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Wolfgang Möhl (GSP): „Kuba ist nicht zu helfen …“

30. Juni 2011

Wolfgang Möhl, der zweite Redakteur des GegenStandpunkt nach Theo Wentzke, der im Zusammenhang mit dem auch hier wieder angekündigten Artikel im nächsten oder übernächsten Heft in München im Juni eine Veranstaltung zu Kuba gemacht hat [deren Mitschnitt mittlerweile vom Netz genommen wurde, denn der Referent hat dieses Thema erheblich überarbeitet später in Bremen nochmal aufgeriffen], hat dabei so angefangen:

„…Nüchternheit scheint mir schon deshalb angebracht, weil sich an Kuba die Geister scheiden. Und ich glaube, daß die Debatten, die teils entschuldigend, teils enttäuscht, teils aber auch feindselig gegen Kuba laufen, daß die alle die Sache nicht richtig treffen. Daß sie alle von einer positiven oder negativen Parteilichkeit geprägt sind, gegen die ich hier argumentieren will.“

Da wäre eigentlich schon mal ein Einwurf fällig gewesen: Ja, sich der weit verbreiteten Entschuldigung anzuschließen, daß eine andere Politik für den kubanischen Staat nicht möglich sei, daß der Kurs, den die Staatsführung da (nicht erst jetzt, aber jetzt mit immer mehr Härten) vorgibt und wofür sie die Menschen bisher leider relativ erfolgreich agitiert hat, daß dabei leider, leider die Bevölkerung leiden müsse (in dem doppelten Sinne, daß das offensichtlicher Fakt und zudem unvermeidlich ist), daß sollten Kommunisten hier (wie dort, wenn das überhaupt möglich wäre, bzw. wenn sich das jemand vornehmen sollte) sich nicht zu eigen machen.
Auch der (vor allem früher noch mehr) verbreiteten Enttäuschung darüber, was aus den Lichtgestalten der stalinistischen Version von Kommunismus und vor allem Antiimperialismus geworden ist (Che Guevara allen voran), brauchen sich Kommunisten nicht anzuschließen, denn es läßt sich ja zeigen, daß diese Art von volksfreundlicher Regierung zwar einen formidablen Staat mit allerlei dementsprechenden Ingredienzien zustande gebracht hat, aber wohl schon immer mit wirklichem Kommunismus und wohlverstandenem Antiimperialismus nicht viel am Hut gehabt haben kann, wenn sie jetzt die Politik betreibt, die dann lang und breit im Referat ausgebreitet wurde (über den missglückten Versuch von Guevara, auf seine Art den Export der Revolution zu versuchen, will ich hier nicht eingehen, obwohl der immerhin den Ausbruch aus der isolierten jämmerlichen Inselsituation als nötig angesehen hat und daraus dann persönliche Konsequenzen gezogen hat). (Den recht wichtigen Punkt, daß das meiste, was in Kuba an auch von Wolfgang Möhl „soziale Errungenschaften“ genannten Einrichtungen gegeben hat, von der Sowjetunion aus eigenen staatspolitischen Zielen finanziert wurde und also gar nicht auf dem im Lande selbst erwirtschafteten und erwirtschaftbaren Reichtum beruhte, will ich hier ebenfalls rauslassen.)
Wohlwollend will ich Wolfgang mal unterstellen, daß er mit den „Feindseligen“ die offenen Anhänger einer klassischen Konterrevolution und direkten Kapitulation vor den USA meint. Mit denen haben Kommunisten in der Tat nichts gemein.
Man kann – und muß, wie ich meine – aber sehr wohl ein Feind, ein entschiedener Gegner des Programms der kubanischen Führung sein, jedenfalls dann, wenn man auch dort Menschen für das Projekt der weltweiten Niederringung des Imperialismus, der Abschaffung der kapitalistischen Warenwelt, des „Weltmarktes“ (wie er jetzt immer so schön neutral genannt wird gewinnen will.
Und das ist dann schon eine Sache der Parteilichkeit. Da konnte man dann eben schon von Anfang an dem Programm und Projekt der Castristen nicht sonderlich viel abgewinnen und nicht erst jetzt, wo der revolutionäre Lack so offensichtlich ab ist.
Wie traurig tiefsitzend der staatsbürgerlich „patriotische Geist“ leider nicht nur in Kuba sondern auch in München ist, konnte man nach dem Referat einer archetypischen Wortmeldung entnehmen, wo jemand gefragt hat, was denn der GegenStandpunkt der kubanischen Regierung raten würde, wenn man ihn fragen würde. Selbst zwei Stunden des Nachweises, wie schädlich ein Programm wie das der Regierung dort ist, das auf konsequente Ausnutzung ausgerechnet des Weltmarktes setzt, der historisch Kuba ja bis zur Revolution in die lausigen neokolonialen Verhältnisse gebracht hat, bringt solche Zuhörer offenhörlich nicht davon ab, zu meinen, daß auch Kommunisten die gleichen Ziele hätten bzw. haben müßten wie die wackere Regierung um Raul Castro. Solche Leute zerbrechen sich ja regelmäßig selbst hier in und für die BRD den Kopf, z.B. als Parteigänger der Partei Die Linke, welche Ratschläge man eine EU-/NATO-Regierung mit auf ihren Weg geben könnte.
Insofern war es auch nur konsequent, als Wolfgang Möhl als Zusammenfassung seines Standpunkts ganz schroff formuliert hat, „Kuba ist nicht zu helfen.“ Und nachgeschoben hat, daß die traurigen Fakten, die der durchgesetzte Weltkapitalismus, die die imperialistischen Mächte dem Rest der Welt aufzwingen, mit Sicherheit nicht ausgerechnet auf einer vergleichsweise trostlosen Insel wie Kuba ausgehebelt werden konnten und können. Gegen die mittlerweile untergegangene Glorifizierung der Volksaufstände und antiimperialistischen Bewegungen, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten bei vielen sich kommunistisch verstehenden Linken wie linken Nationalisten weit verbreitet waren, hat er die alte Wahrheit entgegengehalten, daß die imperialistischen Staaten nur dort wirklich Erfolg versprechend getroffen werden können, woher sie ihre Macht beziehen: Aus der fraglosen Zustimmung der hiesigen Arbeitenden, die den Konzernen und Staaten die Machtmittel erarbeiten, mit denen diese sich die ganze Welt unterordnen können.

„Was soll man darüber rumrechten, hätten sie was anders machen können, haben sie was falsch gemacht, oder wäre es besser gelaufen, wenn sie andere Mittel gehabt hätten, wenn es darum geht, zu kennzeichnen, was haben sie denn gemacht? Man kann sich ja als kubanischer Idealist hinstellen uns sich fragen, ich plane jetzt mal die kubanische Landwirtschaft. Es liegt aber längst eine antwort vor von denen [der Regierung], was sie sagen, was sie wollen. Und die ist aber was ganz anderes als zu sagen, wie planen wir denn jetzt mal unsere Landwirtschaft rationeller. …
„Ich habe für Kuba selber keine Perspektiven. Und zwar aus dem Grund, weil ich nicht einsehe, daß ich mir den Kopf für ein Staatsprojekt zerbrechen soll, was ich jetzt … kritisiert habe, von dem ich gesagt habe, wenn man sich gegen Imperialismus und Kapitalismus aufstellen will, was die mal vorgehabt haben, dann soll man nicht als nationalbewusste Führung eines kleinen Landes sagen, man hält den Ruin des Landes nicht mehr aus, dann soll man sich fragen, wo sind dann die Quellen, wo sind dann die Gründe und Ursachen, daß z.B. ein Drittweltland so vor die Hunde geht. Wo trifft man dann die, die dafür verantwortlich sind? Wie bricht man die Macht, die das etabliert? Wo sind die Subjekte, die dann für das, was aus Kuba überhaupt zu machen geht, und die selbst noch so ein – na ja, nicht gleich weltumstürzlerisches – Projekt wie, wir entziehen uns der US-Macht, die die Verhältnisse angreifen können? Und in welche Richtung sollte man sie wirklich umstürzen? Und da kann ich dem kubanischem Volk, auch denen, eine Kritik nicht ersparen: Wenn sie das jetzt alles mitmachen – und es sieht ja so aus – … wenn die sagen, dann richte ich mich darin ein, …was sind das eigentlich für Stellungnahmen, was gibt das eigentlich für eine Auskunft über das Volk? … Sie halten zu ihrer Führung in einem Vertrauen, daß bloß dadurch gerechtfertigt ist, daß sie nie auf die Idee kämen, zu sagen, wir schauen mal, was wir selber auf die Beine stellen können, wir nehmen das selber in die Hand.
Ich will eigentlich sagen, als unsereiner, der jetzt nicht in kubanischen Verhältnissen befangen ist, und nicht in der Staatsplanung befangen ist, wie erhalten wir das kleine Kuba unter den neuen Weltmarkbedingungen. Unsereiner hat doch etwas anderes zu machen: Doch nicht zu sagen, aber leider geht es nicht anders, oder, wie ging das anders, wenn man erreichen will für die Massen in Kuba, dann muß man ganz woanders anfangen…. Täuscht euch nicht: Ohne daß man die Instanzen, auf die der kubanische Staat jetzt gerade setzt, das internationale Kapital, dort wo es beheimatet ist, wo es erwirtschaftet wir, wo seine Machtzentren sind, ohne daß man den Imperialismus dort wo seine Metropolen sind bekämpft, da geht dann für Kuba im Sinne, was ginge für die, nicht viel. …
Ich habe von außen nur einen Ratschlag (und das betrifft auch das kubanische Volk): Sie müssen sich klar werden, wo die Gründe für die Verhältnisse sind, wo jemand gesagt hat, daß die Menschen sich so erfindungsreich einfinden, wo die Schranken herkommen ihrer Existenz. Und da sage ich, das liegt einerseits in ihrem Staat selber, aber der verweist sie sehr schnell und unmittelbar darauf, da wo der sich jetzt seine Lebensmittel besorgen will. Da liegen die Gründe. Wenn der Staat sagt, aus sich heraus macht er das nicht sondern aus dem Weltmarkt, dann täte ich an der kubanischen Führung kritisieren, schaut mal hin, was das heißt, und dann täte ich anders herum sagen, wenn das schon das ganze Lebenselixier Kubas ist, daß sie sich mehr oder weniger im Status eines Rohstofflandes einrichten wollen, dann muß ich fragen, wer definiert was ein Rohstoffland ist, wer bezieht daraus seinen Reichtum, wo liegen da die Angriffspunkte dafür, an diesen Verhältnissen was zu ändern? Und dann bin ich beim Imperialismus und dessen Mächten, dessen Subjekten, wer sich da aufstellen muß. Wenn hier mal was in Gang käme, das täte dem kubanischen Volk viel mehr helfen als jedes Studium in Harvard.

[es hatte jemand aus dem Publikum die mittlerweile möglichen Auslandsstudien angeführt als Beweis dafür wie clever die heutige (pro Raul-Wende) Jugend sei.]
Und leider haben die kubanischen Revolutionäre sich nie zur Aufgabe gemacht, eine internationale Diskussion darüber anzuzetteln, wie ein solcher Kampf den jeweiligen Arbeitern dieser Länder nahe zu bringen wäre, um dann die davon Überzeugten in einer dementsprechenden internationalen Kampforganisation gegen die Feinde nicht nur der kubanischen Revolution ins Felde zu führen. Wer auch immer auch nur in diese Richtung zu denken angefangen hat, wurde ja, wenn es gut ging, auf das Scheitern des Guevarismus hingewiesen, als wenn der Antiinternationalismus der kubanischen Führung nicht zentraler Punkt von deren Weltsicht gewesen wäre. [Daß sich Kuba später ein paar mal international eingemischt hat, war mehr ein Ergebnis der Anbindung an die Sowjetunion als Ausdruck von „proletarischem Internationalismus“, auch wenn das natürlich so verkauft wurde.]

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Samson
    1. Juli 2011, 22:35 | #1

    Da konnte man dann eben schon von Anfang an dem Programm und Projekt der Castristen nicht sonderlich viel abgewinnen und nicht erst jetzt, wo der revolutionäre Lack so offensichtlich ab ist.

    Das kann man aber auch unter Nörgler-die-immer-schon-alles-besser-gemacht-hätten-wenn-man-sie-bloß-endlich-lassen-täte subsumieren. Bar jeden historischen Zusammenhangs, des bspw., dass Castro ursprünglich gar keinen Kommunismus im Sinn hatte sondern die einfach die Amis als seine Landsleute unterdrückende Kolonialherren loswerden wollte und erst durch deren Gebaren und die praktische und eben keineswegs rhetorische Hilfe des Ostblocks zum Sozialisten wurde. Dass es für wirklichen gesellschaftlichen Reichtum, der diese Bezeichnung verdiente, ein paar Produktionsmittel braucht, die indes nirgends auf Bäumen wachsen, spielt bei derlei Kritik, die nie mehr zustande bringt, als der Sowjetunion diesselben imperialistischen Zwecke zu unterstellen, wie sie alle Imperialisten haben, ohnehin keine Rolle.
    Warum man sich mit ‚Empfehlungen‘ Richtung Cuba zurückhalten sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt.

  2. 2. Juli 2011, 06:53 | #2

    Das kann man jetzt unter Mehr-war-nicht-drin-Historismus subsummieren. Daß Castro und die anderen Bewegungsleute keine kommunistische Revolution vorgehabt hatten und auch keine gemacht haben, brauchst du ausgerechnet mir nicht besonders vorzuhalten. Was der historische Zusammenhang war, ist auf der rein faktischen Ebene ja auch kein zurückgehaltenes Geheimnis, sondern allen, auch den Castristen bekannt gewesen. Wenn solch ein Hinweis nicht mehr sein soll als das obige „Realismus/Sachzwang“-Argument, dann müßte da schon noch etwas mehr kommen. Wieso du dann gleich bei der ollen maoistischen Sozialimperialismustheorie gelandet bist und wieso die überhaupt hier wichtig sein sollte, erschließt sich mir nicht. Und mit einem spröden Von-sowas-kommt-sowas möchte ich mich eigentlich nicht zufrieden geben.

  3. Samson
    2. Juli 2011, 16:31 | #3

    Wieso fallen dir immerzu bloß Schubalden ein? Derart etwa, es sei „olle maoistische Sozialimperialismustheorie“ o.s.ä., wenn man aus deinem Statement …

    Den recht wichtigen Punkt, daß das meiste, was in Kuba an auch von Wolfgang Möhl „soziale Errungenschaften“ genannten Einrichtungen gegeben hat, von der Sowjetunion aus eigenen staatspolitischen Zielen finanziert wurde und also gar nicht auf dem im Lande selbst erwirtschafteten und erwirtschaftbaren Reichtum beruhte …

    historisches Staatsgebilde gehabt. 1) sollte man als Internationlist einen feuchten Kehrricht darauf geben, wo der Krempel, den Genossen brauchen, ‚erwirtschaftet‘ wird; 2) ums mal konkret zu machen, ist es mehr als schrullig, zu sagen, wenn der Ostblock (und eben nicht nur die Moskauer Stalinisten) den Cubanern die komplette Zuckerrohrernte abkaufte und dafür das x-fache des Weltmarktpreises zahlte, sei das was anderes als praktizierter Internationalismus in bestimmter historischer Situation gewesen, sondern eben von den Moskauer Stalinisten „aus eigenen staatspolitischen Zielen finanziert(e)“ „soziale Errungenschaften“ genannte Einrichtungen .. gehts noch?
    Dasselbe gilt übrigens für den praktizierten Internationalismus der Cubaner selber und deine Behauptung, das sei „mehr Ergebnis der Anbindung an die Sowjetunion als Ausdruck von ‚proletarischem Internationalismus'“. Was um alles in der Welt wäre denn passiert, wenn die Stalinisten die Rote Armee oder gar den Warschauer Pakt zum ‚Revolutionsexport‘ geschickt hätten? Etwa nach der Art wie die Amis heute zwecks ‚Demokratieexport‘ und ‚Verteidigung der Menschenrechte‘ unterwegs sind, jede ihnen genehme Gangsterbande zu unterstützenswerten ‚Freiheitskämpfern‘ deklarieren, und mehr oder weniger alle Nato-‚Partner‘ sich danach drängeln, mitmachen zu dürfen? Verglichen damit war doch die (nicht nur) von Trotzkisten verhasste, weil angeblich Leninschen Prinzipien widersprechende, ‚friedliche Koexistenz‘ reinster historischer Realismus.
    Warum die Cubaner heute offenbar was anderes praktizieren, und warum, hat damit freilich wenig zu tun

  4. 2. Juli 2011, 20:55 | #4

    Samson, ich muß zugeben, daß ich dich völlig mißverstanden habe, du bist ja ein Verteidiger der Außenpolitik der SU (während der Zeit der Unterstützung Kubas) und hast nicht für, sondern gerade gegen die Gleichsetzung des USA mit der SU gesprochen.
    Nochmal zurück buchstäblich zum Anfang deines Arguments „historischer Zussammenhang“: Ja, hatte ich ja auch geschrieben, daß die Bewegung des 26. Juli (M-26-7) alles andere als Kommunisten angefangen haben. Ja, die wollten „einfach die Amis als seine Landsleute unterdrückende Kolonialherren loswerden“. Wobei „einfach“ eben der Witz der Geschichte war (und ist). Unso fürchterlich weit gekommen sind sie mit ihren Einsichten eben nicht, als sie in Tat durch „die praktische und eben keineswegs rhetorische Hilfe des Ostblocks“ nicht, jedenfalls bestreite ich, daß die erst jetzt nicht mehr so eindeutige „Sozialisten“ geworden sind, sondern auch schon in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit, die ihnen damals ja neben erbitterter Feindschaft vor allem des US-Imperialismus auch eine Menge Sympathie bei Linken weltweit eingebracht hat. Da wollten, verkürzt gesprochen, Linksnationalisten Staat machen und wirklich keine Weltrevolution (ein Punkt, den sie sich mit Chruschtschow, Mao, oder Ulbricht geteilt haben).
    Auch deinem Punkt, „Dass es für wirklichen gesellschaftlichen Reichtum, der diese Bezeichnung verdiente, ein paar Produktionsmittel braucht“, will ich nicht widersprechen. Ja, so ist es, und wenn dann, wie im Fall Kubas, Traktoren und noch viel viel mehr fehlen, ist es blöd, statt eine Strategie des Sturzes der Mächte zu fordern und zu fördern, die diese benötigten Produktionsmittel haben, den Massen mit Idealismus-Kampagnen zu kommen, die in der VR China grundsätzlich genauso schlimm ausgegangen sind wie in Kuba.
    Zu deiner Behauptung, schon die pure Tatsache der massiven Subvention des kubanischen Aufbaus durch den RGW sei ein Beweis für „praktizierte[n] Internationalismus in bestimmter historischer Situation gewesen“, will ich jetzt nicht weiter ausholen, ich halte es aber nicht für richtig, schon weil seit Jahrzehnten aus dieser Ecke alles andere als wirklicher „proletarischer Internationalismus“ gekommen war und auch später je nicht mehr kam, wie auch. Es ging nicht erst mit Jelzin und Gorbatschow den Bach runter.

  5. Samson
    2. Juli 2011, 22:32 | #5

    du bist ja ein Verteidiger der Außenpolitik der SU (während der Zeit der Unterstützung Kubas) und hast nicht für, sondern gerade gegen die Gleichsetzung des USA mit der SU gesprochen.

