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Neugründung des Karl-Marx-Forums

21. Juni 2013

Neugründungserklärung
Das alte Karl-Marx-Forum war eine Mischung von Wals Privatblog und einem Proseminar über die Theorien des Karl Marx. Durch die Diskussion über ein emanzipatorisches Aktionsprogramm und die Erstellung des Bochumer Programms kamen im Marx-Forum mehr Gesichtspunkte und mehr Leute zusammen. Mit den „Bochumern“ sollte um das neue Karl-Marx-Forum eine nicht näher definierte Gemeinsamkeit wachsen. Dass das nicht funktionierte, zeigte sich spätestens durch das Ausscheiden erst von Peter und dann von Robert aus dem Moderatorenteam.
Die „Hinterbliebenen“ Kim, Wal und Wat. machten sich zusammen mit Franziska Gedanken, was sie im Karl-Marx-Forum ändern mussten und ändern konnten. Das vorläufige Ergebnis stellt sich so dar:
Wenn vier Personen mit unterschiedlichen politischen, beruflichen und sozialen Erfahrungen als Kollektiv eine strömungsübergreifende linke Diskussionsplattform managen wollen, dann ist das ein Wagnis mit ungewissem Ausgang.
Unsere gemeinsame Zielsetzung ist ein selbstbestimmtes Leben für Alle in einer freien Gesellschaft. Die gemeinsame Organisation der notwendigen Arbeiten wird die wichtigste und schwierigste Aufgabe dieser Gesellschaft sein. Die Arbeitsorganisation kann nicht „von oben“ eingerichtet werden, sondern muss „von unten“ – von der Mehrheit – gemeinsam geplant, gemeinsam gemanagt und gemeinsam erledigt werden. Wie das im Einzelnen aussehen kann und auf welchem Weg wir zu einer solchen Gesellschaft mit emanzipierten Individuen gelangen, darüber haben wir keine einheitlichen Vorstellungen.
Wir sind keine „Avantgarde“ und gründen keine Partei, sondern wollen mit dem neuen Karl-Marx-Forum ein Diskussionsforum anbieten, wo unterschiedliche emanzipatorische Meinungen und emanzipatorische Konzepte aufeinandertreffen – nicht um sich gegenseitig schlecht zu machen und zu bekämpfen, sondern um miteinander die Bedingungen der eigenen Emanzipation zu klären.
Einig sind sich die Moderatoren darin, dass diese Aufgabe gegenseitigen Respekt und sachbezogenen, unpolemischen Umgang erfordert. Niemand hat das Recht beleidigend oder polemisch zu werden. Wie dieser sachliche Umgang im Einzelfall durchgesetzt und erreicht werden kann („Moderationskriterien“), darüber haben wir keine einheitliche Meinung.
Franziska, Kim, Wal, Wat.

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. Mattis
    22. Juni 2013, 22:58 | #1

    Wo es hier nun mal erwähnt wurde, möchte ich einen Hinweis dazu geben.
    Vor der „Neugründung“ des marx-forums hatte sich u.a. eine Debatte um Kommunen als Grundform des Kommunismus entwickelt. Außer meiner Kritik daran hat auch Robert Schlosser – vormals im Moderatorenteam des Forums, inzwischen nicht mehr dabei – sich gegen das Kommune-Konzept gewandt, allerdings seinerseits mit einem Alternativkonzept selbstbestimmter Genossenschaften.
    Spannend daran ist, dass R.S. zwar diverse Einwände gegen das Kommune-Konzept vorbringt, darunter auch stimmige, aber mit seinem genossenschaftlichen Ansatz dann in so ziemlich dieselben Dilemmata gerät.
    Beide Richtungen beziehen sich positiv auf die Marxschen Ausführungen zur „Pariser Kommune“ und beanspruchen, dem Ziel der „Assoziation freier Produzenten“ nahezukommen im erklärten Gegensatz zu planwirtschaftlichen Ansätzen, die ziemlich pauschal als staatssozialistische Herrschaftsformen abqualifiziert werden. Emanzipation wird als Losung gegen zentrale Planung = Herrschaft gesetzt.
    Robert Schlosser hat seine genossenschaftliche Position und seine Ablehnung von, wie er es nennt, „autarken“ Kommunen in einem Text mit dem Titel „Marxismus und Bochumer Programm“ zusammengefasst. Mal sehen, ob ich dieser Tage eine Kurzkritik dazu hinbekomme.

  2. Stalker
    23. Juni 2013, 07:17 | #2

    Euch kann man nur mit Karl Marx kommen:
    »Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet…“
    Hört auf, hier mit diesen Wolkenkuckucksheimen zu nerven. Bochumer Programmm, selbstbestimmte Genossenschaften…so ein Quatsch. Als wenn den Leuten, die man überzeugen will, bloß ein tolles Ideal fehlt. Als wenn es davon nicht genug zur Auswahl gibt und sie alle Dreck sind.

  3. Mattis
    23. Juni 2013, 12:04 | #3

    Es wurde Marx zitiert:

    „Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache …“

    Nach den bekannten ausschließlich katastrophalen „Sozialismus“-Systemen stellt sich mir zumindest rückblickend die Frage, ob es nicht doch besser „unsere Sache“ gewesen wäre, die Grundlinien der sozialistischen Gesellschaft zu entwickeln!
    Kritik am Kapitalismus hat es auch vor Marx bereits gegeben. Gegnerschaft gegen die Ökonomie von Profit und Konkurrenz konnte man auch ohne wissenschaftliche Analyse von Wert und Mehrwert praktizieren. Mit Marx und Engels ist zwar eine hilfreiche Kritik des Kapitalismus erschienen – aber gleichzeitig auch die Ideologie von der „Entwicklung der Produktivkräfte“ dazugekommen, die dann später ihre unselige Umsetzung im „Realen Sozialismus“ erfuhr.
    Heute sind wir doch im Ernst keinen einzigen Schritt weiter. Was ist das überhaupt für ein dummes Argument, zu schreiben, das „Fertigwerden für alle Zeiten“ sei nicht angesagt? Wer will denn so einen Unsinn, „Fertigwerden für alle Zeiten“? Der Trick dabei ist, das Ansinnen – die sozialistische Gesellschaft theoretisch zu entwickeln – so zu übersteigern, dass es nur noch als Blödsinn im Raum steht. Einige Leutchen sind leider in der Tat „fertig für alle Zeiten“ – nämlich mit dem Thema „Konstruktion der Zukunft“. Das ist so unsachlich wie das öfter auftauchende Argument, man könne doch heute noch nicht den ersten Fünfjahresplan des Sozialismus erstellen. Als ob das irgendwer verlangt hätte.
    Die eigene theoretische Hilflosigkeit will kaum jemand eingestehen. Darin liegt übrigens eine Gemeinsamkeit mit den meisten Kommune- und Genossenschaftsanhängern: wie das letztlich aussehen soll, darüber weigert man sich konsequent nachzudenken. Schön bequem, alles auf die Zukunft zu verschieben. Anscheinend geht auch dort niemand davon aus, dass das Thema Sozialismus in absehbarer Zeit ernst werden könnte. Aber auch das ist ja eine erhellende Auskunft.

  4. franziska
    23. Juni 2013, 13:57 | #4

    Meine Einbeziehung in diese Neugründung und die ganze Autarkie/Kommune-Debatte hatte einen Vorlauf hier: http://neoprene.blogsport.de/2013/04/04/896/#comment-77151
    Die persönlichen Querelen von Programm-Unterzeichnern und Forums-Moderatoren dort sind für niemand interessant, allerdings wird dem durch eine gewisse Neigung Vorschub geleistet, qualitative Konflikte in Zielsetzungen und Einschätzungen durch Bestimmung des rechten Masses auf einer Skala zu lösen, zB „Zentral planen schlecht, Kleinkommune auch schlecht, also Mittelgross gut (=ca. 2-300T Bewohner)“. Das besteht dann wieder aus Betrieben, und unterhält interkommunale Beziehungen für alles überregionale. Als wär damit irgendwss gewonnen. (Ähnlich für „allgemeine Prinzipien angeben“ gut, „utopistisch“ nein.) SO werden Fragen, wie sie gerade Mattis sehr zurecht hier wie dort immer wieder aufgeworfen hat, nicht beantwortet.
    Allerdings wird auch nicht mehr behauptet, dass Antworten verfügbar sind, allenfalls defensiv ein Thema angeschnitten und um Debattenbeiträge gebeten. Weniger Voraussetzung geht kaum.
    @Stalker Nun, gegen die Menge der existierenden Ideale/Entwürfe GIBT es eine ganze Menge Einwände, die Antworten auf die fast allgegenwärtige Frage (als ob die nur immer der Auftakt zum Niedermachen des linken Kritikers wäre) nach den Plan-Prinzipien (wie solls gemacht werden?) derzeit schon ziemlich elend ausschauen lassen.
    Ich führe da mal kurz 5 Punkte an:
    1. Kapitalistische Produktivität (oben schon angesprochen) gilt als solche, obwohl sie gleichzeitig (und das weltweit) ziemlich rücksichtslos gegen Mensch und lebende wie tote Naturressourcen verfährt. Wieviel bei angemessener Rücksichtnahme (etwa bei der Lebensmittelproduktion) davon übrigbleibt, ist derzeit ungeklärt.
    2. Es ist bislang wenig ausgelotet, inwiefern für Leute, die eigentumsfreie Verhältnisse vorziehen, sich hierzuland Optionen bieten (unter Einsatz des bei zumindest einigen davon durchaus vorhandenen privaten Reichtums als Voraussetzung), sich durch Einrichtung einer möglichst (!) weitgehend selbstversorgenden Existenz auf gruppen-eigenem Gelände Freiräume zu verschaffen. (Von den üblichen Rückfall-ins-Mittelalter-Reflexen bitte ich abzusehen und das Wörtchen „möglichst“ zu beachten.)
    3. „Auslotung solcher Möglichkeiten“ hätte einen Nebeneffekt, nämlich dass die Beteiligten Produktionen auf niedriger Stufenleiter beherrschen lernen und im Mass, wie ihnen das gelingt und sie sich als Gruppe vergrössern, diese Stufenleiter ausweiten können. Wie solche Beherrschung im Falle plötzlicher (revolutionärer) Übergänge mit allen möglichen krisenhaften Zuspitzungen ausgebildet werden soll, ist mir unklar.
    4. Anders als Leute aus dem ML-Milieu rechne ich keineswegs mit zerrütteten und labilen kapitalistischen Verhältnissen als „Chance“, auch von daher sehe ich einen kommun(al)istischen Sektor (in Rückzugsgebieten) eher als defensive und Notmassnahme an.
    5. Sollte da was gelingen, kanns eigentlich nur günstig sein, ansonsten auch nicht viel mehr schaden als alle andern Versuche von linksradikalen Menschen, unter derzeit herrschenden Verhältnissen über die Runden zu kommen. Für sehr viel mehr braucht mans auch garnicht ausgeben (abgesehen von den Experimenten bzgl. 1. und 3.)
    Die „mögliche“ Autarkie ist jedenfalls kein Selbstzweck, sondern qualitativ – entlang den verfügbaren Optionen dafür – abzuwägende taktische Variante.

  5. Kim B.
    23. Juni 2013, 18:41 | #5

    @Stalker:„Hört auf, hier mit diesen Wolkenkuckucksheimen zu nerven. Bochumer Programmm, selbstbestimmte Genossenschaften…so ein Quatsch. Als wenn den Leuten, die man überzeugen will, bloß ein tolles Ideal fehlt. Als wenn es davon nicht genug zur Auswahl gibt und sie alle Dreck sind.“
    Als ginge es darum. Die Sache ist doch viel ernster. Die Entwicklung der Produktivkraft unter kapitalistischen Bedingungen bekommt Mensch und Natur ziemlich schlecht. Die realsozialistische Entwicklung der Produktivkraft unter staatlicher Aufsicht bekam beiden leider nicht besser. Also geht es jetzt um eine marxistische Theorie der Entwicklung der Produktivkraft, die Mensch und Natur bekömmlich ist.
    Kim

  6. Mattis
    23. Juni 2013, 21:22 | #6

    Ich will mal mit den „kleinen“, eher persönlichen Aspekten beginnen, nicht gleich mit Themen wie dem gesellschaftsweiten Verbund von Kommunen, deren Warenbeziehungen und dergleichen.
    In einer Kommune gemeinsam leben und arbeiten – mancher macht sich nicht klar, was das für die ganz persönliche Lebensweise als Individuum bedeutet. Dass ich, wenn ich mal was anderes arbeiten möchte, auch meinen Lebenszusammenhang verlassen muss, weil eine Kommune nunmal keine große Bandbreite an Tätigkeiten bieten kann. Oder ich bleibe, verliere aber einen Teil des Zusammenhangs, und bin auf dem wöchentlichen Plenum mit Fragen der Arbeitseinteilung konfrontiert, die mich gar nicht mehr betreffen. Oder die Kommune ist so groß, dass die kommune-weite Gemeinschaft immer abstrakter wird, eher wie ein kleine Gesellschaft, deren Bürger man ist, und von denen man nur die kennt, mit denen man direkter zu tun hat.
    Matthias Z. beispielsweise hat auf zellmi.de seine eigene Kommunen-Odyssee dokumentiert und viele Pros und Contras sichtbar gemacht. Als er mit seiner Freundin zusammenziehen will, möchte er in einen größere Kommune, während ihr der größere Zusammenhang ausdrücklich nicht behagt; auch die Job-Aspekte machen Probleme. Und immer entscheidet natürlich die Kommune, ob man aufgenommen wird. Dabei kommen nicht nur persönliche Kriterien ins Spiel, sondern auch pure Nützlichkeitserwägungen, notgedrungen.
    Maximale individuelle Freiheit, Selbstbestimmung im persönlichsten Sinne, ist mit einem Kommune-Konzept nicht unbedingt verbunden. Wenn ich gerne den Job im Bioladen der Kommune machen würde, aber die Gemeinschaft mich als Person nicht passend findet, habe ich Pech gehabt. Autonom, wenn überhaupt, dann ist es die Gemeinschaft, nicht der Einzelne.
    Ich finde die Koppelung von Lebensgemeinschaft und Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich, auch ökonomisch gesehen, problematisch. Passen die Kommunarden nicht auf die verfügbaren bzw. benötigten Tätigkeiten in der Kommune, wirds eng. Dann entsteht das Problem der Beschäftigung von „Fremdarbeitern“ (Lohnarbeit natürlich; und die Frage: wieweit gehören sie zur Gemeinschaft, wieweit nicht; mancher Kommunarde beneidet die dann um ihre Unabhängigkeit). Die Kibbuz-Bewegung z.B. hatte dieses Dilemma sehr massiv.

  7. Mattis
    24. Juni 2013, 18:21 | #7

    „Die Entwicklung der Produktivkraft unter kapitalistischen Bedingungen bekommt Mensch und Natur ziemlich schlecht. Die realsozialistische Entwicklung der Produktivkraft unter staatlicher Aufsicht bekam beiden leider nicht besser. Also geht es jetzt um eine marxistische Theorie der Entwicklung der Produktivkraft, die Mensch und Natur bekömmlich ist.“ (Kim B.)

    Soeben habe ich hier im Parallel-Thread (MG zum 17. Juni …) die allseits bekannte „marxistische Theorie der Entwicklung der Produktivkraft“ kritisiert, die auf der Welt nur Schaden angerichtet hat. Die „Entwicklung der Produktivkraft“ ist kein Gegenstand mit eigenen gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Entweder man will im Sozialismus z.B. ökologisch produzieren oder nicht, das ist eine Sache der Entscheidung – aber ein Gesetz dazu, das man finden und anwenden könnte, was sollte das sein?
    Bitte nicht schon wieder eine marxistische Produktivkraft-Theorie!

  8. 24. Juni 2013, 19:57 | #8

    „Die „Entwicklung der Produktivkraft“ ist kein Gegenstand mit eigenen gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten.“
    Alzuhäufig wird bei der Beurteilung der Entscheidungen über die Entwicklung der jeweiligen „sozialistischen“ Produktivkräfte außer acht gelassen, welcher enormer Druck z.B. auf der frühen Sowjetunion oder der VR China gelastet haben, unbedingt ganz „schnell“ dem Imperialismus Paroli bieten zu können und (sicher zu geringerem Teil) der eigenen Bevölkerung etwas bieten zu können, vor allem den Menschen auf dem Land. Da wurde dann schnell aus der Not ein Gesetz. Sicherlich auch deshalb, um über die damit notwendigerweise verbundenen Strapatzen nicht lange diskutieren zu müssen.

  9. Kim B.
    25. Juni 2013, 09:08 | #9

    „aber ein Gesetz dazu, das man finden und anwenden könnte, was sollte das sein?“
    Ich kenn‘ zwar momentan kein Gesetz, aber wenn sich eins fände, hätte ich auch nichts dagegen.
    Beste Grüße
    Kim

  10. franziska
    25. Juni 2013, 13:14 | #10

    Das Verhältnis von (wachsenden) Produktivkräften und Produktionsverhältnis ist seit seiner Dramatisierung in der, ich nenn es mal: historisch-materialistischen Arbeitshypothese von Marx (und Engels) in den Hintergrund getreten. Im „Kapital“ macht Marx immer nachlässigere Versuche, Belege für die Hypothese an irgendeiner sich dort ergebenden Kategorie festzumachen. Seither steht fest: Produktivkräfte sind da, und wie, leider in den falschen Händen (für die falschen Zwecke eingesetzt).
    Tatsächlich ist ja der Histomat-Hypothese einigermassen anzumerken, dass sie ums Konzept „Revolution“ herum gestrickt war: Die „Vollendung“ der bürgerlichen Revolution in letzter Konsequenz, der Abschaffung des Eigentums, bekam einen Vorlauf aus „Geschichte als Geschichte der Klassenkämpfe“ und „Epochenübergänge als Revolution“. Das vor allem zu dem Zweck, schon mal vorab sich der historischen „Unvermeidlichkeit“ des Übergangs zum Kommunismus per Revolution zu vergewissern. Dass gehemmte Produktivkraftentwicklung Anpassungsprobleme des ursprünglich höchst „fortschrittlich“ wirkenden veralteten Produktionsverhältnisses zeitigt, ging vom „Paradigma“ der bürgerlichen Revolutionen auf die gesamte Vor- wie Nachgeschichte über: Hier die Quelle der von Mattis drüben im thread „17.Juni“ angesprochenen Produktivkraft-Theorie/Ideologie. Zukunftsfähige Revolutionäre aller Zeiten waren jeweils Träger des technischen Fortschritts ihrer Epoche. (Das wurde behauptet, aber nie wirklich ausgeführt. Mit so schönen Nebenfolgen wie zB dem sog Needham-Paradox: (Spät)mittelalterliche Chinesen haben Technik, von der zeitgenössische Europäer bloss träumen konnten, machen trotzdem keinen bürgerlichen Übergang, wo lag das Hindernis, wenn Technikentwicklung doch die TRIEBKRAFT sein soll?) Revolution ist aber maximal zugespitzter Klassenkampf, der ständig stattfindet. Beides wird zusammengeleimt zu: Produktivkraftentwicklung treibt Klassenkampf auf die Spitze, ohne gehts nicht: Kommunismus muss „modern“ sein, nicht „kleinbürgerlich“, früh-sozialistisch, utopisch: die Arbeit muss abstrakt werden, dann verschwindet ihre „Teilung“ und das Quasi-Monopol der Privatarbeit, man KANN garnicht mehr anders als kommunistisch produzieren, und wer sich dem in den Weg stellt wie das kapitalistische System mit seinen getrennten Privatarbeiten (obwohl längst gesellschaftlich vernetzt) und mit der dran hängenden Surplus- also Arbeitslosen-Bevölkerung und Krisen, wird eben weggefegt. Vom technischen Fortschritt nämlich, und seinen Trägern, den modernen und in allen Techniken (da abstrakt ständig die Maschinen-Arbeitsplätze wechselnd) bewanderten Industriearbeitern, die die Notwendigkeiten der ständig fortschreitenden modernen technik-Revolutionierung kennen, damit auch ihre Rolle in dieser Entwicklung und die höchst vermeidbaren Hindernisse, die das Festhalten am vor-kommunistischen Marktregime diesem Fortschreiten in den Weg legt. Man könnte sagen: Marx beschreibt die modern-klassenbewussten Proleten als Charaktermasken entfesselter Produktivkraft-Entwicklung: Ihr Klasseninteresse fällt mit dem universellen und fortgeschrittensten objektiven Menschheitsinteresse an Entwicklung der Produktivkräfte zusammen. Es galt nur noch, schnell die ökonomische Kategorie zu benennen, an der diese disziplinierte Produzenten-Klasse, charaktermaskenhaft, wie sie soll, endgültig ihr Klasseninteresse in Revolte übersetzt. Und jede Krise brachte die fortgeschrittensten Gesellschaften näher an den Punkt.
    Im „Kapital“ sieht man nichts davon. Das System, einmal aus seinen Voraussetzungen zustandegekommen, reproduziert sich, oder, naja, Zugeständnis an den Entscheider in der Charaktermaske, wird reproduziert, solange man will, da kommt ihm und seinen Betreibern nichts an ihm in die Quere. (Höchstens der Staat, aber das ist ein andres Thema…)
    Es reproduziert sich also, und die Produktivkräfte wachsen. Oder nein, das haben sie eigentlicih schon hinter sich, schon jetzt würden sie ausreichen, um… Je später man sie sich aneignet, um so entwickelter müssten sie sein. Ok, Kapital schadet auch. Da neutralisiert sich vielleicht was (also doch Schranke?). Drum kommts aufs Wann nicht mehr an, genug Technik ist da, nur das Dass, die Abschaffung, zählt. Und dann… richten wir uns gemütlich in der Welt ein, unter Verwendung der überall herumstehenden Technik. Die weitere Entwicklung ist dann spielerisch, auf der Basis (2 Stunden Arbeit pro Tag reichen völlig…)
    Tja Mattis… wo bleiben da unsre kleinkrämerischen oder -bürgerlichen (Kommune-)Mobbing-Szenarios? Was ist jetzt falsch an DIESER Produktivkräfte-Theorie, naja Theorie ist übertrieben, dieser Produktivkraft-REALITÄTS-Deutung? (Fast schon ein Gesetz… ein Glaube?)

  11. Mattis
    25. Juni 2013, 15:28 | #11

    Hallo franziska,

    „Drum kommts aufs Wann nicht mehr an, genug Technik ist da, nur das Dass, die Abschaffung, zählt. Und dann… richten wir uns gemütlich in der Welt ein, unter Verwendung der überall herumstehenden Technik.“

    Dieses “Dass” ist schon zu Recht der primäre Streitpunkt, würde ich sagen. Darum gehen ja die vielen Auseinandersetzungen, dass man darüber streitet, auf welche Weise man dieses „Dass“ überhaupt zuwege bringen kann und was man darunter eigentlich versteht.
    Der realsozialistische Weg lautet aber nicht – und ein bißchen scheint das bei dir durch, wenn ich dich da nicht mißverstehe – dass die Technologie ok ist, nur die Eigentumsverhältnisse nicht. Sondern es werden soviele „Komponenten“ des Kapitalismus beibehalten, so dass das für mich gar nicht als dessen Abschaffung gelten kann. Damit ist nicht das technische Niveau gemeint, sondern: Dass Betriebe mit ihren Eigenmitteln einen Ertrag erwirtschaften müssen, und daher weiterhin der Gebrauchswert nur Mittel ist – statt für Aktionäre jetzt halt für die Existenzsicherung des Staatsbetriebes und die abzuführenden Abgaben, ganz gleich wofür, der Zweck der veranstalteten Produktion lautet an all diesen Fällen nicht Erzeugung von Gebrauchswerten (Produkten), sondern diese ist der Herrschaft einer betrieblichen Rechnungsführung ausgeliefert und sieht dem entsprechend dann auch aus. Vom Prinzip Kapitalverwertung ist man da jedenfalls nicht weg, kein bißchen.
    Meine Behauptung ist – bezogen auf das Startthema dieses Threads – dass eben auch Kommune-Konzepte und genauso auch Strategien der betrieblichen Selbstverwaltung aus der Falle der Kapitalverwertung nicht herauskommen, sondern dass die Beteiligten im Gegenteil dabei im Grunde lernen, wie man kapitalistisch wirtschaftet, sodass wir es hierbei nicht mit einem Einstieg in sozialistische Verkehrsformen zu tun haben, sondern um eine veritable Sackgasse. Das mag hart und irgendwie unsolidarisch klingen, aber ich glaube, dass ich das inzwischen ausreichend begründen kann.
    Ich fang mal heute mit dem Thema „Kommune“ an; ich bin mir bewusst, das viele dazu einwenden werden „meine Vorstellung von Kommune sieht aber anders aus“. Leider kann ich nicht alle Varianten gleichzeitig behandeln; wer also z.B. unter Kommune eher sowas wie eine Gemeinde verstehen will, also ‚Kommunalisierung’ meint, oder aber die Arbeiterselbstverwaltung von Betrieben als Weg sieht, wird sich erstmal nicht angesprochen fühlen. Trotzdem gilt vieles Gesagte auch für diese Varianten vermeintlich antikapitalistischen Wirtschaftens.
    Betrachtet man Kommune-Konzepte, die das Ideal des Zusammenlebens und Wirtschaftens in Kollektiven vertreten, so kommt mir das so ähnlich vor wie ein von einer Großfamilie bewirtschafteter Biohof plus Werkstatt für Metallarbeiten und Schreinerei. Also: zwar intern keine Lohn- oder Warenverhältnisse. Aber: so eine Kommune ist in Bezug auf ihre Umgebung ein kapitalistischer Betrieb, machen wir uns da nichts vor – denn es müssen Waren verkauft werden, um all das zu bekommen, was man nicht selbst herstellen kann, des weiteren für Bus- und Bahntickets etc. und um Zahlungen z.B. an Kranken- und Rentenversicherungen leisten zu können.
    Die Kommunarden sind dabei abhängig von ihrem kollektiven Kapital, sprich von den in ihrem Gemeinschaftsbesitz befindlichen Ressourcen (Land, Gebäude, Qualifikationen, Finanzmittel etc.). Und sie treten, sobald es mehrere Kommunen in nächster Nähe gibt, natürlich in Bezug auf ihr Warenangebot als Konkurrenten auf dem Markt auf, keine Frage. Eine ärmere Kommune muss dann vielleicht, um gegen die Konkurrenz über die Runden zu kommen, ihr Gemüse billiger anbieten, und so weiter.
    Von der Effizienz des kommune-eigenen „Technologie-Niveaus“ wird es abhängen, wie der Lebensstandard aussieht und wie lange der für jedes Mitglied verbindliche „Normalarbeitstag“ sein muss. Da es keinen verbindlichen Gesamtzusammenhang gibt, gibt es diesbezüglich auch keinen systematischen Ausgleich, höchstens Hilfeleistung in echten Notfällen. Man muss sich also immer nach der Decke der jeweiligen Kommune und ihrem lokalen Potential strecken. Und das bedeutet doch unterm Strich: der Gebrauchswert, die Bedürfnisse der Beteiligten, sind letztenendes doch wieder dem Wert und der Verwertung untergeordnet, und wenn man sich daran nicht hält, steht man vor der Pleite.
    Für zwingende Investitionen muss Kredit aufgenommen werden = Verschuldung = weitere Abhängigkeit und Erpressbarkeit durch Markt und Banken. Die betroffenen Individuen sind ganz und gar abhängig von der lokalen, kommunespezifischen Ressourcenstärke und der jeweiligen Arbeitsorganisation, und massive Entwicklungsunterschiede sind als Folge dessen zu erwarten, wie auch sonst im Kapitalismus eben die einen Betriebe erfolgreich sind, die anderen herumkrebsen und wieder andere Bankrott gehen mit allen sozialen Folgen. Von einer Befreiung des Subjekts von kapitalistischen Zwängen kann also m.E. nicht die Rede sein. Am Ende erscheint dann der bürgerliche Staat womöglich mit seinem HartzIV-Kram auch noch als Retter in der Not, wenn Individuen nach einer erfolglosen Kommune-Story nicht mehr wissen, von was sie jetzt existieren sollen. So steht dann am Ende ausgerechnet der antikapitalistische Ansatz als Existenzrisiko da, und der kapitalistische Staat verrückterweise als „Sicherheit“ im Hintergrund.
    Die ökonomischen Beziehungen von Kommunen untereinander und zu anderen Marktteilnehmern setzen im übrigen ein laufend positives Verhältnis zum Staat voraus, d.h. die gesellschaftsweite Gültigkeit von Geld als Kredit und Zahlungsmittel, Warenbeziehungen, Vertragsrecht etc. werden von den Kommune-Betrieben ganz praktisch als nützliche und verlässliche Verkehrsformen gebraucht und gehandhabt. Zwangsläufig, klar, aber: Auch das ist alles andere als eine Werbung für die Abschaffung des Kapitalismus!
    Insofern finde ich, wer bis dahin noch nicht kapitalistisch gedacht hat, der wird (und muss) es für solche Kommune-Konzepte schnell lernen, und die „intern“ praktizierte Gemeinschaftlichkeit (keine Güter- und Einkommenstrennung etc.) ist da nur ein schwacher Trost. Diese interne Solidarität ist dann ebenso wenig als „kommunistisch“ einzuschätzen, wie eben auch sonstige Familien- oder Gemeinschaftsunternehmen, die eine gemeinsame Kasse haben, nicht als Keimformen des Kommunismus gelten können. Und es wird durchweg eine Gruppen-Eigentümer und Unternehmer-Mentalität bestärkt. Spätestens die zweite Generation weiß dann womöglich gar nicht mehr, dass das Ganze ursprünglich antikapitalistisch gemeint war, und tendiert alsbald wieder zum Original. Beispiele für entsprechende Verläufe von gemeinschaftlich gestarteten Betriebe gibt es inzwischen genügend, falls jemandem meine Argumente zu theoretisch erscheinen.

  12. 25. Juni 2013, 16:57 | #12

    Ja, Mattis, so und ähnlich haben doch schon „immer“ sowohl Kommunisten als auch ganz stinknormale kapitalistische Konkurrenzwesen über Kommunekonzepte geurteilt. Von daher bin ich gelinde gesagt baff, mit welcher Verve jetzt von Manchem diese ausgelutschte Sache wieder mal als *der* Ausweg angepriesen wird.

  13. franziska
    25. Juni 2013, 19:19 | #13

    Ok Themenwechsel. (Nur kurz noch, die Variante 2: Kapitalismus als System, und Produktivkräfte werden nach der Revolution auf Bedürfnisse bezogen, sollte eher in etwa die GSP-mässige Rede von Produktivkräften charakterisieren. Deine Ausführungen zum Realsozialismus bezogen sich nicht auf die in dieser Praxis involvierte „Produktivkraft“-Theorie (nebst in dieser Hinsicht auszunutzenden „Gesetzmässigkeiten“).
    Warum die linke Behandlung von kapitalistisch entwickelten Produktivkräften derzeit Mängel aufweist, ist in 3 Fragen ausgesprochen: Wie verwendet man diese Produktivkräfte fpr eine BEDRÜFNIS-orientierte Produktion, wie für eine naturverträgliche, wie für eine, die Ungleichzeitigkeiten (aller Art) in der weltweiten Entwicklung überwinden hilft, statt sie auszunutzen? Diese Fragen waren im DKP-thread drüben sogar deine, Mattis.
    Mattis und Neoprene, die strategischen Überlegungen hinter einem Versuch der Gründung von „Kleinkommunen“ im Ausgang wurden oben angeführt. Ihre Umsetzung ist gebunden daran, dass unter Gründungs-Willigen und Unterstützern sich genug Reichtum, einschlägige Kenntnisse, und geprüfte Bereitschaft+Fähigkeit findet, die alltäglichen Herausforderungen ohne die von Mattis benannten Reibereien zu meistern. Andernfalls kommt kein Projekt zustande. Eine Marktabhängigkeit gar Kredite sind aus Prinzip nicht vorgesehen. Eine Vereinzelung der Gruppen gegeneinander ebenfalls nicht, darum Gründung in räumlicher Nähe und Nachbarschaft, mit dem Ziel, nach Erreichen der jeweil als nächste beherrschbaren Produktions-Routinen auf deren Basis und Freiräumen durch Zusammenschluss solcher Einheiten je nächsthöhere Produktionsniveaus anzugehen, ist selbstverständlich. Jede Nähe zu irgendetwas, das Mattis hämisch genug beschreibt und von dem jeder, der die alternative Szene kennt, eigene Beispiele zu erzählen weiss, ist ausserhalb der Zielsetzung. Dass irgendetwas nicht zustandekommt oder scheitert, mag sein. Aber was Mattis da als Plan beschreibt, ist nicht meiner und der Leute, die meinen teilen. Obwohl es um „Kleinkommunen“ geht.
    Welchen Schaden dies irgendjemand zufügt, wenn Leute sich so einrichten, wenn sie können (oben genannte 3 Voraussetzungen vorausgesetzt), ist für mich derzeit nicht erkennbar.
    Es sind oben von mir 5 Punkte genannt worden, die die Kleinkommune-Strategie (unter den genannten 3 Voraussetzungen: Reichtum, Kenntnisse, geprüfte Bereitschaft) einordnen und ihre äusserst begrenzten Ansprüche benennen. Wieso die Ansprüche bzw. Optionen unter den genannten Voraussetzungen nicht erfüllbar sein sollten, geht aus Mattis‘ Argumentation für mich nicht hervor. Ich bin dankbar für weitere Hinweise.

  14. 25. Juni 2013, 21:19 | #14

    @franziska: „weitgehend selbstversorgenden Existenz auf gruppen-eigenem Gelände“
    Ich habe nie verstanden, wie man angesichts der entwickelten Bedürfnisse, die moderne Menschen nunmal haben, auf die Vorstellung kommen kann, diese durch „weitgehende Selbstversorgung“ hinkriegen zu können. Das ginge nur bei weitgehender Askese. Zum „gruppeneigenen Gelände“ fällt mir auch nur ein, daß ich mir in meiner Großstadt noch nicht mal eine Mietwohnung nach meinen Wünschen leisten kann, geschweige denn ein „eigenes Gelände“, wenn es größer sein soll als eine Schrebergartenparzelle (und selbst die werden zunehmend abgeräumt, um großen Immobilienprojekten Platz zu machen).

  15. Mattis
    25. Juni 2013, 21:38 | #15

    Ja, franziska, du reihst eigentlich nur Absichtserklärungen auf und beteuerst, die Aspekte meines Szenarios würden bei deinem Konzept gar nicht auftauchen – aber ich vermisse wirklich eine Widerlegung. Du könntest es allenfalls widerlegen durch eine solche Schilderung der ökonomischen Beziehungen der Kommunen zu ihregleichen und der Umwelt, die keine der von mir genannten negativen Erscheinungen mehr zulässt. Ich weiß aber echt nicht, wie das aussehen sollte, und ich vermute, das sind nur optimistische Willensbekundungen, aber darauf kann ich doch kein politisches Engagement aufbauen.
    Was die Ökologie angeht: das ist eine Frage, die man vor einer Überwindung des Kapitalismus gar nicht zufriedenstellend regeln kann. Wie auch? Die Wechselwirkungen sind so stark, dass mit autonomen Inseln – die ich ohnehin für nicht sehr überlebensfähig halte – nicht viel verändert werden kann. Aber in einem bin ich mir sicher: wenn man den Übergang zum Sozialismus als ein bewusstes gesamtgesellschaftliches Projekt angeht, ohne die Hindernisse privaten oder genossenschaftlichen Betriebseigentums, dann ist eine Entscheidung über vernünftige Prioritäten und damit auch über ökologisches Produzieren möglich, vorher nicht.
    Was den GegenStandpunkt angeht, kann ich nur an Peter Deckers Bemerkung erinnern, dass die Gesellschaft darüber abstimmen wird, ob man z.B. überhaupt die Maschinerie groß weiterentwickelt, statt es vielleicht bei einem bestimmten Stand der Produktivkräfte zu belassen; immerhin kostet das Weiterentwickeln ja etlichen Aufwand, das nimmt uns im Jetzt kostbare Zeit weg und nützt erst in der Zukunft. Er hat das erwähnt, um klarzumachen, dass es keine „Produktivkräfte“ gibt, die von sich aus irgendwohin drängen oder irgendeinem Gesetz folgen oder unbedingt „weiterentwickelt“ werden müssten – schon gleich gar nicht in einer bewusst geplanten Ökonomie. Es ist eine reine Sache der Entscheidung, und diese Position halte ich für stimmig. Das sollten dann auch nicht die Arbeiter der Maschinenfabriken allein entscheiden – sondern da hätten alle mitzureden, weil es auch alle betrifft.

  16. Mattis
    25. Juni 2013, 21:42 | #16

    Ein Grund für die Neubelebung „ausgelutschter“ Konzepte (wie Neoprene es nannte) ist wohl, dass mancher sich als Individuum möglichst sofort zumindest ein Stück weit den kapitalistischen Zwängen entziehen will und glaubt, dies mit Kommune-ähnlichen Formen realisieren zu können. Ich kann so einen Weg als eine persönliche Entscheidung dann akzeptieren, wenn derjenige in so ein Projekt illusionslos reingeht und seine Wahl jedenfalls nicht als eine politische Strategie vertritt.
    Den politisch orientierten Grund sehe ich in einer falschen Reaktion auf DDR, UdSSR und auch China. Man will keine „Parteiherrschaft“, und um das zu vermeiden, will man gleich gar keine verbindlichen übergeordneten Gesellschaftsstrukturen mehr (obwohl man keine Ahnung hat, wie das funktionieren könnte). Das ist eine ähnliche Überreaktion, als würde man dem Kapitalismus eine Maschinenstürmerei oder Ablehnung jeglicher Arbeitsteilung entgegensetzen, was es ja auch alles gab und gibt.
    Die wirklichen Fehler in den realsozialistischen Staaten werden nicht wahrgenommen, sondern mit der billigen Abstraktion „Bürokraten-Herrschaft“ ignoriert. Dabei wird dann auch nicht gesehen, dass man – paradoxerweise – mit den eigenen Idealen von den ökonomischen Fehlern des Realsozialismus gar nicht so weit entfernt ist, weil die gesamte Fragestellung eingeengt ist auf den Blickwinkel „wer hat das Sagen“.
    Aktuelles Beispiel: Robert Schlosser, der im marx-forum mitpubliziert hat, schreibt über Arbeiterselbstverwaltung und wendet gegen Kritik ein:

    „Alle grundsätzlichen Kritiker des Genossenschaftsgedankens sehen sich natürlich wieder bestätigt. (Selbstausbeutung etc.) Auch dann, wenn sie praktisch überhaupt keine Alternativen zu bieten haben, oder solche, für deren Scheitern ein weit höherer Preis zu zahlen war (Realsozialismus), als der des Scheiterns einzelner Genossenschaften …“ (aus: marx-forum, Genossenschaften im Kapitalismus)

    An dieser Stelle sieht man deutlich den Reflex, alles und jedes in erster Linie gegen den Realsozialismus zu vergleichen. Ein gesamtgesellschaftlich organisierter Sozialismus erscheint da wohl immer nur als Realsozialismus denkbar und wird deshalb vehement abgelehnt.
    Wohin betriebliche Selbstverwaltung letztlich führen soll, wird euphorisch angedeutet, bleibt aber rätselhaft:

    „Unternehmenspleiten schreien geradezu nach Besetzung, Weiterführung der Produktion in eigener Regie, in Selbstverwaltung! (…) Auch ein solcher in Selbstverwaltung betriebener Betrieb hätte sich diesen Zwängen der Marktwirtschaft zu beugen. Das könnte nur aufhören, wenn alle Betriebe durch Selbstverwaltung ihren „Besitzer“ wechselten und miteinander die Produktion für unser Leben planten und organisierten. Klar das ist eine schöne Utopie, aber eine, für die es zu streiten lohnt.“ (aus: Die selbständige Organisation von LohnarbeiterInnen und ihre emanzipatorische Perspektive)

    Wie soll man sich aber dieses letztendliche „Miteinander“ vorstellen? Wenn es kein gesamthaft geplanter Sozialismus sein soll, was dann? Wenn z.B. alle Autofabriken in Arbeiterhand sind – nachdem die ersten selbstverwalteten die übrigen in die Pleite konkurriert und dann übernommen haben? – inwiefern hört dann eigentlich die Konkurrenz auf? Sind die Autos dann auf einmal keine Waren mehr? Und warum sollen dann eigentlich die Belegschaften über die Autofabriken entscheiden und nicht die ganze Gesellschaft die Prioritäten festlegen, auch unter ökologischem Blickwinkel – wobei Autos sicher nur ein Posten unter anderem sind? Weil die Autofabriken den dortigen Arbeitern gehören? Bleibt es also bei dieser Eigentumsform?
    Solche naheliegenden Fragen lassen die Selbstverwalter offen. Hauptsache, man fängt schon mal an mit den ersten Betrieben, ohne zu wissen, in was für eine Geschichte man die Betroffenen damit letztlich hineinzieht.

  17. 25. Juni 2013, 22:27 | #17

    Zum Spannungsverhätnis der kostbaren Zeit „jetzt“ versus die bessere oder umfangreichere Produktion später habe ich mich vor Jahren mal mit Peter Decker vom GegenStandpunkt auseinandergesetzt. Der Aufhänger war ein Spruch aus seiner Intervention in die auseinanderbrechende/untergehende DDR Ende 1989 Anfang 1990.
    Ich habe das in diesem Thread dokumentiert:
    http://Neoprene.blogsport.de/2009/07/06/der-historische-beruf-des-proletariats-verantwortungsbursche/

  18. franziska
    26. Juni 2013, 08:09 | #18

    Verzeihung, aber was meine „Aufbau“-Strategie betrifft, treffen die bisherigen Einwände nicht.
    Ich sprach oben von dem äusserst begrenzten Anspruch, der sich fürs erste damit verbindet. Ich habe das sogar durch die Formel ausgedrückt: es reiht sich ein in die Versuche anderer linker Menschen, hier erstmal über die Runden zu kommen. Ich füge jetzt hinzu: Es nutzt vielleicht einige Vorteile, die einige linke Menschen durch ihre Einstellungen haben. Die drei Gruppen von Anforderungen an die Sorgfalt beim Aufbau schon von kleinen Gemeinschaften übertreffen um Grössenordnungen den Aufwand, den Gründungen a la „Matthias Z.“ oder auch Kommune Niederkaufungen betreiben oder betrieben haben. An all diesen Projekten hätten sich die Leute, die die von mir befürworteten Versuchs-Projekte starten, wegen naheliegender Einwände nicht beteiligt. (Es die sind auch nicht die alten ausgelutschten Konzepte im Spiel.)
    Weder diese Leute noch ich sind in irgendeiner Hinsicht euphorisch. Völlig korrekt ist es, skeptisch zu sein, ob die hohen Anforderungen erfüllt werden können. Wenn nicht oder solang, wie sie nicht erfüllt sind,, ist diese Art Projekt eben nicht möglich.
    Ich habe immer wieder betont, dass Kleingruppen NICHT das Ziel dieser Strategie sind, sondern dass es um eine Stufenfolge immer höherer und von immer grösseren Kommune-Einheiten gemeinsam beherrschte Produktionsniveaus geht. Das Prinzip lautet definitiv nicht: Klein ist gut.
    Bemerkenswert ist, dass sich praktisch gegen JEDE Grössenordnung eines Produzenten-Zusammenschlusses, bis hin zu einem auf gesamt-gesellschaftlicher Stufenleiter, vergleichbare Einwände (und Negativ-Vorbilder, auf die man zeigen kann) finden lassen. Das kann man sich, wie es sich auch hier andeutet, gegenseitig um die Ohren hauen – jeder hat dann eben seine eiigene „Utopie, für die es sich zu streiten lohnt“.
    Es hat hier einmal vor kurzem die Äusserung gegeben: Wenn eine grosse Bevölkerungsmehrheit etwas wie „die Revolution“ schafft, dann schafft sie auch den Aufbau ihrer gemeinsamen Reproduktion – es hat fast den Charakter einer Tautologie. Darin steckt die Überzeugung, dass der Übergang weg (naja, Revolution, vielleicht, in mancher Weise) vom gegenwärtigen politischen und Wirtschaftssystem derart viel koordinierte Aktion und Einigkeit in der Sache erfordert, dass gesellschaftliches Problemlösen ab da eigentlich „beherrscht“ wird. Kein solcher „Übergang“ wäre natürlich der in ein politisches und ökonomisches Chaos – DAZU ist natürlich kein Konsens und Koordination erforderlich. Diejenigen unter euch, die grösseres vorhaben, müssen sich, so wie es mir vorgehalten wird, ebenfalls sagen lassen: The proof of the pudding is in the eating. Vom pudding ist hier noch weit und breit nichts zu sehen. – Und das führt zurück zum Ausgangspunkt der Einwände gegen mich: Es wäre sehr wohl möglich, die sorgfältigen Analysen (betreffend Geldgeber-Werbung, Technik (vor allem auch Agrartechnik), Gemeinschaftsbildung und ihre Hindernisse), mit denen man sich in meinen Kreisen beschäftigt, zu erörtern. Das führt natürlich in Einzelheiten. Mit denen zu beschäftigen hat hier niemand Anlass, und das aus solchen Vorab-Plausibilsierungen und Vor-Entscheidungen, wie Mattis, Neoprene, der erwähnte Mattis-Kontrahent Robert Schlosser vom Marx-Forum sie vortragen. Ich setze meinerseits keine solchen Plausibilisierungen von „meinem Standpunkt“ aus dagegen, weil mir das sinnlos vorkommt. Ich kann dann auch nicht anders verfahren, als meinerseits die Vorschläge und Erwägunugen von euch Andern zu studieren und, falls man mich anhört, Einwände vorzutragen; hoffentlich auf einem angemessenen Sorgfaltsniveau. Wer will, kann dasselbe ja mit den fortschreitenden Erkenntnissen tun, die unsereins macht.
    Das Marx-Forum, wenn ich die Neu-Gründung richtig verstehe, bietet sich (neben andern) als ein Ort zur gegenseitigen Vorstellung von Konzepten und deren sorgfältig-sachbezogenen Analyse an.

