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Widersprüche geplanter Wertproduktion

29. November 2009

Ein zentrales summary des Buches von Renate Dillmann zu China, das sicher für alle „Übergangsregime“ Gültigkeit beansprucht, steht bei ihr auf S. 89:

Zur Klarstellung: Eine »Ökonomie der Zeit« in Planungsüberlegungen einzubeziehen, ist etwas anderes, als das »Wertgesetz zu praktizieren«. Wenn die rationelle Planung einer arbeitsteiligen Wirtschaft hier ab und an verkürzend als »Gebrauchswertökonomie« bezeichnet wird, ist damit Folgendes gemeint: Die Produzenten einigen sich darüber, was sie produzieren wollen. Dabei werden Überlegungen fällig, wie viel Zeit sie auf die Herstellung der benötigten Produktions- und erwünschten Konsumgüter verwenden und wie viel an natürlichen Ressourcen sie in einem Arbeitsprozesses verbrauchen wollen, der die Produzenten möglichst schonend behandelt und die Konsumenten mit wirklich brauchbaren Gütern versorgt. Ein zweites Mal kommt die Arbeitszeit bei der Verteilung der Gebrauchswerte vor. Wer sich Konsumwünsche über eine entsprechend ordentliche Grundversorgung hinaus erfüllen will, hat dafür mit einem Einsatz zu zahlen, der ebenfalls über die von allen zu leistende (und gegenüber heutigen Verhältnissen deutlich minimierte) Arbeit hinausgeht.

Interessensunterschiede und -gegensätze sind in einer solchen Ökonomie durchaus vorhanden, deshalb existiert auch ein entsprechender Streit über die gesamtgesellschaftlichen Planungsziele. Eine sozialistische Gesellschaft ist insofern keineswegs die Realisierung einer Utopie von steter Harmonie. Im Gegensatz zur kapitalistischen Produktionsweise gehen in ihr die Interessen der einen allerdings nicht nur unter der Bedingung auf, dass die Interessen der anderen notwendig und systematisch scheitern.

All das sind nicht die Fragen und nicht die Überlegungen der realsozialistischen Planbehörden. Sie beschäftigen sich schlicht mit einem anderen Programm. Sie sollen staatlich getroffene Entscheidungen über das planmäßige Wachstum und die Entwicklung einer nationalen Ökonomie umsetzen in volkswirtschaftliche Kategorien. Das staatliche Interesse an Wachstum wird übersetzt in Preise, Gewinnvorgaben etc., wobei darauf geachtet werden muss, dass alles zusammenpasst und es obendrein auch noch gerecht zugeht. Vgl. dazu Charles Bettelheims Ausführungen zum »System der Arbeitsnormen« im Anhang.

Den Anhang des wahrscheinlich renommiertesten „westlichen“ Maoisten werde ich noch nachreichen.

Zu klären ist jetzt noch, z.B. wie das denn organisiert werden soll: „Wer sich Konsumwünsche über eine entsprechend ordentliche Grundversorgung hinaus erfüllen will, hat dafür mit einem Einsatz zu zahlen, der ebenfalls über die von allen zu leistende (und gegenüber heutigen Verhältnissen deutlich minimierte) Arbeit hinausgeht“ Also doch „Lohn“, Konsumgüter“preise“, oder „nur“ Bezugscheine, Arbeitszeitzettel als Geldsurrogat? Ich weiß ehrlich nicht, wie das nach einer GSP-Revolution gehen sollte (wie das die Realsozialisten gemacht haben, beschreibt und kritisiert das Buch in dem Kapitel 4, aus dem das Zitat ist, ja ausführlich.)

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  1. 29. November 2009, 15:00 | #1

    „In diesem System wird die Anzahl der von jedem Bauern erzielten Arbeitspunkte auf der Grundlage von vorher festgesetzten Arbeitsnormen berechnet. Die Norm gibt genau an, in wie viel Zeit eine Arbeit gemacht werden muss, und wie viel Arbeitspunkte man damit verdienen kann. Wenn die Arbeit schnell gemacht wird, kommt dies dem jeweiligen Bauern zugute, der dann zu einer anderen Aufgabe übergehen oder seine private Parzelle bestellen kann. In manchen Fällen, wenn die gewonnene Zeit besonders wichtig ist, kann der Bauer sogar eine Prämie in Arbeitspunkten erhalten. Wenn es ihm dagegen nicht gelingt, seine Arbeit in der vorgesehenen Zeit fertigzustellen, wird die Anzahl der Arbeitspunkte nicht verringert. Dies bildet eine wichtige Garantie für die weniger qualifizierten oder benachteiligten Bauern, die sicher sein können, eine Entlohnung zu erhalten, die genau dem entspricht, was sie geleistet haben.

    Die Festsetzung der Normen

    Das System der Arbeitsnormen beruht insgesamt auf der Berechnung der Normen. ,Die Normen werden nach Quantität und Qualität der Arbeit festgelegt, die ein durchschnittlicher Arbeiter mit einer normalen Arbeitsintensität an einem Tag leisten kann. Je nach dem technischen Niveau und der Intensität, die die Arbeit erfordert, je nach dem Stellenwert, den die Arbeit in der Produktion einnimmt und je nach den natürlichen und jahreszeitlich bedingten Umständen, in denen sie durchgeführt werden muss, wird die vorgesehene Norm hoch oder niedrig sein und die Anzahl der entsprechenden Punkte mehr oder weniger groß sein.’ In der Landwirtschaft gibt es viele verschiedene Arbeiten. Um ein globales Gleichgewicht zwischen den für die landwirtschaftlichen Arbeiten festgesetzten Normen zu erreichen, ,muss zunächst ein Kriterium für den Arbeitstag festgesetzt werden, dann müssen die verschiedenen Feldarbeiten untereinander verglichen werden (z.B. muss verglichen werden, wie viel Arbeitspunkte man bei der Bestellung eines Mou Süßkartoffeln und wieviel man bei der Bestellung eines Mou Kohl erzielen kann), und dann müssen die Arbeiter untereinander verglichen werden (z.B.der Vergleich der von ein und demselben Arbeiter geleisteten Arbeit, wenn er verschiedene Tätigkeiten ausübt).’
    Es ist klar, dass die Bewertung dieser verschiedenen Faktoren keine einfache Sache ist, und dass die Aufstellung eines vollständigen Normensystems Zeit erfordert.“
    BETTELHEIM, CHARLES/ MARCHISIO, HÉLÈNE U.A., DER AUFBAU DES SOZIALISMUS IN CHINA. MÜNCHEN 1969, S. 76 F