    Ja was denn sonst? Wer oder was hat denn bspw. den Vietnamesen wirklich, d.h. ganz praktisch geholfen, die Studentenproteste incl. späterer Anschläge auf Headquater oder die diplomatisch friedliebende SU mit Waffen, um die Bomber abzuschießen? Was Lichterketten tatsächlich ‚bewirken‘, ließ sich später, als es weder SU noch Ostblock gab, sehr gut im Jugoslawien-Krieg beobachten. Im Gegensatz zur ‚friedlichen Koexistenz‘ brauchten Nato und/oder EU weder russische noch chinesische Parteinahme zugunsten ihrer Kriegsgegner zu befürchten.
    Und wenn man schon dabei ist, wie anders denn als Staat mit regulärer Armee hätten die paar dem ‚Weltmarkt‘ abgetrotzen ’sozialen Errungenschaften‘ an dessen Peripherie erhalten werden können? Streng genommen war doch die Breshnew-Doktrin ein bloßer Akt politischer Hilflosigkeit, der schon paar Jahre später in Helsinki zugunsten der ‚Menschenrechte‘ relativiert wurde.
    Und wenn ich es zum x-ten mal wiederholen muss: Mir hat Anfang der 90er Jahre ein ‚altgedienter‘ westdeutscher Gewerkschaftsfuntkionär gesagt, im Prinzip habe bei allen Tarifverhandlungen in der BRD die DDR als quasi ‚unsichtbarer Dritter‘ mit am Tisch gesessen. Deswegen wäre zu der Zeit auch keinem Lobbyisten oder gar Regierungsfritzen die Behauptung eingefallen, der ‚Sozialstaat‘ sei nicht mehr ‚finanzierbar‘ o.s.ä. Selbst Blüm musste Ende der 80er seine ‚Reform‘ der Öffentlichkeit noch mit dem Argument plausibel machen, die Rente ’sichern‘ zu wollen.
    Man kann den Realsozialisten ebenso wie der heutigen cubanischen Führung ökonomische Dummheit oder Blindheit oder falsch verstandene Theorie etc. vorwerfen resp. man kann sich bspw. das Maul fusselig darüber reden, dass Mehrwert eine Kategorie kapitalistischer Produktionsweise und folglich nichts ist, was sich i.d.S. vergesellschaftlichen ließe, dass man damit ’soziale Errungenschaften‘ finanziert bekommt o.s.ä. Aber man soll um nichts in der Welt, schon gar nicht wenn man was mit ‚proletarischem Internationalismus‘ am Hut hat, diese ’sozialen Errungenschaften‘ schmähen.
    Man kann es auch noch anders formulieren: Wenn weit und breit, d.h. vor allem in den Zentren des ‚Weltmarkts‘ kein wie immer revolutionäres Proletariat in Sicht ist, dann bleibt offenbar nicht viel anderes übrig, als die Notwendigkeit solch ’sozialer Errungenschaften‘ gerade an der Peripherie zu postulieren. Und wenn das nicht anders als durch Moralisieren resp. unter Zuhilfenahme von Öko- oder Religionsfreaks geht, dann ist das eben so. Falls die sich um einer evtl. gemeinsamen, d.h. eben moralisch begründeten Sache willen darauf einlassen, kann man deren widersprüchliche Ansinnen, bspw. ‚Ökostrom‘ auch bloß vermarkten zu wollen, aufdröseln. Mehr geht derzeit offenbar nicht.

  6. 3. Juli 2011, 12:19 | #6

    Für zentral halte ich Samsons Schluß:

    „Wenn weit und breit, d.h. vor allem in den Zentren des ‚Weltmarkts‘ kein wie immer revolutionäres Proletariat in Sicht ist, dann bleibt offenbar nicht viel anderes übrig, als die Notwendigkeit solch ’sozialer Errungenschaften‘ gerade an der Peripherie zu postulieren. Und wenn das nicht anders als durch Moralisieren resp. unter Zuhilfenahme von Öko- oder Religionsfreaks geht, dann ist das eben so.“

    Die Attraktivität dieses pessimistischen Standpunkts bei zumindest früher nicht gerade wenig Linken liegt sicherlich im faktischen Ausgangspunkt: Ja, es ist kein „revolutionäres Proletariat in Sicht“. Jedenfalls in dem Sinn, daß die vielen Proletarier, die es weltweit gibt, leider alles andere als revolutionär gesinnt sind. Und es stimmt sogar (jedenfalls in groben Zügen), daß das schon eine Weile so ist.
    Nun kommt aber mein großes Aber: Dieser Zustand ist weder gottgegeben noch natürlich, weder notwendigerweise noch trotz Intervention von Kommunisten leider leider nicht zu ändern gewesen. Sondern ist zentral nur zu erklären als Ergebnis der leider sehr erfolgreichen Politik der Sorte von „Kommunisten“, auf die Samson nichts kommen lassen will:
    Es hat den Überlebenschancen des castristischen Projekts alles andere als gut getan, daß schon zu ihrem Anfang der klassische Rat der amerikanischen KP an die US-Arbeiter war, immer demokratische Partei zu unterstützen. So konnte man aber noch nie und nirgends den Imperialismus, der in der Tat der Hauptfeind der kubanischen Revolution war, zu Fall bringen.
    Es war ebenfalls abträglich, daß die eingekreisten Kubaner aller Welt, z.B. den linken Bürgerkriegsparteien von El Salvador bis Nicaragua immer wieder geraten haben, es ja nicht auch mit dem US-Imperialismus zu verderben, indem sie auch bei sich eine Revolution machen. Es war eine Idiotie pur, den reformistischen Kurs der Allende-Regierung in Chile bis zum bitteren Ende zu verteidigen, Symbol war die Umarmung von Fidel Castro mit dem späteren Putschgeneral Pinochet als Beleg der Aussage, daß die Kubaner alles andere wollten als den Sturz von kapitalistischen Staaten in Lateinamerika.
    Wenn man den Arbeitern weder in Kuba noch sonstwo wirklich sagen will, was Sache ist, dann sind konsequenterweise verlogene moralische Appelle der „ideale“ Ausweg. Und deshalb bei solchen Kommunisten auch lange sehr beliebt gewesen.

  7. Samson
    5. Juli 2011, 21:58 | #7

    Die Attraktivität dieses pessimistischen Standpunkts bei zumindest früher nicht gerade wenig Linken liegt sicherlich im faktischen Ausgangspunkt: Ja, es ist kein „revolutionäres Proletariat in Sicht“.

    Die „Attraktiviät“ eines „pessimistischen Standpunkts“ zu postulieren ist objektive Borniertheit, wenn man den „faktischen Ausgangspunkt“ nicht widerlegen und „Aber“ nur retrospektiv formulieren kann. Als ob das was falsch gelaufen ist, richtig gelaufen wäre, hätten die verantwortlichen Funktionäre nur vorher das richtige gesagt. So als ob es für das, was gelaufen ist keine objektiven, d.h. materiellen Gründe gab.

    Es hat den Überlebenschancen des castristischen Projekts alles andere als gut getan, daß schon zu ihrem Anfang der klassische Rat der amerikanischen KP an die US-Arbeiter war, immer demokratische Partei zu unterstützen. So konnte man aber noch nie und nirgends den Imperialismus, der in der Tat der Hauptfeind der kubanischen Revolution war, zu Fall bringen.

    Man kann aber umgekehrt nicht behaupten, dass das „castristischen Projekts“ auch nur bessere Überlebenschancen gehabt haben täte, wenn die US-KP den Arbeitern den Rat gegeben hätte, den Imperialismus zu Fall zu bringen, und zwar zunächst im eigenen Lande. Denn die Masse der Arbeiter, gerade in den imperialistischen Metropolen, ist, so lange der Job halbwegs bezahlt wird, i.d.R. stolz irgendwo einen halbwegs bezahlten Job zu haben. Wenn nicht geht zumeist ihr ganzes Sinnen und Trachten danach, einen zu bekommen. Auf den Einfall, sich zusammenzuschließen, die Kapitalistenbande zum Teufel zu jagen und anschließen die Produktion nach gemeinsam verabredeten Plan zu organisieren, kommen die allerwenigsten.

    Es war ebenfalls abträglich, daß die eingekreisten Kubaner aller Welt, z.B. den linken Bürgerkriegsparteien von El Salvador bis Nicaragua immer wieder geraten haben, es ja nicht auch mit dem US-Imperialismus zu verderben, indem sie auch bei sich eine Revolution machen.

    Freilich, die Arbeiter in den Metropolen lassen sich die Ausbeutung gefallen, derweil die Landbevölkerung in Lateinamerika die proletarische Revolution anzettelt und so den Imperialismus zu Fall bringt, wogegen der sich auch gar nicht zur Wehr setzt. Pinochet hat sich ja auch erst als Allendes Armeechef von Castro umarmen lassen und anschließend Allende ganz ohne auswärtige Hilfe beseitigt.
    Du hast vergessen zu erwähnen, dass Castro es dem polnischen Pontifex erlaubte, cubanischen Boden zu knutschen.

  8. 6. Juli 2011, 10:06 | #8

    Wenn Samson postuliert:

    Die „Attraktiviät“ eines „pessimistischen Standpunkts“ zu postulieren ist objektive Borniertheit, wenn man den „faktischen Ausgangspunkt“ nicht widerlegen und „Aber“ nur retrospektiv formulieren kann. Als ob das was falsch gelaufen ist, richtig gelaufen wäre, hätten die verantwortlichen Funktionäre nur vorher das richtige gesagt. So als ob es für das, was gelaufen ist keine objektiven, d.h. materiellen Gründe gab.

    dann geht es zentral um seine quasi naturgesetzlich unerschütterlichen „materiellen“ Gründe. Die gibt es in der Welt der Politik doch gar nicht. Da agieren doch überall weltweit Menschen, die sich irgendwas Neues vornehmen oder was Bisheriges fallen lassen usw. Schon der Ausgangspunkt der kubanischen Revolution war doch, daß die Bewegung um Castro, die bis dahin geltenden „materiellen Gründe“, nämlich die Sachzwänge des dem US-Imperialismus Ausgeliefertseins, nicht mehr akzeptieren wollten und (hier ausnahmsweise erfolgreich) es tatsächlich geschafft haben, das diese „Sachzwänge“ gegen die kubanische Bevölkerung exerzierende Batista-Regime zu stürzen. Auch danach gab es kein in Stein gemeißeltes „Gesetz“ der unvermeidlichen politischen Entwicklung, sondern sowohl die US-Regierung hat einen bestimmten Kurs verfolgt (der auch ein ein wenig anderer hätte sein können), die Castristen haben sich zu bestimmten Schritten entschlossen (die sie natürlich auch hätten anders machen können, darüber haben sie sich ja auch gefetzt) und nicht zuletzt hat die Führung der Sowjetunion sich für eine bestimmte Kuba-Politik entschieden.
    Was an all dem „mußte“ so kommen? Schon vom Ende der SU (und damit dem RGW) her, wo ja auch eine bewußte Entscheidung den Ruin der Massen Osteuropas und indirekt eben auch der Kubaner bedeutet hat, kann man auch dem Anfang keine Unvermeidlichkeit zusprechen.
    Ich will übrigens gar nicht behaupten, daß die Geschichte Kubas oder gar des internationalen Proletariats garantiert anders verlaufen wäre, wenn Kommunisten in Kuba bei der Revolution oder danach eine Politik betreiben hätten, die ich als „richtig“ bezeichnen würde (Daß die Castristen keine solche Kommunisten waren, wurde ja schon mehrfach festgestellt) . Für Kuba gilt in dieser Hinsicht natürlich das gleiche wie hier in Deutschland (bzw. im Internet). Ich kann nur immer wieder betonen, daß es für alle, die es mit mächtigen imperialistischen Staaten als Gegner zu tun haben, überhaupt nur die einzige wirklich Erfolg versprechende Perspektive gibt, diese Staaten dadurch zu entmachten, daß man ihnen das wegnimmt, was ihre Macht ausmacht: nicht etwa ihre Flugzeugträgergruppen und Cruise Missiles, sondern die Unterstützung ihrer durch und durch demokratisch/patriotischen Arbeiter (und damit auch zu einem gewissen Teil der Soldaten, Polizisten und anderen Staatsdiener).
    Nur zu historischen Erinnerung: So haben es übrigens auch die Bolschewiki gemacht, die gleich nach ihrer Revolution den Aufbau der Kommunistischen Internationale angegangen sind. Die hat dann die benötigten Revolutionen zur Ausweitung des dem Imperialismus entrissenen Gebiets nicht geschafft, das gebe ich zu. Es gibt für mich aber keine Alternative zu diesem Programm. Es sei denn, man will ernsthaft die Verwüstungen des Massenbewußtseins des Weltproletariats seit Stalin als den goldenen Weg zur Weltrevolution verkaufen.
    Dagegen spricht für mich übrigens auch nicht, daß gilt,

    „die Masse der Arbeiter, gerade in den imperialistischen Metropolen, ist, so lange der Job halbwegs bezahlt wird, i.d.R. stolz irgendwo einen halbwegs bezahlten Job zu haben. Wenn nicht geht zumeist ihr ganzes Sinnen und Trachten danach, einen zu bekommen.

    Das weiß ich auch, ich bin ja auch einer, der seit Jahrzehnten erfolglos ist. Ungefähr so erfolglos wie die anderen radikalen Linken, die nicht das Programm gewechselt haben und es zu Minister-Posten gebracht haben.
    Anders als Lenin (und Stalin, der in diesem Punkt genau die gleiche Auffassung hatte) bin ich nicht der Auffassung, daß man einen begrüßenswerten positiven Nationalismus in den „unterdrückten Nationen“ hat, und „nur“ gegen den Nationalismus in den „Unterdrückernationen“ ankämpfen muß.
    Es ist deshalb auch falsch, mir zu unterstellen

    Freilich, die Arbeiter in den Metropolen lassen sich die Ausbeutung gefallen, derweil die Landbevölkerung in Lateinamerika die proletarische Revolution anzettelt und so den Imperialismus zu Fall bringt, wogegen der sich auch gar nicht zur Wehr setzt.

    Den Imperialismus zu Fall bringen die Werktätigen der Welt nur, wenn sie erfolgreich Revolutionen in den meisten der großen imperialistischen Staaten zustande kriegen. Vorher nicht. Vorher gibt es nur lokales Aufbäumen, das sich mehr oder weniger lang über Wasser halten kann, ehe es droht wieder abgeräumt zu werden oder selber zu kapitulieren. Eine kommunistische Minikommune in Kreuzberg oder Lüchow-Danneberg hat ungefähr die gleichen Chancen.
    Ach ja, den schauerlichen Papstbesuch habe ich nicht erwähnt, weil man Katholiken sowieso nicht mit Kirchenabrissen und dem Verbot vom Messen kommen sollte, sondern mit Kritik am religiösem Blödsinn. Selbst den kaum verhüllten Aufrufen zur Konterrevolution vom Papst würden Kommunisten mit Agitation und nicht einem Grenzbeamten entgegnen.

  9. Samson
    6. Juli 2011, 10:52 | #9

    Neben allem anderen, frag dich mal warum das so ist:

    Den Imperialismus zu Fall bringen die Werktätigen der Welt nur, wenn sie erfolgreich Revolutionen in den meisten der großen imperialistischen Staaten zustande kriegen. Vorher nicht. Vorher gibt es nur lokales Aufbäumen, das sich mehr oder weniger lang über Wasser halten kann, ehe es droht wieder abgeräumt zu werden oder selber zu kapitulieren.

    Falls du das rausgefunden hast, frag dich mal, ob man in der Zwischenzeit die paar dem ‚Weltmarkt‘ abgerungenen „soziale Errungenschaften“ genannte Einrichtungen i.d.S. der ja noch nicht wirklich stattgefundenen Revolution durch den Kakao ziehen soll(te).

  10. 6. Juli 2011, 11:59 | #10

    Samson, falls du das auch rausgefunden hast (ich bin mir da nicht sicher, ob wir in dieser Grundsatzfrage überhaupt übereinstimmen), dann frage dich doch umgekehrt, was das weitgehend unkritische, durch und durch „solidarische“ Kritisieren, was typischerweise von Freunden der kubanischen Revolution vorgetragen wurde, denn dazu beigetragen hat, diesem Hauptziel auch nur einen Schritt näher zu kommen.
    Zudem wüßte ich schon noch, was ich denn an den „paar dem ‚Weltmarkt‘ abgerungenen „soziale Errungenschaften“ genannte Einrichtungen“ „durch den Kakao“ gezogen haben soll. Bzw., jetzt etwas weiter gefaßt, denn falsch ist an der Beschreibung der aktuellen Politik der kubanischen Regierung, wie sie der GegenStandpunkt ausführlich und drastisch vorführt: „Eine Staatsreform in Richtung 3.-Welt-Kapitalismus“ (Theo Wentzke hat diese Prognose, die auch die meine ist, übrigens bei der Berliner Veranstaltung noch nicht mal so entschieden stehen lassen wollen).
    Nochwas zum vagen Begriff „der ja noch nicht wirklich stattgefundenen Revolution“: Offensichtlich hat es in Kuba damals eine Revolution gegeben. Die hat dann, anders als von vielen der Revolutionäre ursprünglich gewollt, recht bald zu recht weitgehenden gesellschaftlichen Veränderungen geführt. Die „jetzt“ weitgehend wieder einkassiert werden. Der kubanische „Sieg“ war also offensichtlich nicht der endgültige Sieg über den Weltimperialismus. Das haben ja selbst manche Revolutionäre so gesehen und wie Guevara daraus ihre Schlußfolgerungen gezogen. Wenn auch leider nicht sonderlich zielführende, wie ich in seinem Falle meine.
    Die „richtige“ Revolution hinzukriegen, ist also, wie schon seit langer, langer Zeit immer noch das, was Kommunisten hinbringen müssen.

  11. Samson
    6. Juli 2011, 16:13 | #11

    Ich bin mir auch keineswegs sicher, ob wir in der Grundsatzfrage übereinstimmen, d.h. die Leute ausschließlichin Richtung Weltrevolution zu agitieren. Eher tendiere ich mittlerweile dazu, den Leuten zu vertickern, niemanden von der zunehmenden Zahl der tatsächlich Verelendeten vor die Hunde gehen zu lassen. Offenbar bedarfs dazu, weil die Weltrevolution nicht in Sicht ist, der politischen Vermittlung. Und wenn es, um die hinzubekommen des Moralisierens bedarf, dann wird halt moralisiert.
    Nicht alles, was knapp unterhalb der rigorosen Kritik des Produktionsverhältnisses angesiedelt ist, ist deswegen gleich falsche Kritik. Den Arbeitern muss man nämlich erstmal wieder vertickern, dass sie mit ihren Kollegen materiell ‚in einem Boot‘ sitzen und nicht mit ihren Chefs im nationalen ‚Gemeinwesen verwurzelt‘ sind o.s.ä.
    Im Übrigen hat „solidarische Kritk“ an Kuba 1) nix damit zu tun, dass man sich quasi mit dem Spatz in der Hand zufrieden gäbe und bedeutet 2) nicht dass man alles, was die veranstalten für
    unvermeidlich o.s.ä. halten würde.

    Zudem wüßte ich schon noch, was ich denn an den „paar dem ‚Weltmarkt‘ abgerungenen „soziale Errungenschaften“ genannte Einrichtungen“ „durch den Kakao“ gezogen haben soll. Bzw., jetzt etwas weiter gefaßt, denn falsch ist an der Beschreibung der aktuellen Politik der kubanischen Regierung, wie sie der GegenStandpunkt ausführlich und drastisch vorführt: „Eine Staatsreform in Richtung 3.-Welt-Kapitalismus“

    1) Du hast oben geschrieben, und das war ausdrücklich abwertend gemeint, die Moskauer Stalinisten (bei denen man als wirklicher oder gewesener Trotzkist ohnehin nur Haare in der Suppe sucht) hätten die „soziale Errungenschaften“ genannten Einrichtungen aus „eigenen staatspolitischen Zielen finanziert“. Selbst wenn es so gewesen wäre, wären es gemessen an den Verhältnissen unter Batista oder dem ‚Lebensstandard‘ in der ‚übrigen‘ 3. Welt immer noch Errungenschaften gewesen.
    2) Warum Theo Wentzke die Prognose „Staatsreform in Richtung 3.-Welt-Kapitalismus“ nicht hat stehen lassen wollen, ist seine Sache. Vielleicht hält er sich mit Prognosen klugerweise bischen zurück. Dass das der Zweck resp. die Absicht der cubanischen Regierung sein soll, wird sich nämlich a) kaum beweisen lassen und b) von dieser vermutlich bestritten werden (jedenfalls hat es Raul Castro bestritten). Dass und warum die gezwungen sind, umzingelt vom ‚Weltmarkt‘ ihren Staatshaushalt zu ’sanieren‘, steht auf einem ganz anderen Blatt und ist folglich auch ein anderes Paar Stiefel als die „sozialen Errungenschaften“. Ob die nämlich auf dem Spiel stehen, ist gar nicht ausgemacht.
    Ob es vernünftig ist, Ackerland zu privatisieren, damit es überhaupt beackert wird, lässt sich schwer sagen. Ich halte es sozial für einen Fehler, weil es dazu führen kann, durch die Hintertür das Kapital wieder reinzulassen. Kapital aber ist apriori Konkurrenz, obwohl es langfristig zum Monopol tendiert, und daher ebenso apriori asozial. Die Steigerung gesellschaftlicher Produktivität ist eben nicht das primäre Anliegen kapitalistischer Produktionsweise. Aber diese Steigerung ist offenbar historisch notwendig, um die Leute davon zu überzeugen, das gesellschaftlich geplante (Re)Produktion eine vernünftige Sache wäre.