  19. Mattis
    26. Juni 2013, 09:40 | #19

    Hallo franziska,
    du hast geschrieben:

    „Ich habe immer wieder betont, dass Kleingruppen NICHT das Ziel dieser Strategie sind, sondern dass es um eine Stufenfolge immer höherer und von immer grösseren Kommune-Einheiten gemeinsam beherrschte Produktionsniveaus geht.“

    Das habe ich schon auch so verstanden. Wir können ja mal den Weg dahin ausklammern und uns in der Debatte auf die Konstruktion des letztendlichen Zusammenschlusses konzentrieren. Das würde ja sowas wie ein gesellschaftsweiter Zusammenschluss sein, und da sind wir doch auf einer Abstraktionsstufe, die dem Staat analog ist, also auf jeden Fall weit weg von den Anforderungen an „Selbstbestimmung“, die mir im marx-forum entgegengehalten wurden. In so einer „Assoziation“ sind dann aber Eigentumsformen wie Kommune- oder Genossenschafts-Eigentum m.E. ein Anachronismus, der einer echten „gemeinsam beherrschten“ Produktion im Wege steht, denn wie sollen sonst Regelungen über Ökologie, Normalarbeitstag etc. wirklich allgemeingültig werden können, wenn nicht durch Abstimmungen und Kompromisse, die dann aber auch wirklich überall Gültigkeit haben müssen (kleines Beispiel: generelle Aufhebung der Schichtarbeit in der Produktion).
    Kannst du zeigen, inwiefern dann bei deinem Ansatz am Ende das Konkurrenzprinzip der Warenproduktion aufgehoben ist und wie der Einzelne an die Produkte für seinen Lebensunterhalt herankommt? Wenn ja, dann würde mich interessieren, wo du dann den Unterschied siehst zu einer gemeinsam diskutierten und umgesetzten Planwirtschaft, wo die Regionen dann eben nicht mehr alle Fragen alleine entscheiden können. Vielleicht sind die Differenzen dann gar nicht mehr so prinzipiell.
    Im Eingangstext dieses Threads stand:

    „Die Arbeitsorganisation kann nicht „von oben“ eingerichtet werden, sondern muss „von unten“ – von der Mehrheit – gemeinsam geplant, gemeinsam gemanagt und gemeinsam erledigt werden.“

    Was bedeutet für dich, als Mitverfasser des Textes, wenn der Zusammenschluss aller Kommunen zu Ende gedacht ist, die Formulierung „von unten“ „gemeinsam“ zu planen?

  20. 26. Juni 2013, 10:48 | #20

    „Ich habe immer wieder betont, dass Kleingruppen NICHT das Ziel dieser Strategie sind, sondern dass es um eine Stufenfolge immer höherer und von immer grösseren Kommune-Einheiten gemeinsam beherrschte Produktionsniveaus geht. Das Prinzip lautet definitiv nicht: Klein ist gut.“

    Mir scheinen da gleich zwei Probleme drinzustecken:
    Die alte Frage, wie gross eigentlich „Klein“gruppen also die Inseln im kapitalistschen Weltmeer sein muessen, damit sie ueberhaupt irgendwie ueber Wasser bleiben koennen.
    Und zweitens die Frage, wie es zu der oben erhofften „Stufenfolge“ kommen kann. Was denn die anderen dann dazu bringen wird, sich dem Projekt anzuschliessen, die das jetzt ja offensichtlich noch nicht machen wollen, partout nicht sogar.

  21. Bibliothekar
    26. Juni 2013, 12:02 | #21

    @ Marx-Forumsleute: Sagt doch erst mal, was ihr an der ach so katastrophalen Sowjetunion so schrecklich war, dass ihr euch hier übrschlagt in Kommuneverbesserungsvorschlägen!

  22. Bakunin
    26. Juni 2013, 18:58 | #22

    Diese Frage hättest du dir sparen können.
    Die Marx-Forumsleute wollen den Kapitalismus mucksmäuschen still überwinden ohne ihn, seine Herren und Macher, kleinen Mitmacher und Spießer, seinen riesigen Gewaltapparat praktisch bekämpfen zu müssen.
    Alles soll bleiben wie es heute ist, die Banken, die DAX-Unternehmen, die Großhandelsunternehmen, die Groß-Immobilien, die ganze superreiche Oberschicht und deren Medien und Bildungseinrichtungen, alles, alles soll bleiben, darf keinesfalls angetastet werden, soll in deren Händen bleiben.
    Die ganze gesellschaftliche Machte der heute Herrschenden gilt es einfach zu ignoriren, stattdessen gilt es, dieser Macht von „unten“ die Herrscher-Stuhlbeinchen leise und geräuschlos, „genossenschaftlich“ und „emanzipatorisch“ Stück um Stück an- und „irgendwann“ (natürlich nie mehr in diesem Leben!)durchzusägen.
    Ein Genossenschäftchen und Kommünchen nach dem anderen, bis Aldi und Lidl, die Deutsche Bank und weitere, Daimler und BMW, VW und Audi keine Kunden mehr haben, arm und pleite sind, weil langsam und geräuschlos alles in genossenschaftliche und „emanzipatorische Vergesellschaftung“ übergegangen.
    Eines Tages, unsere Eliten, unsere Besitzenden, unsere ökonomischen und politischen Herren wachen morgens auf, und siehe da, ganz Deutschland in genossenschaftlicher und emanzipatorischer Hand!
    Und da dachte mancher, Literaten in Wiener Kaffeehäusern wären als Spezies schon lange ausgestorben!
    Phantastisch, einfach nur phantastisch….

  23. Mattis
    26. Juni 2013, 22:37 | #23

    Hallo Bakunin,
    die Schwäche an deinem Beitrag ist, dass du die Kommune-Strategie als grotesk charakterisierst, aber keine Widerlegung nennst. Die Kommunarden könnten dir selbstbewusst entgegnen: gut beschrieben, Bakunin, genau so soll es laufen. Das ist der schwierige Punkt bei dem Thema. Wie gibt man einem Fan solcher Richtungen Argumente, an denen er ins Grübeln kommen kann. Als ich begonnen hatte, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, war mir das gar nicht so schnell klar.

  24. Bakunin
    26. Juni 2013, 23:03 | #24

    Mattis 26. Juni 2013 um 22:37 Uhr
    „Hallo Bakunin,
    die Schwäche an deinem Beitrag ist, dass du die Kommune-Strategie als grotesk charakterisierst, aber keine Widerlegung nennst.“
    Sei gegrüßt, Mattis!
    Diese Kommunine_Idee habe ich doch als Möglichkeit der Überwindung des Kapitalismus ganz klar widerlegt, und zwar mit dem Argument, dass mit Genossenschaften und Kommunen aller Art gegen die gigantische ökonomische Macht des heutigen Imperialismus(Diktatur des Finanzkapitals) nicht anzukommen ist, dieses selbst, und zwar an seiner ökonomischen Basis, entmachtet, vernichtet werden muss.
    In den Unternehmen und Banken werden werden die wirklichen Machtfragen entschieden, und keinesfalls in Bochumer oder sonstigen Hinterhöfen oder Hinterhof-Kneipen von kleinbürherglich-anarchistisch-spießigen Bildungsbürgern, welche sich als „Linke“ oder gar „Marxisten“ verkaufen zu versuchen.
    Das ist mein Standpunkt, meine Überzeugung.

  25. Bakunin
    26. Juni 2013, 23:17 | #25

    Noch ein kleiner Nachtrag u Genossenschaften, Kommunalissierungen aller Art.
    Wenn Leute, die von der kapitalistischen Lohnknechtschaft die Nase gestrichen voll haben, sich zusammentun, ein tragbares geschäftliches Konzept entwickeln, dazu eine Genossenschaft gründen um dieses eventuell erfolgreich umzusetzen, so habe dagegen gar nichts einzuwenden.
    Ich glaube, es war sogar Lenin, der mal sagte, dass Genossenschaften „Schulen des Sozialismus“ sein können.
    Aber, Herrschaften: Unter der fast schon absoluten Diktatur des Finanzkapitals über die Masse der Mehrheit der Bewohner der meisten Länder sollte man diese Genossenschaften niemals als „Allheilmittel“ zu einer angeblichen Überwindung dieses ausbeuterischen Systems ansehen.

  26. Mattis
    26. Juni 2013, 23:33 | #26

    „Die ganze gesellschaftliche Macht der heute Herrschenden gilt es einfach zu ignorieren, stattdessen gilt es, dieser Macht von „unten“ die Herrscher-Stuhlbeinchen leise und geräuschlos, „genossenschaftlich“ und „emanzipatorisch“ Stück um Stück an- und „irgendwann“ (natürlich nie mehr in diesem Leben!) durchzusägen.“ (Bakunin)

    Die denken sich das so, dass die Leute dann nur noch bei den Kommunen oder selbstverwalteten Betrieben kaufen, dann ihr Geld nur noch bei den selbstverwalteten Banken anlegen etc., so dass Aldi, Deutsche Bank und VW schlicht und einfach eingehen und dann leicht „übernommen“ werden können.
    Ignoriert wird dabei nicht nur die „Macht der heute Herrschenden“, sondern in erster Linie die Tatsache, dass in der Ökonomie von Profit und Konkurrenz selbst unmittelbar die Herrschaft drinsteckt, also unabhängig davon, wer sie betreibt und welche Ideale er dabei im Kopf hat.
    Die Strategie „Selbstverwaltung der Betriebe“ als Weg zum Sozialismus, gerne als Gegenpol zur „bolschewistischen“ Parteiherrschaft behauptet, ist meines Erachtens selber so eine Art von Realsozialismus, zwar ohne Staatsvorgaben gedacht, aber mit dem gleichen grundlegenden Denkfehler, dass nämlich nicht die spezifischen Mittel und Methoden des Kapitalismus, sondern nur die Kapitalisten selber das Übel wären. Wenn ein anderer dasselbe macht, ist es angeblich was ganz anderes und plötzlich entstehen große Spielräume. Marx hat nicht zufällig mal geschrieben, dass Kapitalisten so handeln müssen, wie sie handeln.
    Wobei ein selbstverwalteter Betrieb sich von einem kapitalistischen Familienbetrieb eben m.E. nicht groß unterscheidet, nur dass die „Familie“ halt größer ist. Qualitativ ist das doch wurscht. Man muss auf dem Markt bestehen, also konkurrieren, bei Strafe des Konkurses. Schlimm ist nicht nur der dabei vergeudete Arbeitseinsatz und Optimismus, sondern dass ein unbefriedigender Lauf der Dinge dann in der Interpretation durch die Öffentlichkeit schlagend „beweist“, dass man vom Sozialismus besser die Finger lässt, da Sozialisten offenbar nicht wirtschaften können. Solche Eigentore und Selbst-Demütigungen sollte man sich doch ersparen.
    Denn wenn Arbeiter z.B. eine Autofabrik übernehmen, Selbstverwaltung einrichten und dort selbstbestimmt die Schichtarbeit abschaffen, sind sie der Konkurrenz sofort massivst unterlegen, da sie dasselbe fixe Kapital, die Maschinerie, jetzt nur noch zur Hälfte auslasten. Das können sie unmöglich kompensieren. Um solche harten Themen würde sich die Belegschaft natürlich heftig streiten, denn die Existenz steht auf dem Spiel. So würden die Zwänge des kapitalistischen Marktes auch noch zur Zerrissenheit der Arbeiter beitragen.
    Man will eben partout den Punkt ignorieren, dass ein kapitalistischer Betrieb als solcher Herrschaft ist, ob selbstverwaltet oder nicht.

  27. 27. Juni 2013, 06:52 | #27

    Wobei ein selbstverwalteter Betrieb sich von einem kapitalistischen Familienbetrieb eben m.E. nicht groß unterscheidet, nur dass die „Familie“ halt größer ist. Qualitativ ist das doch wurscht.

    Von wegen!
    Die persönlichen Abhängigkeiten (und die ganze Scheisse, die da dranhängt) in einer solchen Kommune bzw. eines solchen Verbands, wie er z.B. durch Regionalgeldprojekte geschaffen wird, gibt’s da noch dazu!
    Dann förderst du auf einmal *direkt* irgendwelche gesellianisch-steinerschen Esoschweine, bloss weil du deine Kartoffeln von jemandem kaufst, der auf die Art mit denen verbandelt ist!

  28. franziska
    27. Juni 2013, 08:10 | #28

    Liebe Neoprene-Blog-Leute, bremst euch mal ganz schnell in wenigstens EINER Hinsicht: Da oben steht klipp und klar, was die Gemeinsamkeit und auch das bloss der Unterzeichner dieser Erklärung („unsere“) ist: das Problem der gemeinsamen Organisation von Arbeit derart lösen, dass es mit selbstbestimmtem Leben in einer freien Gesellschaft vereinbar ist. Das ist ja wohl allgemein genug. Wer meint, dass Emanzipation mit irgendwelchen Konzepten nicht vereinbar ist oder grundsätzlich nicht gut ist oder nicht geht, kann kommen und das nachweisen. Es steht da nichts von „small is beautiful“ und auch nichts von all den andern netten Sachen, die hier unterstellt sind. Einzelpersonen haben dort und anderswo verschiedenes in der Vergangenheit vertreten, was an sich auch egal ist, denn es geht ja bloss um Klärung der Sachverhalte, so wie Mattis das sagt: das Argument (wenn es eins gibt) soll gefunden werden, warum eine denkbare/erwägbare Strategie nicht für welchen Zweck taugt.
    Eigentlich ist das, was hier besprochen wird, auch Thema dort – die ganze Bandbreite der Einwände gehört dazu. Aber gut. Man muss die Debatten führen, wo sie entstehen. Dazu dann mehr (und zwar bloss von MEINER Seite, denn DIE Marx-Forums-Leute gibts nicht, die habt ihr euch hier erfunden.)

  29. Kim B.
    27. Juni 2013, 10:10 | #29

    Also vielen Dank erst mal an dich, Bakunin, dass du mir die Antwort an den Bibliothkar (scheint ja offenbar zufrieden zu sein) abgenommen hast. Und auch Dank an alle andern im Namen der anonymen Bochumer und marxforumsleute deren Vorstellungen einer guten Welt ihr hier so hübsch ausmalt. Ich möchte nur anmerken, dass ich nicht dazu gehöre – sowenig wie franziska und wat.
    Ich halte die Konzentration auf die Entwicklung von Kommunen auf die Gegenwart bezogen für ein richtiges Konzept. Auf den Übergang bezogen bleibt es aber nur ein Teilkonzept. Gegenwärtig ergibt sich für diese Bewegung aus meiner Sicht, die sich wohl von franziska’s unterscheidet, folgende Fragestellung:
    Ist mit der Gründung einer Kommune nicht sowohl die Eigentumsform als auch die Wertform (innerhalb der Kommune) aufgehoben? Und sollte mit dem Wegfall der Wertform nun das Verhältnis zwischen den Kommunarden nicht auf menschlichen Beziehungen beruhen? Wenn es so ist, dann dürfte es eigentlich, wenn wir einmal von gewissen menschlichen Schwächen absehen, zu keinen nennenswerten Problemen zwischen den Kommunarden kommen.
    Aber die Wertform besteht noch außerhalb der Kommune und wirkt in sie hinein. Liegt da nicht der Haken, warum es mit den Kommunen einfach nicht klappen will? Müssten die Kommunarden sich nicht darüber bewusste sein, dass es bei der Gründung einer Kommune nicht darum gehen kann, sich subjektiv der vom Kapitalismus aufgezwungenen Not zu entziehen zu wollen, sondern seine Entscheidung als einen Akt zur Aufhebung der allgemeinen Not der Lohnarbeiter zu begreifen . Würde das Leben in solchen Kommunen nämlich so verstanden, sich mit ihrer Gründung das persönliche Leben zu erleichtern, entstehen daraus lediglich Gemeinschaften, in die die Not verlagert worden ist und von nun selbstverwaltet wird. Damit kann, obwohl in der Kommune nicht mehr für Wert gearbeitet wird, die menschliche Arbeit nicht die Rolle übernehmen, die ihr geschichtlich zufällt, nämlich die Menschen aus der Not zu befreien. Statt befreiend zu wirken, dient auf Dauer nur noch, wenn überhaupt, der Befriedigung der Grundbedürfnisse und wird, nicht anders wie bei der Produktion für Wert, zur täglichen Last. Es wäre also nichts gewonnen, weder für die Emanzipation der Lohnarbeiter noch für den Fortschritt der Menschheit.
    Ich meine also, dass erst einmal das Wertproblem erkannt sein müsste, bevor wir zur kapitalistisch organisierten Arbeit schreiten, die ihn ihrer aktuellen Form als Lohnarbeit, sicher nicht als eine Übergangsform in Frage kommt. Ja man muss, bevor man auf alle Unterformen – Industrie, Arbeitsteilung, Dienstleistung u. a. – zu sprechen kommt, erst einmal als nächsten Schritt angehen und begreifen, dass sie natürlich alle anderen Formen der Arbeitsorganisation beeinflusst. Entfällt die Lohnarbeit stellen sich mit einem Schlag so viele Funktionen, vor allem die unter kapitalistischen Bedingungen notwendigen Überwachungsfunktionen als überflüssig heraus und die Schwierigkeiten der Arbeitsorganisation beschränken sich nur noch auf das Problem der Kenntnisvermittlung und Koordination. Hat man das begriffen, stellt sich die Lohnarbeit als anachronistische Form der gesellschaftlichen Arbeit dar, die sich dem Fortschritt der Menschen in den Weg stellt, weil die Arbeit unter ihrer Form, durch die auferlegten Zwänge, die Lebensverhältnisse der Menschen zunehmend schädigt und ruiniert.
    Sind Form von Wert und Lohnarbeit aufgehoben können, sich die durch die industrielle Produktion bestimmten Notwendigkeiten nur dann gegen die Bedürfnisse der Menschen wenden, wenn a) die Gesellschaft von einem allgemeinen kulturellem (technischen) Unwissen bestimmt wäre, wenn b) die Organisierbarkeit der Zusammenhänge einem Spezialistentum überlassen würde und wenn c) die Entscheidungsprozesse hinsichtlich Bedürfnis und Produktion den Kommunarden entzogen wären.
    Wäre a) gegeben, würde das niedrige kulturelle Niveau zu vielen Unverständnissen führen, die Raum für Interpretationen und irrationale Beeinflussung zuließe. In einer solchen, durch Zufall und Absicht bestimmten Welt, werden sich stets gewitzte Figuren oder Gruppen finden, die aus der Unverstandenheit Vorteile zu ihren Gunsten ziehen. Ähnliches gilt für die in b) und c) von der gesellschaftlichen Produktion getrennten Personen. Diesen Personen und Gruppen ginge es, wie heute den Kapitalisten und ihren Nutznießern, darum, ihre Privilegien durch Macht abzusichern, um damit ihr privilegiertes Leben verfeinern und in immer größerem Luxus leben zu können.
    Sind also Wert und Lohnarbeit aufgehoben und liegen diese drei Voraussetzungen nicht vor, ist die Frage zu stellen, ob wegen der Form der industriellen Produktion die emanzipatorische Funktion der Arbeit dennoch nicht vollzogen werden kann, weil diese Form durch die massive Anwendung von Technik (Maschinen, Hochtechnologie) eine menschliche Beziehung zwischen den Menschen unmöglich macht. Die Beziehungen müssen dann über Institutionen (Behörden, Verwaltungen) und umständliche Verfahren (Abstimmung, Repräsentation usw.) hergestellt werden, die neben der Zeit- und Ressourcenverschwendung jederzeit die Gefahr bergen, missbraucht werden zu können und sich als Instrumente gegen die Lebensverhältnisse der Menschen richten können.

  30. Passant
    27. Juni 2013, 10:11 | #30

    In einem anderen Blog habe ich den Genossen Schlosser als Opportunisten bezeichnet. Nachdem er von der Clique des KM-Forums wegen seiner leidenschaftlichen Polemik ausgeschlossen wurde ( er ist nicht „ausgeschieden“, wie die Säuberer nun s.o. In ihrer Erklärung heucheln), möchte ich differenzieren: es gibt einen Opportunismus, der noch unrealistischer ist als beispielsweise die anarchistische Vorstellung von Landkommunen ohne patriarchale Idylle; er zeigt sich in der Verblendung derer, die meinen, einen herrschaftsfreien Diskurs führen zu können. Mit Schlossers Ausschluss haben die KMler einen klaren Trennstrich gezogen zwischen verzweifeltem Reformismus und ihrem eigenen hoffnungslosen Idiotentum, dem entronnen zu sein, der Genosse glücklich sein kann.

  31. Bibliothekar
    27. Juni 2013, 10:39 | #31

    lacht über Passants Ansprache! 😀
    Ich würde immer noch gerne wissen, was an der Sowjetunion nach Ansicht der Kommunarden verkehrt ist. Die Frage ist gar nicht so blöde, weil Kommunard Mattis schrieb:
    „Nach den bekannten ausschließlich katastrophalen „Sozialismus“-Systemen stellt sich mir zumindest rückblickend die Frage, ob es nicht doch besser „unsere Sache“ gewesen wäre, die Grundlinien der sozialistischen Gesellschaft zu entwickeln!“
    An der Kritik an dem Realsozialismus kann man nämlich studieren, was diese Leute sowohl daran, aber auch am Kapital kritisieren. Und das dürfte, beachtet man ihre Resultate, ein Ideal der Freiheit sein, welches sie im Kapitalismus nicht verwirklicht sehen. Daher immer der Verweis auf Selbstbestimmung usw. Klar, daran gemessen ist die SU auch ein glatter Durchfaller. Das war ja eine sehr schlimme Kommandowirtschaft und Wal Buchenberg wäre sicher in der Fischmehlfabrik gelandet (völlig zu recht).

  32. Mattis
    27. Juni 2013, 11:02 | #32

    „Und auch Dank an alle andern im Namen der anonymen Bochumer und marxforumsleute deren Vorstellungen einer guten Welt ihr hier so hübsch ausmalt.“ (Kim B.)

    Das finde ich einen ziemlich unpassenden Einwurf, denn dieser Thread hier beginnt mit einem Grundsatz-Statement der Moderatoren des marx-forums und dass diese „keine einheitliche Meinung“ haben, kann doch nicht heißen, dass wir uns deshalb damit nicht befassen sollten. Außerdem geht es hier um die Konzept-Varianten, die mit den Begriffen Emanzipation, Selbstverwaltung etc. verbunden werden, egal, von wem sie letztlich vertreten werden.
    Ich sehe diese Unterschiede jedenfalls nicht sehr relevant in Bezug auf das, was ich schon mal an prinzipiellen Einwänden habe.
    Deinen Ausführungen zur Kommune setzt ich jetzt mal ganz klar entgegen, dass ich nichts davon halte, die Kommune nicht als Lösung für sich selbst, sondern „als einen Akt zur Aufhebung der allgemeinen Not der Lohnarbeiter zu begreifen“. Wenn das nicht beides zusammenpasst, taugt es offenbar nicht. Dein Text liest sich schon so wie das realsozialistische Zeug: nicht an sich selbst sollen die Arbeiter denken, sondern an ihre historische Mission zur Befreiung der ganzen Menschheit. Solche Redeweisen sind der Auftakt, erstmal Opfer zu verlangen für die gute Sache. An diese Ideologie hat doch Neoprene gerade mahnend erinnert, oder?
    Zur Sache noch: wenn es ökonomisch eng wird, dann werden die „menschlichen Beziehungen“ zwischen Kommunarden genau so wie diejenigen zwischen Betriebe-selbstverwaltenden Genossen durch den „Wert“ bestimmt, also durch die Notwendigkeit, am Markt zu bestehen.
    Mit viel Idealismus kann man eine Weile noch Harmonie aufrechterhalten, aber wenn dann Mehrarbeit oder gar Entlassungen anstehen, kommen die Zerreißproben. Wozu sollte man sich das antun? Der Herrschaft des „Werts“ wenn man so will, entkommt man nicht mit gutem Willen.

  33. 27. Juni 2013, 11:03 | #33

    Zu Passant
    Mal abgesehen von all den unschönen Begriffen, viele sehen da nur Beleidigungen, fällt es mir schwer, seine Thesen überhaupt zu identifizieren:
    Was ist die „Verblendung“ derer, „die meinen, einen Herrschaftsbereich Diskurs führen zu können“?

  34. Mattis
    27. Juni 2013, 11:05 | #34

    „Wer meint, dass Emanzipation mit irgendwelchen Konzepten nicht vereinbar ist oder grundsätzlich nicht gut ist oder nicht geht, kann kommen und das nachweisen.“ (franziska)

    Aber franziska, da sind wir doch gerade mittendrin! Nicht zuletzt die Abstraktheit der Begriffe Emanzipation, Selbstbestimmung etc. machen doch das Problem, wenn man sich dann die Konzepte genauer anschauen und beurteilen will. Jeder kann dann leicht sagen: nein, deine Kritik betrifft nur die anderen. Wenn das was hier diskutiert wird wirklich völlig an deiner Position vorbeigeht, also dich missversteht, dann wäre es gut, wenn du das an einzelnen Gegenargumenten zeigen würdest. Dass du um einiges konkreter geworden bist als andere, finde ich grundsätzlich gut, natürlich setzt du dich damit auch mehr der Kritik aus.
    Im marx-forum hattest du im Rahmen einer „Richtigstellung“ geschrieben:

    „Ich will nicht auf Kleinkommunen hinaus, sondern „Kommunalisierung“ auf planetarem Niveau – dabei sind die von Robert angeführten 3 Prinzipien (oder das, worauf sie zielen) „Gemeineigentum statt Privateigentum, Selbstverwaltung statt Kommando über fremde Arbeitskraft, Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht“ als fundamentaler Bestandteil der Zielsetzung unterstellt. Ich spreche ausschliesslich über die hierfür aus meiner Warte zu wählende Strategie.“

    Also sind die genannten Prinzipien auch für dich die Basis. Ich glaube diesbezüglich gezeigt zu haben, dass ich „Selbstverwaltung“ als einzig denkbare Alternative zu „Kommando über fremde Arbeitskraft“ für keine überzeugende Position halte, und zwar deshalb, weil „Selbstverwaltung“ doch gar nicht zu „Gemeineigentum“ passt.
    Wenn es nur noch ein gesellschaftsweites Gemeineigentum gibt, was ist denn dann „Selbstverwaltung“? Das ist doch der Knackpunkt. Selbstverwaltung macht nur bei privaten oder Kollektiv-Eigentümern Sinn, die sich letztlich immer noch als Marktteilnehmer zueinender verhalten. Bei durchgängiger Vergesellschaftung fällt Selbstverwaltung begrifflich doch zusammen mit einer gesellschaftsweit abgestimmten Produktion, bei der alle mitbestimmen und das Beschlossene dann umsetzen, aber eben dann keine Gruppe mehr „selbstbestimmt“ einen eigenen Betrieb oder Kommune führen kann, unabhängig vom abgestimmten Gesamtplan.

  35. 27. Juni 2013, 11:10 | #35

    Zu Kim:
    „Ist mit der Gründung einer Kommune nicht sowohl die Eigentumsform als auch die Wertform (innerhalb der Kommune) aufgehoben?“
    Auch wenn dann ne Menge richtiger Einsichten kommt, hat mich doch verwundert, wie jemand, der ja kommunemäßig nicht bei Null anfängt, überhaupt solch eine, für mich jedenfalls, völlig abwegige Frage stellen kann.
    Als wenn „Eigentumsform“ und „Wertform“ etwas lokales isoliertes wären oder wenigstens sein könnten.

  36. 27. Juni 2013, 11:16 | #36

    Nochwas zu Kim:
    „Anachronismus“ und „Fortschritt der Menschen“ sehen zumindest hier recht viele Leser nicht als Argumente an.

  37. 27. Juni 2013, 12:19 | #37

    Wenn Bibliothekar schreibt:
    „An der Kritik an dem Realsozialismus kann man nämlich studieren, was diese Leute sowohl daran, aber auch am Kapital kritisieren.“
    dann möchte ich diese Feststellung erweitern: Auch an dem, wie sich die diversen Linken die sozialistischen Verhältnisse vorstellen, kann man Rückschlüsse auf ihre Kapitalismuskritik oder eben Nichtkritik ziehen. Purer überflüssiger Luxus, wie das z.B. GSPler häufig einschätzen, ist das eben nicht. Jedenfalls nicht ganz.

  38. Bibliothekar
    27. Juni 2013, 13:07 | #38

    Der Bibliothekar schrieb das. Aber da stimme ich auch überein, nur kam die Kritik von Mattis vom Ausgangspunkt der Kritik des Realsoz her. Daher interessiert mich mal, was die Kritik ist.

  39. Mattis
    27. Juni 2013, 14:18 | #39

    Hallo Bibliothekar,
    meinst du jetzt die Kritik am Realsozialismus? Dann schau doch mal hier in den parallel laufenden Thread „MG zum 17. Juni und DDR-Ökonomie“.

  40. Bibliothekar
    27. Juni 2013, 14:32 | #40

    Kommunard Mattis! Bitte sei so gut und schreibe hier wenigstens mal die Links zu deinen Kommentaren zum Realsozialismus, ich habe nicht die Zeit wie ein Bibliothekar obwohl ich so heiße.

  41. 27. Juni 2013, 15:17 | #41

    Dem Bibliothekar kann ich mich nur anschließen, Mattis:
    Ich habe in den rund dreihundert Kommentaren von dir oder über dich gesucht, nach der Hälfte aber ergebnislos abgebrochen.

  42. franziska
    27. Juni 2013, 15:50 | #42

    Hallo, es ist schlicht der Parallel-thread hier gemeint, in dem Mattis und ich und auch du, Neoprene, schreiben:
    http://neoprene.blogsport.de/2013/06/15/marxistische-gruppe-juni-1983-argumente-zum-17-juni/

  43. Bibliothekar
    27. Juni 2013, 17:13 | #43

    Ja ach und wo ist da die Kritik am Realsozialismus…?

  44. Bakunin
    27. Juni 2013, 18:27 | #44

    Hallo Leute, gesellschaftliches Eigentum an PM, Selbstverwaltung, Mitbestimmung etc…, wie wäre es, bezüglich einer möglichen sozialistischen und später kommunistischen Gesellschaft, sich nochmals diesen alten, und doch wie ich finde, immer noch aktuellen Text reinzuziehen?
    http://www.deutsche-kommunisten.de/Friedrich_Engels/1972-Von_der_Autoritaet.shtml

  45. Kim B.
    27. Juni 2013, 18:43 | #45

    @Passant: Genosse, liest du oder phantasierst du?
    Robert: „Persönliche Erklärung zu meinem Rückzug aus dem Marxforum“
    Robert: „Soweit mein „Ausrasten“ nicht nur die Teamer sondern auch das Forum erreicht hat, entschuldige ich mich auch an dieser Stelle noch einmal. Wenn Illusionen platzen, scheint das aber unvermeidlich … bei mir zumindest.“
    @Neoprene zu Eigentumsform/Wertform: Also da finde ich nun deinen Kommentar seltsam. Wenn Kommunarden gemeinsam Gebrauchswerte schaffen und gemeinsam brauchen/verbrauchen, wo ist da der Wert?
    @Mattis zu unpassendem Einwurf: Es ist doch irgendwie ganz klar ausgedrückt. Es ist dort jeder eingeladen, der was zu Marx und Emanzipation zu sagen hat, nicht mehr und nicht weniger.
    Und damit genug zu dem Punkt: Wenn du oder wer auch immer unbedingt einen Popanz braucht, dann bastelt euch eben einen zurecht.
    Gruß
    Kim

  46. Bakunin
    27. Juni 2013, 18:53 | #46

    Bibliothekar
    27. Juni 2013 um 17:13 Uhr
    „Ja ach und wo ist da die Kritik am Realsozialismus…?“
    Was soll eigentlich Sinnvolles einer „Kritik am realen Sozialismus“ herauskommen JENSEITS aller Betrachtungen, eines Verständnisses aller seiner historischen Voraussetzungen und nicht zuletzt seiner mächtigen imperialistischen Gegner, deren Treibens bis hin zum „Totrüsten“?
    Was wurde geleistet? Was hätte vielleicht(?) von Anfang an besser gemacht werden können?
    Wo waren die objektiven weltpolitischen Grenzen dieses im ersten im größeren Maßstab Sozialismus-Versuchs?
    Warum waren dennoch die westlichen Imperialisten mit ihrer Führungsmacht USA so geschockt nach dem Sputnik 1957, Gagarin 1961?
    Und wie viel sowjetisches Volksvermögen und Menschen(!) wurden zwischen 1941 und 1945 durch die Hand von Imperialisten vernichtet?
    „Erbärmlicher Ostblock“?
    Und wie die kleine SBZ/DDR nach 1945 bluten musste, sowohl in westlicher(BRD, Westberlin!) als auch in östlicher Richtung(UDSSR, Reparationen!), davon ist heute auch kaum noch die Rede.
    Will man vernünftig und sachlich über einen künftigen Sozialismus reden, sollte man nicht alle Erfahrungen und alles Wissen einfach ignorieren und so tun, als müsse der Kommunismus erst noch „erfunden“ werden.
    Fest steht doch mal, dass ab 1970/71 der reale Sozialismus endgültig durch immer mehr „Wertgesetz“, „Entspannung“ und „Westhandel“, mehr und mehr Revisionismus pur zugrunde gerichtet wurde, die damaligen alten Herren der Politbüros, die ganzen Arbeiterparteien dort keinerlei Vorstellungen darüber hatten, aus dieser Übergangsphase – um welche man auch heute niemals für eine gewisse Zeit herumkäme – hin zu einer höheren sozialistisch-kommunistischen Ökonomie zu gelangen.
    Wäre das auch damals möglich gewesen? Oder war der Imperialismus doch noch ökonomisch, militärisch zu übermächtig?
    Gut, die Chose ist gelaufen, in Zukunft muss es eben besser, effektiver angepackt werden müssen (zunächst vor allem EU, Nordamerika..), und nicht zuletzt auch auf Grund der früheren guten und schlechten Erfahrungen.
    Ich jedenfalls „verurteile“ hier gar nichts, erhebe mich nicht über Zeiten, Räume und Umstände.

  47. 27. Juni 2013, 19:45 | #47

    Der Engels-Text zur Autorität ist vor einiger Zeit auch schon mal im Mammut-Thread bei nestormachno über seine Kritik an Lenins „Staat und Revolution, Teil 5“ Thema gewesen:
    http://NestorMachno.blogsport.de/2010/08/10/staat-und-revolution-teil-5/

  48. Bakunin
    27. Juni 2013, 19:58 | #48

    Danke für diesen Hinweis, da muss ich mich erst mal ganz langsam durchschmökern! 🙂

  49. Mattis
    27. Juni 2013, 23:14 | #49

    Die Kritik am Realsozialismus taucht in meinen Kommentaren halt immer mal wieder auf, nicht zuletzt auch dann, wenn mir selbst der Vorwurf des Staatssozialismus gemacht wird und ich dann wieder mal klären darf, was ich am Realsozialismus kritisiere. Eine geschlossene Darstellung dazu kann ich im Rahmen eines Blogs natürlich nicht liefern, auch die Zitate aus der Sammlung (dort), die Neoprene gerade zusammengesucht hat, stehen natürlich oft im direkten Kontext anderer Kommentare, auf die ich geantwortet habe.
    Aber weil gefragt wurde: Der wesentliche Kern der Realsozialismus-Kritik ist aus meiner Sicht, dass sich dort die Betriebe marktmäßig bewähren müssen, d.h. dass die Gebrauchswert-Produktion der Wert-Produktion, also den Gesichtspunkten einer geldmäßigen Rentabilität untergeordnet ist, woraus Produktionsstillstände, ökonomische Mangelwirtschaft etc. pp. resultieren. Da wurden dann z.B. Gebrauchswerte nicht erzeugt, obwohl sie benötigt wurden, oder aus schlechtem Material gemacht, weil so die vom sachlichen Nutzen abstrahierenden Erfolgskennziffern besser erfüllt werden konnten. Auf diese Weise sind dann eben auch die Arbeiter wieder Mittel einer neuen Art von Reichtumskalkulation, die der kapitalistischen Verwertung nicht unähnlich ist.
    Weil der Realsozialismus nicht die Priorität auf ein gutes Leben der Arbeiter setzte, sondern sich als historisch bessere Kraft zur Entwicklung „der Produktivkräfte“ imaginierte und diese Überlegenheit zu inszenieren suchte – bis hin zum Mondflug – machte er aus den Leuten Soldaten der Arbeit, denen er irgendwelche Helden der Arbeit als leuchtende Vorbilder anempfahl: opferbereiter Einsatz statt Materialismus. Auch an die Lohnhierarchie möchte ich erinnern, an Kantinen mit Tischdecken für die einen, ohne Tischdecken für die anderen, und die vielen täglichen Demütigungen, die der kapitalistischen „Despotie der Fabrik“ ja so täuschend ähnlich sind! Das sind alles Erscheinungen, die m.E. nicht durch äußeren Druck, Krieg und Rückständigkeit etc. zu rechtfertigen sind, sondern programmatisch der Parteiideologie geschuldet sind (auch wenn diese Lasten wirklich riesig waren, aber das bestreitet wohl kaum jemand).

  50. Mattis
    27. Juni 2013, 23:36 | #50

    @Kim B.:

    „… ob wegen der Form der industriellen Produktion die emanzipatorische Funktion der Arbeit dennoch nicht vollzogen werden kann, weil diese Form durch die massive Anwendung von Technik (Maschinen, Hochtechnologie) eine menschliche Beziehung zwischen den Menschen unmöglich macht.“

    Das solltest du erklären. Welche Art von menschlicher Beziehung wird durch Maschinen behindert und durch maschinenloses Arbeiten begünstigt? Ist das Ziehen einer Rikscha emanzipativer als das Führen einer E-Lok?

