Herrschaftszeiten: Geschichten von Herrn Keiner
Ulrich Schulte hat schon seit einiger Zeit seine kleinen Lehrgeschichtchen in Anlehnung an Bert Brecht geschrieben und veröffentlicht (Der Titel lehnt sich an an die „Geschichten von Herrn Keuner. Nun hat er daraus auch ein Buch gemacht „Herrschaftszeiten: Geschichten von Herrn Keiner“
Statt eines Vorworts:
Herr Keiner verbrachte viel Zeit damit, Wissenswertes über die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erfahren. Das war nicht immer leicht. Denn das, was in Zeitungsberichten zu lesen oder in Reportagen zu hören und zu sehen war, befriedigte ihn nicht. Er sagte: „Man erfährt zu viel und lernt zu wenig.
Ich komme mir immer vor wie beim Blättern eines Fotoalbums. Ich sehe Bilder, die einen unermesslichen Reichtum zeigen, in einer Reihe mit Darstellungen bitterster Armut. Ich lerne Arbeitsplätze kennen, die ihren Mann nicht ernähren und sehe Behausungen, in denen man nicht wohnen kann. Ich sehe Leute, die nicht wissen, wie viel Geld sie haben und andere, die es dauernd zählen müssen. Doch was sollen alle diese Bilder, wenn keine Mühe darauf verwandt wird, sie zu sortieren und zu erklären? Wenn die Opfer von Naturkatastrophen in einer Reihe mit denen zu sehen sind, die ersichtlich auf das Konto der gesellschaftlichen Verhältnisse gehen. Es wird zu viel abgebildet und zu wenig nachgedacht“, sagte Herr K.
„Mich befriedigt nicht zu wissen, dass etwas passiert, ich möchte wissen, warum etwas geschieht. Ich möchte keine Personenbeschreibung der juristisch Verantwortlichen, wenn wieder einmal Menschen in einem Zug, einer Massenparty oder beim Ölbohren zu Schaden kommen. Ich möchte die Gründe wissen, die solche Schäden hervorbringen. Vielleicht lassen sich Notwendigkeiten ermitteln, die in diesen Verhältnissen wie Sachzwänge wirken, welche die Verantwortlichen zu befolgen haben? Vielleicht haben die vielen menschlichen Katastrophen ein System, haben vielleicht etwas mit der wirtschaftlichen Rechenweise zu tun, die das Leben in allen Ländern dieser Welt bestimmt?“
Herr Keiner beschloss, all diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Er nahm sich vor, das, was berichtenswert ist, nicht bis ins kleinste Detail zu veranschaulichen, nicht mit Faktenwissen zu überladen, sondern mit der Ermittlung der Gründe einer Erklärung zuzuführen.
Bei der Gelegenheit paßt natürlich auch ein Hinweis auf Bert Brechts Flüchtlingsgespräche, bei denen Brecht einen ähnlichen Ansatz verfolgt hat.
Krim hat im Forum Kapitalismuskritik einen kritischen Kommentar zu Herrn Keiner geschrieben:
„Was der Herr Keiner nicht verstehen will“
Zahlreiche Geschichten machen aufmerksam auf einen Alltag, der von den Individuen zahlreiche Verrenkungen und Anpassungsleistungen verlangt, zu denen sie nur kommen, weil sie tatsächlich keine andere Wahl haben – auch wenn ihnen die hiesigen Strippenzieher von Staat und Kapital das täglich weismachen wollen. Diese Verhältnisse sind nicht bestellt – von niemandem: Einige wenige ziehen ihren Nutzen daraus, viel zu viele müssen für viel zu wenig Nutzen ärgerlich viel leisten. Herr Keiner räumt auf mit den dummen Gewohnheiten des Sich-Zurechtlegens und Gutfindens und veranlasst darüber, was wir täglich erfahren nachzudenken und möglichst richtige Schlüsse daraus zu ziehen.
Gegen ein kleines Missverständnis:
Inwiefern haben die Leute „keine Wahl“ in dem, wie sich auf ihre Lebensverhältnisse beziehen?
Zunächst einmal ist jeder darauf verpflichtet sich bei allem, was er praktisch vermag, bei jeder beschissenen Lebensregung an die Bedingungen zu halten, denen er unterworfen ist. Die Leute müssen arbeiten, einkaufen, sparen, Steuern zahlen. Das ist die „Realität“, in die sie sich praktisch fügen müssen. Darin haben sie tatsächlich keine Wahl.
