über die „Minderheit“

  196. cyn0x
    8. Oktober 2013, 22:04 | #196

    Die Wahlen werden nicht legitim durch die Anzahl der Wähler, sondern sind es qua Verfahren. Wähle ich LINKE, dann stärke ich die einzige ansatzweise antikapitalistische Kraft und niemand hindert mich deswegen weiterhin für den Kommunismus zu agitieren. Nichtwählen wird von vielen auch als Zufriedenheit(!) interpretiert. Sonst könne man ja wählen, eigene Partei gründen usw. Nichtwählen sei „aus Zufriedenheit entstandene Apathie“ (Michael Eilfort, Politikwissenschaftler). Auch die Nichtwählerstudie der CDU-Stiftung meint, man brauche sich um Nichtwähler nicht kümmern, weil die nunmal keinen Einfluss auf Ergebnis haben.

  197. Krim
    8. Oktober 2013, 22:56 | #197

    „es geht um Bedürfnisse, die nicht den Charakter von Ängsten, Hoffnungen, (emotional aufwühlenden) Zweifeln, ich könnte noch hinzufügen: auch enttäuschten Hoffnungen (Depressionen) oder Süchten (gegen ihr Scheitern aufrechterhaltene Hoffnungen und Erwartungen) haben.“ Ok. Das ist zwar immer noch ein wenig vage, aber du stellst dir was anderes vor als ich befürchtet habe. Also trifft meine Kritik hier nicht. Enttäuschte Hoffnungen sind ja eigentlich eine Sache die im Kapitalismus zu hause sind.
    „Gibt’s was dagegen einzuwenden, Krim?“ Nein.
    @cynOx: „Die Wahlen werden nicht legitim durch die Anzahl der Wähler, sondern sind es qua Verfahren.“ Hm. Legitim heißt einfach rechtmäßig, dem Recht gemäß. Interessanter ist doch zu fragen, warum sie funktionieren. Sie funktionieren, weil sich die Teilnehmer an Wahlen im Zweck einig sind. Es soll ein Führung für die Nation ermittelt werden, die diese Nation möglichst erfolgreich managt.
    @fakerol: „es bedeutet, zu legitimieren, den Politikern einen Freibrief auszustellen (“freies Mandat”) und sich damit vorauseilend mit allem einverstanden zu erklären, was dann entschieden wird.“ Das klingt ein wenig nach einem Blankocheck. Stimmt auch. Nur wird in der Wahl entschieden, w e m der Blankocheck überreicht wird. Es wird über Alternativen in Form von Parteien entschieden die Nation zu führen.

  198. Hans
    9. Oktober 2013, 07:50 | #198

    @cyn0x
    „Wähle ich LINKE, dann stärke ich die einzige ansatzweise antikapitalistische Kraft und niemand hindert mich deswegen weiterhin für den Kommunismus zu agitieren.“
    1. Dass die Linken etwas gegen Kapitalismus hätten, ist ein Irrtum. Die ersten Sätze ihres Wahlprogramms 2013:
    „Soziale Gerechtigkeit ist das Programm der LINKEN. Vor der Wahl und nach der Wahl, in den Parlamenten und in Auseinandersetzungen im Betrieb, auf der Straße, in Initiativen, im Alltag: Wir wollen Armut beseitigen und Reichtum umverteilen.“
    Die wollen explizit kapitalistischen Reichtum und die zugehörige Armut beaufsichtigen – nur mit anderem Verteilerschlüssel! Dass die ein paar Wirkungen vom Kapitalismus bedauern und sich zum Anwalt der Armen küren, ist die besondere Note für ihr kapitalistisches Gemeinwesen zu werben. Mit „Anti-“ haben die abgeschlossen – weswegen sie sich wundern über mangelnde Anerkennung ihrer nationalen Tauglichkeit und ihren Kollegen „Ausschließeritis“ vorgeworfen haben.
    2. Dass Antikapitalisten niemand am Agitieren hindern würde, stimmt auch nicht. Wer gegen die FDGO Argumente vorbringt, wird von staatlichen Organen beobachtet, gemeldet und verfolgt. Auch diese Instanzen erhalten in Wahlen eine Legitimation, genauso wie Kriege und Sozialkürzungen – das Wählen immer nur bei ausgewählten Punkten für folgenlos zu halten, ist gemogelt.

  199. libelle
    9. Oktober 2013, 08:30 | #199

    @franziska: Antwort kommt später.
    @earendil, mattis
    Im Fall der Feuchtwiese und der Straße wäre herauszufinden, was genau das Bedürfnis danach ausmacht. Grundsätzlich kann man sich widersprechende Bedürfnisse nicht ausschließen, das habe ich oben schon geschrieben. Und dann muss selbstverständlich eine Seite oder beide Seiten auf ihr Bedürfnis oder Teile davon verzichten.
    Ihr wollt immer etwas darüber loswerden, wie dieser Verzicht für den Fall, dass er als unausweichlich ermittelt worden ist stattfindet. Da reicht es euch nicht festzustellen, dass er stattfinden muss, sondern für euch begründet das die Notwendigkeit eines Entscheidungsverfahrens und das unterstellt ersteinmal, dass beide Seiten (Freunde der Feuchtwiese und Freunde des besseren Transports) trotz des Umstandes, dass sie die Unvereinbarkeit ihrer Bedürfnisse festgestellt haben auf ihrem Anliegen beharren.
    1.) So ein Entscheidungsverfahren ist auch nichts weiter als eine gewisse Art Logik, die dafür sorgt, dass ein Anliegen zur Geltung kommt und das andere nicht. Frage: Warum sollen die Leute diese Logik nicht als Argument einsehen können und sei es nur den Umstand, dass die Entscheidung dringlich ist und getroffen werden muss? In der Forderung nach so einem Verfahren traut ihr ihnen das nicht mehr zu! Und das ist dann (jedenfalls für mich) der Beweis, dass ihr in eurer Sozialismusvorstellung mit lauter Leuten zu tun habt, denen die Vernunft unabhängig von ihrem Denken durch ein Verfahren aufgezwungen werden muss. Und dagegen habe ich mehrfach eingewendet: mit solchen Leuten, die ihr der Anschauung heutiger Verhältnisse entnommen habt (wo sonst solltet ihr die Erfahrung auch her haben), geht keine vernünftige Gesellschaft.
    2.) Umgekehrt werden beide Parteien (Freunde der Feuchtwiese und Freunde des verbesserten Transports) doch in der Diskussion der Unvereinbarkeit ihrer Bedürfnisse gewahr und dann werden sie, so sie sich ihres Zusammenhangs bewusst sind ihre Bedürfnisse darauf reflektieren und von ihnen zurücknehmen, was sich damit nicht verträgt (wenn es soetwas gibt z.B. wollen die Freunde der Feuchtwiese ja auch ihre Verteilstellen beschickt haben).
    3.) Drittens passt der verbleibende Rest nicht zu den Menschen dieser Gesellschaft. Sie gehören in dieser Frage nicht zusammen und wenn das (damit wären wir wieder bei 1.)) sich auf existenzielle Fragen der Gesellschaft erstreckt, dann kann es diese Gesellschaft nicht geben d.h. die Leute erfüllen die Voraussetzungen dafür nicht. Und das gilt mit oder ohne Verfahren, denn warum sollte man, wenn man die Trockenlegung einer Feuchtwiese nicht einsieht das Verfahren einsehen, mit dem das durchgesetzt wird?

  200. 9. Oktober 2013, 09:01 | #200

    @ libelle
    So algebraisch kann ich da eigentlich nur zustimmen, zentral dein Ausgangspunkt

    „Ihr wollt immer etwas darüber loswerden, wie dieser Verzicht für den Fall, dass er als unausweichlich ermittelt worden ist stattfindet. Da reicht es euch nicht festzustellen, dass er stattfinden muss.“

    bzw. deine Schlußfrage

    „warum sollte man, wenn man die Trockenlegung einer Feuchtwiese nicht einsieht das Verfahren einsehen, mit dem das durchgesetzt wird?

    Womit wir auch wieder beim Ausgangspunkt der jetzigen Wahlen wären:
    Wenn die Leute sich grundsätzlich einig wissen, dann können sie wählen oder das wählen lassen, dann kommt eben grundlegend raus, was sie wollen und die kleinen Unterschiede interessieren nicht besonders. Andersrum andersrum: Wenn es wirklich ums Eingemachte geht, dann hilft es der Vereinheitlichung der Willen überhaupt nichsts, daß die kontroverse Entscheidung per Wahl im Sinne des einen oder des anderen antagonistischen Lagers gefällt wird.

  201. cyn0x
    9. Oktober 2013, 09:23 | #201

    @Hans:
    Was genau soll dass denn bringen, wenn möglichst wenige zur Wahl gehen und ab wieviel Prozent soll die Legitimität weg sein? Bei der letzten Europawahl warn es historisch niedrige 43%, in den USA teilweise noch geringer, also nicht mal mehr die Mehrheit. Das hat noch keinen Politiker gestört seinen Sozialabbau durchzusetzen. Meint ihr bei 30% werden die alle zu Kommunisten oder was? Wenn de Politik meint sie bräuchte unbedingt mehr Wahlbeteiligung gibt es immer noch das Mittel der Wahlpflicht. Da is mir doch lieber die Leute wählen sich gleich ne sozialistische Regierung wie in Venezuela.
    Die LINKEN wollen umverteilen, was auch völlig richtig ist, solange wir im Kapitalismus leben. Dennoch denkt sie mit Wirtschaftsdemokratie & co auch über den Kapitalismus hinaus:
    „Wir wollen die Klassengesellschaft überwinden.(..) Unser Ziel eines demokratischen Sozialismus im 21. Jahrhundert ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft(…).“
    „DIE LINKE ist der Überzeugung, dass ein krisenfreier, sozialer, ökologischer und friedlicher Kapitalismus nicht möglich ist. Aber im Ergebnis gesellschaftlicher und politischer Kämpfe und veränderter Kräfteverhältnisse ist es möglich, eine andere Entwicklungsrichtung durchzusetzen und so auch Ausgangsbedingungen für weitergehende demokratisch-sozialistische Umgestaltungen zu schaffen. In solchen Auseinandersetzungen werden die Konzepte, gesellschaftliche Kräfte und Mehrheiten für Alternativen zum Kapitalismus entwickelt.“ (Programm)
    Dass diese Strategie funktionieren kann, siehe wie gesagt Venezuela.

  202. 9. Oktober 2013, 10:26 | #202

    @ cyn0x
    In der Tat, nicht zur Wahl gehen oder dazu aufzurufen ist genauso falsch wie eine Partei zuwählen oder wie der jetzt Bundespräsident dazu aufzurufen, wenigstens hinzugehen und irgendwen zu wählen.
    Es wäre z.B. in der Auseinandersetzung mit dem religiösen Denken der meisten Menschen ja auch falsch, denen nur zuzurufen, nicht mehr sonntags in die Kirche zu gehen. Die Zahl der Nichtgottesdienstgeher ist in der BRD sogar noch höher als die der Nichtwähler ohne das dies ein Zeichen dafür wäre, daß diese Menschen sich vom religiösen Denken verabschiedet hätten, bloß weil sie nicht mehr an Gottesdiensten teilnehmen.
    Zum ganz klassischen Punkt der Verteidigung der Unterstützung einer reformistischen Partei, „aber die denken doch über den Kapitalismus hinaus“ oder so ähnlich:
    Gerade für Parteien, die früher mal linker waren als jetzt (im Fall der Linkspartei liegt das aber im wesentlichen schon fast hundert Jahre zurück) ist es üblich, noch einige Reminiszensen an diese linkeren Tage mitzuschleppen, und wenn es nur dazu dient, alte „Traditionalisten“ oder illusionäre Unterstützer bei der Stange zu halten. Das ist jetzt bei der Linkspartei auch nicht anders. Das bißchen, was man da bei denen finden kann, wird dann unredlich dazu ausgeschlachtet, die tatsächliche Politik, die die Linkspartei ja offenkundig macht und machen will, das ist ja bei denen klipp und klar aufgeschrieben und parteitagsgemäß abgesegnet und festgezurrt, dem linkeren Publikum schmackhaft zu machen, die blöderweise immer wieder mit diesem Reformismus kommen.
    Ich ja auch: Ich habe doch gerade erst, wenn auch nur in Anfängen am Wahlprogramm der Partei und da auch nur an dessen Einführung deren konsequente systematische Staats- und Systemtreue belegt. http://neoprene.blogsport.de/2013/09/27/925/.
    Da sehe ich nun wirklich keine „Strategie“, wie ausgerechnet die da zu einem „Sozialsismus“ kommen wollen (übrigens noch nicht mal in der eh nicht sonderlich sozialistischen Form von Venezuela). Geschweige denn, daß das „funktioniert“.

  203. earendil
    9. Oktober 2013, 10:41 | #203

    Im Fall der Feuchtwiese und der Straße wäre herauszufinden, was genau das Bedürfnis danach ausmacht. Grundsätzlich kann man sich widersprechende Bedürfnisse

    – oder sich widersprechende Ansichten in Sachfragen –

    nicht ausschließen, das habe ich oben schon geschrieben. Und dann muss selbstverständlich eine Seite oder beide Seiten auf ihr Bedürfnis oder Teile davon verzichten.

    Selbstverständlich, und nicht auszuschließen, soso. Aber gut, immerhin mal ein Ansatz, das Problem nicht einfach in toto wegzuleugnen.

    Ihr wollt immer etwas darüber loswerden, wie dieser Verzicht für den Fall, dass er als unausweichlich ermittelt worden ist stattfindet. Da reicht es euch nicht festzustellen, dass er stattfinden muss, sondern für euch begründet das die Notwendigkeit eines Entscheidungsverfahrens und das unterstellt ersteinmal, dass beide Seiten (Freunde der Feuchtwiese und Freunde des besseren Transports) trotz des Umstandes, dass sie die Unvereinbarkeit ihrer Bedürfnisse festgestellt haben auf ihrem Anliegen beharren.

    Ja Sapperlott! Wir begnügen uns nicht mit der lapidaren Feststellung, dass dann selbstverständlich nicht beide Willen vollständig zum Zuge kommen können, sondern wollen auch noch einen Weg haben, der zu einer Lösung führt, die beide Seiten akzeptieren können, ohne ihre Bedürfnisse verleugnen zu müssen und auch wenn sie sich nicht in einer strittigen Sachfrage einigen können.

    Umgekehrt werden beide Parteien (Freunde der Feuchtwiese und Freunde des verbesserten Transports) doch in der Diskussion der Unvereinbarkeit ihrer Bedürfnisse gewahr und dann werden sie, so sie sich ihres Zusammenhangs bewusst sind ihre Bedürfnisse darauf reflektieren und von ihnen zurücknehmen, was sich damit nicht verträgt (wenn es soetwas gibt z.B. wollen die Freunde der Feuchtwiese ja auch ihre Verteilstellen beschickt haben).

    Ja, nech? „Ihr werdet doch wohl einsehen, dass die Verteilstellen irgendwie beliefert werden müssen!“ „Und ihr werdet doch wohl einsehen, dass das mit ein klein bisschen Mehraufwand auch anders geht und man dafür nicht die letzte Feuchtwiese im Umkreis von 100 km zerstören muss!“
    Ach, wenn die Leute doch einfach nur vernünftig wären, dann wäre der Kommunismus so einfach… nicht.
    Ich will einen Kommunismus, der weder superaltruistische noch superrationale Menschen zur Vorraussetzung hat (ergo nie eine Chance auf Verwirklichung haben wird), sondern für den es genügt, dass sich ein Großteil der Menschen über Grundsätze einig ist, etwa dass die Gesellschaft ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigung sein soll oder dass die Natur die Lebensgrundlage der Menschen darstellt, in der aber ein Dissens in Sachfragen möglich ist oder sich widersprechende Interessen vertreten werden können, ohne dass Menschen deswegen gleich als kommunismusuntauglich abgestempelt werden.

  204. libelle
    9. Oktober 2013, 10:51 | #204

    @earendil:

    „Ihr werdet doch wohl einsehen, dass die Verteilstellen irgendwie beliefert werden müssen!“ „Und ihr werdet doch wohl einsehen, dass das mit ein klein bisschen Mehraufwand auch anders geht und man dafür nicht die letzte Feuchtwiese im Umkreis von 100 km zerstören muss!“

    Zur Lösung dieses Problems hast Du jedenfalls nichts vorzuschlagen. Diese von Dir konstruierten Leute werden sich auch in keinem Verfahren einigen. Warum sollten sie, wenn sie sich rücksichtslos gegen ihre gesellschaftlichen Grundlage auf den Standpunkt stellen, dass ihr Zweck zu gelten hätte?
    Es ist immer das Gleiche: Du willst Bürger zu anderen gesellschaftlichen Verhältnissen zwingen – das werden die nicht mitmachen, sondern die werden ihren bürgerlichen Laden wieder einrichten. Und nur Bürgern erscheint das, was ich sage als Altruismus – warum kannst Du in der Antwort auf Franziska nachlesen, zu der ich hoffentlich noch irgendwann komme. Ich glaube wir kommen an dem Thema nicht weiter – Du willst einfach etwas anderes als ich und bemerkst Deine Widersprüche überhaupt nicht (eine Gesellschaft, die für die Bedürfnisse der Leute da sein soll, die von ihnen überhaupt nicht gewollt wird, sonst würden sie ihre Bedürfnisse nicht rücksichtslos gegen ihren Zusammenhang geltend machen)

  205. 9. Oktober 2013, 10:53 | #205

    @ earendil

    „Wir … wollen auch noch einen Weg haben, der zu einer Lösung führt, die beide Seiten akzeptieren können, ohne ihre Bedürfnisse verleugnen zu müssen und auch wenn sie sich nicht in einer strittigen Sachfrage einigen können.“

    Was soll in diesem Zusammenhang das Verb „verleugnen“? Entweder die Streitfrage kann wirklich nur so oder anders entschieden werden, dann können eben nicht sowohl die vorher verkündeten Interessen beider Streitparteien befriedigt werden. Oder es stellt sich heraus, daß es doch eine ganz andere Lösung gibt, die beide befriedigt, dann ist der Streit natürlich aus.

  206. Hans
    9. Oktober 2013, 11:03 | #206

    @cyn0x
    „Was genau soll dass denn bringen, wenn möglichst wenige zur Wahl gehen und ab wieviel Prozent soll die Legitimität weg sein?“
    Nimm erst einmal das Argument ernst, bevor du es an seiner Konsequenz zu blamieren versuchst. Das Nicht-Wählen ist kein revolutionärer Akt, mit dem man etwas erreichen möchte, es ist das Unterlassen eines Fehlers – Wähler schätzen umgekehrt die Legitimierung von Politikern, sonst würden sie es ja nicht tun – gleich, was die sich außerdem dazu einbilden.
    „Das historisch niedrige 43%, in den USA teilweise noch geringer, also nicht mal mehr die Mehrheit. Das hat noch keinen Politiker gestört seinen Sozialabbau durchzusetzen.“
    Na eben, du belegst selbst das Wählen als eine Illusion: an der herrschenden Politik ändert weder eine hohe noch eine niedrige Wahlbeteiligung etwas. Dann kann man es doch lassen!
    „ist es möglich, eine andere Entwicklungsrichtung durchzusetzen und so auch Ausgangsbedingungen für weitergehende demokratisch-sozialistische Umgestaltungen zu schaffen. (LINKE)“
    Ja, stimmt, für Kapitalismuskritiker schreibt DIE LINKE auch etwas in ihr Programm. Dass aber diese Partei eine „Alternative zum Kapitalismus“ vorbereiten würde, indem sie einen Mindestlohn fordert, ist schlicht Heuchelei. Und alle LINKEN Politiker haben im Wahlkampf auch beteuert, dass sie Systemkritik nur als Ideal verstanden haben wollen – sogar explizit mit dem Vergleich zur früheren SPD!

  207. cyn0x
    9. Oktober 2013, 11:05 | #207

    @Neoprene:
    An der LINKEN zu kritisieren, dass die Stellen, wo es um Reformen des Kapitalismus geht keine sofortige Abschaffung des Kapitalismus implizieren, ist wirklich billig. Der LINKEN zu unterstellen, alles Radikalere im Wahlprogramm wäre nur Taktik ist auch ziemlich schwach. In kenn da einige und kann dir bezeugen, die meinen das auch so. Diese Kräfte gilt es zu stärken. Was ihr gegen konkrete Verbesserungen habt, ist mir weiterhin schleierhaft.
    @Hans: Ob viele wählen oder nicht ändert logischerweise nichts. Es kommt darauf an WEN sie wählen. Darum: Linke Kräfte stärken, die für tatsächliche Verbesserungen im Leben der Mehrheit kämpfen. So simple ist das. Unabdingbar ist es jedenfalls nicht sobald man an der Regierung ist neoliberale Politik zu machen, siehe das Sozialstaatsmodell Skandinaviens und die neuen linken Regierungen in Lateinamerika. Wie da im Fall Venezuela schließlich auch über Kapital & Staat hinausweist, siehe meine Komentare bei „Räteorganisation“.

  208. 9. Oktober 2013, 11:38 | #208

    Ja cyn0x, das weiß ich auch, das von den wenigen linkeren Linken, die es hierzulande gibt, eine ganze Reihe mittlerweile zum Teil recht tief, zum Teil sogar recht erfolgreich in der Linkspartei zu finden sind (SAV, isl, Marx21 z.B.). Die mögen das zum Teil sogar ernst meinen, das sie „eigentlich“ „später“ was anderes wollen als die Linkspartei das jetzt propagiert (und zum Teil ja auch schon ganz schön brutal durchexeziert hat, z.B. hier in Berlin, wo die ja eineige Jahre sogar Regierungspartei gewesen sind, anderswo sind sie das ja immer noch).
    Ich plädiere nur dafür, zur Kenntnis und dann auch ernst zu nehmen, was diese Partei sich ins Programm geschrieben hat und wie sie das dort begründet. Schon das reicht nämlich aus, um zu dem Urteil zu kommen, daß sie wirklich was anderes vorhat als den Menschen beizubringen, daß diesses System weggehört. Sie ist ja immerhin so ehrlich das auch öffentlich immer wieder zu bekunden. Dafür steht ja ganz korrekt ihr letztes Wahlplakat, wo es erst mit großen Lettern mit „Revolution“ anfing, um dann dann ganz klein(laut) bei Dutzendreformismus zu enden.

  209. Mattis
    9. Oktober 2013, 14:51 | #209

    @libelle:

    „Grundsätzlich kann man sich widersprechende Bedürfnisse nicht ausschließen, das habe ich oben schon geschrieben. Und dann muss selbstverständlich eine Seite oder beide Seiten auf ihr Bedürfnis oder Teile davon verzichten.
    Ihr wollt immer etwas darüber loswerden, wie dieser Verzicht für den Fall, dass er als unausweichlich ermittelt worden ist stattfindet. Da reicht es euch nicht festzustellen, dass er stattfinden muss, sondern für euch begründet das die Notwendigkeit eines Entscheidungsverfahrens und das unterstellt ersteinmal, dass beide Seiten (Freunde der Feuchtwiese und Freunde des besseren Transports) trotz des Umstandes, dass sie die Unvereinbarkeit ihrer Bedürfnisse festgestellt haben auf ihrem Anliegen beharren.“

    Ja natürlich ist das die Situation, um die es geht, was sollte man denn sonst regeln müssen, wenn – wie im Normalfall zu hoffen ist – man sich mit ein bisschen Nachgiebigkeit von beiden Seiten einigen könnte.
    Den ernsten Konfliktfällen kannst du aber nicht mal dadurch entfliehen, dass du ausschließlich mit Leuten, die momentan genau so ticken wie du selber, irgendwo anders vollkommen ohne störende „bürgerliche Egoisten“ ein eigenes Ding aufziehen würdest. Über kurz oder lang hättest du genau mit meinen Konflikt-Szenarien zu tun, ich schwörs dir, und brauchst manchmal einfach Entscheidungen, auch dann, wenn es keine gütliche Einigung gibt.
    Das „Aussortieren“ der Nicht-Kompromissbereiten ist ja eine Pseudo-Lösung, die verrät, dass man mit der Situation eben nicht klar kommt. Und dann wäre da noch die nicht unwesentliche Frage, wer eigentlich dann wen „aussortiert“, wenn doch ohnehin keiner dem anderen was vorzuschreiben hat, weder legitimiert noch un-legitimiert. Vielleicht bist du ja auch mal selbst derjenige, der dann den Laufpass kriegt? – Egal wie herum: du könntest dann nur wieder mit den Getreuen den Auszug antreten und wieder woanders neu anfangen; so ein Schicksal haben ja diverse Sekten jahrzehntelang durchgezogen: harmonischer Anfang, Streit, Trennung, harmonischer Neuanfang, und wieder grüßt das Murmeltier.
    Da hätte ich keinen Bedarf für.

  210. Mattis
    9. Oktober 2013, 15:19 | #210

    @franziska:

    „Aber dasselbe kann man die Mattis-Fraktion fragen. Was macht ihr jetzt eigentlich mit euerm Standpunkt?“

    Ganz einfach: Debatten hier und anderswo sind bereits ein kleiner Teil solcher „Grundlagenforschung“. Wo sich stärkere Übereinstimmungen in der Beurteilung der Themen zeigen, das merkt man dann schon und kann sich zusammentun, um gemeinsam stringenter in die Details zu gehen.
    Irgendwann kommt der Punkt, wo der erarbeitete Wissensfundus belastbar genug ist, um ihn zusammenhängend zu veröffentlichen und andere davon zu überzeugen.

  211. libelle
    9. Oktober 2013, 15:44 | #211

    Über kurz oder lang hättest du genau mit meinen Konflikt-Szenarien zu tun, ich schwörs dir, und brauchst manchmal einfach Entscheidungen, auch dann, wenn es keine gütliche Einigung gibt.

    Und warum genau sollte es die Einigung denn nicht geben!?
    Bei Eigentümern kann es sie nicht geben, wenn sie welche bleiben wollen, weil Eigentum ein Gegensatz ist.
    Bei den Beispielen, die ihr bringt spricht überhaupt nichts dafür, dass es keine Einigung geben kann. Außer eben Dein Menschenbild, das „dem Menschen“ attestiert, dass er auf Bedürfnisse, die ihre Quelle, ihr Maß und ihre Verwirklichungsbedingung in der Gesellschaft haben partout nicht verzichten kann bzw. dass er zum Nachvollzug obiger Gedanken (die Gesellschaft ist Maß, Quelle und Verwirklichungsbedingung aller Bedürfnisse) fähig wäre.
    Im Mattis-Sozialismus geht das nicht, da muss dieser Gedanke in „Verfahren“ kodifiziert werden, die den Leuten „die gesellschaftliche Vernunft“ beibiegen.
    Nimmt man mal die Natur als Lebensgrundlage: die ist auch Lebensgrundage für etwas, nämlich die Leute, die vergesellschaftet in ihr herumlaufen. Und jeder, der sein Verhältnis zu ihr herstellt und sie als Lebensgrundlage nutzt, weiß, dass sie das nicht nur für ihn, sondern für alle ist – und schon hat er den Gedanken an den gesellschaftlichen Zusammenhang in seinem Verhältnis zur Natur drin. Er kann – und zwar aus Eigeninteresse – nicht hergehen und sagen die Feuchtwiese bleibt, ohne sich zu überlegen, wie die Gesellschaft ihr Transportproblem löst, wenn die Straße nicht gebaut wird. Er weiß dass das egoistische, ignorante Beharren auf der Feuchtwiese ohne die gesellschaftlichen Belange einzbeziehen ihm überhaupt nicht entspricht, weil er von der Gesellschaft lebt und durch sie ist. Und nur von ihr hat er die Bücher, in denen er herumblättert, wenn er Kaulquappen und Frösche auf der Feuchtwiese bestimmt!
    edit: Umgekehrt kann auch die Straße nicht ohne Rücksicht auf den Umstand, dass die Natur Lebensgrundlage der Menschen ist gebaut werden. Und dann sind Naherholungsgebiete etc… sogar schon im Kapitalismus ein Argument (wg. Reproduktion Arbeiterklasse) Straßen um sie herumzuführen. Alles lächerlicher Krampf, Bebilderungen eines Menschenbildes, die ihr bringt.
    Was Du postuilierst ist bürgerliches Verhalten als allgemein menschliches.
    Dass solche Annahmen (die Leute können sich nicht einigen), selbst für Dich nicht der Normalfall Deines Sozialismus sind, hindert Dich nicht daran aus ihnen abzuleiten, wie Deine Gesellschaft mal aussehen soll, denn das Verfahren steht ja dann als letzte Konsequenz über allen. Was macht denn die Nichteinigungsfähigkeit in Deinem Sozialismus zur Ausnahme d.h. zu einer nicht so häufig, aber mit Notwendigkeit eintretenden Erscheinung?. Welche Eigenschaft der Menschen ist denn dafür verantwortlich? (Wenn es so eine Ausnahme wäre, die zufällig in 100 Jahren mal auftritt, bräuchte man dafür keine gesellschaftlichen Vorkehrungen zu treffen).

    Das „Aussortieren“ der Nicht-Kompromissbereiten ist ja eine Pseudo-Lösung, die verrät, dass man mit der Situation eben nicht klar kommt. Und dann wäre da noch die nicht unwesentliche Frage, wer eigentlich dann wen „aussortiert“, wenn doch ohnehin keiner dem anderen was vorzuschreiben hat, weder legitimiert noch un-legitimiert.

    Wer hat denn etwas davon erzählt, dass er irgendwen aussortieren will? Wenn Du ernst genommen werden willst, dann zitiere die Gedanken richtig, sonst muss man davon ausgehen dass Du Dich ideell auf einem Deiner Verfahren wähnst und Dich gegen Leute, die Dir widersprechen egal womit (Lügen, Entstellungen) durchsetzen willst. Nun, ich lebe nicht im Sozialismus!
    Sonst ist oben nochmal das Verfahren (he,he) kenntlich gemacht, nach dem Bedürfnisse, die sich nicht mit der Gesellschaft vertragen von den Menschen reflektiert und aussortiert werden.

  212. franziska
    9. Oktober 2013, 17:12 | #212

    Ergänzung zu meinen Beiträgen oben: In der Reihe der „Erwartungsaffekte“ Zweifel Angst Hoffnung, zu letzterer als spezielle (Normal-)Verlaufsformen gehörig Sucht und Depression, ist noch, und zwar ebenfalls als eine solche Hoffnungs-(Normal)Verlaufsform, Ungeduld/Ärger/Aggressivität anzuführen. Eigenartig, dass ich sie vergessen hatte. Es ist ja die unter Linken häufigste Form eines (im Sinne meines Jargons) nicht-genuinen Bedürfnisses.
    Ich möchte (bevor ev. libelle sich äussert) hier nur noch zwei Hinweise geben auf begriffe und Überlegungen, die den Hintergrund für meine Äusserungen bilden:
    1. Es ist selbstverständlich, dass wir mehr wollen als die Erfüllung der „Grundbedürfnisse“ (jene, an die Krim beim Wort „genuin“ mutmasslich gedacht hat); deren Erfüllung ist eigentlich nichts als Voraussetzung für ein gutes Leben, ein Leben, das aufgezehrt würde im „Kampf“ um diese Erfüllung, wäre ein elendes.
    Die weitergehenden „genuinen“ Bedürfnisse sehe ich als solche nach einem bestimmten Gebrauch von AUFMERKSAMKEIT, grob gesagt im Umfeld des Begriffs „Neugier“: angenehm abwechslungsreiche (quasi „Appetite befriedigend“) Routinen (Gewohnheiten des Lebens und Arbeitens), sodass keine Langeweile aufkommt, aber auch keine Überforderung. Das setzt sich bei wirklicher Meisterung der Routinen fort in den Wunsch nach Herausforderungen im Rahmen unserer Problemlösefähigkeiten, und noch später (wenn auch dieser Raum abgeschritten ist) im Wunsch nach dem Erleben von überraschend Neuem oder aufgrund der bisherigen Entwicklung als nächstes Interessierendem, das unserer bisherigen Entwicklung eine neue Wendung gibt (also an sie anschlussfähig ist); noch später kommt dann der Wunsch nach Verstehen und vernünftiger Verarbeitung dieses Neuehn. Bis man (das können auch die nach uns Kommenden sein) bei einer erweiterten Form der angenehmen Routine angelangt ist.
    Ich skizziere das hier in der Absicht, einmal zu zeigen, dass auf der wirklichen Bedürfnisebene und Orientierung auf ein gutes Leben, eben wegen der kognitiven Ausrichtung dieser Bedürfnisse (jenseits der erfüllten Grundbedürfnisse) keine Gegensätze vorkommen: Dass du interessante Erfahrungen machst und etwss lernst, schliesst nicht im geringsten aus, dass ich dasselbe lerne. (An dieser Stelle könnte eine Erörterung des Mattis-Standard-Beispiels von der verweigerten Berufswahl folgen…)
    2.Ich glaube, dass sich zeigen lässt: Wesen, die durch die Tatsache, dass sie sprechen und Sprache ausbilden konnten, zeigen, dass sie die biologische Disposition dazu tragen – solche Wesen MÜSSEN (weil sie anders Sprache nicht ausbilden können) genuine Bedürfnisse (oder „Antriebe“) wie die genannten (kognitiven, über die Grundbedürfnisse hinaus) haben.
    ((„Vernunft“ und „vernünftig“ sind Begriffe einer Art, für die sich, denke ich, unter den Leuten, die sich mit sowas (überhaupt) beschäftigen, der Ausdruck „KATEGORIAL“, „Kategorie“ eingebürgert hat.
    Dies ist aber bloss ein Hinweis, und kann nicht wirklich ausgeführt werden. Bloss soviel:
    Welchen Status „Kategorien“ haben, kann man vielleicht an weiteren Beispielen ablesen: Sprache Problemlösen Lernen Wahrnehmung Verhalten Organismus Evolution Leben Sich-selbst-erhaltendes-System (in bestimmten Umgebungen (woraus bestehen die dann?)) ua.
    Man könnte grob sagen: das gibt es alles schon darum, weil diese Bestimmungen auch auf uns zutreffen (aber „vernünftig“ trifft nicht auf alles Wahrnehmende, sich Verhaltende, Lebende usw zu). Wir (die miteinander sprechen können) stehen an der Spitze einer Kategorienhierarchie (die, was zu zeigen wäre, damit ihren Abschluss gefunden hat, über uns kann nichts mehr kommen).))
    Dass „Leute“ (also Personen, Sprechende) „vernünftig“ sind, ist vorauszusetzen bis zum Beweis des Gegenteils (dass sie nämlich vorübergehend oder dauerhaft unvernünftig geworden sind).
    Normalerweise machen ALLE von dieser Möglichkeit des „Gegenteils“ Gebrauch: Indem sie sagen, der/die SPINNT. Meist ist das vorschnell. Oft genug ist es am Platz, wird aber nicht bemerkt (etwa, dass Leute sich in Erwartungsaffekten befinden und gerade entsprechend urteilen, worauf Rücksicht zu nehmen wäre…)

  213. Mattis
    9. Oktober 2013, 17:46 | #213

    @franziska:

    „Nein, Mattis, es werden dort von den Beteiligten freiwillig und aus Einsicht Wünsche (sollte man nicht lieber so sagen?) als nicht vorrangig zurückgestellt, sobald ihr sozialer Zusammenhang sonst gefährdet wäre. Gerade weil sie ihre existenzielle Angewiesenheit auf die Andern begriffen haben, also dass sie diese Gruppe eben sinnvollerweise NICHT verlassen wollen.“

    Mal ist das der Fall, und dann eben auch mal nicht, und das ist der Punkt. „Nicht verlassen wollen ..“ – So ein herbeigewünschter Opportunismus gegenüber der Gruppe, nur weil man sonst allein dasteht, hat natürlich nichts mit einsichtiger Kompromissbereitschaft zu tun, sondern unterstellt, dass die Gruppe einen sonst rausschmeißt. Solches „Aussortieren“ hat libelle aber andererseits soeben verneint.
    In der Realität sind doch die Leute, die anderes wollen als „die Gruppe“, sicherlich der Meinung, dass es gerade die Gruppe ist, die unvernünftig denkt, falsch priorisiert etc. und damit der Gesellschaft oder einzelnen Betroffenen objektiv unnötige, vermeidbare Lasten aufbürdet, indem wichtige Einsichten ignoriert, relevante Aspekte und Lösungswege nicht untersucht wurden etc. Ein Zurückstecken angesichts dieser Konstellation hieße – aus Sicht der Minderheit – die eigene bessere Einsicht aufzugeben und den falschen Entscheidungen auch noch explizit zuzustimmen, nur damit die Gruppe schön einheitlich bleibt, egal welchen Mist sie gerade macht.
    So ein direkter oder auch indirekter Gruppenzwang wäre mir eine viel größere Zumutung als die Möglichkeit, dass ich auch mal mehrheitlich überstimmt werde (dann stehe ich wenigstens nicht auch noch wie ein Gemeinschaftsschädling da oder muss mich moralisch verbiegen).
    Die Sache ist also viel komplizierter als libelle sie darstellt; in seiner Darstellung will ja die Gruppe immer das Richtige und Vernünftige und dann kommen diese bürgerlich-egoistischen Abweichler und stören die Gemeinschaftlichkeit. Man braucht auch nur mal an die Situation der sozialistischen Opposition innerhalb des „Realsozialismus“ zu denken.