  51. 28. Juni 2013, 00:54 | #51

    @Mattis (zu Kim B.)
    > Das solltest du erklären.
    Ja, da bin ich auch mal gespannt: „Soziallyrik ist keine soziale Revolution.“, aus http://www.textlog.de/tucholsky-amerika-buch.html

  52. franziska
    28. Juni 2013, 09:46 | #52

    Kurz vorweg:
    i) Die Verbraucher-Strategie „Kaufen beim selbstverwalteten Betrieb“ stammt aus einem Papier Robert Schlossers, fairerweise muss ihm wie Wal Buchenberg ein ganzes Bündel unterschiedlicher auch militanter Formen der „Aneignung der Produktivkräfte durch die Produzenten“ zugeschrieben werden (von wegen „die denken sich das SO“).
    ii) Es sollte in der Debatte konsequent unterschieden werden zwischen den von einzelnen befürworteten Ziel-Zuständen und ihrem Aufbau einerseits, und den Strukturen und Zuständen eines taktischen/strategischen Zwischenstadiums (und sei es auch eines optionalen, wie Bakunins/Lenins sozialistische Schul-Genossenschaften s.o,).
    ————————————
    Grundsätzlich stelle ich vorab fest, dass im Konflikt zwischen den Befürwortern kommun(al)istischer Strategien und den Gegnern auf den ersten Blick nicht so schnell Einigkeit herzustellen sein wird. Immer, wenn das der Fall ist, kochen die Emotionen hoch; man sollte sich vielleicht langsam an diese Unterschiede in der Linken gewöhnen und daran, dass mit ihnen sorgfältig umgegangen werden muss. Denn die jeweils sich ausschliessenden Zielsetzungen werden nicht ohne Grund erwogen; ohne den appeal, den sie offenbar haben, würde sich niemand dafür erklären. – Sorgfalt des Umgangs bedeutet im jetzigen Stadium: Die Kontroverse präzise beschreiben und sich über das Gemeinsame im Trennenden, die unterschiedlicihen Voraussetzungen, die das jeweils Befürwortete zwingend oder überlegen erscheinen lassen, und die jeweils unterschiedlichen Konsequenzen verständigen.
    Die Entscheidung der Kontroversen hat zwei Anteile: einen empirisch-experimentellen, wo die einen das eine, die andern das andre probieren – die Resultate können nicht vorweggenommen werden; und einen begrifflichen, der aber wohl nicht im Handstreich zu erledigen ist, sondern wo die Argumentationen (die hier von beiden Seiten immer wieder gefordert und angekündigt werden), um überzeugend zu werden, vermutlich viel weiter ausholen müssen, als das hier bislang der Fall sein konnte. (Hier wurde bislang, durch Konzentration auf die beklagenswerten Ausfälle der Kommunalisten SEHR wenig von den Misserfolgen der traditionellen nicht-realsozialistisch orientierten Linken gesprochen. Die Notwendigkeiten des einen oder des anderen wären bei eingehenderen „begrifflichen“ Gegenüberstellungen der beiden Ansätze sehr viel genauer herauszuarbeiten.)
    Zur Klärung der Kontroverse selbst.
    Auf den ersten Blick scheint sich die Differenz so darzustellen: Was die traditionell orientierten Linken in EINER entscheidenden „revolutionären“ Aktion herbeiführen wollen, scheint sich bei den „Kommunalisten“ (um sie mal provisorisch, jenseits aller Detail-Unterschiede zwischen ihnen, zu benennen) in viele kleine Übergänge aufzulösen. Es ist das womöglich nicht der wirkliche Ur-Grund der Differenz, aber der vielleicht hervorstechendste unter den Oberflächen-Unterschieden. Welche weiteren Unterschiede sind damit impliziert bzw. schliessen sich an?
    A. Die Nichtkommunalisten trennen mit ihrer Übergangs-Aktion die „Abschaffung“ und den nachfolgenden Aufbau; bei Kommunalisten scheint da etwas zusammenzufallen oder sich umzukehren. Dahinter müssen, ob explizit oder nicht, (und das wurde oben mehrfach vermutet) durchaus unterschiedliche Analysen der derzeitigen Verhältnisse stecken (s.u. C). Ob sich alle Kommunarden dessen bewusst sind, ist fraglich. Eine Konsequenz deutet sich aber an: Kommunalistische Strategien zielen auf eine mehr oder weniger lange Koexistenz von kommunalen und marktwirtschaftlichen Strukturen, und das lokal und regional: Die Systemgrenze verläuft nicht zwischen Nationenblöcken. Auch hier wird etwas im Raum verteilt und „gestreckt“, was in der herkömmlichen Linken zusammengeballt und konzentriert sein sollte.
    Die Konsequenz dieses räumlichen und zeitlichen Auseinanderziehens von ansonsten Geballtem und Konzentrierten ist eine doppelte: Die Anstrengung, wenn nicht das Gewaltsame gegen „die Andern“ wie sich selbst verteilt sich auf viel grössere Zeiträume, und in die Fläche: Die „Revolution“ wird zeitlich, räumlich aufgelöst in unzählige kleine periphere Fortschritte (wenn sie gelingt) der Aneignungund des Transfers von (wirklichem) Reichtum, Kompetenzen, Einsatzbereitschaften für „eigene“ Zwecke der Produzenten-Kollektive. Dafür ist sie um so anfälliger gegen alle Machtballungen und Machtkonzentrationen der Gegenseite. Die Entscheidung für die eine oder andere Vorgehensweise hängt hier unter anderm ab von der Einschätzung der Bedeutung dieser Machtkonzentration; ob man also die „Gegenseite“ ihrerseits eher zerstreut, aufgelöst in zahllose kleine und grössere Milieus und Gruppen wahrnimmt, oder als fast schon militärischen Block: die Herrschenden, und ihre Untertanen-Gefolgschaft (sofern die ihnen nicht von der Fahne geht). – Das war Bakunins Thema oben.
    B. Wir finden einen unerwarteten Nebenstrang der Debatte, der auf seiten der Kommunalisten, bei manchen fast unfreiwillig, an die Oberfläche kommt, und der an die frühen Phasen der genuin marxistischen Tradition unerwartet anknüpfen muss: Die Frage der (fortgeschrittenen) Arbeitsteilung, der (aufzulösenden) Gegensätze, die sich aus ihr ergeben wie gender, Ökologie, Theorie und Praxis, Ungleichzeitigkeit (moderne Übersetzung der Paare Mann/Frau, Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie), wird auf einmal beinah auf gleicher Ebene wie die (Klassen)Gegensätze aus Eigentumsverhältnissen behandelt. (Ganz explizit geschehen etwa in den Zitaten früher Marx-Werke durch Gabagaba drüben im 17.Juni-thread, einer Parallel-Debatte zu der hier). Umgekehrt wird die Frage, welchen Bezug Eigentum (Privatheit, Konkurrenz, Geld) und fortgeschrittene Arbeitsteilung und Produktivkraft haben, aus einer ganz unerwarteten Perspektive neu aufgeworfen, derjenigen nämlich der STEUERBARKEIT (Planbarkeit und Transparenz im Sinne von: Vorhersehbarkeit, Organisierbarkeit, kognitive Nachvollziehbarkeit) der modernen industriellen Prozesse.
    Hier gibt es drei Dimensionen in der Kapitalismus-Analyse, die für die pro- und anti-kommunalistischen Positionen wichtig werden:
    1. Ausbeutung.
    2. „Anarchie der Warenproduktion“
    3. „Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Natur“
    ad 1. Die Frage, was im Realsozialismus denn „so katastrophal schlimm“ war, liesse sich mit ebensolchem Recht (wenn liberale Marktbefürworter und Linke noch oder wieder miteinander sprechen) von seiten der liberalen Kapitalismus-Befürworter aufwerfen: Es scheint immer, als ob mit der THEORIE des Kapitalismus alles gesagt sei. Gut – oder eben nicht gut: die Kapitalisten eignen sich die Mehrarbeit an (mit einiger Überlegung kann, wenn der Begriff erläutert ist, jeder diesen Sachverhalt aus seiner allgemeinen Kenntnis der hiesigen Verhältnisse ableiten), sie diktieren (dito) deren Ausmass. ABER, so die Apologeten, was soll denn nun andres damit angefangen werden? (Und so die Apologeten des Realsozialismus und der DORT veranstalteten Akkumulation): Verlangsamung des Wachstums? Stopp auf (welchem) hohen Niveau?
    Aber es kommt da ein zweiter, und noch viel hässlicherer Gesichtspunkt zum Vorschein: die Frage des Sich-(Nicht-)Einigen(Können)s auf die zu wählende Zielsetzung: „das System fliegt auseinander“. – Hier scheint sehr viel davon abzuhängen, wie die einzelnen in dieser Frage Urteilenden Verläufe von Konfliktbewältigung in ihrem privaten Umfeld erleben und bewältigen; das wird auf die Beurteilung von „Einigungsfähigkeit im gesellschaftlichen Masstab“ hin ausgedehnt. Kommunisten sind hier SEHR optimistisch; Antikommunisten (Freunde des Eigentums) SEHR skeptisch; Kommunalisten stehen dazwischen (Konsens ist möglich, muss aber sorgfältig aufgebaut werden).
    Die Frage verbindet sich eng mit der folgenden:
    ad 2. Wie steuerbar durch Pläne gleich welcher Subjekte ist die moderne gesellschaftlich-arbeitsteilige industrielle Produktionsweise eigentlich? Realsozialisten und Kapitalismus-Befürworter haben darauf die entgegengesetzten Antworten: Einzig zentral steuerbar, sagen die einen; einzig dezentral die andern (wobei die Fein-Abstimmung von Mehr oder weniger dezentral so wie alles andre den Marktkräften überlassen ist: die EIGENTLICH kapitalistische Antwort auf das Steuerungsproblem ist: alles nicht unmittelbar durch Eigentümer-Entscheidung sich Ergebende und durch den Markterfolg Bestätigte wird „durch den Markt“ gesteuert; an dessen Stelle setzen sich im Realsozialismus die zentralen politischen Planungs-Institutionen). – Kommunalisten glauben weder an die Allweisheit/macht/güte des Marktes noch an die der Zentralen Planungskommission. Im Gegensatz zu Liberalen und Sozialisten beharren sie mit Marx (also doch) auf der unmittelbaren Steuerung der Produktion durch die Produzenten, und zwar in allen drei oben genannten Hinsichten (vgl. Neugründungserklärung: Arbeitsorganisation gemeinsam von unten (ein milder Pleonasmus) planen, managen, erledigen = Prognosen+Zielsetzungen, Organisation der Umsetzung (Verteilung der Arbeiten), Erfolgskontrolle+Konsequenzen. Bezeichnend: Die nicht-realsozialistische Linke sieht hier dann, soweit, darum KEIN Problem, wenn, im Mass wie, weil sie Stagnation der Produktion auf hohem Niveau unterstellt. – Auch Marx hat sich hier nicht festlegen wollen: Er erklärt, so wie in seinen ökonomischen Analysen, die disposable (labour) time, die rein menschliche Produktivkraft, zur entscheidend freizusetzenden (quasi zu „entfesselnden“) Grösse; er stellt nicht in Rechnung, dass die vielleicht mehr will als rentnermässig auszuruhen oder sich in realitäts-fern virtuellen Spiel-, Kunst- und Phantasie-Existenzen zu verlieren. Dann aber braucht sie Ausrüstung, Forschung etwa, oder zum experimentellen Weiterentwickeln von Technologie. Die Frage, wer hier welchen Experimental-Plan, welche Fragestellung umsetzen soll, und wieviel Überschuss dafür erzeugt und abgegeben werden soll, ist nicht so schnell zu beantworten.
    ad 3. Zumal eine weitere Einschätzung strittig ist, nämlich: Ob sich die allseits heftig kritisierte Rücksichtslosigkeit kapitalistischen, dann auch realsozialistischen Produzierens nur auf die Verwendung von Technologie zurückführen lässt; oder ob, und wenn, in welchem Umfang, die kapitalistisch „entwickelten“ und realsozialistisch kopierten technischen Verfahren und Wissensstände bis in ihre Kernbestände verdorben sind von den Zwecken, für die sie eingesetzt wurden, und den neuen Produzentenzwecken gemäss eine völlig neue Technologie und Wissensbasis aufgebaut werden muss.
    C. Derzeit etwas in den Hintergrund getreten ist die Frage: Welche (derzeit nicht unbedingt expliziten) theoretischen Unterschiede in der Analyse+Kritik bestehender Verhältnisse tun sich auf zwischen Pro- und Anti-Kommunalisten? Hier scheint mir (worin bislang, soweit ich sehe, niemand mir folgt) die entscheidende Um-Orientierung des Kommunalismus in der Verschiebung des Schwergewichts zu bestehen von einer Sichtweise, wonach Kapitalismus das entscheidende Hindernis ist, nach dessen Abschaffung alle wesentlicihen Probleme gelöst sind, hin zu der, wonach womöglich Kapitalismus, Realsozialismus, „ökologische Alternativen“ (oft, aber nicht immer auf esoterischer Basis) und bisherige linksradikale Projekte allesamt verschiedene Stufen darstellen der Annäherung an die Behebung schwerwiegender epochaler Mängel im Entwurf der Moderne durch Vergesellschaftung (Mängel in der gesellschaftlichen Organisation gesellschaftlicher Wissensverarbeitung, in Wahrheit Mängel in der Bestimmung des Wissenswerten und der Ziele modernen Wissenserwerbs selbst). Eng damit verknüpft ist eine zweite Verschiebung, die im kommunalistischen Ansatz zum Entsetzen seiner Gegner ebenfalls stattfindet: Die Alternative zu kapitalistischem und realsozialistischem SYSTEM ist nicht mehr ein alternatives, sondern ein Nicht-System; die System-artigen Mechanismen und/oder (zB demokratischen, Mediations-) Prozeduren werden durch kooperativ-kommunikative der Produzenten ersetzt. Dahinter steckt die Einschätzung, dass die Systeme die ihnen zugeschriebenen Ersatzleistungen auf dem Feld der Konsensfindung, Steuerung und Sorgfalt in der Gestaltung der modernen oder nachmodernen gesellschaftlichen Produktion niemals bringen können. Die Produzenten müssen es leider alles selber tun; niemand wird ihnen diese Arbeit ersparen.
    Es versteht sich, dass dies nicht mehr sein konnte als der Versuch eines Abgrenzens von Themenfeldern für die Kontroverse. Ausgetragen ist sie damit nicht, nicht einmal ist das begonnen. Es wäre allenfalls zu fragen, ob etwas entscheidendes vergessen ist oder an falscher Stelle steht. Das ist alles nicht so prickelnd, und erinnert mehr an nüchterne Arbeit. Genau in diese Richtung möchte ich die Debatte orientieren. Kann sein, dass sie dann für die Teilnehmer hier im Blog uninteressant wird. Im Marx-Forum hingegen wird sie, wenn die Neugründung Bestand hat, weitergehen.

  53. Kim B.
    28. Juni 2013, 10:44 | #53

    Eines mal vornweg, Mattis, an deiner Frage, noch mehr an Passants verleumderischer Geiferei oder des Klassensprechers Anspielung auf faschistisches Gedankengut, wird deutlich, mit welchem Vorurteil ihr an Dinge herangeht, die nicht in das (reales) Gedankenbild über Sozialismus von zumindest euch dreien passen. Wäre es denn nicht mal möglich, eure festgefahrenen Standpunkte zu überdenken, mal zu versuchen, den andern zu verstehen, als immer gleich mit der Keule linker Arroganz zuzuschlagen, nur weil man GSP-Bildung genossen und ein bisschen von Marx verstanden hat. Dann könnte man vielleicht mal einen Gegenstand klären.
    Eigentlich ist der Gesamttext ein Entwurf, der als Antwort auf deine schon länger gestellte Frage zur „Wertproduktion“ vorgesehen war. Und eigentlich sollte vor allem damit deutlich werden, dass ich meine, dass Kommunegründungen als Mittel zur sozialen Emanzipation nichts taugen, wenn die Wertfrage nicht zuvor geklärt ist. Und das gilt auch für die Frage, ob die Industrieform tauglich ist oder nicht. Und du weißt eigentlich genau, dass ich da einen andern Standpunkt als franziska einnehme.
    Es handelt sich bei dem von dir angeführten Text, doch um eine (indirekte) Fragestellung und wenn du den Text unvoreingenommen zu Ende gelesen hättest, hättest du erfahren, dass ich mich indirekt dagegen stelle: dass eben nicht die Industrieform an sich den emanzipatorischen Zweck der Arbeit beschränkt, und dass das auch nicht mit speziellen Institutionen und Verfahren klappt, solange nicht die Wertform aufgehoben ist.
    Gruß
    Kim

  54. 28. Juni 2013, 11:31 | #54

    „Wenn Kommunarden gemeinsam Gebrauchswerte schaffen und gemeinsam brauchen/verbrauchen, wo ist da der Wert?“
    Ja, der Kuchen, den einer aus der Kommune am Wochenende auf den Tisch stellt, der ist „nur“ ein nützliches Ding für die Bedürfnisbefriedigung. Nur wird mit privatem/kommunemäßigem Kuchenbacken die gesellschaftkiche Geltung des Werts nicht außer Kraft gesetzt. Für den Vanillezucker mußte die Kommune z.B.irgendwas verkaufen oder jemand mußte arbeiten gehen für Geld.

  55. 28. Juni 2013, 12:27 | #55

    Zu Franziska:
    Bei der Beurteilung von Kommunalismus versus Sozialismus geht es in der Tat um die Notwendigkeiten, die da jeweils mit verbunden sind. Das wurde bisher nocht hinreichend berücksichtigt, geschweige denn umgesetzt.
    Eine der wohl wichtigsten Punkte dabei oder genauer deshalb ist die Frage, ob der Umbruch schrittweise vollzogen werden kann oder gar muß oder ob das nur „geht“, wenn das auf einen Schlag passiert. Das widerum hängt davon ab, ob man Druck von außen annimmt, dann landet man bei „zentral, auf einmal“, oder ob man sowas nicht erwartet, dann kann jeder noch so kleine Haufen damit anfangen, er muß es nur wollen.
    Ich persönlich glaube nicht, daß die unterstellte Möglichkeit der Koexistenz von Dauer sein kann. Da sind Antagonisnen unterwegs, die so oder so „vorherrschend“ werden wollen/müssen. Deshalb braucht es auch immer das Bewußtsein der prekären Situation, des Charakters von vielem als Notmaßnahme. Jedes bequeme sich Einrichten in angeblich sicher Erreichtem scheint mir ein gefährlicher Selbstbetrug. Und ja, auf einem gewissen Level wird wohl diese Auseinandersetzung auch eine „militärische“ sein, befürchte ich. Es gibt ja entschlossene Gegner, die handfeste Interessen am Status quo haben.
    Ein interessanter Punkt scheint mir die Frage der Steuerbarkeit zu sein. Es wird nicht überraschen, daß ich selbst und gerade bei Unsicherheiten dafür eintrete, sowas möglichst zentral zu untersuchen, beurteilen und zu entscheiden.

  56. Mattis
    28. Juni 2013, 14:52 | #56

    Hallo Kim B.:

    „Wäre es denn nicht mal möglich, eure festgefahrenen Standpunkte zu überdenken, mal zu versuchen, den andern zu verstehen, als immer gleich mit der Keule linker Arroganz zuzuschlagen, nur weil man GSP-Bildung genossen und ein bisschen von Marx verstanden hat.“

    Schön, dass wenigstens du sachlich bleibst, etwas mehr von Marx verstehst und Bildung durch Argumente anderer ablehnst. Prüfst du Argumente mehr auf ihre Herkunft als auf ihren Inhalt? -Meine nicht unerhebliche Differenz zum GegenStandpunkt scheint dir allerdings entgangen zu sein.

    „Und eigentlich sollte vor allem damit deutlich werden, dass ich meine, dass Kommunegründungen als Mittel zur sozialen Emanzipation nichts taugen, wenn die Wertfrage nicht zuvor geklärt ist. Und das gilt auch für die Frage, ob die Industrieform tauglich ist oder nicht. Und du weißt eigentlich genau, dass ich da einen andern Standpunkt als franziska einnehme.“

    Klar weiß ich das, ich hab dir ja auch andere Fragen gestellt als franziska. – Zum einen ist die Klärung der „Wertfrage“ ja doch gerade im Gange, und welche „Industrieform“ von dir abgelehnt wird, wollt ich (und einige andere) wirklich gerne wissen. Ich habe tatsächlich noch nicht verstanden, wieso die Sache mit der Maschinerie für dich ein extra Punkt ist, getrennt von der Wert-Thematik. Anscheinend ging das nicht nur mir so.

  57. Mattis
    28. Juni 2013, 15:50 | #57

    Hallo franziska,

    „Auf den ersten Blick scheint sich die Differenz so darzustellen: Was die traditionell orientierten Linken in EINER entscheidenden „revolutionären“ Aktion herbeiführen wollen, scheint sich bei den „Kommunalisten“ (um sie mal provisorisch, jenseits aller Detail-Unterschiede zwischen ihnen, zu benennen) in viele kleine Übergänge aufzulösen.“

    Das mag so sein, allerdings finde ich es primär wichtig, die Ziele zu debattieren, und erst dann die Wege. Ich habe sonst keine vernünftigen Kriterien, um Einstiege und Zwischenstufen sinnvoll beurteilen zu können, und außerdem haben wir bei den Zielen schon genug Stoff.

    „Die Nichtkommunalisten trennen mit ihrer Übergangs-Aktion die „Abschaffung“ und den nachfolgenden Aufbau“

    Darüber ist eigentlich nichts gesagt worden, vor allem, was man da unter „Trennung“ verstehen könnte. Der Übergang sieht dann vielleicht nur anders aus als bei „Kommunalisten“, aber nur weil man nicht den kommunalistischen Weg geht, heißt das logischerweise doch nicht, dass es keinerlei Übergangsstufen gibt. Das ist eine unzulässige Simplifizierung. Die Frage ist doch vielmehr, wo und wie beginnt man, und will man jedenfalls einen gemeinsamen Start mit einer überzeugten Mehrheit oder glaubt man, darauf verzichten zu können. Wenn kapitalistisches Wirtschaften tatsächlich lokal aufgehoben werden könnte, wäre das natürlich ok. Die vorhandenen Konzepte dazu überzeugen mich aber nicht, die Herrschaft des abstrakten über den konkreten Reichtum kann m.E. lokal nicht wirklich gebrochen werden, so dass ich diesen Versuchen eine Sackgasse sehe.

    „Eng damit verknüpft ist eine zweite Verschiebung, die im kommunalistischen Ansatz zum Entsetzen seiner Gegner ebenfalls stattfindet: Die Alternative zu kapitalistischem und realsozialistischem SYSTEM ist nicht mehr ein alternatives, sondern ein Nicht-System; die System-artigen Mechanismen und/oder (zB demokratischen, Mediations-) Prozeduren werden durch kooperativ-kommunikative der Produzenten ersetzt. Dahinter steckt die Einschätzung, dass die Systeme die ihnen zugeschriebenen Ersatzleistungen auf dem Feld der Konsensfindung, Steuerung und Sorgfalt in der Gestaltung der modernen oder nachmodernen gesellschaftlichen Produktion niemals bringen können. Die Produzenten müssen es leider alles selber tun; niemand wird ihnen diese Arbeit ersparen.“

    „Die Produzenten müssen es leider alles selber tun“. Du weißt, dass das gar nicht geht. Noch nicht mal in der winzigen 100-Leute-Kommune Niederkaufungen – bei speziellen Qualifikationen musste man sogar vom Rotationsideal abgehen! – geschweige denn auf der Ebene größerer Einheiten oder Zusammenschlüsse. Du übersiehst außerdem, dass die Produzenten vielleicht gar nicht alles selbst regeln wollen. Ich zum Beispiel nicht! Wenn ich weiß, dass Entscheidungen der von mir delegierten Personen nicht mehr von Profit- oder Privilegien-Interessen bestimmt sein können (wenn beides abgeschafft ist), dann brauch ich mir doch nicht den Stress zu machen, alles und jedes selbst mitzubestimmen.
    Deine Unterscheidung von „system-artigen“ und „kooperativ-kommunikativen“ Mechanismen leuchtet mir nicht ein. Wenn eine Versammlung von Delegierten über ein Vorhaben abstimmt, ist das dann „system-artig“ oder „kooperativ-kommunikativ“? Was ist das Kriterium?

  58. franziska
    28. Juni 2013, 20:01 | #58

    Sofern die Relevanz und Anordnung der Punkte meines Positionen-„Formulars“ anerkannt wird, kann nun jeder seinen Standpunkt dort eintragen; ich selber möchte es tun und komme dabei hoffentlich dazu, auf wenigstens einige aus dem Schwarm von Fragen zu antworten, zu denen ich (oder andere „Kommunalisten“, mit denen ich tendenziel übereinstimme) durch meine (ihre) Äusserungen Anlass gegeben habe.
    An den Anfang stelle ich drei zentrale Ausgangspunkte MEINER Position:
    1. Ich gehe davon aus, dass die Befürwortung eigentums- und zwangfreier Vergesellschaftung über unabsehbar lange Fristen eine Minderheiten-Position sein wird. (Mattis äussert nichts über Perspektiven, scheint aber massenhaften Antikommunismus und Pro-Kapitalismus für ein wesentliches Moment des Status quo zu halten: „Aber fast alle wollen eben an der kapitalistischen Form festhalten.“) – Eine erste Formel, mit der diese Erwartung meinerseits begründet wird, ist hier entwickelt: http://neoprene.blogsport.de/2013/06/15/marxistische-gruppe-juni-1983-argumente-zum-17-juni/#comment-85285 .
    2. Die Konkretisierungen meiner „kommunalistischen“ Strategie laufen, wie immer wieder angedeutet, auf eine Abfolge von Entwicklungsstufen hinaus (Entwicklungsstufen eines derzeit völlig utopischen „kommunalistischen Sektors“ innerhalb modern-kapitalistischer Industriegesellschaften). Nicht nur die realisierten Anspruchs-Niveaus werden dabei Stufe für Stufe (qualitativ) gesteigert; sondern auf jeder Stufe kommen auch neue Motive hinzu, die zuvor nicht zu befriedigen waren. Solange die höheren Anspruchsniveaus nicht erreicht sind, kann somit, auf der tieferen Ausgangsstufe, bloss behauptet werden, dass sie – abgesehen von ihrem Eigenwert – auf Realisierung des je nächst-weitergehenden Motivs immerhin vorbereitet (wenn die Steigerung gelingt). Es wird aber nicht von mir behauptet, dass, was auf späteren Niveaus möglich wird, irgendwie auf tieferen schon da ist, man sollte also die mickrigen Start-Niveaus nicht unmittelbar an den Zielsetzungen messen, die durch Weiterentwicklung erreichbar werden. Umgekehrt sind diese Zielsetzungen nicht schon darum aufgegeben, weil sie auf den niedrigeren Niveaus noch nicht realisiert werden können. (Ein an sich simpler Gedanke, der dennoch in einigen Einwänden gegen meine Position missachtet wurde. Etwas ganz andres ist es, wenn gezeigt werden kann, dass die „niedrigeren“ Entwicklungsniveaus Beschränkungen unterworfen sind, an denen jede Weiterentwicklung scheitert.)
    Beispiel: Spezielles Anzeichen „niedriger“ Entwicklungsstände ist die Grösse der „Kommunen“. Höherentwicklung ist nach meinem Konzept untrennbar verbunden mit „Zusammenschluss“. Also bereits hier gilt: Dass anfänglich gewisse Grössenordnungen der Mitglieder-Zahlen der Einzelkommune und Intensitätsgrade ihrer Kooperation nicht erreicht werden, heisst nicht, dass sie nicht angestrebt werden; es sei denn, die Entwicklung benötigt hohe Mitgliederzahlen bereits im Ausgangszustand.
    (Meine Ansprüche an verfügbaren Reichtum, sachdienliche Kompetenz, geprüfte Bereitschaft widerspricht Neoprenes Äusserung: wenn äusserer Zwang entfällt, „dann kann jeder noch so kleine Haufen damit anfangen, er muß es nur wollen.“ Dieser Meinung stimme ich also ganz und garnicht zu, aber nicht aus den banal naheliegenden Gründen: Wenn nur „hinreichend viel“ Reichtum da ist, und „hinreichend kompetentes“ Können versammelt ist, und alle Anwesenden „“ willens und kooperatiosnbereit sind, entfallen alle Probleme. Der Witz liegt natürlich darin, die Minimalanforderungen an das Hinreichen qualitativ präzise, mit Gründen, zu benennen und abzuleiten.)
    3. Eine entscheidende weitere Randbedingung der von mir befürworteten kommunalistischen Strategie ist: Dass ich die theoretischen Voraussetzungen zum Aufbau einer zwang- und eigentumsfrei vergesellschafteten Gruppe oder gar grösserer Bevölkerungsteile für derzeit VÖLLIG unzulänglich halte. Bezeichnend an dieser Formulierung ist, dass ich (anders als beim Aufbau mit qualitativ völlig unterschiedlichen Entwicklungsstufen) hier keinen wesentlichen Unterschied zwischen verschiedenen Mitgliederzahlen sehe. Dafür gibt es eine ganz entscheidende Ausgangsthese in meinem Ansatz: Es sind nicht „Gesellschaften“, die lernen, sondern Einzelpersonen. Daran ändert sich nichts, ganz gleich, wieviele Einzelpersonen sich zum „ihnen allen“ verfügbaren Wissen verhalten. Die Frage ist immer: Was an dem, was irgendjemand erfährt, denkt, denkend verarbeitet, ist relevant genug, um ins Leben aller andern gelangen zu sollen, für wieviel solche eigene und fremde Erfahrung, Gedanken, Resultate ist Platz in einem Einzelleben? Umgekehrt: Was brauchen andere nicht zu teilen, was ist indiffernt-anders, und was macht im Leben derer, die etwas erfahren, können, kennen, gedacht haben, einen so entscheidenden Unterschied, dass alle das teilen sollten (oder im andern Fall von etwas Lebens-Wichtigem ausgeschlossen wären)? (Da kommen dann die 4 klassischen Konfliktthemen ins Spiel, die ihren Ursprung in fragwürdigen Arbeitsteilungen haben: gender, Ökologie, Theorie und Praxis, Ungleichzeitigkeit). Über diese Themen muss ich sehr viel mehr Ausführugen machen, damit deutlich wird, wovon ich spreche.
    Ob dieser Blog der geeignete Rahmen dafür ist, muss sich zeigen.

  59. Mattis
    28. Juni 2013, 21:14 | #59

    Hallo franziska,
    ich halte den Aspekt des fehlenden Wissens für nicht so gravierend. Wenn erstmal die Einsicht da ist, dass Kapitalverwertung das entscheidende schädliche Prinzip ist, und die Bereitschaft da ist, dieses Prinzip aufzugeben, dann wird der Weg auch frei für die Umsetzung ökologischer etc. Grundsätze. Das Wissen ist ja im Wesentlichen verfügbar, nur wird es eben momentan immer nur da sporadisch eingesetzt, wo es mit der Verwertung noch irgendwie kompatibel ist. Auch Konzepte über „anziehende Arbeit“ (Fourier) etc. sind rasch herbeizitiert, wenn erst einmal die Möglichkeiten für die Umsetzung eröffnet sind.
    Erst bei einer breiten Sozialisierung von Produktionsmitteln jedoch sehe ich vernünftige Konzepte in Sachen Ökologie, Arbeitsteilung etc. praxisnah diskutierbar und dann eben auch systematisch (statt nur sporadisch und eingeschränkt) umsetzbar.

  60. Kim B.
    29. Juni 2013, 14:09 | #60

    Hallo Mattis,
    Den Zusammenhang zwischen Industrie und Wertform glaubte ich eigentlich aus meiner Sicht geklärt zu haben: Erst muss die Wertform weggefallen sein. Damit ist ja durch die Rückführung von Produktion und Reproduktion auf die menschlichen Lebensverhältnisse der entscheidende emanzipatorische Schritt gemacht. Auf die Industrie bezogen wird sich alleine von daher deren Struktur und Organisation gewaltig verändern. Erst dann stellt sich die praktische Frage, wie eine für alle durchschaubare und von allen kontrollierbare kommunale Industrie zu gestalten ist. Mehr möchte ich dazu jetzt aber nicht sagen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
    Aber du hast (mal wieder) recht. Das Thema passt eigentlich nicht recht in die Kommune/Wert – Debatte.
    Gruß
    Kim

  61. 29. Juni 2013, 20:01 | #61

    „Erst dann stellt sich die praktische Frage, wie eine für alle durchschaubare und von allen kontrollierbare kommunale Industrie zu gestalten ist.“
    Wer soll da eigentlich zu den „allen“ dazugehören? Nur die in der „Kommune“? Dann wäre das sicherlich eine enorme Einschränkung für industrielle Produktion. Wer durchschaut schon die Produktion von Antibiotika oder Computerchips?

  62. franziska
    30. Juni 2013, 10:44 | #62

    Es gibt – jenseits der augenfälligen Oberflächen-Differenzen – weitere und schwieriger als die bisherigen zu erklärende Unterschiede in den Positionen, die hier aufeinandertreffen.
    Einer davon betrifft die von Mattis aufgeworfene Weg/Ziel-Frage. Die zu seiner alternative Einschätzung lautet: Die Zielsetzung wird wesentlich durch ihre Erreichbarkeit auf bestimmten Wegen BESTIMMT, oder Wege und Ziele unterliegen die möglichen Optionen stark einschränkenden Anforderungen; und zwar solchen, die zu tun haben mit dem von mir zuletzt Gesagten über die Fassungskapazitäten Einzelner als Mass. Von da aus ergibt sich sofort der Zusammenhang zum nächsten Beitrag von dir, Mattis, dem über die Rolle von Wissen (auch Äusserungen von Neoprene hier und im 17.Jnni-thread drüben sind betroffen): Genauer geht es um zweimal zwei Kategorien, nämlich: was ich mit-erleben und auch mit-beurteilen oder -können möchte oder sollte, und: was ich NICHT (auch noch) wissen, beurteilen, leisten-können brauche oder kann. Im weitesten Sinn sind damit also individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten angesprochen, und die Frage, wie sie in der Vergesellschaftung von Produktion Berücksichtigung finden (daher rühren die Einschränkungen, die ich sehe).
    NICHT WISSEN usw BRAUCHEN: Hier ist die Frage: Worin besteht das jeweils indifferent-andere verschiedener Lebensverläufe – mit wem könnte ich mir vostellen zu tauschen, mit wem nicht? (Das Prinzip des „jederzeit tauschen- (rotieren-) könnens“ oder der Indifferenz ist übrigens von Marx in einer frühen Phase seines Denkens unter dem Titel „abstrakte Arbeit“ noch als hoher Wert und Anzeige entwickelter Produktivkräfte (und unmittelbar zu erfüllende Bedingung für kommunistische „Aufhebung der Teilung der Arbeit“) behandelt worden; ich denke, dass das für ihn Wertvolle daran auch auf den hier von mir angesprochenen Punkt zielte).
    WISSEN usw WOLLEN/SOLLEN: Es wird gern vergessen, dass zweckmässige produktive Tätigkeit durchaus (mit Marx, in einer seiner Kommunismus-Formeln zu sprechen) erstes Lebensbedürfnis ist; entscheidend hier ist, wie lange und aus welchen Gründen sich die Zweckmässigkeit (welchen Zwecken gemäss?) vom Angenehmen oder Fourier-Anziehenden, Interessanten, Erfüllenden abtrennt. Woher rührt der Gegensatz? Ist Voll-Automatisierung die Lösung?
    NICHT (auch noch) WISSEN (beurteilen leisten-können) KÖNNEN: Hier wurde die entscheidende Frage bereits gestellt: In welchen Prinzipien ich mit den Zuständigen zuverlässig und glaubhaft übereinstimmen muss, um ihrem Tun und Entscheiden zu vertrauen.
    Was ich oben bei Matiis und Neoprene hierzu lese, ist eine durchaus brauchbare Illustration der Gründe, deretwegen ich gesellschaftliche Wissensverarbeitung (also Verarbeitung des für Entscheidungen NÖTIGEN Wissens durch alle beteiligte Einzelne) für ein zentrales Problem halte. Vielleicht stimmst du, Mattis, mir zu, dass da etwas sehr wohl noch den von dir anvisierten demokratischen Prozeduren vorausgeht – natürlich plädierst du für eine offene Diskussion im Vorfeld, die korrekte und hinlängliche (aber wer sagt das?) Informiertheit der Abstimmenden unterstellt. Was zur Abstimmung gestellt wird, und was nicht, was besprochen wird und was nicht, wird – bei entsprechenden Interessengegensätzen – zum eigentlichen Kampfplatz. Zumal dann, wenn die Zustimmung der Wähler an pure Glaubwürdigkeit der einen oder andern Seite gebunden ist. (Ich nenne solches Entscheiden eines auf autoritären, soll sowas heissen wie: Autoritäts-orientierten Grundlagen: Ich kenne die eigentlichen Gründe nicht, habe aber dennoch gute (Plausibilitäts-)Kriterien, um zu entscheiden, wer wohl mit was recht hat und mit was nicht. Was mir dabei plausibel vorkommt, beruht, im besten Fall, schon wieder auf meinem (unzulänglichen) Vorwissen. – Es ist nichtmal den Experten selbst zuzumuten, sich an ein solches Publikum wenden zu sollen, das ihre womöglich GUTEN Gründe garnicht kennen will – aber entscheiden will es dann doch.)
    Die Illustration besteht in vollmundigen Äusserungen wie: Das Wissen ist ja im Wesentlichen verfügbar, oder: Konzepte sind rasch herbeizitiert.
    Um Wissensmängel, etwa bei Mattis, über bestehendes Nichtwissen und Nichtkönnen aufzudecken, muss man sie halt beheben. Dazu ist uU sehr viel Aufwand zu treiben. Wenn nun aber jemand wie Mattis im grossen ganzen es für plausibel hält, dass das nicht nötig ist, wird er sich das nicht erzählen lassen, oder abbrechen, wenns aus seiner Sicht zu lange dauert (also sein Vor-Urteil nicht rasch (was das ist, sagt wieder er) genug infragestellt).
    Wer so mit (angeblichem) Wissen (der Experten) und Unwissen (seinem und dem von seinesgleichen) umgeht, hat natürlich kein gravierendes Problem damit.
    Es gibt da die leichten und unstrittigen Fälle – diejenigen nämlich, die dem industriell-technischen „Paradigma“ folgen: Stelle Gerät (zB PKW) her und zeige, dass es seinen Zweck erfüllt, hinreichend lange, hinreichend wenig reparaturanfällig, hinreichend nutzerfreundlich und leicht zu bedienen. Das wird der Verbraucher dann wohl noch beurteilen können.
    Dieses unmittelbar „Instrumenten“-bezogene Paradignma versagt aber an beinahe jeder Frage- und Problemstellung, die vor wie nach dieser „Bedien-“ und Konsum-Phase liegt.
    Sie versagt bei allen „Instrumenten“, deren Zweckmässigkeit garnicht im Einzelfall überprüft werden kann, weil dabei auf unüberschaubare (natürliche oder grosstechnische) Systeme eingewirkt werden soll: Wirksamkeits-Prüfungen in der evidenzbasierten Medizin (da tun sich Abgründe auf…); Technikfolgen-Abschätzungen; Schadensgrössen- und -Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen; korrekte Energie-Bilanzen usw (Alle sind sich einig, dass Kapitalismus sorg- und rücksichtslos gegen Mensch und Natur vorgeht. Welche grundlegenden Änderungen nötig sind, um allein das zu reparieren und dann künftig zu vermeiden, wird garnicht erst angedacht, also auch nicht überlegt, welche Probleme mit Wissensständen und Beurteilungen bei den Entscheidern auftreten. Die Frage „Wann habe ich guten Grund, jemandem zu trauen, der stellvetretend für mich forscht und praktische Entscheidungen trifft?“ wird dann sehr schnell sehr komplex.
    Beispiele von aufgrund von Plausibilisierung autoritär gläubig verworfenen Experten-Erkenntnissen liegen hier übrigens näher, als einem lieb sein kann: Anti-kapitalistische Argumente gelten bekanntlich nicht als erwägenswert, weil vorab unglaubwürdig (mit verschiedensten Begründungen). Kein gravierendes Problem im Umgang mit (Un)Wissen?
    PS: Wer auf im grossen ganzen Stagnation auf hohem Niveau der Produktion hinauswill, hat mit Wissenserwerb natürlich ebenfalls wenig Probleme. Die Frage ist, ob das Niveau stabil ist…

  63. Mattis
    30. Juni 2013, 16:38 | #63

    Hallo franziska,

    „Wer auf im grossen ganzen Stagnation auf hohem Niveau der Produktion hinauswill, hat mit Wissenserwerb natürlich ebenfalls wenig Probleme. Die Frage ist, ob das Niveau stabil ist…“

    Die Frage ist auch, ob ein niedrigeres Niveau stabil ist. Die Frage ist auch, ob eine Steigerung des Niveaus stabil machbar ist. Und so weiter. Ich erfahre bei all dem nicht, was DU als Produktionsniveau für erstrebenswert hältst.

    „ Alle sind sich einig, dass Kapitalismus sorg- und rücksichtslos gegen Mensch und Natur vorgeht. Welche grundlegenden Änderungen nötig sind, um allein das zu reparieren und dann künftig zu vermeiden, wird garnicht erst angedacht, also auch nicht überlegt, welche Probleme mit Wissensständen und Beurteilungen bei den Entscheidern auftreten.“

    Es ist doch nicht das Wissen, das fehlt, um die Rücksichtslosigkeit zu beenden. Ein Beispiel: Wenn in der Mikroelektronik-Industrie Hunderte von Menschen in Fabriksälen zusammengepfercht stundenlang dieselben stupiden Handgriffe machen müssen – irgendwelche Teile auf eine Platine stecken – was fehlt denn dann? So was kann man doch nahezu vollständig automatisieren, das ist doch kein Geheimwissen. Was fehlt, ist erstmal die Abschaffung kapitalistischer Verwertung. Und dann, was fehlt denn wirklich an Wissen für den Zweck, akzeptable Arbeitsbedingungen zu schaffen?
    In der Landwirtschaft ist es genauso. Wie kann man wiedergutmachen, dass wegen dem Pestizid- und Antibiotika-Einsatz jetzt schon viele Erreger resistent gegen antibiotische Medikamente sind? Halt erstens das Profitprinzip auch in der Landwirtschaft aufheben; dann ökologisch produzieren (dazu gibts inzwischen enorm viel Wissen) und forschen, wie man die geschehenen Belastungen in den Böden rückgängig machen kann. Warum sollten engagierte Forscher, die nicht mehr für die Verwertung denken müssen, da keine Lösungen finden? Warum soll ich mich heute mit dieser Frage detailliert befassen, wo momentan ohnehin keiner die Lösungen umsetzen würde?
    Wahrscheinlich wirst du jetzt wieder sagen: wie kann man sicherstellen, dass man den Forschern trauen kann? Erstens indem Profit und Privilegien als Gründe des Misstrauens abgeschafft sind. Und außerdem lässt man sie ja nicht unkontrolliert vor sich hin werkeln. Es sei denn, man will für die Forscher Unabhängigkeit und Selbstbestimmung (statt einer demokratisch bestimmten Planwirtschaft). Da ich das nicht will, sondern die Forschung als beschlossenes Projekt der Gesellschaft sehe, gehört die Kontrolle natürlich dazu (immerhin arbeiten die Forscher ja auch mit Mitteln der Gesellschaft, die sie nicht selbst erzeugt haben).
    So und jetzt du: bist du für die Selbstbestimmung der Forscher? Es wäre schön, wenn du mal konkret darauf antworten könntest, statt die Themen nur immer methodisch zu verkomplizieren, bis sie endgültig unlösbar erscheinen.

  64. 30. Juni 2013, 16:47 | #64

    Ich persönlich meine, daß heutzutage schon die Vorstellung oder das Bildungsprojekt, daß jeder „Alles“ wissen können sollte, angesichts der mittlerweile von der Menschheit akumulierten Wissens eine Schimäre ist. Das heißt nun nicht, daß nicht auch oder eigentlich erst eine nachkapitalistische Gesellschaft sich nicht mit all den (Wissens-)Problemen rumschlagen müßte, die Franziska angesprochen hat. Nur frage ich mich, wie in eine kommunalistischen Strategie da irgendwas vernünftiger diskutiert,entschieden und gelöst werden können soll als bei einem allumfassenden Ansatz.

  65. Mattis
    30. Juni 2013, 19:53 | #65

    Man stellt am Kapitalismus u.a. kritisch fest, dass aufgrund der privaten Produktion alle möglichen Projekte, Forschungen und Abläufe in zig-facher Ausfertigung stattfinden, was rein sachlich gesehen eine ungeheure Verschwendung an Ressourcen ist. Bei Fusionen werden dann die „großen Synergieeffekte“ gelobt, die durch die Zusammenlegung entstehen.
    Die Gefahr einer Vervielfachung (Redundanz) von Aufwand durch zig-fache gleiche Prozesse existiert natürlich in einem kommunalistischen Konzept viel eher als bei einer mehr zentral organisierten Ökonomie. Zum Beispiel das Thema Überfischung: da reicht ein Institut, das den entsprechenden Überblick behält, die Regionen sind verpflichtet, laufend die Fangquoten und andere statistische Daten zuliefern und müssen die daraus abzuleitenden Regelungen einhalten. Es wäre sinnlos, wenn mehrere Kommunen solche Institute einrichten würden; wer hätte schon Lust, mit all denen zu kommunizieren, und so ein Thema ist ja nur übergreifend sinnvoll zu regeln. Auch bestimmte Spezialkliniken mit besonderer technischer Ausstattung wird man nicht unbedingt zig-fach vorhalten, wenn der Bedarf nicht entsprechend groß ist.
    Welche Einrichtungen also zentral sind, sollte demokratisch über alle Regionen und Kommunen hinweg entschieden werden; überließe man das den Kommunen, könnten viele sich ausklammern und man würde keine einheitlichen Regelungen hinbekommen bzw. solche würden durch lokale Interessen durchkreuzt werden können.
    Ein häufiges Mißverständnis ist, dass die Zentralität von Einrichtungen in der Planwirtschaft ein Dogma sei. Als ob Planwirtschaft heißen würde, es gibt nur eine einzige Fabrik für Brillengläser, nur eine einzige Fabrik für Heizungsanlagen etc. Was für ein Unsinn! Dezentralität ist da, wo es ökologisch Sinn macht, sogar dringend geboten. Das hat aber nichts mit vollständiger lokaler Autonomie zu tun, das muss man halt wirklich unterscheiden. Ansonsten hätte man so eine Art Vielstaaterei mit „Außenbeziehungen“ – das glatte Gegenteil von Vergesellschaftung. Und jede Art übergreifender Regelung wäre absolut freiwillig und jederzeit kündbar. Zuverlässige überregionale Ansprüche auf Altersversorgung etc. gäbe es dann natürlich auch nicht; Umziehen wäre ein Risiko, weil in einer anderen Region/Kommune wieder völlig andere Regelungen gelten können, etc.
    Robert Schlosser ist typisch für eine Planwirtschafts-„Kritik“, bei der „zentral“ gleich sowas ist wie „stalinistisch“. Er lebt im permanenten Kampf gegen den Bolschewismus, und das durchdringt auch seine Texte zur dezentralen Ökonomie:

    „Zentralistische Lösungen „entfallen“ nicht im Selbstlauf, sondern dadurch, dass man sie vorbehaltlos kritisiert und auf sie verzichtet. Zentralistische Lösungen „entfallen“ nicht, wenn man am Bolschewismus festhält und diesen erklärten Feind jeder dezentralen Selbstorganisation als unverzichtbares Mittel auf dem Weg zu sozialer Emanzipation begreift.“ (“Technische Grundlagen einer modernen kommunistischen Produktionsweise“)

    Auf diese Weise macht man Dezentralität zu einem Dogma; es wird nicht mehr zugestanden, dass zentrale Organisation bei den einen Themen sinnvoll sein kann, bei den anderen ineffizient und unökologisch. Die Beweglichkeit des Denkens ist damit auf diesem Feld aufgegeben.
    Unhaltbar ist dieser Standpunkt auch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass natürlich auch auf einer regionalen und kommunalen Ebene gewisse Einrichtungen ebenfalls nur zentral – im Sinne von: nur einmal für die gesamte Region bzw. nur einmal je Kommune – durchgeführt werden. Auf jeder Ebene gibt es zentrale und dezentrale Elemente. Sowenig also die Institution eines Kreiskrankenhauses bolschewistisch ist, sowenig ist es ein gesellschaftsweites ökologisches Ministerium etc.

  66. 30. Juni 2013, 20:35 | #66

    Mehrfach-Forschung oder Entwicklung selbst Parallel-Produktion ist nicht immer Verschwendung und Unfug. Auch und gerade in einer zentral geplanten Wirtschaft sollte es sowas geben, denn gerade, wenn noch nicht klar ist, wo es wissenschaftlich, technologisch, fertigungstechnisch hingeht, wäre Redundanz vernünftig.

  67. Mattis
    30. Juni 2013, 22:48 | #67

    @Neoprene:
    Klar, sofort einverstanden; als planmäßige Pilotierung von Varianten, um schneller zu Lösungen zu kommen oder die bessere Lösung herauszufinden.
    *
    Ich frage mich gerade, ob aus Schlossers Sicht Frankreich tendenziell „bolschewistisch“ ist, weil es als „zentralistischer“ Staat firmiert im Unterschied zur föderal strukturierten Bundesrepublik? Die haben sogar ein Einheitsabitur, brrr.