    Die „richtige“ Revolution hinzukriegen, ist also, wie schon seit langer, langer Zeit immer noch das, was Kommunisten hinbringen müssen.

    Auch da wäre ich nicht sicher, ob die Kommunisten das hinbekommen müssen oder ob es nicht doch eher die vermittels Lohn drangsalierten Arbeiter sein werden. Denn bislang, und da machen die Cubaner eben auch keine Ausnahme, ist noch jeder gesellschaftlichen Umwälzung eine neue Administration gefolgt, die bestenfalls die (Re)Produktion nach ihren Prämissen organisierte. Und das hieß für die Arbeiter i.d.R. eben -> zurück an die Werkbank o.s.ä. und Pläne ausführen, an deren Ausarbeitung sie nicht beteiligt werden.

  12. 6. Juli 2011, 19:54 | #12

    Schon wieder bin ich mir nicht sicher, Samson, was du wirklich meinst, wenn du damit anfängst, „tendiere ich mittlerweile dazu, den Leuten zu vertickern, niemanden von der zunehmenden Zahl der tatsächlich Verelendeten vor die Hunde gehen zu lassen.“ Sowas könnte noch jeder BGE-Aktivist, jede fromme Sozialarbeiterin einer beliebigen Bahnhofsmission unterschreiben. Ich finde, daß die Lebenslüge von allem solchen eng fokusiertem Humanismus darin besteht, daß solch eine Arbeit ja nicht verwerflich ist und sicherlich auch manchen buchstäblich Hilflosen aus eine akut schlimmen Lage helfen kann, jedenfalls für eine Nacht oder so. Aber es ist gemessen an den Ursachen, die so fürchterlich viele Menschen in solch üble Lagen bringen so offensichtlich hilflos. Wenn es gut kommt. Denn meist ist solch Samaritertum ja auch noch offensiv ignorant bis feindselig gegenüber den zugegebenermaßen noch mühseligeren Versuchen, die Menschen dafür zu gewinnen, diesen Ursachen zu Leibe zu rücken und nicht nur 5 Obdachlose durch einen kalten Winter zu bringen.
    Deshalb finde ich deinen Fortgang auch nicht sonderlich überzeugend: „Offenbar bedarfs dazu, weil die Weltrevolution nicht in Sicht ist, der politischen Vermittlung. Und wenn es, um die hinzubekommen des Moralisierens bedarf, dann wird halt moralisiert.“ Denn das ist entweder ignorant gegenüber den Zielen, die die adressierten Menschen haben oder zynisch denen gegenüber. Und gerade die Geschichte der realsozialistischen Staaten, Kuba gehört da auch in die Reihe, haben da ganz schreckliche Kampagnen vorzuweisen.
    Deinem „Im Übrigen hat „solidarische Kritk“ an Kuba 1) nix damit zu tun, dass man sich quasi mit dem Spatz in der Hand zufrieden gäbe und bedeutet 2) nicht dass man alles, was die veranstalten für unvermeidlich o.s.ä. halten würde“ kann ich nicht entnehmen, was damit denn nun konkret gemeint sein soll, womit bist du denn nun zufrieden, was hingegen hältst du nicht für unvermeidlich? Das war doch gerade in den beiden Vorträgen, die der Ausgangspunkt dieses Threads waren, recht konkret ausgeführt, was da so oder so gelaufen ist.
    Zu den sozialen Errungenschaften (ich weiß, es gibt reihenweise sozialdemokratische antikommunistische „Trotzkisten“, für die der Stalinismus „konterrevolutionär durch und durch“ war. Das waren die, die vom Sieg der Mudjahedin gegen die sowjetische Armee in Afghanistan, vom Sieg der stockkatholischen Solidarnosc in Polen bis zum Anschluß der DDR jeden Sieg für den Imperialismus bejubelt haben, um nur ein paar Beispiele aus der Zeit des Untergangs des Stalinismus heranzuziehen. Aber es war immer ein zentraler Punkt von, nun ja, orthodoxem Trotzkismus, gerade wegen der Errungenschaften die „Arbeiterstaaten“, so degeneriert sie sie im Fall der Sowjetunion gehalten haben mögen, oder so von Anfang an deformiert bei allen anderen, die ja alle nicht Produkt einer genuinen kommunistischen Arbeiterrevolution gewesen sind, zu verteidigen gegen die imperialistischen Roll-Back-Versuche. Das gilt manchmal selbst für Tendenzen, die die RGW-Staaten sogar schon für staatskapitalistisch eingeschätzt haben und die ansonsten meistens im NATO-Lager standen.)
    Es ist aber ein nun wirklich objektiver materiellen Gegebenheiten geschuldeter Fakt, daß die „Errungenschaften“ ein politisch motiviertes Geschenk der SU/des RGW an Kuba gewesen sind. Kolumbien z.B. hat sowas nicht bekommen, dort sterben Arbeiter wie die Fliegen. (In mancherlei Hinsicht, z.B. Säuglingssterblichkeit, lagen die Zahlen in Kuba ja sogar besser als selbst in Schwarzenvierteln US-amerikanischer Großstädte.)
    Ich halte es für blauäugig, hier tapfer und treuherzig zu behaupten, „Ob die [sozialen Errungenschaften] nämlich auf dem Spiel stehen, ist gar nicht ausgemacht.“ Doch, das ist erstens ausgemacht, z.B. mit den Massenentlassungen von Staatsarbeitern u.ä., und vor allem liegt es in der Logik der verzweifelten Versuche, sich für den Weltmarkt aufzuhübschen.
    Deinem unentschiedenen „Ob es vernünftig ist, Ackerland zu privatisieren, damit es überhaupt beackert wird, lässt sich schwer sagen.“ möchte ich entgegenhalten, daß sowas vom Standpunkt einer kollektiv betriebenen Wirtschaft zur vernünftigen Befriedigung aller Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung, Stadt wie Land z.B., diametral entgegensteht. Da zumindestens gilt: von der SU lernen heißt siegen lernen!
    Deiner Zurechtweisung, „ob die Kommunisten das hinbekommen müssen oder ob es nicht doch eher die vermittels Lohn drangsalierten Arbeiter sein werden“ kann ich nur antworten, wenn Arbeiter nicht in merklichen Scharen zu Kommunisten werden, dann wird es eben keine dementsprechende Revolution geben. Dann kommt höchstens, aber wohl eher nicht noch mal, so eine Art Kuba, slightly improved update heraus. Das wäre mir aber nicht genug.

  13. Samson
    7. Juli 2011, 23:03 | #13

    Also ich würde schon zwischen BGE-Aktivist und ‚frommer Sozialarbeiterin‘ differenzieren. Ersterer sitzt tatsächlich einer Lebenslüge auf, der nämlich, man könne Geld gerecht verteilen o.s.ä., damit alle das einkaufen könn(t)en, was zu notwendig zum Leben brauchen. Diese Lebenslüge kann man in der Tat mittels Kritik der Verhältnisse auseinandernehmen und beweisen, dass sie bestenfalls Augenwischerei ist.
    Die ‚Frömmigkeit‘ der Sozialarbeiterin kannst du zwar kritisieren, aber nicht beweisen, dass sie einem Aberglauben anhängt. Dieser ist andererseits aber ihr Grund, armen Schluckern überhaupt helfen und nicht aufs eigene Fortkommen innerhalb der gegebenen Verhältnisse zu sehen resp. die Karriereleiter hinauf zu wollen. Anders gesagt, bevor man darauf rumhackt, es handele sich um „eng fokusierten Humanismus“, muss man zunächst akzeptieren, dass sich überhaupt um Humanismus handelt. Gemessen daran ist deine Feststellung, „meist ist solch Samaritertum ja auch noch offensiv ignorant bis feindselig gegenüber den zugegebenermaßen noch mühseligeren Versuchen, die Menschen dafür zu gewinnen, diesen Ursachen zu Leibe zu rücken“ wenigstens selber ignorant, weil undifferenziert, schlimmstenfalls schlechte Agitprop.
    1) hat die Feindseligekeit ihren Ausgangspunkt i.d.R. bei denen, die oben auf der Karriereleiter sind (die also materiell erklärbare Gründe haben) und 2) sind die nicht der Grund, weshalb dir oder mir noch nichtmal die armen Schlucker Gehör schenken, der Samariterin aber schon, und zwar gleichgültig ob die ‚fromm‘ ist oder einem ‚Helfersyndrom‘ erlegen (aber materielle Erklärungen sind dir ja zuwider).
    Ich würde fast noch weiter gehen und sagen, wer außer BGE-Aktivisten und/oder SozialarbeiterInnen hat denn neben den meinetwegen unmittelbaren Betroffenen, seien die nun obdachlos oder ’nur‘ arm und/oder krank, an den Verhältnissen was auszusetzen resp. wer hat denn was gegen’s ‚lohnabhängig‘-sein einzuwenden? Machen wir uns nichts vor, Neo, die meisten Leute sind froh, während des ernsten Teils des Tages für irgendeinen Scheiß wenigstens halbwegs ‚ordentlich‘ bezahlt zu werden, um ein Kleinbürger-Dasein führen zu können. Ein paar, die sich für besonders intellegent halten, es aber selten wirklich sind, wollen dabei noch ‚kreativ‘ sein und Spaß haben.
    Und wenn Kommunisten nichts anderes als ‚gutes Leben für alle‘ o.s.ä. als Grund für den Systemsturz einfällt, dann kann man keinen einzigen Klein-Bürger damit vom Feierabendbier in der Kneipe weg auf die Barrikaden locken. Denn die Kleinbürger-Existenz verdankt sich erfolgreichem Durchsetzen in der allgemeinen Konkurrenz. Wer diesem ‚Wettbewerbs‘-Prinzip für sich was abgewinnen kann, dem sind Kategorien wie Humanismus, egal ob eng fokusiert oder weltumspannend schnuppe. ‚Globalisierung‘ hält so jemand für etwas, dass man verhindern muss, um die Konkurrenz fernzuhalten, weil Konkurrenz stets nur so lange was taugt, wenn man selbst darin Erfolg hat.
    Verglichen damit ist die ‚fromme‘, wengleich sysiphusmäßige ‚Nächstenliebe‘ der Sozialarbeiterin wirklich human. Und es war m.E. der größte nur denkbare Frevel der praktizierenden Kommunisten, solche Leute wahlweise gleich an die Wand zu stellen oder ihnen die ‚Frömmigkeit‘ im Straflager auspeitschen zu wollen, statt deren vorhandenen ‚Gemeinsinn‘ quasi zu instrumentalisieren. Nicht von ungefähr war es nach Che’s Scheitern ausgerechnet die ‚Befreiungstheologie‘, die auf Marx Bezug nahm und damit in Konflikt zu ihrer eigenen systemtreuen Chefetage geriet. D.h., die brauchten keine parteimäßig organisierten Kommunisten, um das System infrage zu stellen. Ihr Grund war derselbe, deiner Ansicht nach zu eng fokusierte Humanismus, der letztlich auch die Sozialarbeiterin ‚motiviert‘. Vermutlich hat die ‚Befreiungstheologie‘ mehr Leute erreicht als die diversen, sich wechselseitig des Verrats bezichtigenden und folglich einander bekämpfenden Internationale-Fraktionen.
    Treibt man den SozialarbeiterInnen den Humanismus aus, dann schließen die sich nicht zwangsläufig der Systemopposition an und klettern auf Barrikaden sondern werden i.d.R. Beamte, ‚verwalten‘ die Obdachlosen statt sich um sie zu ‚kümmern‘ und erklettern mit dem Verwalten ggf. die Karriereleiter. Lässt man ihnen dagegen die ‚Frömmigkeit‘ als Grund für den Humanismus, dann hat man einen Ansatzpunkt, um den Widerspruch zwischen deren ‚Gemeinsinn‘ als meinetwegen ‚frommer Wunsch‘ und dem demgegenüber unvernünftigen Konkurrenz-Prinzip in der Ökonomie aufzudröseln. Aber ohne das Konkurrenz-Prinzip infrage zu stellen, wird man den Arbeitern auch keinen Klassenstandpunkt resp. Internationalismus etc. pp. vermitteln können. Die an einen Gott glauben (egal an welchen) sind diesbezüglich im Vorteil. 1) haben die eine Vorstellung von ‚Gemeinsamkeit‘ 2) ist Nationalismus resp. diesbezüglicher Eigensinn gegenüber ihrem ‚Schöpfer‘ sinnlos.
    Was dir oder mir genug ist, spielt dagegen offenbar keine große Rolle, liefert vielleicht nur Anlass zum Streit. Gemessen am ‚Ist-Zustand‘ der 3. Welt‘ wäre „so eine Art Kuba, slightly improved update“, auch wenn es dir nicht genug wäre, ein historischer Fortschritt

  14. Krim
    10. Juli 2011, 12:29 | #14

    „Und wenn Kommunisten nichts anderes als ‚gutes Leben für alle‘ o.s.ä. als Grund für den Systemsturz einfällt,…“ – Wo hast du das denn her, dass Kommunisten mit Versprechungen auf die Welt losgehen? Der Grund für den Kommunismus sind nicht irgendwelche Heilsversprechen, sondern die Sauereien, die der Kapitalismus weltweit veranstaltet. Insofern ist ihr Geschäft die korrekte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, so gut man eben in der Lage ist diese zu leisten. Der Kleinbürger wird also nicht mit Versprechungen verführt und vom Feierabendbier weg auf die Barrikaden gelockt, sondern man macht ihm die Notwendigkeit klar, mit der er in seiner Konkurriererei vor Feierabend unter die Räder kommt und dass allein er im Verband mit anderen es in der Hand hat, das zu ändern. Der Kleinbürger wird also nicht gelockt oder verführt mit der Aussicht auf ein kommunistisches Heil, sondern ihm werden schlicht die gesellschaftlichen Verhältnisse klar gemacht, die er als quasi Natur akzeptiert hat. Wenn er weiß, was Kapitalismus ist, geht er ganz von selbst auf die Barrikaden bzw. sorgt dafür, dass es baldmöglichst zur Abschaffung dieses Gesellschaftssystems kommt.
    „Verglichen damit ist die ‚fromme‘, wengleich sysiphusmäßige ‚Nächstenliebe‘ der Sozialarbeiterin wirklich human.“ Kritisiert wurde auch nicht, dass Sozialarbeiten nicht human sei, sondern dass Humanität ein Scheiß ist. Da er das Elend als Betätigungsfeld unterstellt. Humanität braucht es nur in einer Welt, die andauernd Elend und Armut produziert. Anstatt die Welt so abzuändern, dass Elend verschwindet, laborieren Humanisten an den Symptomen rum, akzeptieren also dass Armut und Elend notwendig dazugehören. Deshalb ist Humanismus ein Dreck.
    “ solche Leute wahlweise gleich an die Wand zu stellen oder ihnen die ‚Frömmigkeit‘ im Straflager auspeitschen zu wollen“ Mit Verlaub: Leute die glauben mit Gewalt den Willen von jemandem ändern zu können, sind keine Kommunisten, sondern Gewaltfetischisten und Staatshänger. Kommunisten wissen, dass ein Willen nur durch eine einzige Sache geändert werden kann und diese Sache ist Überzeugung. Außer durch eigene Einsicht ist ein Wille nicht zu ändern. Das Mittel von Kommunisten ist daher das Argument und nicht die Peitsche.
    “ statt deren vorhandenen ‚Gemeinsinn‘ quasi zu instrumentalisieren.“ Ebenso ist Manipulation und Instrumentalisierung des Willens nicht das Mittel der Wahl von Kommunisten. Es ist regelmäßig ein Fehler, wenn man denkt man könne sich um den fremden Willen herum mogeln und ihn im eigenen Sinne beeinflussen und lenken, ohne dass er es merkt. Das war schon immer bloß ein Ideal von politischen Führern und ist noch nie wirklich aufgegangen. Wie gesagt, wenn man einen Willen ändern will, dann muss man versuchen ihn zu überzeugen. Anders geht das nicht.
    „Treibt man den SozialarbeiterInnen den Humanismus aus, dann schließen die sich nicht zwangsläufig der Systemopposition an und klettern auf Barrikaden sondern werden i.d.R. Beamte, ‚verwalten‘ die Obdachlosen statt sich um sie zu ‚kümmern‘ und erklettern mit dem Verwalten ggf. die Karriereleiter.“ Austreiben? – mit Gewalt? – Aus Gewalterfahrung kann das Opfer in der Tat die verschiedensten Schlüsse ziehen, sogar den Schluss Beamter zu werden – auch wenn mir dieser Schluss weder logisch nachvollziehbar noch notwendig vorkommt.
    “ Die an einen Gott glauben (egal an welchen) sind diesbezüglich im Vorteil. 1)haben die eine Vorstellung von ‚Gemeinsamkeit‘…“ Eine Vorstellung von „Gemeinsamkeit“ soll eine positive Bedingung sein – für Kommunismus gar? Egal welchen Inhalt die Gemeinsamkeit hat? 1. Hat jeder irgendeine Vorstellung von Gemeinsamkeit, sei es als Teil einer Familie, im Sportverein, Hobbyverein, im Internet und nicht zuletzt auch als Teil einer Nation. Eine Gemeinsamkeitsvorstellung ist nicht auf Gläubige beschränkt. Das gehört sozusagen zum Begriff des Menschen als soziales Wesen. 2. Kommt es schon auf den Inhalt der Gemeinsamkeit an. Wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft werden Kriege geführt, wurden und werden allerlei sehr ungemütliche Dinge gerechtfertigt und getan. Gemeinsamkeit abstrakt ist überhaupt keine positive Bedingung und für Kommunismus schon gar nicht.
    „Gemessen am ‚Ist-Zustand‘ der 3. Welt‘ wäre „so eine Art Kuba, slightly improved update“, auch wenn es dir nicht genug wäre, ein historischer Fortschritt“ Dann taugt vielleicht der Maßstab nichts. Oder andersherum: Der Maßstab des Vergleichs ist überhaupt bloß dazu da, einer Sache ein Lob auszusprechen. Man nehme einfach etwas, das noch schlechter ist als Vorliegende und schon ist das Vorliegende vergleichsweise gut, ein Fortschritt. Für sich betrachtet, taugt ein „slightly improved Kuba“ aber nichts. Und verglichen mit einem gescheiten Kommunismus natürlich erst recht nichts.