  214. franziska
    9. Oktober 2013, 18:41 | #214

    @Mattis
    Dein Zitat ist meinem nachträglichen edit zum Opfer gefallen, da ich erst nach dem Posten gemerkt habe, dass libelle schon viel ausführlicher Stellung genommen hatte. Sein Text ist viel geeigneter als meine Wiedergabe seiner Gedanken.
    Warum ist es so schwer zu begreifen, dass es Leute gibt, die mit ihren unterschiedlichen Einschätzungen SORGFÄLTIGER umgehen, als du, Mattis, und auch earendil, es ständig ausmalt? Und zwar genau darum WEIL es da um viel grundsätzlicihere Dinge geht als das Irgendwie-Dastehen oder moralische Selbstgefühl(beides ist dort eh nicht nötig).
    Immer ist unterstellt: Die Gruppe existiert schon; es gibt die Situation de Mehrheiten- und Minderheiten- „Votums“ (und das ausgerechnet bei der Beurteilung derFolgen objektiver Gegebenheiten für ALLE – da soll man sich nicht einigen können?!), „die Gruppe“ zwingt den „Abweichlern“ etwas auf…
    Eine solche Gruppe ist dann in der Tat nicht geeignet für eigentumsfreie Verhältnisse. Kommt darum nie zustande, sagt earendil. Dann eben nicht, sage ich; denn entweder eigentumsfrei und darum SO, oder eben nicht eigentumsfrei, und nicht mit mir und mutmasslich auch nicht Krim und libelle. Von uns hat niemand solche Ideen, dass man – da existenziell drauf angewiesen – sich irrationalen Gruppenentscheidungen fügt. Da können wir ja im Kapitalismus weiterleben. Wissen, dass man angewiesen IST, heisst uU wissen, dass es mit denundden Leuten und Verhältnissen nicht geht. Gerade WEIL man von der Vernünftigkeit der Andern (und nicht bloss von Andern überhaupt) abhängt.
    An der Stelle war mein gelöschter Text (den du zitiert hast, Mattis) unglücklich formuliert und wurde schon darum zurecht gestrichen: Es geht ganz gewiss nicht um Zugehörigkeit um jeden Preis.
    Es fängt damit an, dass die Zusammengehörigkeit allseits sorgfältig erprobt und fundiert wird. Da wird nicht etwss unterschrieben. Sondern man verständiigt sich in langen Fristen in allem wesentlichen. Und zuvor ist der Zusammenhang allenfalls provisorisch. Wenn man sich da überhaupt schon zusammentut.
    Das unterstellt allerdings Verhältnisse, bei denen man sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt (das mag sich langfristig ändern) kaum vorstellen kann, dass sie auf gesellschaftlicher Stufenleiter sich einstellen. So unentwickelt ist der gegenwärtige Zustand nun mal…

  215. earendil
    9. Oktober 2013, 19:02 | #215

    @libelle:

    Bei den Beispielen, die ihr bringt spricht überhaupt nichts dafür, dass es keine Einigung geben kann.

    Ja, kann. Kann auch nicht. Und es ist verdammt wahrscheinlich, dass es in einer Menge Fällen nicht einfach so zu einer Einigung kommt. Wurde doch jetzt in x Beispielen durchexerziert…
    Nochmal die Feuchtwiese. Da gilt für die einen:

    Er kann – und zwar aus Eigeninteresse – nicht hergehen und sagen die Feuchtwiese bleibt, ohne sich zu überlegen, wie die Gesellschaft ihr Transportproblem löst, wenn die Straße nicht gebaut wird.

    Und für die anderen gilt:

    Umgekehrt kann auch die Straße nicht ohne Rücksicht auf den Umstand, dass die Natur Lebensgrundlage der Menschen ist gebaut werden.

    Soweit, so einig, so gut. Sagen die ersten: Natürlich brauchen wir die Straße, aber es wäre besser, die über Trasse B zu führen, dann kann die Feuchtwiese erhalten bleiben. Sagen die zweiten: Trasse B ist aber zu aufwändig, da muss ne zusätzliche Brücke gebaut werden, da sind dann x Leute x Stunden am arbeiten, das ist im Verhältnis zu aufwändig, gibt schließlich noch in XY weitere Feuchtwiesen mit ähnlicher Fauna.
    So geht das noch ne Weile weiter, ein paar Leute lassen sich vielleicht von der jeweils anderen Position überzeugen, aber am Ende stehen immer noch zwei Varianten, ohne dass eine Einigung gefunden ist. Und dabei sind beide Seiten keine Eigentumsfanatiker, keine bürgerlichen Konkurrenzmonaden, nicht von irrationalen Gefühlen getrieben, sagen nicht „wir haben ausschließlich die Straße / die Feuchtwiese im Blick, alles andere interessiert uns nicht“. Und trotzdem steht am Ende der Diskussion keine Einigkeit und keine Entscheidung. Was verdammt nochmal spricht dann dagegen, sich auf ein Verfahren zu einigen (ob nun Mehrheitsentscheidung oder Münzwurf oder Deligierung an eine Entscheidungskommission oder was weiß ich), dessen Ergebnis dann alle akzeptieren, auch wenn sie sich einen anderen Ausgang gewünscht hätten? Und da nun weiß Gott nicht zu erwarten ist, dass so eine Situation nur alle hundert Jahre auftritt, was zum Teufel spricht dagegen, mal generell zu entscheiden, wie man in solchen Situationen verfährt, um das nicht jedesmal neu auskaspern zu müssen?
    (Und das war noch die allereinfachste Variante so eines Konflikts. Es könnten ja auch Leute meinen, man sollte besser generell mehr auf Schienen- als auf Straßentransport setzen, und noch ein Haufen andere mögliche Ansichten, die nicht unvernünftig oder anderweitig abzukanzeln sind.)

    Diese von Dir konstruierten Leute werden sich auch in keinem Verfahren einigen.

    Sie können sich aber auf ein Verfahren einigen und dessen Ergebnis dann trotz weiter bestehender Uneinigkeit in der Sache akzeptieren. Eben weil ein Metakonsens über die Grundsatzfragen besteht und (fast) alle einsehen, dass Entscheidungen irgendwie getroffen werden müssen. Wer mit dem Ergebnis in der Sache unzufrieden ist, kann ja dann z.B. versuchen, durch Argumente mehr Menschen von seinen Ansichten zu überzeugen und vielleicht später die Entscheidung zu revidieren oder in ähnlich gelagerten Fällen eine andere Entscheidung herbeizuführen.
    @Neoprene:

    Was soll in diesem Zusammenhang das Verb „verleugnen“?

    Siehe den letzten Kommentar von Franziska. Da wird recht deutlich, wie Konflikte ohne Verfahren zu deren Beilegung ablaufen würden. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, da Bedürfnisse im Kommunismus gefälligst nicht zu kollidieren haben, werden halt die Bedürfnisse der Gegenseite selbst für falsch (bürgerlich, nicht genuin, unvernünftig, egoistisch, von Zweifel, Angst, Hoffnung, Sucht oder Depression geleitet) erklärt. Den Leuten wird also nahegelegt, nicht nur einen Kompromiss zu suchen oder eine Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren, sondern ihre Bedürfnisse selbst sein zu lassen oder zu ändern. Das meine ich mit „verleugnen“. Und wenn sie so unvernünftig, bürgerlich und egomanisch sind, das nicht zu tun, dann kann man sie auch leichteren Herzens ausschließen, und schon ist die Einträchtigkeit wiederhergestellt. (Wie und mit welchen Mitteln der Ausschluss erfolgt, dürfen die „Vernünftigen“ dann auch informell ohne lästige Verfahren entscheiden.)
    Libelle allerdings glaube ich, dass er niemanden ausschließen will. Bei ihm dürfte die „Unvernünftigkeit“ und „Unreife“ von Menschen nur als Argument dafür dienen, dass Kommunismus halt (noch) nicht möglich ist. Denn solange nicht alle 7 Mrd. Menschen dieser Welt so eine Art höhere Bewusstseinsstufe erreicht haben, will er ja von Kommunismus nichts wissen.
    @Franziska:

    Von uns hat niemand solche Ideen, dass man – da existenziell drauf angewiesen – sich irrationalen Gruppenentscheidungen fügt.

    Nein, natürlich nicht. Nur vernünftigen.

  216. Krim
    9. Oktober 2013, 19:03 | #216

    @franziska: „In der Reihe der „Erwartungsaffekte“ Zweifel Angst Hoffnung, zu letzterer als spezielle (Normal-)Verlaufsformen gehörig Sucht und Depression, ist noch, und zwar ebenfalls als eine solche Hoffnungs-(Normal)Verlaufsform, Ungeduld/Ärger/Aggressivität anzuführen.“ Sind das nicht eher Gefühlszustände oder Stimmungen, statt Bedürfnisse.

  217. franziska
    9. Oktober 2013, 19:53 | #217

    Nun, earendil, das ist die Crux dieser Debatte, dass man in ihr die Sorgfalt, zu der man bereit ist, nicht vorführen kann – sonst würden wir uns verabreden, in einen solchen Verständigungsprozess einzutreten. Es beharken sich in dem Beispiel „keine Eigentumsfanatiker, keine bürgerlichen Konkurrenzmonaden, nicht von irrationalen Gefühlen Getriebene, und sie sagen nicht „wir haben ausschließlich die Straße / die Feuchtwiese im Blick, alles andere interessiert uns nicht“.
    Und doch zeigt das Beispiel: Das reicht nicht. Und zwar bei weitem nicht.
    (Abgesehen von der Abschwächung: „keine …Fanatiker“ – es sollen nicht die allerschlimmsten Schreckensgestalten sein, die sich da tummeln; bloss… was sind sie denn dann?)
    Es ist deutlich, dass sie wichtige Prinzipien ihrer Praxis nicht gemeinsam bestimmt haben, und das wird wieder und wieder und wieder zu denselben Auseinandersetzungen führen. So wie auf vielen andern Feldern auch. Sie haben diese Prinzipien mit Gründen noch nicht mal für sich erwogen, sage ich. Es hat keinen Sinn, dieser Sorgfalt mit dämlichen Abstrakta wie „vernünftig“ oder den „genuinen“ und Pseudo-Bedürfnissen (Erwartungsaffekten) usw vorzugreifen und earendil und Mattis ernsthaft entgegenzuhalten. So kann das nicht gemeint sein. Es sind letztlich bloss Chiffren, um die ganz andere Richtung anzudeuten, in die jedenfalls meine, vielleicht auch Krims und libelles, Überlegungen gehen.
    Und nochmal: Nicht ich schliesse andre aus, sondern ich selber gehe; vielmehr, ich schliesse mich, wenn ich nicht zwangsweise Mitglied werden muss, einer solchen Gruppe garnicht erst an. Und der Satz ist absolut richtig: Solange nicht diese fortgeschrittenen Einstellungen sich verbreiten, herrscht eben auch nicht verbreitet Eigentumsfreiheit. Sondern irgendwas andres. Eigentumsfreiheit ist etwas epochal Neues. Darauf muss man sich schon mal einstellen.
    ————————
    @Krim:
    Es sind auf jeden Fall MOTIVE. Und zwar mehr oder weniger dringliche, Aufmerksamkeits- und andere Spielräume so einschränkende, wie es sonst nur akute Bedürftigkeit tut. Und genauso wie bei echten („genuinen“) Bedürfnissen versucht man der Zuspitzung dieser Dringlichkeit zuvorzukommen.
    Es sind obendrein Motive im Zusammenhang mit Einschätzungen, dass etwas gelingen könnte oder auch nicht (daher „Erwartungsaffekte“); die Einschätzungen werden dann (das muss nicht immer so tumultuarisch sein) „aus“ oder in dem entsprechenden Affekt heraus vertreten: In der Hoffnung, dass etwas gutgehen könnte und dann SO viel weiterführen würde (man muss es wagen), in der Angst, wieviel da auf dem Spiel steht, aus Enttäuschung, wie langsam das geht, aus (dank Sucht-Kompensation kaum enttäuschbarer) Erwartung, dass es wider alle Evidenz DOCH noch gelingen kann, oder eben der Ungeduld, dass das alles viel schneller hätte gehen sollen, und ab jetzt auch zu gehen hat.
    All diese Motive „motivieren“ auch dazu, sich mit Fragestellungen zu befassen oder nicht zu befassen, andern etwas sorgfältig zu vermitteln (oder auch aufzudrängen) (versuchen) oder eben nicht usw.
    Man kann sagen: es sind alle möglichen Färbungen, die „interessierte Urteile“ annehmen; die aber bilden die Basis all der Beispiels-Voten und der Umgangsformen miteinander, von denen Mattis und earendil ausgehen.
    Es deutet sich hier vielleicht ganz von weitem an, warum meine Einschätzung stimmen könnte: Es sind fundamentale unentwickelte KOGNITIVE Einstellungen (Umgang mit Wissen und Unwissen, nötigem Wissenserwerb, Begreifen usw), die in Gewalt- und Eigentumsverhältnisse führen.
    edit Ergänzung:
    Die Frage nach der Art des Übergangs zur Eigentumsfreiheit ist mit den eben vorgetragenen Einschätzungen, wie auch earendil es ganz recht, wenn auch polemisch (7 Milliarden, höherer Bewusstseinszustand) verstanden hat, aufs engste verknüpft. SOWOHL das Begreifen (die „Erklärung“) der gegenwärtigen Verhältnisse, ALS AUCH die Reflexion über die alternativ einzurichtende Art der Vergesellschaftung, UND das genaue Bewusstsein von dem einzuschlagenden Weg sind hier unerlässlich. Nichts davon kann auf später verschoben oder gar verweigert werden (im Stil von „sind uns doch noch garnicht einig im Ziel oder der Kritik usw“, „erstmal Revolution, dann werden die Leute schon…“).

  218. Krim
    9. Oktober 2013, 20:29 | #218

    “ Was verdammt nochmal spricht dann dagegen, sich auf ein Verfahren zu einigen“ Steht doch jetzt schon mehrfach da:
    1. Es ändert am Dissens nichts. Eins oder beide Interessen können nicht zum Zuge kommen.
    2. Ein Verfahren abstrahiert von dem Problem und verwandelt es in eine Machtfrage. Es kündet davon, dass mit systematischen Gegensätzen gerechnet wird.
    3.Wieso sollte man sich auf ein Verfahren einigen können, wenn man sich auf eine Sache nicht einigen kann. Das unterstellt wirklich irrationale Individuen, die einerseits auf ihrem Partikularinteresse gegen die gesellschaftlichen Notwendigkeiten beharren. Andererseits sind es auch Charaktere, die sich nichts sehnlicher wünschen als sich unterzuordnen – dem Verfahren nämlich, das dann gelten soll. Das Verfahren soll die Vernunft garantieren, zu der sie selber angeblich nicht in der Lage sind. Es wird also ein gesellschaftlicher Charakter unterstellt, mit dem sowieso kein Kommunismus zu machen ist.
    „(ob nun Mehrheitsentscheidung oder Münzwurf oder Delegierung an eine Entscheidungskommission oder was weiß ich)“Also die Entscheidungkommission delegiert das Problem an eine Entscheidungskommission. Und wenn sich die neue Entscheidungskommision auch nicht einig wird?
    „was zum Teufel spricht dagegen, mal generell zu entscheiden, wie man in solchen Situationen verfährt, um das nicht jedesmal neu auskaspern zu müssen?“ 1. Weil so Sachfragen systematisch in Machtfragen verwandelt werden. Es entscheidet nicht das bessere Argument oder das dringlichere Interesse, sondern eben derjenige, der Mehrheiten hinter sich bringt. Das ist kein vernünftiger Umgang mit den Lebensverhältnissen.

  219. 9. Oktober 2013, 20:59 | #219

    Krim, wieder mal meine Standardfrage, wie kommst du eigentlich zu solchen Sätzen wie “ Es entscheidet nicht das bessere Argument oder das dringlichere Interesse“, ohne mal darüber nachzudenken, was das eigentlich sein soll?
    Selbst wenn die Leute in ihrem Disput das gleiche wollen, und sich „nur“ nicht einig geworden sind, wie sie das erreichen können, ist es schon verdammt schwer, das „bessere“ vom „schlechteren“ Argument zu unterscheiden. Erst recht, wenn die einen einfach was anderes wollen als die anderen. Was soll denn dann „besser“ bedeuten?
    Genauso mit dem schönen Leerwort „Dringlichkeit“: Was ist denn dringlicher, der Ausbau der Kindertagesstätten oder der der altengerechten Wohnungen, der Ausbau der Volksmarine oder der der Volksbildung? Wie stellt man also über so eine Kategorie die Vereinheitlichung her, die es vorher noch nicht gegeben hat?

  220. Mattis
    9. Oktober 2013, 21:37 | #220

    @franziska:

    „Und nochmal: Nicht ich schliesse andre aus, sondern ich selber gehe; vielmehr, ich schliesse mich, wenn ich nicht zwangsweise Mitglied werden muss, einer solchen Gruppe garnicht erst an.“

    Ja so kann man sich aus der Affaire ziehen: ich mach nur mit, wenn alles gut aufgeht. Das finde ich deshalb nicht ok, weil wir hier nicht über Vereinsmodalitäten reden, sondern über Gesellschaft, und aus der Gesellschaft kann man sich eben nicht einfach ausklinken, wenns einem nicht passt. Das Ganze zeigt nur, dass man die Lösungen, die sich realistischerweise anbieten, verwirft, weil sie nicht sämtlichen Idealen entsprechen, die man sich vorab gemacht hat.
    Dass entweder alles ideal läuft oder man lässt es dann beim Kapitalismus, ist eine befremdliche Alternative. Weil man in der einen oder anderen Abstimmung unterliegen könnte, oder man auch mal bei denen sein könnte, die anderen ein paar Abstriche zumuten per Beschluss – da belässt man es dann lieber es bei der existierenden Armut und Ausbeutung und permanenten Kriegsgewalt. Das ist krass.
    Also darüber kriegen wir hier in der Tat keinen Konsens.

  221. Krim
    9. Oktober 2013, 21:43 | #221

    1. „Wie sie das erreichen können“ Das ist egal. Hauptsache sie erreichen es. Du musst nicht an allen Ecken und Enden Dissens rausleiern wollen, wo es wirklich nicht drauf ankommt.
    2. Ist der erste Satz der wichtige: „Weil so Sachfragen systematisch in Machtfragen verwandelt werden.“ W a s das bessere Argument und das dringlichere Interesse ist, darauf kommts mir nicht an, sondern darauf dass es mit einem Verfahren auf solche inhaltlichen Argumente nicht mehr ankommt, weil das Verfahren davon abstrahiert und jeden Inhalt in die Frage verwandelt „Wer setzt sich durch?“

  222. Hans
    9. Oktober 2013, 21:52 | #222

    @cyn0x
    „Darum: Linke Kräfte stärken, die für tatsächliche Verbesserungen im Leben der Mehrheit kämpfen.“
    Jaja, außerdem muss Karthago zerstört werden. Du machst genau die verkehrte Abstraktion, von der ich sprach: Du suchst nach dem guten Zweck für einen Wähler, der das Legitimieren von nationaler Macht als letztlich vernünftig erscheinen lässt – hier sind es die „tatsächlichen Verbesserungen“, die dir mit dem Vergleich zu noch Schlimmerem (die neoliberale Politik) einfallen. Also wenn man schon „linke Kräfte stärken“ will, dann doch nicht ausgerechnet die, die dem Kapitalismus ein sozialeres Image verpassen wollen wie DIE LINKEN!
    „siehe das Sozialstaatsmodell Skandinaviens und die neuen linken Regierungen in Lateinamerika.“
    Das habe ich nicht verstanden, wofür das stehen soll. Sind das jetzt die Guten, weil die weniger am Sozialstaat kürzen? Du hast das Vergleichen nach unten aber wirklich drauf: einmal auf den (vermeintlich) größeren Scheißhaufen gezeigt und schon soll man die Armutsbetreuung in Skandinavien gutheißen? Warum eigentlich?

  223. earendil
    10. Oktober 2013, 10:40 | #223

    @Franziska:

    Es beharken sich in dem Beispiel „keine Eigentumsfanatiker, keine bürgerlichen Konkurrenzmonaden, nicht von irrationalen Gefühlen Getriebene, und sie sagen nicht „wir haben ausschließlich die Straße / die Feuchtwiese im Blick, alles andere interessiert uns nicht“.
    Und doch zeigt das Beispiel: Das reicht nicht.

    Ja, genau da liegt das Problem: Dein Kommunismus setzt irgendwelche superrationalen Übermenschen voraus. Es ist ja nicht einmal so, dass du glaubst, gemäß „das Sein bestimmt das Bewusstsein“ würden die Menschen in kommunistischen Verhältnissen schon vernünftig werden und alle Konflikte sich in Wohlgefallen auflösen – nein, bei dir (und Libelle) ist dieser „neue Mensch“ schon Voraussetzung für den Kommunismus! Fragt sich allerdings, wo der unter den gegebenen Umständen herkommen soll…
    Außerdem würde mich mal interessieren, was die Leute in dem Beispiel denn deiner Meinung nach falsch machen, was deine Kritik an denen wäre. Denn m. E. handeln die doch ziemlich vernünftig.
    @Krim:

    1. Es ändert am Dissens nichts.

    Behauptet auch niemand. Wenn man den Dissens einfach aus der Welt schaffen könnte, bräuchte man in der Tat keine Verfahren. Steht halt nur nicht zu erwarten.

    2. Ein Verfahren abstrahiert von dem Problem und verwandelt es in eine Machtfrage. Es kündet davon, dass mit systematischen Gegensätzen gerechnet wird.

    Ja freilich abstrahiert ein Verfahren vom konkreten Problem, und ist nur notwendig, weil realistischerweise damit zu rechnen ist, dass sich nicht alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen lassen werden. Die Machtfrage ist hingegen deine Fantasie, weil du, um es mit Mattis zu sagen, Verbindlichkeit mit Herrschaft verwechselst. Denn es ist ja nicht vorgesehen, dass Menschen(gruppen) rgendwelche Machtmittel akkumulieren können. Wenn alle den gleichen Einfluss auf Entscheidungen haben und stärkerer Einfluss höchstens aus Wissensvorsprung und Überzeugungskraft resultiert, kann man wohl kaum von Macht oder Herrschaft reden.

    3.Wieso sollte man sich auf ein Verfahren einigen können, wenn man sich auf eine Sache nicht einigen kann.

    Hab ich doch schon geschrieben: Weil ein Metakonsens über die Grundsatzfragen besteht und (fast) alle einsehen, dass Entscheidungen irgendwie getroffen werden müssen. Was ist denn daran so schwer zu verstehen?
    Stellen wir uns vor, Person X und Person Y wollen zusammen mit dem Auto von A nach B fahren, können sich aber nicht darüber einigen, ob die Strecke über C oder über D besser ist. Oder sie sind sich darüber einig, dass mal wieder der Rasen im Hof gemäht werden muss, haben aber beide keine Lust dazu. Sie sind sich also jeweils über Grundsatzfragen einig und auch darüber, dass eine Entscheidung fallen sollte. Also können sie sich darüber einigen, die Sache per Münzwurf zu entscheiden und das Ergebnis zu akzeptieren, auch wenn sie sich in der Sache weiter uneins sind.
    Bei zwei Leuten ist so ein Verfahren nun meistens unnötig, da gibt i.d.R. halt einer nach oder so. Aber gesellschaftlich ist das halt ein bisschen komplizierter. Das Prinzip ist aber das gleiche: Menschen können sich auf ein Entscheidungsverfahren einigen, obwohl – bzw. gerade weil, denn sonst wärs ja unnötig – sie sich in der Sache nicht einigen können. Das ist das Gegenteil von irrational.

    Das Verfahren soll die Vernunft garantieren, zu der sie selber angeblich nicht in der Lage sind. Es wird also ein gesellschaftlicher Charakter unterstellt, mit dem sowieso kein Kommunismus zu machen ist.

    Siehe oben @Franziska. Und auch von dir würde ich gern wissen, inwiefern die Leute in dem beschriebenen Beispiel (Straße vs. Feuchtwiese) unvernünftig handeln. Oder sieht man das einfach daran, dass sie sich halt nicht einigen können?

    Und wenn sich die neue Entscheidungskommision auch nicht einig wird?

    Natürlich muss es auch für die Kommission Entscheidungsverfahren geben. Nur manchmal fällt es halt unter fünf Leuten leichter, sich zu einigen, als unter 500.

    1. Weil so Sachfragen systematisch in Machtfragen verwandelt werden. Es entscheidet nicht das bessere Argument oder das dringlichere Interesse, sondern eben derjenige, der Mehrheiten hinter sich bringt.

    Ich versuche zwar schon ne Weile, das zu erklären, aber vielleicht nochmal deutlicher: Bessere Argumente und dringlichere Interessen (die ja in einer vernünftigen Gesellschaft nichts anderes sind als gute Argumente) entscheiden an sich, ohne weitere Schritte, überhaupt nichts. Und zwar niemals. Das liegt einfach in der Natur von Argumenten. Die können Menschen überzeugen, aber nix entscheiden.

  224. franziska
    10. Oktober 2013, 10:57 | #224

    (earendils Beitrag war kurz vor meinem erschienen. Auch wenn ichnicht mehr drauf eingehe, sind, wie ich meine, einige Kritikpunkte dort im folgenden mitbehandelt.)
    Meine Beiträge mögen absolut unzureichend sein als Begründungen meiner Vorschläge; aber um Wunschdenken gehts da nicht. Ich habs oben und im thread „Räteorganisation“ gesagt, und wiederhole es: Schadensursach-Erklärung, Nachweis der Vermeidbarkeit dieser Ursachen ohne gleich grossen oder grössern Schaden sich einzuhandeln, und Machbarkeit (so, dass man sich dessen im Prinzip sicher sein kann) gehören alle zusammen zu einer vernünftigen Kritik.
    Der Befund hinsichtlich des Kapitalismus hat dabei zwei Abteilungen:
    1. Die Klassengesellschaft, die man in der Tat durch einen Entschluss „abschaffen“ könnte (zumindest für sich als mehr oder weniger grosse Gruppe). Aber eben auch
    2. das völlig irrwitzige Versprechen der Steuerbarkeit der modernen Riesenproduktion und der innergesellschaftlichen Verständigung durch Märkte, Medien, und legitime, allseits anerkannte Abstimmungs-, Wahl- und Beschluss-„Verfahren.
    Mattis hält sich zurecht zugute, dass er sich mit dieser Abteilung auseinandersetzt, aber die Antwort fällt notgedrungen kläglich aus. Warum?
    Mir fallen da Krims Analysen zum Eigentümer-Sein-Wollen ein, etwas ziemlich formelles, sogar wenn man die Präzisierung dieses Willens in einem Rechtssystem hinzunimmt (die die meisten „Eigentümer“ schon garnicht mehr so genau wissen wollen). Worin aber sollen sich die kollektiven Verwalter ihrer Wirtschaft einig sein, derart dass sie sich (ähnlich wie die konkurrierenden Eigentümer) auf Verfahren einigen können? Ihnen FEHLT genau die Klammer, die grundlegende Gemeinsamkeit, die diesen Schritt hin zu Verfahren und der Erwartung rechtfertigen könnte, dass dort zu unterliegen keine ganz schlimme Sache sein wird (was Mattis immer betont). Hingegen die assoziierten Produzenten müssen MATERIALE Grundsätze ihrer Produktion bestimmen und sich darin einig sein. Sie müssen in etwa die Planungs-Ebene bestimmen, bis zu der sie solche Festlegungen für unerlässlich halten. Sie können nur hoffen, dass sich immer wieder die SEHR grossen Mehrheiten finden lassen, die zur massenhaften Zustimmung und zum Austrag der dann noch anfallenden Konflikte in Verfahren nötig sind. Ob sich auch nur Mattis und earendil auf solche Prinzipien einigen können, ist sehr fraglich. Immerhin wären sie dann schon zwei. Die Milliarden andern haben sich dann noch nicht geäussert.
    Mattis‘ Flucht in eine ähnlich bequeme formelle Stellung zur kollektiven Reproduktion wie die der Eigentümer zu ihrem gemeinschaftlichen Gegensatz liegt in der Erwartung: „Gemeinsame Reproduktion“ ist doch schon material genug, und alles weitergehend Materiale ist untergeordnet.
    Dies Formelle kommt auch bei libelle vor – bloss dass libelle sich nicht scheut, die Zumutung auch auszuprechen, die sich ans Wissen der wechselseitigen Angewiesenheit knüpft, nämlich eben die Differenzen bei den materialen Prinzipienfragen wirklich als GEMEINSAMES Problem zu behandeln und sich ihr Verschwinden zum gemeinsamen Zweck mit oberster Priorität zu setzen.
    Ein allzu grosser Fortschritt ist das leider nicht. Denn dann SIND sie sich ja noch nicht einig. Sich einigen dauert. In der Zwischenzeit muss man sich reproduzieren. Mattis, hier wieder höchst realistisch, skizzierte soeben drüben im Räte-thread den Ansatz zum Fortgang: Die Uneinigen organisieren sich in Parteien… die in Fraktionen… die in Untergruppen… Das genau ist der libertäre Gesellschaftszerfall.
    Er beginnt, wenn Leute gesellschaftliche Entwicklungen, über die sie (mit)entscheiden, auf ihr persönliches Interesse beziehen, wie es sich durch ihre aktuelle Stellung, oder auch ihre zukünftige, ergibt. Dass da zerreissende Gegensätze in der Prioritätensetzung entstehen können, hat mit grundlegenden Problemen des modernen Weltverhältnisses zu tun. Aber stellen wir uns vor, die Individuen hätten sich von dieser Borniertheit freigemacht, sie bestimmen allererst auch noch ihre eigene Stellung in einer künftigen Produktion: Dann wissen die einen dies und die andern das. Um zu Prioritätensetzungen zu gelangen, müssten sie wissen, wie gut die Einschätzungen der andern begründet sind, die Einbussen bei einem ebenso wichtig scheinenden Anliegen (wohlgemerkt: einem gesellschaftlichen) verlangen. Sie müssen zB einsehen, dass der Klimawandel eine Tatsache ist, dass Kohlendioxid-Anstieg die wesentliche Ursache und dass er menschengemacht ist, dass die Modellierung der sich dabei abspielenden sekundären Verstärkungs- und Abschwächungsprozesse korrekt ist usw. Das ist ein ziemlich wichtiges Gebiet. Es gibt 1000e ziemlich wichtige.
    Und das ist erst der Umgang mit dem mutmasslich wirklichen Wissen.
    Es gibt aber eine viel weitergehende Schwierigkeit.
    Wir alle sind mehr oder weniger Spezialisten. Naja wenigstens ein bisschen. Und ein bisschen weniger auch noch auf einigen andern Feldern. Vieles, das wir als solche empfehlen, haben wir selbst garnicht genug geprüft. Wir verlassen uns auf andere. Sind die zuverlässig? Ertragen sie es, wenn alle bekannten Daten zusammen keine sichere Erkenntnis bieten? Oder wählen sie aus der Vielzahl der Hypothesen diejenigen vorab aus, die (auf deren Basis) wachsendes Wissen und Eingriffsmöglichkeiten versprechen (immer vorausgesetzt, diese Hypothese, die nicht besser bestätigt war als andre, stimmt). Von solchen Experten und solchen, von fragwürdigen Hypothesen (zu deren Widerlegung sie nicht beitragen) abgeleiteten Wissenszuwächsen möchte ich nicht abhängig sein. Wer überprüft eigentlich die Resultate? Immer nur die „peers“? Das macht mich äusserst misstrauisch…
    Von seriösen Forschern hören wir, oder wissen es selbst aus unserm Fachgebiet: Chemie war noch machbar, Biochemie ist schwierig, Biologie, das Vorstossen in lebende SYSTEME, allein schon in Zellen, ist konfrontiert mit nicht mehr bewältigbarer Komplexität.
    Das ist deswegen nicht unerheblich, weil sich Konflikte zwischen rein technischen und ökologischen Anforderungen nicht auf derselben Wissensgrundlage entfalten. Ökologie scheint dann immer etwas Ideologisches. Wir MÜSSEN uns dazu verhalten, können die Entscheidungen nicht aufschieben, bis wir mehr Kontrolle über all das haben (deren Erlangung zweifelhaft ist). Die Feuchtwiesen-Konflikte sind daher auf derzeitigen Grundlagen UNENTSCHEIDBAR. Heisst; Niemand weiss eigentlich, wie mans machen soll. Dieses ungelöste Problem unserer Verhältnisses zur Welt halte ich für NOCH fundamentaler als das unserer Vergesellschaftung.
    All das steht der materialen Einigung im Weg.
    Um aber über DIESE These zu sprechen, müsste man sich auf eben solche materiale Verständigung einalssen: Ist das so, wie ich es behaupte – funktioniert Wissenschaft heute so? Gibt es fundamentale und „zerreissende“ Prioritäten-Gegensätze zwischen den verschiedenen Optionen einer modernen Reproduktion (Forschung, Technikentwicklung, Verbesserung der vorhandenen Reproduktion, permanente Innovation)? Welche wissenschaftlichen Einschätzungen sind die relevantesten für die Ausweitung unserer Reproduktion (welche aus den 1000en Themen)? Gibt es einen systematischen „Erfolgs-Bias“ beim Prüfen von Hypothesen, legen sich Forscher und Experten heute vorschnell fest? Ist Ökologie eine technische Spezialdisziplin, nur leider noch sehr unentwickelt?
    Das würde ein Abgehen von den immer noch relativ „einfachen“ Kontroversen erfordern, die hier geführt werden. Aber genau das ist die Crux dieser Debatten: Sie schlagen den Adressaten einer Agitation für Eigentumsfreiheit vor, sich über diese materialen Konfliktpotentiale hinwegzusetzen. Und je mehr Leute heute wissen also ahnen vom Getriebe ihrer und sei es auch kapitalistisch-modernen Produktionsweise – desto mehr weisen sie diese Zumutung zurück.

  225. libelle
    10. Oktober 2013, 11:16 | #225

    @earendil, nur eine Frage, die Du endlich mal beantworten musst:
    Woher hast Du denn Deinen Realismus (d.h. Deinen Wirklichkeitssinn)? Dafür gibt es nur eine einzige Möglichkeit: Dein Wirklichkeitssinn hat sich an bürgerlichen Verhältnissen gebildet, er setzt das Verhalten von Menschen als „wahrscheinlich“ voraus, das ihm in dieser Gesellschaft vorgeführt wird. Wenn nicht, dann sag mir bitte, woher Deine „realistischen“ Befunde sonst kommen sollen?
    Und die Leute hier brauchen natürlich um sich einigen zu können eine höhere Instanz, die von ihren Anliegen ersteinmal abstrahiert und ihre Gemeinsamkeit getrennt von ihnen gegen sie geltend macht. Hier ist das auch notwendig, weil die Leute ständig sich widersprechende Interessen haben: Sie wollen eine Eigentumsordnung und zugleich ihren Erfolg als Privateigentümer.
    Das ist in einer vernünftigen Gesellschaft aber nicht so. Da mag es den Zustand geben, dass man sich widersprechende Bedürfnisse feststellt, aber dann ist klar, dass wenn sie sich ausschließen, sie nicht alle verwirklicht werden können. Also sucht man nach einer Vermittlung (d.h. gibt es einen Kompromiss, in dem beide Bedürfnisse sich wiederfinden) oder man lässt eines oder beide. Nur Bürger fangen dann an zu streiten und sagen: dann soll aber meins gelten und werden unversöhnlich. Jedem vernünftigen Menschen ist klar, dass in der Situation kein Blumentopf zu gewinnen ist und man sich, wenn der Fall häufiger auftritt fragen muss, wo diese Bedürfnisse eigentlich herkommen.
    Und wenn sie dann unversöhnlich sind, bringt sie kein Verfahren der Welt zum Nachgeben, ganz einfach weil sie das Verfahren ja als zusätzliches, sachfremdes Agrument einsehen müssten, an dem sie ihren Streit beilegen. Nach deiner Voraussetzung haben sie aber doch schon vorher alle sachlichen Argumente nicht einsehen wollen, warum sollte ausgerechnet ein sachfremdes Argument (Kopf oder Zahl) der Grund sein, warum sie ihren Streit beilegen sollten!!!! D.h. dein Ausgangspunkt der wird durch Verfahren überhaupt nicht gelöst. Leute die nicht nachgeben wollen, geben auch nicht nach, wenn ihnen einer sagt: „Du musst auf die Feuchtwiese verzichten, weil ‚Zahl‘ gefallen ist!“ – fertig.
    Wer eine Münze wirft, oder lost, weil er zwischen 2 gleichberechtigten Möglichkeiten entscheiden muss, der verwaltet mit diesem Verfahren Ansprüche, Darüber solltest Du mal nachdenken. In Deinem Kommunismus laufen die Leute also mit einer Anspruchshaltung herum und fassen sich überhaupt nicht als Resultat und Ausgangspunkt eines gesellschaftlichen Zusammenhangs auf, dem es darum geht Gemeinsamkeit herzustellen.
    Lächerlich auch der Streit darum, wieviel gearbeitet werden muss. Das ist die gleiche Anspruchshaltung, nämlich die alle anderen nach der eigenen Pfeife tanzen zu lassen und sie entweder wenig oder viel „Arbeiten“ zu lassen und so zum Dienst an den eigenen Bedürfnissen zu verpflichten (wobei für Deine Kommunisten die Lebenszeit anscheinend noch in Arbeit und Freizeit zerfällt, ganz wie im Kapitalismus, deiner Erfahrungsvorlage)
    Und ganz ehrlich: die schöne neue Gesellschaft, die Du mit solchen Leuten hinbekommst, die möchte ich lieber nicht erleben. Ganz einfach, weil das nix wird. Man kann sich über eine Transformationsgesellschaft unterhalten, aber auch davon halte ich nichts, habe ich schon mal ausgeführt, warum. Was es braucht ist das Neue im Schoß des Alten bzw. genügend davon.