  68. franziska
    2. Juli 2013, 20:30 | #68

    Ich weise vorweg nochmals drauf hin, dass das Marx-Forum thematisch festgelegt ist, aber nicht inhaltlich, sondern sich als Stätte der Auseinandersetzung über diese Themenstellung begreift. Jede Zuschreibung einer kollektiven Position zum Forum oder den dort Schreibenden ignoriert das. Speziell meine Ausführungen hier sind ausschliesslicih meine persönlichen, und sollten mit nichts und niemand im Marx-Forum in Verbindung gebracht werden, ausser in der genannten Hinsicht, dass es um Themen geht, die dort im Zentrum stehen.
    Zurück zur Debatte.
    Eigenartig: An jeder Stelle deines ganz speziellen Anliegens, Mattis, unterstellst du ungeklärte Differenzen, unterschiedliche Präferenzen, wenn nicht Interessen auf gesellschaftlicher Stufenleiter, malst sie bisweilen auch aus, um zu zeigen: hier gehts nicht nach jedermanns Geschmack, und die Gegensätze sind oft genug nur durch Zwangsanwendung zu bewältigen. Demokratische Mehrheitsvoten müssen notgedrungen Konsensfindung ersetzen, Kontrolle die „Selbstbestimmung“ der Kontrollierten, die mit derjenigen aller andern eben gerade nicht vereinbar ist. Und da ausgerechnet sollen die Machtverältnisse, die aus Arbeitsteilung, Abhängigkeiten, Wissensunterschieden, unterschiedlicihen Reflexionsständen resultieren, harmlos sein?
    Nun ja – so harmlos wie das Bestehenlassen all der andern Divergenzen, die längst unterstellt sind; so verwaltbar mit „Diskutieren“, Abstimmen, Kontrollieren, Erzwingen, heimlichem (Sabotage) und offenem Widerstand (Streik) usw.
    Es ist Staatssozialismus – gegen „Staat“ hast du ja ausdrücklich nichts – bloss eben demokratischer.
    Die Machtverhältnisse ordnen sich dort entlang den Eigentumsgrenzen, die durch „Verleihung“ gesellschaftlicher Produktions-Kompetenzen an Einzelne gezogen werden. Mit diesen Machtmitteln ziehen dann die Einzelnen in die Schlacht, jeder gegen jeden, und grössere oder kleinere Interessens-Koalitionen gegen die andern. Das Eigentum hat sich aufgesplittert in hunderttausende und Millionen kleine und grössere Monopole und ausschliessliche Verfügungsgewalten über gesellschaftlichen Reichtum, von denen viele oder alle anderen abhängen; der Kern aber des Eigenwillens, der mit dem zugestandenen Eigentum als Machtmittel durchgesetzt wird, ist die eigene Meinung, wie produziert werden soll, wenn nicht: das eigne Interesse. Das Geld ist abgeschafft, na wunderbar, die Reste der Privateigentümer-Monarchie durch Privateigentümer-Demokratie ersetzt; was hat sich sonst noch geändert? Kommunismus ist, wie man sieht, ein weiter Begriff….
    Ich möchte zur Ökologie noch etwas anmerken.
    Oben fällt dir zum „längst gewussten“ die Technologie der Voll-Automatisierung der Chipherstellung ein; die mag ja bekannt sein.
    Es war nur ganz und gar nicht das, woran ich dachte.
    „Nach allem, was ich ICH erfahre, betreten wir mit einer ökologischen Agrarwende Neuland. Die Bio-Landwirte, die versuchen, industrielle Landwirtschaft mit Umweltanforderungen in Einklang zu bringen, sind, nach allem, was man hört, dabei zu scheitern: Die Auflagen sind derart aufgeweicht, dass von Ökologie kaum noch was zu sehen ist, und dennoch rechnet es sich nicht. Es macht halt einen Unterschied, ob man die Hälfte ´eines gesamten Durchschnitts-Lebensaufwands (persönlich wie auf gesellschaftlicher Ebene; in eigentumsfreien Verhältnissen wird das im wesentlichen für alle dasselbe sein) für gesundes Essen betreiben muss, oder sich das irgendwo bei einem Zehntel einpendelt.
    Und das gilt nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion. Überall, wo ökologische Belange ernstgenommen werden, wird sofort die Frage aufgeworfen, ob industrie-technologische Verfahren länger beibehalten werden können.
    Wir haben für extrem viele Güter des gewohnten täglichen Bedarfs keinen ökologischen Ersatz. Wenn wir dazu streichen, was mit Sicherheit giftig ist, kommt das einem völligen Umsturz der gesamten Produktionsweise gleich.
    Dazu müsste das Eingeständnis kommen, dass die sogenannten naturwissenschaftlichen, im wesentlichen industrie-technologischen Wissens-Ermittlungsformen sowohl im Bereich der Grosstechnologie als auch der Biosphäre an massive Schranken ihrer Ausweitbarkeit mit zumutbaren und erschwinglichen Aufwänden stossen.
    Die Aufgabe der Entgiftung und Wiederherstellung der Biosphäre (und ihrer entgleisten geophysikalischen Randbedingunugen, wie Weltklima) ist eine Menschheitsaufgabe von epochalen Ausmassen.
    Das Wissen ist bekannt?
    Garnichts ist bekannt.“
    Und nun schau,Mattis – was da in Anführungszeichen steht, ist ungefähr genauso auftrumpfend wie deins. Man hat dies gehört und das, manches spricht für manches und dagegen; und doch hängen weitreichende Perspektiven dran, die SCHON JETZT womöglich einen Unterschied machen…
    Und da ist der Anschluss an den ersten Punkt: Wissensverarbeitung auf so primitivem Niveau, dass allenfalls „Meinungen“ entstehen, die in demokratischen Prozessen gegeneinander kämpfen können, wird den anstehenden Aufgaben bzw. Produktionsfortschritten nichtmal im Ansatz gerecht. Gedankenlose Arbeitsteilung – das ist solche, bei der nicht extrem sorgfältig erwogen wird, wer was wissen muss und eventuell nicht wisssen oder können braucht – wird ihnen nicht gerecht. Nichtvorhandener Konsens über die Aufgaben auf extrem hohem Niveau wird ihnen nicht gerecht. Kann es sein, dass die Fähigkeit, Grossproduktion zu entzerren und alles dezentral Produzierbare auch dezentral zu produzieren, allein wegen der Transport-Logistik und naturvrträglichen Produktionsweise entscheidend werden könnte? Kann es sein, dass allein die sorgfältige naturnahe Produktion der Nahrungsmittel einzurichten, Bindung der Forscher-Produzenten (denn das wären sie dann) an ein Gelände erfordert für längere Zeit (wenn die Produktionsweise funktioniert, können sie anfangen zu zirkulieren…)? – Es lässt sich hier, mit unseren Mitteln nicht entscheiden. Aber das lässt sich sagen: Nur kommunistisch auf hohem Niveau operierende Bevölkerungsteile werden diese Herausforderungen an GESELLSCHAFTLICHE WISSENSVERARBEITUNG meistern. Schon darum werden sie als einzige übrigbleiben. Wenn sie sich den Anforderungen stellen, können sie jetzt damit anfangen. (Es gibt einige andere Gründe, warum sie das vielleicht auch wollen, vgl. die 5 Punkte oben:
    http://neoprene.blogsport.de/2013/06/21/neugruendung-des-karl-marx-forums/#comment-85137

  69. franziska
    3. Juli 2013, 14:07 | #69

    (Lesefehler: Nicht von Automatisierung der Chip-Herstellung, sondern von Mikroelektronik-Geräten war die Rede.)
    Ergänzung.
    Es ist ja nicht so, dass nicht zahlreiche Bemerkungen von dir, Mattis, oben in ziemlich dieselbe Richtung gehen wie das, was ich befürworten würde. Der daran gemessen unerwartet scharfe Gegensatz beruht auf der aus meiner Warte dramatischen Unterschätzung des Problems (noch) fehlenden Wissens bzw. technologischen Könnens, der Wissensverarbeitung auf gesellschaftlicher Stufenleiter, schliesslich der Wissbarkeit mit erschwinglichem Aufwand. Damit verbinden sich, wie ich meine, drei wesentliche Konsequenzen:
    1. hinsichtlich des Status quo. Wenn da etwas auf einem quasi mit einer „letzten Anstrengung“ (der Einrichtung einer bedürfnisgerechten Produktion für alle) erreichten Produktionsniveau festgeschrieben würde, wäre das Problem erst einmal elegant umgangen. Zunächst. Produktion wäre von weiteren Wissenszuwachs unabhängig gemacht.
    Ich habe schon angedeutet, dass die dann betriebene rein „neugier-geleitete“ Forschung sowohl erhebliche Mittel braucht, als auch mögliche Innovationen hervorbringt, die mehr oder weniger tiefe Eingriffe (vor allem wieder: Ausweitung, im Sinne der Anstrengung) in den bestehenden Produktionsprozess erfordern. Und es werden viel zuviele solche Vorschläge gemacht werden, um kollektiv und geplant darauf einzugehen. Die anfangs so hochentwickelt erscheinende Produktion wird angesichts dessen als veraltet und rückständig erscheinen, bloss findet die Produzenten-Assoziation zu keinem Plan – die problem-vermeidende und konservative Strategie der Stagnation auf hohem Niveau erweist sich als Schranke. ODER… man geht zum Mattis-Modell über. Und das muss man dann auch. Denn der Satz oben „das Niveau ist nicht stabil“ bezog sich auf die ganz und garnicht neutral so oder anders verwendbaren Produktivkräfte, wie sie im Kapitalismus „entwickelt“ sind: Als hätten sich da nicht – eben WEGEN der sorg- und rücksichtslosen Produktivitätssteigerung, in der alle Folgeprobleme nach Kräften externalisiert oder auf später verschoben wurden und werden, um die aktuelle Kostenberechnung nicht zu belasten – Schäden und Risiken aufgehäuft, die sogar fortbestehen, wenn ökologische Belange ab jetzt radikal berücksichtigt würden – oder immer weiter akkumulieren, wenn einfach so weitergemacht werden soll.
    2. hinsichtlich des bereits verfügbaren Wissens um Schäden und ihre Bewältigung: Es genügt eben nicht, allgemeine Verwaltung der Produktion durch die Produzenten zu ERMÖGLICHEN, wenn zugleich ihre Verständigung untereinander sowohl über Prinzipien der Wissensverarbeitung unterbleibt, als auch das dann nötige Wissen nicht an alle gelangt (weil es auf eine völlig planlose und chaotische Weise gewonnen wird).
    Kurzexkurs: Erst dann können zB solche Projekte angegangen werden, die den Status quo radikal ändern, genau darin, dass die bisherige Pseudo-Produktivität (natürlich auch mit Blick auf die Beschädigung von Leuten, Vernachlässigung aller nicht-produktonsbezogenen Aspekten der Lebensführung) zurückgefahren wird auf realistischere und mit den beschränkteren Gesamtmitteln bewältigbare Niveaus: Die wahnwitzige Ausnutzung von „Skalenvorteilen“, die nur auf kürzeste Fristen solche sind, muss dann rückgängig gemacht werden, das permanente Expandieren und Hochfahren in die Gegenrichtung gedreht – aber das heisst auch: an allen Ecken und Enden mit geschrumpften Ressourcen auskommen müssen, diese geschrumpften Ressourcen innovativ und intelligent nutzen (darum neue technologische Prinzipien: Dezentralität, Regionalität, Modularität (einfache technische Basis-Elemente, die von allen beherrscht werden und mit wenig Zusatzausrüstung bzw. in Kombination miteinander vielfältige Aufgaben nicht optimal aber hinlänglich bewältigen: das Prinzip „suboptimal aber hinreichend, und robust, vielen Umgebungen anzupassen usw“ gilt heute kaum irgendwo). Dezentralität wird nicht nur zur Vermeidung der aufwendigen Versorgungs-Infrastruktur (Transport, Verteilungs-Logistik) nötig, sondern auch darum, weil uU die bisherige niedrige Arbeitsintensität der Nahrungsmittelproduktion nicht aufrechterhalten werden kann, und wieder viel mehr Produzenten als bisher mit Herstellung gesunder und nachhaltig produzierbarer Lebensmittel beschäftigt sein werden – das weitet sich uU aus auf die Erzeugung pflanzlicher und (Rück)Gewinnung mineralischer Rohstoffe für Arbeitsmittel und Bauen. Man sollte diese Umverteilung (mal abgesehen davon, dass das Landleben dabei ist, bei Jüngeren äusserst attraktiv zu werden) nicht nur negativ sehen: Der sich aufblähende „Gesundheitssektor“ der Gesamtproduktion wird damit uU einfach auf Normalmass reduziert, weil ernährungs- und industriegift-bedingte und weitere Zivilisations-Krankheiten wieder verschwinden. Kurzexkurs Ende
    Die Produktionsweise, die so entsteht, ist eine EXTREM integrierte, „system-artige“ – sie KANN nur auf gesellschaftlicher Stufenleiter aufgebaut und betrieben werden, sie BENÖTIGT das Wissen aller um Gesamtzusammenhänge – wegen der hoch-integriert aufgebauten technologischen Architektur, mit der da operiert werden muss (der Partner oder besser, die Basis dieser Technologie: Natur, vor allem als Biosphäre, ist übrigens ähnlich hoch-organisiert), da geht es um Forschungs-Fragestellungen und Formulierung angemessener technologischer Anforderungen. Die heutigen Trennungen, wonach man als Konsument nichts mit der Produktion des Konsumierten zu tun hat, und umgekehrt, schliesslich als zB staatlicher oder wissenschaftlicher „Überwacher“ und „Beschreiber“ des ganzen mit beidem nicht, ist nicht aufrechtzuerhalten (auch innerhalb der Produktion wird die Trennung in Ausführende, entwickler, Forschende infragegestellt). Die elenden Konflikte um subjektive Präferenzen, wie sie bei „demokratischer“ Verwaltung der Produktion unterstellt sind, kann und will man sich dort nich tmehr leisten, dort lautet die Frage vielmehr: Sind unsere Formen der Wissensvermittlung und rationalen Wissens-Verarbeitung den Integrationsleistungen gewachsen, die unsere revolutionäre ökologische und bedürfnisgerechte Produktionsweise dann erfordert? – Wenn die Frage von dieser Seite her gestellt wird, wird deutlich, warum schockartiger Übergang in Gestalt von „Revolution“ zu diesen neuen Produktionsprinzipien sich fast von selbst verbietet. Mal abgesehen davon, dass NICHTS darauf hindeutet, dass eine solche Übergangsform unvermeidlich ist. Der Aufbau der epochal neuen Verhältnisse (in jeder Beziehung; nicht nur wissenschaftlich, technologisch, ökonomisch; es betrifft ja auch das Abarbeiten des Gefälles zur historisch zurückgebliebenen gesellschaftlichen Umgebung und deren (Eigentümer-, religiösen- ua) Einstellungen) kann garnicht anders als langsam und sorgfältig stattfinden. Dabei muss immer im Blick behalten werden, dass die Verwalter-Forscher-Techniker-Gesellschafts/Geschichtstheoretiker-Produzenten nur EIN Leben haben, in dem die ganzen Erkenntnisse und Tätigkeiten unterzubringen sind. Es sollen ja keine Übermenschen sein, die das leisten, sondern es soll „bedürfnisgerecht“ zugehen.
    3. Damit ist noch eine ganz andere Dimension der aktuellen Wissens- und Wissbarkeits-Überschätzung betroffen: Dass es uU prinzipielle GRENZEN des für uns Wissbaren und Wissenswerten gibt; und: Beschränkungen der GESCHWINDIGKEIT, mit der selbst die Menge des Wissenswert-Wissbaren allenfalls zunehmen kann und darf, um noch für die Beteiligten bedürfnis- und fähigkeitengerecht (genau genommen, ist das ein- und dasselbe) verarbeitbar zu bleiben.
    Grenzen der Erforschbarkeit betreffen sämtliche biologischen Strukturen und Zusammenhänge jenseits dessen, was heute gerade noch im Horizont der Forschung liegt: Organische Grossmoleküle (vorneweg das Genom; dazu Enzyme, kleine Zellorganellen). Deren physiologische Verknüpfung in Zellen oder gar Zellverbänden (Wachstum, Organe, Systeme (zB Immun-, Nerven-,)) scheint gerade noch, wenn überhaupt, dem Prinzip nach verstehbar – die Erhebung von Zusammenhangs-Befunden im Einzelfall übersteigt jede Verarbeitungskapazität. Ähnliches gilt für organische Systeme wie zB das Bodenleben. Das hat eine für Produktionsentscheidungen ganz zentrale Konsequenz: Wir können zur Beurteilung von Technikfolgen (etwa „messbare“ toxikologische Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit) uns weitgehend nicht auf „exakte“ naturwissenschaftliche Expertisen stützen – nicht, wenn es um Umgestaltung biologischer Strukturen geht. Am ehesten noch feststellbar ist Vorhandensein oder Nichtmehrvorhandensein von nicht-biologischen Stör-Einflüssen, die aus den biologischen Systemen ferngehalten oder wieder extrahiert werden.
    Grenzen der Erforschbarkeit betreffen weiter die quasi-lebensähnliche, quasi-organismische Komplexität von Grosstechnologie, technologischer Systeme (zB Verkehr), sowie „dynamisch“ sich verändernder Lagerstätten von Gefahrgütern (incl. Nuklear- und Weltraum-Müll), deren (Dys)Funktionalität (trotz Kontrolle über sämtliche Einzelkomponenten) beinah überwacht werden muss wie die eines unbekannten Naturgebildes.
    Grenzen der Erforschbarkeit betreffen komplexe geophysikalische Systeme (Klima, Meeresströmungen, Erosion), bei denen nicht einmal mehr die Einzelkomponenten bekannt sind, und die Modellierungen bestenfalls an den bekannten Verläufen validiert werden können.
    Eine ganz andere Frage ist: Wie es eigentlich um die Erforschbarkeit unserer eigenen Funktionsweise bestellt ist? Was hat es eigentlich mit „Bedürfnis“ und „Fähigkeit“ auf sich – im Zeitalter ihrer (vermeintlichen) pharmakologischen Formbarkeit und Verschmelzbarkeit mit technologischen Aggregaten („Transhumanisierung“)?

  70. Mattis
    3. Juli 2013, 18:51 | #70

    Hallo zusammen,
    der Punkt, warum des öfteren eine sehr kleine Größenordnung von Kommune angesprochen wird – auch von mir ab und zu – ist doch nicht verwunderlich angesichts des immer wieder genannten Ideals, von Experten unabhängig zu werden. Da denkt man doch automatisch an eine sehr kleine Gruppe ohne nennenswerte Arbeitsteilung. Dieses Ideal bedeutet ja in letzter Konsequenz, dass man am besten alles selbst macht und nur den eigenen Erfahrungen vertraut. Das ist für mich eine weltfremde Position, ich halte sie weder für realisierbar noch für erstrebenswert. Schon die Kommune Niederkaufungen mit ihren 100 Leutchen hält „Experten“ für etliche Tätigkeiten für unvermeidbar, trotz ernsthafter Bemühungen um das Rotationsprinzip. Warum nimmt man solche Erfahrungen von wirklich engagierten Kommunen nicht ernst?
    Man sollte das Thema Experten auch nicht mit dem Thema zentral/dezentral vermischen. Meine Waschmaschine ist eine lokale Installation, also ziemlich dezentral. Trotzdem verstehe ich nichts davon, bedienen kann ich das Ding ja, aber ich könnte keine Reparatur durchführen. Und wenn ich mich schlau machen würde? Dann würde ich von Experten lernen und in begrenztem Rahmen quasi selbst einer werden.
    Wenn man nun unter einer Kommune sogar ganze Städte oder Landkreise verstehen will, dann wird so ein ablehnender Standpunkt in Sachen Experten vollends unverständlich. Auch dann noch von „Kommunarden“ zu sprechen, wie Kim das tut, finde ich dann völlig unpassend, und führt schnell wieder zur Vorstellung, es handele sich um eine überschaubare Größe. Wie soll man sich denn im Falle einer Stadt ein wöchentliches Kommune-Plenum vorstellen, auf dem alles Wichtige debattiert und entschieden wird, weil man nichts an Experten abgeben will? Keinerlei Full-time-Jobs in der kommunalen Organisation?
    Experten sind doch nicht an und für sich ein Problem, sondern nur insofern, wie sie sich zu Dienern für Profit oder Legitimation machen und für diese Zwecke falsches Zeug erzählen. Da sind wir aber beim Thema Gesellschaftsordnung und nicht bei einem überhistorischen Thema namens Expertenabhängigkeit. Die letztendliche Abhängigkeit, die unvermeidlich bleiben wird, gehört m.E. einfach zu dem Preis dafür, dass wir keine Kraken sind, sondern in Gesellschaft leben.
    Zu den anderen Themen kommt noch was, aber meine Zeit ist knapp – und wäre noch viel knapper, wenn ich auch noch meine Waschmaschine studieren müsste 😉

  71. Mattis
    3. Juli 2013, 21:13 | #71

    „Die Aufgabe der Entgiftung und Wiederherstellung der Biosphäre (und ihrer entgleisten geophysikalischen Randbedingunugen, wie Weltklima) ist eine Menschheitsaufgabe von epochalen Ausmassen. Das Wissen ist bekannt? Garnichts ist bekannt.“ (franziska)

    Ich bestreite nicht, dass es da tausend offene Fragen gibt. Aber ohne dass man über die entsprechenden Forschungen (und Forschungsmittel) bestimmen kann, kommt man da auch nicht wesentlich weiter. Natürlich kann man sich 100% in einem Greenpeace-Forschungsprojekt engagieren etc., aber davon bekommt man keine Änderung der Verhältnisse, also bleibt alles Theorie in der Schublade. Hätte man sich vor dreißig Jahren als Kommunarde die Nerven dünn gemacht, um eine Ablösung für die üble Fotochemie zu finden, wäre man kaum fündig geworden. Durch die Digitalisierung hat sich die giftige Chemie für Fotofilme und deren Entwicklung großteils erübrigt (ohne deutliche Aufwandserhöhung: nicht jede bessere Lösung bedeutet mehr Arbeitsaufwand).
    Man kann sich nicht präventiv um alles auf einmal kümmern. Zumal nicht ohne die Chance, selbst gründlich forschen zu können, denn die Mittel fehlen, und ohne Einfluss, die Einsichten auch signifikant umzusetzen.
    Mit der Überwindung des Kapitalismus ist natürlich nicht all das benötigte Wissen zu einer ökologischen Umkehr auf einen Schlag vorhanden, aber ausreichend viel, um schon mal ganz anders an die Sache ranzugehen. Wenn man dann mit vereinten Kräften neue Lösungen sucht (z.B. rest-loses Recycling aller produzierten Stoffe und dergleichen), wird man auch welche finden.
    Das Wissen, welches wirklich fehlt, ist das Wissen über die politische Ökonomie des Sozialismus. Dieses Fehlen – seit 150 Jahren und mehr – ist wirklich gravierend. Da sind mir zu viele wichtige Fragen offen. Das ist also die naheliegendste Aufgabe. Deshalb ja auch die Auseinandersetzung mit allen möglichen Konzepten und Theorien, auch mit Erfahrungen, deren Wiederholung kein Mensch braucht. Es zeigt sich dabei zunächst mal, was nicht geht oder was nicht zumutbar ist. Aber das ist, zugegebenermaßen, noch kein positives Wissen; diejenigen Teile, die schon mal brauchbar erscheinen, ergeben noch keinen schlüssigen Gesamtzusammenhang.

  72. Bakunin
    3. Juli 2013, 23:07 | #72

    Man könnte gerade meinen, sich hier beim Verlauf dieser Diskussion in einem typisch bürgerlich-universtären Politik-Seminar zu befinden.
    So richtig der Gedanke ja ist, dass jeglicher neuer Sozialismus eine entsprechende Politische Ökonomie als übergeorneten Rahmen, grundlegender Theorie einer neuen, sozialistischen Wirtschaftsführung bedarf, so falsch ist doch zugleich die Vorstellung, sich diese aus den Fingern, bzw. dem Kopf saugen zu können.
    Diese Politische Ökonomie des Sozialismus kann nur und ausschließlich aus den ökonomischen Bedingungen, dem ökonomischen Entwicklungsstand, welcher der heutige Kapitalismus als Weltsystem erreicht hat, abgeleitet, entwickelt werden.
    Der heutige Kapitalismus hat im Gegensatz zu 1917/18 alle Bedingungen ausreichend geschaffen, um durch eine zügige Vergesellschaftung aller wichtigen Produktionsmittel eine neue, sozialistische Ökonomie relativ schnell zu schaffen.
    Was sollte denn, z.B. beim heutigen Stand der Informationstechnologien so schwer daran sein, eine vernünftige geplante Wirtschaft, eine echte Planwirtschaft ohne „bewusster Anwendung des Wertgesetzes“ à la Realsozialismus, auf die Beine zu kriegen?
    Wissen nicht auch schon heute die Filialleiter eines jeglichen Supermarktes, die Einkäufer von allen sonstigen Unternehmen ziemlich genau jeglichen Bedarf recht exakt zu erfassen?
    Man könne nicht den Bedarf jeden Nagels, jeder Schere, Schraubenziehers, Bohrmaschine und, und, und etc…. erfassen, so die zahllosen bürgerlichen Apologeten…., jeder Obi-Leiter täte im normalen Berufsalltag einen Lachanfall kriegen!
    Und möge da keinen mit dem Realsozialismus, seinen Mängeln kommen, denn diese Systeme waren nachholende Systeme eines zuvor sehr niedrigen Niveaus der vormaligen kapitalistischen Produktivkraftentwicklung, zudem auch noch von vielen wichtigen Zugängen seitens des kapitalistischen Weltmarktes teils abgeschottet, teil nur höchst dikriminierend zugelassen.
    Die Politische Ökonomie des Realsozialismus ist daher für die heutigen Verhältnisse nicht mehr brauchbar, historisch weitgehend überholt.
    Es gilt daher, die Nasen tief und vorurteilsfrei in die jetzige kapitalistische Ökonomie zu stecken, denn nur dort sind alle Elemente einer zukünftigen neuen sozialistischen Ökonomie zu entdecken, theoretisch abzuleiten und zu verallgemeinern.

  73. 4. Juli 2013, 11:17 | #73

    Ach, Bakunin, was hast du doch für goldige Vorstellungen über das bürgerliche Universitätsleben. Das ist schon blöd genug, ärgerlich ist aber, daß du in bester Uni-Manier überhaupt nicht inhaltlich zur Kenntnis nimmst, geschweige denn dir durch den Kopf gehen läßt, was hier (und anderswo ja auch schon lange lange Jahre) so unterschiedlich geschrieben wurde:
    „Diese Politische Ökonomie des Sozialismus kann nur und ausschließlich aus den ökonomischen Bedingungen, dem ökonomischen Entwicklungsstand, welcher der heutige Kapitalismus als Weltsystem erreicht hat, abgeleitet, entwickelt werden.“
    Aus welchem verblichenen Lehrbuch des Marxismus-Leninismus hast du denn das wieder vorgeholt?
    Warum war es denn 1917 ex-post betrachtet nicht möglich und warum geht es jetzt auf einmal doch mit dem Sozialismus?
    Wie kommst du denn auf die blöde Idee, das der kapitalistisch festgestellte „Bedarf“ schon eine schöne Richtschnur für sozialistisches Wirtschaften wäre?
    Ist für dich das „Nachholen“ kapitalistischer Produktivkraftentwicklung wirklich keinen kritischen Gedanken wert?

  74. Mattis
    4. Juli 2013, 14:30 | #74

    Hallo Neoprene,
    habe gerade im marx-forum gesehen, dass dort dein Kommentar als „Privatidee von Kommunismus“ abqualifiziert wurde und du von einem Moderator als künftig zu ignorierende Person definiert wurdest. Angeblich sollte das Forum in seiner Version 3.0 nicht mehr auf eine bestimmte Richtung festgelegt sein. In der Neugründungserklärung (eingangs zu diesem Thread zitiert) hieß es u.a.:

    „Unsere gemeinsame Zielsetzung ist ein selbstbestimmtes Leben für Alle in einer freien Gesellschaft.
    (…)
    Wie das im Einzelnen aussehen kann und auf welchem Weg wir zu einer solchen Gesellschaft mit emanzipierten Individuen gelangen, darüber haben wir keine einheitlichen Vorstellungen.“

    Die Oberhoheit über das, was man unter Emanzipation zu verstehen hat und welche Ansichten einen Tritt in den Hintern kriegen, bestimmt dort allerdings der diensthabende Moderator. Immer schön unter dem Vorwand, man sei ja „polemisch“ geworden.
    Klar, dass Formulierungen wie „Privatidee von Kommunismus“ dagegen meilenweit von Polemik entfernt sind. Soll wohl heißen: was ist schon ein Standpunkt wert, der nur von einem einzelnen Individuum geäußert wird.

  75. Mattis
    4. Juli 2013, 14:43 | #75

    Hallo Bakunin,

    „Diese Politische Ökonomie des Sozialismus kann nur und ausschließlich aus den ökonomischen Bedingungen, dem ökonomischen Entwicklungsstand, welcher der heutige Kapitalismus als Weltsystem erreicht hat, abgeleitet, entwickelt werden.

    Es gilt daher, die Nasen tief und vorurteilsfrei in die jetzige kapitalistische Ökonomie zu stecken, denn nur dort sind alle Elemente einer zukünftigen neuen sozialistischen Ökonomie zu entdecken, theoretisch abzuleiten und zu verallgemeinern.“

    Genau das haben die „Realsozialisten“ doch gemacht – sie glaubten allen Ernstes, Mittel und Methodiken des Kapitalismus müssten nur in einen neuen Rahmen gesteckt werden und das Feuerwerk der Produktivität geht ab.
    Die Elemente der kapitalistischen Ökonomie sind Elemente eines nicht-bewusst gesteuerten, nicht-geplanten gesellschaftlichen Zusammenhangs. Für den Sozialismus als Gesellschaft, die endlich mal „mit Wille und Bewusstsein“ einzurichten ist, muss man sich schon was Neues einfallen lassen.

    „Wissen nicht auch schon heute die Filialleiter eines jeglichen Supermarktes, die Einkäufer von allen sonstigen Unternehmen ziemlich genau jeglichen Bedarf recht exakt zu erfassen?“

    Hat jemand behauptet, die Bedarfsermittlung sei das Problem?

  76. Bakunin
    4. Juli 2013, 15:13 | #76

    Hallo neoprene,
    die alten verblichenen M-L Lehrbücher schätze ich nicht sonders, das beste Buch war da ja noch das Lehrbuch Politische Ökonomie aus dem Jahre 1955, an dessen Ausarbeitung noch Stalin aktiv teilgenommen hatte.(siehe: J.W.Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UDSSR, 1952)
    Und wo habe ich denn gemeint, dass der Sozialismus 1917 nicht möglich gewesen sein sollte, sondern erst heute?
    Lenin, Stalin, die damaligen Bolschewiki haben doch längst den Beweis angetreten, dass er auch damals schon möglich war, wenn auch unter äußerst ungünstigen personellen und materiellen Voraussetzungen.
    Es ist ja das große historische Verbrechen der deutschen Mehrheits-SPD von 1918, den Sozialismus, welcher auch in Deutschland 1918 auf der Tagesordnung stand, mit verlogensten und demagogischsten Manövern (siehe Reichsrätekongress im Dezember 1918) verhindert, („sozialistische Republik Deutschland“, „Sozialisierungen“…), den alten Eliten erneut zu wieder vollen Macht verholfen zu haben, damit objektiv auch zur Wegbereiterin des Faschismus wurde.
    Worauf ich aber unbedingt hinaus will ist, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die materiellen und personellen Voraussetzungen für einen erfolgreichen und weitgehend unblutigen Übergang zum Sozialismus noch nie in der ganzen Geschichte so günstig waren wie heute.
    Der ungeheuere Konzentrationsgrad der Produktionsmittel, das hohe fachliche, berufliche Niveau sehr vieler heutiger moderner Proletarier, von Facharbeitern bis hin zu Technikern, Wissenschaftlern, Ärzten, Informatikern, allen möglichen Spezialisten, Bankleuten wäre eine absolut sichere Grundlage für einen neuen Sozialismus auf einem weit höheren gesellschaftlichen Niveau als der 1989 abgetretene.
    Alle Mittel, alle dafür benötigten qualifizierten Menschen sind da, fix und fertig, diese gewaltige, wenn auch kunterbunte proletarische Masse von Lohnknechten auf allen Ebenen, sie müsste doch im Grund nur erwachen, sich organisieren und dann gegen die jetzt noch herrschenden Mächte loslegen, entmachten, enteignen, gesellschaftlichen Eigentum an den ohnehin fast nur noch gesellschaftlich in Betrieb zu setzenden Produktionsmitteln herstellen, die Wirtschaft im Interesse aller Menschen planen.
    Und wenn das den heute noch Herrschenden nicht passt? Nun, dann sollen sie verschwinden, sich sonstwo herumtreiben.
    Es kommt also alles nur darauf an, nach der Machtübernahme die Produktionsmittel sinnvoll und effektiv nun im Interesse der breiten Allgemeinheit in Gang zu setzen.
    Und dazu sollten die Millionen von qualifizierten Proletarier nicht fähig sein?
    Ebenso könnten sich die Bauern, die Weinbauern (welche es ja schon heute überall tun) sich zur genossenschaftlichen Produktion zusammenschließen, die Vorteile dieser Art von Landwirtschaft sind für alle Beteiligten enorm.
    Wozu sich bei dieser Sachlage also permanent emanzipatorische kleine Produktions- und Lebens-Sekten nach wohl Art der Mormonen(?) aus den Fingern saugen?
    Und überhaupt, Rückkehr zu kleinen „emanzipatorischen“, sprich: kleinbürgerlichen Produktionseinheiten, was für ein reaktionärer Unfug.
    Bei solchen „Theoretikern“, wie sie sich so hier und da outen, da lobe ich mir sogar wieder die guten alten echten Kapitalisten, Banker und Manager, die blicken wenigsten in die Zukunft, wenn auch vorwiegend in deren profitable eigene.

  77. Bakunin
    4. Juli 2013, 16:22 | #77

    Mattis
    04. Juli 2013 um 14:43 Uhr
    Hallo Bakunin,
    „Hat jemand behauptet, die Bedarfsermittlung sei das Problem?“
    Du nicht, ich nicht, die MG/GSPler auch nie, aber leider wird dieser dumme Kalauer von Antikommunisten, Neunmalklugen immer und immer wieder und wieder aufgewärmt bis zum Erbrechen.
    Wenn ich von allen produktiven und organisatorischen Elementen spreche, welcher der heutige Kapitalismus auch für einen zukünftigen Sozialismus bereits im großen Umfang geschaffen hat, dann meine ich keine Börsen, keine Werbeagenturen, und schon gar keine Lohnarbeit auf Dauer, kein bürgerliches „Team-Work“, keine Arbeitsämter, selbst die Banken nur sehr bedingt für eine gewisse Übergangsphase, sondern die komplexen Produktions- und Handelseinheiten, die Informationstechnologien, die landesweiten Energieversorgungs- und Verkehrseinrichtungen, das weitentwickelte Gesundheitswesen und eben die Massen qualifizierter zumeist lohnabhängiger Menschen, die dies alles tagtäglich in Gang setzen, in Gang halten.
    Das sind die Elemente, Voraussetzungen!
    Lenin meinte genau das, als er den Imperialismus als u.a. auch „Vorabend der proletarischen Revolution“ definierte, er hatte genau diese materiellen Voraussetzungen im Auge.
    Wenn das alles schnell in Gang gesetzt wird zur wirklichen guten Bedarfsbefriedigung für ALLE, also sozialistisch, dann fallen auch unverzüglich viele heutigen Profit bedingten Schranken zur weiteren Steigerung von Produktion und Entwicklung weg.
    Gerade ein richtiger Sozialismus wäre also das richtige Rezept zur weiteren Steigerung der menschlichen Arbeitsproduktivität, zur viel besseren Bedarfsbefriedigung für ALLE, und für ALLE letztlich zu viel mehr persönlicher Freizeit für sonstige Aktivitäten: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedüfnissen!“
    Natürlich muss es da eine Lern-Ausbildungs- und Arbeitspflicht für alle dazu Fähigen geben, auf Kosten fremder Arbeit wird da niemand mehr leben können und dürfen.
    Klar, für unsere Bourgeoisie und deren Lakaien und Kostgänger natürlich der „Gulag“ schlechthin, daher zumeist völlig unverbesserliche Hard-Core Antikommunisten.
    Wie das dann alles ganz konkret und im Einzelnen organisiert werden wird, das wird uns erst die Zeit zeigen.
    Ich vermute, das alles wird erst Schritt für Schritt umgesetzt werden, werden einige Dinge noch eine gewisse Weile „kapitalistisch“ weiterlaufen müssen, allein schon deshalb, um kein wirtschaftliches Chaos hervorzurufen, welches ja sehr schnell eine Konterrevolution auf den Plan rufen könnte.
    Auch hier also gemach, gemach….

  78. franziska
    4. Juli 2013, 19:03 | #78

    Mattis, der Wal hat sich im Marx-Forum selbst aus der Moderation verabschiedet, er geht demnächst in Urlaub und ist wohl ein wenig… reizbar. Das, was er gegen Neoprene (aus)gedrückt hat, war KEINE Moderatoren-Funktion, sondern der ganz private Igno-Knopf, der jedem Teilnehmer zur Verfügung steht. Vielleicht liest er Neoprenes Beiträge jetzt heimlich trotzdem, 😀 Wie auch immer, es war und ist seine Privatsache. Ich jedenfalls les gerne alles, was Neoprene uns zu sagen hat, und ignoriere es hoffentlich kein bisschen.

  79. 4. Juli 2013, 19:46 | #79

    Nur kurz zu Wals Verärgerung über meine Verärgerung:
    Eigentlich ging es mir mehr um solche Parade-Kommunalisten/innenwie Kim, wo regelmäßig über die argumentativen Einwände (die ja nun wahrlich nicht von mir allein komen) locker hinwegkomentiert wird). Da spüre ich noch nicht mal das Problembewußtsein, was jemand wie Franziska an den Tag legt. Das steht mir wahrscheinlich nicht mal politisch näher, damit kann man sich aber (hoffentlich) produktiv reiben.
    Zu Bakunin und (für mich erstaunlich auch) Mattis:
    Beide tun so, als ob die sozialistische Inbesitznahme der vom Kapitalismus übernommenen Produktivkräfte, „Kentnisse“ usw. das Einfachste auf der Welt wäre. Selbst die Bedürfnisse, um die es dann gehen soll, sind doch durch die kapitalistischen Geselschaftsverhältnisse deformiert und müssten auch in nicht unbedeutendem Maße „anders“ werden. Da lese ich lieber Franziskas Sorgen diesbezüglich als dieses kommunistische sich gegenseitig auf die Schultern klopfen.

  80. Mattis
    4. Juli 2013, 20:58 | #80

    „Beide tun so, als ob die sozialistische Inbesitznahme der vom Kapitalismus übernommenen Produktivkräfte, „Kentnisse“ usw. das Einfachste auf der Welt wäre. Selbst die Bedürfnisse, um die es dann gehen soll, sind doch durch die kapitalistischen Geselschaftsverhältnisse deformiert und müssten auch in nicht unbedeutendem Maße „anders“ werden.“ (Neoprene)

    Was ich Bakunin entgegnet habe, ist: das Problem ist nicht, zu erfahren, was die Leute wollen.- Das Problem liegt gerade darin, was sie wollen und wieviel davon und wie und wo die Entscheidungen darüber getroffen werden, was man davon realisieren kann und will und wie. Wer darüber Bescheid weiß, mag es hier posten!
    Ein Wal Buchenberg sagt: die Kommunen werden sich über das notwendige Hin und Her der benötigten Güter verständigen. Und was sind die Kriterien dieser Verständigung? Tauschen? Jeder bekommt einfach, was er gerne möchte? Und wenn der Wille da, aber die Mittel fehlen? Beginnt dann die Suche: welche Kommune kann uns XY zukommen lassen, ewiger Dank gewiß?
    Die Antwort auf solche prozess-orientierten Fragen überlässt man der Zukunft, das ist die Lieblings-Ausflucht. Ständig heißt die Parole: weil man das jetzt noch nicht konkret sagen könne. So hört man es unisono vom GegenStandpunkt über die radikale Linke bis zu den Kommunalisten und den Kommune-Verfechtern. Teufel auch: wir wissen es doch nicht mal abstrakt zu bestimmen, und kaum einer hat ein Problem damit!

  81. Mattis
    4. Juli 2013, 21:12 | #81

    Bakunin hat sich präzisiert, nachvollziehbar. Allerdings, Bakunin, die Elemente, die der Kapitalismus übernahmefähig entwickelt hat, sind sachliche, und nicht, worauf es mir ankommt, politisch-ökonomische. Man weiß z.B., wie man eine automatisierte Produktionsstraße bauen kann und so weiter, das ist ja ok, man hat Ergebnisse aus der Bionik-Forschung, super. Dass man damit anstelle der bisherigen Produkte manche andere und anders – nachhaltiger, angenehmer etc. – produzieren wird, da gehe ich einfach davon aus, dass du da keine Einwände hättest. Aber das Wie der Entscheidungswege – diesesProblem wollte ich benannt haben. Deshalb habe ich gesagt: die Prinzipien der politischen Ökonomie fehlen, nicht das technologische und formal-organisatorische KnowHow.
    Franziska ist auf ihre Weise schon weit eher an dem Punkt; wenn auch auf eine Weise, die ich so nicht teilen kann. Aber die Ebene, auf die sie schaut, ist wichtig – eine Ebene, die von Wal, Kim und anderen nur aufschiebend (Motto: später wird man schon sehen) behandelt wird. Das halte ich für grob fahrlässig. Wal Buchenberg z.B. steht auf dem Standpunkt, dass es nichts bringt, die Lohnarbeiter für ein bestimmtes Wirtschaftsmodell zu gewinnen, weil sie eh noch nicht darüber entscheiden könnten. Tolles Argument. Wie aber sollten sie dann jemals in die Lage kommen können, um darüber zu entscheiden? „Die Entwicklung“ wird gar nichts ergeben – es wird auf der Linken nur das als „Entwicklung“ geschehen, was man bewusst will und dann durchsetzt.
    *
    Viele Linke manövrieren sich durch ihre tiefsitzende Skepsis gegenüber Experten und administrativen Funktionsträgern in eine Sackgasse. Oft wird Marx dafür als Beleg vorgebracht, vor allem seine Stellungnahmen zur Pariser Kommune, zum Bürgerkrieg in Frankreich.
    Das ist aber ein Eigentor. Unter Kommune hat Marx nicht einfach einen autonomen Flecken auf der Landkarte, sondern eine regionale Delegiertenversammlung verstanden, von der dann die Regional-Verwaltungen beauftragt werden (die Verwaltungen sind also als Organe mit hauptamtlichen Funktionsträgern unterstellt!). Die Delegierten sind politische Funktionäre, die allerdings einen normalen Arbeiterlohn bekommen. Die regionalen Kommunen befinden in übergreifenden Abstimmungen über dasjenige Regierungsgeschehen („Maßregeln“), das landesweit, also kommune-überregional Gültigkeit haben soll. Die Umsetzung geschieht durch entsprechende Fachleute, die allerdings nicht mehr beamtete Privilegien-Inhaber sind. Der Staat wird um sein Gewaltpotential reduziert auf die gesamtgesellschaftlich unverzichtbaren Funktionen.
    Das ist eine Variante föderalistischer Staatsorganisation, was sonst. Ist ja auch nichts Schlimmes. Aber was ist daran jetzt bitte Beleg dafür, dass man dezentral statt zentral befürworten soll? Was soll, wenn man Marx in seinem Kommune-Verständnis zustimmt, dann noch das Gezeter gegen zentrale Entscheidungen, wo diese sinnvoll und notwendig sind? Wo ist hier Selbstbestimmung in Gegensatz stehend zu Funktionären und Verwaltungsspezialisten? Man sollte Marx halt schon genauer lesen.

  82. 4. Juli 2013, 21:25 | #82

    Ja, Mattis, eine postkapitalistische sozialistische Version der Weihnachtswunschzettel der Kinder dann für alle, sowas wäre dann einfach zu haben.
    Mir ging es darum, daß dieses Wunschpaket grundsätzlich genauso problematisch ist, wie die dann vorhandenen Produktivkräfte für ihre Befriedigung. Und dies nicht erst, wennman beim Zusammenadieren der Wunschzettel feststellen muß, das das nicht hinzukriegen ist. Es geht also um den Spagat zwischen „Können“ und „Wollen“. An beidem wird „man“ drehen müssen.

