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Man wills kaum glauben: Ansätze einer Diskussion bei facebook!!

15. Oktober 2011

Gemeinhin klingen ja auch linke Leute bei facebook wie sie auch bei twitter klingen könnten, also zumeist zu kurz und zu unpolitisch. Umso mehr war ich überrascht, auf eine längere Entgegnung eines jüngeren GSP-Freunds auf „SDAJler und Co. und ihr Verhältnis zu den so gennanten Massen“ zu stoßen:
„(Aus einer Diskussion hier auf FB, bei der mein erster grundlegender Beitrag gelöscht wurde. Mir wäre es zwar auch lieber außerhalb des Internets mit Leuten zu diskutieren, aber sie sind ja nicht mal bereit das im Internet zu tun, was die Löschung von Beiträgen zeigt. Aber irgendwie und irgendwo muss man ja die Einwände festhalten und dokumentieren. Vielleicht bringt es den ein oder anderen, der das jetzt zu lesen bekommt, ja doch davon ab bei diesen Anbiederungsversuchen an die Massen mitzumachen. Der Beitrag kommt aus, ohne den vorangehenden Verlauf der Diskussion wiederzugeben. Wer merkt wogegen geredet wird, wird dem entnehmen können, was zuvor von der anderen Seite geschrieben wurde. Ein Zitat jedoch irgendwo in der Mitte des Textes.)
Okay, nehmen wir es doch mal ernst. Wo siehst du denn eine Massenbewegung, eine an die du dich gerne dranhängen willst? Klar, kommunistische Elfenbeinturmbewohner (der Ausblick von dort oben soll übrigens gar nicht so schlecht sein wie man sagt, ich wäre bereit jeden hinaufzubegleiten im übrigen) agieren fernab von Massenbewegungen, als kommunistische Intellektuelle verkörpern sie ja nicht gerade die Massen, weil sie ihnen gegenüber in ihrem Wissen different sind oder noch allgemeiner: erst mal nicht identisch mit ihnen. Um euren Zirkel aufzuzeigen, will ich mal so abstrakt bleiben und einfach nur an dem Formalen an deinem Vorwurf festhalten. So sieht man, dass auch ihr erst mal nichts anderes als euren Unterschied zur Masse ausdrückt: man wäre ja längst Teil von ihr, wenn man sich nicht erst noch an sie heranbewegen wollte.
Ihr gebt ja selbst zu Protokoll, dass die Masse keine Kommunisten sind – ihr hingegen schon. Um sie zu welchen zu machen, muss man eben an sie heran – mal gleichgültig wie. Wo aber seht ihr eine Massenbewegung? Manchmal ist auch die Rede von Arbeiterbewegung. Heute gibt es einfach nichts, was sich Bewegung schimpfen kann. Bewegung unterstellt ja, da ist bereits etwas unterwegs, was man bloß noch in die richtige Richtung schicken muss. Aber an wen denkst du?
Klar, es gibt welche, die sich bewegen, wenn auch sie nicht die Masse darstellen. Da denkst du an Leute, die gegen AKWs demonstrieren, Leute, die Gewerkschaftsmitglied sind, welche die gegen Verarmungspolitik demonstrieren. Usw. Unabhängig, ob das eine Bewegung ausmacht. Mit der Vorstellung, dass die ja Bewegung sind, will man ja auch eher ausdrücken, dass die, weil sie sich bewegen, auch etwas bewegen. Aber was? Nur sich oder auch die Dinge, die sie stören und durch ihren Kampf, wenn schon nicht abschaffen, so zumindest lindern? Die schlichte Antwort ist: Nicht einmal das. Ihr seid so verliebt in sich bewegende Leute, so dass ihr völlig deren Wirkkraft außer Acht lässt und bei Leuten, die das kritisieren, nur feststellen könnt, dass die bei der Sache ja nicht in Bewegung sind: also Elfenbeinturm. Das ist so verlogen. Die Nicht-Bewegung, die ihr feststellt, ist nichts anderes als die Aufregung darüber, dass man sich nicht an der Stelle bewegt, an der ihr es tut. Oder mit den Worten Horkheimers (und erspar dir den Vorwurf des KT-Adepten, ich habe mit den Idioten außer wenigen wie diesen Sätzen nichts weiter zu tun): „Die undifferenzierte Feindschaft gegen das Theoretische ist nichts anderes als die Feindschaft gegen die verändernde Praxis.“