Ein anderes ist es jedoch diese „Realität“ – gegen alle Erfahrungen – als Mittel und Gelegenheit für das eigene Leben zu nehmen. Die positive Stellung wird den Bedingungen nicht gerecht, denen man unterworfen ist. Aufschlussreich finde ich da die Geschichte „Marktwirtschaftliche Klarstellungen“ von Herrn K.. Ein Arbeitsplatz ist nicht dazu da, dass man sich vom Lohn was schönes kaufen kann, das Sparbuch ist auch nur ein Umgang mit einem beschränkten Materialismus, weshalb es einiges an „Verrenkungen und Anpassungsleistungen“ bedarf, um an diesen Einbildungen ein Leben lang festzuhalten, aber das sagst Du ja selber.
Herr Keiner hält [mit guten Gründen!] nichts vom Umweltbewusstsein …
http://www.herrkeiner.com/geschichten/herr-keiner-und-die-umwelt
Die angestrebte nationale Unabhängigkeit in der Energieversorgung ist – neben der weltweiten Markteroberung bei Umwelt-Technologien – der Grund dafür, dass nun auch China und die USA in die Ideologien des ‚Umweltbewusstseins‘ eingestiegen sind.
http://arguschul.net/Politik_Gesellschaft/Klimawandel.html
http://ohnmacht.blogsport.de/2016/10/09/umweltschutz-fuer-imperialismus/#comment-107
http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2004/2/gs20042c03h2.html
Einen „roten Faden“ durch das ideologische Gestrüpp von Klimapolitik und Energiewende kann man hier verfolgen:
http://www.argudiss.de/sites/default/files/doku/ankuendigung%28pdf%29/energiewende_hb_0313_gl.pdf
„Mit der Einigung auf den schrittweisen Verzicht auf klimaschädliche Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) hat die internationale Gemeinschaft vor der nächsten UN-Klimakonferenz im November ein wichtiges Signal ausgesandt. Die Vereinbarung, die von den Industriestaaten ein schnelleres Umsteuern verlangt als von Entwicklungsländern, kam am Samstag bei einer Konferenz in Ruanda nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon zustande. “
http://www.stern.de/news/weltgemeinschaft-beschliesst-schrittweisen-verzicht-auf-fluorkohlenwasserstoffe-7103518.html
Augenscheinlich geht es darum, a) bestimmte Industrie-Standards weltweit durchzusetzen, um die eigenen ‚innovativen‘ Produkte auf dem Weltmarkt abzusetzen; b) ist damit einhergehend eine Verpflichtungserklärung weltweit aller Staaten unterschrieben, darin den Maximen ihrer Führungsnationen Gefolgschaft zu leisten.
Und das ist worin genau ein wichtiges Signal für die o.g. Novemberkonferenzen???
Was sie mit „Ökologie“ meinen, das fasst sich so zusammen:
„Um den europäischen Markt zu schützen, hatte die EU bereits Ende 2013 Antidumping- und Antisubventionszöllen über alle aus China importierten Solarzellen und –module zugestimmt und mit der chinesischen Regierung eine Preisbindungs-Regelung getroffen, nach der Solarprodukte zu einem festgelegten Mindestimportpreis (MIP) verkauft werden müssen. Mit geringem Erfolg – auch für Deutschland. Immer mehr chinesische Solarzellen- und Modulhersteller verabschieden sich aus dem vereinbarten Mindestabkommen, während europäische Produkte nach wie vor einem Mindestpreis unterliegen. Die Branche sieht sich in Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum beeinträchtigt.
