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Wir Opelianer

19. November 2008

Norbert Blüm, der immer großen Wert darauf gelegt hat, daß er mal als Lehrling bei Opel Rüsselsheim angefangen hat, erzählt im Tagesspiegel vom 19.11.2008 wieder einmal die Geschichte seiner großen Liebe. Zum Schluß versteigt er sich zu folgenden Sätzen:

Das Beste, was den Opelianern passieren kann, ist, dass sie wieder mehr selbst bestimmen können, was sie bauen, und nicht um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden. Die Opelianer in Deutschland brauchen keine Almosen, sondern nur das Geld, das ihnen die Konzernzentrale in Detroit vorenthält. Denn die Schwierigkeiten in Deutschland sind die Schulden, die die Konzernzentrale nicht zurückzahlen will oder kann.
Es wäre paradox, dass ausgerechnet dann, wenn es bei Opel wieder aufwärts geht, gute Autos gebaut werden, die Opelianer wieder Fuß fassen, ihnen der Teppich unter den Füßen weggezogen wird. Opel muss überleben. Opel hat es nicht verdient, die Suppe auszulöffeln, die ihnen General Motors eingebrockt hat. Ich jedenfalls fahre treu und brav meinen Opel Astra weiter.

Zwar ist eigentlich schon mit seiner Überschrift der ganze Inhalt seines Artikels erzählt, als erfahrener Politiker walzt er diese schlichte Lüge aber noch in unzähligen Varianten aus: Die Opelianer brauchen „Selbstbestimmung“. Und die kriegen die heutigen Bandarbeiter und Werkzeugmacher, wenn der hiesige Opel-Vorstand mehr zu sagen hat als der GM-Vorstand? Wo sie doch buchstäblich nichts bestimmen in einer Produktion, der sie nur ausgeliefert sind und die auch gar nicht für sie da ist?
Mehr Selbstbestimmung heißt, nicht um die „Früchte der Arbeit“ gebracht zu werden? Wo eh die ganzen Autos, die die Opelianer zusammenbauen nur Opel gehören und nicht den Opel-Arbeitern? Wo deren „Früchte“ dank Standortsicherungsbemühungen der Vergangenheit sich weitgehend darin erschöpfen, überhaupt noch ins Werk zu dürfen?
Die Opelianer brauchen keine „Almosen“. Das ist wohl richtig, warum sollten sie sich dann aber mit dem (gemessen an den Reichtümern, die sie produzieren) kärglichen Lohn zufrieden geben, der ihnen gnädig gewährt wird?
Die „Schwierigkeiten“, also auf gut deutsch, die Verluste, die Opel im Augenblick einfährt, liegen ausgerechnet an der GM-Zentrale und nicht an der Profitrechnung des Betriebes?
Es ist alles andere als „paradox“, daß Opel-Arbeitern der „Teppich unter den Füßen weggezogen wird“, damit „es bei Opel wieder aufwärts geht“. Denn jeder Euro, den Opel an die Opelianer zahlen muß, ist ja Abzug am Gewinn, um den es Opel wie GM geht. Und wenn der mit weniger Opelianern genauso gut zu machen ist, dann ist sogar deren Teppich, also deren Arbeitsplatz weg. Das hat doch selbst so jemand wie Herr Blüm lange miterlebt.
Jetzt werden also „gute Autos“ gebaut. Und warum wurden früher lausige Kisten gebaut? Beides doch aus dem buchstäblich gleichen Kalkül: Man wollte und will damit Gewinne machen. Früher schien es profitabler, wenn man vergleichsweise einfache billiger zu produzierende Kisten hinstellt, jetzt hat man erkennen müssen, daß damit doch kein Geld zu machen war, also versucht man es jetzt mit einem „guten“ Auto (z.B. dem Insignia, der ja allenthalben schon viele Vorschußlorbeeren bekommen hat). In den USA war es übrigens lange Zeit andersrum, dort ließen sich gerade große technisch schlichte Wagen mit enormen Gewinnspannen verkaufen (big cars big profit), also wurden dort kleine „gute“ Autos gar nicht erst ins Programm aufgenommen, wie der Teufel das Weihwasser vermeidet.
„Opel muß überleben“. Schon immer hat das nicht geheißen, daß dann auch die Opelianer überleben durften. Im Zweifelsfall mußten die dafür auch nach Hause. So wie die vielen Millionen anderer Arbeiter, die auch schon ins Heer der Arbeitslosen geworfen wurden, damit ihr jeweiliger Laden überleben möge.
Die Opelianer haben es jedenfalls nicht verdient, die „Suppe auszulöffeln“, die ihnen Opel und GM eingebrockt haben. Solange sie sich aber als Opelianer verstehen, werden sie sich wohl auch eher noch vor leere Teller setzen lassen, als daß sie „ihrem“ Betrieb die Nibelungentreue aufkündigen. Die fahren dann auch noch als Arbeitslose Ex-Opelianer den Opel-Astra wie Herr Blüm aus nostalgischen betriebspatriotischen Gründen, das will ich schon glauben.

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. der Klassensprecher von 1984
    19. November 2008, 17:00 | #1

    Da fehlt jetzt bloss noch, dass der Joseph Fischer dazu noch einen Schwank aus seinem bewegten Leben zum Besten gibt.

  2. der Klassensprecher von 1984
    19. November 2008, 17:00 | #2

    Da fehlt jetzt bloss noch, dass der Joseph Fischer dazu noch einen Schwank aus seinem bewegten Leben zum Besten gibt.

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