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Beruf: Börsenspekulant (Marxistische Gruppe 1987)

6. Dezember 2011

„Lahma Cun“ hat auf ihrer Facebook-Seite auf einen alten Artikel der Marxistischen Gruppe hingewiesen:
„Beruf: Börsenspekulant“.
Dieser Artikel hört mit folgendem Absatz auf:

„Der Spekulant bekommt seinen Teil vom weltweiten Mehrwert, weil er eine nützliche Aufgabe erfüllt. Indem er in aller Welt Kurse, Zinsen, Preise und Tendenzen vergleicht, ist er die Speerspitze der Kapitalbewegung, der Pfadfinder des Sphärenwechsels. Er ist der Schwanz, der mit dem Kredit wedelt. Das ist gerecht denn wie wüßte der sonst, wo er hin muß.“

Kein Wunder, daß z.B. ein alter Hase wie Samson bei und gegen Nestor, den Freund des „neuen“ Denkens des GegenStandpunkts in Sachen Erklärung der Finanz- und Überakkumulationskrise noch auf sowas pocht, z.B. im Thread „Österreich–Ungarn 1 : 0“ über Fremdwährungskredite.

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  1. 8. Dezember 2011, 12:54 | #1

    Eine Anmerkung bei Facebook:

    „Ursprünglich hieß der Artikel ja „Die ökonomische Psychologie des Börsenspekulanten“ und das, was dazu gesagt wird, stimmt bis auf diesen Satz bis heute. Irgendwie ist ja auch die heutige Anschauung, dass das Finanzkapital ein Wachstum eigener Art und Größe hervorbringt, in folgendem enthalten: „Dabei stört den Börsenspekulanten nicht, daß das, worauf er spekuliert, er selber macht.“ Oder?“

    Das ist in der Tat richtig und wichtig. Rainer Trampert z.B. hat in seinem „konkret“-Artikel ja auch (in diesem Punkt) korrekt drauf hingewiesen, daß diese Szene unter sich bleibt mit ihren Werten und die Realwirtschaft mit Hyperinflation zusammenklappen würde, wenn auch nur ein paar tausend der dort verbuchten Milliarden als Nachfrage auf den „echten“ Warenmärkten auftauchen würden.

  2. 8. Dezember 2011, 13:45 | #2

    Ein Einwand bei Facebook:

    Wo soll denn bitte bei der Finanzspekulation ein eigenes Wachstum herkommen? Dort wird doch nicht Wert verwertet, also auch kein Mehrwert produziert, sondern nach wie vor eine Spekulation darauf durchgeführt, ob die Spekulation von Produktionskapitalisten aufgeht, ihre Waren gewinnbringend verkaufen zu können. Diese Spekulation hat ihre Rückwirkungen auf die kapitalistische Produktion und je mehr Kapital nötig ist, um diese noch gewinnbringend betreiben zu können, desto wichtiger wird für sie das Urteil der Finanzmärkte, weil sie ja darüber ihr zusätzliches Kapital bekommt (oder halt nicht). Das verschiebt zwar das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis von kapitalistischen Produktions- und Finanzsektor zu Gunsten des Finanzsektors, aber ändert nichts an dessen grundsätzlichen Bestehen.
    Ich würde also sagen, dass auch der letzte Satz immer noch stimmt. (Und vertritt der GSP im Gegensatz dazu jetzt wirklich, dass im Finanzsektor *eigenständig* Mehrwert produziert werden würde?)