(…) ‚Inzwischen ist durch Analysen von Marktkennern wie IHS und auch dem EU-eigenen Joint Research Center (JRC) aufgezeigt worden, dass die Modulhersteller in Europa angesichts ihrer fehlenden economy of scale im Wettbewerb mit den asiatischen (nicht nur chinesischen) Herstellern nicht mithalten können. Die europäischen Hersteller müssen sich zu größeren Einheiten konsolidieren oder auf Nischen und/oder added value konzentrieren.‘ Eines dieser added values könnten die Solarstrom-Speicher sein. Das Potenzial ist zumindest groß: Von den 1,5 Millionen Häusern in Deutschland, die eine Solarstromanlage auf dem Dach haben, nutzen nach Angaben des Branchenverbandes erst 15.000 Speicher. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und die seit 2013 bestehende Förderung von Stromspeichersystemen beim Bau von Solaranlagen noch einmal bis Ende 2018 verlängert.“
https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/deutsche-solarindustrie-im-ringen-um-den-weltmarkt/
Gleichfalls enorm öko ist
„Ein umweltschützerischer Irrsinn der besonderen Art:
Emissionshandel. Das Recht auf Luftverschmutzung wird vermarktet, um die Emission von Klimaschutz zu stimulieren“
http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2004/2/gs20042c03h2.html
http://www.gegenstandpunkt.de/jourfixe/prt/2010/jf100111.html
Die grüne Kritik am der derzeitigen deutschen Klimapolitik fasst hier der Tübinger OB Palmer zusammen
http://reinhardbuetikofer.eu/2016/07/06/das-ende-der-energiewende-meinungsbeitrag-mit-boris-palmer/
Ein Beispiel für den Klimawandel:
Äthiopien ist durch die stärkere Wucht von El Nino betroffen:
http://www.natur.de/de/20/Wetterphaenomen-El-Nino-sorgt-fuer-Hunger-in-AEthiopien,2,0,1873.html
Die Restriktionen am ‚Wachstumspotential‘ der Volkswirtschaft, die sollen gefälligst die anderen Länder beisteuern (z.B. Kohleabbau vermindern), wenn Deutschland schon nicht mehr den Markt für erneuerbare Energien bevorzugt für sich nutzen kann (sondern mit seiner ‚Eintreten für Klimaschutz‘ letztlich vor allem den Türöfner für erneuerbare Energie-Module aus China gemacht hat…)
http://www.berliner-zeitung.de/politik/streit-um-klimaschutzplan-umweltministerin-hendricks-fordert-machtwort-von-merkel-25015972
In Paris im letzten Dezember: Außer Spesen, nix gewesen;
das sagt anscheinend Kanzleramtsminister Altmeier
und verweist die Umweltministerin darauf,
sie möge doch ihren eigenen Job besser ausführen …
https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/klimaschutz-ohne-plan/
Zum „Durchbruch“ in Paris im letzten Jahr …
http://www.gegenstandpunkt.com/gs/2016/1/gs20161c01h1.html
Die Chinesen nämlich wollen Weltmarktführer bei Elektroautos werden – und dafür sollen die weltweiten Autokonzerne ihnen technologisches Know-How übergeben:
„Chinas Kader haben eingesehen, dass trotz Dutzender staatlich verordneter Joint Ventures chinesische Firmen beim Verbrennungsmotor technisch nicht aufgeholt haben. Audi, BMW und Daimler liegen vorne und eben nicht Geely, Chery oder Brilliance. Die Elektromobilität bietet eine neue Chance für China, Weltmarktführer zu werden – koste es, was es wolle.
Im vergangenen Jahr wurden nach offizieller Zählung 331 092 Elektrofahrzeuge in China verkauft. Mehr als 90 Milliarden Yuan, umgerechnet zwölf Milliarden Euro, gab der Staat dafür an Subventionen aus. Derzeit zahlt Peking für ein Elektroauto aus chinesischer Produktion einen Zuschuss von etwa 8000 Euro. Und je nach Stadt können noch weitere Subventionen dazukommen.“
(SZ vom 30.10.2016)
Kein Wunder, dass sich der Vertreter der deutschen Automobilindustrie, der SPD-Mann Gabriel, so was nicht bieten lassen kann…
Zufällig bin ich auf eine neue ‚Keiner-Geschichte‘ über das Grundrecht auf Wohnen, die Kalkulationen der Vermieter und die Gründe für Hochhausbrände gestoßen, von denen immer wieder mal zu lesen ist …
http://www.herrkeiner.com/geschichten/zum-hochhausbrand-in-london-ein-lehrstueck-ueber-die-ruecksichtslosigkeit-der-herrschenden-wirtschaftsweise-die-systemnotwendigen-schutzmassnahmen-der-staatsgewalt-und-deren-regelung-als-affaere-de/
Auch Stephan Kaufmann beleuchtet den hiesigen Wohnungsmarkt …
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116715.sieben-tage-sieben-naechte-von-der-angst-zu-versagen.html
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Inwiefern es sich hier also nicht um einen „Wahnsinn“ handelt – das wird hier erläutert:
https://www.contradictio.de/blog/archives/2887/comment-page-1#comment-6885
Dass Wohnen „die soziale Frage unserer Zeit“ ist, hat jüngst der Bundesbauminister Seehofer entdeckt – und der Spiegel (Nr. 16/2019) schließt gleich die Frage an: „Wie viel Kapitalismus verträgt der Wohnungsmarkt?“. Spätestens seitdem eine Reihe von Demonstrationen stattgefunden hat und in Berlin Unterschriften für ein Bürgerbegehren zur Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften gesammelt werden, beschäftigen Wohnungsnot und steigende Mieten die gesamte Öffentlichkeit. Eine elementare Not wird beschrieben, bebildert und beklagt.
