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Archiv für September, 2010

Heinrich-Kritik a la DKP: „Der lange Schatten des Objektivismus“

27. September 2010 8 Kommentare

Auch in den Denker-Kreisen der DKP hat man verärgert festgestellt, daß es auch noch andere Denker gibt, die sich mit Marx beschäftigen. Jedem normalen Linken fällt da sicherlich *der* Bestseller-Author der Szene ein: Michael Heinrich. Und eben nicht gleich jemand wie Werner Seppmann. Der sah sich vielleicht auch deshalb bemüßigt, sich diesen Konkurrenten vorzunehmen und hat in der „jungen Welt“ vom 21.09.2010 den vom jemand wie ihm zu erwartenden Verriß geschrieben.
Das wiederum hat gleich schon einen Kritiker dieser Kritik nach sich gezogen: Auf dem Blog Davidoseunomia (eunomia ist laut wikipedia „Die gute Ordnung der Polis (Stadt)“!!) nimmt ein Heinrich- und Elbe-Fan die Seppmann-Kritik auseinander.
Ach ja, es gab auch schon ernsthaftere Kritik an Heinrich: Im Gegenstandpunkt Heft 2-08 unter dem Titel „Wie man “Das Kapital” nicht schon wieder neu lesen sollte“ z.B. Hier als PDF.

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IKL zu China: Immer noch deformierter Arbeiterstaat (WV 964)

23. September 2010 3 Kommentare

Die trotzkistische IKL (ihre deutsche Sektion ist die SpAD) hat jetzt den ersten Teil eines größeren China-Artikels veröffentlicht. In Workers Vanguard No. 964 vom 10. September 2010 ist er unter dem Titel „China: Labor Struggles in the “Socialist Market Economy” — Defend the Chinese Deformed Workers State Against Imperialism, Capitalist Counterrevolution! For Proletarian Political Revolution! — Part One“ erschienen.
Ihr einziger im Interner aktiver Unterstützer, John Holmes, stellte den Artikel in der Trotzki-Usenet-Gruppe so vor:

„Naturally I am pleased that it emphasizes the point I have repeatedly made here on APST, that the rise in the productive forces in China is strong empirical evidence that firstly, China isn’t capitalist, and secondly and even more importantly, that breaking from capitalism is the only way forward for the world economy and the human race.
The widespread illusion that China is a capitalist country, so prevalent on the Left, is now being dissipated in bourgeois public opinion, freaked out by Chinese economic successes and American failures. See for example a thoroughly bourgeois article in the current New York Review of Books, which is more or less the spokesman
for the more intelligent and cultured sector of the American bourgeoisie.
Presumably this illusion will now begin to dissipate on the Left as well, given the dependence of so much of the left on bourgeois opinion. „

Zumindest seine letzten Hoffnungen werden sich wohl nicht erfüllen.

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Die unselige Sarrazin-Debatte – (Zentrale Argumente von Freerk Huisken)

6. September 2010 7 Kommentare

Freerk Huisken vom GegenStandpunkt hat einen Text über die Diskussion über Sarrazins Thesen geschrieben. Der ganze Text (auch mit Belegstellen für die dort angeführten Zitate) ist hier als PDF zu lesen. Hier einige von mir als wesentlich erachtete Thesen daraus:

Das Buch von Th.Sarrazin befasst sich in eigenwilliger Ausdeutung mit nationalen Themen, die, da sind sich große Teile der Kommentatoren und Rezensenten einig, weder er entdeckt noch er allein in dieser Zuspitzung formuliert hat. Sie lauten: Akademikerinnen bekämen zu wenig und Sozialhilfeempfängerinnen mit minderen geistigen Anlagen zu viele Kinder; das führe, weil Intelligenz erblich sei, dazu, dass Deutschland immer dümmer wird; dazu würden besonders auch integrationsunwillige Migranten beitragen, die das Land überfluten, Parallelgesellschaften gründen und so dafür sorgten, dass autochtone Deutsche in ihrem Land zur Minderheit werden.Das mag ja alles sein, doch was soll dem geneigten Leser damit mitgeteilt werden?
Was er da zu Papier gebracht hat, sind seine Überzeugungen, die er schon seit längerem in eine Öffentlichkeit bringt, welche in nicht gerade geringen Teilen hinter ihm steht. Kritik an diesen Überzeugungen ist allerdings Mangelware.
Und erst recht fehlt es an einer kritischen Würdigung der zentralen Botschaft seines Werkes: „Deutschland schafft sich ab…“ Sie wird gar nicht erst ernst genommen. Komisch. Die ganze Debatte und ihre Themen – darf der Mensch das sagen, darf er es so sagen, darf er es als deutscher Bankvorstand sagen, hat er da etwas Neues zu sagen… – stehen dafür, dass landauf landab von oben bis unten und von rechts bis links niemand auf die Idee kommt, dass wegen der von Sarrazin inkriminierten Sachverhalte Deutschland den Bach runter gehen könnte.
Kanzlerin Merkel findet nur die Wortwahl in seiner Publikation einfach „völlig inakzeptabel“, „menschenverletzend“ und „wenig hilfreich“. Das war es schon und das zeugt davon, dass die politische Führung sich in einem sicher ist: ,Natürlich handelt es sich um nationale Probleme, die Sarrazin angesprochen hat. Die sehen wir und die gehen wir an! Dafür haben wir die Legitimation durch das deutsche Volk; und die Mittel zu ihrer Bewältigung sind in unserer Hand konzentriert. Das bekommen wir in den Griff mit dem Recht, das uns auf den Feldern der Familien- und Sozialpolitik, der Bildungs- und der Ausländerpolitik die Handhabe gibt, Ordnung zu schaffen, störende Elemente ruhig zu stellen und für einen ausgebildeten Nachwuchs zu sorgen, der unseren Ansprüchen genügt.‘
Diese Ignoranz auch der Politik gegenüber der Hauptthese des Buches kann nicht beruhigen, sondern muss beunruhigen. Sie zeugt von der Arroganz und Sicherheit politischer Macht, die mit derselben Optik auf nationales Menschenmaterial, wie sie Sarrazin vorführt, an die „Probleme“ herangeht.
Der schlimme und inzwischen zum geflügelten Wort gereifte Spruch Kennedys, der Bürger möge nicht fragen, was der Staat für ihn, sondern umgekehrt sich fragen, was er für den Staat tun könne, ist das praktisch wahr gemachte Motto solcher Politik. Andererseits sind die gleichen Sorgen, die Sarrazin dazu veranlassen, zwischen zwei Buchdeckeln den nationalen Notstand auszurufen, für deutsche Politiker nichts als politisches Alltagsgeschäft.
Nachweisbar ist dies an ihrer Politik, die sich um die funktionale Verfasstheit des Staatsvolks nach Größe, Nachwuchsproduktion, Altersaufbau, Bildungsstand und nationaler Identität kümmert. Da kann Sarrazin ganz beruhigt sein: Nie stellt sich der hiesigen Politik dabei die Frage, was denn eigentlich für arme Familien, Hartz-IV-Empfänger, Migranten oder schulisch produzierte Restschüler das Beste, wie deren Wohlfahrt zu fördern wäre. Es wird allein die Frage gewälzt, welchen Beitrag sie als als Teil der nationalen Ressource ‚Volk‘ zu leisten imstande sind bzw. welchen Beitrag man von ihnen erwarten kann.
Es ist der normale Gang politischer „Reformen“, mit dem Regierungen die Entwicklung oder das Auseinanderfallen ihres Volkskörpers, Brauchbarkeit und Unbrauchbarkeit, Wohlverhalten und Unordentlichkeit von Volksteilen immer erneut und immer mit der standortpolitisch gebotenen Rücksichtslosigkeit gegen ganze Volksteile in den Griff zu bekommen versuchen. Und im Umgang mit den „Problemfeldern“ sind sie um neue hübsche Einfälle nie verlegen.
Das unterscheidet die regierenden Politiker vom Warner Sarrazin: Die Herstellung eines in allen Teilen nützlich einsetzbaren Staatsvolk mag zwar ihr Ideal sein, ist aber für sie nicht das praktische Maß aller Dinge. Als Politiker sind sie Realisten, die wissen, dass es gerade die erfolgreiche Benutzung des eigenen Staatsvolks – angereichert um Teile fremder Völker – als Ressource ist, die immer wieder jene „Probleme“ hervorbringt, von denen aus Sarrazin seinen nationalen Untergang konstruiert. Sie verfallen deswegen erst recht nicht auf die Idee, prekäre Resultate gewissermaßen politikfrei in die Zukunft hochzurechnen. Sie verfahren umgekehrt: Sie bilanzieren die Leistungen, die mit dem Einsatz des Volkes und auf seine Kosten eingefahren werden, registrieren deren Auswirkungen auf das Volk, summieren etwa Arbeitslose, Verarmungsfolgen und demographische Konsequenzen und treten dann in die politische Debatte darüber ein, wie nationale Erfolge ausgebaut werden können, ohne dass völkische Kollateralschäden dabei stören.
Die Arroganz und Unerschütterlichkeit der Machthaber gegenüber der von Sarrazin bitterernst gemeinten Prognose vom Verfall Deutschlands hat also ein gutes Fundament: Das staatliche Gewaltmonopol, seine gesicherte Umsetzung in Politik und ein Volk, das sich nicht etwa anschickt Deutschland „abzuschaffen“, sondern sich, gut erzogen wie es mehrheitlich ist, geradezu im Geiste Sarrazins die Sorgen der Regierung zu eigen macht.