  226. Kim B.
    10. Oktober 2013, 13:54 | #226

    @ereandi: „Ja, genau da liegt das Problem: Dein Kommunismus setzt irgendwelche superrationalen Übermenschen voraus. Es ist ja nicht einmal so, dass du glaubst, gemäß „das Sein bestimmt das Bewusstsein“ würden die Menschen in kommunistischen Verhältnissen schon vernünftig werden und alle Konflikte sich in Wohlgefallen auflösen – nein, bei dir (und Libelle) ist dieser „neue Mensch“ schon Voraussetzung für den Kommunismus! Fragt sich allerdings, wo der unter den gegebenen Umständen herkommen soll…“
    Der Realist von heute, der sein Menschenbild aus der Geschichte und sonst wie ableitet und in seinen Erfahrungen „empirisch“ bestätigt sieht und zu dem Ergebnis kommt, das dem Menschen unveränderliche unangenehme Eigenschaften zugrunde liegen, will nicht wahrnehmen, dass jede nichtphysische (aber selbst bei physischen nicht wenige) menschliche Eigenschaft durch Lernen, Üben und Verstehen beeinflussbar und abänderlich ist. Er liegt deshalb falsch, wenn er aus heutiger Sicht „Grundeigenschaften“ des modernen, unter kapitalistischen Verhältnissen existierenden Menschen in eine kommunistische Gesellschaft transportieren will und daraus den Schluss zu zieht, dass es wegen dieser (barbarischen) Eigenschaften eben notwendig sei, diese durch Verfahrensweisen leiten und, wenn nötig, zügeln zu müssen. Und – ja, in einer kommunistischen Gesellschaft ist der Mensch tatsächlich ein anderer wie der heutige, weil er zuvor seine barbarischen Eigenschaften und Angewohntheiten abgestreift haben sollte – mit modernen konkurrenzverkrüppelten Fanatikern, die um ihre Interessen kämpfen, wird’s wohl kaum gelingen eine kommunistische Gesellschaft hinzubekommen – mit oder ohne Verfahren.
    Kim

  227. Krim
    10. Oktober 2013, 13:54 | #227

    „Wenn man den Dissens einfach aus der Welt schaffen könnte, bräuchte man in der Tat keine Verfahren.“ Du tust in dem Satz aber so, als würden die Verfahren den Dissens aus der Welt schaffen, wenn du sie als Lösung anbietest. Wenn aber mit und ohne Verfahren Dissens da ist, wozu sollen sie dann gut sein?
    „weil realistischerweise damit zu rechnen ist, dass sich nicht alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen lassen werden.“ Ständig schummelst du. Sie lösen sich auch mit Verfahren nicht in Wohlgefallen auf.
    „Die Machtfrage ist hingegen deine Fantasie, weil du, um es mit Mattis zu sagen, Verbindlichkeit mit Herrschaft verwechselst.“ Macht ist deine Fantasie. Denn das Verfahren soll leisten, dass Sieger und Verlierer entstehen, dass sich ein Wille unterordnet und einer sich durchsetzt. Lächerlich, dass du das explizit von dir gewollte Resultat jetzt als „Verbindlichkeit“ verharmlost und tricktechnisch mir die Machtfrage in die Schuhe schieben willst.
    „Wenn alle den gleichen Einfluss auf Entscheidungen haben und stärkerer Einfluss höchstens aus Wissensvorsprung und Überzeugungskraft resultiert, kann man wohl kaum von Macht oder Herrschaft reden.“ Muss man sogar, weil es das ist. Was hat denn Abstimmen mit Wissen oder Überzeugungskraft zu tun? Genausoviel wie schicke Kleidung ein vertrauenerweckendes Äußeres, Ausstrahlung usw. Es gibt eben keine sachliche Notwendigkeit, die das Abstimmen an Wissen knüpft. Man kann alles mögliche zur Entscheidungsgrundlage einer Stimmvergabe machen. Eine Wahl abstrahiert vom sachlichen Problem. Du mogelst dir den sachlichen Inhalt einfach wieder durch die Hintertüre herein. Und Gleichheit soll Herrschaftslosigkeit garantieren? Na dann ist die Demokratie wohl keine Herrschaft oder fehlt da die wahre Gleichheit noch? Gerade Gleichbehandlung erhält die Unterschiede in der Gesellschaft.
    “ Weil ein Metakonsens über die Grundsatzfragen besteht und (fast) alle einsehen, dass Entscheidungen irgendwie getroffen werden müssen.“ Wenn ein Matakonsens besteht, dann kann man den Leuten auch zutrauen ohne Verfahren zu einer Entscheidung zu kommen. Denn der Widerspruch bleibt bestehen, warum sollten sie sich eher einem Münzwurf unterordnen als ihresgleichen?
    „Also können sie sich darüber einigen, die Sache per Münzwurf zu entscheiden und das Ergebnis zu akzeptieren, auch wenn sie sich in der Sache weiter uneins sind.“ Und warum sollten sie sich nicht drauf einigen, dass heute Mark und das nächste Mal eben Frida den Rasen mäht?
    “ ob die Strecke über C oder über D besser ist.“ Es gibt Routenplaner. Und wenn der kein eindeutiges Ergebnis liefert ist es auch egal welche Strecke man nimmt.
    „Das Prinzip ist aber das gleiche: Menschen können sich auf ein Entscheidungsverfahren einigen, obwohl – bzw. gerade weil, denn sonst wärs ja unnötig – sie sich in der Sache nicht einigen können.“ „Menschen“? – Bürger vielleicht, die sich an so einen Unsinn gewöhnt haben, weil für sie der Gegensatz zu allem und jedem, Alltag geworden ist. Es ist schier unglaublich, wie selbstverständlich du in deiner Vorstellung, die depperten Bürger unverändert mit allen Dummheiten und Ideologien, die sie so drauf haben, in deine Vorstellung von Kommunismus teleportierst.
    „Nur manchmal fällt es halt unter fünf Leuten leichter, sich zu einigen, als unter 500.“ Also werden die Entscheidungen an immer kleinere Entscheidungskommissionen delegiert. Da hätte ich einen Vorschlag für dich. Am besten geht das Entscheiden mit einer Entscheidungskommission, die nur aus einem Mitglied besteht. Ein Diktator/Alleinherrscher gewährleistet also am besten, dass entschieden wird. Nur müssen sich alle Kommunisten eben vorher auf einen einigen.
    „Das liegt einfach in der Natur von Argumenten. Die können Menschen überzeugen, aber nix entscheiden.“ Eben. Deshalb braucht es ja im Kommunismus Menschen, die aus sachlichen Argumenten etwas folgen lassen wollen. Also Leute für die ein Argument nicht nur ein Datum in einer Abstimmung ist, sondern die die Bestimmungen der Sache zur ihrer Handlungsgrundlage machen.

  228. Mattis
    10. Oktober 2013, 14:54 | #228

    Libelle, franziska, Krim und Hans wollen alle ohne Entscheidungsverfahren auskommen. Da frage ich mich, wieso können dann nicht wenigstens diese vier auf eine übereinstimmende Position bei den wichtigsten Themen kommen, obwohl genau das doch gemäß ihrem eigenen Anspruch in einer endlichen Zeit mit der entsprechenden Bereitschaft – die alle vier für sich reklamieren – möglich sein müsste?
    Was wäre denn, wenn etwas davon abhinge, dass sie sich einig werden?

  229. Hans
    10. Oktober 2013, 16:38 | #229

    @Mattis
    „Libelle, franziska, Krim und Hans wollen alle ohne Entscheidungsverfahren auskommen.“
    Du bist so überzeugt von deinem Entscheidungsfindungskram, dass du gar nicht merkst, wen du da in ein Boot bekommen willst. Als wäre das etwas Einigendes, wer etwas gegen deine Verfahren hat! Mit einer antikommunistischen Libelle z.B. ist es absurd, kommunistische Schiedsrichterentscheidungen zu diskutieren. Diese Abstraktion geht nur, wenn die Welt vorher in Befürworter und Kritiker abstrakter „Entscheidungsfindungen“ eingeteilt ist. Dann spielt die Frage, wer warum was entscheidet, nämlich eine untergeordnete Rolle – und das soll es wohl auch.

  230. earendil
    10. Oktober 2013, 18:57 | #230

    @Franziska:

    Die Klassengesellschaft, die man in der Tat durch einen Entschluss „abschaffen“ könnte (…).

    Ja, „durch Entschluss abschaffen“. Facepalm.
    @libelle:

    Woher hast Du denn Deinen Realismus (d.h. Deinen Wirklichkeitssinn)?

    Auch wenn mir schon klar ist, dass du mir damit irgendein biologistisches „Menschenbild“ unterschieben willst, versuche ich mal eine Antwort: Aus Beobachtungen von heutigen Menschen, Menschen in der Vergangenheit, und theoretischen Überlegungen. Es ist doch erstmal nicht verkehrt, von real existierenden Menschen auszugehen und z. B. anzunehmen, dass Menschen auch im Kommunismus was wohlschmeckendes zu essen auf dem Tisch und gute Musik auf die Ohren haben wollen, aber jeweils zu unterschiedlichen Geschmacksurteilen kommen. Wie sich die Bedürfnisse der Menschen im Kommunismus tatsächlich entwickeln werden, weiß ich natürlich genauso wenig wie du.
    Bei Dingen, die ursächlich auf Spezifika der bürgerlichen Gesellschaft zurückgeführt werden können, sieht das gewiss anders aus. Und es ist davon auszugehen, dass sich in einer Gesellschaft, in der die Interessen der einen nicht systematisch nur auf Kosten der anderen durchgesetzt werden können, Kompromisse wesentlich leichter finden lassen. Es ist aber ein Fehler, sämtliches Konfliktpotential auf kapitalistische Vergesellschaftung zurückzuführen und zu glauben, im Kommunismus würde sich zu allen Fragen ein allgemeiner Konsens finden. Welche Konfliktpotentiale sich auch dann noch ergeben werden, wurde ja nun schon mehrfach ausgeführt.
    (Man kann sich’s übrigens auch, wie Mattis, leichter machen und einfach nur einen Blick auf euch Superrationalisten werfen.)
    Wie wärs denn damit: Sollten sich wider Erwarten alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen und zu jeder Frage ein Konsens gefunden werden, werden die von den „Realisten“ entwickelten Verfahren einfach nie angewendet. Und falls doch, dann haben wir wenigstens Wege, um das Ganze nicht am erstbesten Konflikt, bei dem sich nicht alle auf einen Konsens verständigen können, scheitern zu lassen.
    Im Übrigen: Selbst wenn sich unter kommunistischen Bedingungen alle Menschen zu superrationalen, sich jederzeit einigen könnenden Übermenschen entwickeln würden, hätte man zu Anfang trotzdem erstmal mit bürgerlich sozialisierten Menschen zu tun. Und die müssten trotzdem Entscheidungen treffen.

    Also sucht man nach einer Vermittlung (d.h. gibt es einen Kompromiss, in dem beide Bedürfnisse sich wiederfinden) oder man lässt eines oder beide.

    Ja, das sind in etwa die Möglichkeiten. Und auf welche Weise macht „man“ das? Nicht etwa in einem Vermittlungsverfahren? Oder sieht eine Seite einfach edelmütig von der Verwirklichung ihrer Bedürfnisse ab und erspart den anderen damit das hässliche Unterbuttern in einem bösen Verfahren, damit der Konsens gerettet ist?

    Nur Bürger fangen dann an zu streiten und sagen: dann soll aber meins gelten und werden unversöhnlich.

    Auf seinen Ansichten (etwa zur Straße oder Feuchtwiese) zu beharren, solange man nicht durch andere Argumente überzeugt wurde, ist also bürgerlich? Und für die eigenen Bedürfnisse zu streiten ebenso? Aha.

    Nach deiner Voraussetzung haben sie aber doch schon vorher alle sachlichen Argumente nicht einsehen wollen, warum sollte ausgerechnet ein sachfremdes Argument (Kopf oder Zahl) der Grund sein, warum sie ihren Streit beilegen sollten!!!!

    Auch wenn du noch ein Dutzend Ausrufezeichen hinterherschiebst, wird aus einem Verfahren zur Entscheidungsfindung kein Argument, weder ein sachfremdes noch ein sachbezogenes. So ein Verfahren kommt zum Einsatz, wenn man sich nicht argumentativ einigen kann. Und es legt den Streit nicht inhaltlich bei, sondern es führt zu einem Ergebnis, das beide Seiten trotz weiter bestehendem Dissens akzeptieren. Und zwar, weil sie sich vorher darauf verpflichtet haben.
    Übrigens: Ein Kompromiss ist genauso sachfremd. Da tritt jeder ein Stück von der Verwirklichung seiner Bedürfnisse oder Ansichten zurück, ohne inhaltlich davon abzurücken. Z. B. wenn die Straßenbefürworter eine alternative Trassenführung akzeptieren, obwohl sie eigentlich die Strecke durch das Feuchtgebiet für sinnvoller halten.

    Lächerlich auch der Streit darum, wieviel gearbeitet werden muss.

    Ja, lächerlich, und unverschämte Anspruchshaltung, wenn manche Menschen mehr Arbeit als gesellschaftlich notwendig erachten als andere.

    (wobei für Deine Kommunisten die Lebenszeit anscheinend noch in Arbeit und Freizeit zerfällt, ganz wie im Kapitalismus, deiner Erfahrungsvorlage)

    Entschuldige, ich bin leichtfertig davon ausgegangen, dass es auch im Kommunismus noch Tätigkeiten geben wird, die zwar für die Bedürfnisbefriedigung notwendig, aber eher unangenehm durchzuführen sind. Dabei habe ich ganz vergessen, dass sich ja nicht nur mit dem Ende der Eigentümerkonkurrenz sämtliche Konflikte in Wohlgefallen auflösen werden, sondern auch mit dem Ende der Lohnarbeit die gesamte Reproduktionstätigkeit der Menschen sich in Vergnügen verwandeln wird.
    @Hans: Um das zusammenzufassen: Wie soll man sich auch mit Leuten einigen, mit denen man sich nicht einig ist! Tja.
    Den entscheidenden Punkt lässt du nämlich einfach weg, nämlich den, in dem ihr vier euch tatsächlich einig seid: Dass man, wenn man sich vom bürgerlichen, eigentumsförmigen Denken gelöst hat, durch reines Argumentieren einer Einigung findet. Das klappt nicht nur mit Antikommunisten wie libelle nicht, das klappt auch seit Jahren nicht zwischen Krim und den GSP-Anhängern hinsichtlich der Staatsdiskussion.
    Zu Kim und Krim vielleicht später.

  231. Mattis
    10. Oktober 2013, 19:18 | #231

    „wobei für Deine Kommunisten die Lebenszeit anscheinend noch in Arbeit und Freizeit zerfällt, ganz wie im Kapitalismus“ (libelle)

    Jaja, auch Schwimmen und Wandern oder Freunde besuchen kann harte Arbeit sein … da freut man sich dann aufs Kartoffelernten.

  232. Hans
    10. Oktober 2013, 20:19 | #232

    @ear
    „Dass man, wenn man sich vom bürgerlichen, eigentumsförmigen Denken gelöst hat, durch reines Argumentieren eine Einigung findet. Das klappt nicht …“
    Ein etwas widersprüchliches Anliegen trägst du da vor: Mittels Argument möchtest du den Erfolg vom Argumentieren in Zweifel ziehen. Ein ziemliches Eigentor.
    Und wofür soll das stehen, dass Krim, Libelle und andere ihr Gegenüber nicht überzeugen können? Dass alle doof sind außer Mutti? Vielleicht ist es ja prinzipiell blöd, sich mit gegensätzlichen Absichten einigen zu wollen. Dazu darf man natürlich den Inhalt nicht ausblenen, sonst bleibt man auf dem verkehrten Gedanken hängen, allen ginge es irgendwie um Erfolg: ob nun der Erfolg nun in der Kapitalismuskritik liegt oder in der Kommunistenhetze, ist bei der Brille ja egal …

  233. franziska
    10. Oktober 2013, 20:31 | #233

    Tja, da hab ichs nun, je länger die Erklärungsversuche, um so kürzer die Abfertigung: earendil fassungslos.
    Ich hätte also schreiben müssen: durch einen Entschluss oder sagen wir auch die Entschlossenheit der grossen Mehrheit lässt sich die Klassengesellschaft beseitigen, darum weil sie im wesentlichen auf dem Willen ZU ihr dieser Mehrheit zuvor beruhte. (Immer noch fassungslos, earendil?)
    HINGEGEN… (und damit sollte das doch nur kurz konfrastiert werden)… hinterlässt die verrückte und keineswegs, jedenfalls nicht gesellschaftlich geplante kapitalistische Konkurriererei auch nach ihrer Abschaffung eine Aufgabe, und die ist nicht einfach durch Entschluss zu lösen.
    (Puh… wollte mich an der Stelle nur einfach kurz fassen…)
    Ich sagte dann noch, dass im Kern dieses Problems die gesellschaftliche Verwaltung von (modernem) WISSEN steht.
    Und… da ich und viele andere auch der Überzeugung sind, dass durch Argumentieren speziell die Probleme mit dieser Wissensverwaltung (wegen konfligierender Meinungen oder auch schwer zu findender Lösungen), ausserdem aber auch noch mancherlei andre Probleme nicht in den Griff zu kriegen sind: deshalb zögern sie, einen massenhaften Aufbruch (womöglich mit grossen Opfern erkauft) in eine Ökonomie zu befürworten und ab dann davon existenziell abhängig zu sein, in der zwar ständig Anstehendes entschieden werden muss, aber die Verständigung über die unterschiedlichen Prinzipien (gähnst du grad, earendil?) darum keinen Schritt weiterkommt, stattdessen nur die Verfahren und Kompromisslösungen die allenfalls vorhandenen Kräfte vollends erschöpfen. Zum (Mit)Verwalten einer Reproduktion auf gesellschaftlicher Stufenleiter gehört ja wohl einiges an zu verarbeitender Information, daneben soll auch noch gerarbeitet werden… und dann noch argumentiert und gestritten (allein die verschiedenen Vorschläge durchzuarbeiten, geschweige denn die Begründungen, würde selbst extra dafür freigestellte Entscheidungs-Profis (wie Politiker?) erschöpfen…)
    Es geht so nicht.
    Es geht noch aus andern Gründen nicht, und die Vorstellung vom Übergang der Mehrheit in diese Verhältnisse ist haltlos:
    Weil…
    …nicht nur die immer wieder auftretenden Differenzen nicht an ihren Konkretisierungen entlang aufgelöst werden, denn dort ist genau von den Grundsätzen, die hinter einem „wir wollen aber..“ stehen und ihrer präzisen Begründung, nicht mehr die Rede.
    Sondern…
    …weil in der Tat die erfolgreiche Einflussnahme auf fremde Aufmerksamkeit durch „Argumentieren“ und „Kritisieren“ SEHR begrenzt ist, wenn dem nicht aktiv von seiten der Gesprächspartner etwss entgegenkommt;
    …weil selbst dies Entgegenkommen bei einem Grossteil der heutigen Bevölkerung, die eben keine „Superrationalisten“ sind, durch autoritäre Berechnung und „erfahrungsgestützte“ Vorurteile gesteuert wird;
    …weil selbst bei denen, die sich versuchen rational zu verhalten, die Antworten auf wichtige Fragestellungen derzeit fehlen: sie wissen selber nicht, worauf sie sich mit andern einigen sollen (wenn sie sich denn überhaupt schon ihre eigenen Prinzipien wirklich klargemacht haben, und deren Unzulänglichkeit erkennen…)

  234. earendil
    10. Oktober 2013, 21:11 | #234

    @Krim:

    Wenn aber mit und ohne Verfahren Dissens da ist, wozu sollen sie dann gut sein?

    Um trotz Dissens zu einer Entscheidung zu kommen, die alle akzeptieren?

    Sie [die Konflikte] lösen sich auch mit Verfahren nicht in Wohlgefallen auf.

    Nein, müssen sie auch nicht, weil damit ein Weg vorhanden ist, mit ihnen vernünftig umzugehen.

    Denn das Verfahren soll leisten, dass Sieger und Verlierer entstehen, dass sich ein Wille unterordnet und einer sich durchsetzt.

    Nur, wenn sich kein Kompromiss finden lässt, mit dem alle leben können. (Dafür würde ich jedenfalls prinzipiell plädieren.) Auch zur Kompromissfindung gibt es Verfahren, Mediation und sowas, das kann man auch weiterentwickeln. Und wenn sich kein Kompromiss findet, wird ja auch bei dir untergebuttert – nur halt informell, also ohne dass man sich vorher darauf verständigt hätte, das Ergebnis eines Verfahrens unabhängig vom Inhalt zu akzeptieren. Und dann bleibt als Weg zum Durchsetzen eigentlich nur noch Gewalt.

    Es gibt eben keine sachliche Notwendigkeit, die das Abstimmen an Wissen knüpft. Man kann alles mögliche zur Entscheidungsgrundlage einer Stimmvergabe machen.

    Das trifft auf informelle Entscheidungsfindungen genauso zu. Eine Notwendigkeit, die eigene Postion an Wissen oder irgendwas anderes zu knüpfen, gibt es nie. Es besteht aber im Kommunismus, und das nun ebenfalls unabhängig von verfahren oder Nichtverfahren, gar kein Grund (oder zumindest kein systemischer Grund), seine Position von etwas anderem als sachlichen Argumenten und den eigenen Bedürfnissen leiten zu lassen.

    Und Gleichheit soll Herrschaftslosigkeit garantieren? Na dann ist die Demokratie wohl keine Herrschaft oder fehlt da die wahre Gleichheit noch?

    Bürgerliche Demokratie erschöpft sich ja nicht in Gleichheit, sondern bedeutet u.a., dass sich die Bürger Herrschaftspersonal wählen. Haben du und ich nun den gleichen Einfluss auf Entscheidungen wie Frau Merkel? Vom Einfluss auf Entscheidungen in der Ökonomie ganz zu schweigen.

    Und warum sollten sie sich nicht drauf einigen, dass heute Mark und das nächste Mal eben Frida den Rasen mäht?

    Vielleicht weil es heute weder Mark noch Frida passt und sie lieber nächstes Mal dran sein wollen?

    Es gibt Routenplaner.

    Ah, die technokratische Utopie, alles Entscheidungen an Maschinen zu deligieren. Es mag aber auch Argumente oder bedürfnisse hinsichtlich der Fahrtroute geben, die nicht von einem Routenplaner erfasst werden können.

    Es ist schier unglaublich, wie selbstverständlich du in deiner Vorstellung, die depperten Bürger unverändert mit allen Dummheiten und Ideologien, die sie so drauf haben, in deine Vorstellung von Kommunismus teleportierst.

    So langsam komme ich zu dem Eindruck, dass selbst mit Bürgern noch eher Kommunismus zu machen wäre als mit Leuten wie dir, die sich keinesfalls auf verbindliche Entscheidungsverfahren festlegen wollen, sondern stattdessen

    aus sachlichen Argumenten etwas folgen lassen wollen

    nur leider nicht etwas, das daraus tatsächlich folgen könnte, wie z.B. Einsicht, sondern die sich der Illusion hingeben, aus sachlichen Argumenten würde in magischer Weise ein Konsens erwachsen. Und das, was realiter noch nicht einmal bei Erkenntnisfragen funktioniert, soll sogar Konflikte auflösen, die gar nicht differierenden Sachurteilen, sondern entgegengesetzen Bedürfnissen entspringen.

  235. earendil
    10. Oktober 2013, 21:12 | #235

    @franziska: Sorry, das war ein Fall von tl;dr. Und dieser Satz hat mich tatsächlich etwas fassungslos gemacht. Vielleicht später oder morgen mal mehr.

  236. libelle
    11. Oktober 2013, 11:36 | #236

    @earendil – ich versuche mal eine längere Antwort. Die Antwort an Franziska fällt da zwar wieder hinten herunter, aber die Diskussion ist ja noch nicht zu Ende.
    Es geht mir nicht darum, Euch (Mattis & Dir) irgendwas unterzuschieben – das bringt mir nichts. Aber es muss möglich sein, auch wenn man zu unangenehmen Diagnosen kommt, diese auch zu stellen.
    Einig sind wir uns darin, dass durch ein Vermittlungsverfahren anlässlich eines Gegensatzes (1) unter Absehung von seinem Inhalt (2) ein gemeinsamer Wille hergestellt werden soll.
    I) Verfahren – die falsche Abstraktion
    Auf die Austragung von Gegensätzen kann man so blicken, dass man vom Inhalt der Gegensätze (Lohnkampf, Streitgespräch, Krieg usw..) abstrahiert und lediglich abstrakte Vorgehensweisen der am Gegensatz beteiligten Parteien festhält. So könnte man an unserem inhaltlichen Gegensatz die Vorgehensweise „Gedankenaustausch“ festhalten, oder an einem Gegensatz von Nationen „Gewaltaustausch“, beim Lohnkampf vielleicht „Zugangsbehinderung“ oder „Arbeitsverweigerung“, aber auch „Gedankenaustausch“ wie beim Streitgespräch usw..
    Stellt man nun als Resultat der obigen Abstraktion eine Menge von Gegensätzen (Lohnarbeit & Kapital, theoretischer Gegensatz, sich ausschließende nationale Regelungsansprüche usw..) einer Menge von Verfahrensweisen (Gewaltaustausch, Zugangsbehinderung, Gedankenaustausch) gegenüber, dann hat man sich ein mindestens unnötiges, künstliches, wenn nicht gar verkehrtes Problem geschaffen. Man tut nämlich so, als wäre das Verfahren die eine und der Gegensatz die andere Sache, die einander erst noch zugeordnet werden müssten.
    Die Wahrheit ist, dass die ihren Gegensatz austragenden Parteien ihre Vorgehensweise mit Blick auf den Gegensatz und die Zwecke, die sie darin verfolgen entwickeln. Sie greifen nicht in einen Verfahrenstopf und wenden ein geeignetes auf den Gegensatz an, sondern sie entwickeln eine ihrem Interesse am Gegensatz (oder ihrem „Gesamtinteresse“) entsprechende Vorgehensweise. Da mag es mehrere Möglichkeiten geben, die aber immer nur zusammen mit dem Streitgegenstand bzw. dem Interesse sich als Möglichkeiten der Austragung des Gegensatzes erweisen oder eben nicht.
    Dass in einem Gegensatz bzw. bei gegensätzlichen Bedürfnissen (irgendwie) „vorgegangen“ wird, das hat niemand bestritten. Dazu kann man auch immer „Verfahren“ sagen, man muss nur die obige Abstraktion vornehmen, aber dann macht man auch den obigen Fehler, der darin besteht eine abstrakte „Vorgehensweise“ als solche, unabhängig vom Inhalt des Gegensatzes zu postulieren, die auf den Gegensatz „angewandt“ wird.
    Sachgerecht wäre es , aus dem Inhalt des Gegensatzes die Vorgehensweise, den Interessen der Beteiligten entsprechend, zu entwickeln und das heißt dann schon, dass die Diskussion über abstrakte Austragungsverfahren von Gegensätzen jenseits von Macht und Gewalt ein Fehler ist.
    Und damit ist man an der Stelle, an der Verfahren keine falsche Abstraktion sind:
    II) Verfahren – die gesellschaftliche Abstraktion.
    Etwas kann nicht gleichzeitig richtig und falsch sein. Also ist die letzte Behauptung unter I) ein Widerspruch zur Überschrift v. I). Falsch ist es also, bei der Anwendung von Verfahren auf Gegensätze, die es z.B. im Recht gibt == man bekämpft sich nicht, sondern nimmt sich einen Anwalt, reflektiert das eigene Anliegen auf das Recht und versucht in einer Gerichtsverhandlung eine richterliche Entscheidung zu den eigenen Gunsten herbeizuführen == davon zu sprechen, dass die am Gegensatz beteiligten Parteien ihren Gegensatz auf diese Weise regeln, sondern als „Verfahren“ tritt da eine dritte Partei in den Gegensatz ein, die einen neuen Gegensatz zu den ursprünglichen Parteien des Gegensatzes eröffnet. Und dieser Gegensatz heißt: vermittelt euren Gegensatz so, dass mein Interesse (die Erhaltung der Eigentumsordnung und ihrer Grundlagen) zum Zug kommt! Da die Parteien von sich aus zu überhaupt keiner Regelung kämen (siehe z.B. Unterhalt, Mietzahlungen etc…) regelt diese dritte Partei (der Staat, die öffentliche Gewalt) auf der Grundlage, dass die Einsicht gesellschaftlich durchgesetzt ist, dass es sowas braucht, den ursprünglichen Gegensatz d.h. sie entscheidet per Rechtserlass, welches der Interessen des ursprünglichen Gegensatzes wie zum Zug kommt (wie viel Miete oder Unterhalt gezahlt werden muss etc…).
    „Verfahren“ heißt da also eine Vorgehensweise einer dritten Partei, die einen neuen Gegensatz zu den streitenden Parteien eröffnet. Man täuscht sich also, wenn man meint, das „Verfahren“ wäre eines für die ursprünglich am Gegensatz beteiligten Parteien. Nochmal‘: es ist die Vorgehensweise der dritten Partei, die ihrem Interesse an dem Gegensatz gemäß ist. „Verfahren“ heißt das für sie auch, weil sie Verlaufsformen „fremder“ Gegensätze, nämlich der von Privateigentümern, damit festlegt.
    Und dann kann sie schon hergehen und sagen, es muss ein Vermittlungsgespräch oder sowas stattgefunden haben, bevor sie was vorschreibt etc..
    III) Verfahren – die Froschperspektive
    Ein Privateigentümer, der kommt in seiner Gesellschaft, wenn er in einen Gegensatz gerät überhaupt nicht ohne die Beachtung des Rechts aus. Dem erscheint es schon so, dass die Verfahren grundsätzlich zur bestmöglichen Regelung seiner Interessengegensätze mit den anderen Privateigentümern da wären. Da hält er sie vielleicht für verbesserungswürdig und gründet einen Verein, denkt sich Gesellschaften aus, in denen prima Verfahren die (angenommenen) Gegensätze der Leute zu ihrer Zufriedenheit regeln etc… Unter dem Strich, gehen aber alle diese Vorstellung davon aus, dass es in diesen schönen neuen Welten eine Herrschaft geben muss, die ihr Interesse als „Verfahren“ an den Gegensätzen der Gesellschaftsmitglieder verfolgt.
    IV) Verfahren – die Macht
    Wer setzt dann den Inhalt der Herrschaft, die als Notwendigkeit und Funktion für die Interessen der Privateigentümer gebraucht wird?
    Weil die Herrschaft Funktion für die Konkurrenz der Privateigentümer ist (Nation mal außen vor), ist sie auf deren Konkurrenz bezogen d.h. die Unterwerfung Aller muss auf eine Art und Weise geregelt werden, dass a) die Machtfragen in der Gesellschaft eindeutig geregelt sind d.h. dass das Willenskontinuum, das hinter dem Herrschaftsprogramm steht auch die größte Macht ist und das b) die Unterwerfung Aller die Konkurrenz der Privateigentümer nicht stört, weil z.B. jedes mal ein Bürgerkrieg ausgetragen wird. Demokratie ist die Vorgehensweise, wie dieser Gegensatz geregelt wird. Es wird einerseits immer die Macht in der Gesellschaft d.h. das größte Willenskontinuum, ermittelt das zu irgend einem Regierungsprogramm gehört (dazu gehört auch, dass Wahlkämpfe und Öffentlichkeit dafür sorgen, das sowas überhaupt zustande kommt bzw. hergestellt wird d.h. die Leute werden mit den Fragen der Eigentumsordnung bekanntgemacht und aufgefordert sich hinter den Alternativen dafür zu versammeln) Dazu sind Abstimmungen, Wahlkreuze sachgerecht. Sie regeln die Machtfrage auf der Grundlage, dass die Eigentumsordnung grundsätzlich gewollt wird (und auch funktionieren soll d.h. die Herrschaft entpersonalisiert werden soll, zu einem effizienten Verwaltungsapparat werden soll etc..)
    V) Verfahren – die Revolution (angedeutet, keine Zeit mehr)
    Die (Haupt-) Quelle linker Konstruktionen von „Verfahren“, mit denen man „Gegensätze“ regelt und die Gesellschaft handlungsfähig hält ist ihre Idee, wie sie die Gesellschaft ändern wollen. Wer sich Klassenkampf und Machtkonkurrenz auf die Fahnen schreibt, der verschafft sich damit nicht nur gehörig Entfernung zu seinem Ausgangspunkt (Bedürfnisbefriedigung), sondern der muss bei seiner Gesellschaftsvorstellung fest mit einem Teil der Bevölkerung rechnen, der die schöne neue Welt, mit der er beglückt werden soll nicht will. Da kommt dann wirklich eine Gesellschaft heraus, die mit von Menschenfreunden entwickelten „Verfahren“ – d.h. ihr als herrschend angenommenes Interesse – betrieben wird.
    So eine Gesellschaft nennen ich Sozialismus oder Kommunismus und das ist etwas anderes als eine Gesellschaft, in der die Leute ihre Verhältnisse bewusst kontrollieren und gestalten und man kommt auch aus so einer Gesellschaft nicht in den zuletzt genannten Zustand, sondern da kommt halt heraus, dass um als menschenfreundlich titulierte „Verfahren“ zum Zweck der Durchsetzung von Interessen konkurriert wird, was auch nichts weiter ist, als auf der Grundlage einer sozialistischen oder kommunistischen Einigkeit um die Ausrichtung der Herrschaft (die dann vielleicht nicht mehr so heißen darf) zu konkurrieren.
    VI) Verfahren – das Menschenbild
    Man lese earendils letzte Antwort an mich. Natürlich ist das Bedürfnis Verfahren als Entsprechung zu Menschen entwickeln zu wollen ein Rassismus. Und das meine ich nicht als Beleidigung, sondern – auch wenn man mir nicht zustimmt – muss doch erkennbar sein, wie ich darauf komme: Menschenfreundliche Verfahrensentwickler halten Herrschaft für menschengemäß.

  237. earendil
    11. Oktober 2013, 13:17 | #237

    Ok, da Franziska ja unbedingt ausführlicher abgekanzelt werden wollte… 😉
    Was du hier schreibst, ist doch nur eine weitere Strophe der endlosen antikommunistischen Litanei „Kommunismus funktioniert einfach nicht“. Diesmal soll es daran liegen, dass die Menschen im Kommunismus mit der Verwaltung von Wissen überfordert seien. Wie bei der öfter vorgetragenen Strophe von der angeblich unmöglichen Planung der Ökonomie stellt sich doch die Frage, warum im Kommunismus nicht möglich sein soll, was im Kapitalismus tagtäglich praktiziert wird, nur halt unter anderen Prämissen. Politiker und Wirtschaftskapitäne planen bekanntlich nicht nur dauernd, sie „verwalten“ auch ständig Wissen, also treffen Entscheidungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse betreffen oder umsetzen. Obwohl sie in all dem vielfältigen Wissen, über dessen Anwendung sie entscheiden, noch viel weniger drinstehen können als eine größere Gruppe von Menschen. Oder glaubst du, ein Herr Altmaier weiß, wie eine Photovoltaikanlage oder eine Windturbine physikalisch-technisch funktioniert? Ich kenne sogar einen Fall, wo jemand als Chef über die Anschaffung und Anwendung von IT entschieden hat, der nicht mal wusste, wie man einen Rechner einschaltet. Nach kapitalistischen Maßstäben war der trotzdem ein recht erfolgreicher Entscheider.
    Tja, und wie machen diese Wuderknaben und -mädchen das? Indem sie Expertisen einholen, sich von Leuten mit Sachverstand beraten lassen. Die wiederum zum Teil nur das bündeln, was ihnen von anderen zusammengetragen wurde. Warum nun sollten das die Entscheider im Kommunismus nicht auch machen können?
    Die Entscheider im Kapitalismus sind ja für gewöhnlich keine wissenschaftlich-technischen Experten, sondern Experten für Kapitalvermehrung bzw. Staatsinteressen, denn das sind die Zwecke, für die hier Entscheidungen getroffen und Wissen verwaltet werden. Im Kommunismus hingegen geht es um Bedürfnisbefriedigung – und wer könnte über die Bedürfnisse der Menschen besser Bescheid wissen als diese selber?
    @Hans:

    Mittels Argument möchtest du den Erfolg vom Argumentieren in Zweifel ziehen.

    Quatsch. Ich hege ja weder die Hoffnung noch die konkrete Absicht, hier mittels Argumenten zeitnah einen Konsens unter allen Beteiligten zu erreichen. Und ich sage ja nicht, dass Argumente sinnlos oder überflüssig wären. Sie können anderen einleuchten und sie überzeugen (müssen sie aber nicht), sie können aufzeigen, wo die sachlichen Differenzen liegen, und sie sind eine Grundlage, um sich überhaupt erstmal eine Meinung zu bilden. Man sollte aber nicht von Argumenten Dinge erwarten, die sie erkennbar nicht leisten können.

