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Entweder oder = Sowohl als auch!

5. November 2008

Entdinglichung hat auf eine „Betriebszeitung von und für kämpferische Arbeiterinnen und Arbeiter im Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen“ hingewiesen, die auf ihre eigene, nicht unberechtigte Frage „Was tun?“ die wunderschöne Antwort gibt:

Das Gejammer der Kapitalisten ist der Hohn
KÄMPFEN wir für MEHR LOHN!
KÄMPFEN wir GEGEN das LOHNSYSTEM!

Leider gehen sie im in ihrem 2-Seiter dann aber auf diesen Spagat gar nicht weiter ein. Vielleicht sind sie auch nur der fälschlichen Auffassung, daß beide Forderungen eh ins eins fallen.

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  1. 5. November 2008, 14:15 | #1

    denke, die meinen das im Sinne von „Erst das eine erreichen um dann das andere zu erkämpfen“

  2. 5. November 2008, 14:33 | #2

    Ja, das wird wohl so sein, daß die sich das so zusammenreimen. Das ist ja seit über Hundert Jahren ein weitverbreiteter, oder genauer gesagt, früher weiter verbreiteter Standpunkt gewesen. Aber schon die Diskussionen in der SPD um die Jahrhundertwende 1900 um Minimal- und Maximalprogramm haben doch gezeigt, daß das seine Tücken gehabt hat und immer noch hat. Schon deshalb, weil dasBbestehen darauf, als Lohnarbeiter besser weg zu kommen in diesem System eben was anderes anstrebt als als Gegner der Lohnarbeit selbige zu Fall bringen zu wollen.

  3. Krim
    5. November 2008, 16:03 | #3

    Also ich finde das Flugblatt nicht übel im Großen und Ganzen. „Wir sind auf der gerechten Seite.“ Ist zwar ein wenig albern. Da hätte man sich dann auch noch sparen können, wenn man weiter unter dick betont „Wir sitzen mit den Vorständen nicht im selben Boot.“ Der Standpunkt , Wir brauchen mehr, weil wir davon leben müssen, hebt sich wohltuend von anderen gewerkschaftlichen Ansichten ab, die immer beschwören, dass die Forderungen auch sicher dem Betrieb nicht schlecht bekommen. Da kann man natürlich sagen, ein Gewerkschaftsflugblatt ist keine kommunistische Agitation. Aber wieso der Maßstab? Es geht darin „bloß“ um mehr Lohn. Und dieses Anliegen finde ich korrekt begründet.
    Es stimmt auf der anderen Seite, dass ein Arbeiter, der mehr Lohn will noch kein Kommunist ist. Diese Agitation soll dann eine kommunistische Organisation machen. Wieso sollte man aber was dagegen haben, dass Arbeiter so rationell begründet, mehr Lohn haben wollen.

  4. 5. November 2008, 16:36 | #4

    Damit kein Mißverständnis aufkommt:
    „Wieso sollte man aber was dagegen haben, dass Arbeiter so rationell begründet, mehr Lohn haben wollen?“ Lohnforderungen sind für mich immer per se zu unterstützen, es sei denn, Bullen, Gefängniswärter oder längerdienende Zeitsoldaten wollen mehr Geld, dann ist mir das egal, bzw. genauer dann werde ich garantiert nicht für die eintreten.

  5. Krim
    6. November 2008, 12:53 | #5

    Lohnforderungen per se? Was soll man denn mit 1 oder 2%, wenn die Inflation 3% beträgt. Das ist dann trotzdem noch ne Lohnsenkung. Auch bei mehr Prozent ist noch die Frage, was da sonst noch zugestanden wird, wieviel intensiver die Arbeit geworden ist, was an Nacht/Schichtzuschlägen gezahlt wird, wie flexibel die Arbeit ist.
    Es kommt auf die Begründung an, weil diese der Beurteilungsmaßstab für die Lohnprozente ist. „Wir brauchen aber mehr Lohn zum Leben!“ Stellt sich auf den Standpunkt des Arbeiterinteresses, während „Wir wollen einen gerechten Lohn!“ Von einer Gemeinsamkeit ausgeht zwischen Arbeiterinteresse und Betriebsinteresse. Als sei das Unternehmen dazu da allen ein Auskommen zu gewährleisten. So machen sich Arbeitervertreter die Interessen der Gegenseite zu eigen. Eine Lohnforderung die zugleich reflektiert, dass sie dem Unternehmen nicht zu sehr schaden darf, ist eine verkehrte Lohnforderung. Eine Lohnforderung muss dem Unternehmen schaden, weil die Klassen einen Gegensatz austragen. Alles andere ist die teilweise Rücknahme des Gegensatzes und damit auch die teilweise Rücknahme des Arbeiterinteresses an mehr Lohn.

