Home > (1) MG + GSP > „Absurd“, Leserbrief zu Huisken in der jW

„Absurd“, Leserbrief zu Huisken in der jW

7. Februar 2008

Eigentlich recht erstaunlich – weil schon eine Weile nicht mehr geschehen – hatte es Freerk Huisken, obwohl er ein Vertreter des GegenStandpunkts ist, wieder mal auf die Seiten der „jungen Welt“ geschafft: Birgit v. Criegern hatte, im Zusammenhang mit seiner Veranstaltung an der Freien Universität am 15. Januar 2008 zur „Kritik der Hirnforschung“, mit ihm ein Interview geführt. Dies umso erstaunlicher, als zuerst, nämlich am 17.01.08 eine „polemische Anfeindung“ in der „jungen Welt“ gestanden hatte (hier). Nun hat ein „Friedrich Jarius“ an den ersten Verriß anknüpfend dort unter der Überschrift „Absurd“ folgenden Leserbrief geschrieben:

* Zu jW vom 31. Januar: Interview mit Freerk Huisken »Die Unangepaßten aussortieren«
Das ganze Interview strotzt nur so von völlig absurden Behauptungen; die angebliche Argumentation von Herrn Huisken ist so lächerlich, daß man gar nicht darauf eingehen mag. Zugegeben, das mit dem freien Willen ist für viele schwer zu verstehen, ist auch eine Definitionstrage. Wenn der Professor Huisken aufs Klo muß, geht er dann, weil er muß oder weil er es frei entscheidet? Um uns seinen freien Willen zu zeigen, macht er jetzt vielleicht in die Hose, aber auch das ist schon wieder nicht frei entschieden: Er will uns was beweisen. Das Limbische System läßt grüßen. Ich setze noch eins drauf, lieber Professor: Die meisten Menschen (ca. 99 Prozent) arbeiten gar nicht mit dem Verstand, sie kopieren einfach nur Meme (auch kulturelle Gene genannt), also kleinste Denkeinheiten, die im gesellschaftlichen Äther herumschwirren. Sie kopieren von hier und von dort und mixen sich so ihren eigenen »Denkcocktail« Dabei werden sie von zwei Triebkräften angeschoben: 1. Anpassung (denke so wie die Anderen), 2. Individualisierung (weiche ab, um was Besonderes zu sein). Die wenigen Personen, die unabhängig und frei wissenschaftlich denken und forschen, findet man übrigens teilweise unter Hirnwissenschaftlern. Sie sind sicher die Letzten, die daran schuld sind, daß der Kapitalismus zunehmend intellektuell und sozial so stark beschädigte Schulanfänger hervorbringt, daß diese dort unabhängig vom Schulsystem versagen müssen, weil sie in ihren ersten Lebensjahren nichts anderes gelernt haben als Gewalt, ob nun im Fernsehen, bei Computerspielen oder im Alltagsgezeter mit lieblosen, antiautoritären Eltern. In diesen kranken Seelen sieht der Herr Professor Huisken also die unangepaßten Kämpfer für eine lichte Zukunft. Viel Spaß beim Umsturz, Mr. Don Quichotte! Übrigens: Mit den vergleichsweise wenigen ADS-Fällen hat das alles überhaupt nichts zu tun. Und diese werden mit Ritalin auch bestimmt nicht beruhigt, eher aufgehellt. Wäre noch nachzutragen: Auch wissenschaftliches Denken beruht auf der Biologie, besser gesagt der Chemie, denn der Entscheidung, es zu tun, liegt immer eine unterbewußte chemische Prozedur zugrunde.

Kategorien(1) MG + GSP Tags:
  1. Antikryst
    7. Februar 2008, 18:09 | #1

    Der sollte mal einen Schreib/Denkkurs belegen, das scheint ja fast so, als hätte er von Ritalin auch nicht mehr Ahnung als vom Rest, den der da zusmmenpappt.

  2. Antikryst
    7. Februar 2008, 18:09 | #2

    Der sollte mal einen Schreib/Denkkurs belegen, das scheint ja fast so, als hätte er von Ritalin auch nicht mehr Ahnung als vom Rest, den der da zusmmenpappt.

  3. 7. Februar 2008, 18:49 | #3

    Nein, das ist es nicht: Bei der FU-Veranstaltung waren es auch reihenweise „Fachleute“, gestandene Pädagogen und ähnlich qualifizierte Akademiker, die letzlich mit dem gleichen Zeugs auf Huisken losgegangen sind. Sowas berührt eben einen Kern von Selbstverständnis dieser „Szene“, so elaboriert sie sich auch sonst geben mag.

  4. 7. Februar 2008, 18:49 | #4

    Nein, das ist es nicht: Bei der FU-Veranstaltung waren es auch reihenweise „Fachleute“, gestandene Pädagogen und ähnlich qualifizierte Akademiker, die letzlich mit dem gleichen Zeugs auf Huisken losgegangen sind. Sowas berührt eben einen Kern von Selbstverständnis dieser „Szene“, so elaboriert sie sich auch sonst geben mag.