    Mit der einmaligen Bestimmung der Arbeitsnormen ist es nicht getan
    „Weitere Faktoren, wie die Entfernung, die mit dem Weg zum Arbeitsplatz zurückgelegt werden muß,wie die Eigenschaft der zu bearbeitenden Erde – eben, steinig, trocken, feucht -, wie das Alter der Arbeitstiere werden gleichermaßen in Betracht gezogen.
    Diese Komplexität der Normen, der Wunsch, alle Umstände, die eine Arbeit erleichtern oder erschweren können, im voraus zu bedenken, haben zur Folge, daß die Entlohnung so genau wie nur möglich der tatsächlich geleisteten Arbeit entspricht. Unter solchen Bedingungen ist begreiflich, daß die Normen nicht von Technikern ausgearbeitet werden können, die von außerhalb kommen. Nur die Bauern selbst können die Normen aufgrund ihrer langen Erfahrung und der perfekten Kenntnis, die sie von den Ländereien ihrer Equipen haben, ausarbeiten. Sie sind es auch, die wissen, was ein durchschnittlicher Arbeiter leisten kann, und die bestimmen können, wieviel Arbeitstage für diese oder jene Aufgabe notwendig sind. Denn die Festsetzung der Normen spielt über die Entlohnung hinaus eine wichtige Rolle bei der Verteilung der Arbeitskraft auf die verschiedenen Arbeiten sowie bei der Vorbereitung des Arbeitsplans der Equipe. Das Problem ist hier, ein schwer herzustellendes Gleichgewicht zu erreichen.

    Aus all diesen Gründen können die Normen auch nicht ein für allemal festgesetzt werden. Die bestehenden Normen müssen immer wieder neu untersucht, berichtigt und unter Umständen vervollständigt werden. Man kann nicht alles von vornherein voraussehen. So hat die Equipe Nr. 1 der Brigade Yue Ge (Volkskommune von Lou Kuquiao) seit 1957, dem Zeitpunkt der Aufstellung der ersten Normen, 30 % der ursprünglichen Normen vervollständigt und 40 􀂛/0 revidiert. In dieser Equipe sind jetzt 95 % der landwirtschaftlichen Arbeiten durch Normen fixiert.

    Es ist ratsam, nicht leichthin an eine Revision der Normen zu gehen. Manche Kommunen haben die Fälle vorgesehen, in denen eine Revision der Normen vorgenommen werden kann: 1. Veränderung der Produktionswerkzeuge; 2. Modifikation der Qualitätsansprüche; 3. anhaltender Regen oder anhaltende Trockenheit; 4. offensichtlicher Irrtum bei der Festsetzung der Normen. Dagegen werden die Normen nicht verändert: 1. wenn sie zwar unvollkommen, aber realisierbar sind; 2. wenn es nur einer Minderheit von Bauern nicht gelingt, sie zu verwirklichen; 3. wenn eine schlechte Einstellung zur Arbeit der Grund für die Nichtverwirklichung ist; 4. wenn die Veränderungen in den oben genannten Fällen nicht wichtig sindll. Bei allzu häufigen Anderungen der Normen liefe man Gefahr, zahlreiche Gleichgewichtsstörungen hervorzurufen. Deshalb kann für die Kader auch nicht die Rede davon sein, solche Veränderungen leichthin vorzunehmen. ,Nur indem man die Bilanz aus der Erfahrung der Massen zieht, kann man das Normensystem fortschreitend verbessern und vervollkommnen.’“
    BETTELHEIM, CHARLES/ MARCHISIO, HÉLÈNE U.A., DER AUFBAU DES SOZIALISMUS IN CHINA. MÜNCHEN 1969, S. 80

    Danach steht die Anwendung der Arbeitsnormen an

    „Die Festsetzung der Normen ist nur der erste Arbeitsgang, in der Folge muß an jedem Arbeitstag oder nach jeder abgeschlossenen Aufgabe die Anzahl der tatsächlich erzielten Arbeitspunkte bestimmt werden, wobei die Quantität und die Qualität der wirklich geleisteten Arbeit in Rechnung gestellt werden, Um die Punktverteilung zu vereinfachen, wurden die verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeiten in einige große Kategorien eingeteilt:
    1. Arbeiten, die einem Bauern, der allein arbeitet und einen Stücklohn dafür erhält, von der Equipe übertragen werden. In diese Kategorie fallen der Transport von Dünger, das Pflügen, die Anfertigung von Stricken usw. alle Arbeiten also, die keine Zusammenarbeit mehrerer Arbeiter erfordern, und bei denen es leicht ist, die Quantität der tatsächlich geleisteten Arbeit festzustellen,
    2. Arbeiten, die kooperativ von mehreren Arbeitern ausgeführt werden müssen, bei denen aber die von jedem einzelnen übernommene Aufgabe noch leicht veranschlagt werden kann, Diese Arbeiten werden von der Equipe auf eine Gruppe übertragen, und jeder Bauer erhält eine der Quantität der geleisteten Arbeit entsprechende Punktzahl. Beispiel: Korn mähen, Garben binden und transportieren.
    3. Arbeiten, die kooperativ ausgeführt werden müssen, ohne daß es möglich wäre, die Arbeit jedes Bauern mathematisch genau zu veranschlagen. Sie werden der Gruppe von der Equipe mit einer entsprechenden Anzahl von Punkten übertragen, die nach demokratischer Diskussion unter den Mitgliedern der Gruppe verteilt werden. Beispiel: Pumpen mit Hilfe von Wasserrädern.
    4. Im Stücklohn bezahlte Arbeiten, die die Equipe einer Familie mit einer pauschalen Punktzahl überträgt. Dies sind im allgemeinen kleine isolierte Arbeiten (Samen auslegen, Tiere hüten), die von einer Hilfskraft – besonders Frauen, die im Haushalt bleiben – erledigt werden können.