Nachtrag:

Was lernt man eigentlich über Meinungsfreiheit, wenn in TV-Sendungen, in der BILD, von der SPD-Basis und in zahllosen Lesenzuschriften die „unerträgliche Beschränkung der Meinungsfreiheit“ für Th. Sarrazin angeprangert wird? … Es geht also gar nicht um die Freiheit der Meinung, es geht allein um in den Inhalt seiner Meinung. Allein dem wünschen die Beschwerdeführer mehr Gehör. …
Nie würden dieselben – z.B. bei Anne Will, Beckmann oder Plaßberg versammelten – aufgebotenen Freunde der Meinungsfreiheit auf die Barrikaden steigen, wenn es um folgende Thesen ginge:
– Dass so viele arme Schweine aus dem Nahen Osten oder Afrika in falscher Vorstellung vom Leben in den kapitalistischen Metropolen ihr Heil in der Flucht suchen, geht auf das Konto all jener imperialistischen Mächte, die in diesen Regionen rücksichtslos gegenüber den dort lebenden Menschen ihre strategischen und ökonomischen Interessen durchsetzen.
– Dass es so viele Kinder aus den unteren Klassen der Gesellschaft in geistigen Verfassung und Qualifikation nicht mit Akademikerkindern aufnehmen können, ist das Werk des hiesigen Bildungssystems, das durch frühe Auslese dafür sorgt, dass eine Mehrheit des Nachwuchses von weiterführender Ausbildung ausgeschlossen wird. Die von Sarrazin angeprangerte „Dummheit“ ist schulisch hergestellt!
– Dass die zunehmende Zahl von Menschen, die von Sozialzuwendungen und von Verdienst nicht mehr leben können, ist das Werk der politisch betreuten Marktwirtschaft.
– Dass das Ideal eines „einig deutschen Volkes“, das in Harmonie und wechselseitiger Anerkennung lebt, nichts als die Wunschvorstellung politischer Herrschaft ist, die eine durch ökonomische, soziale und politische Gegensätze gekennzeichnete Gesellschaft so zusammenhalten will, dass kapitalistischen Wachstum und nationale Souveränität zunehmen und alle dabei notwendig anfallenden in- oder ausländischen Opfer den Gang dieser Geschäfte nicht groß stören.
– Dass das Recht der freien Meinungsäußerung selbst ein Herrschaftsinstrument ist, dass es schlichte Heuchelei ist, wenn seine Beschränkung im Falle Sarrazins angeklagt wird; ganz abgesehen davon, dass es hier gar nicht um Meinungen geht, sondern um die Aufforderung, die herrschende politische Praxis gegenüber kapitalistisch überflüssig und unbrauchbar gemachten Bevölkerungsteilen noch rücksichtsloser zur Anwendung zu bringen.

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„Bedingungsloses Grundeinkommen“ – Und schon wird der Kapitalismus menschlich?