  3. 8. Dezember 2011, 14:17 | #3

    Ökonomische Experten, die vorher noch nie von “Werten” im Bereich der Wirtschaft gehört hatten, oder die den Wertbegriff als marxistische Metaphysik abgelehnt hatten, wurden plötzlich selbstkritisch. Sie fanden es auf einmal unerklärlich, dass die Investmentbanker (und sie selbst als deren Kunden und Bewunderer) tatsächlich daran geglaubt hatten, das man Vermögen schaffen kann allein durch den Handel mit Wertpapieren, ohne dass dazu irgendeine Arbeit geleistet wird. Sie enthüllen nun ihre revolutionäre Erkenntnis,, dass man Wertpapiere nicht essen kann; und sie bestehen nun darauf, dass allein die realen Werte, die durch Arbeit geschaffen werden, und nicht die reien Papierwerte, die in der Welt der Finanz zirkulieren, solide seien und den wahren Wert darstellen, auf den es in der Wirtschaft ankommt. Dies sei letztlich das Gut, von dem die Gesellschaft letztlich lebt.
    Sie verkünden, „nur Arbeit kann Werte schaffen!“ – teils als konstruktive Aufforderung, eine dementsprechende Richtungsänderung der Wirtschaftspolitik einzuleiten, teil aus einer intellektuellen Haltung des Besserwissens gegen die „illusionäre“ Welt des Finanzkapitals. Beide Fraktionen, die bürgerliche und die linke, sehen die Krise als etwas, was die Marktwirtschaft wieder „auf ihre Füße“ gestellt habe, sozusagen. Mit oder ohne Bezug auf Marx feiern sie die Arbeit als Quelle der wirklichen Werte – und zeigen so, dass sie die zweifelhafte soziale Idylle nicht verstanden haben, in der Arbeit Werte schafft.
    Gerade unter Marxologen gibt es jetzt viele, die die Krise interpretieren als die „Rache des Wertgesetzes“ an den hochfliegenden Spekulationenen und als einen Beweis dafür , dass Banken und die Finanzmärkte einfach keinen kapitslistischen Reichtum schaffen könnten. Sie unterscheiden Finanzkapital von seiner materiellen Wertbasis als eine abhängige Überbaus-struktur die Werte nur umverteilt aber diese nicht durch ihre Kreditoperationen ersetzen könne.
    Jetzt zeigt aber die Finanzkrise, in welchem Ausmaß das, was sie die Basis nennen vom Überbau abhängt, in welchem Ausmaß dieser Überbau die „Realwirtschaft“ – die Produktion und der Verkauf von Waren – in ein Instrument für sich verwandelt und in welchem Maße er die Realwirtschaft den Aufs und Abs der Finanzspekulation unterwirft. Unbeeindruckt davon bestehen diese Linken darauf, dass der Zusammenbruch der Banken und der Aktienmärkte nur Oberflächenphenomene seien, eine Schockwirkung einer Krise außerhalb der Welt der Finanzen, nämlich einer Krise in der Produktion „realer Werte“. Oder mehr noch, sie sehen die-sen Zusammenbruch als eine reine Korrektur der übertriebenen Spekulationen an.
    Es stört sie dabei gar nicht, daß man nirgendwo beobachten kann, wie das Finanzwesen auf seine angemessene Größe zurückgestutzt wird. Die fiktiven Finanzwerte werden gar nicht solange annulliert, bis nur der „reale“ Wert übrig bleibt. Was passiert, ist das genaue Gegenteil: Die Rettungsschirme der vielen Regierungen, um ihr Banksysteme zu retten, zeigen, dass die immer ungewissere Finanzmacht der Banken praktisch um jeden Preis vor dem Zusammenbruch gerettet werden muß. Und um dessen Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen, stellen die Finanzinstitutionen die Kreditgewährung an die „Realwirtschaft“ entweder ganz ein oder fahren sie massiv zurück. Damit werden die „realen Werte“ in den Fabriken genauso entwertet wie die Warenläger der Handelsunternehmen. In der Finanzkrise wird materieller Reichtum in Form von produzierten Waren und Produktionsmitteln geopfert, nur um die „fiktiven Werte“ des „Finanzwesens“ zu retten.
    Sie halten daran fest, dass die jahrzehntelange erfolgreiche Akkumulation des Finanzkapitals – das dabei Eigentumstitel geschaffen, verkauft und gekauft hat und dabei Gewinne gemacht hat, von denen die anderen Branchen der wirtschaft nur träumen können – in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden habe. In dieser Branche können keine wahren Werte gehandelt worden sein, denn die können ja nur durch Arbeit entstehen! Daß die offensichtlichen Tatsachen ihrem Marxverständnis widersprechen, bringt sie nicht dazu, ihr Marx-Verständnis in Frage zu stellen, sondern die Tatsachen selber.
    Wenn man die Tatsachen der Finanzkrise im Namen der „Arbeitswertlehre“ nicht wahr haben will, oder sie zu reinen Erscheinungen einer davon abweichenden Realität reduziert, dann scheinen unglücklicherweise sowohl der Ausgangspunkt von Marx’ dreibändigem Werk „Das Kapital“, die Analyse der Waren und die darauf aufbauenden Ableitungen nicht richtig verstanden worden zu sein.
    (meine Rohübersetzung von Auszügen aus dem Artikel „“Real” value: Comments on the “labor theory of value” and the wealth of capitalist society“ von Ruthless Criticism, auf den ich hier schon mal hingewiesen habe)