    Es handelt sich hier um eine Klassifikation unter vielen anderen. Im Laufe unserer Besuche in verschiedenen Volkskommunen haben wir die Existenz verschiedenster Systeme entdeckt, bei denen die regionalen Besonderheiten berücksichtigt wurden: sie alle aufzuzählen, wäre langwierig und würde diese Arbeit kaum bereichern.“
    BETTELHEIM, CHARLES/ MARCHISIO, HÉLÈNE U.A., DER AUFBAU DES SOZIALISMUS IN CHINA. MÜNCHEN 1969, S. 81

    Charles Bettelheim über den Umgang mit diesem System

    „Die Diskussionen nahmen kein Ende. Deshalb ging man bald zu einem Normensystem über (insgesamt 300 Normen). Bei der praktischen Anwendung des Normensystems zeigten sich jedoch Nachteile. Man fand, daß die Anwendung die Kader übermäßig viel Zeit kostete. Außerdem wurde die Qualität der Arbeit zu häufig zugunsten der Quantität vernachlässigt. Die Kader untersuchten die Frage. Sie kamen zu dem Schluß, daß der Schlüssel zu dem ganzen Problem in der Erziehung der Bauern lag. Man ging das gesamte Entlohnungssystem seit Gründung der Genossenschaften neu durch, Man behielt vom Normensystem all das bei, was als zufriedenstellend empfunden worden war, gab die von den Bauern kritisierten Normen auf und führte auf diese Weise ein neues, außerordentlich originelles System ein, Die Vier-Punkte-Formel, die dieses System auszeichnet (zibao gongyi), läuft auf folgendes hinaus:

    Jeder teilt sich die Anzahl von Arbeitspunkten zu, die er glaubt erzielt zu haben, dann wird diskutiert. Diese Form läuft auf einen Zeitlohn hinaus. Man beschließt für jede landwirtschaftliche Arbeit ein Qualitätskriterium, das zu erfüllen ist, und setzt die maximale Punktzahl fest, die an einem Tag erreicht werden kann: zum Beispiel 10 Punkte für den Terrassenbau, 9 Punkte für die Feldarbeit usw. Jeder Bauer vergleicht die Arbeit, die er geleistet hat, mit dem »Kriterium« und gibt sich eine bestimmte Punktzahl. Die praktische Anwendung dieses Systems ist besonders interessant. Anfangs gab es einige Bauern, die nicht des Egoismus beschuldigt werden wollten und sich eine Punktzahl gaben, die unter dem lag, was ihnen eigentlich zugestanden hätte. In der Diskussion wurde dies dann berichtigt. Andere Bauern, die weniger Skrupel hatten, gaben sich mehr Punkte als sie eigentlich verdient hatten. Auch dies wurde in der Diskussion berichtigt, jedoch nicht ohne Streitereien.

    Nun untersuchte die Parteizelle die Funktionsfähigkeit des neuen Systems, und zwar unter dem Gesichtspunkt des obersten Ziels, der Erziehung der Mitglieder. Die erste Gruppe, die ihre Arbeit unterbewertet hatte, war nicht realistisch gewesen, man mußte ihr beibringen, es zu werden, und deshalb nicht weiter die Punktzahl, die sie sich selbst zuteilen, erhöhen. Auf diese Weise gab es in der Folge keine Bauern mehr, die ihre Leistung unterschätzten. Bei der anderen Gruppe beschloß man entsprechend, ihre Punkte nicht mehr zu vermindern, und um sie zu erziehen, führte man die »Gespann«-Methode ein, Das heißt, man ließ einen Bauern, der sich 10 Punkte gegeben hatte, während er nur 8 verdiente, mit einem Bauern, der seine 10 Punkte tatsächlich verdient hatte, zusammenarbeiten, Es bedurfte keiner zwei Tage, bis der erste, wenn es ihm nicht gelang, dem Vergleich mit dem qualifizierten Bauern standzuhalten, von selbst seine Punkte herabsetzte. So ist die Art und Weise, wie die Bauern sich ihre Punkte »zuteilen« jetzt »relativ gerecht«.

    Neben seinem erzieherischen Wert besteht einer der großen Vorteile dieses Systems darin, daß es die Kader von einigen administrativen Aufgaben befreit und ihnen damit ermöglicht, länger auf den Feldern zu arbeiten. Eine Ende 1963 in dieser Brigade durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, daß die im Laufe des Jahres tatsächlich erzielte Punktzahl gut die Qualifikationsunterschiede widerspiegelte: die hochqualifizierten Bauern hatten durchschnittlich 12 Punkte pro Tag erzielt, die »guten« Arbeiter 10,05 Punkte, die »mittleren« Arbeiter 9,5 Punkte, die »schwachen« Arbeiter 7 Punkte und die Hilfsarbeiterschaft 4 bis 5 Punkte. Die Entlohnung der Kommunenmitglieder, die mit Aktivitäten aus dem sekundären Sektor beschäftigt sind, liegt etwas höher: die Steinmetze liegen durchschnittlich um 20 Dfo höher als die Bauern der gleichen Kategorie, die Viehzüchter liegen 15 Dfo, die Zimmerleute und Schreiner 11 Dfo und die Schäfer 10 Dfo höher. Sollte dieses System auch anderswo eingeführt werden? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Der erzieherische Wert, die Verminderung der administrativen Aufgaben, die es zur Folge hat, sprechen dafür. Sein Entstehen beweist, wie sehr die Volkskommunen eine lebendige und dynamische Organisation sind.“
    BETTELHEIM, CHARLES/ MARCHISIO, HÉLÈNE U.A., DER AUFBAU DES SOZIALISMUS IN CHINA. MÜNCHEN 1969, S. 84 F

  2. 29. November 2009, 17:05 | #2

    ich glaube, Dillmanns standpunkt (den ich für äusserst vernünftig halte, weil ich es für unrealistisch halte, dass leute ganz altruistisch für die extrawürste anderer arbeiten wollen, wenn sie selbst mit weniger zufrieden sind) kollidiert mit dem so einiger gsp-anhänger an der stelle. da gab es auch leute, die meinten, man müsste sich über die gesamte produktion komplett einigen, und wirklich alle arbeit gleich verteilen

  3. n0b0dy
    29. November 2009, 18:08 | #3

    Wie jetzt? Gsp’ler machen sich Gedanken über die Zeit nach der Revolution? Dass ich das noch erleben darf. 😀
    Guter Artikel von Ingo Elbe, der zeigt wie schon Engels Marx in dieser Hinsicht fundamental missverstanden hat:
    Marx vs. Engels – Werttheorie und Sozialismuskonzeption
    http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/Marx-vs-Engels-Werttheorie-und.html

    „Zwar fordert auch Marx für den Kommunismus eine „Ökonomie der Zeit sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiednen Zweige der Produktion“. [60] Für ihn ist diese „jedoch wesentlich verschieden vom Messen der Tauschwerte (Arbeiten oder Arbeitsprodukte) durch die Arbeitszeit.“ [61] Arbeitszeit im Kommunismus stellt eine subjektive Abstraktion dar, die an konkreten Arbeiten vorgenommen wird und der vergesellschaftungsrelevanten Fähigkeits- und Bedürfnisartikulation nachgeordnet ist. Arbeitszeit ist hier eine bloße Nominalabstraktion, die zur normspezifischen Einteilung der Arbeiten dient: „die Arbeiten sind als ungleiche nach der Zeit eingeteilt – nicht als gleiche an der Zeit ‚gemessen’.““