  15. 10. Juli 2011, 17:18 | #15

    Krim, dein Argument gegen Samson halte ich nicht für ganz richtig:

    „Wo hast du das denn her, dass Kommunisten mit Versprechungen auf die Welt losgehen? Der Grund für den Kommunismus sind nicht irgendwelche Heilsversprechen, sondern die Sauereien, die der Kapitalismus weltweit veranstaltet.“

    Denn die Sauereien, also das elende Schicksal, daß die Zwecke des Kapitalismus den ihm unterworfenen Menschen aufzwingt, sind zwar der Ausganspunkt der kommunistischen Versuche, die Menschen davon abzubringen. Aber doch zentral mit der Basis, daß dieses Elend gerade kein übergesellschaftlich, überhistorisch notwendiges unvermeidliches Geschehen ist, sonden „nur“ im Rahmen dieser kapitalistischen Gesellschaftsordnung seine brutale Sachzwang“logik“ hat. Und damit einher geht dann die Behauptung, daß es in der Tat „besser“ ginge, wenn die Menschen sich was anderes als das Abrackern als brave demokratische Lohnarbeiter vornehmen würden.
    Wobei ich das „besser“ gleich wieder relativieren will: Denn eine kommunistische Perspektive bietet den Menschen ja nicht ein „Heilsversprechen“, also nicht die angebliche Befriedigung von all den zum Teil ja alles andere als vernünftig zu bezeichnenden Ziele der jetzigen Konkurrenzler. Die kommunistische Gesellschaft ist doch nicht einfach die „bessere“ kapitalistische Welt, sondern eben was anderes. Das hast du ja auch geschrieben: „Der Kleinbürger wird also nicht mit Versprechungen verführt und vom Feierabendbier weg auf die Barrikaden gelockt.“
    Einem weiteren Punkt von dir möchte ich auch ganz entschieden widersprechen:

    „Wenn er weiß, was Kapitalismus ist, geht er ganz von selbst auf die Barrikaden bzw. sorgt dafür, dass es baldmöglichst zur Abschaffung dieses Gesellschaftssystems kommt.“

    Nein, so determiniert, unvermeidlich geht das nicht. Da müssen sich Menschen immer wieder, höchstwahrscheinlich über eine lange Zeit entscheiden, „auf die Barrikaden“ zu gehen. Und da können und werden auch zukünftig ne Menge derjenigen, die schon eine ganze Menge wissen, es früher oder später dann doch lassen. Selbst, wenn man in Rechnung stellt, daß z.B. all die vielen Neulinken der 60er bis 80er Jahre damals nicht wirklich und umfassend gewußt haben, „wie der Kapitalismus geht“, so ist doch offensichtlich selbst von diesem Wissen nur noch sehr wenig personifiziert und erst Recht organisiert übrig geblieben.
    Zu deiner Kritik des Humanismus

    „Humanität braucht es nur in einer Welt, die andauernd Elend und Armut produziert. Anstatt die Welt so abzuändern, dass Elend verschwindet, laborieren Humanisten an den Symptomen rum, akzeptieren also dass Armut und Elend notwendig dazugehören.“

    will ich nochmal hinzusetzen, daß diese Akzeptanz in vielen Fällen ja noch weiter geht und Affirmierung wird oder ist. Das meinte ich mit Feindseligkeit.
    Traurig, daß auch Samson das antikommunistische Urteil teilt, daß Kommunisten Gewalttäter seien. Da hast du schon Recht, wenn du dem entgegensetzt,

    „Mit Verlaub: Leute die glauben mit Gewalt den Willen von jemandem ändern zu können, sind keine Kommunisten, sondern Gewaltfetischisten und Staatshänger. Kommunisten wissen, dass ein Willen nur durch eine einzige Sache geändert werden kann und diese Sache ist Überzeugung.“

    Deshalb störe ich mich auch regelmäßig daran, wenn Linke, zum Beispiel GegenStandpunkts-Vertreter, so lässig lax unter dem Begriff „Kommunismus“ so alles unterbringen, was es da an historischen Schauergeschichten gegeben hat. Wenigstens Anführungsstriche sollte man da bei seiner Kritik an denen schon benutzen. Das gehört für mich zur political correctness unter Kommunisten.
    Samsons Lob des Moralismus setzt du korrekt entgegen,

    „Es ist regelmäßig ein Fehler, wenn man denkt man könne sich um den fremden Willen herum mogeln und ihn im eigenen Sinne beeinflussen und lenken, ohne dass er es merkt.“

    Das kann man gar nicht genug betonen, gerade, weil das Ausweichen auf moralische Apelle so eine weitgehende Billigung der Menschen hat. Kritik an Moral ist ja in den Augen selbst der meisten Linken noch frevelhafter als Kritik der Demokratie (oder des religiösen Denkens, das bei Samson nicht ganz überraschenderweise ja auch ganz gut wegkommt).
    Es paßt dann leider auch wieder ganz gut zum Ausgangspunkt, keine ernsthafte Kritik an dem gelten lassen zu wollen, was auf Kuba seit der Revolution für eine Politik gemacht wurde, wenn Samson das klassische geradezu unerschütterbare Argument des Relativismus bringt. Denn es paßt zu einem politischen Standpunkt, der sich schon vorab festgelegt hat und gar nicht wirklich wissen will, was Sache ist, weil er eben Partei genommen hat.

  16. Krim
    10. Juli 2011, 18:48 | #16

    „Aber doch zentral mit der Basis, daß dieses Elend gerade kein übergesellschaftlich, überhistorisch notwendiges unvermeidliches Geschehen ist, sonden „nur“ im Rahmen dieser kapitalistischen Gesellschaftsordnung seine brutale Sachzwang“logik“ hat.“ Wieso „doch“? Dein Argument enthält keinen Gegensatz zu dem von mir vorgetragenen Argument. Dass kapitalistisches Elend nichts überhistorisches ist, ist kein Versprechen, sondern eine Erklärung.
    „Und damit einher geht dann die Behauptung, daß es in der Tat „besser“ ginge, wenn die Menschen sich was anderes als das Abrackern als brave demokratische Lohnarbeiter vornehmen würden.“ Das wiederum ist keine Behauptung, sondern eine Folgerung aus der Erklärung des Kapitalismus. Wenn man eingesehen hat, dass Konkurrenz und Ausbeutung den allermeisten notwendig Schaden zufügt, dann folgt daraus, solche Verhältnisse möglichst abzuschaffen. Darus folgt auch, dass man das ökonomische Leben dann anders organisiert als den Gesatz von Privateigentümern. Ich hoffe du verstehst, dass das was anderes ist als ein Versprechen, das die Bürger mit ihrem vorfindlichen Bewusstsein mit einem diffusen „guten Leben“ ködern will.
    “ Die kommunistische Gesellschaft ist doch nicht einfach die „bessere“ kapitalistische Welt, sondern eben was anderes.“ Genau. Also selbst, wenn es so ein Verprechen „ein gutes Leben für alle“ gäbe. Dann müsste man sich doch mit den Kleinbügern beim Feierabendbier erstmal darüber streiten, was das denn überhaupt sein soll.
    „Nein, so determiniert, unvermeidlich geht das nicht. Da müssen sich Menschen immer wieder, höchstwahrscheinlich über eine lange Zeit entscheiden, „auf die Barrikaden“ zu gehen.“ „Ganz von selbst“ in meinem Zitat, steht im Gegensatz zu, „sie werden von Versprechungen auf die Barrikaden gelockt“. Sie selbst entwickeln diesen Willen, wenn sie über den Kapitalismus Bescheid wissen.
    „Und da können und werden auch zukünftig ne Menge derjenigen, die schon eine ganze Menge wissen, es früher oder später dann doch lassen.“ Bloß warum lassen sie es. Jedenfalls nicht, weil sie es nicht für notwendig halten würden und Kapitalismus plötzlich ganz toll finden, sondern weil sie sich keine Erfolgschancen für ein solches Vorhaben ausrechnen. Die sehen das dann so, dass kommunistische Politik ihnen beim Versuch zurechtzukommen im Weg steht. Die Zeit fehlt zum Konkurrieren, Geld anschaffen usw.

  17. 10. Juli 2011, 20:09 | #17

    Gut, Krim, als Widerspruch sollte man das „doch“ nicht nehmen. Andererseits will ich mich deinem „Dass kapitalistisches Elend nichts überhistorisches ist, ist kein Versprechen, sondern eine Erklärung“ auch wieder nicht so glatt anschließen. Die These ist nämlich für mich weder Versprechen noch Erklärung sondern eine Behauptung, die man aber beweisen kann/muß.
    Ja, zugestanden, das das/dein kommunistisches Projekt schon was anderes ist „als ein Versprechen, das die Bürger mit ihrem vorfindlichen Bewusstsein mit einem diffusen „guten Leben“ ködern will“. Und darüber muß man ganz offensichtlich mit all den Kleinbürgern schon nach so ungefähr fünf Minuten immer streiten, auch wenn kein Feierabendbier beteiligt sein sollte.
    Nur meine ich immer noch, das Willensentscheidungen nichts sind, was passieren „muß“. Es liegt in der Natur von Entscheidungen von Menschen, daß sie so oder so ausgehen können. Selbst Peter Decker hat mal in einem Vortrag gesagt, daß er sich vorstellen kann, irgendwann mal genug davon gehabt zu haben, all seine Energie auf die Agitation und die Überzeugung seiner Adressaten zu verwenden. Das hätte dann aber nichts mit deren Inhalten zu tun, sondern zumeist „nur“ mit den Erfolgsaussichten, da hast du sicher recht.
    Schlimm war ja der andere Typus, die Ex-Revoluzzer, die es mit dem Herankämpfen an die Revolution nicht nur in Scharen sein gelassen haben, sondern dem Projekt als solchem eine Absage erteilt haben, und vom Paulus wieder zum Saulus geworden sind sozusagen (der eine und die andere in Tat dann sogar auf religiöse Art und Weise).

  18. Krim
    10. Juli 2011, 21:42 | #18

    „Die These ist nämlich für mich weder Versprechen noch Erklärung sondern eine Behauptung, die man aber beweisen kann/muß.“ Klar. Ich habe oben ja auch methodisch gesprochen und da kannst du nicht erwarten, dass ich die Beweise/Erklärungen über die ich rede auch durchführe. Das würde sich mit der methodischen Ebene beißen.
    „Es liegt in der Natur von Entscheidungen von Menschen, daß sie so oder so ausgehen können.“ So klingt das wie ein Zufallsautomat. Münze werfen zum Beispiel. Entscheidungen haben Gründe und über die habe ich geredet. Deshalb will ich darauf beharren, dass aus der Erklärung der Verhältnisse, vernünftigerweise folgt, dass man sie ablehnt. Was man dann tut, ist was anderes. Da spielen andere Kalkulationen, die möglicherweise entgegenstehen auch eine Rolle.
    „Schlimm war ja der andere Typus, die Ex-Revoluzzer,…“ Allerdings. Die richten ihr theoretisches Urteil dann wieder, wie jeder andere, an ihrem Zurechtkommens-/Karriereinteresse aus.

  19. Samson
    10. Juli 2011, 22:14 | #19

    “ Die kommunistische Gesellschaft ist doch nicht einfach die „bessere“ kapitalistische Welt, sondern eben was anderes.“ Genau. Also selbst, wenn es so ein Verprechen „ein gutes Leben für alle“ gäbe. Dann müsste man sich doch mit den Kleinbügern beim Feierabendbier erstmal darüber streiten, was das denn überhaupt sein soll.

    Stattdessen redet ihr lieber davon, dass die kapitalistische Produktionsweise „weltweit“ einen Haufen Sauereien veranstaltet, wechselt also bloß die Abstraktionsebene und hackt auf der Humanismus praktizierenden Sozialarbeiterin rum, sie täte „akzeptieren also dass Armut und Elend notwendig dazugehören“..
    Seltsame Vorstellung von Humanismus, den es nur gibt, weil es Elend gibt. Die Umkehrung davon ist die Auflösung jeder Form von menschlicher Gesellschaft, weil die ohnehin nur Elend produziert, und es eben menschlicher Anteilnahme, meinetwegen Empathie nur „braucht“ (!!), solange es Elend gibt, gehts noch?
    Welchen Grund sollten Leute haben, eine Welt zu wollen, von der sie bloß erfahren, dass sie „eben was anderes“ als die jetzige sei, wenn es das, was sie als Menschen ausmacht, in jener ‚eben anderen‘ Welt gar nicht „braucht“? Warum also sollten sie aufhören, lieber „eng fokusierten“ als gar keinen Humanismus zu praktizieren.

    Traurig, daß auch Samson das antikommunistische Urteil teil, daß Kommunisten Gewalttäter seien.

    Ich schrieb nicht umsonst von praktizierenden Kommunisten, d.h. von denen, die eine Revolution wirklich gemacht haben, im Gegensatz zu uns, die wir nur darüber referieren, ob es eine war, und wenn ja, welche. Ich schrieb auch nicht, wie du pauschal zu behaupten beliebst, „daß Kommunisten Gewalttäter seien“ sondern dass ich es für eine Fehler halte, Leute, die Humanisten ohne kommnistische Überzeugung waren, zu erschießen oder ins Lager zu stecken, statt sie auf Grund ihres Humanismus für die, gemessen an diesem Humanismus, vernünftige Sache zu versuchen zu gewinnen resp. davon zu überzeugen. Und zwar, weil es m.E. ohne derlei meinetwegen ‚Menschelei‘ weder möglich ist, etwas gegen die Konkurrenz als historisches Überlebensprinzip noch etwas über ‚Vernunft‘ überhaupt zu sagen. Dann aber kann man noch nichtmal kapitalistische Sauereien anprangern, weil es keinen humanen Grund gibt, sie zu beseitigen.

    Es paßt dann leider auch wieder ganz gut zum Ausgangspunkt, keine ernsthafte Kritik an dem gelten lassen zu wollen, was auf Kuba seit der Revolution für eine Politik gemacht wurde …

    … ernsthaft ist eine Kritik kaum, die 1) „soziale Errungenschaften genannte Einrichtungen“ erst abkanzelt als „von der Sowjetunion aus eigenen staatspolitischen Zielen finanziert“, um anschließend umstandlos zu ‚kritisieren‘, dass jene Einrichtungen kassiert werden, obwohl die ’staatspolitschen Ziele‘ mitsamt dem vermeintlichen Geldgeber ins Nirwana entschwunden sind, 2) darauf rausläuft, ein wie immer geartetes „slightly improved Kuba“ zu prognostizieren, und das dann als ’nicht genug‘ zu monieren, gemessen woran eigentlich? Ach ja, „Die kommunistische Gesellschaft ist doch nicht einfach die „bessere“ kapitalistische Welt, sondern eben was anderes.“
    Dass es historische Zusammenhänge resp. materielle Zwänge geben könnte, die man zwar scheiße finden, aber nicht wegdiskutieren kann, spielt bei Kommunisten, die für ihr „Geschäft“ ausgeben, „die korrekte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, so gut man eben in der Lage ist diese zu leisten“, ohnehin keine Rolle. Als ob eine Diktatur des Proletariats, die ausschließlich auf Gewalt beruht(e), keine historische Notwendigkeit wäre, welche man als die Verhältnisse korrekt erklärender, Gewalt ablehnender Kommunist auch zu verwerfen hat.

  20. Krim
    10. Juli 2011, 23:50 | #20

    „Seltsame Vorstellung von Humanismus, den es nur gibt, weil es Elend gibt. Die Umkehrung davon ist die Auflösung jeder Form von menschlicher Gesellschaft,…“ Wenn die Umkehrung von Humanismus die Auflösung menschlicher Gesellschaft ist, dann besteht die menschliche Gesellschaft anscheinend aus Elendsbetreuenden Sozialarbeitern – oder wie?
    „und es eben menschlicher Anteilnahme, meinetwegen Empathie nur „braucht“ (!!), solange es Elend gibt, gehts noch?“ Wo ist jetzt dein Argument? „Geht’s noch“ ist nämlich keines.
    „Welchen Grund sollten Leute haben, eine Welt zu wollen, von der sie bloß erfahren, dass sie „eben was anderes“ als die jetzige sei“ Ein bißchen mehr erfahren sie schon. Nämlich dass Ausbeutung, Eigentum, Geld und was der kapitalistischen Schönheiten mehr sind, abgeschafft sind und stattdessen eine kommunistische Planwirtschaft zur Herstellung von Gebrauchswerten zur Bedürfnisbefriedigung eingerichtet wird. „wenn es das, was sie als Menschen ausmacht, in jener ‚eben anderen‘ Welt gar nicht „braucht“?“ Ach ja? Den Menschen macht also aus, dass es auf der einen Seite Elend gibt und auf der anderen Seite Sozialarbeiter die das Elend mildern. Du scheinst ja ganz genau zu wissen was „den Menschen“ so ausmacht von Natur aus. Wahrscheinlich liegen auch die Menschrechte in einer Gensequenz codiert vor.
    „Ich schrieb nicht umsonst von praktizierenden Kommunisten“ Also ist ein praktizierender Kommunist dasselbe wie ein erfolgreicher. Da kann ich natürlich nicht mitreden. Dann haben wir verschiedene Auffassungen darüber, was ein Kommunist ist und dann musst du dich auch an diese Kommunisten wenden.
    „Und zwar, weil es m.E. ohne derlei meinetwegen ‚Menschelei‘ weder möglich ist, etwas gegen die Konkurrenz als historisches Überlebensprinzip noch etwas über ‚Vernunft‘ überhaupt zu sagen.“ Wem hast du denn dieses Prinzip denn nun wieder abgelauscht. Meiner Ansicht ist das Geschafel von der „Konkurrenz als historisches Überlebensprinzip“ einfach eine saudumme Ideologie und sonst nichts. Also ehrlich! Wegen einer dummen Ideologie, die du für unwidersprechlich hältst, soll man den Humanismus brauchen. Jetzt sage ich mal: Geht’s noch.
    „Dass es historische Zusammenhänge resp. materielle Zwänge geben könnte, die man zwar scheiße finden, aber nicht wegdiskutieren kann, spielt bei Kommunisten, …, ohnehin keine Rolle.“ Ja ist das so? Wahrscheinlich meinst du wieder deine Schreckkommunisten, die ständig Leute an die Wand stellen.
    „Als ob eine Diktatur des Proletariats, die ausschließlich auf Gewalt beruht(e), keine historische Notwendigkeit wäre,“ Schon wieder redest du von deinen Schreckkommunisten. Eine historische Notwendigkeit für die Diktatur des Proletariats, die zu allem Überfluss „ausschließlich auf Gewalt beruht“ ist mir nicht bekannt.

  21. Samson
    11. Juli 2011, 08:08 | #21

    Wenn die Umkehrung von Humanismus die Auflösung menschlicher Gesellschaft ist, dann besteht die menschliche Gesellschaft anscheinend aus Elendsbetreuenden Sozialarbeitern – oder wie?

    Du unterstellst doch den Sozialarbeitern, sie täten Elend als „notwendig“ akzeptieren, damit sie es „betreuen“ können. Humanismus „braucht“ es gemäß deinem Postulat eben als „Elendsbetreuung“ und deswegen findest du den Scheiße. In dieser Diktion unterstellst du auch jedem Mediziner, dass er die Krankheiten, die er behandelt, indem er seine Patienten ‚betreut‘, als ebenso „notwendig“ akzeptiert, dass ist der Punkt.
    Der Gedanke dagegen, dass es „Elend“ überhaupt nur gibt, weil es nicht notwendig ist, also weil es die historisch erst zu entwickelnde Möglichkeit gibt, so etwas wie ‚allgemeinen‘ Reichtum zu produzieren, wozu es ein paar ebenso erst historisch erst zu entwickelnder Produktionsmittel bedarf, es also „Elend“ überhaupt nur als Gegensatz resp. Widerspruch zu ‚Reichtum‘ ebenso wie ‚Obdachlosigkeit‘ nur als Gegensatz zu leerstehenden Behausungen gibt oder Verhungernde nur als Gegensatz zu unbenutzten Lebensmitteln, solche Gedanken kommen einem nicht, dem’s daran liegt, die Verhältnisse „korrekt erklärt“ zu bekommen.
    Der Schluss dieser „korrekten“ Erklärung lautet kosequenterweise …

    … dass Ausbeutung, Eigentum, Geld und was der kapitalistischen Schönheiten mehr sind, abgeschafft sind und stattdessen eine kommunistische Planwirtschaft zur Herstellung von Gebrauchswerten zur Bedürfnisbefriedigung eingerichtet wird …

    … dass Gebrauchs- und Tauschwert nur als sich widersprechende Elemente eines Zusammenhangs existieren, fällt dabei halt untern Tisch. Denn der Gegensatz wird umstandslos aufgelöst, indem die eine Seite einfach per Willensvotum „abgeschafft“ ist, wodurch die andere Seite bestehen bleibt. So ähnlich denkst du dir ja auch die Beseitigung des Elends, wodurch der Reichtum übrigbliebe. Zur praktischen „Bedürfnisbefriedigung“ brauchts Sachen und keine Werte. Diese Sachen wären das zur Bedürfnisbefriedigung notwendige ebenso wie die dazu unabdingbaren Produktionsmittel.

    Also ist ein praktizierender Kommunist dasselbe wie ein erfolgreicher. Da kann ich natürlich nicht mitreden.

    Du kannst offenbar nur Verhältnisse aus historischen Zusammenhängen reißen, um sie „korrekt“ zu erklären. Es ist eben ein Unterschied ob man etwas Vorhandenes aus seinen Gesetzmäßigkeiten erklärt, weil die Herkunft nach allen menschlichen Maßstäben ohnehin unbegreiflich ist und diejenigen angreift, die wie bspw. die Religionen behaupten, schon der Versuchen, es zu begreifen sei Frevel; oder ob man beim korrekten Erklären so tut, als ob das Vorhandene sich bloß der mangelnden Einsicht der Betroffenen verdankt.

    Eine historische Notwendigkeit für die Diktatur des Proletariats, die zu allem Überfluss „ausschließlich auf Gewalt beruht“ ist mir nicht bekannt.