  5. Krim
    8. Februar 2008, 02:03 | #5

    Die Beispiele für Gewalt, die der Herr Jarius bringt, sind sehr aufschlussreich. „weil sie in ihren ersten Lebensjahren nichts anderes gelernt haben als Gewalt, ob nun im Fernsehen, bei Computerspielen oder im Alltagsgezeter mit lieblosen, antiautoritären Eltern.“ Also Eltern, die keine Gewalt (Autorität) ausüben, üben eigentlich Gewalt aus und werden dadurch für ihn zum gewalttätigen Vorbild. Das Fernsehen zeigt vielleicht Gewalt, aber übt doch keine aus. Ebenso ist die Gewalt im Computerspiel eben nur Spiel. Alle die dieser „Gewalt“ ausgesetzt sind für Jarius krank. Gesund ist wahrscheinlich, wer sich der deutschen Verantwortung in der Welt stellt und zur Bundeswehr geht, wer Leute entlässt, wer für Erziehungslager eintritt, wer Leute aussortiert usw.
    „Die meisten Menschen (ca. 99 Prozent) arbeiten gar nicht mit dem Verstand, sie kopieren einfach nur Meme (auch kulturelle Gene genannt), also kleinste Denkeinheiten, die im gesellschaftlichen Äther herumschwirren. Sie kopieren von hier und von dort und mixen sich so ihren eigenen »Denkcocktail« Dabei werden sie von zwei Triebkräften angeschoben: 1. Anpassung (denke so wie die Anderen), 2. Individualisierung (weiche ab, um was Besonderes zu sein).“
    Menschen sind also quasi eine tierische Maschine, eine Maschine, die von Trieben gesteuert wird. Ein Ding also das doppelt keinen Willen besitzt. Es besitzt keinen Willen, wie ein dummes Tier u n d keinen Willen wie eine Maschine. Praktisch auch, dass die Triebkräfte sich widersprechen. So kann man jede Handlung als mehr oder weniger angepasst bestimmen. Woher der Trieb wohl weiß, was die Norm ist. Dass es sich um Triebe handelt, muss man auch nicht mehr begründen bzw. nur noch tautologisch begründen. „(weiche ab, um was Besonderes zu sein)“ Und wann ist man was Besonderes? – Genau! Wenn man abweicht. Die Hetze dieses Herrn Jarius bestätigt alle Argumente von Husiken. Typen wie der machen sich bloß noch Sorgen, um die Botmäßigkeit der 99% Triebautomaten. Alle defekten Triebautomaten sind „kranke Seelen“. (Die Triebautomaten sind also die Normalen und diejenigen, die sich nicht wie Triebautomaten verhalten, sind „krank“.) Wer sich der Botmäßigkeit entziehen will, ist ein Don Quijote, dessen Mißerfolg abzusehen ist und ihm daher zurecht widerfährt. Dass Dienstbarkeit ein widersprüchliches Erfolgmittel ist, fällt so einem Priester der Botmäßigkeit natürlich nicht mehr auf.

  6. Krim
    8. Februar 2008, 02:03 | #6

    Die Beispiele für Gewalt, die der Herr Jarius bringt, sind sehr aufschlussreich. „weil sie in ihren ersten Lebensjahren nichts anderes gelernt haben als Gewalt, ob nun im Fernsehen, bei Computerspielen oder im Alltagsgezeter mit lieblosen, antiautoritären Eltern.“ Also Eltern, die keine Gewalt (Autorität) ausüben, üben eigentlich Gewalt aus und werden dadurch für ihn zum gewalttätigen Vorbild. Das Fernsehen zeigt vielleicht Gewalt, aber übt doch keine aus. Ebenso ist die Gewalt im Computerspiel eben nur Spiel. Alle die dieser „Gewalt“ ausgesetzt sind für Jarius krank. Gesund ist wahrscheinlich, wer sich der deutschen Verantwortung in der Welt stellt und zur Bundeswehr geht, wer Leute entlässt, wer für Erziehungslager eintritt, wer Leute aussortiert usw.
    „Die meisten Menschen (ca. 99 Prozent) arbeiten gar nicht mit dem Verstand, sie kopieren einfach nur Meme (auch kulturelle Gene genannt), also kleinste Denkeinheiten, die im gesellschaftlichen Äther herumschwirren. Sie kopieren von hier und von dort und mixen sich so ihren eigenen »Denkcocktail« Dabei werden sie von zwei Triebkräften angeschoben: 1. Anpassung (denke so wie die Anderen), 2. Individualisierung (weiche ab, um was Besonderes zu sein).“
    Menschen sind also quasi eine tierische Maschine, eine Maschine, die von Trieben gesteuert wird. Ein Ding also das doppelt keinen Willen besitzt. Es besitzt keinen Willen, wie ein dummes Tier u n d keinen Willen wie eine Maschine. Praktisch auch, dass die Triebkräfte sich widersprechen. So kann man jede Handlung als mehr oder weniger angepasst bestimmen. Woher der Trieb wohl weiß, was die Norm ist. Dass es sich um Triebe handelt, muss man auch nicht mehr begründen bzw. nur noch tautologisch begründen. „(weiche ab, um was Besonderes zu sein)“ Und wann ist man was Besonderes? – Genau! Wenn man abweicht. Die Hetze dieses Herrn Jarius bestätigt alle Argumente von Husiken. Typen wie der machen sich bloß noch Sorgen, um die Botmäßigkeit der 99% Triebautomaten. Alle defekten Triebautomaten sind „kranke Seelen“. (Die Triebautomaten sind also die Normalen und diejenigen, die sich nicht wie Triebautomaten verhalten, sind „krank“.) Wer sich der Botmäßigkeit entziehen will, ist ein Don Quijote, dessen Mißerfolg abzusehen ist und ihm daher zurecht widerfährt. Dass Dienstbarkeit ein widersprüchliches Erfolgmittel ist, fällt so einem Priester der Botmäßigkeit natürlich nicht mehr auf.