Ein menschliches Grundbedürfnis – man höre und staune – mag diese sonst so hochgelobte Wirtschaftsweise nicht mehr zu befriedigen…
… so leitet Suitbert Cechura am 21.04.2019 seine Darstellung ein …
https://www.magazin-auswege.de/data/2019/04/Cechura_Sind_die_Mieten_zu-hoch.pdf
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Dass es sich hier nicht um einen „Mietenwahnsinn“ handelt,
sondern um die brutale Rechnungsweise dieses unseres Gemeinwesens,
das wird auch hier erläutert:
https://www.contradictio.de/blog/archives/2887/comment-page-1#comment-6885
Dass es also gar nicht um ein angebliches „Marktversagen“, sondern um die superpassende Betätigung der Marktgesetze geht, erläutert auch dieser Artikel
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116715.sieben-tage-sieben-naechte-von-der-angst-zu-versagen.html
Zum Thema Wohnen:
Miete Macht Rendite – Deutsche Wohnen in Berlin
Der ganz legale Mieten-Wahnsinn
Die „deutsche Wohnen“ würde ich übrigens nicht mehr als Wohnungsbaugesellschaft bezeichnen, sondern als Immobilienunternehmen, Immobilienkapital. Bei Wohnungsbaugesellschaft könnte man immer noch denken, das Unternehmen sei zum Bau von Wohnungen da. Bauen wäre also ihr Geschäft. Das eigentliche Geschäft ist verwerten, vermieten und teilweise wird dann auch gebaut, modernisiert oder auch nicht.
„Fast 200.000 Wohnungen der städtischen Gesellschaften verkaufte der Senat (von Berlin) seit der Wende bis in die Mitte der Nuller Jahre. Von 482.000 Wohnungen in Ost- und West-Berlin waren 2005 nur noch 273.000 Wohnungen übrig, hat der Berliner Sozialwissenschaftler Andrej Holm berechnet. Größter Brocken war 2004 der Verkauf der GSW mit 65.000 Wohnungen an ein Konsortium von internationalen Fondsgesellschaften.“
Die Politik hat quasi für n Appel und n Ei ihren Wohnungsbestand verscherbelt und privatisiert, indem sie an Immobilien Konzerne wie die „Deutsche Wohnen“ verkaufte. Es sollte quasi ein Bereich der öffentlichen Hand zu einer Geschäftssphäre gemacht werden, in der Gewinne gemacht werden. Und genau das ist es jetzt und die Resultate, wenn mit Wohnungen Rendite gemacht wird, kann man in der DOKU besichtigen. Das Problem mit den hohen Mieten ist also hausgemacht, von der Politik so gewollt und ins Werk gesetzt.
Interessant vielleicht auch die Artikel von RT:
https://deutsch.rt.com/inland/76862-blackrock-co-groessten-eigentumer-von-mietwohnungen/
Friedrich Merz ist Aufsichtsrat bei der Blackrock. Und das ist nicht ungehörig, sondern eher naheliegend und konsquent, wenn von der Politik der Wohnungsmarkt zur Geschäftssphäre gemacht wird.
„In der Eigentumsfrage muss nämlich zwischen zwei Sorten Eigentum unterschieden werden. Denn was soll gegen die Sorte Eigentum sprechen, die jemand braucht und benutzt: Das Haus, das er bewohnt, das Auto, das er fährt, die goldene Uhr, die er trägt, all diese Sachen sind nichts, was das private Eigentum so anstößig macht.
Die Sorte Eigentum allerdings“, sagte Herr K., „die es gibt, um nicht von ihren Besitzern gebraucht und genutzt zu werden, dieses Eigentum ist keinesfalls von Nutzen für die Menschen, jedenfalls nicht für die Mehrheit von ihnen“, fügte Herr K. einschränkend hinzu.
meint Herr Keiner
http://www.herrkeiner.com/geschichten/zweierlei-privateigentum/
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So ganz sicher bin ich mir nicht, ob Herr Keiner die folgende Erläuterung akzeptiert:
Im Kapitalismus ist Reichtum, am Beispiel des Wohnens zur Miete, nicht darin existent, was jemand hat – falls er vom Onkel eine Wohnung geerbt hat, und dann selber darin wohnt, dann ist er, kapitalistisch gesprochen, noch nicht reich.