    Klar, du überzeugst die Leute mit der korrekten Erklärung, bei kommunistischer Planwirtschaft kämen Gebrauchswerte zur Bedürfnissbefriedigung raus. Das ist dasselbe Level, das du hier schon gebracht hast, zu bestreiten, dass der Beschiss in der kapitalistischen Produktion auf dem Ankauf der Ware Arbeitskraft basiert, weil ja „im Durchschnitt Äquivalente getauscht“ würden o.s.ä.
    Wenn es nur korrekter Erklärungen dieser Art bedarf, stellt sich schon die Frage, wozu eine proletarische Revolution taugen soll. Dann aber ist jede kommunistische Kritik Nonsens, weil die „Castristen“ erwiesenermaßen keine Kommunisten waren, aber von den Leute, die sie in der Tat befreiten, unterstützt wurden und in der Mehrheit wohl auch noch werden.

  22. 11. Juli 2011, 10:03 | #22

    Samson, da ja der Ausgangspunkt unseres jetzigen Disputs das revolutionäre Kuba war, frage ich mich jetzt ernsthaft, ob für dich wirklich kein prinzipieller Unterschied zwischen der „praktizierenden Sozialarbeiterin“ hier und Fidel und Che dort besteht (soviel übrigens auch zum Thema „weltweit“)?
    Denn selbst wenn jemand neben seinem konkreten Sozialarbeitertum immer hinzufügt, daß das natürlich nicht genug sei, daß man schon noch an die Wurzeln der Armut gehen müsse, kommt doch regelmäßig höchstens sowas raus wie die der Aufruf zur Subvention von Schulbüchern in Ostafrika.
    Eher „seltsam“ kommt mir dein Statement vor

    „Seltsame Vorstellung von Humanismus, den es nur gibt, weil es Elend gibt. Die Umkehrung davon ist die Auflösung jeder Form von menschlicher Gesellschaft, weil die ohnehin nur Elend produziert.“

    Wie Peter Decker z.B. immer wieder in seinen Vorträgen zur Kritik der Moral ausführt, ist seine Empfehlung gerade nicht das amoralische/sündhafte/verbrecherische Verhalten, das die Vertreter des moralischen Denkens als Begründung für ihr Denken vorbringen. Genauso ist die Ablehnung der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft, die notwendigerweise die Elendslebenslagen hervorbringt, derer sich dann die moralisch integren Humanisten annehmen dürfen und sollen, nicht die Ablehnung „jeder Form von menschlicher Gesellschaft“, sondern der Aufbau einer Gesellschaft, in der sich die Menschen anders aufeinander beziehen und gerade nicht mehr als atomisierte Konkurrenzler mit dementsprechendem Bewußtsein durchschlagen.
    Und ja, deinen Humanismus als Abfederung der systematischen Verelendung der Massen „braucht“ es dann nicht mehr, wenn die Bedürfnisse schon grundsätzlich der Ausgangspunkt und der Zweck der sozialistischen Gesellschaft und Wirtschaftsweise sein werden.
    Wenn du offensichtlich wirklich ernsthaft fragst

    „Welchen Grund sollten Leute haben, eine Welt zu wollen, von der sie bloß erfahren, dass sie „eben was anderes“ als die jetzige sei, wenn es das, was sie als Menschen ausmacht, in jener ‚eben anderen‘ Welt gar nicht „braucht“?“

    dann ist das wieder das grundlegende Mißverständnis, Kommunisten wollten mit den Konkurrenzlern mit deren Sonntags-Humanismus eins-zu-eins in den Sozialismus aufbrechen. Bzw. es ist die klassische bürgerlich pessimistische Vorstellung, daß der Mensch anders als Konkurrenzler, wenn auch moralisch veredelt, gar nicht denkbar sei. Dann sind natürlich die Menschen a la Bill Gates geradezu die Krone der Schöpfung. Was tut der nicht für Gutes!!
    Bei deinen „Gewaltkommunisten“ bin ich mir nicht sicher, was du damit eigentlich sagen willst: Ich glaube eigentlich nicht, daß du noch ein alter Stalinist mit Gulag-Schaum vor dem Mund bist, sowas gibt es ja nur noch bei blogsport als komische Karikatur und vielleicht bei einer Handvoll von Altgenossen der Linkspartei, die immer noch mit der Geschichte hadern. Andererseits bist du ja Fan der kubanischen Revolution, die zuerst nur mit reichlich Gewalt gegen das Batista-Regime überhaupt gewonnen hat und seitdem sich auch mit ner Menge Gewalt nach Innen und nach Außen über Wasser gehalten hat. Du bist ja wohl kein Gandhi-Fan, sondern kannst „robustem“ Klassenkampf schon was abgewinnen. Nur gegen die Pfaffen mit ihrem Moralismus, da sollte man deiner Meinung nach Milde walten lassen, nun gut. Da will ich mich ganz knapp nur Krim anschließen, der geschrieben hat:

    „Eine historische Notwendigkeit für die Diktatur des Proletariats, die zu allem Überfluss „ausschließlich auf Gewalt beruht“ ist mir nicht bekannt.“

  23. 11. Juli 2011, 10:58 | #23

    Samson, zu deinem Mediziner-Beispiel:
    Wenn der Chef des US-Army-Krankenhauses in Ramstein stolz erzählt, wie seine Ärzte reihenweise Irak-Krieg-Soldaten wieder zusammengeflickt haben, dann kann man so jemandem schon entgegenhalten, daß es solch einen im Einzelfall heroischen Einsatz nicht bräuchte, wenn es diesen Krieg nicht gäbe, und es sowieso nicht so sonderlich prickelnd ist, wenn die Soldaten nur für den einzigen Zweck wieder aufgepäppelt werden, damit sie wieder an die Front können. Der Rote-Kreuz-SSler hatte in dieser Hinsicht auch die gleiche Position wie der Waffen-SSler, um ein anderes historisches Beispiel zu bringen.
    Ganz grundsätzlich wirst du, wenn du „die historisch erst zu entwickelnde Möglichkeit“ anführst, die angeblich so viel verunmöglichen würde. Daß du selbst den Kalauer bringst, daß nichts zu verteilen ist, wo es nichts gibt, das paßt dann schon wieder. Gerade am Beispiel Kuba könnte man nämlich recht gut herausarbeiten, was den eine vernünftige Bestandsaufnahme, was denn vor Ort da ist, benötigt wird und produziert werden kann, zu tun hat mit den engen Grenzen, derer sich die damals ausgesetzt sahen. Denn daß es Anfang der 60er nur auf Kuba allein an so gut wie allem Wesentlichen gefehlt hat, daß weißt du doch auch. Das konnten die Kubaner doch jedem TV-Sender der USA entnehmen. Die haben doch immer den virtuellen Reichtum von Miami als Argument gebracht.
    Es mag manche Perioden der Menschheit gegeben haben, wo es wirklich nichts zu verteilen gab, z.B. während des 30-jährigen Krieges. Aber selbst in vergleichsweise mageren Epochen vor dem Sieg des Kapitalismus gab es regelmäßig ein „Mehrprodukt“, das sich die herrschende Klasse angeeignet und für ihre Zwecke verballert hat. Das gilt heutzutage hundert- oder tausendfach. Heute ist das Hungerelend so weiter Teile der Welt nun wirklich nicht mehr darauf zurückzuführen, daß es nicht genügend Lebensmittel gäbe oder diese beim besten Willen einfach nicht herzustellen wären. Der Zweck der heutigen Landwirtschaft, wie der Wirtschaft überhaupt, ist es einfach nicht, die Menschen satt zu machen, das galt für das vorrevolutionäre Kuba grundsätzlich und konkret natürlich sowieso. Und solange die Revolution auf Kuba beschränkt blieb, galt und gilt es erstmal weiter. Genau deshalb gilt ja immer noch, daß über das Schicksal Kubas in New York und Chicago entscheiden wird und nicht auf Kuba. In Japan oder Deutschland (und zunehmend in China) werden die Produktionsmittel hergestellt, die in Kuba benötigt werden. Dort muß eine Revolution her, sonst haben Gegenden wie Kuba wirklich keine sonderlich erquickliche Perspektive. Denn da gebe ich dir ja recht:

    „Zur praktischen „Bedürfnisbefriedigung“ brauchts Sachen und keine Werte.“

    Wenn man das nicht als Programm hat, dann greift man gern auf Moralismus und andere Vertröstungen zurück. Da waren die Castristen nicht besser als jeder Pfaffe hierzulande.

  24. Samson
    11. Juli 2011, 13:50 | #24

    Samson, da ja der Ausgangspunkt unseres jetzigen Disputs das revolutionäre Kuba war, frage ich mich jetzt ernsthaft, ob für dich wirklich kein prinzipieller Unterschied zwischen der „praktizierenden Sozialarbeiterin“ hier und Fidel und Che dort besteht (soviel übrigens auch zum Thema „weltweit“)?

    Freilich bestehen Unterschiede, sogar solche prinzipieller Art. Gegen deinen US-Militärarzt oder die SS-Rot-Kreuzler ließen sich bspw. Albert Schweitzer oder meinetwegen Mutter Teresa aufzählen. Ich würde auch unterscheiden zwischen denen und dem Eigentümer eines privaten Pflegedienstes, der nicht mal auf den Gedanken kommt, mit seinen 400-Euro-Angestellten, die sich zwangsweise zu Verkehrsrowdies machen, weil sie zwischen den Patienten hin und her hetzen müssen, wenigstens eine Genossenschaft zu versuchen. Dass die dann immer noch vom ‚Segen‘ einer x-beliebigen Bank abhängen, die für Investitionen eine Gewinnplan vorgelegt haben will, bestreite ich doch gar nicht.
    Gleiches gilt für bspw. alle Arten von ‚insolventen‘ Unternehmen, die darauf beharren, es gäbe für ihre Produkte einen Markt und deren ‚Insolvenzverwaltern‘ nichts anderes einfällt, als ‚risikobereite Investoren‘ zu suchen, wo auch ohne Verhältniskritik jeder weiß, dass das ‚Risiko‘ einzig die ‚Lohnabhängigen‘ betrifft, deren Arbeitskraft dem ‚Marktpreis anzupassen‘ ist o.s.ä. Und wenn schon die Leute an der Gewrkschaftsbasis, also ausdrücklich nicht die sesselfurzenden Gewerkschaftsfunktionäre, ins selbe Horn stoßen, dann sage ich, mit kommunistischer Kritik am Verhältnis erreicht man bei denen nichts, sondern ist geradezu gezwungen, die Abstraktionsebene zu wechseln und auf die globalen kapitalistischen Sauereien zu verweisen, bspw. darauf, dass nicht die „Castristen“ den eigenen Leuten die Lebensgrundlage entziehen wollen, sondern „daß über das Schicksal Kubas in New York und Chicago entscheiden wird und nicht auf Kuba“. Die Unterscheidung muss man aber erstmal machen, bevor man behauptet, deren Interesse bestünde darin, am ‚Weltmarkt‘ mitzukonkurrieren.
    Ums mal ganz abstrakt zu formulieren, du hast derlei ja mit dem Verweis auf nicht im eigene Land produzierte Sachen selber ‚angeschubst‘: Gesetzt, es war so, 1) Castro, Che etc. waren keine Kommunisten, haben aber eine Revolution gemacht und 2) nachdem sie bei den Amis erfolglos um ‚gut Wetter‘ gebettelt hatten, eine meinetwegen ‚Variante‘ (Einheitslohn, kostenlose Krankenversorgung, Bildung etc) von Staatskapitalismus ‚eingerichtet‘, dieser wurde 3) von der SU aus ’staatspolitischen Gründen‘ finanziert. Dann ergibt sich 4) die Frage nach dem ’staatspolitischen‘ Zweck der SU.
    Und diesbezüglich zu sagen, die wollten halt eine Raketenbasis vor der Haustüre der Amis, halte ich wieder für ‚zu eng fokusiert‘ (und zwar nicht nur, weil die zu der Zeit längst über ‚Interkontinental‘-Raketen verfügten). Nahezu alles, was sich ’nationale Befreiungsbewegung‘ nannte und vorgab, einen ’nichtkapitalistischen‘ Weg gehen zu wollen, wurde vom RGW ebenso unterstützt. Nach ’68, also nach der Breshnew-Doktrin, sind nur eine ganze Reihe ’nationale Oligarchien‘, die zwar die Kolonialherren loswerden wollten, aber niemals Kommunisten waren, wieder ‚abgesprungen‘, weil sich die Hierarchiespitzen von der Teilnahme am ‚Weltmarkt‘, deren Voraussetzung die Ausplünderung der eigenen Leute war, genauso persönliche Bereicherung versprachen wie zuletzt die selbsternannten Eliten im RGW selber.
    Dem kompletten RGW mangelte es die ganze Zeit über nicht nur an Produktionsmitteln sondern gleichzeitig und vor allem stets an Arbeitskräften. Womöglich hat jeder, der an die Uni ging, in der industriellen Produktion gefehlt. Es gab im ganzen Ostblock niemals eine ‚industrielle Reservearmee‘, die als Lohndrücker fungiert hätte. Gleichzeitig hieß die Staatsdoktrin eben ’soziale Errungenschaften‘, was m.E. gerade kein ’staatliches Beglückungsprogramm‘ o.s.ä. war.
    Daran muss man die Kritik messen, die jetzt moniert, dass die Cubaner gezwungen werden, ihren Haushalt zu sanieren, weil die Produktionsmittel, die sie brauchen, vom ‚Weltmarkt‘ und nicht mehr von Genossen kommen. Im Übrigen ist es nicht so, dass die cubanische Regierung die Leute auf die Straße schmeißt, um ‚Kosten zu sparen‘, sondern sagt, in der Verwaltung werden sie nicht gebraucht, dafür andernorts. Die Masse der Arbeiter wird wahrscheinlich der Regierung rechtgeben, wenn die sagt, statt vom Staat ‚durchgeschleppt‘ zu werden, sollen die halt arbeiten gehen. Und daran muss man m.E. auch das Ansinnen messen, Ackerland zu privatisieren, um es nicht brach liegen zu lassen. Ob es meinetwegen ‚bewusstseinsmäßig‘ machbar wäre, die in der Verwaltung offenbar ‚überflüssigen‘ Leute zum Ackerbau zu ‚bewegen‘, weiß ich nicht, halte es aber für zweifelhaft.
    Verglichen damit ist m.E. auch egal, ob es als ‚NEP-Revival‘ gedacht ist oder nicht, die Gefahr, quasi durch die Hintertür Kapital wieder reinzulassen (schon wegen der vom ‚Weltmarkt‘ zu beziehenden Produktionsmittel), besteht allemal. Deswegen sage ich ja auch, was die ökonomisch machen, ist ausgesprochen zweifelhaft.
    Dass ist aber qualitativ was ganz anderes, als wenn in den Metropolen das Kapital die Regierung anspitzt, auf dem ‚Umweg‘ über ‚Sozialabau‘ die Leute zu zwingen, für weniger Lohn zu arbeiten oder als Arbeitslose mit immer weniger ‚Stütze‘ auszukommen resp. an der ‚Peripherie‘, also außerhalb der Metropolen, gleich vor die Hunde zu gehen (und diesen Zusammenhang herzustellen, ist dann nicht mehr so abstrakt, auch in Diskussionen mit Kleinbürgern, gerade weil die ein ’nationales Brett vorm Kopp‘ haben).
    Im Übrigen, na klar, bin ich kein Gandhi-Fan, und kann robustem Klassenkampf was abgewinnen. Was ich explizit an Gandhi kritikabel finde ist, dass er die Briten als Kolonialherren loswerden, aber das Kastensystem (m.W. als ‚Zugeständnis‘ an irgendwie nationale Befindlichkeiten o.s.ä.) nie in Frage stellte. Mutter Teresa dagegen sah die Notwendigkeit, angesichts des Elends praktisch was zu machen, und zwar ausdrücklich ohne nach dem Glauben der von ihr ‚Betreuten‘ zu fragen.
    Letztlich läuft die Frage zwischen Gandhi und Mutter Teresa vermutlich auf die zwischen Luther und Müntzer raus. Den Glauben an einen Gott mag man teilen oder nicht, dass es keinen gibt, lässt sich nicht beweisen, aber die noch jedes Ausbeutungssystem ‚legitimerende‘ religiöse Behauptung, dieses in Frage zu stellen sei frevelhaft, weil wider ‚Gottes unergründlichen Ratschluss‘ o.s.ä. ist selbstverständlich zu bekämpfen. Deswegen schließt ja die Parole ‚Friede den Hütten, Krieg den Palästen‘ die Paläste der Kirchenfürsten ausdrücklich mit ein.
    Allerdings halte ich für unwahrscheinlich, dass die Cubaner oder auch Venezuela, Bolivien etc. jetzt Kommunismus machen wollen. Eher denke ich, der ‚Süden‘ wird sich die Ausplünderung durch den ‚Norden‘ nicht mehr sehr lange gefallen lassen. Die Frage ist für mich weniger, wie das Kapital resp. dessen Regierung darauf zu ‚reagieren‘ gedenkt, sondern ob die Kleinbürger ewig so national borniert bleiben, dem Kapital bei wirklich jeder Sauerei Gefolgschaft zu leisten. Um sie zur Aufkündigung derselben zu ‚bewegen‘ taugt m.E. im Augeblick die ‚korrekte Verhältniskritik‘ weniger als die ‚Moralkeule‘, grade weil die ihre Grenzen am ‚Weltmarkt‘ hat und daher zwangsläufig mit diesem in Konflikt gerät. Die um meinetwegen Humanisten um ‚Gottes Willen‘ wird man vermutlich aber erst an dieser Stelle ‚abholen‘ resp. davon überzeugen können, dass es bspw. kein ‚richtiges Leben im Falschen‘ gibt resp. selbst Auschwitz der grundsätzlich menschenverachtenden Logik des Kapitals gehorchte.

  25. 11. Juli 2011, 19:53 | #25

    Natürlich rechne ich auch damit, daß sich ab und zu Leute hier einfinden, die SOS-Kinderdörfer, Mutter Theresa oder Aktion Sorgenkind für was Tolles halten. Weil sie es nicht besser wissen, wäre ich dann erst mal bereit, ihnen zu konzedieren.
    Aber bitte, Samson, willst du dich wirklich mit einem x-beliebigen Konfirmationspfarrer ideologisch auf eine Stufe gestellt wissen? Weil die was „Praktisches“ machen, machen die was Sinnvolleres als Kommunisten??
    Es wundert mich bei dir als immer noch strammer Freund des stalinistischen Konzepts von „Sozialismus in einem Land“ nicht, daß du nun auch noch das noch blödere hohe Lied der wackeren kleinen Genossenschaften im Meer der Konkurrenzhaie singst. (Hast du eigentlich selber sowas auch mal wirklich versucht, bist du wenigstens ein schon lange legalisierter ehemaliger Hausbesetzer?). Und ja sogar gleich einräumst, daß es selbst in diesen antikapitalistisch gedachten Inseln im Kapitalismus nicht ohne „Gewinnplanungen“ abgeht. Da macht es dann übrigens auch nicht mehr so sonderlich viel, ob man das, was der Kapitalismus verlangt, „will“ oder nur „muß“.
    Du bist so verdächtig schnell dabei, die kubanische Geschichte auf einmal ganz nüchtern ohne „kommunistischen“ Glanz zu beschreiben. Nur auf deine Sowjetunion (oder meinetwegen den ganzen RGW, der hat ja in der Kuba-Frage mehr oder weniger zähneknirschend mitgezogen) willst du immer noch nichts kommen lassen. Geschenkt, jedenfalls hier, wo es mir in erster Linie um Kuba geht und nicht um die letzten Jahrzehnte des „Realsozialismus“ insgesamt. Und da bin ich schon etwas verblüfft, wie locker dir da aus der Feder geht “ dass die Cubaner gezwungen werden, ihren Haushalt zu sanieren“. Das hört man hier auch bei jeder Betriebsversammlung, bei der erzählt wird, daß ein Teil des Ladens zugemacht werden soll. Geradezu zynisch ist deine Verteidigung des jüngsten Regierungskurses, “ Im Übrigen ist es nicht so, dass die cubanische Regierung die Leute auf die Straße schmeißt, um ‚Kosten zu sparen‘“. Als wenn den vielen Abertausenden nur endlich vorgeschlagen würde, was vernünftiges zu arbeiten, was unverständlicherweise vorher niemandem aufgefallen war, weder in der Regierung noch bei den Regierungsarbeitern. Warum du dann großzügig konzedierst, „Deswegen sage ich ja auch, was die ökonomisch machen, ist ausgesprochen zweifelhaft.“ erschließt sich mir angesichts der vorherigen Verteidigung des Kurses übrigens nicht.
    Eines will ich dir übrigens ohne weiteres zugestehen: Auch ich halte es „für unwahrscheinlich, dass die Cubaner oder auch Venezuela, Bolivien etc. jetzt Kommunismus machen wollen“. Es gibt leider dort offensichtlich genauso viele Politmenschen, die ihnen das ausreden wie hier.