  4. Nestor
    8. Dezember 2011, 15:57 | #4

    Einmal die Ruhe: Der Satz vom Börsenspekulanten-Artikel, was soll denn dran falsch sein? Also, die ganze Debatte, ob und wie Wert in der Finanzspekulation produziert wird und zu finden ist, mag ich jetzt hier nicht schon wieder anreißen.
    Die Aussage in dem Satz ist doch: Der Spekulant (heute heißt das manchmal auch: die Märkte) macht die Bewegung des Kredits, zieht das Kapital hierhin oder dorthin.
    Wie kommst du daraus auf diese Debatte über Wert?
    Und schließlich, die GSP-Position ist nicht, daß da „unabhängig“ von der sogenannten „Realwirtschaft“ „Mehrwert“ erzeugt würde. Die Wahrheit ist doch viel schlimmer: Aller Mehrwert, der erzeugt wird, muß erst den Segen des Finanzkapitals haben, um überhaupt als Wert bestehen zu können – ansonsten ist er entwertet.
    Daß sich die Finanzmärkte diesen Dienst was kosten lassen und darauf noch ihre eigenen luftigen Kartenhäuser bauen, kommt noch hinzu. Aber das Verhältnis zwischen Produktion von Autos, Semmeln und ähnlichen nützlichen Gegenständen ist nicht eins der getrennten Sphären, sondern der völligen Unterodnung und Abhängigkeit des einen über das andere.

  5. 8. Dezember 2011, 16:02 | #5

    In der Tat „die GSP-Position ist nicht, daß da „unabhängig“ von der sogenannten „Realwirtschaft“ „Mehrwert“ erzeugt würde.“ Nur, wer hat das denn jetzt so vorgetragen, ich habe es jedenfalls „hier“ nicht gefunden?