Reichtum beginnt da, wo man selber eine Sache, deren Eigentümer man ist, nicht unbedingt selber gebraucht. Sondern das, was man selber nicht unbedingt braucht, brauchen andere, die am Gebrauch der Sache gehindert werden können, weil ich den Eigentumstitel habe, mittels dem ich prinzipiell den Gebrauch der Sache allgemein – für alle – ausschließen kann. Dafür braucht es eine Gewalt, die dieses Interesse des Eigentümers absichert.
Reichtum ist also nicht einfach, wie Dagobert Duck im Geld schwimmen zu können. (Das mag ja trotzdem das Resultat sein. Mag es geben.)
Reichtum besteht in der negativen Konstruktion, die mir erlaubt, aufgrund des Bedürfnisses oder der Notlage eines anderen diesen vom Gebrauch der dafür notwendigen Mittel ausschließen zu können.
Kapitalistischer Reichtum ist Ausschluss.
Den Ausschluss darf der Eigentümer aufheben, und er ist ermächtigt, anderen neben dem Verbot auch den Zutritt exklusiv zu erlauben. Da er damit reicher werden will, darf er die Notlage des Interessenten ausnutzen und von ihm den möglichst höchsten Preis einfordern. Das wird nicht Erpressung genannt, sondern z.B. Vertragsverhältnis über das Mieteigentum.
Samson betont gerade im anderen Thread, dass xy „… dabei den Markt komplett ausblendest oder unterschlägst, als den Ort, wo die Freiheit der Eigentümer sich als Freiheit des Warentauschs darstellt, und zwar vollkommen gewaltlos.“
Sehr richtig. Der Eigentümer der Wohnungen zwingt niemanden in seine Wohnung. Und der Mieter zahlt gewaltlos die Miete.
Die Hochachtung vor dem heiligen Eigentum, dem Staatszweck wie dem Staatsmittel, die sich für Sozialdemokraten und GRÜNE in den Debatten um das gotteslästerliche Mittel der Enteignung darzustellen hatte,
„… erstreckt sich auch gleich noch auf das Produktionsverhältnis, das in seiner angeblichen Unverrückbarkeit schlicht ein Werk der Gewalt darstellt.“
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/konkurrenz-kapitalisten-i#section6
Denn eine freie kollektive Willensbildung, ein vernünftiger Konsens über gesellschaftliche Arbeitsteilung und Bedürfnisbefriedigung ist schon der Idee nach die Negation der bürgerlichen Handlungsfreiheit, die der Rechtsstaat gewährt und garantiert. Die Überwindung des Materialismus des Geldes ist als moralische Idee schön und gut, als praktisches Ziel vom Standpunkt des freiheitlichen Rechtsstaats aber identisch mit Kommandowirtschaft und deswegen als Übergriff der Staatsgewalt auf die geschützte Privatsphäre selbstverantwortlicher Bürger verboten.
(Ebd.)
@ Pedder
Ich denke die Geschichte mit der geerbten Wohnung erklärt kapitalistischen Reichtum so wenig wie Ausschluss als meinetwegen Geschäftsprinzip (der eine organisierende Gewalt vorauszusetzen scheint). Es geht schon primär um die Produktion von bspw. Wohnungen, nur freilich nicht von Wohnungen als brauchbare Sachen.
Die Erklärung von Marx, das materielle Produkt stelle sich in der Warenform quasi ideell als Doppeltes von sich wechselseitig ausschließenden Gebrauchs- bzw. Tauschwerten dar, zeigt einerseits die wirkliche Gewalt (diejenige, an der sich die vermeintliche Freiheit der Subjekte auf dem Markt stets blamiert), an der auch administrative ‚Gesetzgebung‘ prinzipiell nichts zu ändern vermag, andererseits wird dadurch die allgemeine Vorstellung konterkariert, das Kapital sei eine Veranstaltung, deren Zweck in der Produktion von Sachen (bspw. Wohnungen) für den Konsum (damit bspw. Menschen ein Dach überm Kopf haben) bestünde.
Wenn das Kapital Anfang und Ende aller Produktion ist, dann ist alles Materielle (incl. seiner eigenen Produktionsmittel ebenso wie der Menschen als juristischer Eigentümer ihrer eigenen Arbeitskraft) nur als mindestens potentieller Träger von Tauschwert von Bedeutung. Andererseits ist der Tauschwert gegenüber jedem einzelnen Ding, wie brauchbar es immer sein möge, stets eine historische Zufälligkeit und erscheint so als nachträglich Zutat des Markts. Dies gilt vor allem und gerade auch für jenen Markt, auf dem die sog. Arbeitskräfte gehandelt werden, ob jemand als ‚qualifizierte Fachkraft‘ oder nur als ‚Hilfsarbeiter‘ einen Job bekommt, hängt eben gerade nicht von seinen erlernten Fähigkeiten, sondern primär von den ‚Bedürfnissen‘ dess produzierenden Kapitals ab.