  26. Samson
    12. Juli 2011, 14:24 | #26

    Na ja, Neo, ich sehe die Angelegenheit vielleicht immer schon bischen differenzierter, meinetwegen in historischem Kontext o.s.ä. Für meine Begriffe spielen sich konkretes Handeln nach quasi der Warengesetzmäßigkeit widersprechenden Kriterien und die Kritik an Verhältnissen, deren Grundlage diese Warengesetzmäßigkeit darstellt, nicht auf derselben Ebene ab. Deswegen gibts bei mir die Unterscheidung nicht, Humanismus = Elendsbetreung = Scheiße, weil Elend akzeptierend; dran gemessen Aufdröseln der Elends-Ursachen = Sinnvoll, weil Elend abschaffen wollend, wenngleich dazu nicht in der Lage.
    Bei dir stellt sich die von dir ernstgemeinte Kritik doch regelmäßig auch nur so dar, dass du über ‚ja, aber‘ nicht rauskommst, wenn du festhältst, „selbst wenn jemand neben seinem konkreten Sozialarbeitertum immer hinzufügt, daß das natürlich nicht genug sei, daß man schon noch an die Wurzeln der Armut gehen müsse, kommt doch regelmäßig höchstens sowas raus wie die der Aufruf zur Subvention von Schulbüchern in Ostafrika.“ Dagegen, dass man gegenüber solchen Sozialarbeitern die Verhältnisse gerade rückt, sage ich doch gar nichts. Nur soll man 1) nicht so tun, als wäre was gewonnen, wenn die von Sozialarbeitern zu Hausbesetzern mutier(t)en und 2) erst recht nicht behaupten, derlei Sozialarbeit sei falsche Humantätsduselei, weil diejenigen, die sie ausdrücklich ohne Karriereambitionen ausführen, ihre Klientel resp. deren Amut, Elend etc. notwendig voraussetzen täten. Das ist m.E. hirnrissiges Rummäkeln an vom Kritiker missverstandener Moral, der unausgesprochen unterstellt, der Begriff, den er sich von einer Sache macht (in dem Fall eben von kapitalistischer Produktionsweise), sei mit dieser identisch. Die Schlussfolgerung aus der Art Kritik ist die ebenso regelmäßige wie vorwurfsvolle Verunderung darüber, dass man mit seiner Kritik bei den Kritisierten bestenfalls Unverständnis auslöst. Den Schluss, dass die sich nur denselben Begriff von der Sache zu machen brauchen, um dann die Einsicht zu gewinnen, doch besser gleich die Ursachen der Scheiße zu beseitigen, statt ‚bloß‘ an Symptomen rumzukurieren, den Schluss wollen die Kritisierten zum Ärger des Kritikers einfach nicht ziehen.
    Das Missverständnis solcher Art von Kritik ist nicht, dass die Kritik resp. der Begriff von der Sache von vornherein falsch wäre, sondern dass man umstandslos alles Vorgefundene dem Begriff unterordnet, von dem man eben nicht sicher weiß, ob er die Sache auch wirklich trifft. Die Konsequenz daraus ist 1) dass man auf Fragen, wie’s konkret anders ginge, entweder so schwülstige Ungetüme wie ‚kommunistische Planwirtschaft zwecks Gebrauchswerten‚ etc. pp. produziert, oder wie der GSP sich damit rausredet, das ginge doch ohnehin aus der Kritik hervor und also sei es müßig, sich an Spekulationen zu beteiligen. Im Übrigen soll(t)en sich die Frager doch erstmal den Begriff von der Sache zueigen machen. (Beim diesbezüglich verdienstvollen Kohleofen finden sich Links zu Bordiga-Seiten; da erklärt Bordiga in einem Interview, dass es zwischen ihm und Gramsci zum politischen Zewürfniss auf Grund von ‚Weltanschauungsfragen‘ gekommen ist)
    2) Den Begriff von der Sache vorausgesetzt, also diese mit jenem als identisch deklariert, macht man denselben Fehler, den vor dir bspw. schon Ernest Mandel in der „Einführung in den Kommunismus“ begangen hat, nämlich zu sagen, analytisch habe es stets ein Mehrprodukt gegeben, welches die Herrschaft quasi verfuttert habe. Unterschlagen wird dabei nämlich, dass der Begriff von der Sache deren Analyse vorausgesetzt ist, jene aber gleichzeitig etwas von den vorangegangenen Epochen wesentlich Verschiedenes darstellt und es deswegen erforderlich ist, sie gerade nicht historisch aus ihrer Herkunft sondern logisch aus ihrer Gesetzmäßigkeit zu bestimmen. Andernfalls hätte Marx sich den ganzen Aufwand mit der Warenanalyse auch schenken können.
    Solange die Mehrwert stiftende Arbeitskraft nämlich keine Ware ist, hat sie folglich nicht Gebrauchs- und Tauschwert, worin letzterer analytisch als gesellschaftlicher Durchschnitt der zum physischen Erhalt notwendigen Lebensmittel quantifizierbar ist. Derlei Bestimmung hat selber wieder logisch zur Voraussetzung, dass die Lebensmittel als ‚Äquivalent‘ der so konstituierten Arbeitskraft tatsächlich existieren. Ohne diese Bestimmung ist es aber Nonsens zu sagen, es habe in vorkapitalistischen Epochen ein dies, analytisch bestimmte, notwendige Produkt quasi übersteigendes Mehrprodukt gegeben, welches sich als Reichtum rechtmäßig im Besitz der Eigentümer der Produktionsmittel befindet, weswegen es auch einer Revolution bedürfe, um dies Eigentumsverhältnis übern Haufen zu werfen, damit die wirklichen Produzenten in den Genuss der Produkte ihrer Arbeit kämen o.s.ä.
    Sinn machen derlei Erklärungen offenbar ohnehin nur, wenn diese wirklichen Produzenten sich gegen die Bedingungen wehren, unter denen ihre Arbeitskraft einem ihren eigenen materiellen Interessen entgegesetzten Zweck unterworfen sind und andernfalls als Arbeitskraft vollkommen unbrauchbar ist, daher weder Gebrauchs- noch Tauschwert hat. Weil dieses Sich-zur-Wehr-setzen nie wirklich ‚die Massen‘ bewegte, gabs die ganze Zeit über Leute die das ‚berufsmäßig‘ taten und von denen die Theoretiker auch nur ein (niemals geschlossen, also nach übereinstimmender ‚Weltanschauung‘ agierender) Teil gewesen ist.
    Erreicht man die Massen nicht, will aber die Marxsche Prämisse nicht aufgeben, sich mit keinen Verhältnissen abfinden zu wollen, unter welchen Menschen unterdrückte, ausgebeutete, gequälte, verdummte, entmündigte Wesen sind, dann muss man sich ggf. an diejenigen halten, die diese Prämisse teilen, und zwar gleichgültig aus welchen Überlegungen resp. auf Grund welcher ‚Weltanschauung‘. Teilt der Konfirmationspfarrer (den ich als Atheist bestenfalls in der Kneipe träfe) die Prämisse, der nach Meistertitel, ‚eigenem Geschäft‘ resp. Haus + Segelboot als Nachweis, es ‚geschafft‘ zu haben, strebende Handwerksgeselle dagegen nicht, dann rede ich mit dem Pfarrer. Den Gesellen erreicht man offenbar nichtmal dann, wenn er als Arbeitsloser im Jobcenter nur beschissene Angebote bekommt, aber Frau und Kind zu ‚versorgen‘ hat. Der denkt nämlich eher darüber nach, auszuwandern und sein ‚Glück‘ woanders zu versuchen, was eben heißt, sich von der Konkurrenz was zu versprechen, die aber ist mit jener Prämisse unvereinbar. Der Pfarrer hat dagegen eine Vorstellung von Menschheit, und ob die falsch begründet ist, spielt für mich keine Rolle. Ohne solche Vorstellung ist es aber m.E. witzlos, von ‚Verein freier Produzenten‘ etc. zu reden, weil sich damit für den Handwerker bestenfalls die Vorstellung seiner Handwerkergilde verbindet, die ’naturgemäß‘ gegen andere Gilden ‚wettbewerbt‘.

    Du bist so verdächtig schnell dabei, die kubanische Geschichte auf einmal ganz nüchtern ohne „kommunistischen“ Glanz zu beschreiben.

    Den ‚Glanz‘ könntest du m.E. überhaupt nur einfordern, wenn die cubanische Revolution von Kommunisten gemacht worden wäre. Die ‚Realsozialisten‘, über die du offenbar (m.E. weil ahistorisch) eh nur was zu mosern hast, haben nie, wirklich niemals behauptet, Kommunismus zu veranstalten (die KPdSU hat mal behauptet, den Sozialismus ‚vollendet‘ zu haben und sich auf dem Weg zum Kommunismus zu befinden). Ob die sich beim Konstrukt ‚Übergangsphase‚ mit Recht auf Marx beriefen, ist eine ganz andere Frage. Was man daran kritisieren kann, kritisiere ich die ganze Zeit schon, nämlich dass Mehrwert nichts ist, was man i.d.S. von davon ’soziale Errungenschaften‘ finanzieren vergesellschaften könnte, ‚sozialistischer Mehrwert’ demgemäß Humbug ist, weil es um einen Mehrwert zu bekommen, wie oben skizziert kapitalistischer Produktionsweise bedarf. Diesbezügl. hatte Che absolut Recht, mit kapitalistischen Methoden kann man keinen Sozialismus machen, der sich auf die Fahne schreibt, die ‚Ausbeutung des Menschen durch den Menschen‘ beseitigt zu haben. Solchen Zusammenhang begreift man aber nicht, wenn man umstandslos den Reichtum meinetwegen des Adels als ‚Mehrprodukt‘ postuliert und die Kategorien eines bestimmten Verhältnisses allen nur denkbaren Verhältnissen überstülpt. Und das dann eben auch nur, um wirkliche soziale Errungenschaften bischen kleiner machen zu können, als sie historisch tatsächlich sind.
    Ums noch drastischer zu formulieren: Der ‚Sozialstaat‘ der Metropolen war die politische Antwort auf den (aus der Not heraus geborenen) ‚Sozialismus in einem Land‘ und verdankt sich ökonomisch der Ausplünderung der sog. 3.Welt, an der die Werktätigen der Metropolen per Konsumentenkredit sukzessive beteiligt wurden. Demgegenüber war die RGW-‚Arbeitsproduktivität‘ stets zu gering, um als Arbeiter-Paradies ‚verlockend‘ und gleichzeitig solidarisch gegenüber den dem ‚Weltmarkt‘ abgerungenen ‚Inseln‘ zu sein, um die nicht auszuplündern. Die mussten sich eben dazwischen entscheiden. Aber die Entscheidung fiel m.W. niemals zähneknirschend zugunsten der ‚Inseln‘ aus. Ganz im Gegensatz dazu kommst du ohne Verweis darauf, über was du jetzt nicht reden willst, gar nicht dahin zu sagen, es sei ja eigentlich Scheiße, dass die keinen Kommunismus machen.
    Btw, es gibt auch haufenweise MLer, die deiner Ansicht eh allesamt Stalinisten sind, die sich fragen, warum die Cubaner jetzt das machen, was sie gerade machen. Nur käme eben von denen niemand auf die Idee zu behaupten, die hätten ein ‚Staatsinteresse‘ daran, als Staatssubjekt auf dem ‚Weltmarkt‘ zu konkurrieren.

  27. Krim
    12. Juli 2011, 14:27 | #27

    „Du unterstellst doch den Sozialarbeitern, sie täten Elend als „notwendig“ akzeptieren, damit sie es „betreuen“ können.“ Sozialarbeiter sagen natürlich nicht explizit, „ich akzeptiere jetzt mal das Elend, damit ich mich als Helfer aufmanteln kann“. Die Affirmation des Elends ist einfach ein Schluss aus ihrem Tun. Wenn ein Mensch kapitalistisch produziertes Elend vor sich hat, kann er eben verschiedene Dinge tun. 1. Er kann sich Fragen, wo das Elend herkommt. Dann findet er heraus, dass der Kapitalismus dafür verantwortlich ist. Wenn er dann beschließt etwas gegen das Elend machen zu wollen, dann muss er selbstverständlich gegen den Grund des Elends vorgehen. Er muss Kapitalismuskritiker/ Revolutionär werden. 2. Wer sich aber nicht fragt, was ist der Grund des ganzen, der will mit seinem Gutmenschentum an den Symptomen der kapitalistischen Verelendung herumdoktern. So ein Tun ist gar nicht geeignet dazu das Elend aus der Welt zu schaffen. Es unterstellt/akzeptiert das Elend als zu dieser Welt gehörig als Grundlage der eigenen humanistischen Tätigkeit. Wer also wirklich was gegen das Elend hat, der ist kein Humanist und wer Humanist ist, hat nicht wirklich was gegen das Elend.
    „In dieser Diktion unterstellst du auch jedem Mediziner, dass er die Krankheiten, die er behandelt, indem er seine Patienten ‚betreut‘, als ebenso „notwendig“ akzeptiert, dass ist der Punkt.“ Mal abgesehen davon, dass die meisten Mediziner dabei auch ganz leidlich verdienen, schnöder Materialismus also ausreicht um Mediziner zu werden – ja klar. Medizin ist ebenso kein Mittel kapitalistisch produzierten Leiden zu Leibe zu rücken. Weltweit sind das bestimmt 80-90%. Eine humanistische Medizin unterstellt ein kapitalistisch eingerichtete Welt die nunmal Krankheiten hervorbringt. Wer dagegen wirklich etwas tun will, der muss Kommunist und nicht Mediziner werden.
    „Der Gedanke dagegen, dass es „Elend“ überhaupt nur gibt, weil es nicht notwendig ist,“ Quatsch. Elend und Armut gibt es, weil Leute ausgebeutet werden oder noch nicht mal das.
    „es also „Elend“ überhaupt nur als Gegensatz resp. Widerspruch zu ‚Reichtum‘ …gibt…, solche Gedanken kommen einem nicht, dem’s daran liegt, die Verhältnisse „korrekt erklärt“ zu bekommen.“ Wieso soll das nicht in der Erklärung vorkommen, wenn es die Erklärung des Elends ist? Das Argument dafür, dass man beim Erklären nicht auf solche Gedanken kommen soll, fehlt bei dir völlig.
    „Denn der Gegensatz wird umstandslos aufgelöst, indem die eine Seite einfach per Willensvotum „abgeschafft“ ist, wodurch die andere Seite bestehen bleibt. So ähnlich denkst du dir ja auch die Beseitigung des Elends, wodurch der Reichtum übrigbliebe.“ Kannst du das auch belegen? Aus den Zitaten geht das jedenfalls nicht hervor. Was du als meinen Standpunkt kennzeichnest ist Fiktion.
    „Du kannst offenbar nur Verhältnisse aus historischen Zusammenhängen reißen, um sie „korrekt“ zu erklären. [Hä? wo soll das geschehen sein?] Es ist eben ein Unterschied ob man etwas Vorhandenes aus seinen Gesetzmäßigkeiten erklärt, weil die Herkunft nach allen menschlichen Maßstäben ohnehin unbegreiflich ist [Hä? Das ist wirr. Kann man jetzt was erklären oder ist es unbegreiflich. Und warum steht das überhaupt hier?] und diejenigen angreift, die wie bspw. die Religionen behaupten, schon der Versuchen, es zu begreifen sei Frevel; oder ob man beim korrekten Erklären so tut, als ob das Vorhandene sich bloß der mangelnden Einsicht der Betroffenen verdankt. [Wer soll das wo gesagt haben?]“
    „Das ist dasselbe Level, das du hier schon gebracht hast, zu bestreiten, dass der Beschiss in der kapitalistischen Produktion auf dem Ankauf der Ware Arbeitskraft basiert, weil ja „im Durchschnitt Äquivalente getauscht“ würden o.s.ä.“ Und auf diesem Level gedenke ich auch zu bleiben, solange dagegen kein richtiges Argument eingewendet wird. In der Tat findet beim Kauf der Arbeitskraft kein Beschiss statt d.h. es mag zwar hier und da auch Beschiss vorkommen, aber die Ausbeutung basiert nicht auf Beschiss, sondern auf dem Äquivalententausch und dem besonderen Charakter der Ware Arbeitskraft. Diese hat nämlich für das Kapital einen Gebrauchswert, der sie vor allen anderen Waren auszeichnet. Sie ist nämlich in der Lage bei ihrer Anwendung mehr Wert zu schaffen, als sie gekostet hat. Daher kommt der Mehrwert und nicht daher, dass Arbeiter millionenfach übers Ohr gehauen werden.
    „Wenn es nur korrekter Erklärungen dieser Art bedarf, stellt sich schon die Frage, wozu eine proletarische Revolution taugen soll.“ Nein es braucht nicht n u r Erklärungen dieser Art, Erklärungen sind aber das Mittel um Proletarier vom Kommunismus zu überzeugen. Daher eine Voraussetzung der proletarischen Revolution.
    „Dann aber ist jede kommunistische Kritik Nonsens, weil die „Castristen“ erwiesenermaßen keine Kommunisten waren, aber von den Leute, die sie in der Tat befreiten, unterstützt wurden und in der Mehrheit wohl auch noch werden.“
    Also weil es auch Nichtkommunistn schaffen Leute um sich zu scharen, braucht man keine kommunistische Kritik. In der Tat, wer bloß Leute um sich scharen will, die ihn unterstützen, der kann auch zur CDU, SPD, FDP usw. gehen.
    „Und wenn schon die Leute an der Gewerkschaftsbasis, also ausdrücklich nicht die sesselfurzenden Gewerkschaftsfunktionäre, ins selbe Horn stoßen, dann sage ich, mit kommunistischer Kritik am Verhältnis erreicht man bei denen nichts, sondern ist geradezu gezwungen, die Abstraktionsebene zu wechseln und auf die globalen kapitalistischen Sauereien zu verweisen, bspw. darauf, dass nicht die „Castristen“ den eigenen Leuten die Lebensgrundlage entziehen wollen, sondern „daß über das Schicksal Kubas in New York und Chicago entscheiden wird und nicht auf Kuba“.“ Du Witzbold. Du meinst, wenn sich die Gewerkschaftsbasis schon nicht durch ihr eigenes Elend beeindrucken lässt, dann hilft vielleicht ein Verweis auf die Armen Kubaner, die ihretwegen leiden, weil sie hier keine Revolution machen. Was also der eigene Materialismus nicht leistet, soll Mitleid fertigbringen? – Nee. Wenn sich die Gewerkschaft die Notwendigkeit des kapitalistischen Geschäft einschließlich Lohnkürzungen usw. einleuchten lässt, dann bringt auch der Verweis auf die dritte Welt nichts mehr.
    „Den Glauben an einen Gott mag man teilen oder nicht, dass es keinen gibt, lässt sich nicht beweisen,…“ Die Nichtexistenz von etwas zu beweisen ist logisch sowieso unmöglich. Beweise existieren logischerweise nur für etwas das es gibt und nicht für etwas das es nicht gibt. Die Beweislast liegt also bei denen die behaupten, dass es Gott gibt. D i e müssen positive Beweise beschaffen, dass es ihn gibt. Nicht Skeptiker müssen beweisen, dass es Gott nicht gibt, denn ist schon eine logische Unmöglichkeit. Der Skeptiker kann höchstens Gottesbeweise widerlegen, er kann aber nicht den Beweis antreten, dass es Gott nicht gibt. Das wiederum heißt nicht, dass ein Gläubiger einfach behaupten kann, Gott würde existieren, weil man seine Nichtexistenz nicht beweisen kann, denn er bleibt ja in jedem Fall den Existenzbeweis schuldig.