  83. Bakunin
    4. Juli 2013, 21:32 | #83

    Hi neoprene,
    nicht alle Bedürfnisse der heutigen Zeitgenossen sind kapitalistisch-gesellschaftlich deformiert.
    Essen, Trinken, Wohnen, Bildung, Kultur, Sport, Vereinsleben, sogar das Heiraten und alles drumherum, dies alles muss auch im Sozialismus organisiert werden, weshalb sollte sich da nicht in freien öffentlichen Diskussionen und vielleicht folgenden Abstimmungen verbindlich geeinigt werden können?
    Überflüssiger Luxus, Protzartikel, quasi-feudale Wohnsitze, wer könnte daran schon Interesse haben als die Mitglieder und Kostgänger der heutigen Eliten?
    Diese Leute müssten halt nach einer gesellschaftlichen Umwälzung für lange Zeit von allen wichtigen gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden, was sonst?
    Diskutiert und später organisiert müssten alle wichtigen gesellschaftlichen und natürlich ökonomischen Entscheidungen immer auf einer allgemeinen gesellschaftlichen Ebene, so dass die dann gefällten Entscheidungen und Beschlüsse auch für ausnahmslos alle Gültigkeit haben.
    Hierzu bedarf es eben auch echter Volksvertretungen mit Deputierten, welche direkt ihre Wähler vertreten, für die Durchführung aller Beschlüsse aber auch persönliche Verantwortung tragen, jederzeit abberufen werden können bei Fehlverhalten, eigenmächtigen, gesellschaftsfeindlichen Verhalten.
    Nach breiten gesellschaflichen Diskussionen werden Abstimmungen und Volksentscheide bestimmt eine wichtige Rolle spielen.
    Auch dann wird es Mehrheiten und Minderheiten geben, werden sich Minderheiten zumindest vorübergehend Mehrheiten unterordnen müssen, sozialistische Demokratie eben, noch kein Kommunismus, nur dessen Vorbereitung, Aufbau!
    Habe ich mit meinen Gedanken ein wenig gedient?
    Hoffe mal….

  84. 4. Juli 2013, 21:56 | #84

    „Essen, Trinken, Wohnen, Bildung, Kultur, Sport, Vereinsleben, sogar das Heiraten „

    Man könnte meinen, Bakunin, daß so ungefähr alle linken Diskusionen der letzten Jahrzehnte bei dir nichts, aber auch gar nichts in Frage gestellt haben.
    Essen: Da sind allenthalben Veganer im Vormarsch, was sagst denen, bzw. Was würdest du Leuten entgegenhalten, für die Fleischessen wollen unter die sieben Todsünden fällt?
    Trinken: Es ist schon sehr lange her, aber auch in der Arbeiterbewegung hat es Kampagnen gegen das Saufen gegeben.
    Wohnen: Von der Diskussion über die Stalin-Allee bis zu wüstesten Blog-Streitereien kann man ablesen, daß das einer der wichtigsten Diskussionspunkte wäre.
    Bildung: Da gehörten doch 80 % aller Schulbücher und Lehrer gleich mit dazu einer nützlichen anderen Verwendung zugeführt.
    Kultur: Das ist nun wirklich ein so weites, selbst in der bürgerlichen Welt kontrovers gesehener Bereich, daß ich mir da Fetzereien bis zum Abwinken vorstelle.
    Vereinsleben: Das ist ja wohl so ungefähr das Erste, was, wenn schon nicht verboten, so doch aufs Äußerste bekämpft gehört, ich sage nur „Fasching!“

  85. Bakunin
    4. Juli 2013, 22:19 | #85

    Du willst in einem neuen Sozialismus wirklich Vereine und Fasching, wenn schon gnädigerweise nicht gleich verbieten, so doch bekämpfen? Wirklich?
    Auf so eine Idee wäre der gute Walter Ulbricht nie gekommen, und ich ich glaube, selbst der Genosse Stalin wäre bei so einem asketischen Sozialismus- „Entwurf“ vor Schrecken erbleicht, hätte sich bei deinem Anblick sehnsüchtig den Zaren zurückgewünscht, sich selbst zurück gewünscht zu seinen georgischen Jesuiten! 🙂

  86. 4. Juli 2013, 22:28 | #86

    Ich persönlich würde den Scheiß auf der Stelle verbieten. Dann müßte aber der revolutionäre Gesinnungsdienst im fröhlichen Untergrund ermitteln.
    Nein, im Ernst, mir geht es im Gegensatz zu dir überhaupt nicht um Verbieten und „verbindliche“ Regeln, wie gefälligst der neue(/erst mal weitgehend alte) sozialistische Mensch zu leben hat. Mir geht es darum, daß deine Selbstverständlichkeiten eben genau das nicht sind. Daß das, darauf weist Mattis zu recht immer wieder hin, schon „jetzt“ in die Diskussionen hineingehört.

  87. Bakunin
    4. Juli 2013, 23:15 | #87

    Der Fasching ist ja ein ursprünlich heidnisch-religiöses Ritual, was später von der katholischen Kirche für deren Zwecke instrumentalisiert wurde.
    Dies gilt auch für Weihnachten und Ostern,
    Diese nun schon seit so vielen Jahrhunderten alten Feierlichkeiten, welche tief in den Völkern verankert sind, kann man nicht einfach abschaffen, sollte man nicht mal zu sehr offen bekämpfen, sondern allmählich absterben lassen, was aber ein langer Prozess sein dürfte.
    Sind das aber die wirklich wichtigen Fragen?
    Die Diktatur des Kapitals kann man nur in einem günstigen, „schwachen“ Moment stürzen, und nur mit den Menschen, die der Kapitalismus hervorgebracht und hinterlassen hat.
    Die wirkliche allmähliche Umerziehung, geistig-moralische Neustrukturierung der meisten Menschen kann erst nach dem Sturz des heutigen Systems erfolgen, niemals unter dessen realer materiell-geistig-moralischen Diktatur.
    Von dieser kann sich innerhalb dieses Systems nur eine Minderheit, eine Art Avantgarde befreien, ihren Anfang nehmen.
    Und dies ist keine müßige Spekulation, gerade die Revolution in Russland, die nach dem dreijährigen Bürgerkrieg erfolgten gewaltigen Aufschwünge an Bildung und Kultur vieler Menschen, wirklicher Analphabeten(vorwiegend Bauern, Bäuerinnen) legen davon reichlich Zeugnis ab.
    Für unserer typisches deutsches Bildungsbürgertum natürlich alles nur „Lappalien“, weil ja „Stalin“…
    Doch das sind wichtige Lehren, Einsichten,welche man nicht achtlos beiseite werfen sollte.
    Auch in diesem Falle gibt es leider keine Patente, Küchenrezepte!

  88. Mattis
    5. Juli 2013, 18:36 | #88

    Eine „Kulturrevolution“ ist sicherlich nicht der Auftakt; auch ohne eine solche ist die Abdankung des Kapitalismus allemal was wert; danach kommt es halt auf die Überzeugungskraft derer an, die ökologisch, kulturell etc. wesentlich weiter gehen wollen. Einen Teil davon, vor allem die heftigsten Erscheinungen aus der Zeit der Ausbeutung: Schichtarbeit, Akkordarbeit und ähnliches werden als erstes abgeschafft.
    Schon dadurch jedoch entstehen unweigerlich Ressourcenengpässe, die nicht sofort durch die entgegenwirkende Auflösung von Banken, Versicherungen, Werbeagenturen etc. und produktive Umschulung der Betroffenen wettgemacht werden können. Es kommt also schon mal etliches in Umbruch, auch bevor man noch tiefergehende kulturelle Umwälzungen in Angriff nimmt.
    Bakunin: Zu dem Konsum-Korb, der (angeblich) leicht ermittelbar wäre, hätte ich daher primär auf ein ganz anderes Problem hinzuweisen: nämlich dass dieser Bedarfskatalog, selbst wenn man den in seiner heutigen Form nicht sofort in Frage stellen würde, gegenwärtig nur durch die zahlungsfähige Nachfrage derart begrenzt und bescheiden daherkommt! Fällt diese Begrenzung weg, sieht der Bedarf doch sofort ganz anders aus! Bestimmte „Billig“-Läden und deren Produkte würde kein Mensch mehr aufsuchen. Und die Baumärkte wären sofort ausgeräumt. Restaurants wären komplett aufs Jahr ausgebucht, dito Feriendomizile, Flug- und Bahnreisen etc. Und die größeren, besseren, leiseren etc. Wohnungen, die dann gewünscht werden – wurde schon gesagt – … all das dürfte den Planern – deren Job kein Zuckerschlecken sein wird – ganz schön zu schaffen machen. Daran hast du, nehme ich mal an, nicht gedacht. Die Kommune-Fraktion – egal ob Land- oder eher Landkreis-Kommune – übrigens auch nicht, man erfährt jedenfalls von denen kein Wörtchen zu diesem echt fetten Punkt.
    Meine diesbezüglichen Vorschläge wurden übrigens mal ganz heiß bei Nestor diskutiert, leider – historisch bedingt 😉 – unter Zum Thema „Begriffe, die nix taugen“.

  89. Bakunin
    6. Juli 2013, 09:53 | #89

    Mit diesen deinem Einwand widerlegst du (und damit auch viele andere hier) im Grunde dich selbst mit deiner Forderung nach einer ganz schnellen Abschaffung, Außerkraftsetzung des „Wertgesetzes“ in einer anfänglichen sozialistischen Gesellschaft mit einer ökonomischen Basis, welche es eben da, in dieser Phase, noch nicht erlaubt, sofort zu einer reinen und ausschließlichen Bedürfnis-Produktion überzugehen, alle und jegliche Bedürfnisse sofort zu befriedigen.
    (Dazu wäre auch ganz aktuell kein einziges der heutigen „reichen Länder“ sozialistisch in der Lage!)
    Habe ich nicht immer wieder darauf hingewiesen, dass man auch im Sozialismus zunächst(!) noch eine ganze Weile „kapitalistisches Zeug“ wird mitschleppen müssen, wozu logischerweise in dieser Phase auch Löhne, Renten, Preise, Kredite, Versicherungen etc… gehören?
    Das Wertgesetz im Sozialismus kann nur langsam, allmählich, bei entsprechend ausreichender Steigerung, Effektivität aller Produktivkräfte außer Kraft gesetzt werden.
    Ansonsten bleibt dir dann kein anderer „Kommunismus“ übrig als den „slowakischer Mausefallenhändler“(Marx contre Bakunin, MEW, BD.18), abstruse Ausheckereien aller möglicher „Modelle“ ohne Sinn und Ende und vor allem ohne jemalige Einigkeit.
    Bei einer also mal angenommen vorübergehenden Beibehaltung des Wertgesetzes im Sozialismus kommt dann natürlich auch wieder „leider“ ein Mehrprodukt in „fremden Händen“ zustande, ganz klar, allerdings nicht mehr in privaten, sondern gesellschaftlichen und staatlichen, sozialistisch-staatlichen, eines Staates aller arbeitenden Menschen und jener, die noch lernen und studieren, oder schon den verdienten Ruhestand genießen dürfen.
    Und das soll dann schon wieder „Ausbeutung“, „Bevormundung“ sein?
    Ein Lohnarbeitervolk, welches sich selbst, aus eigener Kraft befreit, würde sich anschließend erneut knechten, unterdrücken, ausbeuten lassen?
    Wer so etwas ernstlich glaubt, muss schon wahrlich ein echter guter „Teutscher“ sein! 🙂

  90. Mattis
    6. Juli 2013, 13:34 | #90

    Hallo Bakunin,
    du verwechselst da die „Anwendung“ des „Wertgesetzes“ mit der von mir angesprochenen Notwendigkeit, den individuellen Konsum zu begrenzen. Die Frage stellt sich nicht so, dass man Kreditgeld und finanzielle Rentabilität von Betrieben noch braucht, bloß weil noch nicht alles im Überfluss vorhanden ist. Auf einen solchen paradiesischen Zustand könnte man außerdem noch lange warten – er ist nur ein sonniges Ideal.
    Der „Realsozialismus“ hat ja im Gegenteil gezeigt, dass das Mittel „abstrakter Reichtum“, nämlich „Geldüberschuss“ als betriebliches Ziel, im wahrsten Sinne des Wortes kontra-produktiv ist. Dieser Irrweg kann auch durch die ausbeutungsfreie Verteilung der mangelhaften Resultate nicht mehr wettgemacht werden.
    Direkt geplante Güter-Produktion und begrenzende Regelungen des Konsums dagegen sind kein Widerspruch.

  91. Bakunin
    6. Juli 2013, 16:56 | #91

    Hi Mattis,
    das Wertgesetz hat auch im realen Sozialismus zunächst gute Dienste geleistet, so dass mächtige Mittel für den industriellen Aufbau akkumuliert werden konnten.(Vor- und unmittelbare Nachkriegszeit)
    Und davon proftiierten am Ende gar nicht so schlecht Millionen von einfachen Menschen, welche zuvor in bitterster Armut und Unwissenheit dahinvegetierten.
    Diese Leistungen sollte man nicht einfach so abtun!
    Und vergessen wir nicht, dass Stalin und andere sich immer nur für eine eingeschränkte Geltung des Wertgesetzes im Sozialismus einsetzten, nach seinem Tode aber gerade umgekehrt gewirtschaftet wurde, immer mehr und überall Wertgesetz, ob in der Industrie- und Landwirtschaft.
    Das Wertgesetz im Kapitalismus Motor und Schranke der Produktion zugleich, willst du dieses dann auch im Sozialismus „allumfassend“ anwenden, wirkt es auch dort zunehmend als Schranke der Produktion, des Güteraustausches zwischen sozialistischen Ländern, alles Dinge, die die letzten 20 Jahre des realen Sozialismus zeichneten.
    „Direkt geplante Güter-Produktion und begrenzende Regelungen des Konsums dagegen sind kein Widerspruch. “
    hm…., da wirst du aber sehr liebe und brave, sehr altruistische Menschen brauchen!
    Gab es nicht auch in der DDR, der UDSSR und anderen Ländern (heute noch Kuba), ein Nebeneinander von direkten Leistungen und indirekten in Form von Geldscheinchen?
    Waren nicht fast alle Bildungseinrichtungen umsonst, viele Erholungseinrichtung fast umsonst, erhielten nicht Millionen von Menschen neue moderne Wohnungen zu äußerst niedrigen Mieten, günstigsten Energiepreisen, bei Bevorzung von Familien mit Kindern und Schichtarbeitern? (was wohl bei einigen sicherlich Mißgunst hervorgerufen habe könnte)
    Also, zunächst noch, für eine Weile, 1 – 2 Generationen ein Nebeneinander von direkten und indirekten Leistungen, dazu eine immer weitere Zurückdrängung des Wertgesetzes, mehr und mehr Zurückdrängung des lieben Geldes,so in etwa könnte es das nächste mal besser klappen.

  92. 6. Juli 2013, 18:52 | #92

    Bakunin, du müßtest erst mal irgendeinen Beweis dafür anbieten, daß ausgerechnet das „Wertgesetz“ im „Realen Sozialismus“ für irgendwas verantwortlich und zudem auch noch gut gewesen ist.
    Daß in der Sowjetunion (übrigens auch nicht vom Start der Oktoberrevolutiongleich weg, aber das ist noch mal eine andere Geschichte) investiert wurde auf Teufel komm raus, das weiß jeder. Daß dafür der Lebensstandard der Massen kümmerlich gehalten werden mußte auch. Daß das nur mit einem drakonischem Fabrikregime ging, mit Taylorismus, einer Orgie der Akkordarbeit usw., nicht mal Nazideutschland kam da ran, ist auch bekannt.
    Wer davon „am Ende“ (der Sowjetunion oder der DDR?) profitiert haben soll, will ich auch nicht näher untersuchen (das elende Leben sowjetischer Rentner z.B. und nicht erst unter Gorbatschow und Putin).
    Mir geht es nur um deine These, das alles habe im positiven Sinne was mit dem Wertgesetz zu tun. Viele Hochstapler sagen hinterher auch, daß sie am Anfang damit große Erfolge hatten.

  93. Bakunin
    6. Juli 2013, 19:44 | #93

    Hi neoprene,
    ich erspare mir mal eine langatmige verbale Erwiderung und gebe dir einen guten Tip:
    Gehe mal auf You Tube und suche „Das russische Wunder“, Teil 1 und 2.
    Ich täte dir da dabei vom ganzenm Herzen viel Wissen und Verständnis wünschen!

  94. 6. Juli 2013, 20:23 | #94

    Das glaube ich dir gern, Bakunin, daß du noch Regale voll haben wirst von Büchern und Videos über deine gute alte Zeit. Für die Diskussionen hier bringt das aber nichts, auf deren (verblichenen) Ruhm hinzuweisen. Schöner wären ein oder zwei Argumente.
    Zur Geschichte der Sowjetunion könnte man übrigens sicher sinnvoller in E.H. Carr’s „A History of Soviet Russia“ schmökern. Sind nur leider 14 Bände, auf englisch und schon lange vergriffen (Second Hand aber noch bezahlbar erhältlich, jedenfalls die Penguin Paperbacks)

  95. Bakunin
    6. Juli 2013, 21:47 | #95

    Bitte, neoprene, halte mich nicht für einen Nostalgiker und Friedhofsanwärter, der sich aus Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ tagtäglich alte Videos über die Genossen Lenin, Stalin und Walter Ulbricht reinzieht
    Ich sitze auch nicht alltäglich in Berlin -Friedrichshein in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ auf einer Friedhofsbank und träume mich um viele Jahrzehnte zurück zu Lenin, Liebknecht, Luxemburg, Thälmann, Stalin, Ulbricht…,also, wirklich….tz…. 🙂
    Und über die Geschichte der UDSSR, da sollte man sich zumindest aus vielen unterschiedlichen Quellen informieren, keinesfalls nur einseitig aus bürgerlichen, auch nicht aus „marxistisch“- trotzkistischen und sonstigen „linken“ oder „marxistischen“ Verkleidungen bürgerlicher Apologetik.
    Tue dir „Das russische Wunder“ wirklich mal an, schaden tut’s auf keinen Fall!

  96. 6. Juli 2013, 21:51 | #96

    Bakunin, ich nehme an, den Kurzen Lehrgang brauche ich dir zur Besänftigung nicht anzubieten.

  97. 14. Juli 2013, 09:51 | #97

    Ich möchte hier auf meine Befassung mit der Notwendigkeit einer internationalen Kommunalwirtschaft hinweisen, die auch in meinem letzten Beitrag in der Kulturkritik.net erschienen ist unter dem Titel:
    Diskussionen rund ums Geld – 9. Teil:
    Die Aneignung der entwendeten Zeit
    Inhalt:
    Das Heil der Rettungsschirme oder die Heilsbotschaft der Austeritätspolitik
    Der Freihandel einer ungeheuerlichen Publik-Private-Partnership
    Staatsverschuldung rettet den Geldwert, der Rettungsschirm das System
    „Transformation“ oder Subversion?
    Die Aneignung von Raum und Zeit durch gesellschaftlich verträgliche Ertragsbeziehungen
    Die Subversion der Marktwirtschaft
    weiterhin zu Hören und zu Lesen auf
    http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol121
    Wolfram Pfreundschuh

  98. 14. Juli 2013, 10:54 | #98

    Vielleicht interessiert sich hier jemand für meine Befassung mit der Notwendigkeit einer internatioonalen Kommunalwirtschaft. Ich würde das auch gerne hier diskutieren:
    http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol121

  99. 14. Juli 2013, 14:09 | #99

    Lieber Wolfram,
    meinst du mit deinem „hier“ für Diskussionen bei dir:
    http://kulturkritik.net/impressum/index_diskuss.html also deine „Kulturkritik-Diskussionsliste“? (denn dein zweiter link ist nur eine Wiederholung des ersten.)

  100. 14. Juli 2013, 15:20 | #100

    Hallo Neoprene,
    nee ich dachte schon hier. Der zweite Link war ein Versehen, weil ich den ersten nicht hier gleich fand und dachte, der sei verloren gegangen.

  101. 14. Juli 2013, 15:35 | #101

    Dann bleibt aber die Frage, wie man „hier“, also auf deiner Webseite kulturkritik.net denn diskutiert, denn der Artikel hat ja keine Kommentarfunktion.

  102. 14. Juli 2013, 16:35 | #102

    Ich meinte mit „hier“ dieses Forum, dachte, es könnten Themen aus meinem Artikel herausgenommen und in Ergänzung zur obigen Diskussion auseinandergesetzt werden. Ich werde das morgen mal versuchen.

  103. Mattis
    14. Juli 2013, 18:03 | #103

    Die wesentlichen Aspekte der Kommunalismus-Konzepte sind hier im Thread eigentlich schon kritisiert worden; eine kompetente Entgegnung wäre da natürlich mal interessant.
    Auch bei Wolfram Pfreundschuh stellen sich mir wieder die bereits andiskutierten Fragen, von denen etliche offen geblieben sind oder auf die Zukunft verschoben wurden.
    W. P. schreibt gegen Ende von Teil IV seiner „Diskussionen rund ums Geld“ (o.g. Link):

    „Wird die Marktwirtschaft in einer Versorgungswirtschaft aufgehoben, wird regionale Landwirtschaft, eigene Industrie und eigene Energiewirtschaft zu einem kommunalwirtschaftlichen System, das von einer regionalen Selbstverwaltung kontrolliert wird, so wird es auch Mehrprodukte erzeugen können, die mit anderen Kommunen und auch international ausgetauscht werden könnne. Und es wird im Verhältnis der hierfür nötigen Aufwände auch das Maß für eine dem entsprechene Wirklichkeit der Güterbeziehung zu finden sein. Geld wäre nur noch ein Rechengeld, das politisch kontrolliert wird und durch Vertragsverhältnisse mit den eigenen und anderen Wirtschaftssubjekten unterlegt ist. Alle Entwicklung muss dann auf der Politik gründen, welche die Menschen einer Wirtschaftsregion beschließen, muss also wirtschaftliche Politik sein. Und darin werde auch die Betriebe, ob als Industrie, als Familienunternehmen, als Genossenschaft oder Einzelperson, sich einbinden lassen.“

    Auffällig ist die bleibende Affirmation von eigennützig wirtschaftenden Instanzen (Betriebe, Familienunternehmen etc.). Konsequent ist dann auch von Tauschbeziehungen die Rede, die diese Instanzen miteinander eingehen. Tauschbeziehungen aber bedeuten immer: ich kann meinen Vorteil erhöhen, wenn ich durch den Tauschakt mehr von anderen geleisteten Aufwand auf mich ziehe als ich selbst geleistet habe. Das geht auch ganz ohne Geld, etwa durch das Prinzip, Produktbündel gleicher Arbeitszeiten zu tauschen (über deren Standardisierung man sich natürlich trefflich streiten kann und die auch in ständiger Veränderung begriffen sind).
    Sobald ich z.B. rationeller arbeite als der Durchschnitt, aber beim Tausch weiterhin einen Gegenwert gemessen am bisherigen durchschnittlichen Aufwand bekomme, habe ich Mehrarbeit auf mich gezogen. Ein Motiv für die oben genannten Wirtschaftsinstanzen, nicht genau so zu verfahren, sondern einen solchen potentiellen Vorteil sogleich „solidarisch“ zu melden und im Tausch entsprechend weniger Gegenleistung zu verlangen, sehe ich beim Kommunalismus-Konzept nicht. Aufgrund des Eigennutz-Prinzips der ökonomischen Einheiten sind im Gegenteil etliche aus dem Kapitalismus bekannte Erscheinungen zu erwarten: Falschetikettierungen, verborgene Qualitätsverschlechterungen, falsche Angaben über den notwendigen Arbeitsaufwand, ständiger Streit um die Standards, da ja immerhin das eigene Einkommen von der Bewertung abhängt etc. Insofern hält die Behauptung, hier würde solidarisch gewirtschaftet anstelle von Verwertung und Mehrarbeit-Aneignung, m.E. keiner kritischen Prüfung stand.
    Sätze wie folgende sind also pure Idealisierungen:

    „Regionale Subsistenzindustrie basiert auf der Synergie der regionalen Arbeits- und Lebenszusammenhänge. Sie stellt sich von daher wie von selbst gegen fremde Verwertungsbedürfnisse.“

    „Wie von selbst“ – ?
    Und selbst wenn der Tausch gleichrangig wäre: dann würde das Gefälle im Lebensstandard verschiedener Regionen erhalten bleiben statt ausgeglichen zu werden. Also das wäre keine wirkliche Vergesellschaftung!

  104. franziska
    14. Juli 2013, 19:10 | #104

    Kurzer Einspruch, Mattis: Mehrfach wurde jetzt darauf insistiert, dass kommunalistische Konzepte einige Besonderheiten aufweisen, die – allgemein genug – in der Neugründungserklärung (s.o.) einigermassen auf den Punkt gebracht wurden (von mir, meinem persönlichen Verständnis entsprechend, erläutert). DEN Kommunalismus jenseits dieser Festlegungen auf einen Begriff bringen und dann erledigen, indem man Zusätze macht und unterstellt, ist unzulässig. Immerhin ist in der Neugründung das Wort GEMEINSAM dreimal vorgekommen, und die Arbeitsorganisation für ein objektiv schwer zu lösendes aber dringend anzugehendes Zentral-PROBLEM bezeichnet worden. Anders als Wolfram eben hat von den Unterzeichnungserklärern niemand Geld in seine Vorschläge einbezogen. Es würde der Debatte dienen, wenn ähnlich, wie du, Mattis, (oder Krim bei Nestor) es für „Herrschaft“ und „Zwang“ versucht hast, auch für den Begriff „Eigentum“ trennscharfe Kriterien eingeführt würden.
    Ich verstehe auch, einmal die Allgemeinheit der Fragestellung in der Neuerklärung unterstellt, deine Polemik, Mattis, gegen diese gemeinsame Zielsetzung nicht. Trennend sind doch eher die Bewertungen je unterschiedlicher Prozeduren der GEMEINSAMEN Plan-Findung; wäre nicht Bakunin mit seinem Kontrastprogramm dazwischengekommen, würde da seit meinen letzten Beiträgen, wie mir scheint, gähnende Leere (an Erwiderungen) herrschen. Es wurde auf Kim als „Parade-Kommunarden“ mit wenig Problembewusstsein eingedroschen, ich kann aber nicht sehen, wie die derzeitigen Parade-Antikommunalisten die von mir angesprochenen Schwierigkeiten lösen wollen:
    1. Minderheitenposition (je)des Linksradikalismus derzeit; daraus erschliesse ich die Ko-Existenz-Strategie;
    2. Probleme und Grenzen des derzeitigen technizistischen Expertenwissens, daraus erschliesse ich die Notwendigkeit hier noch nicht angeführter radikal-ökologischer Prinzipien des Umgangs mit nicht-technisch kontrollierbaren Strukturen in Biosphäre, speziell menschlichen Organismen einerseits, technischen Gross-Strukturen und Hinterlassenschaften andererseits;
    3. Probleme mit den Wissenstransfers aus dem Leben einzelner (Experten, Forscher) in das aller von den Konsequenzen einer Verwertung dieses Wissens Betroffener; daraus erschliesse ich die Notwendigkeit, die Aufmerksamkeits-, Aufnahme- und Erinnerungsgrenzen einzelner (vor allem neben ihrer sonstigen Arbeit) zum Masstab für sinnvoll gesellschaftlich umsetzbare Wissensbestände zu machen.
    4. Probleme mit mangelndem Konsens; daraus erschliesse ich die Notwendigkeit von (hier noch nie debattierten) Prinzipien der Prüfung und Aufnahme von Interessenten in kommunalistische Projekte.
    Was z.B. ausschliesst, dass Leute zu ihrem kommunistischen Glück gezwungen werden, und zum Trost über die gemeinsame Produktion abstimmen dürfen. Womit man beim 1.Punkt zurückwäre.
    5. Ich verzichte darauf, wie ich es oben getan habe, die inhaltlichen Andeutungen zu wiederholen, die in einer ökologischen und bedürfnisorientierten (unter meinem Vorgaben auch: auf Abbau des Gefälles zu den weiter fort bestehenden nicht-linken Gesellschaftsanteilen zielenden) eigentumsfreien Produktionsweise für einen Wechsel in der technologischen Strategie (weg vom von mir so genannten und näher zu beschreibenden industriellen Paradigma) sprechen.
    Hingegen gebe ich abschliessend meiner Überzeugung Ausdruck, dass die 4 eingangs genannten Problemgruppen etwas zu tun haben mit den unaufgelösten Folgen historisch überkommener unguter Arbeitsteilungsverhältnisse, die traditionell assoziiert sind mit den Gegensätzen
    – Mann/Frau (hier: etwas mit Gewalt erzwingen),
    – Stadt/Land (natürliche Rahmenbedingungen der eigenen Existenz ignoriert),
    – Kopf/Hand (Trennung von Planung und Ausführung nach dem „Bedien“- und „Konsum“-Paradigma),
    – (fortgeschrittenes) (Bevölkerungs-)Zentrum/historisch zurückgebliebene Peripherie (Ungleichzeitigkeit, Gefälle, Gewinnung der vor- und antikommunistischen Bevölkerungskreise).

  105. Mattis
    14. Juli 2013, 22:45 | #105

    Hallo franziska,

    „Anders als Wolfram eben hat von den Unterzeichnungserklärern niemand Geld in seine Vorschläge einbezogen. Es würde der Debatte dienen, wenn ähnlich, wie du, Mattis, (oder Krim bei Nestor) es für „Herrschaft“ und „Zwang“ versucht hast, auch für den Begriff „Eigentum“ trennscharfe Kriterien eingeführt würden.“

    Bei Wolfram hab ich wenigstens eine etwas konkretere Aussage zum Zusammenspiel der Kommunen; darauf hab ich mich jetzt bezogen, weil er seine Position hier ins Spiel gebracht hat. In diesem Kontext meine ich momentan eben nur ihn und niemand sonst, das sei also hiermit präzisiert.
    Wenn von Tausch die Rede ist, unterstellt das automatisch ein Eigentumsverständnis auf beiden Seiten der Tauschenden, und sei es auch als Grenzfall ein kollektives Kommune-Eigentum. Aber ein Land wie Deutschland mit sagen wir tausend Kommunen wäre eben mit Tauschhandel keine dem Bedarf entsprechend arbeitsteilig planende Gesellschaft, sondern eben eine von tauschenden Kollektiven. Da reproduzieren sich dann zwangsläufig fast alle kapitalistischen Phänomene auf der inter-kommunalen Ebene.
    Bei vielen anderen Kommunalisierungskonzepten wird im übrigen so abstrakt von „Vernetzung“ und „Verbund“ geredet, dass ich mich noch nicht einmal recht drauf beziehen kann außer immer wieder dieselben offenen Fragen zu stellen, nach welchen Kriterien das denn vor sich gehen soll. Gegen eine übergreifend gemeinsam geplante Ökonomie wendet sich jedenfalls fast jedes dieser Konzepte.

  106. 15. Juli 2013, 06:17 | #106

    Hallo Mattis,
    es ist richtig, dass es viele Probleme bei einer Überwindung der Marktwirtschaft gibt, die ich ja auch in Teil IX meiner Gelddiskussion deutlich mache und auch inhaltlich darauf eingehe (Du hast Dir den Teil IV vom letzten Jahr vorgenommen, den ich inhaltlich aber nicht abtun möchte). Ich gehe relativ defensiv vor, weil ich das Fiasko von „Übergangsgesellschaften“, die nach einer „Abschaffung des Eigentums“ fällig sind, ausschließen will. Es geht mir um eine längst schon im Prozess befindlichen Aufhebung des Kapitalismus, die zum Faschismus führt, wenn sie nicht bewusst betrieben wird. Die Kraftakte eines „revolutionären Willens“ verhindern das nicht, weil nicht der Wille die Welt bewegt, sondern die Eigentumsverhältnisse des gesellschaftlichen Stoffwechsels, die politische Ökonomie.
    Du schreibst:

    „Auffällig ist die bleibende Affirmation von eigennützig wirtschaftenden Instanzen (Betriebe, Familienunternehmen etc.). Konsequent ist dann auch von Tauschbeziehungen die Rede, die diese Instanzen miteinander eingehen. Tauschbeziehungen aber bedeuten immer: ich kann meinen Vorteil erhöhen, wenn ich durch den Tauschakt mehr von anderen geleisteten Aufwand auf mich ziehe als ich selbst geleistet habe. Das geht auch ganz ohne Geld, etwa durch das Prinzip, Produktbündel gleicher Arbeitszeiten zu tauschen (über deren Standardisierung man sich natürlich trefflich streiten kann und die auch in ständiger Veränderung begriffen sind).“

    Uneigennützige Instanzen gibt es nur unter einem Diktat. Eigentum stellt noch kein Wertverhältnis dar. Dieses besteht aus einem Verhältnis von Waren, aus den Verhältnissen des Privateigentums, das im Widerspruch zu seiner gesellschaftlichen Erzeugung steht, der Arbeit für eine Gesellschaft, die es nur auf dem Warenmarkt in Geldform gibt.
    Um den Austausch von Produkten wird es in jeder gesellschaftlichen Wirtschaftsform gehen müssen, in der Menschen verschiedenster Fähigkeiten und Bedürfnisse aufeinandertreffen. Das heißt aber nicht, dass sie sich über das Tauschverhältnis, über den Wert aufeinander beziehen müsse, also über abstrakt menschliche Arbeit, die sich im Durchschnitt der aufgewendeten Arbeitszeiten ergibt. Das Ziel einer kommunalen Wirtschaftsform ist die Entwicklung von Eigentumsverhältnissen, in denen die Arbeitsaufwände auf Bedürfnisse bezogen sind, die sich mit ihnen entfalten, soweit die Kommune hierzu in einer politischen Auseinandersetzung die Arbeiten und damit ihre Reichtumsbildung entwickelt.
    Ich gehe davon aus, dass der Widerspruch von Geld als Zahlungsmittel und Geld als Kaufmittel dabei aufgehoben ist, weil es in diesen Verhältnissen durch immer konkretere Beziehungen abgelöst wird, wenn es zugleich politisch bestimmt ist und nicht nach Maßgabe individueller Vorteile angeeignet werden kann. Es wird in dieser Form auch unnötig, zugleich aber als Entgeltungsmittel politisch bestimmter Produktionszeiten noch solange nötig sein, wie kein Überfluss herrscht.

  107. 15. Juli 2013, 07:45 | #107

    Hallo Bakunin,
    die Notwendigkeit einer Übergangsgesellschaft mag bei der nachholendenden Modernisierung in der Sowjetunion und Kuba viel Gutes erbracht haben, sie hat aber zugleich und auf Dauer auch nur die Grundlagen für eine Marktwirtschaft gebracht. Du scheibst:

    Habe ich nicht immer wieder darauf hingewiesen, dass man auch im Sozialismus zunächst(!) noch eine ganze Weile „kapitalistisches Zeug“ wird mitschleppen müssen, wozu logischerweise in dieser Phase auch Löhne, Renten, Preise, Kredite, Versicherungen etc… gehören?
    Das Wertgesetz im Sozialismus kann nur langsam, allmählich, bei entsprechend ausreichender Steigerung, Effektivität aller Produktivkräfte außer Kraft gesetzt werden.

    Ich denke – wie auch hier schon festgestellt – dass ein Wertgesetz nicht durch wirtschaftliche Fortschritte aufgehoben werden kann, sondern immer ins Gegenteil sich verkehrt, weil dabei jedes Wirtschaftswachstum, also die Steigerung der Produktivität, zugleich als Wertwachstum behandelt werden muss, also die Steigerung der Ausbeutung von Mensch und Natur, weil nur hierdurch die Produktaneignung zu regeln ist. Solange Arbeit durch Geld aus dem Warenmarkt beglichen wird, kann es auch nur das Wachstum einer Finanzmacht einer Industrie erbringen, die auf die Verwertung ihrer Produkte zielt, also rationell im Sinne der Geldverwertung tätig ist.
    Ich denke, dass das geschichtlich überholt ist und wir in der Lage sind, eine Subsistenzindustrie für die Kommunen durch politischen Widerstand zu erzwingen. Ich habe in meinem letzten Artiel zusammmengefasst, was ich für eine schlussendliche Aufhebung des Kapitalismus für nötig halte:
    1. Überwindung des Privateigentums an gesellschaftlichen Gütern durch Entrechtung von Schuldverhältnissen und Eigentumstitel
    2. Überwindung der repräsentativen Demokratie durch die qualifizierte Delegation von demokratischen Ratspersönlichkeiten (Rätesystem)
    3. Überwindung der Marktwirtschaft durch Vertragswirtschaft zur Subsistenz- und Reichtumsbildung
    4. Sozialisierung des Mehrprodukts durch regionale und überregionale Akkumulation

  108. franziska
    15. Juli 2013, 11:03 | #108

    Die Vorschläge derjenigen, die globale Übergänge befürworten oder für unausweichlich oder notwendig halten, scheinen um Geld als Steuerungsinstrument zu Beginn und die unbestimmte Hoffnung auf irgendwie stattfindende spätere Ersatz-Regulierungen nicht herumzukommen. Mit anderen Worten, es wird schon irgendwie gutgehen. Aus der Marxschen Ökonomiekritik scheint sich dabei doch einiges Zutrauen in die nützlichen Koordinations-Effekte von Preisen (oder Presifestsetzungen) zu ergeben, von der (politisch beaufsichtigten und regulierten) Entscheidungsfindung über Investition und Reproduktion ganz zu schweigen. Da gibts nun zwei Möglichkeiten: Entweder, die Folgen jeder Eingriffs-Entscheidung der Aufsichtsgremien lassen sich glasklar zurückrechnen – dann können sie auch ohne Geld planen; oder, was das wahrscheinlichere ist, dem politisch Wünschenswerten wird (etwa über Kreditvergabe (aus welchem, warum wie grossenTopf?) und Preisfestsetzungen (Warteschlangenbildung?)) Vorrang gegeben, die Rück- und Nebenwirkungen auf die vorgelagerten Produktionen und ausgeschlossene Alternativprojekte aber nicht einberechnet – dann kommt das von Marktbefürwortern höhnisch vermerkte Planungs-Chaos zustande, das die „planmässige Ausnutzung der Ware-Geld-Beziehungen“ ganz plangemäss-prompt zur Folge haben. (Wenn man Geldbeträge durch Stimmrechte ersetzt, ergibt sich alternativer, aber nicht unbedingt kleinerer Wirrwarr).
    Es scheint da ein bitteres und nichtsdestotrotz unvermeidliches Nullsummenspiel zu geben: Entweder, man nimmt (ein Stück weit) ständige Überproduktion und vorübergehende Fehlallokation von Ressourcen inkauf – oder treibt Riesenaufwand zu deren Vermeidung; ebenso: entweder, man räumt ausgewählten Gruppen und Einzelnen Entscheidungsbefugnisse über Verteilung von Produkten und Investitionen (samt der Schaffung von Voraussetzungen dafür. Einsparungen und/oder Mehrprodukt-Erzeugung) und (Zusatz)Verbrauch (und Einsatz) von knappen Natur-Ressourcen ein – oder man treibt zusätzlichen Riesenaufwand, um alle (und dann wie?) an der Entscheidungsfindung (per gleichverteilten Geldeinkommen/Vermögensanteilen und/oder Stimmrechten) zu beteiligen.
    Der Konflikt hat zur Voraussetzung, dass die industrielle Produktionsweise unverändert in kommunistische Verwaltung übernommen wird.
    Dagegen sprechen aber noch ganz andere Gründe als ihre Unübersichtlichkeit und Nicht-Steuerbarkeit mit zumutbarem Aufwand.
    Es wäre achön, wenn DIESE Einwände auch mal in die Gesamtrechnung einbezogen werden. Wenn nicht, ist es natürlich leicht, solche wie mich als kleinbürgerliche Utopisten und Idylliker dastehen zu lassen.

  109. Mattis
    15. Juli 2013, 12:18 | #109

    Hallo Wolfram,

    „3. Überwindung der Marktwirtschaft durch Vertragswirtschaft zur Subsistenz- und Reichtumsbildung“

    Verträge unterstellen ein ökonomisches Gegeneinander und dienen innerhalb desselben der Absicherung des eigenen Nutzens.
    Wenn – in einer angedachten kommunalen Gesellschaft – „Betriebe“ untereinander über Verträge Beziehungen haben, sind sie offenbar als ökonomisch selbstständige Instanzen agierend, die sich selbst wirtschaftlich tragen müssen. Wo ist da der Unterschied zur Marktwirtschaft, in der doch alles und jedes über Verträge läuft?
    Oder ist das von dir so gemeint, dass die Arbeiter ihr Einkommen (Gutschein-Geld) von der Kommune erhalten und die „Betriebe“ vertraglich zu Lieferungen an öffentliche Läden verpflichtet werden?
    Ich habe deinen Kommentar jetzt mehrfach gelesen und verstehe trotzdem immer noch nicht, wie der ökonomische Prozess da ablaufen soll.

  110. 15. Juli 2013, 12:47 | #110

    Hallo Mattis,
    die Marxsche Kritik an der Marktwirtschaft richtet sich gegen die Getrenntheit von Produktion und Konsumtion, die dort nur über Tauschwerte im Nachhinein auf dem Markt vermittelt werden kann. Dagegen wurde bisher eine Planwirtschaft entgegengesetzt. Ich meine, dass das ganze nicht als wirtschaftliches, sondern als politisches Verhältnis zu verstehen ist, bei dem es wesentlich darauf ankommt, wie politische Entscheidungen zustande kommen.
    Die halte ich mit einer Vertragswirtschaft für möglich, die nicht durch Geld nach Marktwert vermittelt ist, sondern durch ein Geld, das nach der Berechnung von nötigen Arbeitszeiten im Vorhinein der Produktion bewertet ist und seinen Verfall selbst transportiert (z.B. als zeitgebundenes Geld, das sich mit bestimmtem Zeitverlauf sukzessive entwertet). Das halte ich für technisch leicht lösbar z.B. durch öffentliche Ausgabeautomaten oder andere Formen der Geldübertragung. Dieses Geld könnte man Vertragsgeld nennen.
    Die Basis diese Geldwerts wäre dann der allgemeine Subsistenzaufwand einer klar umschriebenen Region, in der jedem Bewohner die Existenz durch den so errechneten Grundbetrag zugesichert wird, wenn er in der Zeit, in der er arbeitsfähig ist die entsprechenden Arbeitszeiten für den Produktbedarf der Grundversorgung „entgeltet“.
    Eine Subsistenzindustrie erscheint mir hierfür erforderlich, will man nicht in den kleinteiligen Baukasten von Manufakturen zurückfallen und mehr arbeiten als nötig. Sie muss jedenfalls der Maßstab der Produktberechnung sein (wie sie es ja unter der Hand heute auch schon ist – siehe die Geldwertermittlungen aus dem Warenkorb).
    Zugleich ist damit aber auch eine Befreiung durch einen gleichrangigen Produktbeitrag aus eigenständigen Arbeitsprozessen möglich. Der Geldwert jedenfalls resultiert nicht aus dem Warentausch, sondern aus einem ganz bestimmten Produktionsverhalten einer Region. Wer einen größeren Bedarf an Produkten hat, muss in diesem Maßstab dann eben auch mehr Aufwand einbringen. Du kannst das natürlich auch Gutschein-Geld nennen, das aber zugleich gegen Schatzbildung, also Geldaufhäufung gesichert sein muss durch einen bestimmten zeitlichen Zerfall. Mit Marktwirtschaft hat das aber dann nichts zu tun und Planwirtschaft über einen Staat ist das auch nicht, sondern lediglich die Wirtschaftsform eines Lebensraums, in dem sich Bedürfnisse und Arbeit konkret aufeinander beziehen lassen wie auch das kommunal nötige Mehrprodukt, um die Verträge mit anderen Kommmunen und Regionen einzuhalten.