    Vielleicht ist es ja prinzipiell blöd, sich mit gegensätzlichen Absichten einigen zu wollen.

    Zwischen Krim und den GSPlern bestehen keine großartig gegensätzlichen Absichten. Trotzdem gibt’s keine Einigung.
    @libelle: Nö, jetzt fällst du erstmal hinten runter. 🙂 Vielleicht später mal.

  238. Krim
    11. Oktober 2013, 13:28 | #238

    „Es ist aber ein Fehler, sämtliches Konfliktpotential auf kapitalistische Vergesellschaftung zurückzuführen“Du verstehst die Tragweite nicht ganz. Es ist nicht nur das Konfliktpotential, sondern die Art und Weise wie sich der Einzelne auf die Gesellschaft bezieht, ist eine ganz andere. Sie ist nicht mehr der Gegner oder das Ding, das es individuell auszunutzen gilt, für das indiviuelle Wohl und das individuelle Wohl ist bloß Ergebnis dieses Kampfes, – sondern die Gesellschaft ist das positive Mittel mit dem ich mein individuelles Wohl überhaupt erst zu erreichen im Stande bin. Da bin ich also positiv auf andere verwiesen ohne die geht gar nix. Was als Gemeinschaft gemacht wird, ist nicht das Ergebnis einer individuellen Vorstellung, die sich durchgesetzt hat, sondern sie ist der Wille, der sich gemeinsam bildet. Das ist etwas fundamental anderes als heute. Du greifst zu kurz, wenn du bloß 80% kapitalistisches „Konfliktpotential“ (was eine Abstraktion) wegstreichst und dann 20% „Konfliktpotential“ im Kommunismus übrig bleibt. Denn dann ist klar, dass es keinen Grund gibt, warum man mit 20% anders umgehen soll als mit 100%. Der Kommunismus ist aber kein Kapitalismus mit weniger Konflikten oder ein gerechter Kapitalismus, sondern eine ganz andere Weise wie sich das Individuum sich zu anderen Individuen und zur Gesellschaft verhält.
    „Und falls doch, dann haben wir wenigstens Wege, um das Ganze nicht am erstbesten Konflikt, bei dem sich nicht alle auf einen Konsens verständigen können, scheitern zu lassen.“ Das ist der nächste Fehler. Das Scheitern steht gar nicht zur Debatte, auch ohne Verfahren nicht. Ein „Superrationalist“ braucht eben kein Verfahren um einzusehen, dass eine Lösung eines Konflikts nicht geht. Es muss dann nichtidealer Umgang mit einem Problem gefunden werden. Die „Realisten“ lassen sich das gleiche lieber durch ihr Verfahren aufdrücken, was eben alles andere ist als die bewusste Beherrschung der gesellschaftlichen Umstände. Es ist die mechanische Unterwerfung unter die Gesetzmäßigkeiten des Konflikts.
    “ hätte man zu Anfang trotzdem erstmal mit bürgerlich sozialisierten Menschen zu tun.“ Mit solchen gibt es keinen Kommunismus. Kommunismus geht nicht mit Putsch einer Elite, die dann die Gesellschaft zu „Übermenschen“ erzieht. Sowas ist ein Wahn.
    „Und es legt den Streit nicht inhaltlich bei, sondern es führt zu einem Ergebnis, das beide Seiten trotz weiter bestehendem Dissens akzeptieren. Und zwar, weil sie sich vorher darauf verpflichtet haben.“ Niemals würde ich mich auf ein Verfahren verpflichten lassen, wenn ich nicht weiß, worum es geht. Was ich partout nicht will, dem stimme ich auch über den Umweg eines Verfahrens nicht zu.
    „Um trotz Dissens zu einer Entscheidung zu kommen, die alle akzeptieren?“ Nein, du mogelst, der Ausgangspunkt ist, dass nicht alle die Entscheidung akzeptieren. Das Verfahren leistet nur die Unterordnung von Willen. Wenn die Unterordnung aber unausweichlich ist, dann geht man lieber bewusst rational damit um und macht sich nicht von einem Verfahren abhängig.
    „weil damit ein Weg vorhanden ist, mit ihnen vernünftig umzugehen.“ Ein Verfahren ist die Unvernunft schlechthin. Beim Münzwurf lässt man z.B. den Zufall entscheiden, bei Mehrheitsentscheidungen ein Zahlenverhältnis. Also nichts ist unvernünftiger als ein Verfahren.
    „Nur, wenn sich kein Kompromiss finden lässt, mit dem alle leben können.“ Es ist unterstellt, dass sich kein Kompromis finden lässt, wenn man ein Verfahren für nötig hält, also ist es eben doch die Aufgabe eines Verfahren Willen unterzuordnen – nicht nur ausnahmsweise, sondern Verfahren = bedeutet Unterordnung ist der Zweck.
    „Und dann bleibt als Weg zum Durchsetzen eigentlich nur noch Gewalt.“ So denken Bürger, nicht Kommunisten. Wenn du mit Freunden einen Ausflug planst und man wird sich nicht über das Ziel einig, kommst du dann auch mit Gewalt an.
    „Eine Notwendigkeit, die eigene Postion an Wissen oder irgendwas anderes zu knüpfen, gibt es nie.“ Wenn sachlich entschieden wird schon. Da kannst du im Plenum nicht sagen: „Ich bin für die Feuchtwiese, weil mir der Anführer der Feuchtwiesenfraktion so eine vertrauenerweckende Ausstrahlung hat.“ Da kriegst du den Vogel gezeigt. Bei einer Abstimmung geht das aber ohne weiteres, weil es in der gar nicht um die Feuchtwiese geht, sondern rein um das abstrakte Zahlenverhältnis der Positionen.
    „Vielleicht weil es heute weder Mark noch Frida passt und sie lieber nächstes Mal dran sein wollen?“ Dann bleibt der Rasen eben eine Woche ungemäht. „Es mag aber auch Argumente oder Bedürfnisse hinsichtlich der Fahrtroute geben, die nicht von einem Routenplaner erfasst werden können.“ Und so kommt man sich näher. Man tauscht die Kriterien der Entscheidungsfindung aus. Und dann entdeckt man vielleicht, dass man gar nicht soweit auseinanderliegt. Hätte man gleich Münze geworfen, wäre man soweit gar nicht gekommen.
    „So langsam komme ich zu dem Eindruck, dass selbst mit Bürgern noch eher Kommunismus zu machen wäre“ Genau, das sage ich ja. Dein Kommunismus passt gut zu Bürgern, aber nicht zu Kommunisten. Dann viel Spaß noch mit deinem Bürgerkommunismus.

  239. franziska
    11. Oktober 2013, 18:29 | #239

    Dank auch schön für die Mühe meiner Abkanzlung, earandil, ein klarer Fall von tw,sda (too wrong, sorry don’t agree) 🙂
    Es gibt drei nächstliegende Einwände:
    1. dass sie es sich zutrauen, heisst nicht, dass es nicht Wahnwitz ist. Wer misst denn ihre Fehler, wer prüft denn, wieviel die in den Sand setzen, blöderweise unterlassen, vor allem, systembedingt, falsch machen oder unterlassen MÜSSEN, weil ihnen genau dazu die Informationen fehlen, oder die gegen alles und jedes rücksichtslose Konkurrenz es leider erzwingt?
    ((Ich sage: wäre die Moderne von Anfang an von eigentumsfrei organisierten Menschen umgesetzt worden, wäre sie nie solch ein mörderisches Riesending geworden, bei dem wir uns jetzt fragen können, wie wirs auf bewältigbare Grösse zurückfahren, reparieren und neuaufbauen. Von wegen: „Produktivkraft“.)
    2. Die assoziierten Produzenten sollen über das GANZE ihrer Reproduktion entscheiden. Dieses Thema öffnet in der Tat neue Dimensionen der „Entscheidungsaufgabe“ (die Zweifel an der Planbarkeit auf dieser Stufenleiter sind eigentlich Zweifel an der Wissensverarbeitung auf dieser Stufenleiter, insofern ists dasselbe „Lied“). Sie haben da nicht nur Konsens über alles und jedes zu finden, da sie ja nicht ein Chef, ein Vorstand oder Aufsichtsrat sind; sondern sie müssen ganz andere massen von Informationen aufeinander beziehen. Sogar die „Experten“ müssen das – die kriegen womöglich ganz andere Fragen gestellt als früher. Also von wegen „dasselbe, bloss unter andern Prämissen“.
    3. Das Schlimmste, was im Kapitalismus passieren kann, ist die Pleite. Und abgesehen von den schönen Arbeitsplätzen, die da kaputtgehen, hält die niemand für schädlich. Die Fehler der assoziierten Produzenten sind nicht bloss ihre, sie kriegen sie direkt mit (oder leider erst, wenns zu spät ist, wie auch immer) – und sie können und müssen alle zusammen die Konsequenzen tragen. Oder die Verzichte. Oder den Zusatzaufwand. Da wird man dann schon mal vorsichtiger, wenn die ganze Existenz davon abhängt.
    (Das ist zwar auch im Kap. der Fall, denn irgendwie darf ja die Gesellschaft nicht bzw kann nicht ganz kaputtgehn, während das Kapital munter weiterakkumuliert… der Wahnwitz in DIESER Hinsicht besteht darin, dass es sich bei den Management-Fehlern doch BLOSS um in den Sand gesetztes Geld handelt, oder BLOSS um geschädigte Einzelinteressen, als ob das alles die Reproduktion der Gesellschaft nichts anginge. Ansonsten ersetzt ja der allweise Markt die Übersicht der Einzelkapitalisten und lenkt alles (ihre Allokationen vor allem, naja meist wenn sie schon passiert sind, „korrigiert“ er sie) zum Besten, wenn sie pleitegehen wird es also einen höheren Grund geben, und kann für alle nur von Vorteil sein. Ein komplett immunisiertes, durch nichts widerlegbares, unerschütterliches (sozial)religiöses Wahnsystem ist das, wie nur je eins.)

  240. 11. Oktober 2013, 18:50 | #240

    @ earendil

    „Wie bei der öfter vorgetragenen Strophe von der angeblich unmöglichen Planung der Ökonomie stellt sich doch die Frage, warum im Kommunismus nicht möglich sein soll, was im Kapitalismus tagtäglich praktiziert wird, nur halt unter anderen Prämissen.“

    Genau diese „anderen Prämissen“ sind doch ein gewaltiges Problem: Im Kapitalismus gibt es eine eindeutige Entscheidungsregel: Was der Gewinnmacherei dient, ist gut, was etwas mehr Gewinne bringt (natürlich regelmäßig erstmal nur verspricht) ist etwas besser. Das kann man in der Tat selbst in einem Großkonzern wie VW mit 100.000en von Mitarbeitern auf allen Kontinenten hinorganisieren. Wenn es aber um Bedürfnisbefriedigung geht, dann kann man das mit keinem Kriterium auf eine eindeutige Entscheidungshilfe runterbrechen. Da gibt es, wie schon gesagt, nicht richtig oder falsch, sondern nur Myriaden von möglichen Kombinationen von Produktionskörben. Da werden keine drei Menschen zum gleichen Urteil kommen, ob das nun „besser“ ist wenn man den Korb 110 oder den 270 nimmt. Es wundert mich, daß gerade GSPler immer diesen Hinweis auf die schon im Kapitalismus erreichte Planbarkeit als Beweis dafür nehmen, daß das dann doch wohl im Kommunismus ein Klacks sein müsse. So weit weg von Lenins Bewunderung der Deutschen Post als Vorstufe des Sozialismus ist das wahrlich nicht.

  241. Mattis
    11. Oktober 2013, 20:20 | #241

    „Im Kapitalismus gibt es eine eindeutige Entscheidungsregel: Was der Gewinnmacherei dient, ist gut, was etwas mehr Gewinne bringt (natürlich regelmäßig erstmal nur verspricht) ist etwas besser. Das kann man in der Tat selbst in einem Großkonzern wie VW mit 100.000en von Mitarbeitern auf allen Kontinenten hinorganisieren. Wenn es aber um Bedürfnisbefriedigung geht, dann kann man das mit keinem Kriterium auf eine eindeutige Entscheidungshilfe runterbrechen.“ (Neoprene)

    Ich sehe das auch so, dass die Sache mit der Planbarkeit zweischneidig ist. Zwar ist das Argument der umfänglichen Planerei im Kapitalismus, welche ja funktioniert (von wegen Anarchie der Produktion!), schon richtig. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist in der Tat: die Entscheidungen werden nicht leichter, sondern schwerer. Wenn alle Betriebe, Kommunen, Gesundheitseinrichtungen, Bildungsinstitute und Forschungslabors nach mehr Mitteln rufen, muss priorisiert werden – und dies, was dem bürgerlichen Staat wenig Gewissen macht, weil der immer vorrangig die „Kuh“ bedient, die angeblich gemolken wird, ist dagegen im Sozialismus eine brenzlige Frage der Priorisierung, denn den Bedürfnissen dienen dann ja alle diese Anforderungen.
    Genau deshalb braucht man da eine pragmatische, tolerante Einstellung, und muss begreifen, dass nicht jedermanns für richtig gehaltenes Prioritätenverständnis auch umgesetzt werden kann, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Nur mit einer Mehrheit von Menschen, die dazu bereit sind, geht Sozialismus. Mit Leuten, die alles bis zum Ende durchdeklinieren wollen, weil sie auf Konsens beharren, gehts nicht. Aber ich hör die Apostel schon wieder schreien: das sei die Moral von bürgerlichen Demokraten.
    Wenn Krim schreibt:

    “ hätte man zu Anfang trotzdem erstmal mit bürgerlich sozialisierten Menschen zu tun.“ Mit solchen gibt es keinen Kommunismus. Kommunismus geht nicht mit Putsch einer Elite, die dann die Gesellschaft zu „Übermenschen“ erzieht.“

    dann sollte er bedenken, dass eine Entscheidung vieler für den Sozialismus mal z.B angesichts einer größeren ökonomischen Erschütterung passieren könnte, wo dann die Einsicht kommt, dass im Sozialismus im Unterschied zum Kapitalismus die eigene Existenz gesichert ist.
    So ein Bewusstwerdungsprozess bedeutet dann noch lange nicht, dass alle bürgerliche Ideologien dann auch schon überwunden sind. Würden Krim, GegenStandpunkt und ähnliche Utopisten dann erstmal die Bevölkerung ein paar Jahre schulen, bis allesamt auf dem erforderlichen maximalen Bewusstseinsniveau sind, damit dann endlich die ideale Konsensgesellschaft auf Anhieb aufgebaut werden kann? Wers glaubt.

  242. franziska
    11. Oktober 2013, 21:10 | #242

    Mattis – also das ist das Szenario: die sind derart erschüttert, dass sie Sozialismus wollen. Und warum nicht die Tauschzirkel, oder die mehr als bisher? Da sind viele unterwegs, die sich eben den gesellschaftsweiten Sozialismus nach KEINER Erschütterung vorstellen können, und von so einer Gesellschaftsmaschinerie eher wegwollen. Und die Unerschütterlichen, die immer weitermachen, gibts auch. Und ich möcht mal wissen, woran du da eigentlich denkst? Was gibts eigentlich, das man je dem SYSTEM als solchem zurechnen darf? Sind doch immer externe Ursachen, das System ist nur das missbrauchte, nicht korrekt umgesetzte, gegen sowas zu schützende usw.
    „Von wegen: Anarchie der Produktion“. Ja was genau funktioniert denn jetzt da so gut? Neoprene hats doch auf den Punkt gebracht: Wenn der Zweck des ganzen Wirtschaftens eh bloss das Weiterakkumulieren ist – dann KANN ja auf Dauer nix schiefgehen. Und die Fehler haben doch garkein externes Kriterium, an dem man sie bemessen kann (und sind in ihrem Ausmass daher auch garnicht zu ermessen, zu ermitteln, aufzusummieren) – ausser halt all das, was sich Unternehmen in ihrem gegen alles Äussere rücksichtslosen Wachstumswahn so alles an Skandalen leisten, und das ist schon nicht wenig. Wo immer aber staatlicherseits gesamtgesellschaftlich Ziele verfolgt werden, kommt doch das Geblöke der Marktfans: Könnt ihr nicht, weil nur der Markt und die Privatinitiative (beide zusammenwirkend) das kann… Und die Empirie ist, scheints, immer auf ihrer Seite – die machen keine Fehler! (Sogar du siehst das so!)
    Der Ehrgeiz der gesamtgesellschaftlichen Planung hinegegn ist ein doppelter: Nicht nur, diese Planung überhaupt externen Güte-Kriterien zu unterwerfen (die festzulegen ist das Konsensproblem, der Hauptstrang hier, obwohl auch er mit Wissen und Wissensverarbeitung zu tun hat), sondern sie dann auch noch mit Bezug darauf zu OPTIMIEREN. (Dem Staat heute schaut jeder auf die Finger – die Kapitalisten aber werden vom Markt überwacht, oh da geht kein Fehler ungestraft durch. Was Neoprene vergessen hat zu erwähnen: Der Markt sorgt doch angeblich für optimale Berücksichtigung aller gewünschten Güte-Kriterien. Wer Gewinn macht, hat offenbar der Gesellschaft (der Nachfrager) genützt. Kann doch garnicht anders sein.)
    Zum Konsens, dem Hauptthema hier, möchte ich nochmals sagen: Was aufeinanderprallt, sind doch nicht individuelle Privatwünsche, sondern Einschätzungen, Meinungen, was an sich und/oder für alle gut ist. Manchmal mag da Heuchelei im Speil sein, meist ist es das nicht. Und diese Einschätzungen haben sehr wohl und sehr viel damit zu tun, was die einzelnen wissen, womit sie sich beschäftigt haben, und womit (darum, notgedrungen) noch nicht.
    Wieso bist du dir so sicher, dass unter diesen Umständen „der Sozialismus“ für eine „sichere“ Existenz sorgen kann? Wieso sollte es nicht die mörderische Wahl werden zwischen Zucht- und Irrenhaus (oder irgendwas zwischendrin)?
    Und, nebenbei, in deinem Szenario WIEDER der Gedanke: „Die Leute“ liebäugeln irgendwie (bezeichnenderweise nach einem Schock: „jetzt hilft nur noch…“) mit „dem Sozialismus“ – der ihnen dann von irgendeiner gut vorbereiteten Elite eingerichtet wird? Damits kein Improvisations-Kunstwerk wird? Das fängt ja gut an… (drum ist die Frage, wie man „da“ womöglich „reingerät“, eben auch so wichtig; und… ob man von da je nochmal eine Chance hat, hinzukommen, wo man (etwa du, Mattis) hinwill… weil sich womöglich herausstellt, dass DEIN Ziel auf SOLCHEN Wegen PRINZIPIELL NIE erreicht werden kann. Dass das garkeine Chancen sind. Sondern Sackgassen.)
    Es ist, wie Krim oben sagte: „Du verstehst die Tragweite nicht ganz.“ – Wer ernsthaft eigentumsfreie Verhältnisse will, ist mit GANZ anderen Aufgabenstellungen konfrontiert.
    Dafür muss er Lösungen haben.
    Die, die er dafür gewinnen will (auf Dauer gewinnen muss), und die man auf lange Fristen überhaupt gewinnen KANN, werden danach fragen. Und KEINE Erschütterung, keine Ausrede seinerseits ((in der Kritik nicht einig, nicht jedes Detail…) wird sie davon abhalten.

  243. Krim
    11. Oktober 2013, 23:38 | #243

    „Wenn alle Betriebe, Kommunen, Gesundheitseinrichtungen, Bildungsinstitute und Forschungslabors nach mehr Mitteln rufen, muss priorisiert werden“ Ja. Ja. Alle gesellschaftlichen Einrichtungen stehen in Konkurrenz zueinander. Das menschliche Dasein ist von Natur aus ein Kampf jeder gegen jeden.
    „Genau deshalb braucht man da eine pragmatische, tolerante Einstellung, und muss begreifen, dass nicht jedermanns für richtig gehaltenes Prioritätenverständnis auch umgesetzt werden kann, zumindest nicht in absehbarer Zeit.“ Es wird auch nicht die Vorstellung von jedermann (privat Einzelkämpfer) umgesetzt, sondern die Vorstellungen, die gemeinsam entwickelt wurden. Es ist immer das gleiche. Ihr tut so als würde lauter bürgerliche Konkurrenzgeier ihr Ding gegen alle durchziehen wollen.

  244. Mattis
    12. Oktober 2013, 14:55 | #244

    „Ihr tut so als würde lauter bürgerliche Konkurrenzgeier ihr Ding gegen alle durchziehen wollen.“ (Krim)

    Genau das nicht. Deshalb mus ich nämlich auch nicht panisch auf Konflikte reagieren. Es sind doch die Konsens-Fanatiker, die hysterisch werden und nur noch lauter Bürger sehen.

  245. Mattis
    12. Oktober 2013, 15:06 | #245

    @franziska:

    „Mattis – also das ist das Szenario: die sind derart erschüttert, dass sie Sozialismus wollen. Und warum nicht die Tauschzirkel, oder die mehr als bisher?“

    Auch das sollte zu einer soliden Wissensverarbeitung gehören: meine Argumente nicht für was anderes zu nehmen als das, wofür sie angeführt wurden.
    Mein „Szenario“ war nur ein Beispiel, bei dem es erklärtermaßen darum ging, dass eine Hinwendung von Leuten zum Sozialismus – wie auch immer das Szenario vor sich gehen mag – nicht automatisch bedeutet, dass alle auch schon gleich frei von bürgerlichen Einstellungen und Verhaltensweisen sind.
    Auch du, mit deinem eher schrittweisen Prozess der Veränderung, wirst von diesem Umstand nicht ganz absehen können; oder willst du bei jedem, der eines deiner Projekte unterstützt, eine Art Einstellungs-Test machen? Müsstest nicht gerade du die Strategie des schrittweisen Vorgehens dann auch darauf beziehen und von Maximal-Ansprüchen an das Bewustsein der Leute abrücken?

  246. 12. Oktober 2013, 15:27 | #246

    Was mir bei der Absolut-Setzung von Konsens einfällt, daß damit natürlich das ablehnende Verdikt gegen jeglichen „klassischen“ Klassenkampf noch im Kapitalismus gesprochen ist. libelle war da früher ja auch schon so ehrlich wie konsequent, das zu betonen. Denn jeder ernsthafte Streik, den eine Gruppe von Arbeitern heute führen will, trifft ja regelmäßig nicht nur auf den Widerstand der betroffenen Kapitalisten und recht bald (bzw. schon recht grundsätzlich durch die enorme Verrechtlichung von Arbeitskämpfen durch das genau dafür/dagegen gemachte bürgerliche Recht) auch auf den demokratischen Staat, sondern immer schon von Anfang an auf die Ablehnung der Arbeiter, die einen Kampf zur Verbesserung ablehnen. Sehr häufig geht diese Ablehung bis hin zur expliziten Schädigung des Streiks durch streikbrecherisches Weiter- oder Wiederarbeiten. Auch hier führt die Konsens-Bedingung zur Verhinderung bzw. Sabotage von militanteren Teilen der Klasse. Konsequnterweise propagieren dann Leute wie libelle ja auch „nur“ den kampflosen Ausstieg aus den Klassenverhältnissen, der dummerweise den meisten Lohnabhängigen recht schwer fällt, subjektiv sowieso, das Problem haben Kommunisten mit ihnen ja auch, aber eben auch objektiv, was die anzubietenden Lebensverhältnisse angeht.
    Ist zugegebenrmaßen kein Argument zur Sache, aber es ist in höchstem Maße Ironie hervorrufend, daß ausgerechnet zwei der Musterbeispiele von ideologischem Einzelkämpfertum (wenn auch mit unterschiedlichen Ideologien), nämlich libelle und Krim das hohe Lied des Konsenses singen. Beide scheinen mir mit ihren Projekten da verdammt wenig hingekriegt zu haben bisher.

  247. fakeraol
    12. Oktober 2013, 17:33 | #247

    @ Krim 08. Oktober 2013 um 22:56 Uhr
    “ Das klingt ein wenig nach einem Blankocheck. Stimmt auch. Nur wird in der Wahl entschieden, w e m der Blankocheck überreicht wird. Es wird über Alternativen in Form von Parteien entschieden die Nation zu führen.“
    Das IST ein Blankocheck, und den stellst Du in jeden Fall den beiden großen „Volks“parteien aus, denn jede Stimme für eine „unter 5%“-Partei bekommen bei der Sitzverteilung die Großen zugeteilt. Daß unter den Nichtwählern ein prozentualer Anteil potentieller CDU/SPD-Wähler proportional zur Stimmverteilung der Wähler herbeifantasiert wird, entspricht einer „Geschäftsführung ohne Auftrag
    * unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag § 684 BGB
    * Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag und Geschäftsanmaßung § 687 BGB
    Die „Opposition“ kann qua Definition („Minderheit“) in der Regel nur protestieren, ist aber ohne Entscheidungsmacht (Mehrheiten).
    Wer hätte denn vor 2005 so etwas wie Hartz4 eher der SPD zugeordnet, als der CDU?
    Alles, was Du als Wähler tust, ist die Legitimation des „Vertretung unter Ignoranz des Willens der Vertretenen“-Prinzips.
    Darauf wird sich jede regierende Partei im Zweifel auch gegenüber denen berufen, von denen sie nicht gewählt wurden.
    1. Wenn Du wählen gehst, stimmst Du als erstes unabhängig vom Ergebnis der späteren Regierungstätigkeit Deiner widerspruchsfreien Unterwerfung unter die Entscheidungen der Politik zu.
    2. Nur unter dieser Voraussetzung darfst Du als zweites noch einen Wunsch äußern, welche Partei denn ihre Eigeninteressen verfolgen darf (qua Definition „freies Mandat“ stehen DEINE Interessen schon nicht mehr zur Debatte).
    3. Jetzt hilft nur noch beten: Auf Sachfragen hast Du KEINEN Einfluss, „Demonstrationen, „Petitionen“ (zu deutsch Bettelbriefe auf Gehör), oder gar „Volksentscheide“ (werden per richterlicher Entscheidung „im Namen des Volkes“ gegen das Volk für ungültig erklärt) sind pseudodemokratische Dekoration eines absolutistischen Entscheidungsprozesses der immer gleichen Kräfte.

  248. libelle
    12. Oktober 2013, 17:46 | #248

    OFF TOPIC:
    Also ich für meinen Teil kann viel Zustimmung für meinen „Einzelkampf“ bilanzieren und eine Menge Entwiclung für mich. Allerdings ist die Zustimmung nie eine umstandslose gewesen.
    Die Zustimmung kannst Du auch hier ablesen. Denke mal an die Debatten im MF, im KommFor, in der Anfangsphase der hiesigen Blogosphäre. Es gibt jetzt sowas wie eine stehende Kritik an den Theoriemonopolisten des GSP, sie können nicht mehr, wie noch vor ein paar Jahren antreten und fragen, wo die Kritik an ihrem Zeug denn sei, sie hätten sie noch nie gesehen. Jetzt müssen sie sie schon ignorieren. Das können sie jetzt machen, bis keiner sie mehr ernst nimmt.
    Nebenher hat sich (für mich) natürlich auch die Vorstellung gewandelt, worin „Zustimmung“ besteht, wie sie sich manifestiert. Wesentlich ist dafür eben nicht das regelmäßige Flugblattverteilen und Publikum stellen bei einem Verein, sondern sie erschöpft sich in der Übernahme von Antworten auf Problemstellungen, sowie der Problemstellungen selbst.

  249. 12. Oktober 2013, 18:41 | #249

    Ach libelle,
    mit so wenig bist du zufrieden? Daß die Jahre ins Land gegangen sind und du darauf verweisen kannst, daß du nicht untätig gewesen bist?
    Wieso hebst du für deine selbstgefällige Semi-Siegesmeldung ausschließlich auf die GSPler ab, als wenn ausgerechnet die die Einzigen wären, die ein Monopol für ihre Theorie beanspruchen? Im Ignorieren von linker Kritik sind übrigens so gut wie alle linken Organisationen und Strömungen (das GSP-Umfeld kann man dabei ja eigentlich nur bei großzügiger sichtweise als Organisation bezeichnen) „groß“.
    Ja, ich weiß schon auch, daß du (und nicht nur du) unter „Zustimmung“ mittlerweile einerseits recht viel verstehst, denn dein Projekt, die Leute zur „Übernahme von Antworten auf Problemstellungen“ zu bringen, ist ja schon recht hoch aufgehängt. Andererseits ist das dann doch ernüchternd wenig, wenn man schaut, was diese deine, nun ja, Bewegung denn nun gerissen hat, seit sie sich irgendwie konstituiert hat. Selbst mit der medialen Präsentation solcher „Übernahmen“ scheint es mir bisher nicht allzuweit gediehen zu sein.

  250. Hank
    12. Oktober 2013, 21:01 | #250

    @ Neoprene
    Wo kann man sich denn die „mediale Präsentation“ von „libelles Bewegung“ mal anschauen?

  251. 12. Oktober 2013, 21:18 | #251

    Na hier, Hank, wo sonst noch?
    Jedenfalls habe ich nichts mitgekriegt von dem Buch, das libelle wohl mal schreiben wollte, und von einer eigenen Webpräsenz ist mir auch nichts bekannt.

  252. Hinweis-an-Hank
    12. Oktober 2013, 23:44 | #252

    An Hank 12. Oktober 2013 um 21:01 Uhr
    http://web.archive.org/web/20090621233152/http://libelle.blogsport.de/
    http://www.google.de/#q=libelle+-„der+libelle“+-leipzig+site:blogsport.de
    Zeitweise hat libelle auch sein Pseudonym gwechselt.

  253. Krim
    13. Oktober 2013, 01:28 | #253

    „Deshalb muss ich nämlich auch nicht panisch auf Konflikte reagieren.“ Na immerhin bist du so panisch, dass du meinst, dass man sich extra für den Konfliktfall unabhängig vom Problem auf ein Verfahren einigen müsste, diesen zu Entscheiden. Rationell mit einem Konflikt umzugehen, traust du deinen Mitkommunisten nicht zu, sonst würdest du die Regelungskompetenz nicht einem Verfahren übertragen wollen.
    „Es sind doch die Konsens-Fanatiker, die hysterisch werden und nur noch lauter Bürger sehen.“ Klar. Wenn man dein bürgerliches Menschenbild kritisiert ist man ein hysterischer Konsens-Fanatiker.

  254. franziska
    13. Oktober 2013, 20:04 | #254

    Die Analyse von libelle oben versucht, die Mattis/ earendil‘ schen Verfahren unter Kategorien der bürgerlichen Demokratie einzusortieren, und ihnen diese Einsortierbarkeit im einzelnen nachzuweisen.
    Dabei unterschiebt libelle – und darum sehen sich die so Analysierten zurecht nicht korrekt wiedergegeben (obwohl sie in ihren Erwiderungen diesen Punkt keineswegs exakt benannt haben) – , dass da noch immer eine Eigentumsordnung im Sinne exklusiver Verfügung über Teile des gesellschaftlichen Reichtums vorausgesetzt ist, zu der die Gleichheit des Stimmrechts in politischen Fragen hiinzutritt (dies nur allergröbst angedeutet). Mattis und earendil hingegen wollen diese exklusive Verfügung von Personen über Reichtumsportionen ausdrücklich aufgehoben sehen, und nennen dies daher Sozialismus. Es gibt darum auch keine dritte Partei (wie immer auch von den Gesellschaftsmitgliedern (in welcher ihrer Funktionen denn auch?) anerkannt), die irgendwelchen Kontrahenten grundsätzlich überlegen regelnd und sie auf Verfahren verpflichtend gegenüberträte. An die Stelle dieser Partei tritt vielmehr das unterstellte, als solches begriffene und bewusst betätigte Interesse der sozialistischen Akteure, ihre Reproduktion gesellschaftlich-arbeitsteilig bedürfnisorientiert GEPLANT verlaufen zu lassen.
    Dass sie trotz dieser unterstellten Gemeinsamkeit mit Gegensätzen zwischen sich rechnen, hat mit einer von Mattis und earendil kaum reflektierten, vielmehr zum Bestandteil ihres Personbegriffs (wie ich lieber statt Menschenbild sage) verfestigten Eigentümlichkeit zu tun: Diese Leute bilden MEINUNGEN (über nötige Prioritätensetzungen, Risiken und Chancen), die erklärtermassen NICHT vermittelbar, also letztlich willkürlich sind, aber nichtsdestotrotz verfochten und aufrechterhalten werden, ALS OB sie mit mehr oder weniger vitalen Lebensinteressen der Betreffenden zusammenfielen. (Genau das habe ich oben mit dem Ausdruck „nicht-genuines Bedürfnis“ zunächst noch etwss verbrämt ausgedrückt, korrekt müsste es heissen: (unfertige, irrational zustandegekommene) Einschätzungen werden durch die subjektive ENTSCHEIDUNG für sie zu Quasi-Bedürfnissen bzw. existenziellen Interessen umfunktioniert bzw so behandelt).
    Nicht umsonst wurde da oben öfter der Unterschied betont zwischen Erkennen und Entscheiden. Die Differenz ist der Willküranteil.
    Und nicht umsonst gab es da die Distanzierung vom „Superrationalismus“ der Kritiker.)
    Die Verfahrensfreunde glauben nun, den Sozialismus, also die Befreiung von der UNGLEICHHEIT des Zugriffs auf und Bestimmung über Anteile des gesellschaftlichen Reichtums (den man hier weniger material, als Verfügung über Sachen, und eher prozesshaft, also als exklusive Lenkungsbefugnis hinsichtlich bestimmter Phasen des (erweiterten) gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses denken muss) angesichts dieser Voraussetzung dadurch zu gewährleisten, dass sich ALLE (beteiligte) Gesellschaftsmitglieder, ohne Hinzuziehung einer schlichtenden Partei (es sei denn, sie wollten das aus freien Stücken), wechselseitig GLEICHE Bestimmungs-, Gestaltungs- und Verfügungsrechte über gleich welche Phase ihres (uU erweiterten) Reproduktionsprozesses einräumen.
    Da sie sich dabei gleichzeitig möglicherweise widersprechen und von der Verfügung ausschliessen, kann dies nur als Gleich-Gewichtung ihrer Einflussnahme, formal als Stimmrecht, gedacht werden.
    Das aber ist nichts andres als die Idee der gerechten Verteilung, angewandt auf moderne, gesellschaftlich arbeitsteilige Verhältnisse.
    ((Fussnote. Die Heftigkeit, mit der Krim und libelle diesem Ansatz widersprechen, hat ein Pendant in der vormaligen Kritik von MG/GSP am ML-Konzept eines Staates, der „Werktätigen“-Interessen realisiert durch unmittelbare politische Beaufsichtigung und Gestaltung einer dadurch gezähmten Konkurrenz (die ausgenutzten Ware-Geld-Beziehungen). An die Stelle des grundsätzlich kritisierten Staats tritt jetzt die Kritik des „interessierten Urteilens“, von dessen Abstellung (wenn schon nicht Abschaffung) man sich grundsätzlich und „systematisch“ den Eintritt eigentumsfreier Verhältnisse erwartet. Fussnote Ende.)
    Ich teile eine Kritik am „interessierten“ Urteilen, wenn sie den kognitiven Fundamentalcharakter des „Erkennens-Entscheidens“ (wie man das „Meinungsbilden“ nennen könnte) im Blick hat. Es ist unumgänglich, dass Leute, die auf diese Weise zu Vorschlägen und Anträgen aneinander kommen, nicht nur ständig unvermittelbare Unterschiede ihrer Beurteilungen in gleichen Ausgangssituationen produzieren, sondern durch die Art ihrer FESTLEGUNG oder ihres Festhaltens an den so zustandegekommenen Einschätzungen damit immer auch schon GEGENSÄTZE.
    Die „ethische“ Idee der Gerechtigkeit, etwa umgesetzt als „gleiche Chance der Einflussnahme“ ist genau darum uneinlösbar. Denn die zur Einflussnahme Entschlossenen sind ZUGLEICH (sonst würden sie auch nicht so hartnäckig an IHREN Vorschlägen festhalten) aus ihrer Sicht ganz unterschiedlich Betroffene: Die Gleichheit des Stimmrechts verschleiert, dass die zur Entscheidung anstehende Massnahme eine massive Ungleichheit der Betroffenheit und „Berechtigtheit“ des Interesses allererst BESEITIGEN soll. Wo ursprünglich (unter vormodernen Voraussetzungen) einmal der ganz eigene Plan, die Beförderung des je eigenen (Lebens- oder Gruppen-)Projekts relativ zu dem anderer (mit denen man leider nicht am selben Strang ziehen konnte, aber auch nicht msuste) auf die Höhe einer wiederum nur von einem selbst so gesehenen „gerechten“ „Gleichfortgeschrittenheit“ aller solcher Projekte erhoben (also wegen der Intensität der GEFÜHLTEN Bedürftigkeit vorrangig behandelt werden) sollte –
    da ist es jetzt die (gefühlte) INTENSITÄT DES EIGENEN ANLIEGENS oder der eigenen (mit denen anderer leider nicht vermittelbar gedachten) Gesichtspunkte und Prioritätensetzungen hinsichtlich der Gestaltung der gemeinsamen Reproduktion, die vorrangige Berücksichtigung fordert.
    Die Gewalt, die dabei jeder Votierende (oder seine „Partei“) sich angetan fühlt, und deren schmerzliche Anerkennung sie sich wechselweise vorab abverlangen, ist, dass von den Intensitäten als Vergleichsgrund in den Verfahren abstrahiert werden soll. Es sei denn… die Masse der Betroffenheit werden auch noch in die Verfahren eingearbeitet. Da gibts dann viel zu tun, um die Spreu der mutmasslichen Übertreiber von den „authentisch“ und trotz eigener Engagiertheit „spürbar“ stärker Involvierten und „Bedürftigen“ zu unterscheiden. Verfahrens-Fragen-bezogene Konfliktebene Nr.2 ist damit eröffnet…
    ————————–
    Ich möchte noch etwas zur, nunja, es klang so, Häme wegen ausbleibender „medialer Präsentationen“ (im eigentlichen Sinne) von Krim und libelle machen.
    Krim und libelle haben offenkundig seit Jahren ihre Einschätzungen in der Öffentlichkeit unmittelbar zur Diskussion gestellt und gegen vielfältige Einwände erhärtet und begründet. Das ist aus meiner Sicht weiterführend, als die einsame Arbeit von Autoren und auch Autorinnen, die sich mit niemand auseinandersetzen müssen und am Ende dastehen mit der Einsicht: „Hab der Welt ein Werk (Buch, website) geschrieben… hats aber nicht lesen wollen…“.
    Krim und libelle sind nicht mal nur gelesen worden. Einen grösseren Erfolg in demselben eher fragwürdigen Sinn, wie ihn da oben Hank und Neoprene kurzfristig erwägen, kann man sich nicht wünschen.
    Über die Richtigkeit und Reichweite der so verfochtenen Gedanken ist damit nichts gesagt. Sowenig wie bei Büchern und websites.