Und das, dass die, an die ihr euch wendet, nichts bewegen, meine ich ernst. Weder waren es die Anti-AKWler, die Merkel in Sachen Atompolitik umstimmen haben lassen, es ist nicht auf ihren Erfolg gewachsen, dass einzelne AKWs abgeschalten werden, nicht ihr Erfolg, dass es mittlerweile auch alternative Formen der Energiegewinnung gibt, die keine Atomkatastrophe als Restrisiko beinhalten. Und auch die Gewerkschaften stoppen nicht das permanente Sinken des Lohns. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich will nicht sagen, dass ich jede Bewegung, die nicht kommunistisch ist, verurteilen will oder bloß Bewegungen, die den Kapitalismus nicht gleich abschaffen. So funktioniert auch keine Revolution, dass welche gleich als Kommunisten unterwegs sind und jeden Lohnkampf oder sonst was unterlassen, der das Kapitalverhältnis selbst nicht aufhebt. Es geht aber um die Frage, welche Macht es überhaupt bewirkt, dass Lohnsenkung verhindert werden kann bzw. welche Macht dazu in der Lage ist einen erfolgreichen Lohnkampf zu führen – was ja den Kapitalismus als solchen nicht aufhebt. Ihr tut so als wäre es der nicht stattfindende Kommunismus, den wir bei jeder Bewegung kritisieren und nicht deren Wirkungslosigkeit, so dass keines ihrer Anliegen erreicht wird. Jede Bewegung antizipiert nämlich ihren Misserfolg, wenn sie sich selbst nicht als Interessensgegner begreift, also nicht an ihren Interessen festhält und diese gegen die Schranken ihrer Interessen durchzusetzen bereit ist. Dazu müsste man kein Kommunist sein, sondern nur konsequent in seiner Interessensverfolgung. Aber jede Bewegung ist in ihrem Werden zur Relativierung des eigenen Interesses bereit und verarbeitet es zu einem, das verträglich zu sein scheint mit allem, womit sie sich anlegt. Nicht sie brauchen die Verwirklichung ihrer Ziele, sondern alle in dieser Gesellschaft sind darauf angewiesen: der Staat, die Wirtschaft, das ganze Volk. Und da sind wir jetzt bei den Massen: ihr redet nämlich von gar nichts anderem als der Abstraktion aller Insassen der bürgerlichen Gesellschaft. Ihr biedert euch an an die Zerstörer ihrer eigenen Interessen und das auch noch in ihrer Eigenschaft als vereinzelte Bestandteile der Massen und führt sie gar nicht in ihrer Eigenschaft als Klasse zusammen. Darin ließe sich nämlich ihre Macht entwickeln, den Spieß umzudrehen, durch – wenn auch zunächstl nur temporale – Aufkündigung des Dienstes fürs Kapital Bedingungen gegen es durchzusetzen, schließlich in die Enge zu treiben und von dessen Erfolg das eigene Schicksal nicht abhängig machen. Das setzt im Anfang bereits eine gewisse Kompromisslosigkeit voraus. Und sie wird zur Notwendigkeit, nimmt man seinen Gegner ernst und will ihn loswerden. Unter der Voraussetzung bewegt man etwas und schweißt sich zu einer starken Bewegung zusammen. Dieser Prozess ist aber begleitet von einer Bewusstwerdung, sich als Teil einer ausgebeuteten Klasse zu begreifen, die ihre Macht im kollektiven Zusammenschluss und der Arbeitsniederlegung hat. Dieser Prozess kommt nicht zustande in dem Wunsch, Teil einer Bewegung zu sein, die nichts bewirkt. Er kommt nur zustande durch die Zerstörung des falschen Bewusstseins, welches in der Vorstellung von der Vereinbarkeit der eigenen Interessen mit Staat und Kapital die eigene Schwäche produziert. Bei dieser Geschichte seid ihr dabei und versucht jeden Kritiker seiner Praxisfeindlichkeit zu überführen. So unterdrückt ihr gerade das Zustandekommen des Prozesses, der am Ende den Motor der Geschichte starten würde.
Das, was ihr bewegt, ist nichts anderes als eure eigene Bewegungslosigkeit und die derer, die ihr meint zu großem anderen noch bewegen zu wollen. Indem ihr euch so überzeugt an sie anbiedert, dass sie als Masse doch Kraft hätten, Dinge zu bewegen, und ihr nicht bemerkt, dass deren Bewegung nichts als deren Machtlosigkeit ausdrückt, gebt ihr diesen Kampf nicht auf und erlebt, wie die Massen nicht zu Kommunisten werden, sondern ihr Teil der Masse. Die Masse passt sich nicht euch an, sondern umgekehrt, ihr passt euch an die Masse an.