  6. 8. Dezember 2011, 17:21 | #6

    Ich hatte die Aussage „dass das Finanzkapital ein Wachstum eigener Art und Größe hervorbringt“ zumindest so verstanden.
    @ Nestor: selbst völlige Unterordnung des einen unter das andere hat zur logischen Voraussetzung, dass beides eben nicht identisch ist. Warum also nicht von getrennten Sphären sprechen, deren Verhältnis zueinander zu bestimmen ist? (Völlige Unterordnung ist btw. auch eins.)
    Aller Mehrwert, der erzeugt wird, muß erst den Segen des Finanzkapitals haben, um überhaupt als Wert bestehen zu können – ansonsten ist er entwertet.
    Das verstehe ich nicht. Ein Unternehmen hat, wenn seine Spekulation auf den gewinnträchtigen Verkauf seiner Waren aufgeht, Gewinn gemacht, also mit dem Verkauf der Waren mehr Geld eingenommen, als es für diese ausgegeben hat. Die Quelle dieses Gewinns ist der Mehrwert. Wie wird dieser wieder zu Wert? Indem er wieder in die Produktion gesteckt wird, auf dass da wieder mehr Geld rausspringe. Das Finanzkapital kommt doch darüber ins Spiel, dass zusätzliches Kapital benötigt wird, um die Produktion zu effektivieren und/oder auszuweiten. Dafür erhält es einen Teil des Mehrwerts, je nachdem über den Zins oder über die Dividende. (Und keinen eigenen Mehrwert zu produzieren, heißt nunmal, kein eigenes kapitalistisches Wachstum hervorzubringen. Dass der Finanzsektor für das kapitalistische Wachstum egal wäre, ist damit übrigens gerade nicht gesagt, weil dieses ja von seinem zusätzlichen Kapital abhängt.) Ob Mehrwert wieder zu Wert wird oder nicht, ist folglich insoweit vom Finanzkapital abhängig, als dass es zukünftig weiter gelingende Mehrwertproduktion erwarten muss*, damit es über Kredite oder Aktienkäufe zusätzliches Kapital bereitstellt. Soll nur das gesagt sein? Dann ist das aber keine neue Position, die im Gegensatz zu dem Artikel steht. Oder doch etwas anderes? Dann bitte ich um Ausführung.
    * Was eben nicht nur von den Gewinnentwicklungen des Unternehmens abhängt, sondern auch davon, was die Finanzspekulanten mit ihren x Spekulation auf die Spekulationen von Ihresgleichen gerade für eine Stimmung am Finanzmarkt hervorgebracht haben.
    ***
    @ neoprene: Soll die Übersetzung des RC-Textes eine Antwort auf mich sein? Falls ja, verstehe ich nicht wieso. Schließlich habe ich darüber geschrieben, wie die m.E. zusammengehören, statt die ‚pure‘ Warenproduktion als wünschenswert zu bezeichnen und für ihre Trennung von der Finanzspekulation zu plädieren.
    Sie halten daran fest, dass die jahrzehntelange erfolgreiche Akkumulation des Finanzkapitals – das dabei Eigentumstitel geschaffen, verkauft und gekauft hat und dabei Gewinne gemacht hat, von denen die anderen Branchen der wirtschaft nur träumen können – in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden habe. In dieser Branche können keine wahren Werte gehandelt worden sein, denn die können ja nur durch Arbeit entstehen!
    Na klar werden da Eigentumstitel gehandelt und weil es um Eigentumstitel auf Wert geht, eben auch Wert. Nur mit echten Werten zu handeln ist doch etwas anderes(nicht: „besseres“ oder „schlechteres“), als selbst Mehrwert zu produzieren!
    Was passiert, ist das genaue Gegenteil: Die Rettungsschirme der vielen Regierungen, um ihr Banksysteme zu retten, zeigen, dass die immer ungewissere Finanzmacht der Banken praktisch um jeden Preis vor dem Zusammenbruch gerettet werden muß.
    Ja, weil man deren Dienst, gewinnträchtige Produktionskapitalisten ebenso wie Staaten weiter mit zusätzlichen Geld zu versorgen, will.

  7. 8. Dezember 2011, 18:15 | #7

    Zu Schakris Frage:

    „neoprene: Soll die Übersetzung des RC-Textes eine Antwort auf mich sein?“

    Kann ich nur irritiert antworten, nein, wie hätte ich denn auf sowas kommen können?? Hier in diesem Thread hast du doch bisher gar nichts in diese Richtung geschrieben, oder habe ich da was übersehen?
    Den RC-Text habe ich hier übrigens eigentlich „nur“ deshalb reingezogen, weil er mir (wie der größere, spätere GegenStandpunkt-Artikel auch, den die Redaktion dann daraus/danach geschrieben hat, ich habe ihn hier auch zur Verfügung gestellt,) einen zentralen Streitpunkt in der Debatte um die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise anspricht und allenthalben die in diesen beiden Artikeln kritisierten Auffassungen bzw. Interpretationen von Marx fröhliche Urständ feiern.