  7. ohr
    9. Februar 2008, 19:49 | #7

    eine unterbewusste chemische prozedur LOL.

  8. ohr
    9. Februar 2008, 19:49 | #8

    eine unterbewusste chemische prozedur LOL.

  9. 9. Februar 2008, 21:51 | #9

    Herr Jarius fängt schon unehrlich an: Einerseits gibt er seine tiefsitzende Abscheu über Huiskens Argumentation „angebliche Argumentation“ (als wenn der betrunken durch den Saal gelallt hätte) dadurch Ausdruck, daß er ihr gleich vom Start weg jegliches Argument abspricht um dann konsequent dämlich zum Besten zugeben, daß er „gar nicht darauf eingehen mag.“ Tut er aber ärgerlicherweise doch.
    Dann nimmt er sich immerhin einen zentralen Streitpunkt in dieser Debatte vor, nämlich den freien Willen, denn er typischerweise auch gleich mit seinem lächerlichen und unredlichen Klo-Beispiel dementiert. Huisken hat ja wahrlich bei der Veranstaltung ausführlich zu dem ewigen Menschheitsproblem Stellung genommen, daß jeder Mensch immer wieder an Grenzen des für ihn machbaren Gewollten kommt, weil ihn sein Körper leider irgendwann dabei im Stich lässt oder zumindest erlahmt. Dann putscht sich ein entschlossener Geist schon mal auf, dann beißt ein Sportler schon mal die Zähne zusammen, bis er im Ziel wie bewusstlos zusammenfällt, usw. Daß der menschliche Wille zwar manchen Berg versetzen kann, aber sinnvollerweise um seine Begrenztheit durch seine Physis wissend und dies berücksichtigend agieren sollte, wenn er es nicht von seinem Körper auf die harte Art und Weise beigebracht bekommen will, so was ist doch eigentlich eine jedermann bekannte Binsenwahrheit. Es ist also eine böswillige Unterstellung, wenn jemand wie Huisken, der betont, daß sich Menschen in den meisten Fällen direkt bewusst und selbst bei Entscheidungen aus dem Bauch aufgrund ihrer Erfahrungen und Einschätzungen nicht beliebig entscheiden, unterstellt, freier Wille hieße von allen Naturgesetzen befreiter schrankenloser Wille.
    Jarius kommt dann zu einem Archetyp einer völlig witzlosen „Erklärung“ im Stile der allbekannten Abneigung gegen jegliches wirkliches Erklären „Kräht der Hahn auf dem mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist“, Krim hat das ja auch schon festgehalten. Er bastelt sich nämlich mit seinen beiden menschlichen „Triebkräften … 1. Anpassung (denke so wie die Anderen), 2. Individualisierung (weiche ab, um was Besonderes zu sein)“ ein System, das gegen jeglichen Einwand immunisiert ist: Was auch immer jemand tut, wenn er das tut, was andere auch tun, dann hat offensichtlich Kraft 1 das Sagen, und wenn nicht, dann eben nicht. Es ist das abgedroschene Psychologen-Prinzip, irgendein konkretes Verhalten X auf eine X-Kraft, oder einen X-Trieb zurückzuführen, deren Existenz regelmäßig zirkulär mit dem Verweis auf das ja eindeutig zu beobachtende X-Verhalten „bewiesen“ wird.
    Pappkameraden taugen für so eine „Argumentation“ auch immer ganz vorzüglich: Jarius nimmt seine Hirnforscher (immerhin billigt er ausgerechnet ihnen generöserweise zu, sie gehörten zu den „wenigen Personen, die unabhängig und frei wissenschaftlich denken und forschen“) vor einem Vorwurf in Schutz, den zumindest Huisken nicht gemacht hat und meines Wissens auch sonst niemand: „Sie sind sicher die Letzten, die daran schuld sind, daß der Kapitalismus zunehmend intellektuell und sozial so stark beschädigte Schulanfänger hervorbringt“. Er setzt dann auch gleich noch einen drauf und exkulpiert auch gleich noch die Schule (und ihre Lehrer, vermutlich ist er denen besonders zugetan, vielleicht selber einer), wenn er frech behauptet, daß die Schule: „Schulanfänger hervorbringt, [die] dort unabhängig vom Schulsystem versagen müssen, weil sie in ihren ersten Lebensjahren nichts anderes gelernt haben als Gewalt“. Und ganz Orwell sind Anhänger von Gewaltlosigkeit natürlich die schlimmsten Verbrecher: ausgerechnet die antiautoritären Eltern haben ihre Kinder mit Gewalt versaut fürs Leben! Das Schulsystem, seine Ziele und Methoden, seine Funktion in dieser Gesellschaft, deren Zwecke, all das ist bei so einem Freund der freien Gesellschaft außen vor.
    Ein weiteres lächerliches Argument ist seine Behauptung, „In diesen kranken Seelen sieht der Herr Professor Huisken also die unangepaßten Kämpfer für eine lichte Zukunft.“ Tut Huisken nicht, wie jeder bei ihm nachlesen oder nachhören kann. Andere haben früher z.B. in Deutschland das tatsächlich so krude gesehen. Ulrike Meinhof steht da für viele, die gegen die Fehler der „Angepassten“ kein Argument mehr haben gemeint haben. GegenStandpunktler in so eine Ecke zu stellen ist zumindest glatt falsch, wenn es nicht gleich sinister gemeint ist.