    Bisher das beste Konzept, das diese Fehler nicht macht ist IMHO die Peer-Economy von Christian Siefkes. In der Prokla 155 „Sozialismus?“ gabs nen guten Artikel, in dems darum geht was sein Ansatz mit Kommunismus zu tun hat.
    http://www.keimform.de/2009/07/17/ist-commonismus-kommunismus-html/

    „Die in Siefkes (2007: Kap. 4.3.3 u. Anhang) skizzierte Idee ist daher, Gewichtungen für unterschiedliche Aktivitäten zu ermitteln und für die Aufwandsberechnung jeweils gewichtete Arbeitszeiten zugrunde zu legen. Alle Aufgaben haben zunächst das Gewicht 1, aber wenn es nicht genügend Leute gibt, die eine Aufgabe übernehmen wollen und können, wird ihr Gewicht schrittweise erhöht, mit dem Ziel, die Erledigung dieser Aufgabe für mehr Leute attraktiver zu machen. Der für die Erfüllung einer Aufgabe angerechnete Aufwand ergibt sich aus der Arbeitszeit multipliziert mit dem Gewicht der Aufgabe – eine Stunde einer weniger attraktiven Aufgabe mit Gewicht 2.0 entspricht zwei Stunden einer attraktiven Aufgabe mit Gewicht 1.0.“

  4. star wars
    29. November 2009, 19:44 | #4

    Wenn der Einzelwille Teil des Gesamtwillens ist es absurd zu verlangen dass die Leistung des Einzelwillens, mit einer dieser äquivalenter Gegenleistung, in Bezug auf das Produktionsergebnis des Gesamtwillens, doppelt entlohnt werden müsste.

    Eine Miniatur des Äquivalententausches ist dagegen dann notwendig wenn die Produzenten nicht imstande sind über das nötigste einer kollektiven Bedarfsproduktion hinaus zu produzieren (übergangsweise in einem industriell entwickelten Land, oder z.B. in einem industriell minder entwickelten Land, Afrika usw.). Die konsumtive Entlohnung über Äquivalentprinzipien muss als Sonderfall im Kommunismus bzw. im Übergangsfall zu einer kommunistisch organisierten Bedarfsgemeinschaft behandelt werden.

    Schließlich wird in einer Bedarfsproduktion kollektiv, und nicht individualbezogen entschieden, welche Konsumtionsartikel, und in welchen Massen, produziert werden sollen. Der Einzelwille gilt nicht uneingeschränkt und, ich muss es nun mal voraussetzen, dass muss ein Kommunist wissen. Jeder Einzelwille muss in der Lage sein die Fähigkeiten und Bedürfnisse anderer Einzelwillen, bei der Gestaltung eines vernünftig geplanten Gesamtwillens, mit zu berücksichtigen. Im Einzelfall können dabei noch Sonderregelungen getroffen werden.

    Wenn der Produktionsoutput erhöht wird, müssen viele, wenn nicht die allermeisten, sowieso mehr arbeiten, bei gegebenen Produktionsbedingungen. Wird produktiver bzw. weniger Produktionsoutput geleistet, wird mehr freie Zeit für viele bzw. die allermeisten übrig bleiben.
    Ich sehe da auf eine vernünftig geplante Bedarfswirtschaft keine prinzipielle Organisationsfragen, sondern vielmehr neuartige Verteilungs- bzw. Planungsprobleme auf die Produzenten zukommen. Wer den Kommunismus will denkt nämlich nicht wie ein Privateigentümer. Ein Kommunist denkt kommunistisch.

    Die Vorstellung dass in einer Bedarfsgemeinschaft ein Einzelwille vor sich hinwurstelt, und über Arbeitszettel extra entloht werden müsste, passt meiner Meinung nach nicht so recht in eine geplante Bedarfsgemeinschaft des Kommunismus. In einer vernünftig geplanten Bedarfsgemeinschaft ist das konsumtive Ergebnis der Gebrauchswertproduktion Maß und Index der kollektiven Produktionsplanung. Die individuelle Leistung, als Maß und Index der Produktionsplanung, ist dagegen das Prinzip von Produktionsweisen, in denen noch das Leistungs-, und nicht das Bedarfsprinzip vorherrscht. In solchen Produktionssystemen soll über Reichtumsvoraussetzungen noch ausschließlich verfügt werden (wie im Kapitalismus).

  5. 29. November 2009, 20:03 | #5

    ich sehe keinen vorteil darin, wenn leute sich nicht mal aussuchen können, ob sie für extra mehr arbeiten wollen, oder lieber mehr freie zeit haben, und dabei auf gewisse annehmlichkeiten verzichten. bei einem kompromiss zwischen der lebensführung von millionen von menschen kommt doch nur auch wieder was raus, mit dem wenige wirklich glücklich sind

    wenn den einen ein konzerthaus wichtig ist, und den anderen halt der CERN – warum sollen die überhaupt verpflichtet sein, sich zu einigen? guckt man halt, wer noch bereit ist, für das projekt arbeitsleistung (im rahmen eines plans) zu erbringen, und gut ist.

    es gibt halt sachen jenseits von aspirin, brot und kleidung, wo der objektive nutzen im vergleich zu anderem halt nicht eifnach abgewogen werden kann

  6. 29. November 2009, 20:11 | #6

    Ach star wars, daß ich aus deinen Munde noch mal original nachempfundene Weisheiten von Mao Zedong hören durfte wie dieses Juwel:Du solltest die vielleicht auch zu einem kleinen roten Büchlein zusammenstellen!

    Aber jetzt ernsthaft zu deiner Tautologie: Das große Problem bisher jeder Revolution war doch, wie ich immer wieder betone, daß es erstens und grundsätzlich von enormer Bedeutung vorne und hinten nicht gereicht hat, um eine angemessene Bedürfnisbefriedigung der Menschen im eigenen Machtbereich hinzukriegen (Was hier allein Renate zu China wieder in Erinnerung bringt, belegt das doch drastisch).

    Daß zudem zwar die Macht erobert war, aber nicht die Köpfe, sprich daß die revolutionären Machthabern zwar Manches anordnen und auch faktisch durchsetzen konnten, daß sie aber mit einer ideologisch enorm differenzierten Bevölkerung konfrontiert waren.

    Und nicht zuletzt, daß selbst bei denen, die sich für Kommunisten gehalten haben und noch enger bei denen, die zum kommunistischen Machtapparat, zentral der herrschenden KP, gehört haben, gerade keine Einigkeit darüber bestanden hat, was es denn heißen sollte „kommunistisch zu denken“.