  8. Gast
    8. Dezember 2011, 21:31 | #8

    @schakri

    „Die Quelle dieses Gewinns ist der Mehrwert. Wie wird dieser wieder zu Wert? Indem er wieder in die Produktion gesteckt wird, auf dass da wieder mehr Geld rausspringe.“

    Hä? Gewinn ist doch bereits eine Wertform, die muss man nicht erst „zu Wert“ machen. Die Wiederverwertung des (Mehr-)Werts ist dann eine daraus folgende Notwendigkeit fürs Kapital.

    „Das Finanzkapital kommt doch darüber ins Spiel, dass zusätzliches Kapital benötigt wird, um die Produktion zu effektivieren und/oder auszuweiten.“

    Nee, das Finanzkapital gibt es nicht, weils wer braucht – eher noch, weils jede Menge Geldsummen gibt, die NICHT für Wiederwertung taugen.

    „Ob Mehrwert wieder zu Wert wird oder nicht, ist folglich insoweit vom Finanzkapital abhängig, als dass es zukünftig weiter gelingende Mehrwertproduktion erwarten muss, damit es über Kredite oder Aktienkäufe zusätzliches Kapital bereitstellt.“

    Das „zusätzlich“ ist ein Irrtum in mehrfacher Hinsicht: Der Vorschuss für jedes Kapital ist bereits die Geldform. Ohne Kredit gibt es die schöne Mehrwertproduktion also gar nicht, die manch einer undankbarerweise gegen die Finanzhaie verteidigen möchte. Weswegen die oben bestimmte „Unterordnung“ mehr ist als ein „Verhältnis“ von Sphären zueinander: Der Kreislauf von Geldsummen bestimmt die Produktion, die es gar nicht getrennt von ihm geben kann.

  9. 8. Dezember 2011, 22:47 | #9

    @ Gast: „Gewinn ist doch bereits eine Wertform, die muss man nicht erst „zu Wert“ machen.
    Ja, da habe ich mich ungenau/ falsch ausgedrückt, es ging mir um sich verwertenden Wert, also Kapital. Nur ohne diese Gleichsetzung von Wert und Kapital ist mir nestors Rede von:
    Aller Mehrwert, der erzeugt wird, muß erst den Segen des Finanzkapitals haben, um überhaupt als Wert bestehen zu können – ansonsten ist er entwertet.
    erst recht rätselhaft.
    Nee, das Finanzkapital gibt es nicht, weils wer braucht
    Behaupte ich doch auch gar nicht, dass es das Finanzkapital deswegen gibt. Die Frage nach dem Grund seiner Existenz trägst du an meine Ausführungen schlicht heran. Aber schon weil es die Produktionskapitalisten aus ihrem eigenen Wirken heraus brauchen, ist es Unsinn, die gute Realproduktion vor der bösen Finanzspekulation schützen zu wollen. Und weil das Finanzkapital mittlerweile als Bedingung der gesamten kapitalistischen Produktion gebraucht wird, wird es von den bürgerlichen Staaten dermaßen unterstützt.
    Der Vorschuss für jedes Kapital ist bereits die Geldform. Ohne Kredit gibt es die schöne Mehrwertproduktion also gar nicht
    Geldform ist aber nicht notwendig gleich Kredit, weswegen das „also“ nicht stimmt. Der Kapitalist kann das Geld, das er in ein Unternehmen steckt, schließlich auch bereits in seinem Eigentum haben, statt es sich leihen zu müssen. Ob er bereits für das Aufziehen seines Geschäftes Kredit braucht, oder für seine Ausweitung, oder um es konkurrenzfähig zu halten, mag zwar für den einzelnen Kapitalisten wichtig sein, aber für die Bestimmung, dass Kredit zusätzliches Kapital zum Eigenkapital ist, welches für das Geschäft gebraucht wird, ist das doch egal.
    Der Kreislauf von Geldsummen bestimmt die Produktion, die es gar nicht getrennt von ihm geben kann.
    Und den Kreislauf von Geldsummen kann es ohne die kapitalistische Produktion nicht geben, auf deren Ge- oder Misslingen er spekuliert. Das ist doch eine sinnlose Übung, sich aus der Gesellschaft ein Element wegzudenken, um dann sagen zu können, dass sie ohne es nicht funktioniert. Weshalb auch der Schluss nicht stimmt, dass das jeweils gerade weggedachte Element das Bestimmende der Gesellschaft ist.
    ***
    @ neoprene: Du hattest meinen Facebook-Kommentar dokumentiert und anschließend gleich deine RC-Übersetzung, daher die Frage.