  10. 9. Februar 2008, 21:51 | #10

    Herr Jarius fängt schon unehrlich an: Einerseits gibt er seine tiefsitzende Abscheu über Huiskens Argumentation „angebliche Argumentation“ (als wenn der betrunken durch den Saal gelallt hätte) dadurch Ausdruck, daß er ihr gleich vom Start weg jegliches Argument abspricht um dann konsequent dämlich zum Besten zugeben, daß er „gar nicht darauf eingehen mag.“ Tut er aber ärgerlicherweise doch.
    Dann nimmt er sich immerhin einen zentralen Streitpunkt in dieser Debatte vor, nämlich den freien Willen, denn er typischerweise auch gleich mit seinem lächerlichen und unredlichen Klo-Beispiel dementiert. Huisken hat ja wahrlich bei der Veranstaltung ausführlich zu dem ewigen Menschheitsproblem Stellung genommen, daß jeder Mensch immer wieder an Grenzen des für ihn machbaren Gewollten kommt, weil ihn sein Körper leider irgendwann dabei im Stich lässt oder zumindest erlahmt. Dann putscht sich ein entschlossener Geist schon mal auf, dann beißt ein Sportler schon mal die Zähne zusammen, bis er im Ziel wie bewusstlos zusammenfällt, usw. Daß der menschliche Wille zwar manchen Berg versetzen kann, aber sinnvollerweise um seine Begrenztheit durch seine Physis wissend und dies berücksichtigend agieren sollte, wenn er es nicht von seinem Körper auf die harte Art und Weise beigebracht bekommen will, so was ist doch eigentlich eine jedermann bekannte Binsenwahrheit. Es ist also eine böswillige Unterstellung, wenn jemand wie Huisken, der betont, daß sich Menschen in den meisten Fällen direkt bewusst und selbst bei Entscheidungen aus dem Bauch aufgrund ihrer Erfahrungen und Einschätzungen nicht beliebig entscheiden, unterstellt, freier Wille hieße von allen Naturgesetzen befreiter schrankenloser Wille.
    Jarius kommt dann zu einem Archetyp einer völlig witzlosen „Erklärung“ im Stile der allbekannten Abneigung gegen jegliches wirkliches Erklären „Kräht der Hahn auf dem mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist“, Krim hat das ja auch schon festgehalten. Er bastelt sich nämlich mit seinen beiden menschlichen „Triebkräften … 1. Anpassung (denke so wie die Anderen), 2. Individualisierung (weiche ab, um was Besonderes zu sein)“ ein System, das gegen jeglichen Einwand immunisiert ist: Was auch immer jemand tut, wenn er das tut, was andere auch tun, dann hat offensichtlich Kraft 1 das Sagen, und wenn nicht, dann eben nicht. Es ist das abgedroschene Psychologen-Prinzip, irgendein konkretes Verhalten X auf eine X-Kraft, oder einen X-Trieb zurückzuführen, deren Existenz regelmäßig zirkulär mit dem Verweis auf das ja eindeutig zu beobachtende X-Verhalten „bewiesen“ wird.
    Pappkameraden taugen für so eine „Argumentation“ auch immer ganz vorzüglich: Jarius nimmt seine Hirnforscher (immerhin billigt er ausgerechnet ihnen generöserweise zu, sie gehörten zu den „wenigen Personen, die unabhängig und frei wissenschaftlich denken und forschen“) vor einem Vorwurf in Schutz, den zumindest Huisken nicht gemacht hat und meines Wissens auch sonst niemand: „Sie sind sicher die Letzten, die daran schuld sind, daß der Kapitalismus zunehmend intellektuell und sozial so stark beschädigte Schulanfänger hervorbringt“. Er setzt dann auch gleich noch einen drauf und exkulpiert auch gleich noch die Schule (und ihre Lehrer, vermutlich ist er denen besonders zugetan, vielleicht selber einer), wenn er frech behauptet, daß die Schule: „Schulanfänger hervorbringt, [die] dort unabhängig vom Schulsystem versagen müssen, weil sie in ihren ersten Lebensjahren nichts anderes gelernt haben als Gewalt“. Und ganz Orwell sind Anhänger von Gewaltlosigkeit natürlich die schlimmsten Verbrecher: ausgerechnet die antiautoritären Eltern haben ihre Kinder mit Gewalt versaut fürs Leben! Das Schulsystem, seine Ziele und Methoden, seine Funktion in dieser Gesellschaft, deren Zwecke, all das ist bei so einem Freund der freien Gesellschaft außen vor.
    Ein weiteres lächerliches Argument ist seine Behauptung, „In diesen kranken Seelen sieht der Herr Professor Huisken also die unangepaßten Kämpfer für eine lichte Zukunft.“ Tut Huisken nicht, wie jeder bei ihm nachlesen oder nachhören kann. Andere haben früher z.B. in Deutschland das tatsächlich so krude gesehen. Ulrike Meinhof steht da für viele, die gegen die Fehler der „Angepassten“ kein Argument mehr haben gemeint haben. GegenStandpunktler in so eine Ecke zu stellen ist zumindest glatt falsch, wenn es nicht gleich sinister gemeint ist.