  7. Universum
    29. November 2009, 20:15 | #7

    Dillmanns Trennung der Bedürfnisse in Pflicht und Kür ist eine Idiotie, die man überhaupt nicht durchhalten kann. Sie tut darin z.B. so, als könne man an der NATURERKENNTNIS schon feststellen, ob die Erkenntnisse wirklich nur zur Brotproduktion und KEINESFALLS für Sportangeln verwendet werden dürfen. EINE Gesellschaft hat immer EINE Produktion, die die Gegenstände der Bedürfnisse produziert, die sie hervorbringt. Dass es dann unter den Bedürfnissen eine Hierarchie gibt, die zum Einsatz kommt, wenn Mangel an Ressourcen besteht ist ja richtig, nur ist das ein Zustand, dem sich die Gesellschaft in kritischer Absicht stellen sollte und kein Grund zu sagen: Dann ist ein Teil der Bedürfnisse eben nicht Sache der Gesellschaft.
    Gegensätze, die es dann gibt, können nur an der jeweiligen Sache entschieden werden (was bringt ein Marsprogramm usw…) und man kann sie nicht auf einem Blog getrennt von ihrem Inhalt entscheiden wollen.

  8. gnah
    29. November 2009, 20:23 | #8

    Siefkes: Beitragen statt tauschen. Materielle Produktion nach dem Modell Freier Software

    http://peerconomy.org/text/peer-oekonomie.pdf

  9. 29. November 2009, 20:25 | #9

    Ich stimme ja bigmouth zu, wo er/sie sagt:Aber dem laxen möchte ich entgegenhalten, daß doch regelmäßig die Leute für ihre Projekte gar nicht so einfach getrennte Wege gehen können wie nach einer Veranstaltung, wo die einen links in eine Kneipe gehen und die anderen rechts. Das funktioniert doch nur bei achen, die sich nicht im Wege stehen: Wer sich eine Bach-Suite downloaden will macht das, wer immer noch Michael Jackson hören will, lädt dann eben den runter. Konzerthaus versus Cern geht aber bis in die Grundstrukturen der Planwirtschaft, von der Herstellung der Fachkompetenz bis hin zum Ressourcenmix, daß die unterschiedlichen Projekte brauchen. Peter Decker hat glaube ich mal als so ein Beispiel für eine kontroverse Debatte gebracht, daß die Leute, die dann gerne Urlaub auf einer Hochseeyacht machen wollen, sich im Sommer zusammensetzen und sich dafür ihr Boot bauen. Das scheitert wahrscheinlich schon daran, daß die wenigsten mit Mahagony oder Carbonfasern umgehen können und von der Statik der Besegelung sicher auch ncith notwendig Ahnung haben müssen. Und wen die Radarhersteller keinen Bock haben, denen Geräte zur Verfügung zu stellen, die dann bei den Containerschiffen fehlen oder in Sonderschichten hergestellt werden müßten, dann wird auch nichts draus.

    Ein vernünftiger Plan muß, glaube ich, schon vom Start die verschiedenen Interessen integrieren und dann in großem Maße verbindlich festschreiben, sonst wird da nichts Vernünftiges draus. Dazu muß das natürlich „breit“ an der „Basis“ diskutiert worden sein, um sich hinterher den Ärger deren zu erpsaren, die ihre Interessen im Plan nicht widergespiegelt sehen.

  10. star wars
    29. November 2009, 20:26 | #10

    Na ja, die hatten ja auch nicht verstanden was eine kommunistische Bedarfsgemeinschaft ausmachen müßte. Aus dieser Perspektive ist es doch auch wieder wurscht was diese Ultraantiimperialisten unter „kommunistisch denken“ verstanden haben könnten.

  11. star wars
    29. November 2009, 20:28 | #11

    Glück, mein geschätzter Kollege bigmouth, ist des Eigentümers Tugend! 🙂

  12. 29. November 2009, 20:43 | #12

    heisst? im kommunismus ist niemand mehr glücklich & zufrieden?

  13. narodnik
    29. November 2009, 20:59 | #13

    Vorweg: für solche Debatten wäre ein Forum sehr angenehm!

    Dann würde ich sagen, dass die Ausführungen von star wars es schon treffen. Im Kommunismus, d.i. die Realisation des konkreten Allgemeinen (in der die Wertabstraktion nicht mehr herrscht), entscheidet der gesellschaftliche Gesamtarbeiter auf der Räteebene (der letzten verbliebenen politischen Instanz), was, wann, wie und wo – nach Maßgabe der Bedürfnisse der Beteiligten- produziert wird.

    Dillmann schreibt übrigens, dass besondere Konsumwünsche (wobei dann noch offen steht, ob bestimmte Bedürfnisse nicht Geschichte werden, wenn das kapitalistische Privateigentum wegfällt) einfach durch eine zusätzliche Beteiligung am Arbeitsprozess schon hinkommen. Und selbst wenn man mal mehr oder weniger in die Produktion eingebunden ist; es gibt im Sozialismus kein Schielen mehr, nach dem was der andere so leistet. Der ganze Produktionsvorgang ist da nicht mehr der äußere Zwang, der jeden Tag was von einem fordert, sondern die Verwirklichung der gemeinschaftlichen Zwecksetzung.

    PS: Die oben vorgeschlagenen, teilweise mathematisierenden Modelle, sind Quark. Im Kommunismus beginnt garantiert nicht die große Herumrechnerei.

  14. 29. November 2009, 21:20 | #14

    wie willst du denn planen, ohne zu rechnen?

    schön, dass du uns das so verkünden kannst. nur halte ich das für quatsch: wenn die bedürfnisse anderer, die ich nicht habe, mehr arbeit verursachen, also meine freie zeit einschränken – warum sollte mich das denn nicht stören? was habe ich denn davon?

    sorry, das ist einfach kappes. „gemeisnchaftliche zwecksetzung“ schön gut – arbeit bleibt arbeit. selbst für einen robinson, der sich ja nur mit sich selbst einigen muss, und sich seien zwecke autonom setzt, bleibt arbeit zwang, da er sonst verrecken muss

    und dass man jeden arbeitstag in den betrieb stolziert mit einem fröhlichen lied auf den lippen, weil man sich der „gemeinsschafttlichen zwecksetzung“ der klopapierproduktion widmet – das ist doch einfach grotesk. das ist ein arbeitsmoralismus, der schon che als kubansichen wirtschaftsminister schlecht anstand.