  6. 6. November 2008, 13:16 | #6

    Ich dachte eigentlich, daß mein Standpunkt in der Lohnfrage klar wäre: Natürlich unterstütze ich nur für Lohnforderungen, die nicht mit anderen Nachteilen „erkauft“ werden. Also z.B. dein Zeugs.
    Wenn Arbeiter angesichts von ins Gewicht fallender Inflation meinen, „nur“ einen anteiligen Ausgleich erkämpfen zu wollen, weil sie sich nicht mehr zutrauen, dann werde ich denen gegenüber zwar darauf hinweisen, daß das nicht reicht, aber deshalb sage ich denen dann doch nicht, daß sich ein Kampf erst lohnt, wenn man sich bei Erfolg auch insgesamt besser stellt. Denn manchmal sind die Kämpfe eben Rückzugs- und Verteidigungskämpfe, Teil-Kämpfe nur von Teilen der Klasse etc.
    Wenn du sagst, „Eine Lohnforderung die zugleich reflektiert, dass sie dem Unternehmen nicht zu sehr schaden darf, ist eine verkehrte Lohnforderung.“ dann verstehe ich nicht, wie du das „Was tun?“-Flugblatt so toll findest. Denn die machen doch gerade reihenweise die Argumente, daß ihre Forderungen völlig realistisch und profitkompatibel seien:
    „ERSTENS: Spielräume haben die Unternehmen mehr als genug, schließlich wurden von uns in den letzten Jahren mehr als einmal Zugeständnisse abgepresst. ZWEITENS: Für die 8% Lohnerhöhung müsste die Metall- und Elektroindustrie 14,4 Milliarden Euro blechen, ein Witz, wenn man bedenkt, dass allein 2007 in der Branche 47,7 Milliarden Euro Reingewinn eingefahren wurden – und auch 2008 wird’s ähnlich profitabel für die Herren Unternehmer.“

  7. Krim
    6. November 2008, 14:34 | #7

    „aber deshalb sage ich denen dann doch nicht, daß sich ein Kampf erst lohnt, wenn man sich bei Erfolg auch insgesamt besser stellt.“ Du würdest also nicht raten, den Lohnkampf lieber zu lassen. Das ist aber was anderes als einen Lohnkampf „unterstützen“.
    „Spielräume haben die Unternehmen mehr als genug, schließlich wurden von uns in den letzten Jahren mehr als einmal Zugeständnisse abgepresst.“ Immerhin wird durch die Vokabel erpresst, der Gegensatz nicht durchgestrichen. Falsch wäre, wenn sie ihren Verzicht als Leistung hochhalten würden, der sie nun zu höheren Lohnforderungen berechtigt. So sagen sie einfach nur wie es ist. „Die haben uns Zugeständnisse abgepresst.“
    „ZWEITENS: Für die 8% Lohnerhöhung müsste die Metall- und Elektroindustrie 14,4 Milliarden Euro blechen, ein Witz,…“ Soll m.E. heißen: Es ist eine Lüge, wenn die Unternehmer behaupten sie könnten nicht mehr zahlen. Falsch wäre: Bei 47 Milliarden verdienen wir einen gerechten Anteil. „dann verstehe ich nicht, wie du das “Was tun?”-Flugblatt so toll findest.“ Gesagt habe ich, es sei „im Großen und Ganzen nicht übel“.

  8. 6. November 2008, 15:00 | #8

    Auch Unterstützung ist etwas, was manchmal angesagt ist: Als die britischen Bergarbeiter vor fast 25 Jahren unter der Führung von Arthur Scargill letztlich gegen Thatcher gestreikt haben, um die Zechenschließungen zu verhindern, gab es aus allen möglichen Schichten, die sich auch unter Beschuß von Thatcher sahen, Unterstützung für die Miner: Schüler, Rentner, Schwule, Studenten, Künstler was du willst. Denn es zeigte sich danach ja, daß die Niederlage der NUM noch viele andere Niederlagen nach sich gezogen hat. Nicht im Sinne von notwendigerweise, aber die krachende Niederlage hat die Stimmung im Land massiv gedreht, danach haben Gewerkschaften bzw, die Arbeiter letztlich nie wieder ein Bein auf den Boden gekriegt und Fabrikarbeiter gibt es auch keine mehr.

  9. Krim
    6. November 2008, 16:25 | #9

    Und warum war da Unterstüzung angesagt?

  10. 6. November 2008, 16:39 | #10

    Hab ich doch geschrieben. Ich nehm dir schon ab, daß du das für falsch hältst, aber du solltest das wenigstens begründen.

  11. Krim
    6. November 2008, 16:51 | #11

    Also wenn ich die Antwort entdeckt hätte, hätte ich nicht gefragt. Um Zechenschließungen zu verhindern? Hat ja wohl nichts gebracht. Und zwar deswegen, weil dem Erpessungsmittel, die Verweigerung der Arbeit, der Erpressungscharakter abhanden kommt, wenn wegen geplanter Schließung die Arbeit eh nicht mehr gebraucht wird. Unterstützung bringt in so einem Fall gerade nichts.

  12. 6. November 2008, 17:21 | #12

    Erstens waren die Miner nicht per se in einer hoffnungslosen Situation: Es war ja nicht so, daß ab sofort alle Kohle nicht mehr benötigt gewesen wäre. Also hatten selbst die Bergarbeiter insgesamt noch einen Schraubenschlüssel in der Hand, den sie ins Getriebe schmeißen konnten. Nicht umsonst hat sich Thatcher damals von den Stalinisten in Polen Streikbrecherkohle besorgt, damit der Laden ansonsten, z.B. bei den Stahlkochereien (ja, sowas hatten die damals noch!) weitergehen konnte.
    Zweitens wäre natürlich das Druckpotential größer gewesen, wenn auch andere Gewerkschaften mitgestreikt hatten, z.B. die Stahlarbeiter oder die Transportarbeiter.
    Drittens gebe ich dir recht, daß das Daumendrücken von irgendeiner fortschrittlichen Schauspielertruppe oder einem Seminar für Philosophie des Mittelalters am Ausgang wenig geändert hat. Es Hat nur gezeigt, daß viele Leute, die selber gar nicht direkt betroffen waren, völlig zu Recht gesehen haben, wie wichtig der Ausgang dieser Klassenkämpfe war. Nicht umsonst sonst konnten zu wichtigen Aktionen Tausende von Arbeitern mobilisiert werden (und Tausende von Polizisten zum Abräumen).

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