  11. von Nobbi
    9. Februar 2008, 21:57 | #11

    Warum wird eigentlich von Huisken diese alberne Opposition von Determinismus und Willensfreiheit aufrecht erhalten? Es ist doch völlig klar, dass der Wille determiniert ist, sonst wäre er ja Zufall. Und zwischen einem Zufallsgenerator und dem Gehirn besteht ja doch noch ein Unterschied! Auch ist klar, dass der Wille frei ist, schließlich entscheidet man sich zwischen Handlungsalternativen, wägt ab, wählt also ganz gesetzmäßig aus, nicht einfach zufällig. Wo soll da der von Neurowissenschaftlern bewiesene Determinismus, die Naturgesetzmäßigkeit, der Abläufe im Gehirn der Freiheit des eingebildeten „Willens“ und „Geistes“ widersprechen? Huisken kämpft hier tatsächlich gegen Windmühlen. Statt offen zu sein für alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit denen Kindern beim Lernen geholfen werden kann, wird einer Disziplin – wie Huisken zugibt, ohne selbst davon eine Ahnung zu haben – von vornherein die Fähigkeit abgesprochen, hier nützliche Mittel bereitzustellen. Die Neurowissenschaften haben neben vielen weiteren Wissenschaften, Wissen darüber geliefert, wie Lernen funktioniert und wie es besser gelingen kann.

  12. von Nobbi
    9. Februar 2008, 21:57 | #12

    Warum wird eigentlich von Huisken diese alberne Opposition von Determinismus und Willensfreiheit aufrecht erhalten? Es ist doch völlig klar, dass der Wille determiniert ist, sonst wäre er ja Zufall. Und zwischen einem Zufallsgenerator und dem Gehirn besteht ja doch noch ein Unterschied! Auch ist klar, dass der Wille frei ist, schließlich entscheidet man sich zwischen Handlungsalternativen, wägt ab, wählt also ganz gesetzmäßig aus, nicht einfach zufällig. Wo soll da der von Neurowissenschaftlern bewiesene Determinismus, die Naturgesetzmäßigkeit, der Abläufe im Gehirn der Freiheit des eingebildeten „Willens“ und „Geistes“ widersprechen? Huisken kämpft hier tatsächlich gegen Windmühlen. Statt offen zu sein für alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit denen Kindern beim Lernen geholfen werden kann, wird einer Disziplin – wie Huisken zugibt, ohne selbst davon eine Ahnung zu haben – von vornherein die Fähigkeit abgesprochen, hier nützliche Mittel bereitzustellen. Die Neurowissenschaften haben neben vielen weiteren Wissenschaften, Wissen darüber geliefert, wie Lernen funktioniert und wie es besser gelingen kann.

  13. Helden Karl
    11. Februar 2008, 15:28 | #13

    „»Hirnforscher machen mobil gegen den Verstand«, durfte man wohl einen originellen Neurochirurgen erwarten“
    Naja wer es schon originell findet gegen den Verstand mobilzumachen…
    Mal eine andere Sache: Weiss jemand was es mit diesem Vortrag auf sich hat der seit Wochen und gefühlten Montaen auf seine Veröffentlichung wartet? Ist bei kk gruppe net:

    Dr. Herbert Fertl: Wie eine (anti-) terroristische Vereinigung demokratischer Staaten den Weltfrieden durchsetzen will
    (Vortragsmitschnitt demnächst (ca. 4x Mbyte) und Ankündigungstext)

  14. Helden Karl
    11. Februar 2008, 15:28 | #14

    „»Hirnforscher machen mobil gegen den Verstand«, durfte man wohl einen originellen Neurochirurgen erwarten“
    Naja wer es schon originell findet gegen den Verstand mobilzumachen…
    Mal eine andere Sache: Weiss jemand was es mit diesem Vortrag auf sich hat der seit Wochen und gefühlten Montaen auf seine Veröffentlichung wartet? Ist bei kk gruppe net:

    Dr. Herbert Fertl: Wie eine (anti-) terroristische Vereinigung demokratischer Staaten den Weltfrieden durchsetzen will
    (Vortragsmitschnitt demnächst (ca. 4x Mbyte) und Ankündigungstext)

