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Silone: Wahr oder unwahr?

29. Juli 2010

Auf dem wirklich schön benannten Blog „Spass und Lebensfreude durch Elektrifizierung –Mit Dampfmaschine, Flugzeug und Glühbirne in eine bessere Zukunft“ hat der Blogger Stromsau wieder mal ein Beispiel gebracht, daß eine, in diesem Fall politische Aussage nicht schon deshalb stimmen muß, weil sie reihenweise zitiert wurde. Hier geht es jedenfalls um das ungeheuer brauchbare Totschlagargument:

„Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“

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  1. Anmerkungenanmerker
    29. Juli 2010, 21:20 | #1

    Man muß schon unterscheiden: Der Stromsau-Beitrag zeigt nur auf, das nach aller Wahrscheinlichkeit

    daß eine, in diesem Fall politi­sche Aussage nicht schon deshalb stimmen muß, weil sie rei­henweise zitiert wurde

    leistet der Stromsau-Beitrag meiner Meinung nach nicht. Eine Kritik an der Idee, das ein neuer Faschismus sich gerade als Antifaschismus ausweisen solle, kommt nicht. Das eigentliche Anliegen der Nutzer dieses Zitates ist ja die logische Drehung: Dass der heutige Antifaschismus, in seinem Tun die Fortsetzung des Faschismus von damals sei. Das greift Stromsau zwar auf indem er ausführt, wer alles gegen wen mit dem Zitat zu Felde zieht. Eine inhaltliche Entkräftung findet aber in keinem der Fälle statt. Auch wird nicht geklärt, warum der Vorwurf nur als Vorwurf also Anklage auf der moralischen Ebene taugt und kein Ansatzpunkt für einen Versuch sein kann, den Angegriffenen eines Besseren zu belehren. Stromsau ist sich genug darin,

    wenn eine Hand voll Blogs (es werden ja wohl mehr als der und ich sein) darauf hinweist [„dass das Faschismus-Zitat ein Fake ist“]

    Er kritisiert also nicht, was Silone gesagt haben soll, sondern dass Silone diese Aussage zugeschrieben wird. Als Grund kann ich neben Silone-Liebhaberei nur vermuten, das ihn das besondere moralische Gewicht ärgert, dass die Worte bekommen, wenn gerade Silone mit seiner Biographie sie gesprochen haben soll. Auch die Kritik an dem Treiben der Antifas, dass zu solchen Sprüchen erst die Angriffsfläche liefert, wird mehr angedeutet als ausgeführt. „In eine bessere Zukunft“ führt das nicht gerade.

  2. 30. Juli 2010, 09:52 | #2

    Hatte gestern bei Stromsau einen Hinweis gepostet, der aber bislang (?) nicht freigeschaltet ist (?). Man wird nämlich bei books.google fündig, dort entdeckt man, dass es ein Bändchen des Schweizer Journalisten Francois Bondy gibt, „Pfade der Neugier“ (1988), in der er offensichtlich auch von Begegnungen mit Ignazio Silone erzählt. Es ist Bondy, der diesen Spruch Silones überliefert: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus.'“ (S.84) Vielleicht ist das die Quelle? Man könnte das nachprüfen und sich das Büchlein ausleihen, dann erfährt man auch vielleicht mehr über den Kontext.
    Es gibt ja diesen linkskommunistischen, Amadeo Bordiga zugeschriebenen Spruch (Quelle habe ich noch nicht gefunden!), wonach der Antifaschismus die schlimmste Folge des Faschismus sei. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Silone sich diese Einsicht zu eigen gemacht hat, da er als KP-Stratege ein sogenannter Zentrist war und stets den linken (um Bordiga gruppierten) Flügel kritisiert hatte. Außerdem unterscheiden Linkskommunisten ziemlich genau zwischen Antifaschismus und Faschismus, ihre Kritik ist ja, dass das eine nicht taugt, um das andere zu bekämpfen und also Antifa bloß ein anderer Name für bürgerlich-demokratische Republik ist. Russland wurde als junge kapitalistische Nation, nicht als neue faschistische Weltmacht dargestellt und kritisiert.
    Ich denke, Silone assoziiert einfach das totalitäre Regime in Russland mit dem neuen Faschismus, man müsste halt bei Bondy nachgucken, wann genau Silone ihm das gesagt haben soll: Wenn es in den 1950ern war, hat er vielleicht die damalige Welle der Schauprozesse mit den offensichtlichen antisemitischen Zügen im Hinterkopf.
    Wie dem auch sei – das alles (und auch sein gruseliges Spitzeltum in den 20er Jahren ) schmälert nicht die Verdienste seines „Faszismus“-Buches (ich glaube von 1931 oder ’32), das wirklich die beste, weil akribischste Analyse des italienischen Faschismus gewesen ist: Die Durchsetzung des Regimes wird bis hinab auf die molekularen Ebenen der Fabrik dargestellt, die vielschichtigem auch widersprüchlichen Bündnisse zwischen (lokaler) Bourgeoisie und faschistischen Mob werden detailliert herausgearbeitet. Also – wenn schon Silone, dann dieser!

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