Neue Bücher vom GegenStandpunkt und von Hermann Lueer
»Es ist eine Utopie, eine Theorie, die ihr da macht! rief man jenen zu, die diesen Fragen näher traten; und wenn man von der sozialen Revolution sprach, beschränkte man sich darauf, dieselbe mit so allgemeinen Worten wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu bezeichnen,« schrieb Peter Kropotkin vor ungefähr 130 Jahren.
Heute – fast 25 Jahre nach dem Scheitern des Realsozialismus – kommt keiner, der andere für die Überwindung des Kapitalismus gewinnen will, mehr daran vorbei, die Grundprinzipien einer gemeinschaftlichen Produktion und Verteilung aufzeigen zu können. Jede Alternative zur kapitalistischen Wirklichkeit ist dabei aber nur so gut wie die ihr zugrundeliegende Erklärung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, zu denen sie eine Alternative sein soll.
Wer sich Armut als Folge von Marktversagen erklärt, sucht nach Alternativen der Marktregulierung. Wer sich Armut als notwendige Folge der marktwirtschaftlichen Produktionsweise erklärt, will den Markt abschaffen. Jede ernsthafte Beschäftigung mit der Alternative zum Kapitalismus unterstellt daher zunächst die Einigkeit in der Erklärung der bestehenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
Wer gar nicht verstanden hat, warum Freiheit und Gleichheit die Grundprinzipien der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sind, läuft nämlich Gefahr, in dem Grund für das Elend des globalisierten Kapitalismus das Mittel für seine Überwindung zu sehen.
So hat Hermann Lueer mich auf sein neues Buch aufmerksam gemacht:
Kapitalismuskritik und die Frage nach der Alternative
Zudem sollte jetzt das Buch des GegenStandpunkt Verlag zur Demokratiekritik im Buchhandel erhältlich sein (beim Verlag sowieso).
Peter Decker (Hrsg.)
Demokratie
Die perfekte Form
bürgerlicher Herrschaft
Der Verlag schreibt dazu:
Freie Wahlen werden amtlich als Kernstück der Demokratie geschätzt. In der Demokratie, heißt es, wird nicht einfach regiert – das Volk erteilt per Abstimmung den Auftrag zur Wahrnehmung der Staatsgeschäfte.
Weniger amtlich betrachten Politiker wie Wähler diese Veranstaltung ohne solche Ehrerbietung. Demokratische Politiker nehmen Wahlen nüchtern als Bedingung und Gelegenheit, auf Kosten der Konkurrenten an die Macht zu gelangen. Und mündige Bürger haben Wahlen längst als Schwindel durchschaut. Wählen gehen sie selbstbewusst ohne Illusionen, damit etwas zu ‚bewirken‘ oder zu ‚verändern‘.
Sowohl die hohe Meinung über die hehren Grundsätze demokratischer Machtausübung wie auch das abschätzige Urteil über die praktische Betätigung des Volkswillens übergehen allerdings, was das Institut der freien Wahlen tatsächlich leistet: Mit den Wahlkreuzen legitimiert sich immerhin eine Herrschaft, die sich auf ihre Unabhängigkeit von ihrer Basis – vom ‚Druck der Straße‘ – viel zugute hält und von ihrer Freiheit regen Gebrauch macht. Und auch wenn es aufgeklärten Zeitgenossen ‚letztlich doch egal‘ ist, von wem sie regiert werden; egal sollte es ihnen nicht sein, dass sie von ihrer demokratisch gewählten Herrschaft alle Lebensbedingungen serviert bekommen, mit denen sie praktisch zurechtkommen müssen.