Du hast halt erstmal gar nichts mit den Massen zu tun, sondern wirfst denen erstmal vor nicht zu verstehen, anstatt mit ihnen in Bewegung zu kommen. Mit ihnen den Klassenkampf zu führen, das kommt dem GSP Adepten halt nicht in den Sinn, am liebsten kritisiert er diesen noch.
Es ist nett, dass ihr meint ich sei auf eine Diskussion aus aber ich hege daran leider kein tiefergehendes Interesse. Ich beschäftige mich dahingehend lieber mit den Leuten, die sich für die Vernunft noch nicht ganz verloren zeigen.

Glücklicherweise habe ich meinen Beitrag noch woanders gespeichert, da ich angenommen habe, dass er von dir gelöscht wird. Dass ich mit dieser Vorahnung recht habe, spricht sehr gegen dich. Aber dann ist es halt so, dass ihr nicht mal bereit seid diese Dinge zu diskutieren. Los werdet ihr es dennoch nicht und das aus einem guten Grund, über den ihr euch so peinlichst irrt: Im Gegensatz zu euch unterstellen wir euren Adressaten und Mitkämpfern einen Verstand. Wir halten sie nämlich nicht für dumm und denken nicht, dass sie Kapitalismuskritik nicht verstehen können. Wäre dem so, würden wir jede Anstrengung unterlassen unsere Kritik zu verbreiten. Die Tatsache, dass wir das tun, unterstellt, dass wir unsere Kritik auch für die „einfachen Leute“ für nachvollziehbar halten. Ihr hingegen müsst eure besten Freunde ja für wahnsinnig dumm halten, wenn ihr meint, dass man ihnen mit dieser Kritik nicht ankommen könne. Statt sie darüber zu agitieren, wollt ihr sie zu Kommunisten machen, indem ihr euch abstrakt ihnen anzuvertrauen versucht, sie in Kämpfe begleitet, die sie zur kommunistischen Einsicht belehren lassen sollen. Und das sind Kämpfe, von denen ihr wisst, dass sie nicht zu gewinnen sind, weshalb die daraus folgende angebliche Einsicht der Kommunismus ist, wenn sie erkennen, dass nicht mal ein Mindestlohn im Kapitalismus geht. Eure Agitation ist Leute in Bedingungen zu versetzen, die sie zwangsweise zu Kommunisten machen müssen, weil sie zur gedanklichen Einsicht angeblich nicht fähig sind.
Als Volksfreunden würde ich euch doch wenigstens Ehrlichkeit raten: nämlich dass nicht wir diejenigen sind, die die Arbeiter für dumm verkaufen, sondern ihr selbst.
Im Gegensatz zu euch würde ich gerne mit ihnen den Klassenkampf führen. Sie wollen halt leider nicht. Ihr tut nichts anderes als dass es dabei auch bleibt.“
Das sich daran anschließende Hin und Her fiel dagegen dann doch ab. Aber wann machen sich Stalinisten schon Mühe mit GSPlern?

Kategorien(1) MG + GSP, (3) Fundstellen Tags:
  1. 16. Oktober 2011, 16:33 | #1

    Nicht schlecht. So ähnliche Beiträge gab’s auch anno dazumal auf dem Marxistischen Forum.