  28. 12. Juli 2011, 20:22 | #28

    Es ist ja nun auch nicht so, als ob Krims Darlegung zur Humanität so abseitig wären. Eine schöne buchstäbliche Bebilderung von seinem

    „Wenn ein Mensch kapitalistisch produziertes Elend vor sich hat, kann er eben verschiedene Dinge tun. 1. Er kann sich Fragen, wo das Elend herkommt. Dann findet er heraus, dass der Kapitalismus dafür verantwortlich ist. Wenn er dann beschließt etwas gegen das Elend machen zu wollen, dann muss er selbstverständlich gegen den Grund des Elends vorgehen. Er muss Kapitalismuskritiker / Revolutionär werden. 2. Wer sich aber nicht fragt, was ist der Grund des ganzen, der will mit seinem Gutmenschentum an den Symptomen der kapitalistischen Verelendung herumdoktern. So ein Tun ist gar nicht geeignet dazu das Elend aus der Welt zu schaffen. Es unterstellt/akzeptiert das Elend als zu dieser Welt gehörig als Grundlage der eigenen humanistischen Tätigkeit. Wer also wirklich was gegen das Elend hat, der ist kein Humanist und wer Humanist ist, hat nicht wirklich was gegen das Elend.“

    kann man selbst in halbwegs gutgemachten und ehrlichen amerikanischen Serien sehen, allen voran ER. Daß es schon etwas mehr braucht, um jungen Schwarzen aus der Nachbarschaft der Krankenhauses ein Zukunft zu geben, als sie nur immer wieder zusammenzuflicken oder zu entgiften, das läßt das Drehbuch von Crichton selbst den anfangs regelmäßig relativ unbedarften frischen Jungärzten und Ärztinnen dann doch irgendwie dämmern. Besonders krass am Beispiel eines schwarzen (durch und durch patriotischen) Arztes, der bei der US-Army im Irak landet. Gerade im Krieg kann man sich nämlich eigentlich wirklich nicht mehr damit beruhigen, daß man schon was Gutes tut, wenn man wenigstens die jungen Kerls vor dem Abnippeln rettet.
    Das Lob des humanistischen so saurealistischen kleine Brötchen der individuellen Hilfe Backens ist zumeist ja deshalb auch verbunden mit rabiater Ablehnung jeglicher kommunistischer Bemühungen. Nicht nur was einen selber angeht, diese Humanisten gehen ja zumeist sowohl praktisch als gerade auch ideologisch voll auf in dieser Herangehensweise, sondern prinzipiell, in dem die paar Kommunisten, die es ab und zu ja doch noch gibt, sogar beschimpft werden, sich am zwar kleinen aber eben möglichen Glück der paar Betreuten zu vergehen, wenn sie der offensichtlichen Schimäre der Revolution hinterherhecheln.

  29. Krim
    13. Juli 2011, 10:25 | #29

    „den Schluss wollen die Kritisierten zum Ärger des Kritikers einfach nicht ziehen.“ Ja und! Soll das jetzt ein Einwand sein. Hat der Kritiker nur dann recht, wenn er erfolgreich ist? – Oder schlimmer noch, soll er seine Argumente den Erfolgschancen anpassen.
    „sondern dass man umstandslos alles Vorgefundene dem Begriff unterordnet, von dem man eben nicht sicher weiß, ob er die Sache auch wirklich trifft.“ Welcher „man“ weiß „was“ nicht sicher? DU behauptest, dass der Beriff die Sache nicht trifft und behauptest das als Unsicherheit, der von dir inkriminierten Kritiker.
    „1) dass man auf Fragen, wie’s konkret anders ginge, entweder so schwülstige Ungetüme“ Ist das die Kritik? – SCHWÜLSTIG – Damit kann ich leben. Vor allem weil ich „kommunistische Planwirtschaft zwecks Gebrauchswerten“ eher als trocken- nüchterne Beschreibung charakterisieren würde. Wo das schwülstig sein soll, musst du mir erst noch erklären.
    “ das ginge doch ohnehin aus der Kritik hervor“ Stimmt das denn nicht? Du schreibst einfach Zeug hin, das dir nicht gefällt ohne auch nur entfernt den Anschein eines Arguments aufblitzen zu lassen.
    „Derlei Bestimmung hat selber wieder logisch zur Voraussetzung, dass die Lebensmittel als ‚Äquivalent‘ der so konstituierten Arbeitskraft tatsächlich existieren. Ohne diese Bestimmung ist es aber Nonsens zu sagen, es habe in vorkapitalistischen Epochen ein dies, analytisch bestimmte, notwendige Produkt quasi übersteigendes Mehrprodukt gegeben,…“ Wieso das denn? Natürlich gibt es das Maß, dass das Mehrprodukt von der bloßen Reproduktion der Arbeitskraft abgrenzt auch vor dem Kapitalismus schon. Die Arbeitskraft kann mehr Arbeit verrichten als zu ihrer Reproduktion erforderlich ist und alles was darüber hinaus produziert wird, ist Mehrprodukt. Das Mehrprodukt wird übrigens nicht bloß für Paläste und Gelage verballert, sondern hauptsächlich für den Krieg, der ohne Mehrprodukt gar nicht ginge. Und Krieg ist wohl kein Teil der Reproduktion der Arbeitskraft.
    „Der Pfarrer hat dagegen eine Vorstellung von Menschheit, und ob die falsch begründet ist, spielt für mich keine Rolle. „ Es ist ein Fehler nicht auf den Grund zu schauen. “ Ohne solche Vorstellung ist es aber m.E. witzlos, von ‚Verein freier Produzenten‘ etc. zu reden,“ Es ist ein Fehler zu glauben, der normale Arbeiter/Geselle hätte keine Vorstellung von Menschheit bzw. Gemeinschaft. Er denkt sogar, dass diese eigentlich für ihn da sei und dass er darin gut aufgehoben sei, wenn er sie nur richtig funktionieren würde und nicht ständig von anderen mißbraucht werden würde.
    „Solchen Zusammenhang begreift man aber nicht, wenn man umstandslos den Reichtum meinetwegen des Adels als ‚Mehrprodukt‘ postuliert und die Kategorien eines bestimmten Verhältnisses allen nur denkbaren Verhältnissen überstülpt.“ Man muss den Feudalverhältnissen oder anderen Gesellschaften überhaupt nichts überstülpen, wenn man von Mehrprodukt spricht. Mehrprodukt ist eben das, was über die zur Reproduktion notwendigen Lebensmittel hinausgeht. Ein Mehrprodukt unterstellt eine Klasse, die das fremde Mehrprodukt aneignet, da es sonst verzehrt oder gar nicht erst produziert wird.

  30. Samson
    13. Juli 2011, 10:32 | #30

    Das nenne ich doch mal eine korrekte ‚wissenschaftliche‘ Erklärung:

    Wenn ein Mensch kapitalistisch produziertes Elend vor sich hat, (…) findet er heraus, dass der Kapitalismus dafür verantwortlich ist

    Angesichts solcher self-fulfilling prophecy geht freilich jeder Aberglaube in die Knie, dessen falscher Götzendienst mit dem Verdikt „Die Nichtexistenz von etwas zu beweisen ist logisch sowieso unmöglich“ hinreichend nachgewiesen ist.
    Schreib dein Buch, Krim, einen Fan hast du immerhin schon.

  31. 13. Juli 2011, 10:51 | #31

    Zu „Mehrprodukt“, hier eigentlich ein Seitenthema:
    Der Begriff war nie wirklich glücklich gewählt, bzw. unterstellt, daß es in der Geschichte der Menschheit immer klar gewesen wäre, was dafür nötig ist, die jeweiligen Arbeitenden zu reproduzieren und was diese dann noch darüber hinaus an Sachen herstellen konnten, die man für die üblichen „höheren“ Zwecke, Krim hat zu Recht vor allem aufs Kriegführen hingewiesen, verwenden/verballern konnte.
    Da will ich nur anmerken, daß die Reproduktion der Arbeitenden die allermeiste Zeit offensichtlich lausig aussah und alle naselang ja so wenig nützliche Sachen bei der buchstäblichen Ackerei rauskamen, daß nun wirklich überhaupt kein „Mehrprodukt“ herauskam und die Menschen zuhauf gestorben sind, zumeist verhungert. Die Arbeitenden hätten sich aber schon immer besser reproduzieren können und wären z.B. zahlenmäßig mehr geworden, wenn sie mehr von dem hätten behalten/aufessen dürfen, was sie der Erde abgerungen haben. So, wie es nun mal gegangen ist, ist die Menschheit fast überall fast die ganze bekannte Geschichte so gut wie kaum gewachsen.
    Schon immer haben Klassenkämpfe darüber entschieden, was jeweils als zur Reproduktion „notwendig“ angesehen wurde, und was darüber hinaus anfiel. Das gilt ja bis in unsere kapitalistische Zeit hinein, wo es ja auch kein Gebot Moses gibt, aus dem der interessierte Gewerkschaftler ablesen könnte, was er an Lohn durchsetzen muß, damit die heutige Reproduktion mit ihren „Notwendigkeiten“ auch sichergestellt ist. Jetzt dürfen doch Millionen von Arbeitern weltweit feststellen, daß das, was Marx das historische und moralische Element der Bestimmung der Lohnhöhe beschrieben hat, einfach dreist vom Kapital als nicht mehr „zeitgemäß“ wieder einkassiert wird. Bis zum Hungertuch ist nach unten ja in den meisten Ländern noch eine ganze Menge (historisch erkämpfter) Luft.

  32. 13. Juli 2011, 11:23 | #32

    Werter Samson, wenn du meinst, Krims short hand so abtun zu können: „Angesichts solcher self-fulfilling prophecy …“, dann nur soviel:
    Das Elend, daß deine herzallerliebsten Humanisten konstatieren und zum Ausgangspunkt ihrer Brot-für-die Welt-Kollekte machen, *ist* nun mal das Ergebnis der weltweit herrschenden kapitalistischen Zwecke. Da gibt es bergeweis Nachweise (Zum weltweiten Hunger fällt mir hier gleich mal Hermann Lueers Buch „Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?“ ein). Daß dein wackerer Kinderdörfler sowas als „falschen Götzendienst“ ansieht, was Kommunisten so an Erklärungen vorgelegt haben, das weiß ich auch, die haben schließlich regelmäßig die „richtigen Götter“ deren Auftrag sie als moralisch treue Diener umsetzen.

  33. Krim
    13. Juli 2011, 12:09 | #33

    Jeder halbwegs linke Mensch, der schon mal ins K1 geschaut hat oder „Armut und Reichtum“ gelesen hat [hier könnten die Artikel „Arbeit und Reichtum“ gemeint sein, die im GegenStandpunkt 4-96, Seiten 103 – 142 und 1-97 Seiten 3 – 21 erschienen sind, und die als OCR-Scan im Downloadbereich verfügbar ist ] usw., der hat den Nachweis, dass das Kapital für das Elend der Welt verantwortlich ist, eh auf der Pfanne. Auch hier im Thread wurde das schon angesprochen, sodass ich davon ausgehe, nicht in jedem Satz redundant den Grund des kapitalistischen Elends erneut beweisen zu müssen.
    Im Übrigen hast du wieder kein Gegenargument genannt. Du moserst bloß rum. Sag doch mal, was dir daran nicht einleuchtet: „Die Nichtexistenz von etwas zu beweisen ist logisch sowieso unmöglich“

  34. Samson
    18. Juli 2011, 21:14 | #34

    Zu „Mehrprodukt“, hier eigentlich ein Seitenthema:
    Der Begriff war nie wirklich glücklich gewählt, bzw. unterstellt, daß es in der Geschichte der Menschheit immer klar gewesen wäre, was dafür nötig ist, die jeweiligen Arbeitenden zu reproduzieren und was diese dann noch darüber hinaus an Sachen herstellen konnten …

    Geht man nur vom „Kapital“ aus, als wissenschaftliche Erklärung der gesellschaftlichen Produktionsweise, dann mag einem der Begriff als nicht besonders gelungen erscheinen. Andererseits darf man getrost unterstellen (sonst hätte es niemals einen Histomat gegeben), dass Marx Gründe hatte, eine bestimmte historische Produktionsweise als Ausgangspunkt seiner Analyse zu nehmen, und daher dieselbe Methode auf alle vorangegangen Epochen ebenso anzuwenden, nämlich 1) Mensch als ‚Gattungswesen‘ und daher 2) stets eine apriori gesellschaftliche Produktion zu unterstellen (Krieg ist unter diesem Gesichtspunkt bspw. eben eine ‚Variante‘ von Raub, dem die Produktion der Beute durch die Kriegsverlierer zwingend vorausgeht). Insofern bilden „Mehrprodukt“ und „notwendiges Produkt“ quasi eine dialektische Einheit von Gegensätzen, ebenso wie Elend und Reichtum.
    Lange vor dem „Kapital“ hat Marx den Zusammenhang so erklärt:

    Wie die Vermehrung der Bedürfnisse und ihrer Mittel die Bedürfnislosigkeit und die Mittellosigkeit erzeugt, beweist der Nationalökonom (und der Kapitalist, überhaupt reden wir immer von den empirischen Geschäftsleuten, wenn wir uns an die Nationalökonomen – ihr wissenschaftliches Geständnis und Dasein – adressieren), 1. indem er das Bedürfnis des Arbeiters auf den notwendigsten und jämmerlichsten Unterhalt des physischen Lebens und seine Tätigkeit auf die abstrakteste mechanische Bewegung reduziert, also, sagt er: Der Mensch hat kein andres Bedürfnis weder der Tätigkeit noch des Genusses; denn auch dies Leben erklärt er [als] menschliches Leben und Dasein; indem 2. er das möglichst dürftige Leben (Existenz) als Maßstab, und zwar als allgemeinen Maßstab ausrechnet: allgemein, weil für die Masse der Menschen geltend; er macht den Arbeiter zu einem unsinnlichen und bedürfnislosen Wesen, wie er seine Tätigkeit zu einer reinen Abstraktion von alter Tätigkeit macht; jeder Luxus des Arbeiters erscheint ihm daher als verwerflich, und alles, was über das allerabstrakteste Bedürfnis hinausgeht – sei es als passiver Genuß oder Tätigkeitsäußerung – erscheint ihm als Luxus. Die Nationalökonomie, diese Wissenschaft des Reichtums, ist daher zugleich die Wissenschaft des Entsagens, des Darbens, der Ersparung, und sie kömmt wirklich dazu, dem Menschen sogar das Bedürfnis einer reinen Luft oder der physischen Bewegung zu ersparen. Diese Wissenschaft der wunderbaren Industrie ist zugleich die Wissenschaft der Askese, und ihr wahres Ideali st der asketische, aber wuchernde Geizhals und der asketische, aber produzierende Sklave. Ihr moralisches Ideal ist der Arbeiter, der in die Sparkasse einen Teil seines salaire bringt, und sie hat für diesen ihren Lieblingseinfall sogar eine knechtische Kunst vorgefunden. Man hat das sentimental aufs Theater gebracht. Sie ist daher – trotz ihres weltlichen und wollüstigen Aussehns – eine wirklich moralische Wissenschaft, die allermoralischste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die Entsagung des Lebens und alter menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehrsatz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Ball, zum Wirtshaus gehst, denkst, liebst, theoretisierst, singst, malst, fichtst etc., um so [mehr] sparst du, um so größer wird dein Schatz, den weder Motten noch Raub fressen, dein Kapital. Je weniger du bist, je weniger du dein Leben äußerst, um so mehr hast du, um so größer ist dein entäußertes Leben, um so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. Alles, was dir der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersetzt er dir in Geld und Reichtum, und alles das, was du nicht kannst, das kann dein Geld: Es kann essen, trinken, auf den Ball, ins Theater gehn, es weiß sich die Kunst, die Gelehrsamkeit, die historischen Seltenheiten, die politische Macht, es kann reisen, es kann dir das alles aneignen; es kann das alles kaufen; es ist das wahre Vermögen. Aber es, was all dies ist, es mag nichts als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn alles andre ist ja sein Knecht, und wenn ich den Herrn habe, habe ich den Knecht und brauche ich seinen Knecht nicht. Alle Leidenschaften und alle Tätigkeit muß also untergehn in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur soviel haben, daß [er] leben will, und darf nur leben wollen, um zu haben.
    (Hervorhebung im Original

    Im Übrigen geht es gar nicht darum, ob ‚meine‘ „herzallerliebsten Humanisten“ Elend „zum Ausgangspunkt ihrer Brot-für-die Welt-Kollekte machen“ sondern nach wie vor darum, ob man „soziale Errungenschaften genannte Einrichtungen“ deswegen Scheiße findet, weil es konkret Stalinisten waren, die sie ermöglichten, und man aber immer schon prinzipiell was gegen Stalinisten hatte, also offenbar gar nicht so traurig darüber ist, dass die in dem historischen Orkus gelandet sind, in welchem sie nach Ansicht wackerer Kommunisten folgerichtig zu landen hatten. (und solange man darüber keinen ‚Konsens’ findet, wird es auch keine Einigung bezügl. Für und wieder ‚Moral’ geben)
    „Jeder halbwegs linke Mensch …“ entspringt selber bloßer Definition, also bestimmter Perspektive, die kann man teilen oder nicht. Gleiches gilt für alle, deren Perspektive durch Glauben an einen Gott bestimmt ist. Zu sagen, dessen Existenz sei logisch nicht zu bestimmen, ändert am Glauben an ihn nichts. Willst du dem, der dran glaubt, nachweisen, dass es bspw. kein Leben nach dem Tod gibt, kannst du den entweder umbringen oder abwarten, hat auf seinen Glauben aber nicht den gerinsten Einfluss. Das Rummosern könnte ich dir genauso an den Kopf werfen und sagen, weise doch einfach mal nach, dass Kommunismus „Planwirtschaft zwecks Gebrauchswerten“ sein soll, wo doch Wert nur in Bezug auf Waren von Belang ist.
    Btw, „Arbeit und Reichtum“ gibts auch als PDF-Datei zum Download

  35. 18. Juli 2011, 21:36 | #35

    Ja, Samson, den Artikel „Arbeit und Reichtum“ haben die Genossen auch schon als original-Seiten-getreues PDF zur Verfügung gestellt. Da aber die meisten Menschen auf DIN A4 ausdrucken, habe ich denn „roh“ ja immerhin über 60-seitigen Text auf 31 „echte“ DIN A4-Seiten umformatiert. Wenn ich vorher gewußt hätte, wie mühselig sowas dann doch ist, hätte ich es übrigens nicht gemacht.

  36. Samson
    18. Juli 2011, 22:15 | #36

    Ich weiß nicht wie lange schon, aber den Text, gibts auch online
    Umformatieren ist immer mühselig, ich hatte mir mal den GSP-Text ausgedruckt, aber auch nur weil im Liegen lesen weniger anstrengend ist als vorm Bildschirm zu sitzen.

  37. Krim
    18. Juli 2011, 23:43 | #37

    „dass Marx Gründe hatte, eine bestimmte historische Produktionsweise als Ausgangspunkt seiner Analyse zu nehmen, und daher dieselbe Methode auf alle vorangegangen Epochen ebenso anzuwenden,“ Nix und daher! Dass Marx das Kapital, von dir bestimmte historische Produktionsweise genannt, analysiert, stimmt ja. Dass Marx stets, auch noch a priori, eine gesellschaftliche Produktionsweise unterstellt, ist jedoch Blödsinn. Schließlich schreibt Marx drei ziemlich dicke Bände voll, in denen er erklärt wie und warum der Kapitalismus eine gesellschaftliche Produktionsweise ist, z.B. was das für ein irrer Widerspruch ist, dass die gesellschaftliche Produktion als Konkurrenz von Privatarbeiten stattfindet. Was genau Marx als Vorurteil aus seiner Kapitalismusanalyse, auf welche Epochen überträgt, wäre von dir bitte nachzuweisen und nicht bloß zu behaupten.
    „ob man „soziale Errungenschaften genannte Einrichtungen“ deswegen Scheiße findet, weil es konkret Stalinisten waren, die sie ermöglichten,…“ Soviel ich das sehe, warst du es der die Stalinisten aufs Tapet brachte. Jedenfalls haben weder Neoprene noch ich gesagt, dass soziale Errungenschaften schlecht sind, weil sie von Stalinisten oder xy verwirklicht wurden. Wer soziale Errungenschaften durchsetzt, ist völlig egal. Soziale Errungenschaften sind deswegen überhaupt keine Errungenschaften, weil sie die Trennung von Armut und Reichtum unterstellen. Sie sind bloß die Begleitmusik dieser Trennung. Wenn der Zweck der Gesellschaft und ihrer Ökonomie darin bestünde, Gebrauchswertreichtum für die Mitglieder der Gesellschaft zu produzieren, dann wären soziale Errungenschaften obsolet.
    „…, also offenbar gar nicht so traurig darüber ist, dass die in dem historischen Orkus gelandet sind,“ Wieso sollte man diesem verkorksten Realsozialismus auch nachtrauern? Das machen die ehemaligen Realsozialisten ja selbst noch nicht mal. Gorbi sagte dazu, dass sie gerechter Weise vom Leben bestraft wurden, weil sie zu spät kamen.
    „Willst du dem, der dran glaubt, nachweisen, dass es bspw. kein Leben nach dem Tod gibt“ Nochmal: Ich will dem Religionsfanatiker gar nichts nachweisen. Muss ich auch gar nicht, denn er hat die Beweislast eines Lebens nach dem Tod, die er nicht erbringen kann. Was man kann, ist den Fehler eines religiösen Bedürfnisses zu kritisieren. Eine solche Kritik hat aber nicht die Existenz Gottes oder eines Lebens nach dem Tod zum Gegenstand, sondern die Fehlurteile, die sich religiöse Menschen zulegen.
    „weise doch einfach mal nach, dass Kommunismus „Planwirtschaft zwecks Gebrauchswerten“ sein soll, wo doch Wert nur in Bezug auf Waren von Belang ist.“ Wenn dir das besser gefällt, dann sind’s von mir aus Gebrauchsgüter. Sowas muss man im Übrigen nicht nachweisen, weil es eine Sache des Interesses ist und keine Frage von wissenschaftlich wahr und falsch.