  10. headnut
    9. Dezember 2011, 22:22 | #10

    „Ob er bereits für das Aufziehen seines Geschäftes Kredit braucht, oder für seine Ausweitung, oder um es konkurrenzfähig zu halten, mag zwar für den einzelnen Kapitalisten wichtig sein, aber für die Bestimmung, dass Kredit zusätzliches Kapital zum Eigenkapital ist, welches für das Geschäft gebraucht wird, ist das doch egal.“

    Die Bestimmung „zusätzliches Kapital zum Eigenkapital“ hinkt insofern, als dass der Kredit nicht einfach eine Ergänzung zum Eigenkapital ist. Wo heutzutage einer ein Geschäft anfängt fragt der sich doch immer zu erst wie hoch gerad der Zinssatz für Kredite ist und nicht wieviel Erspartes oder Geerbtes auf dem eigenen Konto liegen. Der Kredit ist die angemessene Art und Weise der Vorfinanzierung jeglicher Geschäfte.
    Denk z.B. mal an die Mikrokredite, denen zu Gute gehalten wird, dass sich damit auch die Ärmsten der Erde eine ökonomische Existenz aufbauen können. Die einzige Bedingung dafür: Verfügung über Kredit. (dass das mit der Existenz ne heikle Sache bleibt, ist auch klar, schließlich ist der nicht der einzige, der den Kredit gewährt bekommt)
    Oder denk an den Begriff „Unterschuldung“. In der jetzigen Krise klingt das ja wirklich absurd (überall wird gesagt: zu viele Schulden), aber damit wird ausgedrückt, dass ein Unternehmen zu wenig Gebrauch von Kredit macht und darüber seine Konkurrenzfähigkeit gefährdet.
    In einer Gesellschaft, in der die prinzipielle Verfügung über Kredit gewährleistet ist, stellt sich für niemanden mehr die Frage: Nehm ich das eigene Geld oder nehm ich fremdes? Da gehört jede Gelegenheit genutzt, an die man herankommt. Weil sich das Kapital die Gesellschaft soweit untergeordnet hat, dass es einzig von der Höhe des Vorschusses abhängt, wie weit sich die Rentabilität eines Betriebs steigern lässt.
    Oder von der anderen Seite: wer über viel Eigenkapital verfügt, überlegt es sich zweimal, ob er das in die eigene Firma steckt oder es woanders investiert, wo ein höheres Gewinnversprechen lockt.
    Das meinen die vom Gegenstandpunkt damit, dass der Kredit die Freisetzung der Potenz des Geldes vom Eigentum daran bedeutet.
    Entschränkung, Loslösen von der Angewiesenheit auf private Mittel. Das ist der Grund dafür, dass wie du selber schreibst, „das Finanzkapital mittlerweile als Bedingung der gesamten kapitalistischen Produktion gebraucht wird“.
    Dazu passt halt nur nicht das mit dem „Zusatz“.

  11. Gast
    10. Dezember 2011, 10:57 | #11

    @schakri

    „um dann sagen zu können, dass sie ohne es nicht funktioniert“

    Das war gar nicht das Argument, sondern dass Kredit nicht etwas „Zusätzliches“ zu einem Geschäft ist, was es auch getrennt von ihm gäbe. Von Anfang an ist der dabei und selbstverständlich gibt es heutzutage auch kein Geld mehr, was nicht Kredit ist. Die Golddublonen liegen nur noch im Museum rum.

