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Neue Zweifel an den „Wundern von Stammheim“

5. Juni 2011

Theorie als Praxis hat auf einen Artikel in der jungen Welt hingewiesen: Ein Interview von Nick Brauns mit dem Betriebsrat und IT-Spezialisten Helge Lehmann, dem Autor des Buches „Die Todesnacht in Stammheim. Eine Untersuchung. Indizienprozeß gegen die staatsoffizielle Darstellung und das Todesermittlungsverfahren“ (Pahl-Rugenstein: Bonn, 2011, 237 S., 19,90 Euro)“.
Detlef Georgia Schulze illustrierte seinen Verweis mit einer Seite der Zeitung „Arbeiterkampf“ mit dem Titel „Wir glauben immer noch nicht an Selbstmord“. Das habe ich damals, unter anderem auch aufgrund der Artikel im „Arbeiterkampf“, auch nicht getan und tue das eigentlich auch immer noch nicht. Auch wenn das mittlerweile beinahe schon eine historische Sache geworden sein mag.

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  1. jedes.problem.wird.wie.luft.sein
    7. Juni 2011, 13:17 | #1

    die indizien wurden nun schon zu genüge vorgetragen und ja, es ist immernoch sehr unglaubwürdig, dass die rafler sich zu märtyrern aufschwingen wollten und selbstmord begingen.
    aber was ist damit politisch gewonnen, wenn nun nagelfest der mord durch den staat historische realität wird? der staat wäre damit etwa bloßgestellt in einer gesellschaft, die ohnehin doch nur durch und durch staatshörig ist.

  2. 7. Juni 2011, 14:55 | #2

    Ja nun, was ist damit politisch gewonnen? Sicherlich nicht viel. So ungefähr genauso viel, wie mit dem Bericht über irgendwas anderes, was dieser Staat (oder andere) so macht und was mehr oder weniger vielen Menschen nicht gut tut. „Bloßgestellt“ wird da regelmäßig gar nichts, das meiste wird ja eh nicht geheim, sondern unter größtem Tamtam aller Medien den Menschen rein gewürgt. Selbst bei Kriegen kriegt man ja heutzutage die Live-Berichte über die von den imperialistischen Staaten angerichteten Verwüstungen ins Haus geliefert.
    An irgendwas setzt aber jeder Bruch mit der Staatshörigkeit an: Eine einzelne Empörung, ein einzelner Gewaltakt, eine einzelne Lüge. Es scheint mir jedenfalls nicht sinnlos, offizielle Lügengebäude genauso zu Fall zu bringen zu versuchen, wie die offiziellen Sachzwänge überhaupt.

  3. Nestor
    8. Juni 2011, 03:56 | #3

    Die Frage: Brachten sich die RAF-Granden selber um, oder wurde da vom Staat nachgeholfen? – speist sich eigenartigen Bedürfnissen.
    Erstens einer komischen Vorstellung dessen, was ein Gefängnis ist. Gefängnisse sind demzufolge Unterdrückungsapparate, die freiheitliche Regungen im Zaum halten.
    Dabei haben Gefängnisse zunächst eine ganz andere Funktion: Sie dienen in erster Linie einmal dazu, das Eigentum zu schützen, und diejenigen zu bestrafen, die sich gegen das Eigentum vergehen.Diese Personen – Taschendiebe, Räuber, Einbrecher, Betrüger, usw. – machen die überwiegende Mehrheit der Gefängnisbevölkerung aus.
    Alle anderen Insassen der Gefängnisse sind nachgeordneten Zielen des bürgerlichen Staates geschuldet: Mörder, die das Recht auf Leben in Frage stellen, das sich der Staat als eigene Domäne vorbehält: Der Staat bestimmt, wann jemand umgebracht werden kann (derzeit: Afghanistan, unterm Hitler war das anders), oder Päderasten, die gegen die guten Sitten verstoßen, usw.
    Schließlich gab und gibt es politische Verbrecher, die direkt gegen das Gewaltmonopol des Staates verstoßen, wie Bader, Ensslin und andere. Ob die jetzt aus Verzweiflung gegen ihr Scheitern sich selbst weggeräumt haben, oder ob der Staat da nachgeholfen hat – was entnimmt der empörte Staatsgegner dem? Der Staat ist böse? Gefängnisse sind Unterdrückungs- und Ermordungs-Institutionen? (Wieviele Selbstmorde von nobodys gibts in Gefängnissen, von denen nie wer was hört?) Der Staat mordet? Bitteschön, das tut er auch außerhalb der Gefängnisse …
    Das ganze Geschrei und Enthüllungs-Getue um den Mord oder Selbstmord der RAfler will das Gewaltmonopol des Staates „entlarven“, gerade außerhalb seines Alltagsgeschäftes.

  4. Nestor
    8. Juni 2011, 04:21 | #4

    Noch was.
    Es gab in Österreich einmal einen Justizminister – Christian Broda – der hat gemeint, die Gefängnisse gehören abgeschafft. Er meinte, es sagt nix Gutes aus über eine Gesellschaft, wenn man Menschen in Käfige sperrt.
    Das war natürlich eine Quadratur des Kreises, die er sich vorgenommen hat, und seine Linie wurde nach seinem Tod sofort von der sozialistischen Partei abgeschafft.
    Aber es war beachtlich, daß ein Jurist sich zu einem solchen Standpunkt durchgerungen hat, der völlig dem Rechtswesen widerspricht, und es sogar bis zum Justizminister gebracht hat.
    Von solchen Idealen ist unsere heutige Gesellschaft weit entfernt …

  5. 8. Juni 2011, 07:32 | #5

    Man kann sowas natürlich abtun mit dem Bekenntnis, ich weiß aber, was Gefängnisse sind, und ihr Moralhanseln solltest lieber auch noch lernen, was das Brutale am Alltagsgeschäft des bürgerlichen Staates und seines Gewaltapparats ist (in Berlin sind z.B. ein Drittel der Insassen eines Knastes dort wegen Schwarzfahren reingesteckt worden!) statt blöde Aufklärungskampagnen oder Solidaritätskampagnen zu machen, wo es – jedenfalls für euch offensichtliche – Exzesse gibt.
    Der Kampf der (auch damals schon politisch angeschlagenen Kommunistischen Partei der USA) zum Beispiel für die Freiheit von Sacco und Vanzetti oder für die Scottsboro Boys gehört aber nicht zu ihren größeren politischen Verbrechen.

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