  15. 29. November 2009, 21:33 | #15

    Ich möchte narodniks blauäugigementgegenhalten, ganz im Gegenteil!
    Gerade weil es um eine vernünftige, zweckrationale Planung geht, werden die Planungsarbeiten enorm „berechnend“ sein (müssen). Wenn GSPler gerne darauf hinweisen, daß doch auch schon im Kapitalismus massig geplant wird, um z.B. in einem modernen Just-in-Time-Autowerk die Produktion der nächsten Produktionsperioden in den Griff zu bekommen, dann wird das in einer nun wirklich auf die nützlichen Dinge hin geplanten Wirtschaftsweise sich noch stark ausweiten. Schon deshalb, weil man die Planer doch vorher andauernd Fragen wird, wie es denn wäre, wenn man statt der A-Sachen-Korb doch nun mehr vom B-Sachen-Korb machen würde, um sich dann gemeindam zu fragen, wie letzlich der Mix aussehen soll, damit alle zufrieden sind. Da nützliche Sachen ganz konkret und inkomensurabel sind und auch nicht wie im Kapitalismus per Wertgesetz auf einen „einfachen “ Nenner zu bringen sein werden, muß doch immer wieder ganz konkret, mit ausgefeilten input-output-Matrizen und ne Menge iterativer Verfahren gearbeitet werden, um dann zum Schluß sagen zu können, daß in der nächsten Planperiode aber 23 % mehr Spanplatten oder Schwefelsäure nötig sein werden (wobei davon sicher X prozent Reserve sein sollten, weil man eben doch nicht alles vorher weiß).

  16. 29. November 2009, 21:37 | #16

    Wenn narodnik schreibt dann frage ich, und wie sieht das denn dann konkret aus, dieses vage „Hinkommen?“ Wenn ich z.B. gerne einen Balkon an meiner Wohnung hätte, was mache ich den dann als Mathelehrer, damit das auch was wird?

  17. star wars
    29. November 2009, 21:40 | #17

    Blödsinn. Glaubst du ernsthaft dass alle Bedürfnisse, die du selbst realisieren wirst, in deine ganz private Produktionsstätte produziert werden könnten? Wirst du gleichzeitig Wohnhäuser, Automobile, Brötchen bzw. Bettwäsche herstellen können? Oder wirst du es im Kommunismus sein lassen, dir eine Wohnung zu leisten, weil ja Betonmischerei schmutzige Arbeit sein könnte, die du dir nicht leisten magst? Gibt es etwa im Kapitalismus keine Betonmischerhersteller, und wenn ja, warum? Aber vielleicht erledigen solche Arbeiten, die dir prinzipiell nicht schmecken, im Kommunismus dann andere, exklusiv nur für dein persönliches Privatvergnügen, allein.

  18. star wars
    29. November 2009, 21:47 | #18

    Ja schon, nun ist aber der vorherrschender Planungszweck im Kommunismus ein anderer. Es geht nicht darum dass Gebrauchswertproduktion im Kommunismus, vergleichsweise zum Kapitalismus, viel korrekter im voraus berechnet wird. Und Zack, das ist dann der Vorteil der Produktionsplanung, im Vergleich zum Kapitalismus.

  19. 29. November 2009, 22:10 | #19

    Was? „Es geht nicht darum dass Gebrauchswertproduktion im Kommunismus, vergleichsweise zum Kapitalismus, viel korrekter im voraus berechnet wird“
    Dann war wohl so ein irres Verschwendungsprojekt wie Maos Großer Sprung nach Vorn doch was ganz Feines? Ich würde von einer Planwirtschaft, die vernünftig mit den noch eine ganze Weile knappen Ressourcen umgehen sollte, ganz entschieden verlangen, daß da aber ganz korrekt bestimmt wird, Was was „kostet“. So ein Unfug wie in China, zwar ein paar Tonnen mehr Stahl zu haben, aber dafür verhungern die Leute, weil nicht ganz überraschend, eben keine Zeit für die Reisbewirtschaftung mehr da war, denn möchte ich schon vom planerischen Ansatz her ausgeschlossen wissen. Jedenfalls da, wo das überhaupt geht. Bei der Produktion von Straßenbahnen für Metropolen sollte man schon schauen, was es da an Planungstechniken gibt, an einem Gannt-Diagramm ist jedenfalls nichts per se kapitalistisch.

  20. star wars
    29. November 2009, 22:14 | #20

    Ehrlich gesagt interessiert mich nicht was in Maos´ China passiert ist. Ich bin kein Maoist und werd auch nie jemand werden.

  21. 29. November 2009, 22:27 | #21

    Lieber star wars, daß wir keine allzu engen politischen Busenfreunde sind, das wissen wir beide. Jetzt aber von dir zu hören, ist so ungefähr das Traurigste, was ich seit langem von einem Linken gehört habe, der sich subjektiv dem Kommunismus verschrieben hat. Ich war (wie wahrscheinlich auch alle heutigen Wortführer des GegenStandpunkt) auch kein Maoist, und das wird nach allem, was da in China und hier in der BRD gewesen ist, wohl auch nicht mehr vielen Leuten einfallen, aber solche ostentative Ignoranz in Fragen, die nicht nur die chinesische Welt, sondern buchstäblich die Welt betroffen haben, kenne ich noch nicht mal von ganz normalen Antikommunisten.

    Da lobe ich mir vergleichsweise Renate Dillmann (die ich mir auch nur ganz schlecht als Exmaoistin vorstellen kann): Die hat ein Buch geschrieben, daß sich nun wirklich dafür interessiert hat, was da passiert ist. Im Guten wie im Desaströsen. Und beides im großen Ganzen vernünfig erklärt hat.

  22. narodnik
    29. November 2009, 22:29 | #22

    @ bigmouth

    „Bedürfnis“ kommt bei dir wieder als isoliertes Moment vor das dem Gesamt der Gesellschaft schroff entgegengesetzt ist. Du produzierst aber in einer sozialistischen Verkehrsform für dich und alle anderen – eben weil deine Bedürfnislatte rationell nur durch die bewußte Beteiligung aller – dich eingeschlossen – verwirklicht werden kann.

    Dein ganzes Beispielinventar – vom VWL-Robinson bis zur Klopapierfabrik fragt doch ständig danach, wo denn das schrankenlose Individuum wie man es aus dem Kapitalismus kennt, im Sozialismus vorkommt. Gar nicht, lautet da meine Antwort!

    @ neoprene

    Diese mathematische Zergliederung der Gesamtproduktion ist aber dann eine bloß technische Frage. Da wird dann aber nicht von obene herab eine Planvorgabe festgesetzt, die die unmittelbaren Produzenten dann durchzuführen haben. Sie selbst sind es ja, die mithilfe einer möglichst fortgeschrittenen Automatisierung dafür sorgen, dass von allem reichlich vorhanden ist. Will sagen: es gibt dann keine wertabstraktive Vergleichung von Leistung mehr.

  23. star wars
    30. November 2009, 00:00 | #23

    Also gut, Neoprene. Dann bin ich halt, nur weil ich mich nicht eindringlicher mit Problemen von Produktionskappheit im kommunistischen Chinaland beschäftigen will, ein Antikommunist. Ist ja auch ein furchtbar interessantes Kernproblem, dass Kommunisten, in nicht allzuferner Zukunft, noch beschäftigen wird. Kann ich auch nichts weiter daran ändern.