  15. 11. Februar 2008, 16:29 | #15

    Also ich warte nicht auf den Mitschnitt: Der Vortrag scheint mir im einfach nur entlang der GSP-Artikel der letzten Zeit zu Afghanistan, Irak, Israel/Palestina und Iran gelaufen zu sein. Dran gerieben hat sich auch niemand ernstlich. Aber vielleicht sind mir in meiner Duselei auch Gemmen entgangen, die erst der Mitschnitt freigeben könnte. Let’s wait and see!
    (Bei solchen Themen der akribischen Darstellung, was sich Staatsführer kleinerer, zumindest im Vergleich zu den imperialistischen Hauptmächten machtloseren Staaten für ein Projekt für ihre jeweilige Grande Nation vornehmen und wie ihnen dabei die Aufsichtsmächte reinspucken und sich dabei untereinander ums Vorrecht dabei selber wieder kabbeln, da frage ich mich häufiger, was eigentlich der sittliche Nährwert dieser Bemühungen ist, wen man damit wozu gewinnen wollte, denn irgendein Tagesziel für diesen ja wieder einmal ellenlangen Vortrag habe ich nicht ausmachen können.)

  16. 11. Februar 2008, 16:29 | #16

    Also ich warte nicht auf den Mitschnitt: Der Vortrag scheint mir im einfach nur entlang der GSP-Artikel der letzten Zeit zu Afghanistan, Irak, Israel/Palestina und Iran gelaufen zu sein. Dran gerieben hat sich auch niemand ernstlich. Aber vielleicht sind mir in meiner Duselei auch Gemmen entgangen, die erst der Mitschnitt freigeben könnte. Let’s wait and see!
    (Bei solchen Themen der akribischen Darstellung, was sich Staatsführer kleinerer, zumindest im Vergleich zu den imperialistischen Hauptmächten machtloseren Staaten für ein Projekt für ihre jeweilige Grande Nation vornehmen und wie ihnen dabei die Aufsichtsmächte reinspucken und sich dabei untereinander ums Vorrecht dabei selber wieder kabbeln, da frage ich mich häufiger, was eigentlich der sittliche Nährwert dieser Bemühungen ist, wen man damit wozu gewinnen wollte, denn irgendein Tagesziel für diesen ja wieder einmal ellenlangen Vortrag habe ich nicht ausmachen können.)

  17. 12. Februar 2008, 14:08 | #17

    Rübergezogen vom Forum Kapitalismuskritik, Thread „Kritik an Huiskens Séance:
    nobbi:
    Zur Zensur: Den (etwas voreiligen) Zensurvorwurf an neoprene ziehe ich zurück. Er hat alles von mir veröffentlicht. Hier im Forum habe ich nur noch einen Absatz dazugeschrieben.
    Tofu: „Huisken betonte doch gerade, daß die Hirnforscher von der Justiz gerade nicht ernst genommen werden. Deren blöde These, „das Gehirn ist schuld“ wird doch von Richtern mit einem müden Lächeln abgetan und findet keinerlei Berücksichtigung in der Rechtssprechung oder dem Strafvollzug. Von daher ist es einfach lächerlich, Huisken oder der „MG“ ein „Ideal vom korrekten Strafvollzug“ zu unterstellen.“
    Ernst genommen werden sie von der Justiz bis jetzt zumindest nicht. Aber Huiskens Befürchtung – und das hat er ja auch als Anlass für seine Befassung mit dem Thema genannt – war doch, dass in der Bestrafung von der Person als Sanktionsobjekt zum Hirn übergegangen werden könnte. Ich frage mich, was das noch mit Kapitalismuskritik zu tun hat.
    Weiter kritisiert er noch, dass Kindern beim Lernen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geholfen wird. Er bringt kein Argument dagegen, insistiert einfach nur darauf, dass es so nicht sein darf. Er will explizit nichts von Limbischem System etc. wissen, stellt – typisch für manche Geisteswissenschaftler – stolz sein Unwissen über die Natur zur Schau.
    Daneben fallen mir laufend sachliche Fehler auf, die einfach auf Unkenntnis der Materie und falschen Vorurteilen beruhen, z.B. dass Gefühle sich als Habitualisierung von Gedanken ergeben. (Genaue Stelle mit Zitat suche ich noch.) Das kann jeder selbst falsifizieren.

  18. 12. Februar 2008, 14:08 | #18

    Rübergezogen vom Forum Kapitalismuskritik, Thread „Kritik an Huiskens Séance:
    nobbi:
    Zur Zensur: Den (etwas voreiligen) Zensurvorwurf an neoprene ziehe ich zurück. Er hat alles von mir veröffentlicht. Hier im Forum habe ich nur noch einen Absatz dazugeschrieben.
    Tofu: „Huisken betonte doch gerade, daß die Hirnforscher von der Justiz gerade nicht ernst genommen werden. Deren blöde These, „das Gehirn ist schuld“ wird doch von Richtern mit einem müden Lächeln abgetan und findet keinerlei Berücksichtigung in der Rechtssprechung oder dem Strafvollzug. Von daher ist es einfach lächerlich, Huisken oder der „MG“ ein „Ideal vom korrekten Strafvollzug“ zu unterstellen.“
    Ernst genommen werden sie von der Justiz bis jetzt zumindest nicht. Aber Huiskens Befürchtung – und das hat er ja auch als Anlass für seine Befassung mit dem Thema genannt – war doch, dass in der Bestrafung von der Person als Sanktionsobjekt zum Hirn übergegangen werden könnte. Ich frage mich, was das noch mit Kapitalismuskritik zu tun hat.
    Weiter kritisiert er noch, dass Kindern beim Lernen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geholfen wird. Er bringt kein Argument dagegen, insistiert einfach nur darauf, dass es so nicht sein darf. Er will explizit nichts von Limbischem System etc. wissen, stellt – typisch für manche Geisteswissenschaftler – stolz sein Unwissen über die Natur zur Schau.
    Daneben fallen mir laufend sachliche Fehler auf, die einfach auf Unkenntnis der Materie und falschen Vorurteilen beruhen, z.B. dass Gefühle sich als Habitualisierung von Gedanken ergeben. (Genaue Stelle mit Zitat suche ich noch.) Das kann jeder selbst falsifizieren.