  12. 11. Dezember 2011, 18:44 | #12

    Von Anfang an ist der dabei und selbstverständlich gibt es heutzutage auch kein Geld mehr, was nicht Kredit ist.
    Was soll damit denn gesagt sein? Ja, Geld tritt gleich als Kredit in die Welt, wenn es von der Notenbank an die Banken weiterverliehen wird. ABER: die Bestimmung, dass ein bestimmter Geldbetrag Eigentum eines Kapitalisten sein kann und das Geld, das er sich leiht, zu diesem ein Zusatz ist, ist dadurch doch nicht durchgestrichen. Die Unternehmensbilanz kennt nämlich sehr wohl die Trennung zwischen Eigen- und Fremdkapital. Man muss doch nicht immer alles durcheinander diskutieren. Dass ohne Fremdkapital (so gut wie) kein Geschäft mehr aufgezogen werden kann, ist übrigens auch kein Einwand dagegen, dass dem Produktionskapitalisten geliehenes Geld ein Zusatz zum Eigenkapital ist – dann ist es eben ein notwendiger Zusatz.

  13. Gast
    12. Dezember 2011, 14:14 | #13

    „dass Kredit zusätzliches Kapital zum Eigenkapital ist“

    erscheint vom Standpunkt des einzelnen Kapitalisten so. Gesellschaftlich wäre die Operation des gegenseitigen Leihens bloß eine Verschiebung: Was hier als „zusätzlich“ fungiert, ist dort „übrig“, durch das Borgen kommt z.B. noch nicht die kredittypische Verdopplung zustande:

    „Es ist augenscheinlich, daß die Masse des Geldkapitals, womit die Geldhändler zu tun haben, das in Zirkulation befindliche Geldkapital der Kaufleute und Industriellen ist und daß die Operationen, die sie vollziehn, nur die Operationen jener sind, die sie vermitteln.“

    (MEW25,334)

  14. 17. Dezember 2011, 20:20 | #14

    Ja, dazu auch gar kein Einwand. Nur schreibst Du an mir vorbei.
    Nestor schrieb:
    „Aller Mehrwert, der erzeugt wird, muß erst den Segen des Finanzkapitals haben, um überhaupt als Wert bestehen zu können – ansonsten ist er entwertet.“
    Meine Reaktion darauf war:
    Das verstehe ich nicht. Ein Unternehmen hat, wenn seine Spekulation auf den gewinnträchtigen Verkauf seiner Waren aufgeht, Gewinn gemacht, also mit dem Verkauf der Waren mehr Geld eingenommen, als es für diese ausgegeben hat. Die Quelle dieses Gewinns ist der Mehrwert. Wie wird dieser wieder zu Wert? Indem er wieder in die Produktion gesteckt wird, auf dass da wieder mehr Geld rausspringe. Das Finanzkapital kommt doch darüber ins Spiel, dass zusätzliches Kapital benötigt wird, um die Produktion zu effektivieren und/oder auszuweiten. Dafür erhält es einen Teil des Mehrwerts, je nachdem über den Zins oder über die Dividende.

  15. AgneS
    20. Dezember 2011, 12:51 | #15

    Auch wenn ich hier wieder mal einen völlig anderen Standpunkt darbiete,
    so lässt mich dass richtige Argument von Schakri nicht ruhen es anders anzuwenden:
    „Das ist doch eine sinnlose Übung, sich aus der Gesellschaft ein Element wegzudenken, um dann sagen zu können, dass sie ohne es nicht funktioniert. Weshalb auch der Schluss nicht stimmt, dass das jeweils gerade weggedachte Element das Bestimmende der Gesellschaft ist.“
    Denn nicht anders als über diesen falschen Schluss kommt man überhaupt auf den bei all dieser Diskussion ja fundamentalen Gedanken, dass allein „Arbeit Werte schafft“.

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