  255. 13. Oktober 2013, 20:36 | #255

    franziska, das mit der Häme in Bezug auf libelle und Krim möchte ich nicht so stehen lassen. Das liegt mir schon deshalb fern, weil ich ja auch über all die Jahre verfolgt habe, was die beiden da gemacht haben:
    „Krim und libelle haben offenkundig seit Jahren ihre Einschätzungen in der Öffentlichkeit unmittelbar zur Diskussion gestellt und gegen vielfältige Einwände erhärtet und begründet.“
    Das ist auch aus meiner Sicht weiterführend. Jedenfalls weiterführender als manch andere Gruppierung oder mancher Einzelpublizist, der „nur“ sein Zeugs rausposaunt und damit in vielen Fällen zufrieden zu sein scheint. Ich weiß, daß da regelmäßig die empörte Antwort kommt, daß das einseitige Rauspusten ja gar nicht beabsichtigt war, sich nur leider niemand darauf einlassen wollte. Manchmal kann man aber auch schon aus der Präsentation ablesen, daß eine Reaktion, eine Diskussion gar nicht erwartet und eingeplant war.
    Und bekanntlich habe ich sowohl Krim als auch libelle hier immer den Raum gegeben, ernsthaft was zu sagen, was mir wiederum z.B. aus der GSP-Ecke den Vorwurf eingetragen hat, mich mit ausgesprochenen Antikommunisten (immer wieder Selbstcharakterisierung von libelle) gemein zu machen.
    Das mit dem Erfolg ist übrigens eine zweischneidige Sache: Ich habe eigentlich erwartet, daß mir jemand verärgert entgegenhält, daß das Erfolgsargument noch immer so ungefähr das Schäbigste ist, was man vorbringen kann, denn ob das stimmt, was der Erfolglose gesagt hat, ist damit ja gar nicht verneint. Andererseits geht es natürlich in the long run auch um Erfolg, man will doch andere davon überzeugen, zumindest einige wichtige Dinge auch so zu sehen, wie man selber es tut, und als Kommunist hofft man doch immer, das dann daraus was zu machen sein müßte. Und, bei allem „größeren Erfolg“, den da wer auch immer beanspruchen mag, ist das halt nicht wirklich ein Erfolg gewesen bisher. Jedenfalls seh ich für meine Anliegen sowas nicht gerade sprießen. Und eben auch nicht für Krim oder libelle.

  256. franziska
    13. Oktober 2013, 20:47 | #256

    Der Erfolg liegt auch aus meiner Sicht in dem, was libelle dafür erklärt hat: Es sind in der Auseinandersetzung mit vielfältigen Einwänden Antworten auf Problemstellungen gut verstehbar herausgearbeitet und erhärtet worden, und teilweise Problemstellungen selbst verändert worden. Und das in EXEMPLARISCHEN Dialogen, wo die Einwender mutmasslich für viele andere ihresgleichen mitsprechen. Und wenn nicht… wird auf die Weise doch das Reflexionsvermögen aller hier Lesenden geschärft und dem einfachen Daher- und Nachplappern und Rechthabenwollen durch die Qualität der Erwiderungen entgegengetreten. Für eine öffentliche Auseinandersetzung heutzutage ist das schon was.

  257. fakeraol
    14. Oktober 2013, 00:09 | #257

    Frage an neoprene:
    Hast Du meine Mail wegen meines Beitrags von vorgestern bekommen, dessen Veröffentlichung das System wegen „Spam“ deinem Vorbehalt unterstellt hatte?
    Wüsste gern, ob ich hier mitdiskutieren darf, sonst spare ich mir die Zeit fürs Schreiben und lese nur. 😉
    Antwort: Nein, hatte ich nicht, denn der Kommentar war ohne Absender und ohne Inhalt (nur „“). Habe den echten Kommentar jetzt aber im SPAM gefunden.

  258. Krim
    14. Oktober 2013, 00:30 | #258

    „Dabei unterschiebt libelle –… – , dass da noch immer eine Eigentumsordnung im Sinne exklusiver Verfügung über Teile des gesellschaftlichen Reichtums vorausgesetzt ist“ Ich für meinen Teil (und libelle auch nicht) unterstelle keineswegs, dass in mattis Vorstellung das Eigentum noch existiert. Was weiterhin existiert in deren Vorstellung sind die gesellschaftlichen Charaktere die zu Eigentumsverhältnisse dazugehören. Sie stellen sich Kommunimus vor mit Leuten, die quasi direkt aus dem Kapitalismus in den Kommunimus gebeamt werden, ohne dass sich bei ihnen irgend etwas im Kopf verändert hätte. Ein ähnliches Verfahren kennt man von Bürgern, wenn sie sagen ohne Geld, ohne Staat, ohne Eigentum…geht’s ja nicht. Wobei im „’s“ die Schummelei versteckt ist. Das „es“ ist der Kapitalismus und der geht ohne Staat wirklich nicht. Alternativ kann kann man sich Kapitalismus und Eigentum wegdenken, und die Eigentümer bzw. die egoistischen Konkurrenzgeier als gesellschaftliche Charaktere weiterbestehen lassen, dann braucht’s natürlich alle Verfahren, die auch im Kapitalismus nötig sind. Die gesellschaftlichen Charaktere reproduzieren dann die gesellschaftlichen Verhältnisse. Hält man also eine Seite fest, entweder den Kapitalismus oder die kapitalistisch geprägten Charaktermasken, reproduziert sich immer wieder die andere Seite der Medaille.

  259. 14. Oktober 2013, 08:44 | #259

    Ein, wie ich meine, typisches Beispiel für die Logik einer schrittweisen „Selbstverwaltung“, am besten im überschaubaren Bereich der Kommune (im bürgerlich staatlichen Sinne) habe ich gerade im Marx-Forum gefunden:

    „…selbstverständlich und völlig zu Recht buchen die Kapitalisten ihre Arbeitgeberbeiträge für die Sozialkassen und betrieblichen Rentenkassen zu den Lohnkosten. Die Sozialleistungen werden zu rund drei Viertel aus Versicherungsbeiträgen finanziert.
    Rechnen wir noch die Lohnsteuern hinzu, dann wird das (bereinigte) Sozialbudget zu mehr als 100 Prozent aus dem Lohn finanziert.
    Und wer bezahlt den Lohn? Natürlich die Kapitalisten. In seiner Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals schildert Marx wie sich „Geldbesitzer“ und „Arbeitskraftbesitzer“ auf dem Arbeitsmarkt gegenüberstehen. Die Kapitalisten zahlen den gesamten Lohn, und damit zahlen sie auch alle Abgaben und alle Steuern, die aus dem Lohn bezahlt werden.
    Der Sozialstaat wird von den Kapitalisten finanziert. Das ist die ungeschminkte Wahrheit, die nicht allen Linken schmecken wird. Diese Wahrheit wird vor allem den Linken nicht schmecken, die bei allem und jedem fordern: „Die Kapitalisten sollen zahlen!“ Wer solche Parolen in die Welt setzt, hat die einfachsten und grundlegendsten Tatsachen des Kapitalismus nicht verstanden. Wer von den Kapitalisten etwas fordert, das sie tagtäglich tun, dessen Kapitalismuskritik ist nichts wert. Die Alternative zum Sozialstaat würde für die Kapitalisten bedeuten, dass sie in jedem individuellen Lohn auch alle individuelle Risikovorsorge zahlen müssten, die die Lohnabhängigen dann individuell ansparen. Das käme die Kapitalisten insgesamt teurer als unsere gesetzliche Zwangsversicherung. Die Gesünderen und Jüngeren würden dann eventuell auf eine eigene Risikoabsicherung verzichten, was automatisch die Versicherungskosten für alle anderen in die Höhe treibt.
    Der Ruf nach dem Staat ist auf den ersten Blick die einfachste und bequemste Lösung für alle Probleme, die der Kapitalismus verursacht. Die Aussage: „Der Staat muss dafür sorgen, dass man auch bei Krankheit, Not, Arbeitslosigkeit und im Alter ein gutes Auskommen hat“, wird von gut 90 Prozent der deutschen Bevölkerung unterstützt.
    Wenn der Staat nicht für Sozialleistungen sorgt? Wer dann? Scheinbar ist der Sozialstaat im Kapitalismus alternativlos.
    Ich persönlich und die Initiatoren des „Bochumer Programms“ halten weder den Sozialstaat noch den Kapitalismus für alternativlos. Was die Sozialleistungen betrifft, sind wir für die wirkliche Selbstverwaltung der Sozialversicherungskassen auf kommunaler Ebene. Das kostet uns sicherlich mehr Engagement als wenn wir die Verwaltung der Sozialkassen an Staatsdiener abschieben. Aber nur bei einer wirklichen Selbstverwaltung der Versicherungskassen hätten wir Versicherte dann auch wirklichen Einfluss bei der Höhe und der Vergabe der Leistungen und wären die bürokratischen Schikanen los.“

    Beitrag von Wal Buchenberg

  260. Kim B.
    14. Oktober 2013, 10:43 | #260

    „sind die gesellschaftlichen Charaktere die zu Eigentumsverhältnisse dazugehören. Sie stellen sich Kommunimus vor mit Leuten, die quasi direkt aus dem Kapitalismus in den Kommunimus gebeamt werden, ohne dass sich bei ihnen irgend etwas im Kopf verändert hätte.“
    Das Menschenbild von Mattis und earandi, so wie ich es bisher nachvollziehen kann, geht noch über die kapitalistische Konkurrenzgeierei hinaus. Sie schließen aus ihren Beobachtungen und Studien auf unveränderbare, allgültige Eigenschaften des Menschen, insbesondere solche, dass sie nie den Hals voll genug kriegen können, oder sich um das Vorhandene wie Wölfe streiten (wobei nichts gegen Wölfe gesagt sein soll). Das nennen sie realistisch und meinen, um absehbaren (Interessen-) Streitereien vorzubeugen, Verfahren zur Zügelung der Gier und Gewaltbereitschaft einführen zu müssen. Wer dieses Menschenbild nicht teilt, wer meint, dass man mit Vernunft und Lernbereitschaft weiter kommt, bekommt von ihnen das idealistische Etikett Altruismus angehängt. solange sie aber dieses Menschenbild zumindest nicht in Frage stellen, werden wir die Kontroverse (Verfahren oder Konsens) nicht für beide Seiten zufrieden stellend beenden können.

  261. Krim
    14. Oktober 2013, 10:51 | #261

    Kommunist goes – ja was eigentlich – FDP? Bürger?
    1. Huh, die Kapitalisten zahlen den Lohn. Das heißt eigentlich müssen sie ihn zahlen, damit Arbeiter den ganzen Neuwert schaffen, womit dann der ganze Produktionsprozess reproduziert wird, auch der Lohn und der Mehrwert. Die Kapitalisten zahlen vielleicht den Lohn, aber schaffen tun alles die Arbeiter. 2. Wenn es Lohn ist, den die Arbeiter zahlen, dann gehört der ja wohl danach den Arbeitern, dafür haben sie ja schließlich ihre Arbeitskraft betätigen müssen. Also zahlen nicht die Kapitalisten die Sozialausgaben, sondern die Arbeiterklasse. Da könnte man ja auch sagen, dass Aldi, Netto und Lidl eine Volksversorgungseinrichtung wäre, weil die Lebensmittel aus ihren Läden kommen. Dabei unterschlägt man kurzerhand, dass man diese vorher kaufen muss. So gesehen leben die Arbeiter im Paradies. Die Kapitalisten zahlen für Krankheit und Alter und Aldi und co. sorgt für das leibliche Wohl.
    „Das käme die Kapitalisten insgesamt teurer als unsere gesetzliche Zwangsversicherung.“ Und Gott bewahre, dass dieser Fall eintritt. Man könnte an dieser Stelle, dann ja mal einen kleinen Schluss wagen. Was ist der Sozialstaat dann? Er ist die kostengünstige Art und Weise den zum Proletariat gehörenden Teil der Nicht- und Nichtmehrarbeiter zu verwalten. Aber soweit kommt Wal gar nicht, weil ihn die Konsequenz, dass private Altersvorsorge teurer fürs Kapital wäre, erschreckt.
    „Wenn der Staat nicht für Sozialleistungen sorgt?“ Ich dachte die Kapitalisten zahlen eigentlich. Jetzt „sorgt“ plötzlich der Staat für die Arbeiterklasse, indem er sie zu Abgaben vom Lohn zwingt.
    „Ich persönlich und die Initiatoren des „Bochumer Programms“ halten weder den Sozialstaat noch den Kapitalismus für alternativlos.“ Aber ob die Alternativen besser sind, da ist sich Wal offenbar nicht mehr so sicher. Deshalb muss er auch extra betonen, dass er sich eine Welt ohne Kapitalismus und Sozialstaat zwar schon noch vorstellen kann – aber schwer.

  262. libelle
    14. Oktober 2013, 12:22 | #262

    @franziska, Antwort auf:
    http://anonymouse.org/cgi-bin/anon-www_de.cgi/http://Neoprene.blogsport.de/2013/09/08/waehlen-ist-verkehrt-nicht-waehlen-aber-auch/#comment-91638
    Grundsätzlich gebe ich Krim oben recht. Privateigentum in der Form, wie es im Kapitalismus existiert, habe ich nicht unterstellt, auch keine Eigentumsordnung, sondern Leute, die sich wie Eigentümer verhalten.
    Ich fange mal bei der Willkür an, Du schreibst:

    Dass sie trotz dieser unterstellten Gemeinsamkeit mit Gegensätzen zwischen sich rechnen, hat mit einer von Mattis und earendil kaum reflektierten, vielmehr zum Bestandteil ihres Personbegriffs (wie ich lieber statt Menschenbild sage) verfestigten Eigentümlichkeit zu tun: Diese Leute bilden MEINUNGEN (über nötige Prioritätensetzungen, Risiken und Chancen), die erklärtermassen NICHT vermittelbar, also letztlich willkürlich sind, aber nichtsdestotrotz verfochten und aufrechterhalten werden….

    Für Dich ist eine Meinung eine Ansammlung von Prioritätsssetzungen, Risiken und Chancen.
    Nun, dann muss man eben fragen, warum man sich anlässlich der Gewichtung der einzelnen Einflüsse der Risikoberechnung (wovon eigentlich?) so ausschließend zueinander verhält? Keiner in den Beispielen, die Mattis & earendil anführen fragt sich das und fängt an über die Faktoren davon zu diskutieren und das Modell eines Risikos, wovon auch immer zu entwickeln d.h. man träte dann in eine tatsächliche Vermittlung ein.
    Weiter: Warum hat kein Mensch in Mattis Sozialismus die Idee, dass er (auch) sich verändern muss, damit eine gesellschaftliche Gemeinsamkeit herauskommt? Warum behandeln alle die ganze Gesellschaft (ihre „Prioritäten“) als Objekt ihrer Verfügung, der sie ihre Bedürfnisse oktroyieren wollen?
    Nicht die Einigung ist das Ziel der Leute in ihrem Sozialismus, d.h. die Herstellung gemeinschaftlicher Vergesellschaftung, sondern die Gesellschaft ist als Mittel für ihren Egoismus unterstellt. Jemand bildet sich ein der Grasballen vor seinem Haus sei unverzichtbar für sein Leben und schon muss die Gesellschaft ihn seiner Auffassung nach untertunneln ! Die Frage danach, warum das so sein soll, hat sich für sie mit dem: „Ich will das so!“, schon erledigt. Was Mattis und earendil vorhaben ist ein Beglückungsprogramm für Konkurrenzmonaden, ein Ideal, in dem universelle Freiheit herrscht d.h. alles Gegenstand persönlicher Willkür ist. Kaum will einer auf dem Jupiter Urlaub machen, versucht er die Gesellschaft in ihrem Sozialismus für dieses Programm zu versklaven und fordert den 25 h Arbeitstag für Alle, weil er über das verfügt, worum es in ihrer Gesellschaft geht: Einen höchstperönlichen, eigenen Willen, der schon als bloßer, ebensolcher W i l l e Anspruch darauf hat befriedigt zu werden. „HALT!“, sagen Mattis und earendil da: „SO GEHT DAS NICHT, es muss ein VERFAHREN her, das diesen nicht zu verwirklichenden Zustand gleich wieder beendet und einen gemeinsamen Willen herstellt!“ Also denken sie sich den Sozialismus als Ansammlung von Staatsbürgern ohne Staat, die ihre Unterwerfung unter eine öffentliche Gewalt als „Verfahren“ mit sich im Kopf herumtragen, weil man im Verfahren vom eigenen Bedürfnis ja absieht und seine Verwirklichung eben dem Verfahren überlässt.
    Der Punkt ist, dass man für eine vernünftige Gesellschaft eben die tätige und gelebte Erkenntnis braucht, dass man ein gesellschaftliches Produkt ist; dass Romane zu lesen, zu feiern, Sport zu treiben, zu essen, Sex zu haben, zu wissen etc… gesellschaftliche Bedürfnisse sind. Hat man diese Erkenntnis, wendet man sie bewusst an d.h. man steht auf dem Standpunkt: „Ich werde durch euch und ihr durch mich!“ Was man dann wird bestimmt man logischerweise nicht selbst, man verfügt eben nicht über die Gesellschaft.
    Der Kapitalismus verhindert aber genau das, weil er das Werden des Einen in einen Gegensatz zum Werden des Anderen stellt. Was man dann wird bestimmt die Konkurrenz und das verlangt dann von einem, dass man sich durch die Konkurrenz bestimmt d.h. auch durch sie wird. Auch hier gilt formell also der obige Satz, dass man durch die Gesellschaft wird und sie durch einen selbst wird, aber es ist 1. kein Werden im Bewusstsein dieses Umstandes und 2. eben ein Werden von Konkurrenzmonaden. Darunter leiden sie und diejenigen, die es tun, müssen die Konkurrenz aufgeben und sie nicht mit anderem Vorzeichen (irgendwie sozialistisch, verfahrensreguliert) fortsetzen.
    Theoretisch ist an Mattis und earendils Äußerungen falsch, dass sie sich nicht fragen, woher denn die Willensinhalte der Leute kommen, sondern sie setzen sie unhinterfragt als imperativ ihren Überlegungen zu einer vernünftigen Gesellschaft voraus!
    Ich stimme Dir zu, dass sie dann einen Haufen Gerechtigkeits- und Verteilungsprobleme in ihrer Sozialismusvorstellung bekommen und die Anzahl der Verfahrensebenen ins Unendliche steigt – bis eine Gewalt das letztinstanzliche Verfahren stellt, behaupte ich, nicht Du. Denn warum sollte man für ein Verfahren sein, das dem eigenen, die anderen ausschließenden Interesse nicht recht gibt? Da stellt sich doch gleich die Frage nach dem „richtigen“ Verfahren und weil die so unversöhnlich beantwortet wird wie die Frage nach den Interessen vorher, ergibt sich der Bedarf nach einem Verfahren zur Regelung nicht vermittelbarer Verfahrensvorschläge (LOOP!)
    Weiter komme ich jetzt nicht.

  263. Mattis
    14. Oktober 2013, 12:36 | #263

    @Kim B.:

    „Das Menschenbild von Mattis und earandi, so wie ich es bisher nachvollziehen kann, geht noch über die kapitalistische Konkurrenzgeierei hinaus. Sie schließen aus ihren Beobachtungen und Studien auf unveränderbare, allgültige Eigenschaften des Menschen, insbesondere solche, dass sie nie den Hals voll genug kriegen können, oder sich um das Vorhandene wie Wölfe streiten.“

    Nur weil ich den absoluten Konsens-Idealismus nicht teile?
    Wäre das mein „Menschenbild“, würde ich hier nicht schreiben. Aber gegen solche Unterstellungen hilft kein Argument. Vielleicht hätte aufmerksameres Lesen geholfen. Aber wenn der Wille fehlt! Igel dich halt weiter ein in dein Feindbild.

  264. 14. Oktober 2013, 13:17 | #264

    Ich möchte hier zurückgehen auf eine Frage, die Mattis libelle schon vor einem halben Jahr gestellt hat:

    „Wir könnten dieses ganze Hin und Her wesentlich abkürzen, wenn du uns mal klar zeigst, wie eine neue Gesellschaft ohne Gegensätze erreichbar ist ohne irgendeine Form von Kampf (also nicht mal Streik). Das wäre eine echte Leistung und eine Sensation obendrein. Damit könntest du wirklich punkten. Leider ist mein Glaube daran sehr schwach, jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils.
    Du hättest ja sogar gegen den Kampf für den Normalarbeitstag polemisiert. Der war immerhin auch keine friedliche Diskussionsveranstaltung.“

    Ich hatte da ergänzt:

    „Mattis, wenn ich mich recht entsinne, hat libelle früher zur Kampfvermeidung es deshalb für hilfreich erachtet, daß „wenigstens“ die zwischenstaatliche Antagonismen ausgeräumt sein müßten und deshalb ein weltweiter Ultraimperialismus irgendeiner Art schon ein Schritt in die richtige Richtung wäre. Denn in soweit hat er ja recht, wenn er darauf immer wieder hinweist, daß selbst eine „Gesellschaft ohne Gegensätze“ eben doch nicht ohne Gegensätze wäre, weil der Rest der Gesellschaften/Staatenwelt ja noch andere Interessen verfolgt.“

    um dann noch hinuzufügen:

    „Was ich immer irre finde, daß er ausgerechnet den Systemgegnern vorwirft, sie wollten partout und unnötigerweise jedenfalls schädlicherweise „den Kampf gegen das System“, wo doch ganz offensichtlich „das System“ jedem den Kampf erklärt, der nicht in den Bundestag will, ganz unabhängig davon wie gegnerisch die überhaupt aufgestellt sind … Selbst libelle, der ja nun wirklich für sich in Anspruch nehmen kann, ein Gegner der Gegner des Systems zu sein und jeglichem systemwidrigen Kampf abhold, sieht sich ja offensichtlich soweit unter Beschuß, daß er seit Jahr und Tag dieses Pseudonym vor sich herträgt und einen öffentlichen Streit meidet.“

  265. Kim B.
    14. Oktober 2013, 13:23 | #265

    „Ob die Bedürfnisse den Rahmen sprengen werden oder nicht können wir heute freilich nicht wirklich wissen. Ich kann mich irren mit meiner Vorsicht, aber ich hab ein ziemlich gutes Bauchgefühl in solchen organisatorischen Sachen. Ich sehe doch auch, wie schnell Leute ihren Lebensstandard erhöhen, sobald sie die Mittel dazu haben! Und zwar nicht, weil sie Gierschlunde geworden sind, sondern weil sie die Chance hatten, die bisher erzwungene Beschneidung ihrer Bedürfnisse ein Stück weit hinter sich zu lassen, und jetzt weitergehende Interessen und Ansprüche an ihr Leben anmelden können.
    Latent sind also enorm viel mehr Bedürfnisse vorhanden als momentan auf dem Markt sichtbar werden (mangels Geld). Außerdem habe ich Kommune-Erfahrung und erinnere mich noch gut daran, wie jemand beim Thema Lebensmittel auf ein hohes Niveau Wert gelegt hat und dies bewirkte, dass das gemeinsame Haushaltsbudget für viele „normale“ Anschaffungen plötzlich nicht mehr ausreichte. Wenn wichtige Dinge dann nicht mehr möglich sind, sind auch Wartelisten keine Lösung.“

    Mattis, das ist ein Zitat von dir, das ich aus einem thread vom 17.02 dieses Jahres im marxforum anführe. Es gibt noch andere, ähnliche, Stellen, aus dem sich meine Vorstellung über dein „Menschenbild“ gebildet hat. Vielleicht denkst du ja nicht mehr so, dann ist es auch gut und habe nicht Recht, aber in der bisherigen Diskussion habe ich den Eindruck gewonnen, dass du aus dem Blickwinkel eines solchen „realistischen“ Menschenbildes argumentierst. Sonst frag’ ich mich, woher der Dissens kommen soll.
    Kim

  266. libelle
    14. Oktober 2013, 13:39 | #266

    @neoprene: Ich kann nicht erkennen, was die Zitate mit dem hiesigen Thema zu tun haben.
    Die Fragen habe ich aber alle beantwortet:
    1. darin, dass ich gezeigt habe, dass Kampf kein Weg in eine vernünftige Gesellschaft ist, weshalb sich das „ohne Kampf“ von Mattis erledigt.
    2. darin, dass ich Einlassungen zu „Was tun?“ gemacht habe, die ich für eine Entsprechung zum Zweck einer Gesellschaft frei von Antagonismen halte.

  267. 14. Oktober 2013, 14:03 | #267

    libelle, da möchte ich auch nur so knapp entgegnen, daß (d)eine Strategie ganz ohne „Kampf“ genausowenig in eine vernünftige Gesellschaft führt. Die führt hier ja nicht mal zu einer Lohnerhöhung.

  268. Mattis
    14. Oktober 2013, 15:04 | #268

    @Kim B.:

    „Mattis, das ist ein Zitat von dir, das ich aus einem thread vom 17.02 dieses Jahres im marxforum anführe.“

    Ja, danke, wenn du es nicht gebracht hättest, hätte ich es getan! Das Zitat hat kein Menschenbild zum Inhalt, jeder kann das lesen, sondern sagt etwas aus über die momentane kapitalistische Beschränkung von Bedürfnissen, und dass, wenn diese wegfällt, im Vergleich zu jetzt von den Leuten ein viel höherer Bedarf angemeldet würde, was ich auch völlig in Ordnung fände. Also nix da von wegen „nie den Hals voll genug kriegen“.
    Schau dir doch mal die Armut an hierzulande, und schau dir auch an, wie diejenigen, die bessergestellt sind, durchaus erleichtert sind, sich endlich mal ohne jeden Cent-Umdrehen das Notwendige und auch darüber hinaus ein paar Annehmlichkeiten leisten zu können.
    Sei realistisch: selbst Leute, die das Doppelte des Durchschnittsgehalts bekommen, sind nicht gerade reich!
    Dass die Ökonomie indessen leicht ein Mehrfaches der jetzigen konsumtiven Güterproduktion erbringen könnte, ist, auch ohne Kapitalismus, überhaupt nicht als gesichert anzunehmen. Du müsstest da schon mal die gigantischen Reserven benennen, die jetzt brachliegen, oder spezifisch kapitalistische Aufwendungen benennen, die so hoch sind, dass sie die Erwartung rechtfertigen, dass man mit ihrem Wegfall keinerlei Konsumbeschränkungen mehr benötigt. Und du müsstest miteinbeziehen, welche Abstriche auf der anderen Seite entstehen aufgrund von weniger Arbeitsstress, verkürzter Arbeitszeit, „humaner“ ausgestatteten Arbeitsstätten und auch: dem Wegfall der schier grenzenlosen Ausbeutung der Billigstarbeiter in aller Welt (betrifft inzwischen einen riesigen Anteil der hierzulande kaufbaren Waren).
    Zu guter Letzt habe ich immerhin ja auch noch geschrieben: „Ich kann mich irren mit meiner Vorsicht …“.
    Der Unterschied ist nur: wenn sich Idealisten wie du in dem Punkt irren, ist es zu spät; wenn dagegen ich mich irre, hebt man einfach die Begrenzung des Individualkonsums wieder auf und fertig. Dazu braucht man nicht länger als einen Tag.

  269. 14. Oktober 2013, 15:21 | #269

    Mattis, wieso verweist du eigentlich nur auf die Armut „hierzulande“. Das Problem mit der Menge der Sachen, die die Menschen weltweit im Durchschnitt gerne hätten, ist doch noch viel größer. Da gibt es ja dann immer wieder z.B. den Hinweis/die Behauptung (ich kenne mich da nicht aus), daß es weltweit noch nicht mal zum jetzigen Durchschnittskonsum an Fleisch reichen würde, wenn alle soviel davon essen wollen würden, wie es jetzt z.B. die Menschen in Europa im Schnitt tun.

  270. Mattis
    14. Oktober 2013, 15:29 | #270

    Klar, Neoprene, das ist noch der ökologische Aspekt der Sache, der kommt noch dick obendrauf. Und dass man erstmal jede Menge Landmaschinen, Werkzeuge etc. für Afrika usw. produziert ohne Gegenleistungen.

  271. 14. Oktober 2013, 15:41 | #271

    Wegen solcher Aspekte halte ich übrigens die gerade von GSPlern gerne vorgetragene Einschätzung, daß in einer postrevolutionären Welt die Arbeitszeiten z.B. hier in Deutschland ganz schnell ganz drastisch reduiert werden könnten, weil da ja bisher eh nur Scheiß bei rausgekommen ist, auf den die Menschen dann sofort verzichten könnten und sich stattdessen an ihrer Freieit erfreuen könnten, für abwegig und abwieglerisch (denn ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß die das wirklich selber Ernst nehmen, was sie dazu öffentlich immer wieder sagen).

  272. Hans
    14. Oktober 2013, 16:20 | #272

    @Kim B.
    „die Kontroverse (Verfahren oder Konsens)“
    will einen übergeordneten Maßstab etablieren, der mit der Entscheidung für Verfahren im Allgemeinsten Gültigkeit bekommen soll: Anders ist die INHALTSLOSIGKEIT der von Neoprene unterstellten Ziele gar nicht erklärbar: Was soll denn an einem Verfahren, das es genauso bei Faschisten oder Kegelvereinen gibt, für sich gut sein, bloß weil schneller, effizienter, eindeutiger die Gaskammern entschieden wurden? Dieses Verfahren ist eben dazu da, die Rechtmäßigkeit z.B. einer Mehrheitsentscheidung zu rechtfertigen – gleich welchen Inhalts!
    Der Schein einer Debatte über „Konsens vs. Verfahren“ (von angeblichen Kommunisten!) bebildert die Verrücktheit, inhaltsbereinigte Fantasiegebilde zu einer Sachfrage zu stilisieren.

  273. earendil
    14. Oktober 2013, 18:12 | #273

    Doch nochmal ein Einwurf:
    Bei Krim, und noch mehr bei Franziska und Libelle, ist ja immer sehr viel von neuem Bewusstsein die Rede, dass die Leute erstmal (!) haben müssten, wenn sie überhaupt für den Kommunismus tauglich sein sollen. Ich hab da in der Tat einen etwas niedrigeren Anspruch an die Leute. Um Kommunist zu werden, sind imho nur zwei grundlegende Einsichten Voraussetzung: Erstens, dass und warum die meisten Leuten im Kapitalismus ziemlich mies wegkommen, und zweitens, dass sie im Kommunismus besser wegkommen. Heißt: Dass ihre Bedürfnisse im Kommunismus besser befriedigt werden können als im Kapitalismus. Selbst diese grundlegenden Einsichten sind bekanntlich schwer genug zu vermitteln.
    Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass sich unter kommunistischen Verhältnissen auch die Mentalität der Menschen in vieler Hinsicht ändern wird. (Soviel zum Thema Menschenbild.) Wie genau, wage ich aber nicht zu prophezeien. Aber eins scheint mir ziemlich sicher: Eine grundlegend geänderte Mentalität der Menschen bereits zur Voraussetzung des Kommunismus zu erklären, ist – man suche sich was aus – a) idealistischer Blödsinn, b) esoterischer Kikifax, c) völlig balla-balla.
    Und noch ein Punkt. Libelle schrieb weiter oben:

    Einig sind wir uns darin, dass durch ein Vermittlungsverfahren anlässlich eines Gegensatzes (1) unter Absehung von seinem Inhalt (2) ein gemeinsamer Wille hergestellt werden soll.

    Wieso eigentlich „unter Absehung von seinem Inhalt“? Ein Verfahren ist notwendigerweise abstrakt, klar. Aber entscheiden tun die Leute, ob sie nun abstimmen oder einen Kompromiss suchen oder wasweißich, doch nicht „unter Absehung vom Inhalt“, sondern halt so, wie sie inhaltlich zu der jeweiligen Frage stehen.
    Abstrakt festgelegt müssen solche Verfahren weitgehend schon sein, sonst landet man hier:

    Sachgerecht wäre es , aus dem Inhalt des Gegensatzes die Vorgehensweise, den Interessen der Beteiligten entsprechend, zu entwickeln und das heißt dann schon

    … dass bei Konflikten die Sachdiskussion als Verfahrensdiskussion verdoppelt wird, indem alle für die Verfahren plädieren, von denen sie sich am ehesten eine Entscheidung in ihrem Sinne erhoffen. Hatte Mattis schon mal dargestellt. Wahnsinnig sachgerecht, sowas.
    (Und in den Fällen, in denen sowieso alle einig sind oder in der Diskussion werden, liegt die Entscheidung ja eh auf der Hand, mit den Fällen muss man sich hier gar nicht befassen.)
    Zu deinem Punkt II nur eine Frage: Wenn sich irgendein autonomes Projekt darauf festlegt, Entscheidungen im Plenum nach den und den Prinzipien zu fällen, welche dritte Instanz rufen diese Leute da an, die dann einen neuen Gegensatz einführt?
    @Hans: Was soll eigentlich an Computern für sich besser sein als an Rechenschiebern, wo doch damit noch gar nichts über die ZWECKE gesagt ist, zu denen sie eingesetzt werden? Der Schein einer Debatte über „Rechenschieber vs. Computer“ (von angeblichen Kommunisten!) bebildert doch nur die Verrücktheit, inhaltsbereinigte Fantasiegebilde zu einer Sachfrage zu stilisieren.
    Oder bebildert dein Kommentar nicht vielmehr ganz andere Verrücktheiten?

  274. Krim
    15. Oktober 2013, 00:38 | #274

    “ dass sie im Kommunismus besser wegkommen. Heißt: Dass ihre Bedürfnisse im Kommunismus besser befriedigt werden können als im Kapitalismus.“ 1. Besser gemessen an welchem Maßstab? 2. Ist das ein dumpfer entfesselter Materialismus, eigentlich noch nicht mal das, sondern ein entfesselter Eigennutz/Egomanie. 3. Ist auch der Vergleich dämlich, weil Kommunismus ganz anders ist. 4. Hat diesen Vergleich z.B. die DDR letztendlich verloren. Wenn man sich immer am „Weltmarktniveau“ des Kapitalismus misst, muss man sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung irgendwann diesen Vergleich ebenfalls anstellt und eine negative Bilanz zieht. 5. Kann man das nicht wissen und garantieren kann man es auch nicht, weil man nicht weiß welche Kräfte der Kapitalismus gegen einen Kommunismus auffahren würde. 6. Ich würde schon sagen, dass es besser ist, aber das besser sehe ich nicht so sehr in materiellen Dingen, sondern im gesellschaftlichen Zusammenhang der diese Dinge erzeugt und wie der Einzelne darin vorkommt.
    „Eine grundlegend geänderte Mentalität der Menschen bereits zur Voraussetzung des Kommunismus zu erklären“ Man muss keine große „Erklärung“ abgeben, sondern sich nur überlegen, wer diesen Kommunismus machen soll. Jedenfalls sind das keine bürgerlichen Charaktermasken, sonst machen sie ihn nicht. Geänderte Ansichten müssen diese Revolutionäre schon mitbringen.
    “ Aber entscheiden tun die Leute, ob sie nun abstimmen oder einen Kompromiss suchen oder wasweißich, doch nicht „unter Absehung vom Inhalt“, sondern halt so, wie sie inhaltlich zu der jeweiligen Frage stehen.“ Es ist nicht egal, ob man abstimmt oder einen Kompromiss anstrebt. Ein Kompromiss g e h t nur inhaltlich, während die Abstimmung bloß ein abstraktes Zahlenverhältnis produziert, das dann einen Gewinner präsentiert. Die Gründe für die Stimmabgabe sind in diesem Verhältnis ausgelöscht.