4. September 2010 32 Kommentare

500, ja bis zu 1500 Euro monatlich aufs Konto, einfach so, das verspricht die Idee „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Das ist attraktiv. Warum? Das ist klar: Die Preise fürs Leben sind hoch, jedenfalls ist das verdiente Geld bei den Meisten knapp und das Geldverdienen hart und unsicher. Das soll auch alles im Prinzip so bleiben, wenn es nach den Befürwortern des bedingungslosen Grundeinkommens geht. Nur: Vor diesem Hintergrund sind die 500 bis 1500 Euro nicht etwa bescheiden, sondern „fast zu schön“, wie alles, was die allseits gewohnte Geldnot lindert.
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Ganz besonders strahlt dieses Versprechen eines Grundeinkommens im Vergleich zur Lebenslage von Hartz IV, diesem elenden Notgroschen für Menschen ohne Verdienstquelle, die trotzdem alles bezahlen müssen. Solche Massenarmut muss aber nicht sein, meinen die Befürworter des Grundeinkommens, schon gar nicht „mitten in einem reichen Land“. Sie wissen, dass die im Kapitalismus verbreitete Armut nicht Ausdruck eines allgemeinen gesellschaftlichen Mangels ist, sondern dass den Armen immenser Reichtum und ständig steigende Produktivkraft gegenüberstehen. Und warum kommen die Armen da nicht dran? Warum muss man für jedes Lebensmittel den geschäftstüchtigen Eigentümern des kapitalistischen Reichtums einen gewinnbringenden Preis zahlen? Warum haben die meisten keine Verdienstquelle, mit der das locker geht, warum viele sogar gar keine?
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An solche Fragen wollen Grundeinkommensfreunde nicht denken, schon gar nicht dran rühren. Den gewaltigen Reichtum im Kapitalismus begrüßen sie vielmehr als „Möglichkeit“, ein wenig davon als Geld so „umzuverteilen“, dass die Menschen mit den Preisen dieses Reichtums etwas weniger bedrückt klar kommen; auch die, die „sonst nichts haben“. Warum so eine Notlösung und zwar als Dauereinrichtung, am besten im Grundgesetz zementiert?
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Und: Warum kann eigentlich angesichts der Potenzen, Reichtum zu schaffen, die Armut nicht gründlich abgeschafft werden? Wieso „müsste“ auch das bedingungslose Grundeinkommen knapp bemessen sein? Dafür wälzen die Befürworter ein Argument. Ihre politischen Gegner verfluchen „anstrengungslosen Wohlstand als Dekadenz“, in der keiner mehr arbeitet. Dass man „den Menschen“ mit Not zur Arbeit erpressen muss, daran leuchtet auch den Menschenfreunden etwas ein. Ihr Grundeinkommen soll so hoch sein, dass einen die Armut nicht erdrückt, aber so niedrig, dass die Leute einen „Anreiz, wieder arbeiten zu gehen“ (Linkspartei) haben. Geldnot als Stachel, für Lohn arbeiten zu gehen und den kapitalistischen Reichtum zu schaffen, dafür haben auch die etwas übrig, die gleichzeitig den Zwang der Sozialbehörden geißeln, dass sich Bezieher von Arbeitslosengeld und Hartz IV für irgendeinen Billigjob verdingen sollen, und die das Grundeinkommen „bedingungslos“ auszahlen möchten. Dabei könnte man auch mal fragen: Was ist das für eine Arbeit im Kapitalismus, zu der man die Arbeitenden erpressen muss? Warum überzeugt die Arbeitenden nicht, dass es sich lohnt zu arbeiten, wo so gigantisch viel Reichtum rauskommt?
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Die Befürworter von bedingungslosem Grundeinkommen stört die Armut mitten im Reichtum, sie stört der Arbeitszwang, den Geldnot erzeugt, zumindest dort, wo er sozialstaatlich organisiert wird; Schluss machen wollen sie mit beidem nicht, mit Lohnabhängigkeit, die all das einschließt, schon gleich nicht. Wofür taugt dann ihre Idee, wem soll der Kampf zu ihrer Durchsetzung nutzen? Alle, heißt es, auch die, „die sonst nichts haben“, sollen „teilhaben“ und „mitwirken“ können „an der Gesellschaft“. Da stellt sich schon die Frage: Hat diese Gesellschaft, die die Menschen doch erst in die Bedürftigkeit bringt, das denn verdient? Klar, die Macher und Nutznießer des Kapitalismus erwarten solchen Geist des Mittuns von allen Bürgern – auch von denen, die sie auf Straße setzen und denen sie regelmäßig die Sozialleistungen kürzen…
[mit diesem Text wirbt der GegenStandpunkt Bremen für eine Veranstaltung zum Thema am 22.09.2010]

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