  19. 12. Februar 2008, 14:09 | #19

    von Tofu:
    Zur Motivation von Huisken gehört sicher nicht eine Sorge um den wachsenden Einfluß von diesen „Parade“-Wissenschaftlern der Uni Bremen ausgerechnet bei Juristen. Ich weiß auch nicht wo du das rausgehört haben willst. Der ist doch deshalb so vergleichsweise tief gegen diese Dünnbrettbohrer eingestiegen, weil deren billige Allgemeinplätzchen vom Schlage „Fürs erfolgreiche Lernen ist Interesse am Stoff förderlich“ oder „Kinder lernen Stoff schlecht, wenn sie die Grundlagen, auf denen er aufbaut noch gar nicht gerafft haben“ im Bildungswesen von der Lehrerfortbildung bis zu den Unis so begierig aufgesogen wird wie das Wort des Herrn in anderen gläubigen Zeiten.
    Von daher ist es wieder ein Lacher, Huisken zu unterstellen, „Weiter kritisiert er noch, dass Kindern beim Lernen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geholfen wird“. Nein er kritisiert, daß mit dem Verweis auf Hirn“philosophen“ so naheliegende Fragen, wieso eigentlich sich die Schüler für die Unmenge Quark interessieren sollen, der ihnen gemäß Lehrplan einzubleuen ist, oder wieso es grundsätzlich keine Rolle für das Fortschreiten des Unterrichts spielt, ob Schüler in einer Klasse das „anspruchsvolle“ Lernziel nun schon erreicht haben oder noch Null Durchblick haben. Schließlich gibt es Noten, die das hinreichend berücksichtigen! Ich muß doch nun wirklich nicht die geringste Ahnung haben vom Limbischen System, um bei einem Großteil des Stoffs in der Schule gelangweilt aus dem Fenster zu schauen.
    Ach ja, „laufend“ fallen dir sachliche Fehler von Huisken auf, und als schlagenden Beweis bringst du ausgerechnet Gefühle als Habitualisierung von Gedanken! Da bin ich, nicht nur aus dem Bauch heraus, geneigt, müde abzuwinken.

  20. 12. Februar 2008, 14:09 | #20

    von Tofu:
    Zur Motivation von Huisken gehört sicher nicht eine Sorge um den wachsenden Einfluß von diesen „Parade“-Wissenschaftlern der Uni Bremen ausgerechnet bei Juristen. Ich weiß auch nicht wo du das rausgehört haben willst. Der ist doch deshalb so vergleichsweise tief gegen diese Dünnbrettbohrer eingestiegen, weil deren billige Allgemeinplätzchen vom Schlage „Fürs erfolgreiche Lernen ist Interesse am Stoff förderlich“ oder „Kinder lernen Stoff schlecht, wenn sie die Grundlagen, auf denen er aufbaut noch gar nicht gerafft haben“ im Bildungswesen von der Lehrerfortbildung bis zu den Unis so begierig aufgesogen wird wie das Wort des Herrn in anderen gläubigen Zeiten.
    Von daher ist es wieder ein Lacher, Huisken zu unterstellen, „Weiter kritisiert er noch, dass Kindern beim Lernen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geholfen wird“. Nein er kritisiert, daß mit dem Verweis auf Hirn“philosophen“ so naheliegende Fragen, wieso eigentlich sich die Schüler für die Unmenge Quark interessieren sollen, der ihnen gemäß Lehrplan einzubleuen ist, oder wieso es grundsätzlich keine Rolle für das Fortschreiten des Unterrichts spielt, ob Schüler in einer Klasse das „anspruchsvolle“ Lernziel nun schon erreicht haben oder noch Null Durchblick haben. Schließlich gibt es Noten, die das hinreichend berücksichtigen! Ich muß doch nun wirklich nicht die geringste Ahnung haben vom Limbischen System, um bei einem Großteil des Stoffs in der Schule gelangweilt aus dem Fenster zu schauen.
    Ach ja, „laufend“ fallen dir sachliche Fehler von Huisken auf, und als schlagenden Beweis bringst du ausgerechnet Gefühle als Habitualisierung von Gedanken! Da bin ich, nicht nur aus dem Bauch heraus, geneigt, müde abzuwinken.