  275. Hans
    15. Oktober 2013, 08:24 | #275

    @ear
    „Was soll eigentlich an Computern für sich besser sein als an Rechenschiebern, wo doch damit noch gar nichts über die ZWECKE gesagt ist, zu denen sie eingesetzt werden?“
    Indem du Wörter meiner Sätze austauscht, kommst du dem Inhalt nicht näher, ganz im Gegenteil: Für den Zweck „Addition erlernen“ ist ein Rechenschieber u.U. praktikabler als ein PC – schon, weil man den nicht hochfahren muss. Du meinst aber tatsächlich, dass es an dem Mittel selbst liegen würde, wie man es bewertet. Deswegen lässt du dir ein veraltetes Recheninstrument einfallen, damit der Zweck unterstellt ist und inhaltlich nicht zur Disposition steht. Man soll denken, der Computer sei eine neue Version desselben Mittels, das ist aber bei „Entscheidungsverfahren“ vs. inhaltliche Diskussionen nicht der Fall: Eure Entscheidungsverfahren sind ein Instrument für etwas ganz anderes als Bedürfnisbefriedigung, also auch keine moderne Version desselben Mittels, sondern eine Konkurrenzmaßnahme. Ob ihr die Konkurrenz als Menschenbild unterstellt oder als zu berücksichtigende Marotte einführt, macht gar keinen Unterschied. Es ist, als wolltet ihr mit Gerechtigkeitskritikern über die kommunistischste Fairness reden.

  276. 15. Oktober 2013, 08:42 | #276

    Wal Buchenberg hat auf die Kritik von Krim (die ich ihm bei ihm entgegengehalten hatte) mittlerweile reagiert:

    „Was die sachliche Kritik angeht, so habe ich einerseits darauf sachlich geantwortet, aber auch meinen Eingangstext noch einmal überarbeitet, damit mögliche Missverständnisse ausgeräumt werden.
    Der geänderte Absatz heißt nun:
    „Soweit die Lohnarbeiter Ausgaben aus dem Nettolohn bestreiten, kann man sagen: Das bezahlen die Lohnarbeiter selbst. Aber die Bruttobestandteile des Lohns bekommen sie gar nicht in die Hände. Die Lohnarbeiter haben weder Einfluss darauf, wie hoch diese Lohnbestandteile sind, noch haben sie Einfluss darauf, was damit gemacht wird. Deshalb ist es falsch, zu denken, die Lohnarbeiter würden den Sozialstaat finanzieren. Der Sozialstaat wird von den Kapitalisten finanziert. Der Sozialstaat ist eine kapitalistische Einrichtung. Das ist die ungeschminkte Wahrheit, die nicht allen Linken schmecken wird. Diese Wahrheit wird vor allem den Linken nicht schmecken, die bei allem und jedem fordern: „Die Kapitalisten sollen zahlen!“ Wer von den Kapitalisten etwas fordert, das sie tagtäglich tun, dessen Kapitalismuskritik ist nichts wert.
    Die liberale Alternative zum Sozialstaat würde für die Kapitalisten bedeuten, dass sie in jedem individuellen Lohn auch alle individuelle Risikovorsorge zahlen müssten, die die Lohnabhängigen dann individuell ansparen. So waren die Verhältnisse im 19. Jahrhundert. Das kam für die Kapitalisten vergleichsweise teurer als die moderne staatliche Zwangsversicherung. Und das ließ Raum für selbstverwaltete Kassen der Arbeiterbewegung. Siehe dazu: Die Sozialstaatslüge.“

  277. earendil
    15. Oktober 2013, 08:51 | #277

    @Krim:

    Besser gemessen an welchem Maßstab?

    Besser als unter kapitalistischen Bedingungen, was sonst.

    Ist das ein dumpfer entfesselter Materialismus, eigentlich noch nicht mal das, sondern ein entfesselter Eigennutz/Egomanie.

    Hätte der Papst nicht besser ausdrücken können.
    Es geht aber nicht um mehr persönlichen Reichtum (was man in dem Sinne unter Materialismus fassen könnte), sondern um bessere Bedürfnisbefriedigung. Und dazu zählt eine ganze Menge mehr als materielle Güter, etwa Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit usw.

    Hat diesen Vergleich z.B. die DDR letztendlich verloren.

    Tja, zu recht, zumindest in mancher Hinsicht.
    Mal eine bescheidene Frage: Wenn Kommunismus nicht dazu da ist, die Bedürfnisse der meisten Menschen besser zu befriedigen, wozu dann? Also, nicht unbedingt von jetzt auf gleich, Kommunisten sind ja keine Kleinkinder. Aber grundsätzlich natürlich schon, oder was soll das ganze Projekt sonst?

    Ein Kompromiss g e h t nur inhaltlich, während die Abstimmung bloß ein abstraktes Zahlenverhältnis produziert, das dann einen Gewinner präsentiert.

    Ein Kompromiss ist genauso inhaltsbezogen wie eine Abstimmung. In dem einen Fall rücken alle ein Stück weit von ihrer Position ab, in dem anderen setzt sich eine Position – häufig auch bereits eine Kompromissposition – gegen die andere durch. Wenn ich eigentlich der Meinung bin, wir sollten einen neuen Hafen in der Stadt bauen, aber als Kompromiss einen Neubau außerhalb akzeptiere, weil wir ansonsten vielleicht gar keinen Hafen bekommen, rücke ich von den Sachargumenten für einen innerstädtischen Hafen gerade ab, weil sie halt nicht genügend Menschen überzeugt haben. Der Konflikt in der Sache bleibt dadurch auch bestehen.
    Man sollte übrigens Konsens und Kompromiss begrifflich besser trennen, hatte ich am Anfang der Diskussion nicht so richtig gemacht.

  278. earendil
    15. Oktober 2013, 09:09 | #278

    @Hans:

    Für den Zweck „Addition erlernen“ ist ein Rechenschieber u.U. praktikabler als ein PC – schon, weil man den nicht hochfahren muss.

    Mag sein. Und für den Zweck der Entscheidungsfindung sind Entscheidungsverfahren besser geeignet als inhaltliche Diskussionen. Genau genommen sind Entscheidungsverfahren überhaupt dafür geeignet, während aus inhaltlichen Diskussionen, wie bereits gesagt, überhaupt noch keine Entscheidung folgt. Die bereiten nur den Boden für eine möglichst sachliche und richtige Entscheidung. Es besteht auch gar kein Widerspruch zwischen inhaltlichen Diskussionen und Entscheidungsverfahren. Auch vor Abstimmungen und Kompromissfindungen wird ja inhaltlich diskutiert.

  279. 15. Oktober 2013, 09:15 | #279

    Auf die bescheidene Frage von earendil muß man regelmäßig den Menschen, die sowas um treibt, sagen, daß sie sich aber sowas von irren, wenn sie Kapitalismus unterstellen oder irgendwie hoch anrechnen, daß es ausgerechnet in ihm darum ginge, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Ich weiß natürlich auch, daß jeder normale Mensch sich das so denkt und gar nicht wissen will, was die herrschenden Zwecke in dieser Gesellschaftsformation sind. Aber falsch ist es eben doch.
    Dazu kommt der Punkt, der ja auch schon mehrfach eingebracht wurde, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Bedürfnisse, wie sie kapitalistisch geprägte Menschen eben nun mal hier haben, dort hoffentlich nicht mehr vorgetragen werden.
    Womit man beim Hauptproblem der Diskussion wäre: Krim u.a. andere haben ja recht, wenn sie sagen, das Kommunismus kommunismuswollender Menschen bedarf, damit er überhaupt in die Welt kommt und dann auch kommunistisch funktioniert. Andererseits ist das gerade hier wieder eine schrecklich schwarz-weiß, Alles-oder-nichts-Linie, die da verfochten wird. Da wird die Phase, die laut dem berühmten Spruch von Marx noch (wie lange?) von den „Muttermalen“ der alten Gesellschaft geprägt sein wird, auch wenn die kommunistische Avantgarde das natürlich gar nicht gut findet, völlig ausgeblendet oder wie (nicht unkonsequent) von libelle in ein irres Weltende mit Totalumschwung verfabelt.
    Und deshalb betonen Genossen wie earandil den Begriff „Kompromiß“, während die Ultra-Kommunisten hier immer den „Konsens“ einfordern, sonst wären sie nicht dabei.

  280. Krim
    15. Oktober 2013, 10:25 | #280

    „Besser als unter kapitalistischen Bedingungen, was sonst.“ Herrgott, wenn ich nachfrage, will ich deinen inhaltlichen Masstab wissen. In Punkto Geld und Profit sieht es z.B. schlechter aus im Kommunismus. Das gibt’s nämlich beides überhaupt nicht. Meinst du die Masse der Gebrauchswerte, die einer zur Verfügung hat, ihre Qualität, wie sie entstehen, was die Gesellschaft dafür tun muss, wieviel freie Zeit sie hat, ob sie Erde und Arbeiter ruiniert, wie die Individuen zueinander und zur Gesellschaft stehen. – Also w a s ist besser oder schlechter? Deine abstrakte Zusammenfassung zweier grundlegend verschiedener Systeme in besser und schlechter ist dumpf.
    „Wenn Kommunismus nicht dazu da ist, die Bedürfnisse der meisten Menschen besser zu befriedigen,“ Wer hat das gesagt? Ich wollte nur wissen in welcher Hinsicht besser. Du willst doch den Materialismus der Leute, wie er im Kapitalismus existiert, nicht nur losketten, sondern du willst, dass er sich andere Maßstäbe zulegt. Im Kapitalismus ist der Materialismus in eine Form gebracht, der den Lohnabhängigen gar nicht nutzt, sondern ihnen schadet und sie in Abhängigkeit hält.
    „Ein Kompromiss ist genauso inhaltsbezogen wie eine Abstimmung.“ „inhaltsbezogen“ ist wieder so ein Wort, das alle Unterschiede einmatscht. Nochmal: Eine Abstimmung ermittelt ein Zahlenverhältnis, während beim Kompromiss notwendig sachliche Positionen ausgetauscht bzw. relativiert werden.

  281. Krim
    15. Oktober 2013, 10:40 | #281

    „Da wird die Phase, die laut dem berühmten Spruch von Marx noch (wie lange?) von den „Muttermalen“ der alten Gesellschaft geprägt sein wird“ Diese vererbten Überbleibsel wird es eh geben. Deshalb versucht man erstens die Muttermale schon vorher soweit möglich mittels Kritik wegzulasern. Zweitens kommt man doch nicht auf die Idee die Gesellschaft durch Verfahren an den Muttermalen auszurichten. Da kann man’s ja gleich lassen. Sinnvollerweise wird eine Gesellschaft nicht so eingerichtet, dass Muttermale unterstützt und zum wachsen gebracht werden, sondern so, dass sie mit der Zeit ganz verschwinden.

  282. 15. Oktober 2013, 10:53 | #282

    Krim, ich glaube, es ist noch nicht ganz klar, was (alles) unter „Muttermale“ fällt. Völlig unstrittig sind sicher die objektiven Gegebenheiten, wer hat was Vernünftiges gelernt, welche Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es, wo wurden Fabriken und Unis hingebaut, usw. Der für die jetzige Diskussion größere Brocken sind doch die subjektiven Sachen, das Bewußtsein der Massen, deren Bedürfnisse, Gerechtigkeits- und Moralvorstellungen, Streitkultur usw. Bei diesem Teil gebe ich dir natürlich recht, daß da eine kommunistische Bewegung schon von Anfang an versuchen muß, das durch „Kritik wegzulasern“, wobei das Verb eigentlich noch zum ersten Haufen gehört.
    Ein ganz alter Streitpunkt in der sozialistischen Bewegung ist dann aber schon deine weitreichende These, da „kommt man doch nicht auf die Idee die Gesellschaft durch Verfahren an den Muttermalen auszurichten“. Seit Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms haben das viele Linke, auch Revolutionäre anders gesehen. Jedenfalls die, die das (also eine Revolution) nicht lassen oder wieder aufgeben wollten, weil sehr viele Menschen noch nicht bereit waren, diese Muttermale aufzugeben. Ein immer wieder angeführter Meilenstein der Diskussion war da die Neue Ökonomische Politik (NÖP/NEP) in der frühen Oktoberrevolution/Sowjetunion. Da bin ich eher auf der Seite der MGler/GSPler, die dazu was gesagt haben (wie z.B. Peter Decker den SEDlern der untergehenden DDR) als bei deinem Alles-oder-Nichts-Standpunkt.

  283. Hans
    15. Oktober 2013, 11:26 | #283

    @ear
    „Es besteht auch gar kein Widerspruch zwischen inhaltlichen Diskussionen und Entscheidungsverfahren. Auch vor Abstimmungen und Kompromissfindungen wird ja inhaltlich diskutiert.“
    Doch, das ist widersprüchlich. Dass vor der Durchführung von Verfahren diskutiert wird, ändert nichts an dem Beschluss über das Entscheidungskriterium dieser Verfahren: Das Kriterium soll nicht in einem sachlichen Argument bestehen, sondern in der Willkür einer Münze oder Mehrheit. Die angebliche Not von Endlosdiskussionen usw. ist übrigens das geschummelte Argument, warum Argumente nicht das Entscheiden ausmachen sollen. Das ist ein unmittelbarer Widerspruch:
    Wer beispielsweise in eurem Fantasiegebäude etwas zu Essen auf den Plan setzt, muss darauf hoffen, dass seine Argumentieren, er möge Lebensmittel bekommen, von einer Mehrheits- oder Münzentscheidung bestätigt wird: Das Interesse am (Über-)Leben wollt ihr zur Disposition stellen, um vorgeschobenen Konflikten (die ihr der bürgerlichen Welt entnommen habt) vorzubeugen. Diese Verfahren dienen also keiner Bedürfnisbefriedigung, sondern im Gegenteil eurem Regelungs-Interesse und beziehen sich auch so methodisch auf jeden Inhalt: Es darf diskutiert werden, aber es soll nicht auf die Inhalte der Diskussion ankommen – das kennt man!
    Die Idee, Verfahren entscheiden zu lassen ist wohl das fatale Ergebnis eines falsch motivierten Münzwurfs.

  284. 15. Oktober 2013, 11:38 | #284

    Sag mal, Hans tickst du noch richtig??

    „Das Interesse am (Über-)Leben wollt ihr zur Disposition stellen, um vorgeschobenen Konflikten (die ihr der bürgerlichen Welt entnommen habt) vorzubeugen.“

    Bloß, weil die Abstimmerfraktion der Auffassung ist, daß es über ne ganze Menge Fragen unterschiedliche Vorstellungen geben wird, was gemacht werden sollte, bastelst du dir den bürgerlichen Lebensmittelspekulanten im kommunistischen Schafspelz!
    Und woher kommt eigentlich deine Auffassung, es würde dann nur um „vorgeschobene Konflikte (die ihr der bürgerlichen Welt entnommen habt“ gehen können? Hast du auch nur ein einziges Beispiel der möglichen Konflikte zur Kenntnis genommen? Eines habe ich ja wieder erwähnt: die GSPler, die nicht mehr arbeiten wollen und die trotzkistichen Exporteure der Weltrevolution, die Mähdrescher (und gepanzerte Fahrzeuge) für eine bedrängte sozialistische Insel in Asien erarbeiten lassen wollen.

  285. Krim
    15. Oktober 2013, 11:57 | #285

    „Vielleicht hast du nicht bemerkt, dass in meiner Grafik vom Nettolohn gar nicht die Rede ist.“ Und vielleicht hast du bemerkt, dass auch in meiner Kritik nicht vom Nettolohn die Rede ist, sondern vom Lohn und der ist begrifflich bestimmt als der Wert, der notwendig ist, um die Arbeitskraft zu reproduzieren, aber nicht die individuelle, sondern im gesellschaftlichen Durchschnitt, sodass der gesellschaftliche Gesamtlohn bestimmt ist als der Wert der nötig ist, um die Arbeiterklasse als ganzes zu reproduzieren. Zur Arbeiterklasse gehören aber auch Alte und Kranke, die in den Bereich Sozialstaat fallen. Es ist also scheißegal, wer nun die Sozialabgaben wirklich zahlt – vom Nettolohn, vom Bruttolohn, von den Arbeitern von den Kapitalisten – begrifflich sind sie ein Teil des Lohns.
    Zweitens gehört auch der Bruttolohnteil den Lohnarbeitern. Der Staat schreibt dem Proletariat nur seine Verwendung für Sozialausgaben vor. Das macht er deshalb, weil der Lohn zu niedrig ist, damit die Lohnabhängigen das selbst auf freiwilliger Basis tun. Außerdem kann er die Klasse so kostengünstig zusammenfassen.
    „Die sehen davon keinen Cent, sondern nur eine Zahl auf der Entgeltabrechnung.“ Natürlich sehen sie die Euros und Cents. Erstens wie du sagtest als Zahl auf der Gehaltsabrechnung. Zweitens in Form von Sozialleistungen. Arbeitslosengeld, Rente, Arztrechnungen, Medikamente – das ist das Geld der Arbeiterklasse und nicht das Geld des Staates.
    „Die Lohnarbeiter haben weder Einfluss darauf, wie hoch diese Lohnbestandteile sind, noch haben sie Einfluss darauf, was damit gemacht wird. Deshalb ist es falsch, zu denken, die Lohnarbeiter würden den Sozialstaat finanzieren.“ Das Argument ist ja lächerlich. Fällt dir das beim Staat auch ein? Er würde nicht von den Bürgern finanziert, weil die Bürger keinen Einfluss auf den Haushalt haben. Und woher kommt dann das Geld? Fällt das aus den Wolken? Natürlich finanzieren die Lohnarbeiter den Sozialstaat und dass sie keinen Einfluss drauf haben ist sachgerecht, weil der Abzug vom Lohn der für den Sozialstaat nötig ist nur gegen ihren Willen geltend gemacht werden kann. Das liegt an der Niedrigkeit der Löhne, die nicht ausreichen, um neben den lebensnotwendigen Ausgaben freiwillig Vorsorge zu leisten. Es bleibt schlicht nicht genug über. (Weswegen es eigentlich ein Frechheit ist, wenn der Staat die Mitverantwortung bei der Altersvorsorge in jüngster Zeit wieder ans Proletariat zurückgibt. Ich erinnere mich da an einen Werbespot (Versicherungsgesellschaft hab ich Vergessen) wo Mütter sich um die Altersvorsorge ihrer Kinder sorgen. Da sagt die Mutter vom Riesenbildschirm des Stadions zu ihrem Sohn: „Da leistest du dir eine Dose Haarspray weniger, dann klappt das mit der Altersvorsorge.“ Wahrscheinlich merken die noch nicht mal, wie zynisch das ist. Als könnte man sich mit den Ausgaben für Haarspray eine Altersvorsorge aufbauen.)
    „Der Sozialstaat wird von den Kapitalisten finanziert.“ So gesehen finanziert der Kapitalist auch die Reproduktion des Arbeiters, letztlich auch den Staat. Und jetzt hoch die Tassen und ein Loblied auf’s Kapital angestimmt von dem wir alle leben. Nein, im Ernst. Der Sozialstaat wird nicht von den Kapitalisten finanziert, sondern vom Proletariat. Die Kapitalisten zahlen alles ganz normal als Lohn. Den ganzen Lohn inklusive der Reproduktionskosten der Nichtarbeiter m ü s s e n sie zahlen, wenn sie die Arbeitskraft des Arbeiters anwenden wollen. Einem Kapitalisten ist das mit Bruttolohn, Nettolohn, Arbeitgeberanteil, sowieso wurscht. Für ihn ist der Lohn , also die Kost der Arbeitskraft, alles was er wegzahlen muss und das ist der Bruttolohn plus Lohnnebenkosten.
    „Sie zahlen den Nettolohn für die Reproduktion der aktiven Lohnarbeiter und sie zahlen den Bruttobestandteil des Lohns für die inaktiven Lohnarbeiter.“ Du scheinst das wirklich ernst zu meinen. Was soll das heißen „sie zahlen“? Wie ist das dann in deiner Welt, bezahlt dann das Proletariat auch die Produktion sämtlicher Kapitalisten im Konsumtionsmittelbereich, weil sie ihre Produkte kaufen. Und der Staat bezahlt dann wohl die Produktion der Waffenkapitalisten, weil er ihre Produkte kauft. Allgemein läuft das auf die Behauptung raus der Käufer, sei in Wirklichkeit der Finanzier oder Sponsor des Kapitals.
    Wenn du bloß sagen wolltest, dass die Sozialausgaben, weil sie zu den Reproduktionskosten der Arbeiterklasse gehören, den Wert der Arbeitskraft mitbestimmen, dann bräuchten wir diese Diskussion nicht führen und darum geht es dir ja wohl auch nicht, sondern darum zu betonen, dass der Sozialstaat eine Leistung der Kapitalisten sei. Und diese Behauptung ist eine Ideologie und eine Frechheit obendrein.
    „ich kopiere deine Antwort auf Wal Buchenberg rüber ins Marx-Forum,“ Ok. Von mir übersehene Schreibfehler müssen nicht mitkopiert werden.

  286. 15. Oktober 2013, 12:02 | #286

    Krim, ich kopiere deine Antwort auf Wal Buchenberg rüber ins Marx-Forum, denn er liest eingestandenermassen nur dort und hier nicht.

  287. 15. Oktober 2013, 13:40 | #287

    Wals Antwort:
    „Er kann also auch ohne Unterstellungen!
    Ansonsten ist das ein Hin- und Hergeschreibe über das Wort „Bezahlen“.
    Da bezahlen die Lohnarbeiter erstens indem sie Geld für Ware geben – zum Beispiel wenn Lohnarbeiter ihren Lohn für ihre Lebens- und Existensmittel ausgeben, tauschen sie G – W. Übrigens bekommen die Kapitalisten die erst Geld ausgeben und Sachanlagen und Arbeitskraft (Lohn) zu bezahlen um damit Waren produzieren lassen, auf diesem Weg ihr für Lohn bezahltes Geld von den Lohnarbeitern wieder zurück.
    So ein „Bezahlen“ ist ein Kauf auf der Basis eines Kaufvertrages. Das nennt jeder „bezahlen“.
    Dann wird zweitens behauptet, die (aktiven) Lohnarbeiter „bezahlen“ auch, wenn die Kapitalisten eine Ziffer auf den Lohnzettel drucken, die Geldsumme an den Staat überweisen, und die Staatsbürokraten mit diesem Geld mehr oder minder nach eigenem Ermessen tun, was sie wollen.
    Diese Logik erschließt sich mir nicht.
    Weder sind die aktiven Lohnarbeiter zu Beginn an diesem „Kauf“ willentlich beteiligt, noch haben sie einen Einfluss, was mit dem „Gekauften“ geschieht. Sie werden also nicht „Eigentümer der Sache“. Als Eigentümer einer Sache hat man die Verfügungsgewalt über die Sache. Die Lohnarbeiter haben aber keine Verfügungsgewalt über die Sozialkassen. Sie sind also nicht die „Eigentümer“ dieser Sache. So etwas nennt nur mein Kritiker „bezahlen“.
    Dass drittens die Lohnarbeiter sowieso allen Reichtum produzieren, spielt in dieser Diskussion keine Rolle, weil die Lohnarbeiter eben keine Verfügungsgewalt über das haben, was sie produzieren.
    Der Kritiker meint, ich „beschönige“ den Kapitalismus, indem ich von den Kapitalisten behaupte, dass sie durch Finanzierung des Sozialstaates etwas „Nützliches“ tun.
    Ich behaupte, der Kritiker hat den Kapitalismus nicht richtig verstanden, wenn er unterstellt, dass die Kapitalisten überhaupt nichts „Nützliches“ tun könnten.
    Ich sage, wo Kapitalisten „Nützliches“ tun – zum Beispiel bei der Finanzierung des Sozialstaats, tun sie es mit Eigentumswerten, die aus der Ausbeutung der Lohnarbeit stammen. Und: wo sie Nützliches tun, tun sie nur ein Minimum und sichern sich gleichzeitig die volle Kontrolle. „

  288. Hans
    15. Oktober 2013, 13:47 | #288

    „weil die Abstimmerfraktion der Auffassung ist, daß es über ne ganze Menge Fragen unterschiedliche Vorstellungen geben wird“
    Unterschiedliche Fragen und Vorstellungen sind nicht das, was die „Abstimmerfraktion“ sich für ihr Gemeinwesen zurechtlegt haben, die Fragen und Vorstellungen hätten einen Inhalt. Kritisiert ist die behauptete Notwendigkeit von spekulativen „Entscheidungsverfahren“ für eine Welt, in der angeblich Bedürfnisbefriedigung ein gesellschaftliches Ziel sein soll. Das relativierte Überlebensinteresse ist dafür nur ein Beispiel, an Spekulanten habe ich gar nicht dabei gedacht.
    Nochmal das Argument ganz einfach: Wenn nicht der Inhalt eines Interesses über seine Gültigkeit entscheidet, sondern ein Verfahren, ist auch das unterstellte Interesse an dem gesellschaftlichen Zweck Bedürfnisbefriedigung relativiert: Dann gilt halt nur das Bedürfnis, was sich in Mehrheiten oder Münzwürfen durchsetzen kann, weil die spekulativen Verfahren für Zukunftsträumer ausdrücklich an keinen Inhalt gebunden sein sollen. Umgekehrt: Wären Abstimmungen oder Münzwürfe an Sachfragen geknüpft, würden sie sich erübrigen.
    „Hast du auch nur ein einziges Beispiel der möglichen Konflikte zur Kenntnis genommen? Eines habe ich ja wieder erwähnt: die GSPler, die nicht mehr arbeiten wollen“
    1. Dass diese Konflikte ausgedacht und konstruiert sind, verdankt sich nicht meiner Kritik, sondern das ist der unvernünftige Ausgangspunkt dieser Fantasien und Horrorszenarien.
    2. Um dem Inhalt der verkehrten Visionen gerecht werden zu können, muss man sich notgedrungen deren Frage „was wäre wenn“ widmen, das nimmt vom ersten Argument aber nichts weg: Wenn sich Fantasien über faule GSPler anbieten, warum nicht mit Fantasien über hungernde Kommunisten kontern? Immerhin soll kein einziges Verfahren für volle Bäuche sorgen! Also: Es kommt doch beim Fantasieren nicht so drauf an, oder warum störst du dich bloß an bestimmten Fantasien?
    3. Wer „nicht arbeiten will“, leistet sich den Widerspruch, von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung leben zu wollen, von der er sich mit seinem „Unwillen“ ausnimmt. Welchen Grund (außer Krankheit oder Alter) soll es denn geben, dass nicht für alle Arbeit anfällt? Das kann man sicher auch GSPlern leicht erklären.
    Also, Neo, dass du dich fragst, ob der Hans „richtig tickt“, liegt wohl eher an deiner Symphatie für den Widerspruch realistischer Zukunftsszenarien. Die absurdesten Konstruktionen soll man sich hier in der Zukunft ausmalen, aber wenn man das Scheitern einfacher Bedürfnisse fantasiert und dafür Gründe im Entscheidungsverfahren benennt, wird das als Verrücktheit gewertet. Irgendwie passend zu den Konkurrenzvorstellungen.

  289. 15. Oktober 2013, 14:05 | #289

    Also gut (oder eigentlich schlecht): Jede Seite hier hält die andere Seite für „irre“, „absurd“ und selbstverständlich, das was die anderen sagen für „verkehrt“. Das liegt sicher an dem recht grundlegenden Dissens.
    Das wird offensichtlich noch schwierig werden, um da weiterzu kommen. Oder andersrum, deshalb ist ja auch bisher keiner sonderlich weit gekommen. Weder hier noch dort.

  290. Mattis
    15. Oktober 2013, 14:36 | #290

    „Wenn nicht der Inhalt eines Interesses über seine Gültigkeit entscheidet, sondern ein Verfahren, ist auch das unterstellte Interesse an dem gesellschaftlichen Zweck Bedürfnisbefriedigung relativiert …“ (Hans)

    Was ist denn, wenn es doch eigentlich um den Inhalt gehen soll, am Konsens besser als bei einer Abstimmung? Auch eine grottenfalsche Entscheidung mit schädlichen Folgen kann im Konsens getroffen werden. Was macht ein Hans, wenn er eine Minderheitsposition vertritt, aber die Mehrheit auf Konsens besteht und von ihm endlich ein „Einsehen“ erwartet?
    *

    „Das Interesse am (Über-)Leben wollt ihr zur Disposition stellen, um vorgeschobenen Konflikten (die ihr der bürgerlichen Welt entnommen habt) vorzubeugen.“ (Hans)

    Wenn im Sozialismus die Entscheidung über die ökologischen Standards von einem Konsens abhängig wäre, würde man dann bis zum Ende der Debatte die Traktoren im Schuppen lassen? Soviel zum Thema „Interesse am (Über-)Leben“. – Damit es vorangeht, würde sich vermutlich eine Minderheit, die strengere Maßstäbe für richtig hält, erst mal breitschlagen lassen, der Mehrheit zuzustimmen, da es sonst, ohne Konsens, keine Entscheidung gäbe. Und um ernten zu können, muss nun mal rechtzeitig gesät werden.
    Das ist nämlich der Punkt – und ich will es nochmal ganz klar sagen: das Insistieren auf Konsens – und damit ist nicht die Suche danach gemeint, ob eine Einigung möglich ist – ist eine Technik der moralischen Erpressung.

  291. Hans
    15. Oktober 2013, 14:58 | #291

    @Krim

    „Einem Kapitalisten ist das mit Bruttolohn, Nettolohn, Arbeitgeberanteil, sowieso wurscht. Für ihn ist der Lohn , also die Kost der Arbeitskraft, alles was er wegzahlen muss und das ist der Bruttolohn plus Lohnnebenkosten.“

    Einerseits. Andererseits stehen für die verschiedenen Lohnbestandteile wegen ihrer Funktion auch unterschiedliche Hebel zur Verfügung: Die Polemik von Arbeitgebern über das Ausufern der „Lohnnebenkosten“ ist dem Umstand geschuldet, dass sie auf diese Kosten nur über den Umweg der Politik Einfluss haben. Das Band schneller stellen oder die Lohnsumme kürzen ist hingegen ihre Kalkulation und Entscheidung. Immerhin ist der Lohn nicht nur Kost, sondern als diese Kost die sachliche Quelle aller Kapitalbestandteile, inkl. sog. Lohnnebenkosten – das muss der Kapitalist ja nicht wissen, aber reflektieren: z.B., indem er gegen das Ausufern der Lohnbestandteile polemisiert, die seiner Entscheidungskompetenz qua Politik entzogen sind.

  292. Hans
    15. Oktober 2013, 15:48 | #292

    @Mattis
    „Auch eine grottenfalsche Entscheidung mit sch�dlichen Folgen kann im Konsens getroffen werden.“
    Sehr richtig. Aber du ziehst den falschen Schluss daraus.
    1. So wie Neo muss ich dich auch darauf hinweisen, dass die �berschrift „Konsens vs. Verfahren“ bereits eine (falsche) methodische Sicht der Dinge unterstellt, n�mlich dass es n�tig sei, sich fantasievolle Gegens�tze in einer fernen Zukunft auszudenken, um denen in der Gegenwart eine verbindliche Verlaufsform vorzuschreiben. Die Bezeichnung „Konsens-orientiert“ versteckt bereits die Kritik an der Methodenidee, wie man mit Uneinigkeit umgeht.
    2. Es muss zwischen Skifahrern und Strandspazierg�ngern �berhaupt keinen naturw�chsigen Gegensatz geben, nur weil die etwas Unterschiedliches machen wollen. Das ist konstruiert, indem Ressourcenproblemausgedachten Konkurrenzlagern zugeordnet werden – als w�rde die Produktion von Herzschrittmachern der Fraktion der Urlauber im Weg sein und das Abstimmen �ber das �berleben von Herzpatienten eine L�sung f�r das Problem!
    „das Insistieren auf Konsens � und damit ist nicht die Suche danach gemeint, ob eine Einigung m�glich ist � ist eine Technik der moralischen Erpressung.“
    Genau das wollte ich gesagt haben, du belegst es noch einmal: Die Kritik an „Entscheidungsfindungsverfahren“ wird zirkul�r als alternative Methode wahrgenommen, andere auszuhebeln usw. Die Kritik besteht aber gerade nicht darin, irgendeinen „Konsens“ zu vermissen (das ist euer verwandeltes Argument), sondern in der Benennung theoretischer Fehler der Entscheidungsmethoden. Einer davon ist: Abstimmen oder M�nzewerfen ist das schlechteste aller Entscheidungskriterien, weil vom Inhalt abstrahiert wird.
    Am deinem Beispiel: Wenn in einer Gesellschaft mit dem Aush�ngeschild „Bed�rfnisbefriedigung“ die Frage aufkommt, wie viel Verseuchung (z.b. durch kapitalistisch produzierte Traktoren) in Kauf genommen werden soll, ist weder eine Mehrheitsentscheidung sinnvoll noch das W�rfeln, nur damit es eine Entscheidung gibt! Es will doch keiner aufs Ernten verzichten und auch keiner Gift essen. Daraus Alternativen zu machen, ist normalerweise eine Leistung des Geldes.

  293. Krim
    15. Oktober 2013, 19:13 | #293

    @Wal: „Diese Logik erschließt sich mir nicht.“ Merkwürdig. Wo ich doch hingeschrieben habe, was die abgeführten Lohnbestandteile bezahlen – nämlich die Sozialleistungen. Die Zahlen, die die Kapitalisten auf die Gehaltszettel drucken, die die Lohnarbeiter nicht ausgeben können, das ist nicht nur schwarze Farbe, sondern damit wird der Sozialstaat gekauft.
    „Sie werden also nicht „Eigentümer der Sache“.“ Klar sind die Arbeiter, als Klasse und auch individuell, Eigentümer der Sache. Und das merken sie spätestens an den Sozialleistungen, die sie erhalten. Sie verfügen also durchaus über das Geld. Bloß eben zeitverzögert und auch nicht frei. Zu ihrem Schutz schränkt der Staat ihre frei Verfügung ein. Der Staat muss ihnen für ihre Funktionalität als Klasse den Sozialstaat aufzwingen und nimmt dafür ausnahmsweise auch in Kauf, dass das sonst heilige Eigentum in Bezug auf den freien Willen ein wenig leidet. Enteignet wird die Klasse dadurch aber nicht.
    Mein begriffliches Argument, warum der Sozialstaat ein Teil der Lohnkosten ist, hast du unter den Tisch fallen lassen. Der Sozialstaat ist notwendig zur Reproduktion der Arbeiterklasse. Allein dieses Argument reicht, um die Sache zweifelsfrei zu klären
    „Der Kritiker meint, ich „beschönige“ den Kapitalismus, indem ich von den Kapitalisten behaupte, dass sie durch Finanzierung des Sozialstaates etwas „Nützliches“ tun.“ Nein, der Kritiker, also ich (Krim), meint dass du Ideologien verbreitest. Es stimmt einfach nicht, dass die Kapitalisten den Sozialstaat finanzieren. Das macht die Arbeiterklasse selbst. Oder zahlen die Kapitalisten auch die Lohnsteuer für die Arbeiter? Dieses Geld sehen die Arbeiter auch nicht und drüber verfügen, können sie auch nicht. Was du hier glauben machen willst, ist absurd. Tolle Welt, in der du lebst, wo die Kapitalisten für den Sozialstaat und die Steuern der Arbeiter aufkommen.
    „Ich behaupte, der Kritiker hat den Kapitalismus nicht richtig verstanden, wenn er unterstellt, dass die Kapitalisten überhaupt nichts „Nützliches“ tun könnten.“ Klar machen die was „Nützliches“ für den Kapitalismus z.B. ihr Kapital vermehren. Der Sozialstaat gehört allerdings nicht dazu. Den bekommen beide Klassen vom ideellen Gesamtkapitalisten auf’s Auge gedrückt.

  294. 15. Oktober 2013, 20:11 | #294

    Krim, ich werde zukünftig nicht mehr den Brückenbauer zwischen euch beiden machen. Nicht, weil er mich wiedermal genauso angepflaumt hat wie dich jetzt, sondern weil mir das nicht so viel zu bringen scheint. Weder mit Wal noch leider auch mit seinem (nicht mehr nur seinem) Forum. Es steht dir natürlich frei, auch hier, das weiter zu kommentieren. So off topic ist das ja auch nicht.

  295. Mattis
    15. Oktober 2013, 20:23 | #295

    @Hans:

    „Es will doch keiner aufs Ernten verzichten und auch keiner Gift essen.“

    Trotzdem kann es große Unterschiede zwischen ökologischen Maßstäben geben; deine Argumente leben einerseits von der Übertreibung von Differenzen ins Extrem, um dann zu sagen: so was Bescheuertes will doch eh keiner – na klar, das Bescheuerte war ja auch deine eigene Idee.
    Zur anderen Hälfte leben deine Argumente von der Leugnung von Gegensätzen mit dem Hinweis auf nur unterschiedliche Bedürfnisse:

    „Es muss zwischen Skifahrern und Strandspaziergängern überhaupt keinen naturwüchsigen Gegensatz geben, nur weil die etwas Unterschiedliches machen wollen. Das ist konstruiert …“

    Das ist allerdings konstruiert! – aber von dir selber; dermaßen durchsichtig außerdem – Strände eignen sich eher selten zum Skifahren – dass es schon peinlich ist; soll das nun der Beleg sein, dass im Sozialismus keine Gegensätze existieren können, nur weil dir Beispiele einfallen, wo sich Bedürfnisse nicht in die Quere kommen können? Mit solchen Beispielen könnte man eine Festplatte füllen, und was wäre dadurch bewiesen?