  38. Samson
    19. Juli 2011, 06:46 | #38

    Dass Marx stets, auch noch a priori, eine gesellschaftliche Produktionsweise unterstellt, ist jedoch Blödsinn.

    Eben nicht! 1) heißt der Wälzer nicht umsonst im UntertitelZur Kritik der Politischen Ökonomie, einer akademischen Disziplin, die bspw. behauptete, die Herkunft des Reichtums von Nationen, also eines bestimmten historischen Zusammenhangs von Menschen klären zu wollen 2) ist weder die „Trennung“ von Armut und Reichtum noch die von Mehrprodukt und notwendigem Produkt anders zu bestimmen, als apriorische Bestimmung eines gesellschaftlichen Produkts, dessen Zustandekommen auf Arbeitsteilung, also Teilung gesellschaftlicher Arbeit beruht.

    Wenn der Zweck der Gesellschaft und ihrer Ökonomie darin bestünde, Gebrauchswertreichtum für die Mitglieder der Gesellschaft zu produzieren, dann wären soziale Errungenschaften obsolet.

    Das ist die Schnapsidee von Leuten wie dir, die weder den begrifflichen Zusammenhang von Armut und Reichtum noch den von Gebrauchs- und Tauschwert verstehen und sich einbilden, die Angelegenheit korrekt zu analysieren, wenn sie imstande sind nachzuplappern, dass analytisch, also der gesellschaftliche Zusammenhang gesehen, dessen Widerspruch sich darin ausdrückt, dass durchschnittlich Äquivalente getauscht werden. Dass genau darin die logische Konsequenz besteht, wenn die Privatindividuen behaupten, überhaupt zu tauschen, weil alles andere eben kein Tausch wäre, folglich der Tausch selber schon Beschiss ist, mit welchem die Trennung in arm und reich praktisch vollzogen ist, leuchtet einem eben nicht ein, wenn man Schnapsideen in Bücher projiziert.
    Im Übrigen solltest du mal nachlesen, wer hier die Stalinisten wirklich, und vor allem warum aufs Tapet gebracht hat.

    Wenn dir das besser gefällt, dann sind’s von mir aus Gebrauchsgüter.

    Wenn man schon behauptet, wissenschaftlich an die Sache zu gehen, dann macht das einen ganz gewaltigen Unterschied.

  39. 19. Juli 2011, 07:33 | #39

    Es paßt „gut“ hierher, daß neben den Streit um den Gegensatz notwendiges Produkt und Mehrprodukt auch noch ein solcher über den Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert hinzugekommen ist. Wo es geht, nehme ich da sicherheitshalber auch lieber eine Bezeichnung wie nützliche Sachen oder Güter, um die Inkommensurabilität klarer zu machen.

  40. Samson
    19. Juli 2011, 11:52 | #40

    Ob es wirklich gut hierher passt, vermag ich nicht zu sagen (eigentlich führt es eher weg von der Kontroverse um Cuba). Indes nur um zu verdeutlichen woraus sich erschließt, dass Marx apriori gesellschaftliche Produktionsweise unterstellt, muss man sich nur die Frage beantworten, warum er, wenn’s denn um Produktion geht, noch dazu um solche von Privatproduzenten, seine Analyse mit deren Resultat, der Ware nämlich, beginnt.
    Nur als ebenso apriori gesellschaftliches Ding, also als eines worauf die Subjekte ihr eigenes gesellschaftliches Verhältnis projizieren, lässt sich der Charakter der Ware als gegensätzliche Einheit von Gebrauchs- und Tauschwert bestimmen.

  41. 19. Juli 2011, 12:45 | #41

    Warum man heutzutage, die Zeiten der Neanderthaler sind doch schon einige Zig-Tausend Jahre her, sich noch über die Frage streiten muß, ob Marx nun “ apriori gesellschaftliche Produktionsweise unterstellt“, erschließt sich mir nicht. Das scheint mir zumindest für die letzten 8000 Jahre evident. Interessant ist doch immer „nur“ der jeweils konkrete Zusammenhang, der die Gesellschaft kennzeichnet.

  42. Krim
    19. Juli 2011, 13:11 | #42

    “ 1) heißt der Wälzer nicht umsonst im Untertitel „Zur Kritik der Politischen Ökonomie, einer akademischen Disziplin, die bspw. behauptete, die Herkunft des Reichtums von Nationen, also eines bestimmten historischen Zusammenhangs von Menschen klären zu wollen“ Ja eben! Der Wälzer heißt im Untertitel „Zur KRITIK der politischen Ökonomie“. Es ist ernst gemeint, dass die Erklärung des Kapitals auch eine Kritik an der politischen Ökonomie sein soll. Was das wiederum mit dem a priori unterstellen einer gesellschaftlichen Produktion zu tun hat, erschließt sich wohl nur dir.
    „2) ist weder die „Trennung“ von Armut und Reichtum noch die von Mehrprodukt und notwendigem Produkt anders zu bestimmen, als apriorische Bestimmung eines gesellschaftlichen Produkts, dessen Zustandekommen auf Arbeitsteilung, also Teilung gesellschaftlicher Arbeit beruht.“ 1. Braucht man gar nichts apriori bestimmen, weil man ja eine gesellschaftliche Produktionsweise vor sich hat. Ihre Bestimmungen kann man der existierenden gesellschaftlichen Produktionsweise selbst ENTNEHMEN. An sie muss man gar nichts herantragen. 2. Wurde die Trennung von notwendigem Produkt und Mehrprodukt hier in diesem Thread schon mehrfach bestimmt. Diese Bestimmung hat mit einer a priori Annahme einer gesellschaftlichen Produktionsweise gar nichts zu tun. Die gibt es z.B. auch auf Robinsons Insel. Robinson weiß nämlich ganz genau, dass er zuerst die zu seiner Reproduktion notwendigen Tätigkeiten verrichten muss und er sich erst dann z.B. Schachfiguren schnitzen kann. 3. Einem Ökonomen vorzuwerfen, dass er eine gesellschaftliche Produktionsweise unterstellt, ist ungefähr das gleiche wie einem Sonnenforscher vorzuwerfen, er würde a priori davon ausgehen, dass die Sonne strahlt. Wieso sollte ein Sonnenforscher, so eine a priori Annahme machen, da die Sonne ja eh strahlt. Das sieht man doch, da muss er doch nichts annehmen.
    „Dass genau darin die logische Konsequenz besteht, wenn die Privatindividuen behaupten, überhaupt zu tauschen, weil alles andere eben kein Tausch wäre, folglich der Tausch selber schon Beschiss ist, mit welchem die Trennung in arm und reich praktisch vollzogen ist,“ Das ist total wirr: Also alles außer Äquivalententausch, wäre kein Tausch, sondern…? (Beschiss?) Und folglich? ist auch der Äquvalententausch Beschiss? Also ist alles außer Äquvalententausch Beschiss und auch der Äquvalententausch ist Beschiss. Also alles Beschiss? – Ja,Ja. – Das verstehe ich bloß nicht, weil es wie gesagt wirr ist.
    „Im Übrigen solltest du mal nachlesen, wer hier die Stalinisten wirklich, und vor allem warum aufs Tapet gebracht hat.“ – Hab ich nachgelesen! Von mir kam der Vorwurf nicht, dass Sozialklimbim schlecht ist, weil er von Stalinisten kommt.
    „Wenn man schon behauptet, wissenschaftlich an die Sache zu gehen, dann macht das einen ganz gewaltigen Unterschied.“ Na gut. Klugscheißen kann ich auch. Vielleicht muss ich dich mal ganz grundsätzlich darüber belehren, dass Worte wenn sie mit anderen Worten eine Verbindung eingehen einen Bedeutungswandel erfahren müssen, wenn sie einen bestimmten Gegenstand bezeichnen. Sie haben dann die Bedeutung dieses Gegenstands und nicht mehr die Bedeutung der Wortteile, aus denen das Gesamtwort zusammengesetzt ist. So hat das Wort „Wert“ im Wort „Gebrauchswert“ eben nicht die Bedeutung von Tauschwert, oder Wert im wissenschaftlich ökonomischen Sinn. Das ist außerdem leicht daran zu erkennen und wird im Kapital auch rauf und runter erklärt, dass dem Gebrauchswert der Tauschwert entgegensetzt wird. „Wert“ bedeutet in „Gebrauchswert“, dass etwas schätzenswertes, gutes, weil den eigenen Bedürfnissen entgegenkommendes, vorliegt. So wird das Wort im Allgemeinen verstanden. Und das kannst du auch in verschiedenen Nachschlagewerken nachlesen.z.B. Wikipedia: „Der Begriff Gebrauchswert bezeichnet unter anderem in der Arbeitswerttheorie die gesellschaftliche oder individuelle Nützlichkeit eines Gutes im Unterschied zu seinem Tauschwert.“
    oder Microsoft Encarta: „Gebrauchswert, Eigenschaft eines Gegenstands oder Gutes, der Befriedigung von Bedürfnissen zu dienen. … Im Marxismus bezeichnet der Begriff Gebrauchswert die nützlichen Eigenschaften einer Ware, die sich aus ihrer materiell-stofflichen Natur ergeben. Diese nützlichen Eigenschaften will der Warenproduzent allerdings gerade nicht für sich nutzen, sondern er produziert die Ware für den Austausch. Hierbei fungieren die nützlichen Eigenschaften der Ware als Mittel für den Zweck, Geld zu verdienen, d. h. den Tauschwert zu realisieren. In der kapitalistischen Warenproduktion, wo fremde Arbeitskraft benutzt wird, schließt die Ware einen Mehrwert ein; ihr Verkauf vergrößert das in Geld gemessene Eigentum des Warenverkäufers. Karl Marx weist darauf hin, dass der Zweck der Warenproduktion nicht einfach darin bestehe, die Masse der nützlichen Gegenstände zu vermehren. Vielmehr gehe es um die Verwandlung der Ware in Geld, was die Konsequenz einschließe, dass ohne Bezahlung eine Konsumption ausgeschlossen sei. Im Kapitalismus, so Marx, werde das Geld zum „realen Gemeinwesen“ (Wertform), die Geldvermehrung und ihre Zwänge beherrschten alles Wirtschaften, alle menschlichen Beziehungen, das gesamte gesellschaftliche Leben.“

  43. Samson
    19. Juli 2011, 13:12 | #43

    Zu Zeiten der Neanderthaler gabs offenbar auch kein Mehrprodukt, welches sich eine Herrschafft aneignete, in der Sklaverei, analytisch betrachtet, dagegen schon. Dies freilich auch nur unter dem Gesichtspunkt, dass die Sklaven Menschen seien. Die Bestimmung aber hätten so weder Platon noch die Liberté, Égalité, Fraternité postulierenden revolutionären Franzosen unterschrieben, von den ‚modernen‘ Neokolonialisten aller Coleur mal ganz abgesehen.

  44. KHM
    19. Juli 2011, 13:50 | #44

    „Wenn man schon behauptet, wissenschaftlich an die Sache zu gehen, dann macht das einen ganz gewaltigen Unterschied.“
    Hören wir den Meister selbst:
    „Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. (…)
    Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert. Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in der Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existiert sie nicht ohne denselben. (…)
    Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des – Tauschwerts.“

  45. Samson
    19. Juli 2011, 14:03 | #45

    Es ist ernst gemeint, dass die Erklärung des Kapitals auch eine Kritik an der politischen Ökonomie sein soll.

    Nicht ‚auch‘, sondern die Kritik dröselt auf, warum die Behauptungen der Politischen Ökonomie wo falsch sind. Was du nicht kapierst ist, dass Privatproduktion nicht zwangsläufig gesellschaftliche ist, Robinson auf seiner Insel produziert nämlich nicht gesellschaftlich, folglich hat er auch kein Mehrprodukt. Andersrum produziert eine Dorfgemeinschaft ggf. arbeitsteilig aber keineswegs privat, folglich kommen keine Waren bei deren Produktion raus. Wenn alles so offensichtlich wäre, wie du es andauernd bloß behauptest (ohne es freilich zu belegen), könnte man sich den ganze Theorie-Kram ohnehin ersparen.

    Also alles außer Äquivalententausch, wäre kein Tausch, sondern…?

    Tribut, Geschenk, Raub, denk dir was aus, aber stell dich nicht dämlicher als du bist.

    Klugscheißen kann ich auch.

    Das sehe ich.

    „Wert“ bedeutet in „Gebrauchswert“, dass etwas schätzenswertes, gutes, weil den eigenen Bedürfnissen entgegenkommendes, vorliegt.

    Und genau das ist bezogen auf Kapital als gesellschaftliche Produktion eben Quatsch und wird von Marx auch nirgends behauptet. Gebrauchswert unterstellt in Warenform immer fremdes Bedürfniss, dessen Schranke halt der Tauschwert ist. Es „nützt“ dem Warenproduzenten nämlich gar nix, wenn er den von ihm produzierten Krempel selber benutzt. Selbst der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft ist nur solange einer, wie er Tauschwert konstituierenden, also fremden Gebrauchswert produziert.

  46. 19. Juli 2011, 15:06 | #46

    Was soll das bittere Wort „Notwendigkeiten“, wenn es doch anders geht??

    In Kuba hat die Solidarische Ökonomie der Kooperativen (Genossenschaften), der Gemeinschaftsgärten und der solidarischen Netzwerke von Freunden und Familien eine Hungerkatastrophe nach dem “künstlichen Peak Oil” von 1989, dem Zusammenbruch der UdSSR, verhindert. Entscheidend für den Erfolg war die dezentrale solidarökonomische Selbstorganisation.
    Sie folgte keinem zentralen Plan, sondern entwickelte sich aus sich selbst heraus. Es entstand eine solidarische, urbane Landwirtschaft, die Hunderttausende zu versorgen begann

    gefunden bei dem unermüdlichen Verfechter der These, die „Alternative zu Krise, Ungleichheit und schlechtem Leben gibt es. Sie liegt in der globalen Vielfalt solidarischer Ökonomien“ Andreas Exner auf Streifzüge.org: http://www.streifzuege.org/2011/solidarische-oekonomie-statt-gemeinwohl-oekonomie

  47. Krim
    19. Juli 2011, 21:03 | #47

    „Nicht ‚auch‘“ Doch „auch“. Es steht nämlich gerade nicht bloß drin, wo die politische Ökonomie Fehler macht, sondern das Kapital wird systematisch entwickelt und das ist gleichzeitig eine Kritik an der politischen Ökonomie. Es ist nicht bloß eine Kritik, deshalb heißt der Titel nämlich „Das Kapital“ und nur der Untertitel „Kritik der politischen Ökonomie“.
    „Was du nicht kapierst ist, dass Privatproduktion nicht zwangsläufig gesellschaftliche ist, Robinson auf seiner Insel produziert nämlich nicht gesellschaftlich…“ Wo behaupte ich bitteschön Robinson würde gesellschaftlich produzieren? Obwohl Robinson nicht gesellschaftlich produziert, lässt sich sein Arbeitstag trotzdem teilen, in Arbeit, die für seine Reproduktion notwendig ist und Arbeit, die er drüber hinaus verrichtet und die ausschließlich seinem Vergnügen dient. Das ist im übrigen nicht theoretisch herangetragen, sondern Robinson muss vernünftiger Weise an der Verteilung seiner Arbeitszeit diesen Unterschied machen. Den notwendigen Teil der Arbeit muss er nämlich verrichten, alles was darüber hinausgeht, kann er verrichten oder er kanns auch lassen.
    „Gebrauchswert unterstellt in Warenform immer fremdes Bedürfniss“ Dann halt bloß Bedürfnis (ohne eigenes), aber Bedürnis und nicht Wert im Marxschen Sinne von Wert, wie du unbedingt klugscheißen musstest.
    „Es „nützt“ dem Warenproduzenten nämlich gar nix, wenn er den von ihm produzierten Krempel selber benutzt.“ Es nützt ihm aber, wenn die Waren, die er verkauft benutzbar sind d.h. wenn sie einen Gebrauchswert besitzen. Und Gebrauchswert bedeutet eben, dass die Ware „durch ihre Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt“ und nicht dass das irgendwas mit Wert zu tun hat, weil das Wort „Wert“ in dem Wort „Gebrauchswert“ vorkommt.

  48. 24. Oktober 2011, 10:26 | #48

    Der Mitschnitt der Kuba-Veranstaltung in München aus dem Juni 2011 wurde mittlerweile von Argudiss vom Netz genommen. Statt dessen ist dort jetzt der Mitschnitt des Bremer Vortrags, auch gehalten von Wolfgang Möhl, zum gleichen Thema zu hören .
    Die Genossen haben dies mir gegenüber wie folgt begründet:

    „Wenn Argudiss.de wesentliche Fehler oder gröbere Mängel in Vorträgen auffallen oder ebensolche mitgeteilt bekommt, dann werden die entsprechenden Vorträge komplett aus dem Verkehr gezogen – wie mit dem Kuba-Vortrag aus München geschehen“.

    Ich hatte auch dort nachgefragt, weil im Protokoll des Jour fix vom 10.11.2011 steht:

    „Vor einer Weile wurde an der Uni München eine Veranstaltung zu Kuba gemacht. Das hat zu gewissen Irritationen geführt. Dieses Thema wurde deshalb nochmals überarbeitet und die Einwände wurden berücksichtigt. Das findet sich demnächst bei http://www.argudiss.de

    Wolfgang Möhl hat folgendes dazu gesagt:

    „Ich habe wegen der ewigen (auch in eigenen Kreisen stattfindenden) Debatten um die Frage: Haben die Kubaner jetzt (endgültig) ihr Sozialismus-Programm verraten, oder sind sie durch die desolate Lage gezwungen, all das zu machen, was sie gerade machen und mit einem auf Besseres zielenden Willen (‚Rettung des Sozialismus‘) zu entschuldigen – die Veranstaltung mir noch einmal auf diese Debatte hin etwas anders gegliedert zurechtgelegt und in Bremen gehalten. Diese Fassung (die sich nicht im grundsätzlichen Inhalt unterscheidet) ist bei argudiss eingestellt statt des Münchener Vortrags.
    Insbesondere habe ich klarer getrennt: Was macht die kubanische Führung gerade für Maßnahmen und was bedeuten die praktisch – wie versteht und rechtfertigt sie die andererseits selber. Habe von da aus wegen der linken Debatten den historischen Rückblick unter die Perspektive gestellt, dass die Sozialismus-Debatte seit 90 nach dem Ende der SU (und angesichts dessen, dass Kuba von Anfang nicht Herr seiner Verhältnisse war, und wie es von der SU aufrechterhalten worden ist, im Grunde auch vorher schon) die Diskussionen um ‚Sozialismus in Kuba‘ sachfremd sind.
    Und habe als Schluss noch ein Kapitel über die Logik und den fehlerhaften Grund dieser linken Debatten angehängt, der allerdings mit Kuba im engeren Sinnen nichts mehr zu tun hat, mir aber nötig erschien.“

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