  24. star wars
    30. November 2009, 00:17 | #24

    Mich interessiert auch was dort „drüben“ mal passiert ist. Deswegen habe ich mir den, bereits aufgezeichneten Vortrag, aus Frankfurt auch noch angehört. Nur ist es doch wirklich nicht überraschend dass viel mehr Ressourcen (Stahlproduktion) darauf verwendet werden um Industrialisierungsrückstände, gegenüber den Westen, zu korrigieren, statt Hungersnöte im „eigenen Lande“, so gut es eben geht, wirksam zu bekämpfen. Die wollten eben in der Völkerkonkurrenz um Reichtumsquellen, und erfolgreicher Kapitalakkumulation Chinas, im Vergleich mit Europa, Japan sowie den USA, so schnell es eben geht, gleichziehen. Also warum noch Maos´ China an einem Vergleichsmaßstab, eines idealen kommunistischen Gemeinwesens entlang, versuchen zu blamieren.

  25. 30. November 2009, 01:18 | #25

    „überraschend“ daran ist, dass die ganze sache so idiotisch ablief, dass bauern ihre erntewerkzeuge einschmolzen, und dabei meist gar kein stahl rauskam, sondern wertloser eisenabfall

  26. Krim
    30. November 2009, 14:51 | #26

    „Vorweg: für solche Debatten wäre ein Forum sehr angenehm!“
    Was ist denn an diesem http://fk.siteboard.de/portal.htm verkehrt?

  27. narodnik
    30. November 2009, 23:55 | #27

    Die chinesische Stahlgewinnung zu Zeiten des „großen Sprungs nach vorn“ (Humor hatte Mao wohl!) hat rein garnichts mit ner‘ gemeinschaftlich organisierten Produktion im Kommunismus zu tun. Da ging es doch nur um nachholende Industrialisierung durch den vereinten Willen des Volkes, angeleitet durch die Parolen die Mao so ausgab. Er hat ja selbst gesagt, dass er „über Nacht“ England in der Stahlproduktion überholen will.

    Mao = Dr. Fu Man Chu?

  28. star wars
    1. Dezember 2009, 12:37 | #28

    Vielleicht Dr. Mabuse.

  29. 1. Dezember 2009, 13:53 | #29

    Nein narodnik, Stahlgewinnung hat schon ne ganze Menge mit „Produktion im Kommunismus“ zu tun. Und deshalb ist es auch nicht damit getan, den Maoisten „nachholende Industrialisierung“ vorzuhalten, als wenn das schon per se ein Verbrechen gewesen wäre. Denn genau darum ging es in China als einem der ärmsten Gebiete der Welt: Man konnte den enormen Arbeitsaufwand der Gesellschaft allein für die Erzeugung der ntwendigen Lebensmittel nur dadurch verringern, daß man moderene Arbeitsmittel einsetzt. Düngemittel, mechanische Geräte, Transportmittel, Kühl- und Lagersysteme usw. Für all das braucht man aber Fabriken, die sowas auch ausspucken. Und genau die gab es praktisch nicht, wenn man von den Inseln an der Ostküste mal absieht. Und was braucht man für den Bau von Fabriken, Brücken und Häusern? Na Stahl eben. Nicht nur Stahl aber den schon in reichlichen Mengen (für Panzer und AK 47 übrigens auch). Nicht daß Mao gierig nach Stahl war, war das Verbrechen, sondern die völlige Ignoranz gegenüber den Produktionsverflechtungen, dem Mix an ganz diversen Investitionsgütern und chemischen Produkten (Salpeter und Zement z.B.), die für eine vernünftige Ausweitung der gesamten Produktion nötig gewesen wäre. Es war ein antisozialistisches Verbrechen, die Nation in einer gigantischen Hauruckaktion dazu zu bringen, alle obejektiven Grenzen wegwischen lassen zu wollen, weil angeblich der entschiedene Wille alle Berge versetzen könne. Das war die Lebenslüge von und für halbverhungerte Analphabeten, das kleinreden der ernsten objektiven Schranken für ein „wir wollen alles und wir wollen es jetzt“. Und es hat nur eine Gesellschaft, die eh am Hungertuche nagte und sich nur ganz mühselig über die Runden brachte wieder um Jahre zurückgeworfen.

  30. star wars
    1. Dezember 2009, 14:08 | #30

    Neoprene, was wäre die beste Taktik gewesen?

  31. 1. Dezember 2009, 15:56 | #31

    zb erst mal nicht seine erntegeräte einschmelzen, und auch keine atmosphäre erzeugen, in der kommissare einfach rekordernten erfinden, um die höhere parteihierarchie zufrieden zu stellen? oder wo kritik an idiotischen maßnahmen gefahr für leib und leben bedeutete?

  32. 1. Dezember 2009, 16:34 | #33

    Hm, star wars, die Frage nach der Taktik sollte eigentlich erst nach der Frage nach der Strategie kommen.

    Ganz grundssätzlich hätten vernünftige Kommunisten den Werktätigen in der VR China nicht so einen Zwangsasketismus wie Maos „Von Dadschai lernen heißt, auf die eigene Kraft vertrauen“ usw. gepredigt. Sondern die Leute für ein Programm der Neuauflage der Kommunistischen Internationale zu gewinnen versucht, für eine neue kommunistische Partei, die kein Vaterland kennt. Das hätte z.B. einen heftigen Kampf mit der KPdSU unter Stalin und später Chruschtschow erfordert. Nicht nur, um eine enge Kooperation und Verflechtung der Wirtschafsstrukturen beider Staaten hinzukriegen (Renate hat ja völlig zu Recht gefragt, warum die Maoisten eigentlich partout vom Start weg ihr eigenes Ding aufmachen mußten, das hat die doch schon zu Nationalisten gemacht, als vom Zerwürfnis mit der SU noch gar keine Rede sein konnte). Wenn man wenigstens ein paar Traktoren erst mal „nur“ aus dem Ural und der Tschechoslowakei hätte kriegen können (und nach einer erfolgreichen Revolution in Japan direkt von Honda oder Toyota), dann hätte man sich nicht auf solche Verzweiflungsakte wie den Großen Sprung einlassen müssen.