  296. libelle
    15. Oktober 2013, 20:57 | #296

    Trotzdem kann es große Unterschiede zwischen ökologischen Maßstäben geben;

    1) „Kann“ heißt für Dich „es gibt mit Notwendigkeit“. Da stellt sich dann wieder die Frage, was Dich zu dieser Annahme über die Menschen einer zukünftigen Gesellschaft führt, dass Du diese Unterschiede zum Konstruktionsprinzip Deines Gesellschaftsentwurfes machen willst.
    2) Scheinen die Menschen in Deiner Zukunft den Umgang mit der Natur an Maßstäben zu messen. Wo haben sie die denn her? Weil sie ihnen „so“ gefallen? Dann messen sie die Gesellschaft letztendlich an ihrer Subjektivität und es ist zu fragen, wo die denn herkommt. Diese Subjektivität über ein Verfahren unterzubuttern bzw. den Umgang damit über Machtfragen zu regeln, verhält sich völlig ignorant gegen sie, nimmt sie als gegeben und unveränderlich hin und zwingt sie in den gesellschaftlichen Rahmen hinein.

  297. Hans
    15. Oktober 2013, 21:57 | #297

    „Trotzdem kann es große Unterschiede zwischen ökologischen Maßstäben geben“
    Schon klar: Problem, Problem, es gibt immer unterschiedliche und sich ausschließende Interessen. Die werden aber durch irgendwelche Verfahren gar nicht thematisiert oder miteinander vereinbart, geschweige denn einer vernünftigen Lösung zugeführt, sondern mit einer Abstimmung oder einem Münzwurf unter die jeweilige Entscheidungsmethode subsumiert.
    „soll das nun der Beleg sein, dass im Sozialismus keine Gegensätze existieren können, nur weil dir Beispiele einfallen, wo sich Bedürfnisse nicht in die Quere kommen können?“
    Nein, das soll der Beleg sein, dass die Gegensätze konstruiert sind, um erfundenen Interessenskollisionen einen Verlauf vorzuschreiben, der ausdrücklich nichts mit den Interessen zu tun haben soll. Das ist nicht nur reichlich vereinnahmend, sondern offenbart ein Ideal der gerechten Bedürfnisbefriedigung: Warum sollen diese Zukunfts-Sozialisten denn nicht selbst entscheiden, ob sie auch mal die Münze werfen oder sich etwas anderes überlegen? Heute „regeln“ zu wollen, was morgen spekulativ zu entscheiden wäre, unterstellt mindestens ein allgültiges Prinzip, was unabhängig von Zeit und Raum gelten soll.

  298. Kim B.
    15. Oktober 2013, 22:03 | #298

    @libelle: „was Dich zu dieser Annahme über die Menschen einer zukünftigen Gesellschaft führt, dass Du diese Unterschiede zum Konstruktionsprinzip Deines Gesellschaftsentwurfes machen willst.“
    Nun, das sind eben gewisse Vorstellungen über menschliche Eigenschaften, die die Notwendigkeit des Misstrauens gegenüber der menschlichen Species angeraten sein lassen. Und so einer Notwendigkeit muss konsequenterweise, wenn einmal die Subjektivität der Minderheit über ein Verfahren untergebuttert ist, Überwachung und Sanktion folgen, also eine Art MfS zwingend eingerichtet werden. Sonst nämlich wären Verfahren ohnehin für die Katz und man bräuchte sie gleich gar nicht, weil sich ohnehin niemand dran hielte.
    Kim

  299. Krim
    16. Oktober 2013, 00:17 | #299

    @neo: Deine Einschätzung teile ich. Die Kapitalisten zu Sponsoren des Sozialstaats zu machen, ist schon ziemlich abgedreht, für einen Kommunisten, der auf seinen Marx angeblich große Stücke hält. Anscheinend will er gegen Linke ein Argument loswerden, die meinen „die Kapitalisten sollen (den Sozialstaat) zahlen“. Sein Gegenargument ist bloß völlig untauglich. Die Kapitalisten finanzieren nicht eh schon den Sozialstaat. Dann bliebe von der Forderung der Linken nämlich immer noch übrige, dass sie m e h r für den Sozialstaat zahlen sollten. Die Kritik am Sozialstaat ist jedoch nicht, dass die Kapitalisten so wenig dazu beisteuern, sondern dass es ihn überhaupt braucht. Da kann die Lohnarbeit ja keine so tolle Einrichtung sein, wenn sie systematisch Sozialfälle produziert, für die es dann einen Sozialstaat braucht.

  300. earendil
    16. Oktober 2013, 09:32 | #300

    Nun, das sind eben gewisse Vorstellungen über menschliche Eigenschaften, die die Notwendigkeit des Misstrauens gegenüber der menschlichen Species angeraten sein lassen.

    Diese blödsinnige Unterstellung könnt ihr gern noch ein paarmal bringen (und meinetwegen auch noch ein paar Stasidystopien dazudichten), sie wird dadurch nicht richtiger. Die Konflikte im Kommunismus rühren nicht aus einer ominösen Natur des Menschen, sondern aus der Natur der im Kommunismus notwendigerweise sich stellenden Probleme.

  301. Kim B.
    16. Oktober 2013, 12:20 | #301

    @earendil
    „Diese blödsinnige Unterstellung könnt ihr gern noch ein paarmal bringen (und meinetwegen auch noch ein paar Stasidystopien dazudichten), sie wird dadurch nicht richtiger. Die Konflikte im Kommunismus rühren nicht aus einer ominösen Natur des Menschen, sondern aus der Natur der im Kommunismus notwendigerweise sich stellenden Probleme.“
    1. Das ist ja nun ein schöner Zirkel, weil es Probleme gibt, brauchts Verfahren und warum brauchts Verfahren? Da warst du oben schon weiter. Da hast du noch behauptet, dass es so was braucht, weil man (auf die Menschennatur bezogen) realistisch sein muss und Mattis hat zur Vorsicht gemahnt, denn man kenne ja seine Pappenheimer.
    2. Ich will dir/euch nichts unterstellen, sondern versuchen, auch bewusst zu machen, welche Folgewirkungen die Verfahrensmeierei nach sich zieht. Oder glaubst du vielleicht, dass gerade solche, über Verfahren gesteuerte Menschen, deren subjektive Auffassung in einem Verfahren niedergebügelt wird, nicht versuchen würden, ihrer Auffassung dennoch auf andere, unbotmäßige Weise Gültigkeit zu verleihen? Die also dies oder das weiter tun werden, obwohl es ihnen durch Verfahrensentscheid untersagt wurde. Für Realisten auf jeden Fall dürfte dieser Gedankengang eigentlich nicht abwegig sein.
    Kim

  302. Mattis
    16. Oktober 2013, 12:30 | #302

    „Warum sollen diese Zukunfts-Sozialisten denn nicht selbst entscheiden …“ (Hans)

    Ein weiterer Beleg dafür, dass du nicht vorhast, zu denen zu gehören. Denn dann könnte ein bißchen Vordenken nicht schaden. Doch nur Ideologie-Kritik als Lebenszweck?

    „Da stellt sich dann wieder die Frage, was Dich zu dieser Annahme über die Menschen einer zukünftigen Gesellschaft führt, dass Du diese Unterschiede zum Konstruktionsprinzip Deines Gesellschaftsentwurfes machen willst.“ (libelle)

    Meine Güte, Differenzen zwischen ökologischen Maßstäben gibts heute schon, auch unter Leuten, die dabei keine Preise oder Konkurrenz im Kopf haben. Aber das löst sich ja bekanntlich eines Tages alles in einstimmige Harmonie auf.
    Ja, Hans und libelle, euch beiden würde ich gerne mal beim gemeinsamen Planen einer „vernünftigen“ Landwirtschaft zuschauen – oder lieber doch nicht …

  303. libelle
    16. Oktober 2013, 12:49 | #303

    Meine Güte, Differenzen zwischen ökologischen Maßstäben gibts heute schon, auch unter Leuten, die dabei keine Preise oder Konkurrenz im Kopf haben.

    Eben! Und wo kommen diese heutigen Unterschiede her? Reicht es denn hinzunehmen, dass es sie gibt und sich dann ein Verfahren zu überlegen, wie man diese Unterschiede (die für die Beteiligten offensichtlich Grund genug sind sich gegensätzlich aufeinander zu beziehen) deckelt?
    Erkläre mal;
    1) Was Du damit genau meinst
    2)Warum es diese Unterschiede heute Deiner Auffassung nach gibt.

  304. 16. Oktober 2013, 13:12 | #304

    libelle, du weißt doch auch, woher Unterschiede in den Wünschen kommen, was passieren soll: Gerade bei komplexeren Sachen, noch gar nicht richtig abschätzbaren Projekten, einfach nur unterschiedlichen Prioritäten kommen eben eine ganze Palette an unterschiedlich zusammengesetzen Warenkörben, Arbeitszeitplänen raus (franziska hat das ja schon ausführlich problematisiert). Die Hauptfelder, um die es dann gehen würde, sind doch alle schon aufgezählt worden. Als wenn das nur Konkurrenzgeiern mit ihrem notwendigerweise auftretenden Antagonismen passiereren würde.
    Und wenn du jetzt damit kommst, daß dein Kommunismus aber garantiert keine geerbten schrecklichen kapitalistisch deformierten Wunschhanseln haben will und wird, sondern die einheitliche Phalanx der blauen Männer und Frauen, gott hab sie selig, dann kann ich nur müde abwinken.

  305. libelle
    16. Oktober 2013, 13:32 | #305

    Gut, dann frage ich mal weiter:
    Woher kommen denn die die Ökologie betreffenden unterschiedlichen Prioritäten in der heutigen Gesellschaft? (und was soll überhaupt darunter zu verstehen sein?)
    Warum kommen bei „nicht richtig abschätzbaren Projekten (?!)“ unterschiedlich zusammengesetzte Warenkörbe heraus?
    Mir kommt es so vor (und das halte ich für Eure Position für sehr angemessen), dass ihr überhaupt kein konkretes Beispiel bringen könnt, sondern dass bewusst Abtraktionen verwendet werden, in denen überhaupt nicht bestimmbar ist, worum es eigentlich beim jeweiligen Gegensatz gehen soll.
    Bevor wieder jemand kommt und sagt A) will die Feuchtwiese und B) die Straße ohne das Problem, das A und B dabei wirklich zu verhandeln haben benennen zu können, weil es ohnehin nur darauf ankommt, damit die Notwendigkeit eines Verfahrens zu bebildern: Es geht darum zu fragen warum A) die Feuchtwiese will, und warum B die Straße. Warum Leute unterschiedliche Prioritäten bzgl. Ökologie haben und wo die herkommen.
    „Weil es A so gefällt (oder B)?“ kann als Argument leider nicht durchgehen, weil A (oder B) sich damit als jemand outet, der nicht in so eine Gesellschaft gehört, weil er nicht begriffen hat, dass sein Verhältnis zu anderen kein Spielball seiner Subjektivität ist. Dann kommt der Nächste und sagt er will überall Teer haben, weil ihm das so gefällt.
    Also: Was sind die Argumente für die Feuchtwiese? Schon wenn A anfängt die zu nennen, ist er in eine Vermittlung mit B eingetreten (und umgekehrt).

  306. 16. Oktober 2013, 14:07 | #306

    libelle, es interessiert mich nicht die Bohne, woher Ökos ihre heutigen Bedenken hernehmen. Ich esse Tiere und wohne in einer Großstadt.
    Immer dann, wenn Menschen unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft, was sie in der wollen, wie man das hinkriegen könnte, usw. haben, wird das vom Ergebnis der Wunschproduktion unterschiedliche Zusammensetzungen haben. Das du ausgerechnet sowas nicht verstehen willst, wundert mich.
    Das du in dieser Diskussion keine „konkreten“ Beispiele sehen willst, glaube ich die gern. Was sagst du denn zu meiner Alternative Panzer versus Freizeit? Und da willst du überhaupt nicht bestimmen können, was der Gegensatz in dieser Alternative ist??
    Du hast natürlich recht: die Waffenexporteure wollen das aus dem Hauptgrund, daß sie wissen, allein machen sie dich ein und die Freizeitfans denken sich, so schlimm wird es schon nicht kommen, wie das die Antiimperialisten an die Wand malen.

  307. libelle
    16. Oktober 2013, 14:48 | #307

    libelle, es interessiert mich nicht die Bohne, woher Ökos ihre heutigen Bedenken hernehmen. Ich esse Tiere und wohne in einer Großstadt.

    Dass es diese Bedenken heute gibt, war Mattis’s Argument dafür, dass es das auch in seinem Sozialismus geben wird. Also macht es doch Sinn danach zu fragen, warum es heute Ökos gibt, die Bedenken bzgl. der Benutzung der Umwelt durch die Gesellschaft haben und was ihre Bedenken sind.

    Immer dann, wenn Menschen unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft, was sie in der wollen, wie man das hinkriegen könnte, usw. haben, wird das vom Ergebnis der Wunschproduktion unterschiedliche Zusammensetzungen haben. Das du ausgerechnet sowas nicht verstehen willst, wundert mich.

    Nun, das halte ich auch für die entscheidende Differenz der hiesigen Diskussion. Mattis & Co. wollen mit ihrem Sozialismus ein Wunschkonzert veranstalten. Das ist aber verkehrt, weil darin steckt, dass die Gesellschaft wie der Weihnachtsmann funktioniert und Wünsche erfüllt.
    Vernünftigerweise sollte es aber darum gehen, sich zu wünschen, was die Gesellschaft erfüllt. Dazu braucht es gesellschaftliche Verhältnisse, die das, was die Gesellschaft leistet mit dem in Einklang bringen, was ihre Mitglieder sich wünschen d.h. beide Seiten müssen sich ändern, weil die hiesigen Wünsche eben Produkte der hiesigen, bürgerlichen Verhältnisse sind. Nur dann – wenn die Leute sich wünschen, was die Gesellschaft erfüllt d.h. was sie sich selbst machen – bekommen sie alle Wünsche erfüllt. Macht man im Gegensatz dazu den Umstand dass man sich etwas wünschen kann zur Voraussetzung der Gesellschaft (du bringst ja keinen konkreten Wunsch), verlangt man von ihr den Dienst an diesem Umstand (dem, dass man sich irgendwas wünschen kann) und dieses Programm heißt, die Gesellschaft zum Objekt persönlicher Willkür zu machen und das ist nicht umsetzbar. Sowas kann es nicht geben, solche Leute nehmen Mattis, earendil und Du aber an.

  308. Mattis
    16. Oktober 2013, 15:28 | #308

    @libelle

    „warum es heute Ökos gibt, die Bedenken bzgl. der Benutzung der Umwelt durch die Gesellschaft haben“

    1. ja warum wohl, und 2. es geht doch um das Wie dieser Benutzung.
    In meiner Region gibt es einen Streit um die Nutzung eines Sees. Die einen wollen, dass es ein ruhiges Plätzchen zum Spazierengehen und zur Beobachtung der Wasservögel etc. bleibt. Andere wollen dort ein Schwimmbad haben. Wieder andere wollen, dass der See für Surfer freigegeben wird.

    „Nur dann – wenn die Leute sich wünschen, was die Gesellschaft erfüllt d.h. was sie sich selbst machen – bekommen sie alle Wünsche erfüllt.“

    Beim Tautos, was sollen solche philosophischen Ergüsse? Da sind wir doch wieder am Anfang, nämlich, wie kommen sie denn zu der Entscheidung, „was sie sich selbst machen“ – wenn sie divergierende Bedürfnisse haben?

  309. 16. Oktober 2013, 15:45 | #309

    libelle, gehören die Menschen, die in Gebieten leben (müssen), in denen der Kapitalismus noch nicht abgeschafft wurde, eigentlich auch zu deinem gesellschaftlichen Horizont dazu, oder blendest du das genauso aus wie meine Suggestivfragen?

  310. Hans
    16. Oktober 2013, 16:32 | #310

    @Mattis
    „Denn dann könnte ein bißchen Vordenken nicht schaden.“
    Wie schon ausgeführt: künftigen Generationen die Verfahren ihrer Entscheidungsfindung vorschreiben zu wollen, hat mit Vordenken (im Sinne von Vorausdenken) nichts zu tun. Es handelt sich um einen plumpen Moralismus, der seine Verhaltensvorschriften in die Zukunft verlagert, um nicht an der Realität gemessen zu werden. Und wer beim freien Rumspinnen der Visionäre nicht mitmacht, dem wird kurzerhand „Ideologie-Kritik als Lebenszweck“ nachgesagt. Ein wenig naiv.

  311. earendil
    16. Oktober 2013, 16:57 | #311

    @Kim B.

    Das ist ja nun ein schöner Zirkel, weil es Probleme gibt, brauchts Verfahren und warum brauchts Verfahren?

    Ich will dir und anderen GSP-Freunden ja nicht die Freude am Aufspüren von vermeintlichen Widersprüchen und Zirkelschlüssen nehmen, das Hobby könnt ihr ja behalten. Aber: „Weil’s Probleme gibt, braucht’s Verfahren, und Verfahren braucht’s, weil’s Probleme gibt“, ist kein Zirkelschluss, sondern das gleiche nochmal anders formuliert. Die Schlusskette geht in etwa so: Aus der kommunistischen Organisation der Gesellschaft ergeben sich diverse Probleme (Sachfragen). Aus diesen Sachfragen ergeben sich teilweise Konflikte. Die Konflikte machen Verfahren zu deren Bewältigung notwendig. Nix Zirkelschluss.

    Oder glaubst du vielleicht, dass gerade solche, über Verfahren gesteuerte Menschen, deren subjektive Auffassung in einem Verfahren niedergebügelt wird, nicht versuchen würden, ihrer Auffassung dennoch auf andere, unbotmäßige Weise Gültigkeit zu verleihen?

    Ja, ich glaube, dass sie das nicht tun würden. Und zwar, weil sie zwar in einer konkreten Sachfrage eine andere Auffassung als die Mehrheit haben, aber dem kommunistischen Meta-Gesellschaftskonsens zustimmen, der auch solche Verfahrensfragen beinhaltet. Außerdem bietet sich ihnen ja weiterhin die Möglichkeit, die Mehrheitsverhältnisse zu ändern, indem sie Andere argumentativ überzeugen.
    @Libelle:

    Es geht darum zu fragen warum A) die Feuchtwiese will, und warum B die Straße. […] Also: Was sind die Argumente für die Feuchtwiese? Schon wenn A anfängt die zu nennen, ist er in eine Vermittlung mit B eingetreten (und umgekehrt).

    Nö, dann ist erstmal die sachbezogene Diskussion eröffnet, die selbstverständlich immer geführt werden sollte. Sofern dabei keine allseitige Einigung herauskommt (was dir natürlich bei vernünftigen Menschen mit kommunismuskompatiblem Bewusstsein kaum denkbar erscheint), braucht man aber Verfahren, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

    Vernünftigerweise sollte es aber darum gehen, sich zu wünschen, was die Gesellschaft erfüllt.

    Das ist eine Vision für irgendeine totalitäre Psychosekte, aber nicht für eine kommunistische Gesellschaft.
    @Mattis:

    In meiner Region gibt es einen Streit um die Nutzung eines Sees.

    Aber doch nur, weil die Leute noch bürgerliche Konkurrenzmonaden sind. Im Kommunismus würden sich einfach alle zusammensetzen, sachlich ihre Argumente austauschen und daraus schwuppdiwupp eine Einigung hervorzaubern, mit der alle rundum zufrieden sind. Alternativ würden sie solche unvernünftigen, egoistischen Bedürfnisse, die anderen Bedürfnissen im Weg stehen, gar nicht mehr haben.
    @Neoprene: Du weißt doch, dass es bei Libelles (Nicht-)Kommunismus kein Außen mehr gibt. Denn der kann ja erst kommen, wenn auch der letzte Mensch zum höheren Bewusstsein gedrungen ist und keinen Widerstand mehr gegen den Kommunismus leistet.

    künftigen Generationen die Verfahren ihrer Entscheidungsfindung vorschreiben zu wollen … (Hans)

    Ein weiterer Beleg dafür, dass du nicht vorhast, zu denen zu gehören. (Mattis)
    q.e.d.

  312. libelle
    16. Oktober 2013, 22:10 | #312

    In meiner Region gibt es einen Streit um die Nutzung eines Sees. Die einen wollen, dass es ein ruhiges Plätzchen zum Spazierengehen und zur Beobachtung der Wasservögel etc. bleibt. Andere wollen dort ein Schwimmbad haben. Wieder andere wollen, dass der See für Surfer freigegeben wird.

    Es mag sein, dass es diese Nutzungsvorstellungen des Sees gibt.
    Sie sind aber erstens nicht unvereinbar: Die Vereinbarkeit dieser Nutzungsvorstellungen wird an den Seen in meiner Region allenthalben praktiziert, indem sogar bei Badeseen, die in Freibäder integriert sind ein Teil für Vögel abgesperrt wird. Dann gibt es noch einen ganz großen See in meiner Region, da ist surfen und Segelboot fahren auf dem „Hauptsee“ erlaubt und in seinen Randseen nicht, die sind Naturschutzgebiet. Der Hauptsee wird sogar industriell genutzt und es wird an einer Ecke Kies gewonnen. Mir scheint deshalb die Unvereinbarkeit der Bedürfnisse an den Seen in Deiner Region eher konstruiert. Zumal der See größer sein muss, wenn er sich zum Surfen anbieten soll, sonst hat man überhaupt nicht genug Wind. Du kannst nicht in jedem Tümpel surfen.
    Es gibt zusätzlich eine gesellschaftliche Unvereinbarkeit von Naturschutz und Nutzung der Natur für Naherholung, die aber in doppelter Hinsicht am Raubbau an der Natur liegt, die der Kapitalismus veranstaltet. Dieser Raubbau bringt nämlich auch Gegner der Naturzerstörung hervor, die sehr prinzipiell, als Pendant zur umfassenden Naturzerstörung des Kapitalismus natürliche Areale dem Zugriff der Gesellschaft entziehen wollen. Die wähnen sich in einem Kampf gegen den Menschen und die Natur ist für sie nur da geschützt, wo keine Menschen sind. Und solche Naturschützer können dann häufig nicht mit dem Umstand leben, dass man z.B. in einem See baden geht, den sie für „die Natur“ vorgesehen haben. Da geht es dann nicht mehr um die Frage, ob Vögel tatsächlich beim Balzen gestört werden o.ä., sondern um eine moralische Gegnerschaft gegen die Naturzerstörung des Kapitalismus.
    Darüber hinaus ändert das Siedeln von Menschen in irgendwelchen Gegenden selbstverständlich den Lebensraum für die Tiere und die Pflanzen. Sie passen sie eben ihren Bedürfnissen an und dabei sind immer wieder Tier- oder Pflanzenarten (lokal) ausgerottet worden. Auch Tiere rotten andere Tiere aus, indem sie sich ihren Lebensraum anpassen. Ein Problem ist das für Menschen an der Stelle, an der diese Änderung der Landschaft die Natur als Lebensgrundlage der Menschen zerstört, sonst ist das keins.
    Und die Vorstellung, was Natur als Lebensgrundlage ist, die muss der Leitfaden bei ihrer Nutzung sein. Das ist kein willkürlicher, subjektiver Zusammenhang, sondern ein Erkennen der Natur als eigene Lebensgrundlage, also etwas Objektives, über das Einigkeit durch Argumente hergestellt werden kann.
    Zweitens: Darüber hinaus bleibt bei dem von Dir oben m.E. konstruierten Streit der Nutzungsvorstellungen nur Subjektivität übrig. Ein See der Größe, dass man darin surfen kann, der hat zwangsläufig ruhige Ecken, weil die Surfer nie auf dem ganzen See sind, sondern immer da, wo gerade Wind ist (und dann sind sie meist nur an bestimmten, windigen Tagen da, weil es sich sonst nicht lohnt!). Surfen, baden und Wasservögel vertragen sich bestens, wenn man den Wasservögeln Rückzugsareale schafft.
    Was bleibt, ist das subjektive Befinden der Spaziergänger, dass die Surfer und Badenden eine Störung der Natur seien. Ein Stück Natur, das aus ihrer Sicht nicht zur Natur gehört. Und diese Befindlichkeit veträgt sich nur mal nicht mit dem Umstand, dass die Natur Lebensgrundlage aller Menschen ist und deshalb auch ein großer Teil dieser Menschen regelmäßig in ihr herumturnt. Das wären meine Argumente gegen die Gegner der Surf- und Badenutzung des Sees. Ihr Widerspruch ist, dass man als gesellschaftliches Wesen von dieser Gesellschaft genutzte Natur nicht als „gestört“ Auffassen darf und in dieser Gesellschaft Natur verlangen kann, die nicht genutzt ist. Das ist ein Widerspruch in sich. Das kommt natürlich aus der kapitalistischen Nutzung der Natur. Wie oben erklärt, ist die Frage nach der Natur als Lebensgrundlage etwas anderes. Da schafft man dann schon Areale für Stockenten, in denen sie in Ruhe brüten können. Das aber, weil man erkannt hat, dass die Natur als Lebengrundlage der Menschen diese Vögel braucht (wg. Biodiversität usw…) Ich stimme da sogar soweit zu, dass man da im Zweifelsfall eher solche Areale erhält, ganz einfach weil man alle Zusammenhänge des Ökosystems nicht kennt. Man versucht es eben nur so viel zu ändern wie nötig bzw. die Veränderungen, die man vornimmt vorher zu untersuchen (wie z.B. die Nutzung des Sees).
    Drittens hilft ein Münzwurf oder ein sonstiges abstraktes Verfahren bei diesen Fragen überhaupt nicht weiter.
    edit: das letzte Verfahren:
    http://www.youtube.com/watch?v=ThbmlEVGQdU

  313. fakeraol
    16. Oktober 2013, 22:48 | #313

    Ihr habt echt viel geschrieben hier. Ich hab einiges gelesen, anspruchsvolle Diskussionen .. ob ichs richtig verstanden hab, da bin ich mir nicht sicher. Werd ja sehen, wie meine Gedanken ankommen.
    Ihr schreibt u.a. von „Machtverhältnissen“, und ob man zuerst die „Muttermale“ zum Verschwinden bringen muss, oder erst die neue Gesellschaftsordnung durchsetzen, anfangs gegen die alten Zöpfe halt mit Zwang.
    Einerseits nährt das alte System Muttermale, so daß das mit dem zum verschwinden bringen einem Kampf gegen Windmühlenflügel gleicht.
    Andererseits – ich hab den Eindruck, darüber hat noch keiner nachgedacht – gibt es für unter Zwang/Druck stehende Menschen, alte „Muttermale“ aufzugeben, zwei Möglichkeiten:
    a) Sie verstehen aufgrund guter Argumentzation, etc. die Notwendigkeit und relativieren ihre Ansprüche, verändern/erweitern ihr Bewusstsein.
    b) (und das ist der Aspekt, den ich bisher in der Diskussion vermisse)
    Es ist eine natürliche Reaktion, die Ihr sicher alle als „Trotz“ bei Kindern kennt: Zwang erzeugt Widerspruch, erzeugt Rebellion (und das lässt die Muttermale sogar wachsen, statt sie zum Verschwinden zu bringen), und Rebellion kann soweit gehen, daß jemand etwas, das er von sich aus gern tun würde, nur deshalb verweigert, weil es ihm vorgeschrieben wird.
    (Ich denke, das war der wesentliche Grund für das Ende der DDR: Zwang statt Argumenten, Zuhören und die Menschen respektieren und da abholen, wo sie stehen.)
    Wie wäre es denn mit einer Gesellschaft, in der „alles kann, aber nichts muss“ und als einziges „Gesetz gilt der Kategorische Imperativ.
    Wer unter einem Diktator leben will, sucht sich Gleichgesinnte und einen, der Diktator sein will, wer Kommunist sein will, lebt vielleicht unter einer Partei, die „immer Recht hat“ und mit einem Fünfjahresplan (nur eine von unendlich vielen möglichen Assoziationen), wer als Anarchist jede Entscheidung bis zum Konsens ausdiskutieren will, sucht sich Gleichgesinnte, etc. ….
    Jeder kann mit denen, die das auch wollen, seine Vorstellungen leben, jeder hat das Recht jederzeit seine Meinung zu ändern und die Gruppe zu verlassen, jede Gruppe kann sich ihrerseits ebenso von einzelnen Mitstreitern trennen, niemand kann jemanden zum Zusammenleben und -arbeiten zwingen.
    Keine Gruppe oder Einzelperson hat das Recht, anderen ihre Lebensweise aufzuzwingen, alles passiert freiwillig, oder garnicht.
    ==> freie Menschen in freien Vereinbarungen

  314. fakeraol
    16. Oktober 2013, 22:50 | #314

    oops, da hat blogspot was verschluckt:
    Die Menschen mit „Muttermalen“ dürfen die mit ihren Gleichgesinnten ausleben, bis sie dessen überdrüssig sind, solange sie damit nicht in die Rechte anderer Menschen eingreifen. Jeder darf arbeiten bis zum Umfallen, um Reichtümer anzuhäufen, und wenn er einen freiwilligen Lohnsklaven findet, darf er den auch bis aufs Blut ausbeuten, wenn dem das gefällt. Er wird aber im Unterschied zu heute real viele andere Lebensentwürfe (andere Gruppen) in seiner Umgebung sehen und kann dann entscheiden, ob ihn das inspiriert, sein Leben auch anders zu gestalten., weil er vielleicht die Möglichkeit, wenig zu arbeiten, mit wenig auszukommen, und die gewonnene Zeit für Reisen um die Welt und Kontakte mit anderen Menschen zu nutzen, für attraktiver hält, als seinen bisher angehäuften Reichtum.

  315. Krim
    17. Oktober 2013, 02:23 | #315

    „Keine Gruppe oder Einzelperson hat das Recht, anderen ihre Lebensweise aufzuzwingen“
    Soviel von der Diskussion scheinst du nicht gelesen zu haben, denn für Zwang hat sich eigentlich keiner ausgesprochen.
    „Wer unter einem Diktator leben will, sucht sich Gleichgesinnte und einen, der Diktator sein will, wer Kommunist sein will, lebt vielleicht unter einer Partei, die „immer Recht hat“ und mit einem Fünfjahresplan (nur eine von unendlich vielen möglichen Assoziationen), wer als Anarchist jede Entscheidung bis zum Konsens ausdiskutieren will, sucht sich Gleichgesinnte, etc.“
    Keine gute Idee. Was du vorschlägst sind viele Gesellschaften in einer. Das kann aber nicht funktionieren, weil sie sich widersprechen. Kommunismus und Kapitalismus können nicht gleichzeitig in der selben Gesellschaft existieren. Eine Gesellschaft erfordert nun mal prinzipiell Einigkeit im Zweck, den sie haben soll, sonst gibt’s diese Gesellschaft nicht.
    „Die Menschen mit „Muttermalen“ dürfen die mit ihren Gleichgesinnten ausleben, bis sie dessen überdrüssig sind, solange sie damit nicht in die Rechte anderer Menschen eingreifen.“
    Nein, „Muttermale“ ist ein beschönigender Ausdruck. Ein reeles Muttermal ist eine vererbte Hautveränderung, die niemand weh tut. Das ist aber übertragen auf die Gesellschaft nicht gemeint. „Muttermale“ sind vererbte Strukturen/Gedanken/Verhaltensweisen der alten Gesellschaft, die gedanklich F e h l e r darstellen und die der neuen Gesellschaft widersprechen. Solche Muttermale gehören kritisiert.
    „Jeder darf arbeiten bis zum Umfallen, um Reichtümer anzuhäufen, und wenn er einen freiwilligen Lohnsklaven findet, darf er den auch bis aufs Blut ausbeuten,“
    Nein, das darf er nicht, weil Reichtum überhaupt nur gesellschaftlich produziert wird und die Gesellschaft über ihn verfügt. Die Freiheit des Privateigentums und des Kapitals wird im Kommunismus abgeschafft.

  316. Hans
    17. Oktober 2013, 07:47 | #316

    @faker

    „und als einziges „Gesetz gilt der Kategorische Imperativ“

    Das ist eine schlechte Idee. Gemeint ist folgende Sittlichkeitsauffassung:

    „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant)

    1. Warum soll man sich überhaupt nach Moralvorschriften (sog. Maxime) richten, die der bürgerlichen Welt entnommen sind?
    2. Sich ein allgemeines Gesetz auszudenken, unterstellt eine Herrschaft, die der Allgemeinheit etwas vorschreibt (oft substituiert durch die religiöse Erfindung von „guter Herrschaft“). Warum soll man also wollen, dass eigene Interessen oder deren Richtschnur zu einem Herrschaftsinstrument werden?

  317. Krim
    17. Oktober 2013, 11:44 | #317

    Es ist außerdem so eine Sache mit der Moral. Die meisten Leute wollen, daß genau das, was ihnen nützt, allgemeines Gesetz werden soll. Das ist sozusagen der Inhalt von Moral. Also ist die Moral die Verwandlung der eigenen Interessen in der gemeinschaftskompatible Vorschriften, dadurch dass die Allgemeinheit dem Interesse entgegenkommt.
    Man sieht daran schon, dass so eine Moral der losgelassene Eigennutz bürgerlicher Konkurrenzkämpfer ist und bloß die ideologische Überhöhung persönlicher Interessen als allgemeingültiges Gesetz. Statt Interessen prallen dann verschiedene Moralvorstellungen aufeinander. Eigentum z.B. wollen eigentlich alle und zusätzlich i s t es existierendes Gesetzt, aber gleichzeitig versaut es fast allen das Leben.

  318. Mattis
    17. Oktober 2013, 17:06 | #318

    @libelle: (zu den Differenzen der See-Nutzung)

    „Darüber hinaus bleibt bei dem von Dir oben m.E. konstruierten Streit der Nutzungsvorstellungen nur Subjektivität übrig.“

    Der See ist nun mal nicht groß, trotzdem reicht es den jetzt illegal dort übenden Surfern offenbar aus. Nichts davon ist von mir konstruiert, den Streit gibts ganz real.
    Ich sage ja nicht, dass man gar nicht zu einer Klärung kommen könnte, aber das erfordert ja irgendeine Art von geordneter Debatte darüber und dann eine Entscheidung, meinetwegen gern eine Entscheidung über einen Kompromiss (von dem aber eben mehrere Varianten möglich sind).
    Du kannst ja gerne die Beteiligten in ihren Vorstellungen kritisieren – einige deiner Argumente sind ja rationell – nur musst du auch aufzeigen, wie so eine Kritik, die ja erstmal nur in deinem Kopf ist, dahin führen soll, dass eine diese Kritik berücksichtigende Entscheidung stattfindet. Zunächst mal interessiert es die Leute ja gar nicht, was du oder sonstwer an ihnen auszusetzen hat. Ohne irgendwelche Regelungen gibt es nicht mal eine endlose Debatte, es gibt überhaupt keine. Oder hab ich irgendwas übersehen, was du dabei als Mittel unterstellst – ein Gremium, ein Verfahren oder so was? Das ist ja hier doch das eigentliche Thema – und nicht die Behauptung, dass es keinerlei Einigung in dem (durchaus vorhandenen!) Konflikt geben könne.
    Etliche Leute werden trotz allem mit dem Ergebnis unzufrieden bleiben und werden mit der letztendlichen Entscheidung ganz praktisch konfrontiert und das als Zwang empfinden.

  319. libelle
    17. Oktober 2013, 20:00 | #319

    @Mattis:
    Mal so herum: Sich zu entscheiden heißt seinen Willen in eine bestimmte Sache zu legen und sie praktisch zu verfolgen. Dafür, das ist eine genaz formelle Sache, braucht es keine Verfahren.
    Das Verfahren soll bei Dir immer notwendig sein, um eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen. Formell musst auch Du hier ersteinmal zugestehen, dass das Verfahren dafür nicht zwingend notwendig ist, sondern es kann auch ein jeder für sich die gleiche Entscheidung treffen. Das wird dann geschehen, wenn alle die gleiche Entscheidungsgrundlage haben und ihnen die Möglichkeiten einer Handlung ungefähr gleich vorkommen.
    Letzteres unterstellt, dass um diesen Zustand zu erreichen inhaltlich gearbeitet werden muss d.h. es muss allen Beteiligten klar sein, was an der Entscheidung z.B. über die Nutzung des Sees dranhängt.
    Stelle ich diese gemeinsame Entscheidungsgrundlage umgekehrt nicht her, dann entscheidet ein jeder für sich auch etwas anderes und man kommt zu keiner gemeinsamen Entscheidung.
    Dann bleibt nur noch – wenn man das will – eine gemeinsame Entscheidung darüber herbeizuführen, dass man die Entscheidung anderen aufzwingt und das wurde an der Idee von Entscheidungsverfahren kritisiert. Sie wollen eine gemeinsame Entscheidung auf der Grundlage nicht übereinstimmender Entscheidungsgrundlagen herbeiführen. Die so hergestellte Gemeinsamkeit schließt immer die unterschiedlichen Entscheidungsgrundlagen mit ein d.h. was da festgeschrieben wird ist nur das Ergebnis einer entschiedenen Machtfrage, die die anderen Entscheidungswünsche, die sich nicht druchgesetzt haben relativiert. D.h. die Leute bleiben uneins und sind bei solchen Verfaren auch als uneins unterstellt. Und das ist eine Annahme, die sich nicht mit der Idee verträgt, dass man die Gesellschaft einigen will, sie nicht mehr als Konkurrenz Aller gegen Alle stattfinden lassen will.
    Praktisch muss man das im Fall eines Sees, der z.B. an Sonntagen von Surfern genutzt wird so machen, dass man die Surfer anspricht und die Gruppen versucht an einen Tisch zu bekommen. An der Stelle fangen dann aber schon die Unterschiede zwischen bürgerlicher Gesellschaft und vernünftiger Gesellschaft an. Bürger sind von den Mitteln ihrer Reproduktion getrennt, sie treten ihnen als fremdes Eigentum gegenüber und die haben zu dem See eher die Stellung, dass es sich da um eine Gelegenheit handelt, die sie ausnutzen können. Sie gehen aus ihrer Perspektive nicht mit ihrer Lebensgrundlage, sondern mit fremdem Eigentum, mit einem Schäppchen um, wenn sie auf dem See surfen. (die meinen Eigentum eines nachlässigen Eigentümers vor sich zu haben, das sie ausnutzen können) Die haben also eine ganz andere Stellung zu ihren Grundlagen.
    Vielleicht geht es da nur mit einem Verbot d.h. der Eigentümer (das Land, die Gemeinde) setzt den Verwendungszweck ihres Eigentums gegen unberechtigte Interessen durch. So laufen die Auseinandersetzungen dann im Kapitalismus. Dann zieht das Land/die Gemeinde die Parteien und Organisationen unter Raumordnungs- und Standortgesichtspunkten zu Rate und organisiert diesen Kriterien gemäß eine Nutzung des Sees. Da fließt also überall Kapitalvermehrung auf die eine oder andere Art als Kriterium ein und sei es so, dass man den See als ökologische Reserve erhält – den Gesichtspunkt gibt es auch im Kapitalismus.