  111. 15. Juli 2013, 13:34 | #111

    Hallo Franziska,
    Du stellst eine Alternative auf, die nicht so sein muss, wenn es möglich sein sollte, aus der Kritik der politischen Ökonomie eine wirtschaftliche Politik zu entwickeln. Ich denke, dass es hierfür nötig ist, sich die Verhältnisse nicht in den Gepflogenheiten der Begriffe, sondern inhaltlich zu vergegenwärtigen. Nur dann kann man auch über ein Entgeltungsmittel, wie immer man das bezeichnen will, nachdenken. Du zweifelst grundsätzlich an der Möglichkeit eines politischen Verhältnisses, wenn Du schreibst:

    Da gibts nun zwei Möglichkeiten: Entweder, die Folgen jeder Eingriffs-Entscheidung der Aufsichtsgremien lassen sich glasklar zurückrechnen – dann können sie auch ohne Geld planen; oder, was das wahrscheinlichere ist, dem politisch Wünschenswerten wird (etwa über Kreditvergabe (aus welchem, warum wie grossenTopf?) und Preisfestsetzungen (Warteschlangenbildung?)) Vorrang gegeben, die Rück- und Nebenwirkungen auf die vorgelagerten Produktionen und ausgeschlossene Alternativprojekte aber nicht einberechnet – dann kommt das von Marktbefürwortern höhnisch vermerkte Planungs-Chaos zustande, das die „planmässige Ausnutzung der Ware-Geld-Beziehungen“ ganz plangemäss-prompt zur Folge haben. (Wenn man Geldbeträge durch Stimmrechte ersetzt, ergibt sich alternativer, aber nicht unbedingt kleinerer Wirrwarr).

    Geplant werden muss in Bedarfsmengen, das ist richtig. Aber das muss nicht in Geldquanta formuliert sein. Zugleich halte ich ein Entgeltungsmittel für nötig, will man die Kommune nicht wie eine Familie haben, in der unmittelbar persönliche Verhältnisse bestimmend, also auch die persönlichen Durchsetzungsfähigkeiten und entsprechende Machtbeziehungen die Entwicklungen bestimmen.
    Es werden keine Geldbeträge durch Stimmrecht ersetzt, wenn die Produktion für einen Grundbetrag und für nötige Mehrprodukte für Investitionen und Außenbeziehungen politisch auseinander gesetzt werden. Wesentlich ist hier, dass immer über sachlichen Bedarf und dem entsprechenden Aufwand entschieden werden muss.

  112. 15. Juli 2013, 14:02 | #112

    Wolfram, wenn du schreibst

    „die Marxsche Kritik an der Marktwirtschaft richtet sich gegen die Getrenntheit von Produktion und Konsumtion, die dort nur über Tauschwerte im Nachhinein auf dem Markt vermittelt werden kann“,

    dann fällt mir daran gleich auf, daß damit die große „Trennung“ der Arbeitenden von den von ihnen geschaffenen Produkten gar nicht vorkommt und zudem deine Trennung dann gar nicht mal so schlecht wegkommt in the end, denn schließlich wird doch im Kapitalismus „Produktion und Konsumtion“ irgendwie durch den Markt „vermittelt“. Das haben andere schon schärfer formuliert.
    Aber das kommt vieleicht auch daher, daß auch du – wie soviele dieser Tage – ins unsägliche Horn von Gesell mit seinem Schwundgeld bläst. Über dieses Thema hat z.B. vor ein paar Jahren Amelie Lanier was geschrieben, ich hatte hier darauf verwiesen.

  113. 15. Juli 2013, 14:41 | #113

    Hallo Neoprene,
    ich finde solche Schubladenargumente mit anschließendem Verweis auf andere Diskussionen nicht ok, schon gar nicht, wenn sie jemanden in toto als „Hereingefallen“ auf eine allseits von Marxisten kritisierten Theorie hinstellen. Bevor ich mir das antue, den entsprechenden Blogg durchzulesen, will ich erst mal nur auf den Anschein reagieren, der Dich bei meiner Argumentation überkommt:
    Wenn ich über die Marxsche Kritik an der Marktwirtschaft eine Anmerkung gemacht habe, die Du als gesellianisch interpretierst, weil ich das nicht gleich mit der Trennung der Arbeiter von ihrem Produkt unterlege, diese also der Marktwirtschaft schon voraussetze, dann solltest Du doch auch den Marx als Gesellianer kritisieren.
    Der hat nämlich aus dem Warentausch diese Trennung des Arbeiters von seinem Produkt abgeleitet, weil hier der Wert entsteht, der etwas an und für sich Identisches, nämlich Arbeit und Bedürfnis, aufspaltet und hieraus das Geld als Wertträger entsteht. Erst durch die Wertbildung im Arbeitsprozess, also durch die Verwertung von Wert, durch die Bestimmung des Preises der Arbeitskraft durch deren Wert, den sie für den Geldbesitzer, also den Kapitalisten hat, entsteht dann die Trennung des Arbeiters von seinem Produkt. Diese Marxsche Analyse halte ich für grundlegend, um mit Marx zu argumentieren. Man kann es schon dem Inhaltsverzeichnis des Kapitals entnehmen.
    Als Retourkutsche: Meine Kritik an Gesell kannst Du meinem Artikel Der Zauber der „freien Marktwirtschaft“ entnehmen.
    http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol111
    besonders unter der Überschrift: „Die veräußerte Freiheit, das Freigeld und die Freiwirtschaft“

  114. Mattis
    15. Juli 2013, 14:47 | #114

    Hallo Wolfram,
    die Verteilungsseite hast du präzisiert, da kann ich mir jetzt schon ein besseres Bild machen.
    Aber nochmal zum betrieblichen Prozess selbst: muss ein Betrieb seine Mittel nun selbst erwirtschaften oder wie muss man sich das vorstellen? Anders gefragt: wodurch bekommt er seine Mittel für Re- und Neuinvestitionen (Maschinen und Materialien)? Durch „Verkauf“ ja anscheinend nicht, denn das Geld, das dem Arbeitsaufwand eines Produkts entspricht, bekommt der Produzent ja anscheinend nicht, sondern es wird nur auf dem Guthabenkonto des Käufers entwertet (also ins Nichts abgebucht). Wie aber dann?

  115. 15. Juli 2013, 15:57 | #115

    Hallo Mattis,

    „Aber nochmal zum betrieblichen Prozess selbst: muss ein Betrieb seine Mittel nun selbst erwirtschaften oder wie muss man sich das vorstellen? Anders gefragt: wodurch bekommt er seine Mittel für Re- und Neuinvestitionen (Maschinen und Materialien)?“

    Ich gehe von einer regionalen Subsistenzwirtschaft als Grundbedingung der Maßstäbe regionaler Arbeit aus, auf die eine eigenständige Betriebswirtschaft bei Bedarf „draufgesattelt“ werden kann, wenn Menschen mehr arbeiten wollen, als es zur regionalen Subsistenz (einschließlich Neuinvestitionen, Vorsorge usw.) nötig ist. Sie können entweder einen Teil ihrer gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit in kommunalen Einrichtungen abarbeiten oder durch Produkte ableisten, die einem kommunalen Bedarf entsprechen. Wenn sie sich vergrößern wollen, so können sie – ähnlich wie eine Kommune mit einer anderen sich abzugleichen sucht, wenn z.B. die Naturbedingungen oder Technologien transferiert werden sollen – sich durch ihre Mehrprodukte mit der Kommune abgleichen und anderswo erzeugte Maschinen oder anderes dafür bekommen. Das wäre dann so was wie ein Produktabgleich von Mehrprodukten. Sie können aber, so die Kommune selbst über derartiges verfügt, auch materielle Vorschüsse von ihr bekommen, die ebenso durch Mehrarbeit direkt oder in Raten abgeglichen werden.
    In München hatten wir unter den selbstverwalteten Betrieben teilweise solche Transfers gemacht und die wurden von einem Netzwerk Selbsthilfe unterstützt. Aber der Kreis der angeschlossenen Betrieb war natürlich viel zu klein, um damit weiterzukommen. Und das Modell der Selbstverwaltung hat auch seine eigenen Macken, weil es keinen gesellschaftlichen Fundus hatte und fast vollständig von der Marktwirtschaft abhängig war, und auch die Voraussetzungen wie Ausbildung, Gesundheitsvorsorge usw. niemals so zu bewerkstelligen waren. Schließlich haben die Bankkredite, von denen sie noch abhängig waren, dann auch alles zerschlagen. Am besten kamen da noch die landwirtschaftlichen Betriebe weg.

  116. 16. Juli 2013, 08:56 | #116

    Wolfram, ich habe nicht geschrieben, daß du auf Gesell „hereingefallen“ seist, sondern, daß du „ins unsägliche Horn von Gesell mit seinem Schwundgeld bläst“. Daß du dafür deine Gründe haben magst, will ich dir schon glauben.
    Der Vorwurf „Schubladendenken“ ist meist problematisch: Er kann entweder behaupten, daß derjenige in die angeführte „Schublade“ nicht „paßt“. Dann müßte angeführt werden, was denn an Wesentlichem damit falsch erfaßt oder gewürdigt wurde. Oder der Vorwurf will nur einfach das Verdikt nicht hören, ohne auf die dahinter stehende Kritik überhaupt eingehen zu müssen.
    Ganz konkret habe ich meine Anmerkung zu deinem Gebrauch von „Trennung“ überhaupt nicht im Zusammenhang mit irgendeiner Kritik an Gesell vorgebacht, sondern erstmal nur so, für sich allein. Mag sein, daß das bei genauerem Hinsehen was mit Gesell-Ideen zutun haben mag, das war aber erstaml nicht mein Thema. Den Gesell-Punkt habe ich hingegen gebracht, weil du dich explizit für Schwundgeld ausgesprochen hast, denn das ist eine Kern-Idee der Gesellianer.
    Wie dem auch sei, mir scheint es problematisch, wie du jetzt Marx so zusammenzufassen, „Der hat nämlich aus dem Warentausch diese Trennung des Arbeiters von seinem Produkt abgeleitet“. Ohne die vorherige Trennung der Werktätigen von ihren bisherigen und sonstigen Produktionsmitteln, ohne den eben doppelt freien Lohnarbeiter gibt es keine allumfassende Warenproduktion, aus der man in der Tat dann alles logisch ableiten kann. Es scheint mir deshalb auch falsch, wenn du schreibst:
    „Erst durch die Wertbildung im Arbeitsprozess, also durch die Verwertung von Wert, durch die Bestimmung des Preises der Arbeitskraft durch deren Wert, den sie für den Geldbesitzer, also den Kapitalisten hat, entsteht dann die Trennung des Arbeiters von seinem Produkt.“ Andersrum, Wert, Wertbildung, Verwertung, Mehrwert usw. all diese Kategorien machen überhaupt nur Sinn in einer Klassengesellschaft, in der die eine Klasse die Produktionsmittel monopolisiert hat.
    Warum du dir nur diese Diskussion zumuten willst, aber auch nur einen zweiten Thread oder gar einen Veranstaltungsmitschnitt nicht „antun“ willst, verstehe ich nicht. Du selber bist ja auch nicht gerade einsilbig gewesen die letzten Jahre auf deiner eigenen Webseite. Zudem mangelt es eh vielen Blogdiskussionsbeiträgen an weiterführenden Links, nicht alles kann man in zwei bis 20 Zeilen hinreichend ausführen.

  117. 16. Juli 2013, 09:05 | #117

    Wenn, wie jetzt von Wolfram wieder, so ein Zentralspruch kommt:
    „Ich gehe von einer regionalen Subsistenzwirtschaft als Grundbedingung der Maßstäbe regionaler Arbeit aus, auf die eine eigenständige Betriebswirtschaft bei Bedarf „draufgesattelt“ werden kann.“
    dann wundere ich mich immer, wieviel damit unausgesprochen, bzw. unter den tisch gekehrt wird:
    „Subsistenzwirtschaft“ kann in solchem Rahmen ja bei gegebenen Technologien, zur Verfügung stehenden Produktionsmitteln, Kenntnissen der ansässigen Menschen ja immer nur herzlich wenig Bedürfnisbefriedigung nach sich ziehen. Kein Wunder, daß da immer diese öden Dorfkommunen herhalten müssen mit ihrem ökologisch einwandfreien Käse. Sowas ist bei modernen Bedürfnissen ja noch nicht mal die halbe Miete, das zeigt schon der Anteil der Menschen an der gesamten arbeitenden Bevölkerung, der mit diesen Grundsbedürfnissen überhaupt noch beschäftigt ist. (Aber eben auch nur, weil sich die Landwirtschaft auf eine entwickelte Industrie stützen kann und weltweite Ressourcen einsetzt.)
    „Subsistenz“ ist also de facto die Aufforderung, sich so gut wie alle Wünsche abzuschminken.

  118. franziska
    16. Juli 2013, 09:28 | #118

    Hallo Wolfram,
    „Wesentlich ist hier, dass immer über sachlichen Bedarf und dem entsprechenden Aufwand entschieden werden muss.“
    Allein die Frage, was nötig ist (an „nötigen Mehrprodukten“? eigenariger Begriff bei dir…), um eine (und wenn, auf wie hohem Niveau sich abspielende?) Reproduktion auf ihrem Niveau zu erhalten, ist ein weites Feld – wer soll denn das wie festlegen? Die ewige (und dann sehr berechtigte) Mattis-Frage.
    „Zugleich halte ich ein Entgeltungsmittel für nötig, will man die Kommune nicht wie eine Familie haben, in der unmittelbar persönliche Verhältnisse bestimmend, also auch die persönlichen Durchsetzungsfähigkeiten und entsprechende Machtbeziehungen die Entwicklungen bestimmen.“
    Wenn alles schon gelaufen und festgelegt (vgl. eben) ist, kommt das Entgeltungsmittel. Als ob bei den Festlegungen, um die es dir geht, KEINE Machtbeziehungen vorkämen – wenn sich denn irgendjemand darauf noch einliesse. Denn.. da sagt uns Befürwortern eigentumsfreier Verhältnisse jeder, der sich mal auf aunsere Vorschläge einlässt,sofort: „Die (oder „wir“) werden sich (und) doch NIE einig. Und wenn, dann bloss mit Gewalt. Das funktioniert (auch) nicht. Da kann man auch beim Kapitalismus bleiben, soviel Aufwand, bloss um dieselbe Scheisse (mit einigen Vorteilen hier, und einigen neuen Nachteilen dort) in etwa wieder zu kriegen, brauch ich doch nicht treiben.“
    Die eigentliche Scheisse, das sind die unaufgelösten Konflikte, mit denen ihr alle hier rechnet. DANACH wird gefragt, wenn kommunistische Projekte mal erwogen werden. DARAUF gibts keine Antwort – von euch.
    Die von mir vorgeschlagenen Strategie aber läuft gerade darauf hinaus, überhaupt nur solche Kommunen zu gründen und für zukunftsfähig zu halten, wo solche Konflikte keine Rolle mehr spielen – wo also der Mattis’sche Regelungsbedarf, die Frage der Prozeduren, der kommunistischen System-Einrichtung angesichts fortbestehender Präferenzen einzelner und Gruppen, sich nicht mehr stellt.
    Die Frage, wie so etwas ohne Gewalt und Tricks sein kann, sogar gegen EURE Einwände, obwohl ihr Kommunisten seid, und doch mit dem allgemeinmenschlichen Eigenwillen (angefangen bei euerm eignen) ständig als Gegenkraft und Hindernis der gemeinsamen Planung rechnet – diese Frage muss erst einmal analytisch, theoretisch beantwortet sein, bevor man sich über Optionen unterhält, die sich daraus ergeben.
    Da ich von dieser Voraussetzung ausgehe, und glaube die nötigen theoretischen Erklärungen zu kennen, rede ich in gewissem Sinn ständig an euch vorbei, und kann im Grund hier nicht sinnvoll mitsprechen. Wenn mir nicht erwidert werden kann, ist das also niemandes Schuld; die Voraussetzungen, von denen man ausgeht, sind hier im Moment zu verschieden.

  119. franziska
    16. Juli 2013, 09:40 | #119

    Neoprene, ich gebe deiner kritik des Begriffs Subsistenz bei Wolfram völlig recht. Allerdings hat Wolfram da gewiss die für Nahrungsmittel-Produktion nötige Industrie mit eingeschlossen. Ob man so flott irgendwo was „draufsatteln“ kann bei Bedarf, kann bezweifelt werden (angesichts von Sprung-Kosten usw)
    Dich möchte ich bitten, dich einmal mit dem Thema Kritik der industriellen Landwirtschaft zu beschäftigen, speziell etwa mit der Frage Bodenzerstörung (durch Minderaldünger), anfällige Monokultur (darum der gigantische Pestizid- und Herbizid-Einsatz), Folgen der Massentierhaltung ua.
    Nicht zu vergessen: einige Einsichten der Ernährungslehre (möglichst die neuesten). Der Mensch lebt nichtvom Brot allein, und auch nicht vom Hamburger, also Brot gekoppelt mit Hackfleisch (und Käse) von Soja/Getreide-gemästeten Viehbeständen. Monsanto möchte das so: demnächst 20 Mrd Menschen auf diese Weise „ernähren“. Das ist zum Lachen, wenns nicht zum Weinen wäre. Natur gibts dann nur noch in Computerspielen…

  120. 16. Juli 2013, 11:23 | #120

    zu Franziskas Kritik der industriellen Landwirtschaft:
    Ja, bei einer, so abgelatscht das mittlerweile klingt, Umstellung auf eine wirklich „nachhaltige“ Landwirtschaft müßte wirklich vieles andes werden, auf dem Land wie in den Städten, da sind ja einige wichtige Punkte angesprochen worden. Das könnte in einer nachkapitalistischen Gesellschaft in der Tat dazu führen, daß wieder ein erheblich höherer Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung dort arbeiten „müßte“.
    Mir ging es aber darum, daß eine Subsistenzwirtschaft im Hier und Jetzt sowas überhaupt nicht leisten könnte als Nischenproduktionsvariante und vor allem damit eh nur ein recht enges Spektrum moderner Bedürfnisse überhaupt vom ‚Grunde her befriedigen könnte, wenn überhaupt.

  121. 16. Juli 2013, 11:33 | #121

    Hallo Neoprene,
    leider sind die Beiträge hier nicht nummeriert, so dass ein eindeutiger Bezug schwer ist. Zu Deiner ersten Rückmeldung heute:

    „Den Gesell-Punkt habe ich hingegen gebracht, weil du dich explizit für Schwundgeld ausgesprochen hast, denn das ist eine Kern-Idee der Gesellianer.“

    Der Begriff Schwundgeld wird mit mehrfacher Bedeutung verwendet. Bei den Gesellianern als Negativ-Zins, also als Zahlung für den Erhalt von Geldwert (Wer Geld festhält, muss in regelmäßigen Zeitabständen dafür einen Betrag bezahlen). Dies habe ich immer ausdrücklich kritisiert und habe dem eine andere Version entgegengehalten und mit einem zeitgebundenen Rechengeld ausgeführt. Richtig ist, dass der Begriff „Schwundgeld“ durch die Diskussion so belastet ist, dass man vielleicht besser einen anderen verwenden sollte, wenn man überhaupt über Geld spricht. Solange es so etwas wie ein Entgeltungsmittel braucht, und ich sehe bis heute keinen Weg, dem zu entgehen, so muss dieses in seiner Umlaufzeit eine Entwertung erfahren, die analog zur Verweildauer entsprechend wertvoller Arbeitsprodukte ist. Das kann ja anderswo ausführlicher diskutiert werden.

    Wie dem auch sei, mir scheint es problematisch, wie du jetzt Marx so zusammenzufassen, „Der hat nämlich aus dem Warentausch diese Trennung des Arbeiters von seinem Produkt abgeleitet“. Ohne die vorherige Trennung der Werktätigen von ihren bisherigen und sonstigen Produktionsmitteln, ohne den eben doppelt freien Lohnarbeiter gibt es keine allumfassende Warenproduktion, aus der man in der Tat dann alles logisch ableiten kann. Es scheint mir deshalb auch falsch, wenn du schreibst:
    „Erst durch die Wertbildung im Arbeitsprozess, also durch die Verwertung von Wert, durch die Bestimmung des Preises der Arbeitskraft durch deren Wert, den sie für den Geldbesitzer, also den Kapitalisten hat, entsteht dann die Trennung des Arbeiters von seinem Produkt.“ Andersrum, Wert, Wertbildung, Verwertung, Mehrwert usw. all diese Kategorien machen überhaupt nur Sinn in einer Klassengesellschaft, in der die eine Klasse die Produktionsmittel monopolisiert hat.

    Das halte ich nun für gänzlich verkehrt im wahrsten Sinn des Wortes. Und auch aktuell für eine politische Argumentation schlecht, wo doch die Klassengesellschaft global, und daher lokal immer schwerer zu lokalisieren ist. Bei Attac und DKP usw. wird immer mehr auf eine angeblich gute, „das Gemeinwohl fördernde“ Marktwirtschaft hingedacht und ein sehr übler Revisionismus ausgebreitet. Die Diskussion müsste aber sehr viel ausführlicher sein und kann hier wohl nicht geführt werden. Ich kann nur auf mein Kompendium zu diesem Thema verweisen („Die allgemeine Formel des Kapitals“ siehe http://kulturkritik.net/kompendium/kommentare/230211.php#i0010 und folgende.

    Warum du dir nur diese Diskussion zumuten willst, aber auch nur einen zweiten Thread oder gar einen Veranstaltungsmitschnitt nicht „antun“ willst, verstehe ich nicht. Du selber bist ja auch nicht gerade einsilbig gewesen die letzten Jahre auf deiner eigenen Webseite. Zudem mangelt es eh vielen Blogdiskussionsbeiträgen an weiterführenden Links, nicht alles kann man in zwei bis 20 Zeilen hinreichend ausführen.

    Ich habe schon mehrere Foren auf der Kulturkritik.net und auf Wikipool.net eingerichtet, die ziemlich schnell vollgemüllt waren und ich kaum noch Zeit fand, das zu administrieren. Andere, die es versucht hatten, hatten das dann auch aufgesteckt. Alle meine Beiträge und Sendungen sind aus dem Audio-Archiv abrufbar: http://kulturkritik.net/audio/index.html.
    Weiterführende Links gibt’s bei mir tausendfach, z.B. im Kulturkritischen Lexikon, wo jeder der momentan 1289 Begriffe direkt angelinkt werden kann mit http://kulturkritik.net/lex.php?lex=begriff, zum Beispiel also für Bedürfnis: http://kulturkritik.net/lex.php?lex=beduerfnis, für Arbeit: http://kulturkritik.net/lex.php?lex=arbeit usw.

  122. 16. Juli 2013, 12:21 | #122

    Das wundert mich jetzt schon, Wolfram, wenn du gegen den Verweis auf die kapitalistische „Klassengesellschaft“ sagst, daß „die Klassengesellschaft global, und daher lokal immer schwerer zu lokalisieren ist“. Das kommt mir insbesondere „hier“ nach den tollen Schröder-Reformjahren mit ihrem vorbildlich großen Billiglohnsektor, den auch hier working poor besonders eigenartig vor.
    Zudem ich wie die meisten hier ja nun offensichtlich kein besonderer Fan der „Marktwirtschaft“ bin, und deshalb auch entschiedener Gegner von Attac oder Linkspartei/DKP.

  123. Mattis
    16. Juli 2013, 12:58 | #123

    Hallo Wolfram,
    du schreibst:

    „Ich gehe von einer regionalen Subsistenzwirtschaft als Grundbedingung der Maßstäbe regionaler Arbeit aus, auf die eine eigenständige Betriebswirtschaft bei Bedarf „draufgesattelt“ werden kann, wenn Menschen mehr arbeiten wollen, als es zur regionalen Subsistenz (einschließlich Neuinvestitionen, Vorsorge usw.) nötig ist. Sie können entweder einen Teil ihrer gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit in kommunalen Einrichtungen abarbeiten oder durch Produkte ableisten, die einem kommunalen Bedarf entsprechen. Wenn sie sich vergrößern wollen, so können sie – ähnlich wie eine Kommune mit einer anderen sich abzugleichen sucht, wenn z.B. die Naturbedingungen oder Technologien transferiert werden sollen – sich durch ihre Mehrprodukte mit der Kommune abgleichen und anderswo erzeugte Maschinen oder anderes dafür bekommen. Das wäre dann so was wie ein Produktabgleich von Mehrprodukten.“

    Ich komme mit deiner Antwort leider immer noch nicht zurecht. Der Begriff „regionale Subsistenzwirtschaft“ sagt doch über das normale Prozedere betrieblicher Re-Investitionen im Grunde nichts aus, sondern deutet allenfalls einen sachlich-stofflichen Rahmen an, innerhalb dessen das Produzieren und Konsumieren zunächst mal stattfindet. Das Wie ist damit noch nicht angesprochen. Und bevor wir über das Thema „Mehr“ oder „Vergrößerung“ sprechen, würde ich gerne erstmal verstehen, wie so ein im Subsistenz-Rahmen positionierter Betrieb grundsätzlich funktioniert.
    Nehmen wir vielleicht ein konkretes Beispiel: die Produktion von Landmaschinen und dazugehörigen Ersatzteilen. Auch solche Gerätschaften verschleißen ja, so dass Ersatz beschafft werden muss sogar bei einer landwirtschaftlichen Produktion auf einer gleichbleibenden Stufenleiter. Muss der Landmaschinen-Betrieb sein eigenes Funktionieren durch Einnahme eines Entgelts für seine Produkte selbst sicherstellen, also durch Tauschakte die Mittel an Land ziehen, die benötigt werden für Rohmaterial und Vorprodukte? Werden die benötigten Vorprodukte und Rohmaterialien wiederum durch dieses eingenommene Rechengeld „bezahlt“?
    Aus deinen Formulierungen „Transfer“ oder „Produktabgleich“ kann ich diesbezüglich keine Antwort entnehmen.

  124. 16. Juli 2013, 13:53 | #124

    Hallo Neoprene,

    Das wundert mich jetzt schon, Wolfram, wenn du gegen den Verweis auf die kapitalistische „Klassengesellschaft“ sagst, daß „die Klassengesellschaft global, und daher lokal immer schwerer zu lokalisieren ist“. Das kommt mir insbesondere „hier“ nach den tollen Schröder-Reformjahren mit ihrem vorbildlich großen Billiglohnsektor, den auch hier working poor besonders eigenartig vor.

    Billiglohn und Klassenlage sind zweierlei. Hierzulande herrschen Dienstleistungen für den Selbsterhalt vor. Auch die Billiglöhner sind zum größten Teil damit beschäftigt. Doch Dienstleister sind keine produktiven Arbeitskräfte. Sie sind eine prekarisierte Unterschicht ohne grundsätzliche Eingriffsmöglichkeiten in die Mehrwertproduktion. Ihre hier vorherrschende Ohnmacht hat damit viel zu tun. Aber sie leben zugleich – selbst auf Harz-IV-Niveau -von der Ausbeutung hier nicht gegenwärtiger produktiver Arbeiter, die ihre Klamotten, Nahrungsmittel, Computer usw. herstellen. Nur eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe arbeitet – meist im Maschinenbau und Baugewerbe – produktiv. Und davon sind auch die meisten in ihrem Einkommen weitaus besser gestellt, als alle anderen.
    Richtig ist, dass Armut ganz allgemein das Merkmal eines Kapitalismus ist, dem es völlig gleichgültig ist, was er alles nieder macht und durch Verschuldung und Sparzwänge Armut verstärkt. Von daher ist sie der Ausgang von Widerstand. Doch der hat seine Basis immer weniger in den Fabriken und Industrien. Er ist so allgemein, dass fast alle Menschen ihren Widerstand finden müssen. Occupy und „Recht auf Stadt“ usw. sind daher bedenkenswerte Ansätze. Sie können aber nur dann Kraft gegen die Verhältnisse bekommen, wenn sie sich auch unmittelbar internationalisieren und das System als Ganzes disfunktional machen, zusammen mit Gewerkschaften, Angestellten, Ärzte, Händler, Kleinunternehmer usw. – die Bürger schlechthin, die ihre Gesellschaft längst verloren haben. Von daher wird der Lebensraum selbst entscheidend, weil hier die Potenziale eines Widerstands auf der Grundlage unmittelbarer Not kommunizieren. Eine proletarische Revolution wird man das nicht nennen können. Aber sie kann auch aus der Notgemeinschaft heraus sich vergesellschaften und aus bürgerlichem Widerstand heraus eine Gesellschaft schaffen, welche die vorhandenen Einrichtungen revolutionieren.

  125. 16. Juli 2013, 14:28 | #125

    Hallo Mattis,

    Ich komme mit deiner Antwort leider immer noch nicht zurecht. Der Begriff „regionale Subsistenzwirtschaft“ sagt doch über das normale Prozedere betrieblicher Re-Investitionen im Grunde nichts aus, sondern deutet allenfalls einen sachlich-stofflichen Rahmen an, innerhalb dessen das Produzieren und Konsumieren zunächst mal stattfindet. Das Wie ist damit noch nicht angesprochen. Und bevor wir über das Thema „Mehr“ oder „Vergrößerung“ sprechen, würde ich gerne erstmal verstehen, wie so ein im Subsistenz-Rahmen positionierter Betrieb grundsätzlich funktioniert.

    Das Kapital setzt sich solange durch, wie es den Selbsterhalt der Menschen bestimmen kann, ihre Subsistenz. Ob es das durch das Privateigentum an Produktionsmittel, Wohnungen, Energie, Verkehrsmittel usw. betreibt, ist gleich. Sobald ihm das verunmöglicht wird, fällt es in sich zusammen. Von daher kann steckt das allgemeinste Potenzial des Widerstands in der Aneignung dieser Subsistenzmittel, egal ob dieser von produktiv oder anders Tätigen getragen wird.
    Auf dieser Ebene befindet sich das Argument, egal, was man alles darunter dann auch noch verstehen kann. Und da entstehen ja auch die – sagen wir mal – systemkritischen Bewegungen, auch wenn sie noch reformistisch und in ihrem isolierten Interesse borniert sind. Aber daran wird sich die Frage entzünden, wie und wo es weiter gehen kann. Die Rechten wissen das schon ausgiebig zu nutzen, die Linke hält sich da weitgehend noch fein raus.
    Real wird das aber alles, wenn hier die Blockaden entstehen, wenn nichts mehr funktioniert, weil der Raum von denen besetzt wird, die abkassiert werden und das Unvermögen der anderen Seite wächst, sie zu zwingen, weil sie den öffentlichen Raum zunehmend übernehmen, die Zahlungsunfähigkeit ihrer Kommunen neue Verteilung der Güter erzwingen und schließlich auch sowas, wie eine kommunale Selbstverwaltung möglich ist.
    Die muss dann aber auch die Selbsterhaltung der Menschen sicherstellen, und das verlangt die adäquaten Mittel, also eine Subsistenzsicherung durch selbwirtschaftliche Einrichtungen, die wirtschaftlich funktionieren: Subsistenzindustrie oder wie immer man das nennen will.
    Daraus erst wird sich eine neue Produktionsweise entwickeln können, die dann auch alle weiteren Möglichkeiten der Entwicklung von Arbeit und Bedürfnissen, Wünschen und Träumen beinhaltet, wenn sie nicht durch abstrakt menschliche Arbeit (=Wert), sondern durch gesellschaftlich entschlossene Arbeit fortgebildet werden.
    Und es geht zunächst auch nur über diese formal begriffene Ausgangslage. Über das Wie wird man sich in der Aktion selbst entscheiden müssen. Wir sind keine Propheten, sondern können nur das Notwendige feststellen.

  126. Mattis
    16. Juli 2013, 18:28 | #126

    Hallo Wolfram,

    „Die [kommunale Selbstverwaltung] muss dann aber auch die Selbsterhaltung der Menschen sicherstellen, und das verlangt die adäquaten Mittel, also eine Subsistenzsicherung durch selbwirtschaftliche Einrichtungen, die wirtschaftlich funktionieren: Subsistenzindustrie oder wie immer man das nennen will.“

    Kommunen, die im Zuge dessen immer weniger Gewerbesteuer einnehmen werden, müssen dann noch strenger als jetzt kalkulieren und werden den Leuten in den Subsistenzbetrieben sicher nicht mehr Einkommen (oder analoge Anspruchstitel) bieten können als sonstwo auf dem Land oder beim Aldi. Ich sehe da gar keine andere Qualität, in erster Linie nur einen Besitzerwechsel: statt private Bauern und Lebensmittelfilialen jetzt dasselbe in öffentlicher Hand. In früheren Jahrzehnten hatten wir hierzulande übrigens noch sehr viele kommunale Betriebe und Institutionen, trotzdem war das keine grundlegend andere Gesellschaftsordnung.
    Sieht mir jedenfalls mehr wie ein Notprogramm zum Überleben aus. Aber ohne eine Arbeitsplatzgarantie für jeden, der sie möchte, taugt es nicht mal als allgemeines Notprogramm. Sollte man nicht ein bißchen höhere Ansprüche stellen, wenn man schon mal entschlossen ist, eine Alternative zu entwickeln?

    „Über das Wie wird man sich in der Aktion selbst entscheiden müssen.“

    Da du über das Wie sowenig sagen kannst, vermag ich leider nicht einzuschätzen, ob dein Ansatz geeignet ist, Verwertungszwänge – also die Herrschaft des Werts über den Gebrauchswert – zu überwinden, oder ob dieselben nicht doch nur in einem neuen Gewand und mit einer neuen Sprachregelung fortgesetzt werden.

  127. 16. Juli 2013, 18:55 | #127

    An so Sätzen, wie den, den sich jetzt Mattis vorgenommen hat, stolpere ich immer fast über jedes Wort:
    Was ist denn eine „Selbstverwaltung“ wert, wenn sie eh nur „kommunal“ weit reicht?
    Was soll den ausgerechnet in einer kleinen „Kommune“ zur „Erhaltung“, ja sogar zur „Selbsterhaltung“ der dort lebenden Menschen geleistet werden (können)?
    Was soll man denn überhaupt in so einer vergleichsweise kleinen Insel „sicherstellen“ können?
    Was ist denn, wenn die Mittel dafür gar nicht „adäquat“ auf diesem idylischen Plätzchen aufzutreiben sind?
    Wie sind die wirtschaftlichen Einheiten eigentlich „selbstsichernd“, wo sie eh man gerade bis zum Rand der Kommune reichen und darüber hinaus eh nichts sicher ist?
    Was funktioniert eigentlich, wenn sowas „wirtschaftlich“ funktioniert?
    Welche (lausigen)Industrieen kriegt man denn überhaupt hin, wenn die nur kommunal aufgestellt sein sollen?

  128. 17. Juli 2013, 02:20 | #128

    Hallo Mattis,

    Sieht mir jedenfalls mehr wie ein Notprogramm zum Überleben aus. Aber ohne eine Arbeitsplatzgarantie für jeden, der sie möchte, taugt es nicht mal als allgemeines Notprogramm. Sollte man nicht ein bißchen höhere Ansprüche stellen, wenn man schon mal entschlossen ist, eine Alternative zu entwickeln?“

    Du hast überhaupt nicht begriffen, um was es da geht. Bestimmt nicht, um Ansprüche zu stellen. An wen eigentlich? Oder Steuern einzuziehen? Für was eigentlich, wenn die Kommune ihre notwendige Mehrarbeit, also die Herstellung eines Mehrprodukts beschließt? Und was heißt da Notprogramm, wenn es um Notwendigkeiten geht? Natürlich muss man von diesen ausgehen, um nicht einen blindwütigen Durchsatz von Not zuzulassen, der ja schon oft die Erfolge von Revolutionen in ihr Gegenteil verkehrt hat. Ohne die Bewältigung der Notwendigkeiten wird es keine Freiheiten geben. Das ist doch fundamental. Und Freiheiten gibt es nicht als Plan, der hier zu verfassen wäre. Ebenso fundamental.

  129. 17. Juli 2013, 02:36 | #129

    Hallo Franziska,

    Als ob bei den Festlegungen, um die es dir geht, KEINE Machtbeziehungen vorkämen – wenn sich denn irgendjemand darauf noch einliesse. Denn.. da sagt uns Befürwortern eigentumsfreier Verhältnisse jeder, der sich mal auf aunsere Vorschläge einlässt,sofort: „Die (oder „wir“) werden sich (und) doch NIE einig. Und wenn, dann bloss mit Gewalt. Das funktioniert (auch) nicht.“

    Machtbeziehungen gibt es immer, wenn etwas gemacht werden soll oder auch gemacht worden ist. Das wird bei jeder gesellschaftlichen Form so sein. Es wird auch immer um Eigentum gehen, im Verhältnis derer, die es machen und denen die nichts machen. Die Menschen haben durch ihre Gesellschaft selbst schon eine Naturmacht und können deshalb zum Beispiel Natur auch zerstören. Sie können sie aber auch entfalten, indem sie ihre eigene gesellschaftliche wie individuelle Natur darin verwirklichen und bewusst gestalten.
    Nicht Eigentum und Macht sind das, was Kapitalismus ausmacht, sondern die Form hiervon, die Formbestimmung der Macht als nur repräsentierte Demokratie, also keine wirkliche Selbstbestimmung, die dabei vorgegaukelt wird, und kein wirkliches Eigentum der Menschen, sondern nur Privateigentum, das dem gesellschaftlichen entzogen wird.
    Das ist der Unterschied in der Auffassung von Marx und Proudhon und Bakunin. Marx hatte nachgewiesen, dass seine Gegner gerade dem anhängen, was sie kritisieren, dass sie ihre Willkür verteidigen, für die sie Gesellschaft benutzen wollen. Das ist ein doppelter Salto der Politik, die gar keine sein will. Wer Eigentum abschaffen will, will Entfremdung verewigen, denn Eigentum kommt nun mal von Eigenem, von veräußerten menschlichen Eigenschaften, seien sie individuell oder gesellschaftlich vergegenständlicht. Doch persönliche Machtverhältnisse machen die wirklichen Verhältnisse zu einer Farce der Politik, zu einem Willen, der immer mit persönlicher Aneignungsmacht, also mit Privateigentum verbunden ist, egal, ob der kommunistisch oder anarchistisch oder kapitalistisch begründet wird. Das ist dann tatsächlich bloße Sprachregelung.

  130. 17. Juli 2013, 09:50 | #130

    @ Fransika (25.Juni),

    Das Verhältnis von (wachsenden) Produktivkräften und Produktionsverhältnis ist seit seiner Dramatisierung in der, ich nenn es mal: historisch-materialistischen Arbeitshypothese von Marx (und Engels) in den Hintergrund getreten. Im „Kapital“ macht Marx immer nachlässigere Versuche, Belege für die Hypothese an irgendeiner sich dort ergebenden Kategorie festzumachen.

    Marx hat seine 3 Bände zum Kapital auf dem Widerspruch vom Wachstum der Produktivkraft und seiner Verwertung aufgebaut, und gerade im 3. Band das als Grundlage für den tendenziellen Fall der Profitrate mit seiner Auflösung im Finanzkapital thematisiert. Man kann die Krisen, also den sich immer wiederholenden Fall der Profitrate nach meiner Auffassung nicht verstehen, wenn man die Gegenläufigkeit von Wertwachstum und Wirtschaftswachstum nicht zur Grundlage nimmt, weil nur das erklärt, warum eine immer geringere Wertmasse in einer immer größeren Produktmasse erscheinen muss.
    Und man wird auch die funktionelle Macht des Finanzkapitals nicht wirklich verstehen können, wenn man den Wertzuwachs aus der Entwertung der sogenannten Realökonomie durch die Grundrente nicht einbezieht. Dies geht aus der Differenzialrente hervor, die Wert aufnimmt, auch wenn der Grund und Boden für die Produktion wertloser wird, also einen Preis entwickeln kann, der nichts mehr unmittelbar mit dem Wert der Produktion zu tun hat, sondern aus dem Ankauf von Profiterwartungen, die Werte einziehen, die nicht mehr produktiv erwirtschaftet werden können, also bloßen Eigentumstitel (Grundbesitz, Ressourcenbesitz, Kapitalbesitz) entspringen.
    Dem Marx vorzuhalten, er wäre da nachlässig geworden, halte ich für ziemlich absurd.

  131. Mattis
    17. Juli 2013, 11:27 | #131

    Hallo Wolfram,

    „Du hast überhaupt nicht begriffen, um was es da geht. Bestimmt nicht, um Ansprüche zu stellen. An wen eigentlich? Oder Steuern einzuziehen? Für was eigentlich, wenn die Kommune ihre notwendige Mehrarbeit, also die Herstellung eines Mehrprodukts beschließt?“

    „Ansprüche“ stelle ich nicht an jemanden, aber selbstverständlich an die Annehmlichkeiten und die Leistungsfähigkeit einer alternativen Ordnung. Ich hab keine Lust länger zu arbeiten oder Verzicht zu üben, nur damit eine Kommunalverwaltung die Dinge in der Hand hat statt irgendwelche Aktiengesellschaften. So arg viel „Selbstbestimmung“ hat der Einzelne in einer kommunalen Wirtschaft ja auch nicht, man ist da nur einer von Tausenden oder gar Zehntausenden, auch wenn man räte-demokratische Verfahren einsetzt. Es muss also schon deutlicher werden, was nun der vorteilhafte Unterschied ist!
    Der ökonomischeUnterschied jedenfalls wird von dir nicht klargestellt, stattdessen formulierst du eine abstrakte Bestimmung nach der anderen, bei der ich mir kein Bild machen kann. Du warst es doch, der die Unterscheidung von „Notwendigem“ und „Mehrprodukt“ hier so betont hast, aber was das bedeutet, bleibt offen. Ist mit Mehrprodukt das gemeint, was für den Austausch mit anderen Kommunen bestimmt ist? Unklar. Haben die Kommunen dann eine Art Verwaltungsinstanz, die sämtliche Handels- und Vertragsangelegenheiten mit anderen Kommunen praktisch organisiert, oder können auch selbstständige Produzenten frei über die Kommunegrenze hinweg handeln etc.? Bleibt offen. Liegt die Produktionsplanung insgesamt in der Hand der Kommune oder nur die Festlegung von Regeln, an die sich dann auch private Produktionsmittel-Eigentümer halten müssen? Unklar.
    „Ansprüche“ stellen heißt z.B., dass ein Gesundheitswesen da sein muss auch mit Spezialkliniken, die eine einzelne Kommune überfordern. Welche Instanz oder Ebene ist dann aber Träger solcher Einrichtungen? Dasselbe gilt für viele Produktionsbetriebe, z.B. den Maschinenbau. – Gehört die Produktion von Möbeln und Küchengeräten noch zu den Notwendigkeiten, die von der Kommune organisiert und geleitet werden? Das würde m.E. zu einer unsinnigen Vervielfachung von Produktionsstätten führen, und damit zu einer ungeheuren Aufblähung des „Fixkapitals“ (jedenfalls des Aufwands für Gebäude, Maschinen und Verfahren im Verhältnis zur Anzahl der erzeugten Endprodukte). Das senkt natürlich die Effizienz kolossal, und als Konsument werden sich die Leute fragen, was hab ich dann eigentlich von so einer Art von Separatismus.

  132. franziska
    17. Juli 2013, 16:52 | #132

    Wolfram wirds dir, Mattis, vielleicht in seinen Worten erklären – ich jedenfalls hab beim Mitlesen soviel verstanden, dass er derzeit ein Zusammenbruchsszenario sich entfalten sieht, das dem von Robert Schlosser (und womöglich anderer Schreiber im marx-forum) nicht ganz unähnlich ist. Krisen sind da immer solche des Gesamtkapitals, und nicht (mit wieviel Nachhilfe von seiten des Staats und seines Kredits auch immer) Bereinigungen des Marktes (oder wie heute von Bankbilanzen).
    Generell erwartet sich Wolfram ähnlich wie Autoren im Marx-Forum die Befreiung vom (Privat)Eigentum von der Notgemeinschaft derer, die in ihren Kommunen nicht mehr überleben, weil vom (Finanz)Kapital ihrer Subsistenzmittel enteignet. Wohin es nach diesem erzwungenen Übergang weitergeht (und davon sprichst immer du, Mattis, und so, als könnt man sichs aussuchen, was Wolfram zumindest für die Anfangsphase bestreitet), das steht dann auf einem anderen Blatt.
    Wolframs Ausführungen zu Eigentum und Macht (normalerweise als Basis der Möglichkeit der Durchsetzung eines Willens gegen den widersprechenden anderer) kann man stehen lassen, und bloss trocken anmerken, dass die Frage der Herstellbarkeit von Konsens (und zwar informiertem Konsens, um das Steuerungs- und Wissensproblem gleich mit unterzubringen) und das Wie der Herstellung der kommun(al)istische Dreh- und Angelpunkt schlechthin ist.
    Die Untergangs- und Höllenpropheten, die diesen Übergang immer mehr oder weniger durch Not (sich zuspitzende oder anders nie zu beendende, wie der GSP) begründet sehen, können es sich schenken, hier allzu genau nachzufragen: man wird schon sehen, „Wir sind keine Propheten, sondern können nur das Notwendige feststellen.“
    Am Rande möchte ich festhalten, dass die Marxschen Histomat-Formeln auf MEINE Konsequenz aus der Kapitalkritik jedenfalls zutreffen, und das ganz ohne Zusammenbruch; der Übergang (bei ansonsten drohendem Untergang) ist vernünftigerweise dadurch erzwungen, dass auf ökologische, bedürfnisgerechte, Ungleichzeitigkeiten abbauende Weise zu produzieren anders als kommun(al)istisch- (privat) eigentumsfrei gar nicht möglich ist. Weils da um Wissensverarbeitung auf gesellschaftlichem Niveau geht. Und das ist was, worauf Marktwirtschaft – mitten in der Wissen ohne Ende anhäufenden Moderne – nicht wirklich eingerichtet ist.