Dagobert Duck mag im Geld schwimmen oder Gefallen daran finden, es von einer in die andere Ecke zu schaufeln, es vermehrt sich davon nicht, deswegen ist der auch so knausrig, wenn Donald was abhaben will. Die geerbte Wohnung verfällt dagegen, wenn sie längere Zeit leersteht und wird vielleicht sogar zum Kostenfaktor, weswegen sie ggf. weit unter Wert verkauft wird. Nicht von ungefähr wachsen sog. Immobilienblasen immer dort wo Geld nicht profitabel, d.h. in produzierendes Kapital investiert werden kann. Und als Folge davon werden Wohnungen Spekulationsobjekte mit phantastischen Preisen, die niemand wirklich bezahlen kann, der die Wohnung als Behausung brauchen könnte und gleichzeitig steigen ggf. die Obdachlosenzahlen.
@ Samson,
dass es um P r o d u k t i o n bei kapitalistischem Eigentum geht, leuchtet mir ein.
Das mit der ererbten Wohnung sollte nur die Differenz zwischen dem abstrakten Reichtumsprinzip und dem konkreten Gebrauch darstellen.
Enteignung soll ja ein Mittel sein, damit Wohneigentum wieder besser zum Mittel der städtischen Massen werden könne. Hier setzt die Polemik damit an, dass Eigentum nix zum Benutzen sei, sondern zunächst mal Ausschluss sei.
Eigentum sei Ausschluss, das meint, dass die Staatsgewalt nämlich als unterstellte verfügt, was Eigentum ist, durch welche Rechtsakte es das ist, wie man das Eigentum benutzen darf, und dazu, um zunächst mal den prinzipiellen Ausschluss durchzusetzen, braucht es die gesamte Staatsgewalt. So ist es gleichzeitig die Ermächtigung zur persönlichen Freiheit: Meine Wohnung darf ich nicht nur vermieten, selber nutzen, sondern sogar leer stehen lassen…
Nestor hat darauf hingewiesen, dass in den Städten beim normalen Wohnen wie auch bei „Ferienwohnungen“ (Coach vermieten) inzwischen neue Formen des Untervermietens eingerissen sind:
„In Zeiten von AirBnB und Uber ist allerdings diese Trennung auch schon überwunden, wo teilweise Leute Wohnungen vermieten, die sie selbst gemietet haben, und derweil woanders hinziehen, um so ihre ihre eigene Miete hereinzukriegen.
Beim Auto auch so …
Eine Art Selbstverwaltung der modernen Armut, wo alle Ideale der Selbstbestimmung in jeder Hinsicht aufgehoben sind.“
Gab es Ende des 19. Jahrhunderts als Formen der laut Sozialkundebuch klassisch geltenden Armut ja auch, da wurde zum Schichtwechsel der untervermietete Schlafplatz in Kreuzberg für ein paar Groschen weitervermietet.
„Nicht von ungefähr wachsen sog. Immobilienblasen immer dort wo Geld nicht profitabel, d.h. in produzierendes Kapital investiert werden kann. Und als Folge davon werden Wohnungen Spekulationsobjekte mit phantastischen Preisen.“
Insofern vergleicht sich der Wohnungsmarkt kapitalistisch z.B. mit dem Aktienmarkt, wo ja auch gigantische Summen „verdient“ werden mit den gegensätzlichen Interessen von Käufern und Verkäufern, selbst bzw. gerade dann, wenn in der „Realwirtschaft“ alle Welt von der (anstehenden) Krise schwadroniert.
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Dass es sowieso eher um Aufmerksamkeitsgetue der Linkspartei beim Thema Wohnen gehe, wird hier behauptet, wo anscheinend und stattdessen einem „wirklichen Volksgesetz“ das Wort geredet wird:
http://www.trend.infopartisan.net/trd0719/t290719.html
@ Pedder
Na ja, beim fertigen Produkt als Sache, die einen Gebrauchswert hat, mag das schon so ein. Wer sich nicht an die staatliche Erlaubnis hält, bekommt es mit dem Justizapparat zu tun. Wer die Wohnung im Besitz hat, aber keine Miete zahlt, bekommt eben Besuch vom Gerichtsvollzieher und wird schlimmstenfalls obdachlos. Der Eigentümer muss dann zusehen, dass er neue Mieter findet.