  320. fakeraol
    18. Oktober 2013, 21:36 | #320

    @Krim
    > „Eine Gesellschaft erfordert nun mal prinzipiell Einigkeit im Zweck, den sie haben soll, sonst gibt’s diese Gesellschaft nicht.
    Was verstehst Du dann unter „Gesellschaft“? Muß da alles für alle gleich geregelt sein? Die Mehrheit findet rote Autos schön, also werden alle anderen Farben verboten?
    Muß man nicht eigentlich immer nur das für alle regeln, wo das Verhalten des Einen Einfluß auf die Freiheit des anderen hat? Und wenn es nur eine Teilgruppe betrifft, sollte dann nicht auch nur diese Teilgruppe über die Regelung entscheiden? Warum müssen Berliner über den Bau eines Hamburger Spielplatzes entscheiden?
    Geht es nicht im Prinzip immer nur darum, die auf das Leben anderer übergreifenden Dinge so zu regeln, daß jeder zu seinem Recht kommt, also alle gleich an Rechten und Pflichten behandelt werden, ohne Privilegien? Man muß niemandem Rauchen/Saufen/Extremsportarten verbieten. Man muß nur dafür sorgen, daß jeder für die Folgen seines Handelns selber aufkommt und dabei andere nicht in Mitleidenschaft zieht.
    Hast Du eventuell die Ironie in meinen Beispielen übersehen? Wieviele Menschen,. glaubst Du, werden sich freiwillig einen Ausbeuter, einen Diktator suchen? Man muß das deshalb nicht regeln, weil es sich unter freien Menschen von selber regeln wird, wenn niemand einen anderen dazu zwingen kann, sich genau solchen Regeln zu unterwerfen, die von Einzelnen zu ihrem Vorteil anderen übergestülpt werden sollen, wie das im Kapitalismus, und leider auch in den ehem. „soz.“ Staaten.
    Egal, wie die Partei heißt, egal, wie integer die Gründer waren, egal was im Gründungsprogramm stand, – gibt jemandem Macht über andere, und er wird sie mißbrauchen.
    Hierarchie wird IMMER wieder zu Diktatur führen, weil Hierarchie Macht bedeutet und Macht Opportunisten anzieht, und Opportunisten qua Definition keine Skrupel kennen.
    Wenn Du also nicht für Zwang plädierst, wie willst Du dann Menschen mit „Muttermalen“ daran hindern, ihre eigenen Gesellschaftsvorstellungen zu leben, „die der neuen Gesellschaft widersprechen“?
    Ich plädiere schlicht dafür, daß wer das nicht will, sich in keine „Gesellschaft“ mit solchen Menschen reinzwingen lassen muß, sondern sich Menschen suchen kann, die seine Vorstellungen teilen. Der Erfolg der Gesellschaften freier Menschen in freien Vereinbarungen wird dann die Überlegenheit über die alten Gesellschaftsstrukturen beweisen. Daß man in der DDR die Menschen, die den Westzucker für süßer und das Westmehl für weißer hielten, festhalten wollte, hat der Sache nur geschadet, weil es Kräfte gebunden hat, die produktiveres hätten leisten können. Man hätte sie gehen lassen sollen.
    @Hans
    > „Moralvorschriften .. die der bürgerlichen Welt entnommen sind
    „Was Du nicht willst, daß man Dir tu, das mut‘ auch keinem andern zu.“ hälst Du also für bürgerliche Moral und für falsch? (ja, ich hab mich auf Kant bezogen, der das anders ausgedrückt hat.)

  321. Hans
    19. Oktober 2013, 12:12 | #321

    @ fakeraol
    „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das mut‘ auch keinem andern zu.“
    Auch in dieser volkstümlichen Version oder in der Kurzfassung („Wenn das jeder täte“ ) ist der kategorische Imperativ verkehrt:
    1. Es handelt sich um eine Pflicht, die man als Gattung Mensch zu erfüllen habe. Eine Begründung für das Sollen gibt es daher nicht, der Imperativ verlässt sich auf bestehende Moralität, die Verhaltensvorschriften befiehlt und gehorcht (leider können sich Moralisten wegen der Selbstverständlichkeit von Herrschaftsverhältnissen seit Jahrtausenden darauf verlassen!). Diese Vorschriften sind Gebote und sollen sich explizit von realen eigenen Interessen unterscheiden, bei Kant hört sich das so an:
    „Ein Gebot, dass jedermann sich glücklich zu machen suchen sollte, wäre töricht; denn man gebietet niemals jemandem das, was er schon unausbleiblich von selbst will. […] Sittlichkeit aber gebieten, unter dem Namen der Pflicht, ist ganz vernünftig; denn deren Vorschrift will erstlich eben nicht jedermann gerne gehorchen.“ (Kant: Kritik der praktischen Vernunft, S.65)
    2. Das Aufstellen von Geboten dient einem Ideal, was selbst nur die Rechtfertigung menschlichen Handelns ist und nie der Grund. So werden Kapitalisten zu „Arbeitsplatzbeschaffern“ anstelle ihrer Funktion als Profiteure, und Politiker zu „Verantwortungsträgern“, wenn die sich einen Posten unter den Nagel gerissen haben. Angeblich haben alle nie ihren Vorteil im Sinn, sondern beugen sich Höherem – diese Heuchelei ist die einzige Wirklichkeit, die Moral haben kann, denn dass ihre Ideale unerreichbar sind, ist das gewollte Konstruktionsprinzip!
    3. Nimmt man den Sinnspruch („was du nicht willst …“) mal ernst, so folgt daraus gar nichts, außer dem Hinweis, eigenes Verhalten als verträglich mit dem Gebotenen (heute: Allgemeinwohl o.Ä.) darzustellen. Ob das Pfeifen im Wald oder die SM-Praktiken anderen zuzumuten sind, also ob diese Taten vom kategorischen Imperativ gedeckt sind, soll man gar nicht überprüfen, sondern als Gewissensentscheidung vor sich her tragen.
    4. Das fleißige Ausdenken von Pflichten ist einem Untertanen in Fleisch und Blut übergegangen, weil unter Herrschaftsverhältnissen der Materialismus aller an die Bedingung geknüpft ist, sie mögen dem Wohl der Herrscher bzw. dem Allgemeinwohl nützlich sein. Nur unter solchen Bedingungen ist die Erfindung von Moralitäten erklärbar, nämlich dass sich alle (heutzutage frei und gleich) für einen Oberbefehl bereithalten, so dass die eigene Vorteilsnahme ohnehin immer schon als Dienst an der Allgemeinheit auftritt. Die Moral verdoppelt dieses Verhältnis bloß ideell, indem die alternativlose Untertänigkeit als vernünftige Entscheidung zurechtgelegt wird.
    5. Schluss daraus: Moral ist das Gleitgel der Herrschenden, es schadet als Gesellschaftskritiker also nicht, die Nützlichkeit von Moral einmal prinzipiell zu hinterfragen.

  322. Krim
    19. Oktober 2013, 13:05 | #322

    „Die Mehrheit findet rote Autos schön, also werden alle anderen Farben verboten?“ Findest du das nicht selbst ein wenig einfach, die Gemeinsamkeit einer Gesellschaft in die Vorliebe für eine Autofarbe zu legen. Also bitte. Im Kapitalismus geht es z.B. um die Vermehrung privaten Reichtums. Das ist schon was anderes als Lieblingsfarben. Im Kapitalismus gibt es übrigens ebenfalls eine Einigkeit im Zweck, ohne dass du ihm Gleichmacherei vorwirfst.
    „Muß man nicht eigentlich immer nur das für alle regeln, wo das Verhalten des Einen Einfluss auf die Freiheit des anderen hat?“ In einer Gesellschaft hat nunmal das Verhalten des einen meistens einen Einfluss auf die anderen, außer vielleicht bei Geschmacksfragen. Eine Gesellschaft ist ein Reproduktionszusammenhang, deshalb gibt es diesen Einfluss von allen auf alle. Es braucht keine verwandelten Moralvorschriften, um das zu erkennen.
    „Wieviele Menschen,. glaubst Du, werden sich freiwillig einen Ausbeuter,…“ Ich wäre eben auch dagegen, wenn sich Leute freiwillig ausbeuten lassen, weil wie gesagt, es gibt einen gesellschaftlichen Reproduktionszusammenhang und in diesem ist gegenseitige Ausbeutung nicht vorgesehen.
    „Der Erfolg der Gesellschaften freier Menschen in freien Vereinbarungen wird dann die Überlegenheit über die alten Gesellschaftsstrukturen beweisen.“ Das ist eine nebelhafte Prophezeihung. Wie willst du das denn wissen? Das ist der selbe Blödsinn wie der Histomat, der eine gesellschaftliche Gesetzmäßigkeit ausgemacht haben will, dass sich die Gesellschaft zum Sozialismus und schließlich zum Kommunismus weiterentwickelt. Die Wahrheit ist, dass der Kommunismus nur dann Wirklichkeit wird, wenn Leute davon überzeugt sind und ihn anstreben. Von allein kommt der nicht und von allein, verschwinden auch die Muttermale nicht. Da steht eben Kritik an diesen überkommenen Denkweisen an, damit die Menschen mit Muttermalen ihre falschen Gedanken einsehen und korrigieren können.

  323. fakeraol
    20. Oktober 2013, 01:21 | #323

    @Hans
    Ok, nach was für Regeln würdest Du das Zusammenleben der Menschen organisieren wollen?
    Ich würde nicht als obdachloser Bettler auf der Straße leben wollen, also möchte ich das auch niemand anderem zumuten, und wenn man den Politiker fragen würde, ob er das für zumutbar hält und er das bejaht, würde ich ihm als nächstes allem Besitz nehmen und ihn in Lumpen da auf die Straße setzen.
    Regeln müssen für ALLE gleich gelten und das können sie nur, wenn niemand über den anderen steht, niemand mehr Macht hat, denn die würde er immer wieder mißbrauchen, um sich Privilegien zu verschaffen, UNgleichheit zu schaffen. Deshalb ist eine gerechte Welt mit Hierarchie nicht möglich.
    @Krim
    Zwang lehnst Du also ab, und Menschen mit unterschiedlichen Ansichten, wie die Welt sein sollte, können nicht zusammenleben.
    Daraus folgt, daß erst alle 7 Milliarden Menschen vom Kommunismus überzeugt werden müssen, bevor man den Kapitalismus abschaffen kann, richtig?
    Wie willst Du Menschen vom Kommunismus überzeugen? Durch Agitation? Durch Privilegien für Genossen? Durch „Moral“ („weil es richtig ist“)? Oder dadurch, daß sich Menschen, die schon davon überzeugt sind, wenigstens zueinander solidarisch verhalten und miteinander ihre Idee schon leben, und damit für alle sichtbar ein besseres Leben haben, als die, die jeden anderen mißtrauisch und im Sinne des „teile und herrsche“ als Konkurrenten betrachten? Also die kommunistischen Vorstellungen leben INNERHALB einer umgebenden, nicht-kommunistischen Gesellschaft?
    Wie ich darauf komme, daß sich ein System „freier Menschen in freien Vereinbarungen“ als das Bessere durchsetzen wird? Zum Beispiel aufgrund der Ergebnisse des „Semco Systems“ (Wikipedia hilft). Ja, Semco bleibt auch weiterhin eine kapitalistische Firma mit einem kapitalistischen Ausbeuter, ABER der Beweis, das Menschen ohne Gängelung in freien Vereinbarungen wesentlich erfolgreicher sind, ist damit trotzdem erbracht. Daß Menschen ganz ohne Ausbeuter noch erfolgreicher sein könnten (wobei der Erfolg sich in weniger Arbeitszeit ausdrücken könnte), ist natürlich klar.
    > „Ich wäre eben auch dagegen, wenn sich Leute freiwillig ausbeuten lassen …
    Und wenn es solche Irren gäbe? Was dann? Verbieten (Zwang)? Den Kommunismus aussetzen und vertagen?
    Wer soll festlegen, was noch zur Freiheit im Kommunismus gehört, und was Zeichen von vererbten Strukturen/Gedanken/Verhaltensweisen der alten Gesellschaft sind, die gedanklich F e h l e r darstellen?
    Wenn einer mit seiner Tätigkeit so erfüllt ist, daß er sie 365 Tage/Jahr ausführt, jeden Tag von mir aus 9 Stunden lang, ohne einen „freien“ Tag, müssen wir dann mit dem Kommunismus warten, bis der stirbt, weil das kapitalistisch-selbstausbeuterische Verhaltensweisen sind und wir ihn nicht zu einer Änderung seines Verhaltens zwingen wollen?
    Was willst Du machen, wenn NACH Einführung des Kommunismus doch wieder jemand einen „(z.B. SM-)Herrn“ haben will, weil er so tickt, und Zwang ausgeschlossen ist?
    Daß das mit Zwang niemals was werden kann, da hast Du recht, aber wenn Du erst warten willst, bis 7 Milliarden Menschen „im Gleichschritt“ denken, steigt ehr Jesus vom Himmel hernieder, als daß es Kommunismus gibt.

  324. Krim
    20. Oktober 2013, 02:35 | #324

    „Zwang lehnst Du also ab,“ Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass Gewalt keine Art und Weise ist mit Muttermalen umzugehen, weil sie dadurch nicht verschwinden. Und tolerant Muttermale bestehen zu lassen widerspricht der neuen Gesellschaft. Sachliche Kritik ist das Mittel der Wahl, um Einigkeit herzustellen.
    „Daraus folgt, daß erst alle 7 Milliarden Menschen vom Kommunismus überzeugt werden müssen, bevor man den Kapitalismus abschaffen kann, richtig?“ Von einer Reihenfolge war auch nicht die Rede. Wann der Kapitalismus nun abgeschafft wird mit 100 Millionen oder 1 Milliarde spielt keine Rolle. Jedenfalls müssen die Menschen in letzter Instanz von der Schädlichkeit des Kapitalismus überzeugt werden und deshalb den Kommunismus wollen. Mit Gewalt ändert man ihren Willen jedenfalls nicht, sondern ausschließlich mit Überzeugungsarbeit, was das selbe ist wie Agitation.
    „Zum Beispiel aufgrund der Ergebnisse des „Semco Systems“ „Semco ist ja kein System freier Menschen, sondern die Ausnutzung der freiwilligen Engagements für die Erhöhung der Produktivität der Mitarbeiter. Erfunden hat das System nämlich der Herr Semler und nicht seine Mitarbeiter.
    „Verbieten (Zwang)?“ Wenn Kritik nichts hilft – aber klar. Kommunimus ist ja schließlich kein Freibrief nach belieben wieder mit der Ausbeuterei anzufangen. Sowas zerstört den gesellschaftlichen Reproduktionszusammenhang und ist abzustellen. Andereseits ist es sowieso total unmöglich einen Ausbeutungsbetrieb als Insel in einer kommunistischen Gesellschaft zu eröffnen. Wo wollen sie den ihre Produktionsmittel und Vorprodukte herkriegen, wenn die Gesellschaft nicht mit ihrem Projekt einverstanden ist. Da nützt ihnen ihr Ausbeutungswille gar nichts.
    „Wer soll festlegen, was noch zur Freiheit im Kommunismus gehört, und was Zeichen von vererbten Strukturen/Gedanken/Verhaltensweisen der alten Gesellschaft sind, die gedanklich F e h l e r darstellen?“ Fehler legt man nicht fest, sondern die muss man nachweisen, indem man Widersprüche der Gedanken aufzeigt.
    „Wenn einer mit seiner Tätigkeit so erfüllt ist, daß er sie 365 Tage/Jahr ausführt, jeden Tag von mir aus 9 Stunden lang, ohne einen „freien“ Tag, müssen wir dann mit dem Kommunismus warten, bis der stirbt, weil das kapitalistisch-selbstausbeuterische Verhaltensweisen sind und wir ihn nicht zu einer Änderung seines Verhaltens zwingen wollen?“ Jetzt muss ich doch ne Stufe deutlicher werden: Hör mit dem kindischen Scheiß auf, wenn du noch Antworten willst!

  325. Hans
    20. Oktober 2013, 12:16 | #325

    @faker
    „Ok, nach was für Regeln würdest Du das Zusammenleben der Menschen organisieren wollen?“
    Hm. Ich habe versucht, dieses Interesse an Fantasie-Regelungen zu kritisieren am Beispiel des Kategorischen Imperativs. Die einfachste Widerlegung ist: Es gibt gar nichts zu „regeln“, was nicht existiert. Diese Vorschriften für eine erfundene Gesellschaft sind moralisierende Fantasiegebilde.
    Wenn du mich fragen wolltest, welches menschliche Zusammenleben ich für vernünftig halte, wäre ich erst einmal bescheiden: Eines ohne Geschäft und Gewalt, dann bleibt nämlich nur noch ein Regelungsbedarf. Das ist die Organisation von Bedürfnisbefriedigung und die ist einfach wie Kuchenbacken: Wer braucht wie viel wovon und was muss deswegen produziert werden. Wenn das auch eine Regel ist, ok.
    “ Ich würde nicht als obdachloser Bettler auf der Straße leben wollen, also möchte ich das auch niemand anderem zumuten, und wenn man den Politiker fragen würde, ob er das für zumutbar hält und er das bejaht, würde ich ihm als nächstes allem Besitz nehmen und ihn in Lumpen da auf die Straße setzen.“
    Auf der Straße wollen sicher nur sehr wenige leben, aber wie kommst du auf die Obdachlosigkeit angesichts einer zukünftigen Gesellschaft? Die Leute, denen das Geld für eine Wohnung fehlt, sind doch wegen der kapitalistischen Bedingungen obdachlos! Und prompt fallen dir die Politiker ein, von denen sich kein einziger für Obdachlosigkeit ausspricht. Das ist die Heuchelei, die zur Moral dazugehört. Das Hervorbringen von Obdachlosigkeit stellt ein Politiker als Maßnahme zur Bekämpfung von Armut dar, z.B. indem den Arbeitslosen gesagt wird, ihr Opfer in Sachen Einkommenswegfall diene insgesamt der Arbeitsplatzsicherung!
    “ Deshalb ist eine gerechte Welt mit Hierarchie nicht möglich.“
    Das war meine Kritik am Idealisieren: Man soll sich nach etwas richten, was in der Wirklichkeit keinen Bestand hat. Wenn Gerechtigkeit ohnehin nicht möglich ist, ja dann lasst den Scheiß doch in der Fantasiewelt. Moral ist aber leider immer mit einem Imperativ unterwegs, man solle sich das Gute trotz oder wegen seiner Realitätsferne zur Richtschnur machen. Davon rate ich ab.

  326. 20. Oktober 2013, 14:23 | #326

    Krim, deine Wegwischerei

    Wann der Kapitalismus nun abgeschafft wird mit 100 Millionen oder 1 Milliarde spielt keine Rolle

    kommt nach all den Diskussionen über die Inselproblematik sehr unehrlich rüber. Warum kam denn libelle auf seinen Ultraimperialismus und Sieben Milliarden auf einen Streich. Weil ihm (wie vielen anderen Skeptikern übrigens auch, da braucht man noch nicht einmal Antikommunist zu sein) doch der Problemberg der Insel-Versuche zu hoch ist. Ich halte die Frage, ab wieviel Leuten so ein Projekt überhaupt die Chance hat, dem Druck vom weiterhin kapitalistischen Rest der Welt standhalten zu können immer noch für eine wichtige Sache.
    Tausche doch einfach in deinem Satz

    „Andereseits ist es sowieso total unmöglich einen Ausbeutungsbetrieb als Insel in einer kommunistischen Gesellschaft zu eröffnen. Wo wollen sie den ihre Produktionsmittel und Vorprodukte herkriegen, wenn die Gesellschaft nicht mit ihrem Projekt einverstanden ist. Da nützt ihnen ihr Ausbeutungswille gar nichts.“

    Ausbeutungsbetrieb durch Kommunismus aus, und schon hast du grundsätzlich ähnliche Probleme.
    Auch die interne Situation mit den berühmt/berüchtigen „Muttermalen der alten Gesellschaft“ redest du dir schön, wenn du behauptest, daß da mit ein bißchen Fehlernachweisen, Widersprüche aufzeigen schon das allgemeine Einvernehmen herzustellen wäre. Erstmal sicher nicht.
    zu Hans

    „die Organisation von Bedürfnisbefriedigung und die ist einfach wie Kuchenbacken: Wer braucht wie viel wovon und was muss deswegen produziert werden.“

    auch das ist extrem verharmlosend: Wo kommt denn die unbegründete Zuversicht her, daß alle den gleichen Kuchen aus dem bißchen Mehl in der Vorratskammer backen wollen? Da werden einige überhaupt keinen Kuchen wollen, andere wollen den erst viel später usw. Das zu vereinheitlichen ist mit Sicherheit schwieriger hinzukriegen als die Steuerung der Backstraßen bei Bahlsen z.B.

  327. Krim
    20. Oktober 2013, 15:01 | #327

    „Ich halte die Frage, ab wieviel Leuten so ein Projekt überhaupt die Chance hat, dem Druck vom weiterhin kapitalistischen Rest der Welt standhalten zu können immer noch für eine wichtige Sache.“ Irgendwann mal wird das eine wichtige Sache. Und das sollen dann die beantworten, die es machen.
    „Ausbeutungsbetrieb durch Kommunismus aus,“ Verstehe den Satz nicht. Was für ähnliche (wem ähnlich) Probleme.
    „daß da mit ein bißchen Fehlernachweisen, Widersprüche aufzeigen schon das allgemeine Einvernehmen herzustellen wäre.“ Nerv nicht! Wenn ich sage: Anders als durch Überzeugung ist Einvernehmen nicht herzustellen. Mit Gewalt geht das nicht. Dann ist das eine sachliche Auskunft über die Art und Weise wie man einzig und allein Gegensätze aus der Welt schaffen kann und kein Euphemismus.

  328. Krim
    20. Oktober 2013, 15:11 | #328

    Außerdem kannst du mich mal kreuzweise, von wegen „kommt … sehr unehrlich rüber.“ Du hast nicht kapiert worum es geht. Es geht drum festzuhalten: Dass Kommunismus nur mit dem Willen der Leute geht und nicht gegen sie, dass deshalb Aufklärung über die Schädlichkeit des Eigentumsverhältnisses und die Kritik der Ideologien des Kapitalismus eine Daueraufgabe bleibt. Und davon getrennt ist die Frage zu behandeln, wann eine kommunistische Revolution sinnvoll ist.

  329. 20. Oktober 2013, 15:36 | #329

    Krim, es wird dich wahrscheinlich erstaunen, wenn ich dir sogar recht gebe, ja

    „Irgendwann mal wird das eine wichtige Sache. Und das sollen dann die beantworten, die es machen.“

    (nur muß man da „sollen“ durch „werden“ ersetzen.)
    Nur sind wir dann wieder an dem Punkt, daß du deshalb sagst, dazu ist jetzt vernünftigerweise eben noch gar nichts zu sagen und einige wenige dir und den anderen, die darauf bestehen, entgegenhalten, daß das für Kommunisten verdammt wenig Erkenntnis ist.
    Für alle Sozialismus-im-einem-Land-Fans hier die Umdrehung deines Satzes:

    „Andereseits ist es sowieso total unmöglich eine kommunistische Gesellschaft mit dementsprechender Ökonomie als Insel in einer kapitalistischen Welt(wirtschaft und Staatenwelt) zu eröffnen. Wo wollen sie den ihre Produktionsmittel und Vorprodukte herkriegen, wenn die Kapitalisten und deren Staaten nicht mit ihrem kommunistischen Projekt einverstanden ist. Da nützt ihnen ihr kommunistischer Gemeinwille gar nichts.“

    Deshalb stimmt es zwar grundsätzlich aber eben für eine wie auch immer bestimmte „Übergangsphase“ nicht, wenn du apodiktisch schreibst:

    „Anders als durch Überzeugung ist Einvernehmen nicht herzustellen.“

    Oder teilst du in dieser Hinsicht libelles Maximalismus?

  330. Krim
    20. Oktober 2013, 17:53 | #330

    „daß das für Kommunisten verdammt wenig Erkenntnis ist.“ Wenig Erkenntnis ist immerhin besser, als sich irgend ein hypothetisches Szenario aus den Fingern zu saugen. Das ist ein praktisches Problem, über das man solange es man nicht hat, also inhaltlich kennt, notwendig nichts intelligentes vermelden kann.
    „für alle Sozialismus-im-einem-Land-Fans hier die Umdrehung deines Satzes:“ Nein. Die Umdrehung wäre Kommunismus als Insel in einem kapitalistischen Land und das funktioniert ebenfalls nicht. Kommunismus in einer kapitalistischen Staatenwelt könnte wenigstens einigermaßen funktionieren, solange die Gesellschaft sich reproduzieren kann.

  331. 20. Oktober 2013, 18:03 | #331

    Ja, Krim, daß kommunistische Inseln in einem kapitalistischen Staat nicht funktionieren können, das sehe ich auch so. Deshalb halte ich auch alle Keimform-, Focus-, und Vorbild-Modelle für nicht umsetzbar.
    Interessant wird es doch, was und wie es aussehen könnte, bzw. ob überhaupt, wenn Kommunisten wenigstens in einem Staat gewonnen haben. Wäre z.B. Kommunismus auf Kuba gegangen, wenn es nicht die Castristen gewesen wären, die das Batista-Regime verjagt hätten? Was wäre in China gegangen, wenn es nicht die KPChinas mit Mao allen voran gewesen wäre, die von der wirklichen Insel in Hunan an bis zum Sieg auf dem ganzen Festland gekommen wäre.

  332. Hans
    20. Oktober 2013, 19:43 | #332

    @Neo

    „Wo kommt denn die unbegründete Zuversicht her, dass alle den gleichen Kuchen aus dem bisschen Mehl in der Vorratskammer backen wollen? Da werden einige überhaupt keinen Kuchen wollen, andere wollen den erst viel später usw.“

    Ich habe mich über Erfolgsaussichten gar nicht ausgelassen, „Zuversicht“ ist meinem Hinweis auf die Einfachheit von einer Gesellschaft mit Bedarfsproduktion nicht zu entnehmen. Deine Einwände bestehen aber bloß in Skeptizismus hinsichtlich eines eingebildeten Misserfolgs. Die Möglichkeit von irgendwas ist allerdings ein sehr schlechtes Argument, ich könnte einfach dagegen halten: es wäre auch denkbar, dass alle gleichzeitig denselben Kuchen wollen und viel zu viel Mehl übrig ist – und dann? Ist dann endlich Weihnachten?

    „Das zu vereinheitlichen ist mit Sicherheit schwieriger hinzukriegen als die Steuerung der Backstraßen bei Bahlsen z.B.“

    Jaja, alles ist irgendwie immer problematisch, aber wogegen oder wofür soll das denn sprechen, dass Schwierigkeiten auftreten? Welchen Schluss soll man denn heute ziehen in Bezug auf eine fantasierte Gesellschaft, wenn man weiß, da könnten Dinge knapp werden oder Uneinigkeiten entstehen. Das ist geradezu ein verrückter oder zumindest naiver Einwand, schon weil das ein Bedenken gegen JEDE Gesellschaft wäre.

  333. Mattis
    20. Oktober 2013, 21:05 | #333

    @Hans:

    „Welchen Schluss soll man denn heute ziehen in Bezug auf eine fantasierte Gesellschaft, wenn man weiß, da könnten Dinge knapp werden oder Uneinigkeiten entstehen. Das ist geradezu ein verrückter oder zumindest naiver Einwand, schon weil das ein Bedenken gegen JEDE Gesellschaft wäre.“

    Wieso kommst du auf die Idee, Hinweise auf Konflikte seien ein grundsätzlicher Einwand gegen eine Gesellschaftsform? Das mag deine irrationale Konsequenz sein. Tatsächlich aber ist das nur der nüchterne Hinweis, dass man damit zu rechnen hat. Die Naivität liegt da ganz auf Seite derjenigen, die ein problemloses Zusammenpassen des Bedarfs unterstellen. Sonst nämlich würden sie sich ein paar Gedanken dazu machen oder zumindest nicht auch noch gegen diejenigen polemisieren, die solche Gedanken für nötig halten.
    Um den „Kuchen“, den Gesamt-„Haushalt“ eines sozialistischen Landes, wird es selbstverständlich Streit geben. Städten und Gemeinden fällt immer noch was Gutes für ihre Bewohner ein: bessere Schwimmbäder, multifunktionale Sportstätten, Event-Hallen und so weiter, und was z.B. Wissenschaft und Forschung angeht: die kennen ja eh keine Obergrenze bei der Anforderung von Mitteln, können sie gar nicht! (es sei denn, es stünde irgendwann mal fest, dass man schon alles weiß … – Allein schon die vielen unerforschten Krankheiten, um nur ein winziges Mosaiksteinchen aus dem ganzen Paket zu nennen.
    Also wird man um die Proportionen zwischen solchen (und vielen weiteren) Bereichen und den Aufwänden für den gesamten Individualkonsum durchaus ringen und dabei am allerwenigsten einen Konsens erwarten dürfen, weil man diese Proportionen selbst eben gar nicht sachlich ableiten kann.
    Zu einer solchen bewussten Mittel-Planung, die die Einschränkungen gleich mitplant, gibt es nur eine bescheuerte Alternative: nämlich das Prinzip, wer zuerst kommt mahlt zuerst, danach gibts lange Gesichter. Aber dieses, an die Grenze des gesellschaftlich Leistbaren zu stoßen, sollte man nun wirklich nicht der Reihenfolge der Bedarfs-Nachfrage überlassen – das wäre nämlich dann die sozialistische Variante der „Anarchie der Produktion“!

  334. Hans
    20. Oktober 2013, 22:22 | #334

    “ nur der nüchterne Hinweis, dass man damit zu rechnen hat“
    Schön wär’s. Der ach so nüchterne Hinweis offenbart ganz was anderes als einen Ratschlag, mit ausgedachten Problemen für eine ausgedachte Puppenstube zu rechnen:
    „Also wird man um die Proportionen zwischen solchen (und vielen weiteren) Bereichen und den Aufwänden für den gesamten Individualkonsum durchaus ringen und dabei am allerwenigsten einen Konsens erwarten dürfen, weil man diese Proportionen selbst eben gar nicht sachlich ableiten kann.“
    Der sachliche Fehler nochmal kurz: Ausgedachte Konflikte und Mangelsituationen soll man sich als sachliches Problem von Ressourcen und Vorlieben vorstellen. Wichtig dabei ist die Botschaft, die über Allgemeinplätze wie „kann schwierig werden“ hinausgeht: Unterschiede in Interessen und Ressourcenverfügbarkeit führen so naturwüchsig zu einem „Ringen“, das nicht bloß ein Anmelden des Bedarfs von Zukunfts-Sozialisten meint! Gemeint ist letztlich immer eine Konkurrenzvorstellung, die man berücksichtigen solle. Aus dem „sachlichen“ Problematisieren von Proportionen und Planungssicherheit wird so zielgerichtet am Ende immer wieder eine
    „Mittel-Planung, die die Einschränkungen gleich mitplant“
    Schöner kann man den Widerspruch eures Sozialismus mit konkurrenzmäßigem Antlitz nicht ausdrücken: die langen Gesichter einer Fantasiegesellschaft sollen vorsorglich mit eingeplant werden, damit der unvermeidbare Streit schonmal das erlaubte „Ringen“ vorgibt. Bei den Zukunfts-Sozialisten muss man nämlich argwöhnen, dass sie
    „das Prinzip, wer zuerst kommt mahlt zuerst“
    etablieren möchten, dem sollte man natürlich heute schonmal einen Riegel vorschieben! Nur, warum sollten solche Hänger dann auf euch hören, wenn die ganz andere Prinzipien haben als ihr?

  335. Krim
    20. Oktober 2013, 23:02 | #335

    @neo: „Wäre z.B. Kommunismus auf Kuba gegangen, wenn es nicht die Castristen gewesen wären, die das Batista-Regime verjagt hätten?“ Das bringt doch nichts, sich auszudenken, was gewesen wäre, wenn die Subjekte der Geschichte andere gewesen wären. Du kannst bloß sagen welche Fehler sie gemacht haben und welche nicht. Die Amerikaner hätte jede irgendwie linke Regierung im Nacken gehabt.
    @mattis: „Sonst nämlich würden sie sich ein paar Gedanken dazu machen oder zumindest nicht auch noch gegen diejenigen polemisieren, die solche Gedanken für nötig halten.“ Dann rück doch mal endlich raus mit deinem Konfliktlösungsverfahren. Du hast doch genausowenig ein Konfliktlösungsverfahren parat, bist dir aber sicher, dass es das braucht. Und warum? Weil, weil du mit Gegensätzen rechnest, die du statt sie zu lösen lieber unterbuttern willst.
    „Also wird man um die Proportionen zwischen solchen (und vielen weiteren) Bereichen und den Aufwänden für den gesamten Individualkonsum durchaus ringen“ Ja, und zwar mit sachlichen Argumenten.
    „und dabei am allerwenigsten einen Konsens erwarten dürfen, weil man diese Proportionen selbst eben gar nicht sachlich ableiten kann.“ Klar geht das. Das geht bloß nicht, wenn man das Problem gar nicht wirklich hat, sondern sich stattdessen immer ins Blaue Szenarien ausdenkt, warum Einigung ein Ding der Unmöglichkeit sein soll.

  336. 20. Oktober 2013, 23:45 | #336

    @Krim

    „Das bringt doch nichts, sich auszudenken, was gewesen wäre, wenn die Subjekte der Geschichte andere gewesen wären. Du kannst bloß sagen welche Fehler sie gemacht haben und welche nicht.“

    Fehler ist hier eine Kategorie, die vorraussetzt, daß die Akteure etwas anderes wollten, als sie dann tatsächlich bewirkt haben. Z.B. daß sie Kommunisten gewesen wären, die blöderweise gemessen daran, was Falsches gemacht hätten. Das ist aber überhaupt erst die Frage. Auf jeden Fall macht Frau Merkel andere Fehler. Oder ein gefaßter Serienkiller.

  337. Krim
    21. Oktober 2013, 12:33 | #337

    Man kann Machthaber nicht nur an ihren eigenen Maßstäben messen. Man kann auch ihren Willen kritisieren. Es ist durchaus auch möglich etwas verkehrtes zu wollen. Jedenfalls sollte man die Taten irgendwelcher Revolutionäre nachträglich beurteilen, sich aber nicht ausdenken, was gewesen wäre wenn…Das produziert kein Wissen, sondern Hirngespinste.

  338. 21. Oktober 2013, 20:04 | #338

    Ja, man kann alle möglichen Subjekte kritisieren, für das, was sie sich vorgenommen haben oder für die Mittel, die sie dafür einsetzten. Es klingt nur verkehrt, das ausgerechnet „verkehrt“ zu nennen.
    Und es ist ebenfalls verkehrt, daß man nur Leuten was vorhalten kann, was die jetzt oder in der Zukunft vorhaben und das, was sie schon gemacht haben nur vom Ergebnis her kritisiert werden könnte/dürfte. Zudem wir Heutigen ja wirklich nicht die Ersten sind, die sich da zu Wort gemeldet haben in dieser Sache.

  339. Krim
    22. Oktober 2013, 12:20 | #339

    „Es klingt nur verkehrt, das ausgerechnet „verkehrt“ zu nennen.“ Warum?
    „Und es ist ebenfalls verkehrt, daß man nur Leuten was vorhalten kann, was die jetzt oder in der Zukunft vorhaben und das, was sie schon gemacht haben nur vom Ergebnis her kritisiert werden könnte/dürfte.“ Warum? Was schon vorbei ist, kannst du halt nicht mehr als Projekt oder Plan oder Vorhaben kritisieren. Das liegt in der Natur der Zeit.

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