  133. 18. Juli 2013, 06:43 | #133

    Die inhaltliche Bezugnahme scheint erschöpft zu sein. Bevor ich den strebsamen Vorstellungen von Gesellschaftskonstruktionen subsumiert werde, fasse ich lieber selbst nochmal die Stichpunkte meiner Position zusammen, die in meiner letzten Radio-Lora-Sendung unter dem Titel „Die Aneignung der entwendeten Zeit“ inhaltsreicher dargestellt wurden:
    1. Die bürgerliche Gesellschaft hat sich darin aufgehoben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die Produktion von Mehrwert durch produktive Arbeit in einem zur Werterhaltung des umlaufenden Geldes nötigen Ausmaß sicher zu stellen. Weder lässt sich die Ausbeutung der Arbeit im Verkauf ihrer Produkte wertmäßig adäquat realisieren, noch können die Eigentumstitel des Grundkapitals (Grundrente) weiterhin Wertanteile einer an sich unproduktiven Arbeit (z.B. Dienstleistung) in hinreichendem Ausmaß einnehmen, sodass die gesamte Realwirtschaft an ihre Verwertungsgrenze gelangt ist.
    2. Die Folge ist, dass Ausbeutung de facto über die Verbürgungen der Bürger für das Kapital als Ganzes sich entfaltet, indem deren Lebensräume immer umfassender durch die politische Verschärfung und Ausweitung der Schuldverhältnisse bestimmt werden.
    3. Wir befinden uns nicht in der Phase eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs, sondern eines Übergangs in einen Feudalkapitalismus, in dem die Austeritätspolitik zur tragenden Einnahmequelle der Finanzwirtschaft durch die Staatsverschuldung wird, also durch die Totalisierung der Einflusssphären des Finanzkapitals vermittels der Politik der bürgerlichen Staaten, die sich objektiv gegen ihre Bevölkerungen richtet, und von daher zunehmend faschistisch strukturiert sein wird.
    4. Die Bekämpfung der Menschen durch deren Ausbeutung in Arbeit und Lebensraum hat globale Dimensionen, der sich alle nationalen Strukturen verfügbar halten müssen, um die Fiktionen einer relativ kleinen Glaubensgemeinschaft, die ihnen als Gläubiger gegenübersteht, zu bedienen.
    5. Dem Totalitarismus einer hieraus bestimmten politischen Gewalt können sich die Menschen nur aus der Kraft ihres ganzen Lebensverhältnisses entgegenstellen, als Bürger der Staaten und Staatenbündnisse, als Einwohner eines Verwertungsmittels, für die sie verbürgt wurden. Der Bruch ihrer Bürgschaft muss sich daher in den hieraus bestimmten Lebensverhältnissen verwirklichen und wird zunehmend mit der Staatsgewalt des Finanzkapitals konfrontiert sein.
    6. In ihren Lebensverhältnissen besteht das Material der Subsistenz weiterhin neben der politischen (rechtlichen ) Macht über diese. Es muss zum Träger der Kraft hiergegen werden, um diese disfunktional zu machen. In den Kommunen und Regionen müssen alle Infrastrukturen von der Bevölkerung verteidigt und weiter entwickelt werden, bis sie deren Selbsterhalt im Ganzen sicherstellen, deren Verhältnisse uneinnehmbar machen.
    7. Hieraus wird sich eine neue Gesellschaft fortentwickeln können, wenn sie alle politischen und ökonomischen Mittel für sich selbst in einem organischen Verhältnis gestalten und verwirklichen vermag. Deren Grundlage werden die Wirtschaftskreisläufe der regionalen Verhältnisse sein, weil nur dort ein bestimmtes Verhältnis von Produktion und Konsumtion politisch bestimmt sein kann. Aus der Kritik der politischen Ökonomie wird eine wirtschaftliche Politik für die Menschen herausgebildet werden, wenn es ihnen gelingt, eine politische Form der Auseinandersetzung zu finden, die ihrer Wirtschaftsweise entspricht.
    8. Diese Form muss sowohl inhaltlich wie substanziell begründet sein und in ihrer Allgemeinheit auch das Einzelne dem adäquat darstellen. Zugleich muss deren geschichtliche Dimension durch wissenschaftliche Mediation darin einbezogen werden, denn Wissenschaft verarbeitet die substanzielle Beziehungen von Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, soweit sie deren historische und aktuelle Materialien begriffen hat. Zur Beschlussfassung verlangt dies ein qualifiziertes Delegationsverhältnis, in welchem sich diese Beziehungen sowohl bestimmen (qualifiziertes Stimmrecht) als auch vermitteln lassen.
    9. Es wird ein Rätesystem hierzu notwendig sein, in welchem Menschen mit hohen Vermittlerqualitäten eine Auseinandersetzung führen, die in ihrer Ausgangslage von den Menschen bestimmt und in ihrem Ergebnis bestätigt wird und politisch wie wissenschaftlich einen wirtschaftlichen Fortschritt bestimmen kann, der im Nutzen eines Gemeinwesens steht. Wirtschaftlicher Fortschritt kann nur heißen, dass immer weniger Aufwand für immer sinnvollere Produkte aufgebracht wird.

  134. 18. Juli 2013, 07:35 | #134

    Das paßt ja gut, Wolfram! Ich war gerade dabei, diese deine Thesen selber hier reinzukopieren.
    Und zwar, weil ich schon über deine erste These gestolpert bin:
    Gibt es „die“ bürgerliche Gesellschaft eigentlich? Muß man da nicht die konkurrierenden Einzelkapitale und Nationalstaaten berücksichtigen?
    Deine Beschreibung „nicht mehr in der Lage“ ist zweideutig: Soll das „nur“ die Beschreibung einer weiteren kapitalistischen Krise sein, wie sie es gibt, solange es Kapitalismus gibt? Oder soll damit etwas Endgültiges, Unlösbares (im Rahmen des Kapitalismus) behauptet sein? (Andererseits scheinst du ja kein Vertreter von Zusammenbruchstheorien zu sein, schreibst du ja in 3. explizit)
    Wieso du von allen „unproduktiven“ Kapitalien ausgerechnet die Immobilien hervorhebst, erschließt sich hieraus übrigens nicht.
    In 6. sprichst du wieder von der ominösen „Subsistenz“, ohne daß klar ist, was das eigentlich sein soll bzw. unter den gegebenen Verhältnissen sein kann.
    Ich habe keinen blassen Schimmer, was du mit deiner wolkigen These 5 eigentlich gesagt haben willst: Welche „Kraft“ haben die Bürger, was können sie denn „als“ Bürger erreichen? Wie soll der berühmt/berüchtigte „Bruch“ aussehen? (Daß er, wie auch immer, in der Tat „zunehmend mit der Staatsgewalt des Finanzkapitals“ konfrontiert sein wird, sehe ich auch so.)
    Du forderst „In den Kommunen und Regionen müssen alle Infrastrukturen von der Bevölkerung verteidigt und weiter entwickelt werden, bis sie deren Selbsterhalt im Ganzen sicherstellen,“. Warum soll das in den Kommunen gehen, und in den Staaten wohl nicht? Warum müssen überhaupt „alle“ „Infrastrukturen“ verteidigt werden? Wie sollen die auch noch „weiter entwickelt werden“? Wie soll ausgerechnet durch solch eine Strategie der „Selbsterhalt“ auch noch „im Ganzen“ sichergestellt werden können?
    zu 7.:
    Nachdem du logisch einfach davon ausgehst, daß die Machtfragen gelöst wurden (wie auch immer, das läßt du damit ja offen), gehst du daran, was über die „neue“ Gesellschaft zu postulieren: „Deren Grundlage werden die Wirtschaftskreisläufe der regionalen Verhältnisse sein, weil nur dort ein bestimmtes Verhältnis von Produktion und Konsumtion politisch bestimmt sein kann“. Dein „werden“ soll woll heißen, „sollten/müßen“, das sehen andere ja anders. Erstmal weiß ich nicht, was eigentlich diese „Wirtschaftskreisläufe der regionalen Verhältnisse“ sein sollen. Gibt es das schon, muß das erst her, wer bestimmt, was eine „Region“ ist? Was steht hinter deiner nebulösen Begründung „weil nur dort ein bestimmtes Verhältnis von Produktion und Konsumtion politisch bestimmt sein kann“?
    Zu 9. Rätesystem
    Das klingt immer gut, wenn man bürgerliche Demokratie durch ein „Rätesystem“ ersetzen will. Das Problem ist nur, darauf hat oben zuletzt Franziska hingewiesen, daß solche Formallösungen ja überhaupt nichts ändern an dem Dissens, der den Fraktionierungen zugrunde liegt. Wenn die „neuen“ Menschen sich nämlich in wesentlichen Fragen nicht einig sind, bringt es zur Lösung eigentlich gar nichts, wenn man darüber einfach abstimmen läßt. Wenn man sich hingegen eh weitgehend einig ist, dann geht es in solchen Räten eh nur noch um Technicalities.

  135. franziska
    18. Juli 2013, 10:18 | #135

    „Die inhaltliche Bezugnahme ist erschöpft“ – wieso das denn?
    Allein die Länge der threads bei Neoprene zeigt, dass da nicht in hit-and-run-Manier debattiert wird. Du trittst hier mit einer Textlawine im Hintergrund, jahre- bis jahrzehntelang ausgefeilten Erklärungen zu beinah allem und jedem an, bisweilen steile Thesen eingeschlossen (Eigentumstitel auf Grundbesitz eignen Anteile der garnicht wert-produktiven Dienstleistungsarbeit an? Griechenland vorindustriell?), schliesslich auch mit einem durchaus eigenwilligen Jargon – alles ok, her und auf den Prüfstand damit – aber halbwegs nachvollziehen müssen wirs doch. Wenn ich Mattis oben einen Wink gebe, wie einiges bei dir zu verstehen sein könnte, ist das nicht das Ende sondern der Anfang oder Fortführung der Debatte, wo sie feststeckt.
    Entgangen scheint dir zu sein, dass die ersten Gegenthesen von mir, und wohl auch anderen, bereits mitgeliefert sind:
    Kapitalismus ist so feudal oder bürgerlich wie eh und je; die Bereinigung der Bankbilanzen durch zwischenzeitliche Stützung mit Staatskredit geht voran – so sehr, dass bereits diskutiert werden kann, wem und wo die Stütze entzogen werden kann, weil da kein flächendeckendes Desaster mehr droht. Was ist denn so system-sprengend unnormal am derzeitigen Kapitalismus? Dass keine Vollbeschäftigung herrscht? Dass Zentralbankgeld nun mal DAS Geld ist – im Innern; und sich im letztlich gewalt-gesicherten „Aussenverhältnis“ der Konkurrenz mit andern Währungen stellen muss und/oder kann? Dass niemand den „soliden“ Wertanteil in einem Euro oder Dollar vom „spekulativen“ Kreditanteil darin unterscheiden kann? Dass zum gegebnen Zeitpunkt nicht alle Profiterwartungen aller Anleger erfüllt werden können, und einiges solid verdientes und hoffnungsfroh investiertes Geld plötzlich nicht mehr zurückkommt, oder nicht so bald, oder nicht mit dem erhofften Aufschlag? Das soll neu sein???
    Und ausgerechnet der Erfolg, die riesige Überschüsse erwirtschaftende, hoch-produktive Industrie und ihr technologischer Selbstbezug, der zur unmittelbaren Neuinvestition auffordert, soll das Ende dieser Produktionsweise bedeuten? Verzeihung – wo soll denn da die immanente Schranke sein?
    Mit diesen Rückfragen möchte ich freilich keine Debatte lostreten, sondern eher (nicht an sich, nur im Moment zugunsten einer anderen, wichtigeren) verhindern. Denn: Ob man nun sagt, irgendein klassischer kapitalismus oder gleich das ganze System ist zuende, und geht in Feudalkapitalismus über, oder: es geht so wie immer, ist doch letztlich gleichgültig: Die Rückwirkungen auf die Leute da draussen, die damit doch eigentlich gemeint sind, die mörderische Gleichgültigkeit der Verantwortlicihen gegen das, was da von ihnen angerichtet wird, ist unbestritten und bedarf keiner langen Erklärung. Jeder sieht es in den Nachrichten und liest es in der Zeitung.
    Und da ist die viel entscheidendere Kontroverse: Erwächst aus Härte und Verelendung Widerstand? Findet kein massenhafter Übergang zu kommunistischen Positionen statt, weils in der Welt noch nicht schlimm genug zugeht? Als wie abstossend muss Kommunismus verstanden sein, was für ein Begriff davon ist da eigentlich unterstellt, wenn selbst Kommunisten sich den Übergang („Bruch“) zu ihm hin nur als Ausdruck äusserster Verzweiflung vorstellen können?
    Zuletzt noch:
    In diesem thread sind schon einige wunde Punkte des (auch von mir, allerdings nur in sehr bestimmten Formen, befürworteten) „kommunalistischen“ Vorgehens aufgedeckt worden – Neoprene hat das noch einmal anhand deiner Thesen wiederholt.
    Mir fällt speziell in deinen Skizzen die Forderung nach „wissenschaftlicher“ Begleitung und „Mediation“ auf. Wer qualifiziert sich nach wessen Urteil eigentlich für so etwas?

  136. 18. Juli 2013, 10:41 | #136

    Ja, Franziska, alle diese „Lösungswege“ („Räte“demokratie, wissenschaftliche „Begleitung“ (oder doch Entscheidung?), erst recht das vage „Mediation“ (statt Urteil des Revolutionstribunals?)) verdecken nur, daß man vorher gar nicht sagen kann, wie die offensichtlich ja jetzt schon ersichtlichen, zum Teil recht grundlegenden Differenzen entweder ausgeräumt werden können, oder wie es ziwschen diesen Streitparteien ein irgendwie gedeihliches Zusammenleben geben kann, wo es doch eigentlich inhaltlich zumeist ein gegeneinander ist.
    Zur Theorie, daß es erst schlechter werden müsse, damit es besser werden kann, weil erst dann und dadurch den Leuten vermehrt ein Licht aufgehen würde, unser aller Hoffnung also nur ein Untergangsszenario sein könne, habe ich ja schon hin und wieder was geschrieben (bzw. abgeschrieben) z.B. hier.

  137. 18. Juli 2013, 12:09 | #137

    „Die inhaltliche Bezugnahme ist erschöpft“

    Nicht der Inhalt ist erschöpft, sondern die Möglichkeit, dies alles, was hier angesprochen wird, aufeinander zu beziehen. Ich meine damit auch, was Neoprene eben gepostet hat. Für mich ist das schließlich auch ein Zeitproblem.
    Dennoch einigee Erläuterungen zu Neoprenes Fragen, soweit sie Missverständlichkeiten betreffen:

    Und zwar, weil ich schon über deine erste These gestolpert bin:
    Gibt es „die“ bürgerliche Gesellschaft eigentlich? Muß man da nicht die konkurrierenden Einzelkapitale und Nationalstaaten berücksichtigen?
    Deine Beschreibung „nicht mehr in der Lage“ ist zweideutig: Soll das „nur“ die Beschreibung einer weiteren kapitalistischen Krise sein, wie sie es gibt, solange es Kapitalismus gibt? Oder soll damit etwas Endgültiges, Unlösbares (im Rahmen des Kapitalismus) behauptet sein? (Andererseits scheinst du ja kein Vertreter von Zusammenbruchstheorien zu sein, schreibst du ja in 3. explizit)
    Wieso du von allen „unproduktiven“ Kapitalien ausgerechnet die Immobilien hervorhebst, erschließt sich hieraus übrigens nicht.

    Natürlich meine ich das Unlösbare, was aus dem unlösbaren Widerspruch des Kapitals dahin gekommen ist, dass es seine eigenen Bedingungen aufzehrt. Ich nenne das nicht Zusammenbruch, weil eine Gesellschaft nicht zusammenbrechen kann, sondern Übergang in eine Gesellschaftsform, die sich gegen die Marktwirtschaft und ihre „Gesetze“ selbst wendet, und die erst nenne ich Feudalkapitalismus. Die bürgerlichen Gesellschaft hatte sich mit ihrer Marktwirtschaft aus dem Feudalismus herausgesetzt, jetzt fällt sie auf eine Kapitalversion derselben zurück. Das ist schon was anderes als bisher, wo z.B. die Grundrente noch durchaus Mehrwert eingezogen hatte. Über Eigentumstitel, wie z.B. Haus- und Grundbesitz werden Löhne abgeschöpft, die nicht aus der Güterproduktion einfließen, sondern entweder aus ihren Absatzkosten (Gütertransport) noch Werttanteile für die „Marktreife“ transportieren oder als bloße Dienstleistung in überhaupt kein Produkt eingehen. Der „Beitritt“ von Kroatien zur EU war ein Beleg hierzu, woraus ersichtlich ist, dass es nicht um Verschlimmerung der Verhältnisse geht, sondern um die Aneignung von Armut zur Perpetuierung derselben, um lediglich die Einflusssphären der Kapitalmacht auch jenseits der Produktivität, also durch bloße Gewalt zu erweitern.

    „Welche „Kraft“ haben die Bürger, was können sie denn „als“ Bürger erreichen? Wie soll der berühmt/berüchtigte „Bruch“ aussehen?“

    Da Bürger vor allem Menschen sind, auch wenn sie von den Produktionsprozessen in der Welt getrennt existieren, haben sie mit ihrer Geburt die Kraft, mit der sie z.B. ihren Lebensunterhalt schaffen müssen, Steuern, Miete usw. zahlen, Kinder großziehen, gesund pflegen, Erfindungen machen usw. Die Verschuldung, mit der die Menschen geboren werden, entzieht ihnen Lebenszeit durch Arbeit zu derer Finanzierung, wie es auch Mieten und Gebühren usw. tun, die inzwischen einen nicht mehr reparablen Wertdefizit auszugleichen haben. Der Staat ist von daher selbst an hohen Gebührenkosten interessiert und verstetigt nur die Schuldenherrschaft.
    Der Widerstand hiergegen, wird nicht aus der Industrie und den Verhältnissen der produktiven Arbeit zustande kommen, sondern aus den Widersprüchen im öffentlichen Raum, in der Gentrifizierung, den örtlichen Verödungen, Verarmungen und Verelendungen entstehen.
    Die Kraft gegen diese Verhältnisse ist die Umkehrung der Kraft, die Menschen für den Wertbedarf eines Feudalkapitals aufwenden müssen. Wer allerdings noch an die Kraft der Proletarier glaubt, wird das natürlich nicht einsehen.

  138. 18. Juli 2013, 13:08 | #138

    Off Topic:
    Ich habe in letzter Zeit mehrfach mißlungene Kommentare auf meine Kontakt-Box bekommen:
    Kein Absender und kein Inhalt.
    Man kann mich auch „normal“ erreichen unter neoprene (at) arcor.de. Dort braucht man natürlich eine echte Email-Adresse, hier reicht auch ein Fake, wenn man keine Antwort haben will.

  139. Mattis
    18. Juli 2013, 18:30 | #139

    Hallo Wolfram,

    „Nicht der Inhalt ist erschöpft, sondern die Möglichkeit, dies alles, was hier angesprochen wird, aufeinander zu beziehen. Ich meine damit auch, was Neoprene eben gepostet hat. Für mich ist das schließlich auch ein Zeitproblem.“

    Auf meine Fragen an dich braucht man keine seitenlangen Ausführungen. Einige Fragen kann man sogar kurz und bündig erstmal mit Ja oder Nein beantworten, und dann sieht man, ob weiteres Diskutieren Sinn macht und in welcher Richtung.

    „Bevor ich den strebsamen Vorstellungen von Gesellschaftskonstruktionen subsumiert werde …“

    Da kommen wir deinen Ausflüchten schon näher. Sag halt, dass du keine Ahnung hast, wie die Kommune als ökonomische Instanz agieren soll, ich nehms dir nicht übel. Aber denunziere nicht das Bemühen, eine alternative Gesellschaft voraus zu denken. Die von dir angesprochene „Kraft der Proletarier“ wirst du mit deinen akademisch-politologischen Exkursen allein jedenfalls nicht erreichen.

    „In den Kommunen und Regionen müssen alle Infrastrukturen von der Bevölkerung verteidigt und weiter entwickelt werden, bis sie deren Selbsterhalt im Ganzen sicherstellen, deren Verhältnisse uneinnehmbar machen.“

    „Uneinnehmbar“ – so etwa wie eine Wagenburg? Weißt du eigentlich nicht, dass Separatismus sowas wie ein Verteidigungsfall ist und eigens dafür die Notstandsgesetze beschlossen wurden?
    Und wenn du ja offenkundig gar nicht interessiert bist, wie die Alternative ökonomisch überhaupt funktionieren soll, und dich weiterhin weigerst, „Selbsterhalt“ mal nachvollziehbar zu konkretisieren, dann kannst du solche Aufrufe auch genausogut sein lassen. Du konntest ja nicht einmal mir, der sich hier wirklich bemüht hat, dich zu verstehen, plausibel machen, was denn nun das Verteidigenswerte an deinem Kommunalismus sein soll. Geht es durch die Verwirklichung deines politologischen Ideals irgendeinem arbeitenden Menschen besser?
    Man soll das heute existierende kommunale und regionale Treiben auch noch verteidigen? Das kommt mir vor wie die Illusion von der nationalen Selbstbestimmung, mit der alles toll wird, wenn nur die Fremdbestimmung endlich weg ist. Afrika lässt grüßen. Genauso illusorisch ist – sozusagen exakt eine Stufenleiter tiefer – das Fanal einer kommunalen Selbstbestimmung – weil der Fokus auch dabei wiederum gar nicht auf dem Wie der dortigen Ökonomie liegt, sondern auf dem Wörtchen „kommunal“, als sei das ein eigener Wert an sich. In „meinem“ derzeitigen Gemeinderat tummeln sich jedenfalls prozentual noch mehr üble Reaktionäre als im Bundestag. Wenn dieselben Typen mal als Räte delegiert werden sollten, wirds dadurch auch nicht besser. Eher ein Grund, die Flucht anzutreten, um diesen Lokalpatrioten nicht vollends ausgeliefert zu sein.
    Ich fahre mit einer Regionalbahn zur Arbeit. Die Regionalbahn ist nicht pünktlicher und im Winter nicht wärmer und im Sommer nicht kühler als die Deutsche Bahn, dafür aber bezahlt sie ihre Angestellten ein ordentliches Stück schlechter. Soll ich mich jetzt etwa für diese lokalen Ausbeuter auch noch stark machen? – Oder, anderes Thema, dafür kämpfen, dass die Müllverordnungen, die in jedem Dorf anders ausehen (ohne dass damit für die Umwelt was gewonnen wäre) auch weiterhin ureigenste Sache der Gemeinde bleiben?
    Weißt du was das alles im Grunde ist, mal auf den Begriff gebracht? Nationalismus auf engstem Raum. Und nichts sonst. Nationalismus ist keine Frage von Quadratkilometern.

  140. franziska
    18. Juli 2013, 22:07 | #140

    Mattis, Wolfram verstehen heisst erstmal sich drauf einlassen, dass er ein Prognose-Szenario erstellt, aus dem von ihm für wahrscheinlich bis sicher gehaltene Entwicklungen (einer Notgemeinschaft – eben nicht aus der Kraft der Proletarier, sondern loakler (daher das Kommunale an dem Konzept) Bewohner) resultieren – in eine Richtung, die erst später daraufhin (so wie du es hier tust, Mattis) befragt werden kann, was man befürwortet – weil erst dann die Not dieser Gemeinschaften der Freiheit weicht.
    Diese Denkform begegnete bei Robert Schlosser und unter Umständen auch noch anderen Autoren etwa im Marx-Forum.
    Darin schwingt immer auch ein Idealismus mit der Art „Eine Gesellschaft bricht nicht zusammen…“ Dann nennen wir es vielleicht anders: Sie wird zerrüttet, zermürbt..)
    Die ökonomischen Analysen, die dahinterstehen, nehmen ihren Ausgang von der Behauptung einer „Verwertungsscharnke“, die bereits jetzt oder demnächst erreicht sein soll, und für alle offensichtlich, zumindest spürbar macht, dass das Kapital im bisherigen Sinn irgendwie am Ende ist. Über die ökonomischen Auffassungen, die dahinterstehen, möchte ich (wie schon angeduetet) lieber nicht debattieren, denn: Ich halte diese Zermürbungs- und Zerrüttungs-prognosen aus allen möglichen Gründen für nicht ganz abwegig, sehe darin aber eher eine Verlaufsformie – die Härte, dass moderner Kapitalismus oder Moderne in kapitalistischer Vergesellschaftungsform sich nicht um Natur (ausser als vernutzbare Ressource), Bedürfnisse (ausser als zahlungsfähige), Ungleichzeitigkeiten und historische Entwicklungsstände (ausser als Investitionsgelegenheit) kümmert, muss sich ja irgendwann auch mal bemerkbar machen. Nur eben nicht als Anlass zur Revolte… Und dieser Unglaube an die „Kraft der Menschen“, die doch irgendwie weiterleben müssen (leider sehe ich dafür keine Notwendigkeit) ist unabhängig von der Ableitung des Zerrüttungs-Szenarios. Darüber sollte man hier mit Wolfram am ehesten sprechen. (Ich habs nicht genauer nachgelesen, aber er befürchtet da einen Wettlauf zwischen linken und rechten Angeboten an die zunehmend Verzweifelnden, bei dem die Rechten derzeit aus seiner Sicht die Nase vorn haben. Immerhin: Linke haben da nicht shcon gewonnen, bloss weil „Krise“ oder „Zerrüttung“ ist, sondern müssen noch einiges zulegen (die Krisen-Erklärung reicht irgendwie nicht…)
    Warum immer diese Umwege? Warum misstrauen Kommunisten ihrem eigenen Konzept so sehr, dass sie auf solche Erzwingungs-Szenarien (und Mechanismen) setzen? Und… warum erklären sie sich die Widerstände dagegen so wenig, dass sie immerzu nur das notwendig oder zumindest sehr wahrscheinliche Schlechte der bestehenden Verhältnisse aussprechen, aber nie ARGUMENTATIV einmal ins Verhältnis zu den Einwänden gegen ihr Projekt setzen? DANN kommen wir natürlich wieder in die Mattis’schen und andere Frage-Zonen. Ich finde: zurecht. Mit Mattis zusammen müssen wir uns dann den Details zuwenden – was ist dann eigentlich soviel besser? Dass wir es tun, zeigt vor allem eins: Die bestehende Kritik (in der wir und mit den Adressaten unserer Kommunismus-Vorschläge einig sein sollten) ist irgendwie keine. Sie kann eigentlich niemandem derzeit so recht die Frage beantworten: Warum lohnt es sich für mich, mich einem oder dem kommunistischen Projekt anzuschliessen? Eben darum: Weil diese Kritik nie die auch nur subjektiven Gründe, die dagegen sprechen, einmal systematisch untersucht hat (oder auch die, die dafür, die Kommunismus attraktiv machen: pfui, das ist Utopie-Konstruktion!) – weil die Kommunisten selbst sich kaum je einmal Rechenschaft darüber abgegeben haben, warum sie welche sind und die andern nicht.
    Warum zum Beispiel lassen mich die Mattis-Probleme nicht an meiner Entschiedenheit zweifeln – warum gehe ich keineswegs „ergebnisoffen“ in die betreffenden Analysen?
    Warum ICH so – und soviele andere genau andersherum (auch nicht ergebnisoffen)? Warum können WIR uns ziemlich gut vorstellen, uns mit andern (worüber?) zu einigen… und soviele andere GENAU das nicht? Warum haben Linke eigentlich nie Antworten auf SOLCHE Fragen gesucht? Und warum nicht mit um Grössenordnungen höherem Aufwand an Sorgfalt sich um die Widerstände gegen kommunistische Vergesellschaftung gekümmert?

  141. 19. Juli 2013, 18:41 | #141

    Wolfram hat mir auf „seiner“ Yahoo-Seite geschrieben:
    „die Mitglieder dieser Liste haben bereits einen Hinweis und Link auf die erwähnte Diskussion bekommen. Ein Cross-Posting wird allgemein abgelehnt. Ich bitte Dich daher, dies auch hier nicht zu betreiben. Wer will, kann den Link sowieso benutzen.
    Außerdem sollten Diskussionen erhellend sein, und mir ist daran gelegen, dieser Liste keine weiteren Vermischungen zuzumuten, wie ich auch Deinen Blog verlassen habe, nachdem mir klar war, dass es nur noch Interpretationen von Interpreten gab, was die Sache nur noch verdunkelt. Ich habe ja auch dort auf Deine Einwände geantwortet, die sich in einem seltsamen Abstand zu meinem Text befinden und ziemlich weit hergeholte Bedenken aufblähen, will ich das nicht hier nochmal tun. Es ist eben etwas ganz anderes, wenn jemand das Projekt eines kommunistischen Willens betreiben will, ein anderer Kommunismus als wirkliche Bewegung diskutiert. Da kann man nicht zusammenkommen.
    Nur zur Erinnerung:
    „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35)“
    Ich habe ihm daraufhin so geantwortet:
    „Yahoo-Groups sind was Neues für mich und auch nach Jahren noch ein Buch mit sieben Siegeln. Was auch immer die Regeln bei euch sein mögen, ich bitte dich/(euch?) mich zu entschuldigen.
    Was „erhellende“ Diskussionen sind, und was nicht, darüber könnte man sicherlich trefflich streiten. Wo man Diskussionen sucht, muß eh jeder selber wissen, was auch immer da „Vermischungen“ für eine Rolle spielen mögen.
    Was du schon als „Antwort“ gewertet wissen willst, nun ja, vielleicht liegt es wirklich an dem Abstand zu deinem Text („seltsam“??) der mich das etwas anders sehen läßt. Deshalb verwundert mich dann auch nicht, daß dir meine „Bedenken“ „ziemlich weit hergeholt“ scheinen und du das als unziemliche „Aufblähung“ gewertet hast.
    Daß du meinst, eine inhaltliche Streiterei deswegen gar nicht erst aufkommen zu lassen, (du meinst ja erstaunlicherweise, schon jetzt alles Nötige gesagt zu haben, jedenfalls auf meinem Blog und in entgegenung auf mich und Mattis), und du dir sogar den schrecklich weiten Mantel des „Kommunismus der wirklichen Bewegung“ umhängst, ist mir nur noch bitter aufgestoßen: Wirkliche Bewegung?? Dann man zu, du Superrealist, ja „da kann man nicht zusammenkommen“. Ein paar mehr nachvollziehbare Argumente, warum du das meinst, wären da sicherlich reizvoll gewesen. Na, denn eben nicht.“

  142. Mattis
    20. Juli 2013, 14:56 | #142

    „Die ökonomischen Analysen, die dahinterstehen, nehmen ihren Ausgang von der Behauptung einer „Verwertungsschranke“, die bereits jetzt oder demnächst erreicht sein soll, und für alle offensichtlich, zumindest spürbar macht, dass das Kapital im bisherigen Sinn irgendwie am Ende ist.“ (franziska)

    Ja, sehe ich auch so, es sind jedenfalls hoffnungsgeleitete Spekulationen auf ein „so geht es nicht mehr weiter“, egal ob man es Krise, Untergang, Sackgasse oder sonstwie nennt. Es ist auf alle Fälle ein Setzen auf irgendwie verschärfte Bedingungen, welche dann die Leute in die gemutmaßte und erwünschte Richtung drängen würden. Deshalb auch so oft die ausweichende Redeweise „man wird sehen, was sich daraus entwickelt“. Also, um zuzusehen, wie sich „was entwickelt“, dazu muss ich mir dann auch nicht die Mühe machen, Marx zu studieren und zu zitieren.
    Die „automatische“ Richtung bei zunehmender Krise ist, was den demokratischen Kapitalismus angeht, kein Geheimnis: es ist eine Verstärkung des Nationalismus bis hin zum Faschismus. Weil damit an allen in den Köpfen bereits vorhandenen Maßstäben leicht angeknüpft werden kann – man muss diese nur entsprechend radikalisieren – und man dabei nicht wirklich umdenken muss.
    Der Wolfram zeigt es ja selbst mit seinem Standpunkt. Viele seiner Denkfiguren findet man im rechten Lager, diese Rechten könnten ganze Abschnitte von Wolframs „Kulturkritik“ problemlos unterschreiben. Das ist ein grausiges Konkurrieren mit den Positionen der Rechten, und eine Partei namens Die Linke tendiert auch zunehmend dahin – was von einigen Kritikern verharmlosend „Populismus“ genannt wird.
    Am Ende der „Bewegung“ läuft dann vielleicht wieder die halbe Linke mit fliegenden Fahnen zu den Rechten über, wie in der Weimarer Republik, weil die den Nationalismus halt immer noch am unbefangensten propagieren. Das wars dann wieder mal.

  143. Mattis
    20. Juli 2013, 14:59 | #143

    Zu dem gerne (auch von Wolfram wieder) zitierten Marx-Text:

    „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35)“

    Tja, ist sie denn überhaupt dazu angetreten, „die wirkliche Bewegung“ (welche eigentlich?), den „jetzigen Zustand“ tatsächlich aufzuheben, und in welche Richtung denn? Darum dreht sich doch die ganze Debatte, lieber Wolfram, diese Debatte, zu der du einen „seltsamen Abstand“ eingenommen hast.
    Mit dem „jetzigen Zustand“, der aufzuheben sei, hat Marx jedenfalls nicht die Rettung regionaler Autonomie vor der Priorität des Nationalstaates gemeint. Sondern es hatte irgendwas mit der Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln zu tun, ein Thema, zu dem du aber nicht wirklich Position bezogen hast. Schade drum.

  144. Mattis
    20. Juli 2013, 22:11 | #144

    Der Wolfram ist schon ein interessanter Fall – ich stöbere gerade auf kulturkritik.net -, denn zum einen lehnt er ziemlich klar genossenschaftliche Konzepte ab:

    „Die Profitrate sinkt auf das Niveau der Realisierbarkeit der Mehrwertrate – und die wird mit wachsender Produktivität immer geringer. Die Arbeitsleute bleiben gezwungen, ihr Mehrprodukt nach deren Regeln zu verpreisen. Sie können lediglich wie Aktionäre ihres eigenen Betriebs über ihre marktnotwendige Ausbeutung „frei“ bestimmen und froh sein, wenn sie dabei im Wachstum ihrer Löhne auf der Höhe einer marktüblichen Verzinsung, dem Wert der Durchschnittsprofitrate verbleiben – vorausgesetzt, der Geldwert bleibt stabil. Letztlich bleibt das eine sonderbare Form der Freiheit: Die Freiheit einer Selbsttäuschung.“
    (W.Pfr.)

    Aber so detailliert er hier die Ablehnung der Genossenschaften begründet, so abstrakt bleibt er leider andererseits bei seinem Konzept der kommunalen „Subsistenzindustrie“:

    „Gerade wo der Niedergang allgemein wahrnehmbar wird, wo die Kommunen verarmen, die Kultur vereinsamt, die Arbeitsstätten veröden, wird die Möglichkeit einer neuen Arbeitsweise und neuer Arbeits- und Lebenszusammenhänge sinnfällig.
    Wenn hierfür eine Organisationsform ausgemacht wird und eine der Kommunalwirtschaft adäquaten Politik dies aufgreift, könnte eine zunächst lokale ökonomische Politik entstehen, die in internationale Beziehungen und Netzwerke auswachsen wird. Hier wird es weitergehen, weil hier die Lebensräume der Menschen konkret sind und Wertabstraktionen unnötig werden können, sobald sie sich im nötigen Umfang neue Produktionsformen entwickeln, durch welche die Menschen sich selbst erhalten können.“
    (W.Pfr.)

    Ist denn seine „Subsistenzindustrie“ nun, vom Reichtumspotential her betrachtet, etwa mehr als eine der Genossenschaft vergleichbare Schein-Freiheit, da ja auch durch die kommunale Verfügung allein kein größeres Maß an verteilbarem Reichtum für die Mitglieder erzielt werden kann im Vergleich zu einer Genossenschaft oder Arbeiterselbstverwaltung? Wo soll da ein größerer Spielraum herkommen, frage ich mich. Einzig übrigbleibender Punkt ist dann, ökonomisch, die Sicherung der eigenen Nahrungsversorgung für die daran direkt beteiligten Mitglieder (solange die Produkte auch wirklich nur für den Eigenkonsum erzeugt werden – das gabs auch früher schon: der Bauer hat eher überlebt als der Städter). Aber natürlich um den Preis von viel Arbeit und Bescheidenheit.
    Sollte man nicht mehr erwarten von einer alternativen Ökonomie, denn auch die gibt es ja eh nicht geschenkt, man muss viel Einsatz und Risiken aufbringen für deren Realisierung, wieso dann nicht gleich höhere Ansprüche stellen? Zumal ja die kommunale Politik radikal umgekrempelt werden müsste, will man Wolframs Konzept realisieren, das sind ja immense Umwälzungen. Wenn man eh schon solche großen Hürden nehmen muss, um das Konzept umzusetzen, wieso dann nicht gleich was Gescheites statt einem Notprogramm des reinen „Selbsterhalts“?
    Vielleicht unterschätzt Wolfram ja auch einfach die Hürden, die man für einen kompletten Paradigmenwechsel der kommunalen Verfassungen überwinden muss. Wobei ich offen bezweifle, dass dies überhaupt jemals ohne einen Wechsel des Staatsprogramms insgesamt funktionieren könnte. Und da stellt sich erst recht die Frage: wieso dann nicht gleich was Richtiges statt nur das – optimistisch mal angenommene – Sichern des Überlebens.

  145. franziska
    21. Juli 2013, 15:33 | #145

    Nun Mattis – was Richtiges oder am besten gleich DAS Richtige wollen ja alle. Was die von dir bemängelte Positionen eint, ist offenkundig die Ahnung, dass man mit dem Neuen nicht unvermittelt im grossen Masstab anfangen, die umwälzend neuen gesellschaftlichen Produktions- und Entscheidungs-„Paradigmen“ nicht einfach im fliegenden Wechsel an die bisherigen anfügen kann. Das „klein wenn auch nicht GANZ klein“ der „Kommune“ (im Sinne von (Gross)Stadtgemeinde mit ihrem Umfeld), oder die anfängliche „Subsistenz“ sind da sowohl bei Wolfgang als auch andern nur Chiffren für ein Vorgehen über Zwischenstufen, über deren Bedingungen sie sich nicht wirklich ein Urteil bilden können. Wolframs kommunalistisches Vorschlags-Profil ist sogar verleichswweise vollständig, in vielen Hinsichten legt er sich durchaus fest. Ihm „Nationalismus“ zu bescheinigen, ist starker Tobak, da steht klipp und klar, wohin sich das ganze „auswachsen“ soll. – Mir fällt an Wolfram als eigentliche Besonderheit eher der allgegenwärtige Optimismus auf: Sobald etwas nieder- und kaputtgeht, wird auch schon eine „Möglichkeit… sinnfällig“. Oje. Das ist wohl Dialektik, also Glaube.
    Und auch du, Mattis, mit deiner Devise „gleich was Riohtiges“ und „gewechseltes Staatsprogramm“ bist da nicht soviel besser – oben (nämlich hier:
    http://neoprene.blogsport.de/2013/06/21/neugruendung-des-karl-marx-forums/#comment-8533 )
    hast du mir vorgeschlegen, doch mal nach den Zielen zu schauen, die Wege würden sich finden. In deiner Strategie, wenn man dir überhaupt eine zuschreiben will, klafft aber da eine Riesenlücke; während du am liebsten schon mal die Verfassung des sozialistischen Staatswesen ausgearbeitet haben möchtest, erfährt man von dir, wenn überhaupt, nur sehr ernüchterndes über deine Eisnchätzung der Leute, die sich darauf einlassen sollten: Derzeit wollen sie einfach nicht. Andere präsentieren tatsächlich bedürfnis-orientiert-gemeinwirtschaftliche 5-Jahres-Pläne, du Verfassungsentwürfe – aber das alles scheint garnicht wirklich drauf zu zielen (oder doch?), die Hindernisse in den Köpfen wegzuräumen.
    Gut, ich denke da grad andersherum: Leute, die wirklich ernstmachen wollen mit dem kommunistisch Leben, haben bei anonsten durchschnittlich gleichen Voraussetzungen wie andre bürgerliche Individuen einige Startvorteile, die sie nutzen könnten, um besser als bisher über die Runden zu kommen. So mickrig fängt der Kommunismus an. So wie die grössten Organismen: mit einer Zelle. Der Witz, Mattis, liegt wie bei Organismen im schlauen Wachstumsprozess. Und nicht anders als bei Organismen (die Metapher ist damit ausgeschöpft) schlägt sich in dieser Schläue ein langer historischer Werdegang nieder: Sie ist Resultat von LERNEN. Mein Rat zu Vorsicht, Langsamkeit und Sorgfalt sollte nicht unterschätzt werden: Dahinter steckt viel Bitteres und die Erfahrung von vergangenem Scheitern. Es ist nicht das Ziel, das uns trennt. Sondern das Ausmass der Probleme, denen man sich stellt. Deins ist auch meins: Das Problem der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung im grossen; bei dir endet es da; ich hingegen sehe es mit etlichen anderen, gravierenden, eng verknüpft, nämlich mit:
    – Ökologie (nein das Wissen zu Produkt-Substitution, Recycling, Reparatur ist NICHT da!)
    – Nicht-Überforderung/Bedürfnis-Orientierung (das Wissen erst recht nicht)
    – erzwugene Ko-Existenz mit weniger fortgeschrittenen Mentalitäten (wer versteht sie denn im Augenblick?)
    – Verarbeitung gesellschaftlich verfügbaren Wissens durch alle (wo fände das heute denn statt? wie KANN es auch nur stattfinden?)
    (Letzteres schliesst ein: gemeinsame
    – Begriffsbildung und Aufmerksamkeits-Organsiation (s.o. die Fragen: was möchte/muss ich (nicht) wissen)
    – Konsensbildung,
    – vor allem hinsichtlich wirklich indifferenter Formen der Arbeitsteilung,
    – Beurteilung der Grenzen geegnwärtigen Expertenwissens,
    – Steuerung der arbeitsteiligen Produktion.)
    Das wärs doch, was wirklich Richtiges; nur leider nicht „gleich“ zu haben.

  146. Mattis
    21. Juli 2013, 23:09 | #146

    @franziska:
    Ja, zu den Übergangsformen habe ich in der Tat meinerseits noch nicht viel vorzuschlagen, trotzdem nehme ich mir die Freiheit, Richtungen und Vorschläge zu kritisieren, die m.E. in eine Sackgasse führen; diese Auseinandersetzung hilft hoffentlich auch, selbst ein klareres Bild zu gewinnen.

    „… hast du mir vorgeschlagen, doch mal nach den Zielen zu schauen, die Wege würden sich finden …“

    Meine Aussage war etwas anderes:

    „… allerdings finde ich es primär wichtig, die Ziele zu debattieren, und erst dann die Wege. Ich habe sonst keine vernünftigen Kriterien, um Einstiege und Zwischenstufen sinnvoll beurteilen zu können, und außerdem haben wir bei den Zielen schon genug Stoff.“

    Ich bin, was Wolfram angeht, auch mit dem Ziel nicht konform, denn er macht keinen nachvollziehbaren Unterschied zur Übergangsform, an der ich Kritik habe; es bleibt auch für die „Zielgerade“ ein naiver Vertrags-Idealismus. Verträge von Produzenten untereinander sind für mich halt nicht das, was ich als bewusste gesellschaftliche Arbeitsteilung verstehe. Es ist kein direktes gemeinsames Produzieren, wenn das Wohl einer Instanz (der Kommune) vom Gelingen guter Verträge mit anderen Kommunen abhängt. Die unterschiedlichen Produktivitäts-Niveaus der Kommunen (1000 bis 10000 Kommunen in Deutschland?) bedeuten ja auch, dass die Tauschverhältnisse zwischen Kommunen überhaupt keinen gemeinsamen rationellen Maßstab haben können, es sei denn eben einen, der rein aus der Konkurrenz entspringt, also am Ende eine Art „Binnen-Weltmarkt“-Preis. Darauf hat Ulrich Weiß – dem ich ansonsten wenig zustimmen kann – gegenüber Wolfram korrekt hingewiesen.
    Dieser Dialog zwischen den beiden dreht sich um “Vertragswirtschaft versus Commonismus“ und ist spannend zu lesen: Ulrich Weiß trifft nämlich einerseits einige Schwachpunkte bei Wolfram sehr genau, langt aber überwiegend arg daneben, weil er aus der Sicht seiner eigenen Commons-Ideale gegen Wolfram argumentiert, was dieser ganz gut erkennt und zurückzuweisen versteht.