Allerdings handelt es sich beim Miete zahlen resp. kassieren m.E. um Umverteilung von Geld, selbst wenn Immobilienhaie aller Art dabei stinkreich werden (können). Umverteilen deshalb, weil es, wenn es Einkommen ist und der Konsumtion dient, direkt oder indirekt aus Kapitaleinkünften stammt, also voraussetzt, dass Kapital profitabel produziert, anderfalls ist es selber Kapitalausgabe, also Teil des fixen Kapitals (bspw. sog Geschäftsräume).
Mich interessiert aber, wie das, worüber eine übergeordnete Instanz Eigentumstitel vergibt, rechtfertigt, Erlaubnisse erteilt resp. Verbote erlässt und ggf gewaltsam durchsetzt, überhaupt erst zustandekommt. Und diesbezüglich erklären Erbschaften eben nix, weil die Frage, wie die Erblasser zum Erbgut gekommen sind, überhaupt nicht gestellt wird. Dazu kommt noch, das alles Materielle mehr oder weniger ‚vergänglich‘ ist, also irgendwann, wenn nicht instandgesetzt, dann ersetzt resp. neu produziert werden muss.
Insofern mag Nestor mit dem Urteil Recht haben, die Weitervermieterei sei nicht mehr als eine Selbstverwaltung moderner Armut, die mit Selbstbestimmung überhaupt nichts mehr am Hut hat.
Andererseits, wenn immer vom Staat als übergeordneter Instanz die Rede ist, die das alles so einrichtet und durchsetzt o.s.ä., stellt sich mal die Frage, wie der das macht. Der Witz ist m.E. der: der moderne (also kapitalistische) Staat muss alles, was er so zum Machtausüben braucht, kaufen, und zwar von der Klasse, die über die gesellschaftlichen Produktionsmittel verfügt, diese aber nur anwendet, wenn die Produktion einen Profit abwirft. Und eben diesen Profit (den die Kapitalisten als Klasse aus der unbezhalten Mehrarbeit der ganzen Gesellschaft ziehen) muss der Staat besteuern, um an das Geld zu kommen, mit dem er seine Machtmittel erst kaufen kann.
Klar, man kann auch an das Märchen glauben, die Staatsbürger täten Steuern bezahlen, weil sie sich einbilden, es sei ‚ihr Staat‘ o.s.ä. Nur stellt sich dann halt wieder die Frage, woher beziehen diese Staatsbürger eigentlich ihr Einkommen, wenn es nicht vom Kapital aus profitablen Geschäften kommt.
„Insofern mag Nestor mit dem Urteil Recht haben, die Weitervermieterei sei nicht mehr als eine Selbstverwaltung moderner Armut, die mit Selbstbestimmung überhaupt nichts mehr am Hut hat.“ Wieso denn Selbstverwaltung? Wer ist da das Subjekt? Die moderne Armut? Es unterstellt die Subjekte der Weitervermietung seien arm? Ich glaube nicht, dass man diesen Schluss ziehen kann. Sind denn Zeitarbeitsfirmen arm?
„Und eben diesen Profit (den die Kapitalisten als Klasse aus der unbezahlten Mehrarbeit der ganzen Gesellschaft ziehen) muss der Staat besteuern, um an das Geld zu kommen, mit dem er seine Machtmittel erst kaufen kann.“ Jetzt erzählst du den gleichen Mist. Das Geld mit dem der Staat sich finanziert, kommt nur zum kleinsten Teil aus dem Profit des Kapitals. Das sind mengenmäßig höchstens 15%.
Der Staat ist nicht für das Eigentum oder für das Kapital oder den Profit, weil er seine Finanzmittel aus dem Profit bezieht.
Er ist noch nicht mal für das Eigentum oder das Kapital oder den Profit, weil j e d e s Einkommen das er besteuert, auch v, aus dem mindestens 85% seiner Revenue kommen, durch erfolgreiches Geschäft generiert wird. Er ist für den Kapitalismus, weil er s e i n e politische Gewalt ist. Sakrament. Hört doch endlich auf „dem“ Staat eine selbständige Existenz unabhängig von der Gesellschaft dessen Gewalt er ist zuzubilligen und euch dann hinterher die Frage zu stellen, wie er für wen parteilich ist. Du denkst wie ein Bürger mit notwendig falschem Bewusstsein: Staat das ist wie ein Felsen oder Fluss ein Stück gesellschaftliche Natur. Dessen Existenz ist nicht zu hinterfragen, sondern den gibt es halt, wie die Sonne. Nur dann taucht überhaupt die Frage auf, warum er dem Kapitalismus die Stange hält. Er muss dann völlig leer und unbestimmt gedacht werden. Dabei ist seine Gewalt nichts anderes als eine Notwendigkeit dieser Form von Ökonomie. Er kommt aus ihr und nicht umgekehrt. Kapitalismus produziert den bürgerlichen Staat als Notwendigkeit dieser Ökonomie.