  2. 16. Oktober 2011, 16:42 | #2

    Nett, daß das auch mal jemand anderes sagt. Aber das MDF kann man ja noch nicht mal bei archive.org mit der waybackmachine reanimieren.

  3. Leo
    17. Oktober 2011, 13:38 | #3

    Trotzkistisches Familientreffen am 3. November in Berlin.

  4. 17. Oktober 2011, 13:45 | #4

    Und gerade, weil es nur ein relativ enges „Familientreffen“ werden wird, wird es wohl auch nicht sonderlich weiter führen als ähnliche Podiumsdiskussionen früher. Mich hätte da wirklich interessiert, wie die SAV (oder, oder …) auf den GegenStandpunkt eingeht, aber daraus wurde ja nichts im letzten Mai.

  5. Leo
    17. Oktober 2011, 14:20 | #5

    „Veranstaltungen mit VertreterInnen weiterer Spektren der Linken werden folgen“
    Ungeachtet dieser vollmundigen Ankündigung hat sich DGS ja bereits unmissverständlich in Sachen Unvereinbarkeiten geäussert:
    „Auch Zeitschriftenprojekte wie Gegenstandpunkt und Krisis scheinen mir für das vorgeschlagene Projekt nicht in Betracht zu kommen. Stehen deren theoretischen Positionen auch qualitativ höher als die der MLPD, so kennzeichnet sie doch eine im vorliegenden Zusammenhang unbrauchbare Politikferne und ein teilweise sektiererisches Diskussionsverhalten und ein hermetischer Schreibstil, für die insoweit das gleiche gilt: jedenfalls für politische Praxis ungeeignet.“

  6. 17. Oktober 2011, 14:43 | #6

    Ja, genau, weil denen das „unbrauchbar“ erscheint für das, was sie „Politik“ nennen (und damit werden sie sicherlich recht haben), habe ich deren Projekt umgekehrt für mich schon als unbrauchbar beiseite gelegt. (Wo die einen „hermetischen“ Schreibstil (was ist das noch gleich?) und noch nicht mal „teilweise“ gefunden haben wollen, erschließt sich mir übrigens nicht.)

  7. Leo
    17. Oktober 2011, 14:55 | #7

    Ich denke auch. dass das was (auch bei dir) über die Veranstaltung mit der Bielefelder UG-Gruppe zu lesen/hören war, ungleich vielversprechender ist.

  8. 17. Oktober 2011, 15:47 | #8

    Na ja, ob Bielefeld wirklich „vielversprechender“ war, das wird sich noch zeigen müssen. Ich glaube, daß das eher ein beinahe ungeplanter Glücksfall war, wenn denn überhaupt. Wobei ja eh eigentlich nur für mich und offensichtlich auch für Renate Dillmann überraschend kam, daß von Ilka eine ganze Reihe interessanter Sachen kamen. Von Thomas Ebermann eher nicht, was ja aber auch kaum einer erwartet hatte. Jedenfalls von den Lesern hier.

  9. 17. Oktober 2011, 17:07 | #9

    Wie geht das denn zusammen? Qualitativ hochstehend (jedenfalls höher stehend) aber leider Sektenheinis (hermetisch, sektiererisch, politikfern) – Praxisferne Theoriefreaks – Wollen wir nicht!

  10. Leo
    17. Oktober 2011, 17:45 | #10

    Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen: Es gibt schon Anhaltspunkte dafür, dass von einem „ungeplanten Glücksfall“ wohl eher nicht die Rede sein kann. 🙂 Und dass von Ilka Schröder nicht der übliche antideutsche Müll zu erwarten war, hat sich doch angesichts der im anderen Thread verlinkten beiden Texte bereits abgezeichnet.

  11. 17. Oktober 2011, 18:52 | #11

    Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen: Eine geplante Traumkonstellation war das wohl für niemand.

  12. Leo
    21. Oktober 2011, 20:57 | #12

    Wer den 2. November in Berlin noch nicht anderweitig verplant hat: Der Marxismus – Wissenschaft, Bewegung oder Weltanschauung? mit Michael Heinrich und Ralf Hoffrogge.

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