  147. Mattis
    21. Juli 2013, 23:20 | #147

    Mein weiteres Forschen in Wolfram Pfreundschuhs Artikeln hat meine bisherige Einschätzung bestätigt. Da manchem mein Nationalismus-Vorwurf unpassend oder übertrieben erscheinen mag, möchte ich dazu noch eine Erläuterung bringen. Der Vorwurf ist ja nicht moralisch gemeint, sondern ist politisch-ökonomisch begründet.
    Die Wolframschen Kommunen, mit einer teilweise nicht-kapitalistischen Ökonomie, sichern zunächst nur den „Selbsterhalt“ der Menschen, heißt es. Das bedeutet aber auch, alles was darüber hinaus als guter Lebensstandard bezeichnet werden könnte, hängt dann ab von der kommune-eigenen Arbeitsproduktivität sowie den Vertragsbeziehungen (Produkte-Austausch) mit den übrigen Kommunen. Die Produktivität ihrerseits hängt natürlich komplett von den örtlichen, spezifischen Ressourcen ab, also von der Bodenbeschaffenheit, den Rohstoffen, der Anzahl arbeitsfähiger Menschen etc.
    Daraus ergeben sich m.E. schon mal signifikante Unterschiede im Lebensstandard der Kommunen. Um ein Abwandern der Bevölkerung in bessergestellte Kommunen zu verhindern – so ein Abwandern wäre ja schnell möglich, denn die Entfernungen sind überschaubar, gleiche Sprache usw. – muss die Kommune zwangsläufig darauf aus sein, auch in den Außenbeziehungen, beim Tausch mit anderen Kommunen, erfolgreich zu sein. Das bedeutet m.E. natürlich Konkurrenz, denn auch andere Kommunen wollen ja ihre Erzeugnisse handeln und sind möglicherweise bereits produktiver, d.h. benötigen weniger Aufwand je Produkt. Damit ist ein Szenario von Gewinnern und Verlierern, von reicher werdenden und verarmenden Kommunen absehbar, durchaus analog der Konkurrenz kapitalistischer Nationen.
    So manche ärmere Kommune wird also beim Handeln um Aufschub bei den zu erbringenden Gegenleistungen bitten müssen; schafft sie es dann trotzdem nicht, ihre ökonomische Potenz zu steigern, gerät sie in bleibende Verschuldung. Wie man sieht, geht sowas auch ganz ohne Geldkredit und Zinsdiktat. Die Gläubiger-Kommunen haben dann zwei Möglichkeiten: entweder die Beziehungen zum Schuldner frustriert abzubrechen (was diesen endgültig auf pures Überleben beschränkt und zu Unzufriedenheit führen dürfte) – oder aber darauf zu drängen, dass der Schuldner seine Ökonomie produktiver macht, Sozialleistungen und Verwaltungsaufwände kürzt etc., was man so als „Austeritätsprogramm“ kennt.
    Statt „Griechenland! Spanien!“ heißt es dann: „Bremen! Kassel! Leipzig!“ Als nächstes werden sich dann etliche Kommunen enger zusammenschließen, um Synergieeffekte direkt nutzen zu können; es entstehen weitere Größenunterschiede und Wirtschaftsblöcke, was die Konkurrenz natürlich nur weiter verstärkt und die Verarmung der Verlierer endgültig festschreibt. Migrationsbewegungen sind die unvermeidliche Folge.
    Damit wäre man schlussendlich in einem Szenario, das z.B. den EU-Abhängigkeiten und den zugehörigen Erpressungen (alles natürlich streng vertraglich) verdammt ähnlich sieht. Wer kann sowas ernsthaft wollen.
    Mein Fazit: Der Dreh- und Angelpunkt der meisten Artikel von Wolfram Pfreundschuh ist die Verschuldung und Verarmung von Kommunen, Regionen und ganzen Staaten; dem stellt er seine kommunalistische Perspektive entgegen. Aber sein Konzept, die Kombination von halb-sozialistischen Kommunen und inter-kommunalen Handelsbeziehungen, ist alles andere als eine Alternative, sondern beschwört seinerseits mit Notwendigkeit ziemlich vergleichbare Szenarien herauf. Denn auch intern teils-sozialistisch strukturierte kommunale Gebilde stehen, sofern sie sich nicht wirklich vereinigen (mit Arbeitsteilung statt Tausch), automatisch in Konkurrenz zueinander, mit so ziemlich allen bekannten Folgen.

  148. franziska
    22. Juli 2013, 00:21 | #148

    Der Kritik an dieser Art kommunalistischer Position kann ich nur zustimmen. DAS ist natürlich kein eigentumsfreier Zustand.
    Das Schwammige an „Subsistenz“ wurde oben auch von mir schon vermerkt: da muss sofort dazugesagt werden, welches Produktivitäts-Niveau unterstellt ist, und wie die Reproduktion mit „eigenen“ Mitteln organisiert sein soll. Wenn nicht (wie ich es befürworte) die eingesetzte Technik komplett umgekrempelt werden soll, ist schnell Schluss mit „lokaler Subsistenz“ also Autarkie. Selbst wenn der Wille dazu da wäre – fahr mal Technik auf ein niedrigeres Niveau runter: Dazu gehören Mittel Verfahren Wissen Übung Spezialisten. Hingegen, lass sie auf ihrem Niveau – wo kommen dann zB die Traktoren und LKWs her? Ersatzteile für alles und jedes? Sich vom Markt abschneiden bedeutet dann sowas wie Nachkriegszeit, aber ohne Nachhilfe vom Besatzer: Grad dass die Häuser noch stehen. Da geb ich dir also recht, Mattis, und es wird nicht besser, wenn das Zufalls-Eigentum von Gross-Kommunen zur Grundlage ihrer „Verträge“ wird. Migration ist ja eines, Demontage von Produktionsmitteln wäre schon das nächste… Wird dann kommunales Eigentum mit Gewalt geschützt? In kommunistischen Gesellschaften gibts keine Verträge, weil die Eigentum, das als Erpressungsmittel eingesetzt wird, voraussetzen. Oder es ist eben doch gemeinsame PLanung: Der braucht man dann aber keine Vorgaben zu machen im Sinne von: Die Fabrik gehört der Stadt, in der sie steht. So ists ja wahrscheinlich gemeint. Aber die Nahrungsmittelversorgung einer städtischen Bevölkerung aus der Region zu organisieren, ist – obschon prekär genug! – ein Kinderspiel, verglichen mit einer stabilen Reproduktion (entweder lokal, oder mit stabilen Güterflüssen zwischen den Regionen).
    Für den ganz anderen Einsatz, den ich vorschlage (allerdings eben nur für den Anfang), müssen darum noch ganz andere Gründe sprechen. Dass das ganze eigentumsfrei-kollektiv organisiert wird, ist da fast schon nur noch ein Nebenaspekt – etwas schlichtweg unvermeidliches. Das hat mit der Produktionsweise (dem extrem hohen Grad an Integration verschiedener Technologien in einer „technischen Architektur“) zu tun, die dort zum Einsatz käme.
    Aber nicht nur. Diese ihre Produktionsweise ist nämlich dann in ihrem Aufbau und allen relevanten hinsichten ALLEN beteiligten Produzenten bekannt und transparent. (Darin ist eingeschlossen, dass sie sich völlig im klaren darüber sind, was an Details sie dabei NICHT wissen müssen.) Der Konsens beginnt hier mit Zustimmung (also auch Begreifen) der gewählten technischen Strategie, und den zugehörigen Forschungs- und Entwicklungsmethoden. Der ZWANG zur maximalen Integration ergibt sich aus dem radikal ökologischen Zugang. Es gibt in diser Produktionsweise nichts mehr, was auch nur entfernt als Inhalt von „Eigentum“ infragekäme. Die gesamten Debatten, die hier geführt werden, haben da eigentlich keine Grundlage mehr. Wer sich drauf einlässt, SO zu produzieren, KANN nicht anders als eigentumsfrei denken. (Das nur mal als Andeutung. Dazu gehört auch, dass ich die von mir immer wieder aufgezählten Ziele (ökologisch, bedürfnisorientiert, sich-(Aussenstehenden)-vermittelnd, Nachvollziehbarkeit für jeden einzelnen Beteiligten usw) als nicht in Widerspruch zueinander stehend betrachte, sondern ihre jeweiligen Realisierungen auf eine ziemlich genau umschriebene Produktionsweise (und dann eben eine notwendig eigentumsfreie) als gemeinsame Endstrecke konvergieren sehe. Darum gibt es hier zwischen Wegen und Zielen keinen kontingenten oder allzu freien Zusammenhang. Ziele werden hier auch darum aufgestellt werden, weil es diejenigen sinjd, die sich auf den einzig gangbaren Wegen (als deren optimale Endzustände) erreichen lassen. (Wer sich akkurat 100m neben und über einer Bergspitze dauerhaft niederlassen will, kann nicht Bergsteiger bleiben. Die Ziele von Bergsteigern sind durch die überhaupt möglichen Routen begrenzt. (Interessanterweise gibt es hier einen neueren evolutionsbiologischen Ansatz, der sich die überhaupt mit verfügbaren Stoff-Bausteinen und Wachstumsprinzipien realisierbaren Baupläne von Organismen anschaut – eine Reihe von grundsätzlich und an sich durchaus denkbaren Bauplänen scheidet dann als von vorneherein unrealisierbar aus. – Das ist es, was mich an der Ziel/Weg-Debatte vor allem interessiert.)

  149. 22. Juli 2013, 14:20 | #149

    Mattis, du hast geschrieben

    „Die Produktivität ihrerseits hängt natürlich komplett von den örtlichen, spezifischen Ressourcen ab, also von der Bodenbeschaffenheit, den Rohstoffen, der Anzahl arbeitsfähiger Menschen etc.“

    Da fehlt mir vor allem das Vorhandensein/Erben von Produktionsmitteln/Fabriken oder eben das Fehlen solcher Mittel. Selbst wenn man x-beliebige Ausgangszahlen für die Größe von „Kommunen“ festlegen wollte, so treten die von dir angeführten Punkte doch in Hinblick auf die Produktionsmöglichkeiten doch in den Hintergrund.
    Mich wundert auch, daß Ab- und Zuwanderung bei den Kommunarden wohl eher keine große Rolle spielt. Würde sie aber, wenn es weiterhin die zu erwartenden massiven Unterschiede in der Aussstattung der Kommunen und im Lebensstandard geben würde. Nicht ohne Grund „lösten“ die Herrscher in der Sowjetunion und der VR China dieses Problem mit drakonischer Einschränkung der Freizügigkeit.

  150. 22. Juli 2013, 14:36 | #150

    Zu Franziska

    „Das Schwammige an „Subsistenz“ wurde oben auch von mir schon vermerkt: da muss sofort dazugesagt werden, welches Produktivitäts-Niveau unterstellt ist, und wie die Reproduktion mit „eigenen“ Mitteln organisiert sein soll.“

    Wohl war, das hat auch hier wieder noch jeder den Kommunalisten vorgehalten, ohne daß dazu irgendeine Antwort mit Substanz gekommen wäre. Wolfram z.B. hat ja buchstäblich nur leere Sprüche drauf gehabt (Von dem prallt ja nun wirklich jedes kritische Argument ab wie man an seinen Ausführungen bei der Radio-Lora-Veranstaltung wieder „live“ miterleben konnte.)
    Es ist kein Zufall, daß auch die daraufhin naheligende Frage:

    „Wird dann kommunales Eigentum mit Gewalt geschützt?“

    von solchen Ideenschmieden noch nicht mal zur Kenntnis geschweige den Ernst genommen wird.

  151. Mattis
    22. Juli 2013, 21:03 | #151

    So wie es sich nach weiterer Lektüre jetzt darstellt, habe ich Wolfram Pfreundschuh bisher noch zuviel zugute gehalten. Es sind noch nicht mal so sehr die offengebliebenen Fragen, sondern inzwischen sind es die gefundenen Antworten, die bei mir Kopfschütteln auslösen. In seinem Konzept ist noch ärger der Wurm drin als gedacht, und zwar nicht nur auf der Ebene der inter-kommunalen Beziehungen, wie gezeigt, sondern ganz heftig in der Binnenstruktur der kommunalen Ökonomie – was aber durch die philosophisch überhöhten Abstraktionen meist vordergründig verdeckt bleibt:

    „Eigentum ist die Beziehung der Eigenheiten auf das Ganze ihres Zusammenhangs, der immer gesellschaftlich ist, wie er auch durch die Einzelnen zugetragen wird und ihnen zugehört.“

    Verständlich? Vielleicht noch nicht ganz, aber wir kommen der Sache näher. Ein merkwürdiges Ideal deutet sich an – das Ideal eines wahrhaft gerechten Tauschens von Arbeitszeiten und daher auch wahrhaft gerechtfertigten unternehmerischen Einkommens, was beides im Kapitalismus wegen der Ausbeutung leider nicht gegeben sei. Pfreundschuh hält in Wahrheit nämlich gar nicht viel vom gemeinschaftlichen Produzieren, beschränkt dieses daher auf den „Selbsterhalt“, sozusagen als Sozialstaats-Komponente seines Modells. Jenseits dieses sozialen Zugeständnisses hat er nämlich gänzlich andere Vorstellungen:

    “Was an Kraft und Aufwand über den Durchschnitt des Selbsterhalts hinausgeht, muss auch für den besonders verfügbar sein, der hierfür sich eigenschaftlich eingesetzt hat und von daher auch einen besonderen Anteil an gesellschaftlichem Eigentum erwirbt. Hierdurch wird dem entgegnet, dass Durchschnittbildung für sich konservativ bliebe und lediglich Spießertum befördert.

    Eine nette Umschreibung für „Leistung soll sich lohnen“. Aber das ist erst der Anfang:

    Aus den Schätzen der Mehrproduktion werden außerdem auch die Investitionen erbracht, die allgemein nötig sind oder Einzelnen zur Verfügung gestellt werden, um nach eigenem Dafürhalten zu produzieren.“

    Endlich also ein offenes Wort zum Investitionsprozedere, nach welchem ich bisher vergeblich gefragt hatte. Wer außer mir hat bei solchen Formulierungen ebenfalls den unguten Eindruck, dass der liebe Wolfram zwar einerseits im Subsistenzsektor die Ausbeutung abschaffen will, aber andererseits einer veritablen Hierarchie der gerechtfertigt-Erfolgreichen das Wort redet? „Nach eigenem Dafürhalten zu produzieren“ – eine Art Unternehmertum also für all das, was nicht direkt dem puren Überleben dient, also für fast alles:

    „Wer mehr arbeitet, soll auch mehr davon haben, sofern sein Produkt verlangt ist. Personen können sich hierfür auch frei als Personengemeinschaft oder Firma zusammenschließen und in gemeinschaftlicher Wirtschaftlichkeit berechnen lassen. Auch ein freies Auftreten mit Produkten, die noch unbekannt und unplanbar sind, ist von daher möglich …“
    „Es geht hier im Großen und Ganzen um eine Gesellschaft, die Eigentum nicht in gesellschaftliche und private Form aufspaltet, sondern nach Bedarf kursieren lässt.“
    „Es geht in dieser Diskussion deshalb nicht darum, Marktwirtschaft oder Planwirtschaft alternativ zu sehen …“

    Durch seine ständige Betonung des Subsistenzprinzips lenkt Pfreundschuh gerne von jener Abteilung seiner Ökonomie ab, wo in seinem Modell die eigentliche Musik spielt, und die alles umfasst, was über den „spießigen“ Selbsterhalt hinausgeht. Die scheinbar gemeinschaftlich daherkommende Sache mit der Subsistenzwirtschaft ist also nur die halbe Wahrheit, quasi die soziale Pflichtübung, nur ein Grundeinkommen absichernd. Denn er pflegt offenkundig das bekannte Vorurteil, dass bei einer gemeinschaftlichen Produktionsweise keine Innovationen mehr stattfinden! Deshalb hat er auch eine ganz andere Lösung vorgesehen.
    Der andere Teil der Wahrheit besteht nämlich in einem durch die Kommune genehmigungspflichtigen Unternehmertum mit vertraglichen Vereinbarungen über dessen Förderung mit Investitionsmitteln und über die Abnahme der Produkte. Wer also eine Idee zur Produktionsverbesserung hat oder ein neues Produkt entwickelt, kann mit der Kommune darüber verhandeln, wie er das für sich vorteilhaft umsetzen und damit u.U. auch „frei auftreten“ darf. Und weil nicht ein unkontrollierter Warenmarkt allein diesen Prozess bestimmt, sondern immer ein Vertrag mit der Kommune zwischengeschaltet ist, geht für Wolfram Pfreundschuh diese Welt auch schon in Ordnung.
    Die Definitionsmacht über die Bewertung der besonderen „eigenschaftlichen“ Leistungen – letztlich also über eine Form „komplizierter Arbeit“, um mit Marx zu sprechen – liegt ganz im Ermessen der lokalen Verwaltungsorgane. Am besten pokert man also mit einer neuen Idee solange, bis man einen einträglichen Vertrag mit der Kommune in der Tasche hat. Und zur Optimierung bewirbt man sich gleichzeitig auch bei anderen Kommunen. Urheberrechte und Patentschutz sind dabei dann natürlich wichtige Instrumente. Konkurrenz? Ach wo, nur ein Wettstreit innovativer Ideen. Ausbeutung? Ach wo, nur gerechtfertigtes Entgelt für unternehmerische Leistungen. – Strebt der Unternehmer nach Reichtum, werden auch die Volksmassen bereichert, sagt ein modernes chinesisches Sprichwort. Oder so ähnlich.
    Gemeinschaftliches Produzieren sieht jedenfalls anders aus.
    Wolfram Pfreundschuh: Ergänzen statt Ausbeuten! Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft, Teil V.

  152. 23. Juli 2013, 08:38 | #152

    Grob gesagt scheint mir der Wolfram Pfreundschuh nur eine „marxistische“ Variante des Götz-Werner-Tums zu sein: was bei dem das Bedingungslose Grundeinkommen geährleisten soll, dafür soll bei Wolfram die Kommune gradestehen, und darüber wölbt sich dann bei beiden der weite Himmel des modernen spießerfreien Kapitalismus.

  153. 23. Juli 2013, 15:43 | #153

    Falls das hier nicht eh schon jeder mitbekommen hat:
    Die vollständige Version einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Krise (anlässlich der BVerfG Entscheidung) ist hier zu beziehen:
    http://pfreundschuh.de/audios/12_09_12_EWH-Krisendiskussion.mp3
    (via http://www.contradictio.de/blog/archives/4816)
    Habe letztes Jahr den ersten Teil gehört und war etwas enttäuscht, das WP’s idealistische Beiträge/Vorschläge in Richtung gemeinwirtschaftliche Bankengründung nicht ausführlicher zersägt wurden, komme aber heute doch noch auf meine Kosten, da es in der erst jetzt veröffentlichten Gesamtversion in der zweiten Stunde dann richtig rund geht.

  154. 23. Juli 2013, 19:34 | #154

    Ich war enttäuscht, daß der GegenStandpunktler es dem gesammelten Haufen von Erzreformisten durchgehen ließ, daß die empört zurückgewiesen haben, daß sie alle nach Lösungen *im* Kapitalismus suchen, wie man „es“ besser machen kann. Auf die nun wirklich verlogene Frage ausgerechnet von der Attac-Redakteuerin (wieso war die eigentlich nicht in der Lage, wenigstens für eine ordentliche Aufnahmequalität zu sorgen?), wer von den Podiumsleuten denn sowas gesagt habe, hätte der doch entgegnen müssen: „Alle!!“ Den unisono haben die doch ins Horn der jetzt anstehenden Reformen geblasen, die nötig seien, um das „Falschlaufen“ durch wieder „richtige“ Politik gerade zu rücken. Der DKPler hat natürlich seinen Kampf gegen den „Niedrig“lohnsektor angepriesen, als wenn Stefan Groß nichts dazu gesagt hätte, was denn damit über den Lohn überhaupt gesagt wurde. Wolfram Pfreundschuh redete dann der Schimäre der echte Arbeit enthaltenden Realindustieproduktion das Wort, die dem Würgegriff des „fiktiven Kapitals“ entrissen werden müsse, usw. Immerhin war die Attaclerin so nett, nicht schon wieder die Tobin-Steuer rauszukramen, aber das wars auch schon. Die fanden es ja schon zynisch und unzumutbar, als Stefan Groß daraufhin wies, was Geld wirklich ist. Die wollten wirklich nichts Lernen. Geschweige den anderen was richtiges beibringen.

  155. Passant
    23. Juli 2013, 21:40 | #155

    @ neoprene
    Ja, der unschöne Begriff „Herrschaftsbereich Diskurs“ verweist auf die hässliche Realität des blöden iPads auf dem ich hier herumtippe und dessen Autokorrekturfunktion mir einen Bösen Streich gespielt hat: sollte natürlich „herrschaftsfreier Diskurs“ heißen.
    @ Kim B.
    Hätte meinen Kommentar nicht in dem Duktus geschrieben, erinnerte mich Schlossers Erklärung nicht so fatal an realsozialistische Selbstkritiken. Und wenn er meint, sich die Angelegenheit so deuten zu können, als ob er sich irgendwie selbst ausgeschlossen hätte, brauche ich mich dem nicht anzuschließen.
    Im Forum selbst war vom Entzug der Schreibrechte die Rede. Also, Kim B., wenn du mich fragst, ob ich fantasierte, möchte ich dir die Frage stellen: Taktierst du noch oder lügst du schon?
    Verzeihung für die späte Reaktion, hatte zu tun.

  156. Moritz
    23. Juli 2013, 22:10 | #156

    @ Neoprene
    Sehr viel mehr an Konfrontation dürfte im Rahmen solch einer Radio-Sendung wohl kaum möglich sein, ohne einen ausgewachsenen Eklat in Kauf zu nehmen. Du hast ja mitbekommen, wie z.B. auch in diesem RLS-Seminar kritische Nachfragen von Seiten der Moderatorin abgebügelt wurden. Und bei Veranstaltungen aus dem UG-Spektrum läuft es ja teilweise nicht weniger widerwärtig ab.
    Ich denke, gerade diese Beispiele belegen wirklich schlagend, dass eine wirkliche Kritik an dieser Szene, die ja vorliegt, nur dann so vorgetragen werden kann, dass sie auch Gehör findet, wenn man den Rahmen der Veranstaltung zumindest mitbestimmen kann. Ansonsten wird das nichts.

  157. Mattis
    24. Juli 2013, 16:34 | #157

    Der Dreh bei den Linken, die wirklich etwas bewegen, wie es so schön heißt, ist immer noch der alte: der Beweis des Erfolges einer Aktion liegt darin, dass sie stattgefunden hat. Die Demo, der Kongress, der Kampf um das IvI in Frankfurt etc.
    Wobei sie bisweilen vergessen – oder zu jung sind um es überhaupt zu wissen – dass es in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Großdemos und andere Aktionen gab von weit größerer Dimension. Wenn die Theorie stimmen würde, dass es solche Erfahrungen sind, die einen selbst immer klüger machen und noch aktionsbereiter und weitere Leute „überzeugen“, ebenfalls mitzumachen, dann müsste es heute ja völlig anders aussehen: statt einer Rand-Szene eine Massenbewegung. Tatsache ist aber, dass die heutigen Mobilisierungs-Linken längst nicht mehr an das quantitative Niveau von früher anknüpfen können – aber leider an dem qualitativen Niveau, dem Erfahrungs-Idealismus, unbedingt festhalten.

  158. 24. Juli 2013, 17:55 | #158

    Ich möchte dann doch das „Nachwort“ nachtragen, was Wolfram Pfreundschuh über seine Strohfeuer-Intervention hier seiner Yahoo-Gruppe zu sagen hatte:

    „Wie berichtet, hatte ich mich für eine kurze Zeit auf einer Liste dort eingebracht. Doch erst nach meinem Ausscheiden wurde der Hintergrund der Argumentation dort deutlich, weil dann so alles zusammenkam, was sie gegen das Auftreten der Kulturkritik z.B. im EineWeltHaus haben. Besonders ihre Selbstwahrnehmung wird für die kenntlich, die das miterlebt haben.
    Es lohnt sich vielleicht, das mal zu studieren:
    http://Neoprene.blogsport.de/2013/06/21/neugruendung-des-karl-marx-forums/
    Andererseits weiß ich nicht, ob eine weitere Befassung mit denen noch nötig ist. Denke, man muss sie einfach nur lassen; sie entblöden sich ja eigentlich immer schon von selbst.
    Ich hab meine Befassung damit im Kulturkritischen Lexikon hinreichend dargestellt:
    http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=gegenstandpunkt

    Besonders seine Selbstwahrnehmung wird für die kenntlich, die das miterlebt haben.
    In seinem langen Elaborat über den Gegenstandpunkt, den er den Seinen als Ersatz für eine Widerlegung, ja auch nur Entgegnung gegen „uns“ hier auf dieser „Liste“ anbietet, kommt dieser Universalist des Geistes glatt ohne ein einziges Zitat der MG oder des GSP aus, wenn er verweist, dann immer nur auf sich selbst. Echt selbstgenügsam, dieser „Marxist“!

  159. 24. Juli 2013, 18:11 | #159

    Wenn Mattis schreibt,

    „Wobei sie bisweilen vergessen – oder zu jung sind um es überhaupt zu wissen – dass es in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Großdemos und andere Aktionen gab von weit größerer Dimension.“

    wäre hinzuzufügen, daß die klügeren uGler das ja auch so sehen, so kann man bei Rüdiger Mats dazu lesen:

    „Appellpolitik hat durchaus manchmal Erfolg. In der Regel dann, wenn man ein Interesse vertritt, das sich der Staat grundsätzlich zu eigen machen kann – bei Stuttgart 21 standen die Chancen dafür nicht schlecht, bei Umweltschutzfragen hat das gelegentlich schon geklappt. Am größten sind die Erfolgsaussichten, wenn gesellschaftlich ein Kräftegleichgewicht herrscht, bei dem Massenproteste das Gewicht der einen Seite vergrößern können und/oder sich die gesellschaftlichen Interessenkonstellationen wandeln und eine Demo hier beschleunigend wirkt. Ein Beispiel ist die Antiatomkraftbewegung, deren 100.000-Leute-Demos in Wackersdorf 1981 zwar noch niedergeknüppelt wurden, als Teil eines gesellschaftlichen Stimmungsumschwunges aber dazu beitrugen, dass nach 1982 kein Atomkraftwerk-Neubau mehr begonnen wurde. Andererseits: Die 300.000-Leute-Demo 1983 in Bonn gegen den NATO-Doppelbeschluss, die größte Demo in der BRD bis zur Vereinigung, konnte die Stationierung von Atomraketen in der BRD nicht verhindern; alle wirklich mächtigen gesellschaftlichen Akteure waren sich in dem Interesse einig, den Realsozialismus militärisch nieder zu konkurrieren. Die Anzahl der Teilnehmer_Innen entscheidet also nicht über den Erfolg einer Demo-Forderung.“

  160. Mattis
    25. Juli 2013, 16:13 | #160

    Es werden ja des öfteren Zitate vorgebracht, in denen Marx gegen „Revolutionsmacher“ polemisiert (auch Pfreundschuh greift gerne auf solche zurück); weiß jemand Näheres dazu, wen oder was Marx damit kritisierte?

  161. 25. Juli 2013, 16:36 | #161

    Mattis, ohne groß nachgeschlagen zu haben, würde ich mal sagen, daß sich Marx mit seinem Vorwurf gegen die „Revolutionsmacher“ gegen die (um 1850 immer noch recht starken) Blanquisten gewandt hat.

  162. 26. Juli 2013, 07:01 | #162

    Ohne Kommentar (von der Yahoo-Gruppe Kulturkritik):
    Der eine:

    „Ja, ich würde zwar nicht die offene Diskussion mit dem GegenStandpunkt suchen, dafür ist deren „Weltbild“ zu geschlossen, und man hat auch immer das Gefühl, dass es trotz ihres argumentativen Superanspruchs nie um Argumente geht, zumindest nicht um die der „Diskussionspartner“.
    Aber nur lassen kann man sie erstens deswegen nicht, weil man ständig mit ihnen konfrontiert ist, und weil sie zweitens die einzige wirklich wahrnehmbare und oft präsente Organisation sind, die eine stringente antikapitalistische Analyse hat. Das hat auf viele (hatte auf mich auch) eine hohe Anziehungskraft, gerade unter eben kleinbürgerlichen Studierenden mit hohem Bedarf an Argumenten. Natürlich kann man irgendwie sagen, wenn die Leute wirklich nachdenken und nicht nur an einem scheinmarxistischen Gegenstandpunkt interessiert sind, dann gehen sie da auch wieder raus. Aber so einfach läuft’s halt nicht, man lernt eben auch erst durch das denken, was man macht, und meistens ist der Ausgangspunkt des Denkens nicht eine gedachte Kritik, sondern ein innerer Widerstand, den man gegen etwas hat, in dem man sich befindet. Und der kann sich beim Gegenstandpunkt artikulieren, aber auch integriert werden.
    Ok, langer Rede kurzer Sinn, die Entblödung passiert in der Öffentlichkeit m. E. nicht von selbst, sondern man muss dazu schon was tun (z. B. einen Text im kulturkritischen Lexikon schreiben).“

    Der andere:

    „ja, du hast recht. Die offene Diskussion ist sinnlos, weil du diese Leute argumentativ nicht erreichen kannst, weil sie nur scheinbar argumentieren. Im Grunde geht’s denen nur um einen Avantgardismus, in dem sie sich verstehen und wofür sie sich vorbereiten und anbieten und alle anderen Positionen hierfür mit dem durchsetzen wollen, was sie sich bereits zusammenbedacht haben. Da fallen dann auch nur plakative Zuweisungen (ich war dann z.B. für den einen ein Nationalist, für den anderen ein Götz Werner des Marxismus). Die Hauptsache ist dort der Deckel, mit dem du zur Abfüllung sortiert wirst, denn ein brauchbarer Stoff bist du allemal. Nee, muss nicht sein.
    Richtig ist auch, dass eine Präsenz von Gedanken und Wissen in bestimmten Auseinandersetzungen nötig ist. Dazu gehört aber nicht unbedingt, die Standpunktierer beantworten zu müssen. Es reicht, eigenes darzustellen und das Interesse ihrer Intervention zu desavouieren, einfach für was anderes zu stehen. Schließlich sind die strittigen Inhalte schon über 150 Jahre alt.“

  163. Dingsda
    26. Juli 2013, 13:17 | #163

    Pfreundschuh will gar nicht den Verdacht aufkommen lassen. er setze sich inhaltlich mit Positionen des GSs auseinander. Deswegen beginnt der gleich mit einer Kritik an der Namensgebung des Verlags, als sei mit einer Gegenposition zu durchgesetzten Standpunkten schon irgendein Inhalt erfasst. Für Pfreundschuh hat diese Methode des inhaltsbereinigten Bezugs den Vorteil, dass keine Zitate oder andere Belege seine interessierte Deutung stören, die in einer recht plumpen moralischen Einsortierung besteht:

    „Der Name (GS) drapierte zudem die kokette Selbstauffassung eines Kantianischen Selbstverständnisses, dass man sich der bürgerlichen Selbstverschuldung zur Unmündigkeit durch einen darüber erhabenen politischen Willen entgegenstellen kann, der sich als die bessere Mündigkeit anbietet.“

    Vom Unverständnis der philosophischen Zuordnung mal abgesehen (Preundschuh wäre die Kantkritik des Verlags „Königsberger Klopse“ wärmstens zu empfehlen!), will der einfach bloß unterstellen, seinen Kritikern ginge es – wie ihm! – um moralische Fragen wie „Selbstverschuldung“ oder „Mündigkeit“. Eine schlechte Recherche ist das auch, aber das gefälschte Fahrwasser ist v.a. nötig, weil es W.P. um die böse Absicht geht, die er entlarven möchte, indem er sie als „versteckt“ kennzeichnet:

    „Hinter einer Ideologiekritik, die sich als bloßer Wille herauskehrt, versteckt sich das Ziel, diesen Willen wie einen kategorischen Imperativ zu einer der Vorstellung von einer Revolution zu verallgemeinern“

    Die GSler seien eigentlich verkappte Kantianer, will Pfreundschuh verkünden, ohne Belege dafür auch nur zu streifen, weil es ihm reicht, seinen Kritikern die Berechtigung zur Kritik abzusprechen – das geht eben nur auf einer moralischen Ebene. So erklärt sich dann auch der kindische Wettbewerb, mit schlechten und verkehrten Autoritätsbelegen als der bessere Marxist gelten zu wollen.

  164. Libelle
    27. Juli 2013, 12:57 | #164

    Ob Pfreundschuh mit seiner Kritik richtig liegt ist eine Sache.
    Dass der GSP sich über inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Ergüssen freuen würde ist eine andere. Letzteres interessiert ihn nämlich überhaupt nicht. Was der GSP will ist Akklamation.

  165. 27. Juli 2013, 13:07 | #165

    Ach, beim GSP ist dir wichtig, Libelle, zu betonen, daß der „Akklamation“ will. Beim Pfreundschuh, einem Vorzeige-Egomanen, der schon ins Lächerliche geht mit seinem rhetorischen Pfauenrad, fällt dir hingegen sowas nicht auf??

  166. Mattis
    27. Juli 2013, 14:25 | #166

    Pfreundschuh ist ja von Libelle inhaltlich nicht weit weg, und dann auch noch dem GSP spinnefeind; also wird er verteidigt … so einfach geht parteiliches Denken. Beide vertreten ja das Ideal, dass sich die gesellschaftlichen Gegensätze durchaus in ein harmonisches Ganze überführen lassen.
    Typisch auch, dass Libelle zur Pfreundschuh-Kritik selbst nichts schreibt, aber bei dessen Tiraden gegen den GSP – um den es hier übrigens gar nicht ging – gern zur Seite eilt. Dabei ist zu erinnern, dass Pfreundschuh sich ja von jedem belästigt sieht, der gegen ihn argumentiert, ganz egal aus welcher Richtung. Hat man ja hier im Thread musterhaft gesehen: er wollte halt Werbung für sich machen – warum auch nicht, es passte ja zum Thema – aber statt Akklamation erfolgte erstmal kritisches Nachfragen u.a. meinerseits. Schon auf Fragen zu antworten war für den großen Theoretiker wohl zuviel der Zumutung. Damit hatte er so nicht gerechnet und sich prompt verkrümelt. Nicht ohne dies andernorts in albernster Weise zu rechtfertigen: die Arbeit an seinem Lexikon sei wichtiger. Na schön, dann los … solche Leute werfen anderen vor, nur Texte zu schreiben …

  167. Mattis
    31. Juli 2013, 21:37 | #167

    Übrigens: was Wolfram Pfreundschuh kann, kann Robert Schlosser schon lang:

    „Internet-Diskussionsforen, in denen man sich Meinungen mitteilt, sind überhaupt nicht mein Ding. Sie mögen nützlich und notwendig sein, aber sie sind nicht mein Ding. Ich möchte einen Beitrag zur wissenschaftlichen, theoretischen Fragen leisten.“
    Persönliche Erklärung zu meinem Rückzug aus dem Marxforum

    Merke: ein Argument in einer politischen Debatte ist eine bloße „Meinungsmitteilung“ (Danke fürs Kompliment). Von einer solchen unterscheidet sich positiv die „wissenschaftliche, theoretische Klärung“ – die anscheinend besser ohne Diskussion auskommt.
    Hoffentlich werden die Ergebnisse dieser „wissenschaftlichen, theoretischen Klärung“ nie debattiert – man könnte sie ja sonst für bloße „Meinungsmitteilungen“ halten …

  168. Kim B.
    1. August 2013, 08:29 | #168

    @Passant:
    Passant: „Im Forum selbst war vom Entzug der Schreibrechte die Rede. Also, Kim B., wenn du mich fragst, ob ich fantasierte, möchte ich dir die Frage stellen: Taktierst du noch oder lügst du schon?“
    Robert: „Nachdem mir Wal Buchenberg – ich betone: zu Recht! – das Schreibrecht im Forum entzogen hat, ….“
    Aber wahrscheinlich meinst du wieder, Genosse Passant, dass Robert es nicht so meint, wie du meinst, er es meinen müsse.
    Passant: „Verzeihung für die späte Reaktion, hatte zu tun.“
    Ja, ich verzeihe dir. Vielleicht bringst du es ja auch noch soweit, wegen deiner üble Nachrede um Verzeihung zu bitten, statt nach dem Dieb zu schreien?
    Gruß
    Kim

  169. Mattis
    1. August 2013, 19:26 | #169

    „Robert: „Nachdem mir Wal Buchenberg – ich betone: zu Recht! – das Schreibrecht im Forum entzogen hat, ….““
    Wenn man schon meint, es sei nicht mehr angebracht zu schreiben, kann man es dann nicht von selber lassen? Schön, wie hier vorgeführt wird, dass strikte administrative Anordnungen einem Individuum zur Vernunft verhelfen können …
    eine trostlose Vorschau auf die angeblich angestrebte „emanzipative“ Kommunikation.

  170. franziska
    1. August 2013, 19:58 | #170

    Naja, der „Administrator“ hat sich dann selbst aus der Administration rausgeworfen. Auch zurecht. Ohne administrative Nachhilfe…
    Trostlos mag das Beispiel sein, aber lehrreich: es zeigt in der Tat, dass der gute Vorsatz „emanzipativ“ rein garnichts hilft. Und es deutet an, welche Art (überfordernder) Lebensführung und -einrichtung noch die politisch Nahestehendsten aneinandergeraten lässt, weil bei ihnen die Nerven blankliegen.
    In MEINEN Kreisen steht Lebenseinrichtung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Drum sind wir (derzeit) auch so mickrig. Aber streiten? tun wir immerhin nicht. Ohne Moderation.

  171. 1. August 2013, 20:41 | #171

    „In MEINEN Kreisen steht Lebenseinrichtung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Drum sind wir (derzeit) auch so mickrig. Aber streiten? tun wir immerhin nicht. Ohne Moderation.“

    Ich tue mich schwer mit dem Begriff „Lebenseinrichtung“. Jedenfalls wenn er *nicht* mit Streit verbunden ist. Gerade von dir, Franziska, ein indirektes Lob der (Pseudo-)Harmonie zu hören, als wenn das *nicht* Streiten irgendwas Besseres wäre, verwundert mich schon. Den jedes deiner allein bisher hier und dort vorgetragenen theoretischen Fragezeichen (auf die es zum Teil ja noch nicht mal Antworten gibt, jedenfalls keine unstrittigen) wäre doch den einen oder anderen Streit wert.
    (Das erstaunt mich ja so sehr z.B. am GegenStandpunkt-Umkreis, daß die jedem Streit aus dem Wege gehen.)

  172. franziska
    1. August 2013, 20:57 | #172

    „Streiten“, Neoprene, ist schon ein komisches Vorgehen. Ich VERSTÄNDIGE mich lieber mit andern – grad dann, wenn was UNKLAR ist. Man konzentriert sich gemeinsam auf das Thema, und die diversen Möglichkeiten, dazu Stellung zu nehmen; jeder in gleicher Weise. Die Reserven, sowas zu machen, und sich auch auf die von andern vorgetragenen Möglichkeiten zu besinnen – die haben Leute, bei denen zwanglose Lebensführung was gilt – das sich nicht mehr Zumuten, als man kann. Viel von dem Gegifte, das hier anzutreffen ist, hat seinen Grund darin, dass Leute einfach nicht genug Reserven einplanen für den Fall, dass es länger dauert als gedacht. Und… dass sie es nicht ertragen, unsicher zu sein und noch keineswegs so weit, wie sie gerne wären. Das ist an den zuletzt von Mattis vorgeführten Exemplaren gut zu studieren. Und ein bisschen an Mattis selbst. (Wegen der Häme.)

  173. 1. August 2013, 21:21 | #173

    Ja herrgott, wer würde die Verständigung dem Streit denn *nicht* vorziehen! Und letztlich muß es in der Tat auch eine Verständigung geben. Jedenfalls, wenn es nicht knallen soll. Gut, da werden die Leute schon deine „Reserven“ haben müssen, zwanglos soll es ja wirklich abgehen, bzw. muß es abgehen, weil es sonst, ich wiederhole mich, nicht geht.
    Da wird schon stimmen, daß das „Gegifte“ hier (und zu ähnlichen Gelegenheiten) was mit der bei einigen im Laufe der Jahre, manchmal ja sogar Jahrzehnte, ärger gewordenen Ungeduld zu tun hat. Vielleicht auch mit dem Dauerproblem der Unsicherheit, die aus dieser langen Zeit sich immer wieder nährt.

  174. Mattis
    2. August 2013, 15:25 | #174

    Hallo franziska,

    „Ich VERSTÄNDIGE mich lieber mit andern – grad dann, wenn was UNKLAR ist. Man konzentriert sich gemeinsam auf das Thema, und die diversen Möglichkeiten, dazu Stellung zu nehmen; jeder in gleicher Weise.“

    Darf ich fragen, wie du dich mit Wolfram „verständigt“ hast? Ist es nicht vielmehr so, dass eine solche Verständigung mit ihm gar nicht möglich war und ist, und gerade das von mir pointiert aufgezeigt wurde?
    Wenn ich mir den Beginn der Debatte mit Wolfram Pfreundschuh – den ich bis dahin nicht kannte – in diesem Thread hier anschaue, dann ging das so los:

    „Vielleicht interessiert sich hier jemand für meine Befassung mit der Notwendigkeit einer internationalen Kommunalwirtschaft. Ich würde das auch gerne hier diskutieren“ (W. Pfr.)

    Guter Anfang. Ich habe mich dann neugierig damit auseinandergesetzt, und das heißt: analysieren, nachfragen etc. Verständigen hat ja erstmal was mit Verstehen zu tun, aber nicht mal beim Verstehen seiner Position war Wolfram kooperativ und hörte dann ganz auf zu reagieren, was er dann in einem anderen, mir nicht zugänglichen Medium rechtfertigte – Neoprene hat es entdeckt -, und zwar auf eine Weise, die ich, was ich selten tue, nur als arrogant bezeichnen kann. Dieses eigentümliche Gehabe dann beim Namen zu nennen, gehört in diesem Fall zu einem Fazit eben dazu. Ähnlich bei Robert Schlosser: mit seinen nachträglich abwertenden Äußerungen über „Meinungsmitteilungen“ hat er sich eben eine entsprechende Replik eingehandelt. Solche Stilfragen sagen eben auch etwas darüber aus, ob ich jemanden überhaupt noch als Diskussionspartner ernst nehmen kann, und warum sollte ich mein Urteil darüber eigentlich für mich behalten? Man muss solche Kapriolen doch nicht unkommentiert lassen, nur damit es nicht nach „Streit“ aussieht und nicht eine Illusion von Verständigung platzt.
    Je krasser der Widerspruch zwischen Anspruch und Realität ist, desto eher kann das Aufzeigen desselben freilich als Häme erscheinen.

  175. franziska
    2. August 2013, 20:07 | #175

    Ich sagte ja auch bloss: ein bisschen. Man muss das Offensichtliche nicht immer aussprechen.
    Mit wem ich mich verständigen kann, habe natürlich nicht ich allein in der Hand – ich kann die andern ja nicht zwingen. Bloss mich in meinen Erwartungen an sie zurücknehmen, und mir nichts zumuten, das ich nicht leisten kann. (libelles „nur tun, wovon man Subjekt ist“ übersetze ich als: was man ohne sich zu zwingen tun kann). Darum ist es so mickrig, und dauert soviel länger. Fragen beantworten, die niemand gestellt hat, Argumente vorbringen, die der andre nicht hören will – führt nicht weiter, aber hält auf Trab, und kann über lange Zeit verdecken, dass man keine Chance hat, irgendwas von sich aus zu beschleunigen. Seien wir froh, dass wir antworten können, WENN wir gefragt werden. Soweit wirs können. Ich kann so unendlich viel noch nicht . Ich hab genug zu tun…

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