Eine Gruppe um Sahra Wagenknecht in der Linkspartei will, angesichts dessen, dass ‚die Herrschenden uns spalten‘ wollen, Proteste der französischen Gelbwesten, der FFF-Bewegung und der Linkspartei, adrett zusammenschustern:
https://www.jungewelt.de/artikel/363215.radikale-klima-und-sozialpolitik-das-klima-retten-nicht-die-konzerne.html
So schlecht finde ich den Artikel gar nicht. Zunächst einmal wieder nichts als purer Idealismus. Der Traum von einem Kapitalismus der „gut“ ist, der mit einem guten Leben für die Bevölkerung und einer Bewahrung des Planeten in eins geht. Er zeigt zumindest was alles gemacht werden müsste, wenn es tatsächlich um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehen würde.
Das Macht zumindest klar, dass es darum (in der Realität) nicht geht. Schön wäre es wenn der Kapitalismus so funktionieren würde, wie gefordert und dabei wird klar, dass das mit dem realen Kapitalismus eben nicht geht. Das ist so diametral dem entgegengesetzt was tatsächlich läuft, dass eigentlich klar ist dass das im Kapitalismus nicht geht.
Ich denke die Autorin weiß das auch, weil in der Überschrift steht „Die Systemfrage stellen:…“ und auch am Schluss nochmal: „Auch wenn es ein paar gute Argumente für eine CO2-Steuer gibt – man sollte darauf nicht fokussieren, sondern auf die viel wichtigeren ordnungspolitischen Stellschrauben verweisen und ganz grundsätzlich die Systemfrage aufwerfen.“
Das ist das Gute an diesem Artikel.
Das nicht so gute daran ist die Art und Weise wie diese Erkenntnis vermittelt wird. Sie folgt nämlich der orthodoxen linken Ansicht, dass man die Massen in eine Auseinandersetzung hinein manövrieren muss, damit diese dann ein richtiges revolutionäres Bewusstsein entwickeln.
„Die Klimakrise birgt das Potential, viele einzelne Anliegen zu verbinden, unterschiedliche Protestbewegungen zu einer Massenbewegung zusammenzuführen und dieser eine wissenschaftlich fundierte Dringlichkeit und damit auch eine notwendige Radikalität zu geben.“ Hier fühlt sich die linke Avantgarde aufgerufen Protestbewegungen zu verknüpfen, damit eine Massenbewegung gegen das System entsteht. Als hätten die Leute eigentlich schon richtige Sachen im Kopf und würden nur von unterschiedlichen Seiten an das selbe Problem hergehen und als bräuchte es deshalb linke „Verknüpfer“, die daraus eine Massenbewegung schmieden. Leider haben die Leute aber falsche Sachen im Kopf und haben deswegen Kritik an unterschiedlichen Sachen.
Warum sagt die Autorin nicht gleich: Im Kapitalismus geht das nicht. Weder geht Klimaschutz noch geht ein vernünftiges Leben ohne die ganze Schäden, die man vom System aufgebürdet bekommt, wie verheizen der Lebenszeit, Armut, Vergiftung, Existenzangst, körperlicher und seelischer Verschleiß usw.
Ein Beispiel: „Erst wenn Menschen ihre Arbeit sowie Geschäfte, Schulen, Kitas, Ämter oder Ärzte zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV gut erreichen können, werden sie auf ihr Auto verzichten.“
Das heißt also, sie werden nie auf ihr Auto verzichten, denn es gibt einen freien Wohnungsmarkt und einen freien Arbeitsmarkt. Das heißt man wohnt und arbeitet dort, wo man ein Wohnung und Arbeit findet und weil das nur Ausnahmsweise beieinander liegt, müssen die Leute von der Wohnung zur Arbeit gelangen und das geht wegen der Entfernung meist nur mit dem Auto.
Den Verkehr kann man bloß verringern, indem man den freien Wohnungs- und Arbeitsmarkt abschafft. Schon an dieser Stelle ist klar, dass das mit Kapitalismus nicht geht.