    Da man sowas aber alles nicht erwzwingen konnte, weder in Bezug auf die Staaten des RGW noch natürlich, was die Ausweitung der Revolution angeht, hätte man den Menschen reinen Wein einschenken müssen, daß Wunderdinge wie immer leider dauern. Dann hätte man bei der in der Tat notwendigen Industrialisierung sicherlich so Sachen berücksichtigen müssen, die Renate in ihrem Buch angesprochen hat: eher arbeitsintensive Sachen machen, für die man die Leute und die anderen Resourcen hat, statt sich die tollsten und modernsten sowjetischen Anlagen hinstellen zu lassen. Schauen, daß man eine solche Industriestruktur hinkriegt, die dem Land auch was bieten kann dafür, daß die die Städte durchfüttern müssen (Bucharinismus??). Denn das die Städte nur zu halten waren mit massiven Umzugsverboten, das galt ja schon in den 30ern in der SU und nach dem Krieg in China auch. Erst in den letzen Jahren ist in der VR China überhaupt diese Fesselung an den Geburtsort gelockert worden.

    Und da anfangs ein Mehrprodukt unter chinesischen Rahmenbedingungen nur mit einem gerüttelten Maß an Mehrarbeit hinzukriegen war, hätte man da besonders vorsichtig sein müssen und die asketischen Moralapostel der Bescheidenheit ideologisch von Anfang an an kurzem Zügel halten müssen, statt ihnen zu erlauben die armen Bauern zu maltretieren und terrorisieren. Aber hinzuhören, was die chinesischen Massen wollten, war ja eh nicht Maos ding, der umgekehrt dafür alles dran setzte, daß die übernommen haben was die für den Aufbau machen sollten.

  33. 2. Dezember 2009, 12:49 | #34

    Neoprene wrote:

    Der entscheidende Punkt, warum die KP China nach der Niederschlagung der städtischen ArbeiterInnenbewegung 1927 und putschistischen Abenteuern wieder eine Massenbasis bekam, war m. E. neben dem Einsatz für eine konsequente Agrarreform, dass die KP in den 1930ern die Rolle des Guomindang als Vertreter nationaler Interessen – nicht nur im Hinblick auf den Widerstand gegen die japanische Besetzung – übernehmen konnte, was auch chauvinistische Elemente einschloss, so z.B. im Bezug auf „urchinesische Gebiete“ wie die Mongolei, deren Eigenständigkeit die KPCh erst nach einem Deal mit Stalin anerkannte, in welchem dieser den Verzicht auf die Unterstützung der Ostturkestanischen Republik zusagte.

  34. 2. Dezember 2009, 13:33 | #35

    Ich betone da lieber, daß die KP Chinas die Rolle als Vertreter nationaler Interessen übernehmen wollte, was also der Fehler an ihrer Politik war (jedenfalls von einem kommunistischen Standpunkt aus). Daß sie es faktisch aufgrund der politischen Gemengelage in China und angesichts der Meinung vieler, die Guomindang habe die nationalen Interessen verraten, auch tatsächlich konnte, das interessiert mich dabei dann schon weniger.

  35. 2. Dezember 2009, 17:25 | #36

    Im Rahmen der Politik der „2. Einheitsfront“ 1937-45 haben sich zusätzlich auch eine ganze Reihe GMD-Mitglieder und -einheiten der KPCh angeschlossen bzw. sich mit dieser verbündet, was das „bürgerlich-nationale Element“ noch weiter verstärkte … wenn ich mir einige Passagen in http://marxists.org/deutsch/referenz/mao/1926/03/klassen.html zur „nationalen Bourgeoisie“ ansehe, frage ich mich, ob Mao & Co. da jemals anders argumentiert haben.

  36. Karel Bruckner
    4. Dezember 2009, 13:05 | #37

    Zur Stundenzettelökonomie-Debatte im Marxismus hat Karl Reitter einen z.T. recht informativen Überblick verfasst. Lasst Euch nicht vom reformistischen Titel des Aufsatzes abschrecken. Dass Reitter als Operaist letztlich wieder nur eine der beiden Trennungen, die die kapitalistische Produktionsweise kennzeichen, in den Mittelpunkt stellt (das Klassenverhältnis), ist auch eine Schwäche des Textes. Dennoch: Brauchbarer Überblick
    http://www.grundrisse.net/grundrisse13/13karl_reitter.htm

  37. tor
    4. Dezember 2009, 17:15 | #38

    nein, nein, nein. was soll dass denn jetzt? die ganze zeit wurde darauf bestanden, es geht nicht darum sich intensiv mit dem gegenstand zu befassen, zu recherchieren und zu prüfen, denn das wäre gar nicht notwendig und zeugt im besten falle davon, dass man eine arbeit für die uni schreibt, oder so etwas ähnliches. und jetzt plötzlich soll es wichtig sein, sich für den gegenstand zu „interessieren“? das ist doch ein widerspruch in deinem anspruch an r.dillman einerseits und star wars andererseits. kannst du mir das bitte erklären, neoprene, weil ich deinen auaführungen sonst nicht mehr folgen kann, bei dieser springerei.

  38. tor
    4. Dezember 2009, 17:20 | #39

    hallo entdinglichung, mich würde historisch interessieren von welchem abkommen du redest, da die sogenannte „ostturkestanische republik“ doch bereits drei jahre vor der befreiung aufgehört hat zu existieren, also zu einer zeit, als das gebiet noch zu republik china gehört hat.

  39. 8. Dezember 2009, 21:02 | #40

    Weil im Kommunismus-und-Nation-Thread jetzt Dockerill gepostet wurde, hier etwas, was ich bei Google gleich nebenan gefunden habe: http://www.trend.infopartisan.net/trd0604/t220604.html
    Hier verteidigt Daniel Dockerill die „vollständige gesellschaftliche Planung“ gegen marktsozialistische(?) genossenschaftliche Vorstellungen von Michael Heinrich, dem die Vergesellschaftung der Arbeit „erst“ auf dem Markt durch den Preis, das Geld erfolgen würde.

  40. n0b0dy
    15. Dezember 2009, 00:19 | #41

    Ziemlich mager die Argumentation von Dockerill.
    Marktsozialistisch sind die Vorstellungen von M.H. sicher nicht.
    „Die monetäre Werttheorie legt eher eine genossenschaftliche Produktion nahe, deren gesamtgesellschaftliche Koordination nicht durch eine (sowohl allwissende als auch zeitlos reagierende) Zentrale hergestellt werden kann, sondern die eigener vermittelnder Medien bedarf, die allerdings gesellschaftlich kontrolliert werden müssen, soll sich nicht wieder die alte Warenproduktion und damit schließlich auch das Kapitalverhältnis wiederherstellen.[21]
    [21] Insofern erscheinen auch Vorstellungen eines Marktsozialismus, wo statt kapitalistischer Unternehmen selbstverwaltete Genossenschaften am Markt konkurrieren recht problematisch.“
    (Wissenschaft vom Wert S.391)

    Zwar alles sehr abstrakt, geht imho aber eher in Richtung dem Modell von Siefkes.

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