  21. 12. Februar 2008, 14:09 | #21

    Von nobbi:
    Tofu: „Zur Motivation von Huisken gehört sicher nicht eine Sorge um den wachsenden Einfluß von diesen „Parade“-Wissenschaftlern der Uni Bremen ausgerechnet bei Juristen. Ich weiß auch nicht wo du das rausgehört haben willst.“
    ~2:11 bis ~2:16
    Huisken sagt einerseits, das sei weit von einer Umsetzung in die Praxis entfernt (sehe ich genauso), sieht die Theorie aber einen Schritt vor der Euthanasie. Ob bloß angedachte Euthanasie oder nicht, Staatsgewalt ist generell eine schädliche und kritikable Sache. Daher wundere ich mich ja, dass ihm gerade jetzt als Skandal auffällt, dass drei Leute eine Strafrechtsreform im Sinn haben, die weit weg von jeder Praxis, aber trotzdem kurz vor der Euthanasie ist. Da gibt es nun wirklich dringlichere Probleme.
    Zum Lernen: Huisken meint, es sind tatsächlich Allgemeinplätze, die hier gebracht werden, und kritisiert das auch gar nicht. Roth und Kollegen liefern aber eine wissenschaftliche Erklärung der Allgemeinplätze, und an der scheint Huisken was auszusetzen zu haben. Fragt sich nur was? Jedenfalls braucht man es nicht wie Huisken und du (wenn ich dich da richtig verstanden habe) den Forschern anlasten, dass sie angeblich die Ausrichtung des kapitalistischen Bildungswesens auf Aussortierung durch Konkurrenz billigen oder unterstützen. Das folgt niemals aus den Erkenntnissen zum besseren Lehren und Lernen.
    „und als schlagenden Beweis bringst du ausgerechnet Gefühle als Habitualisierung von Gedanken!“
    Ein Gefühl stellt sich ein, ohne dass man die auslösende Situation erst mehrmals gedanklich verarbeitet haben müsste. Es ist eher umgekehrt: Nach gedanklicher Reflexion können Gefühle weniger intensiv werden oder ganz ausbleiben. Erkläre doch mal, wie Liebe aus der Habitualisierung von Gedanken entstehen soll. Bevor man zum ersten mal Liebe empfindet, hat man nicht die „Liebessituation“ 100 mal gedanklich durchgespielt oder sich 100 mal gefühllos (!) verliebt. Vielmehr erfasst einen das Gefühl so intensiv, gerade weil keine gedankliche Verarbeitung stattgefunden hat, und daher besonders intensiv, wenn man etwas zum ersten Mal erlebt. Analoges gilt bei Ängsten oder Freude.
    Huiskens Fehler gehen aber noch weiter. Er beschreibt das Libet-Experiment falsch und zieht folglich auch nicht den Schluss daraus, dass es keinen nichtdeterminierten Willen gibt. Er hat offensichtlich null Ahnung von der Wissenschaft, die er eigentlich kritisieren will.

  22. 12. Februar 2008, 14:09 | #22

    Von nobbi:
    Tofu: „Zur Motivation von Huisken gehört sicher nicht eine Sorge um den wachsenden Einfluß von diesen „Parade“-Wissenschaftlern der Uni Bremen ausgerechnet bei Juristen. Ich weiß auch nicht wo du das rausgehört haben willst.“
    ~2:11 bis ~2:16
    Huisken sagt einerseits, das sei weit von einer Umsetzung in die Praxis entfernt (sehe ich genauso), sieht die Theorie aber einen Schritt vor der Euthanasie. Ob bloß angedachte Euthanasie oder nicht, Staatsgewalt ist generell eine schädliche und kritikable Sache. Daher wundere ich mich ja, dass ihm gerade jetzt als Skandal auffällt, dass drei Leute eine Strafrechtsreform im Sinn haben, die weit weg von jeder Praxis, aber trotzdem kurz vor der Euthanasie ist. Da gibt es nun wirklich dringlichere Probleme.
    Zum Lernen: Huisken meint, es sind tatsächlich Allgemeinplätze, die hier gebracht werden, und kritisiert das auch gar nicht. Roth und Kollegen liefern aber eine wissenschaftliche Erklärung der Allgemeinplätze, und an der scheint Huisken was auszusetzen zu haben. Fragt sich nur was? Jedenfalls braucht man es nicht wie Huisken und du (wenn ich dich da richtig verstanden habe) den Forschern anlasten, dass sie angeblich die Ausrichtung des kapitalistischen Bildungswesens auf Aussortierung durch Konkurrenz billigen oder unterstützen. Das folgt niemals aus den Erkenntnissen zum besseren Lehren und Lernen.
    „und als schlagenden Beweis bringst du ausgerechnet Gefühle als Habitualisierung von Gedanken!“
    Ein Gefühl stellt sich ein, ohne dass man die auslösende Situation erst mehrmals gedanklich verarbeitet haben müsste. Es ist eher umgekehrt: Nach gedanklicher Reflexion können Gefühle weniger intensiv werden oder ganz ausbleiben. Erkläre doch mal, wie Liebe aus der Habitualisierung von Gedanken entstehen soll. Bevor man zum ersten mal Liebe empfindet, hat man nicht die „Liebessituation“ 100 mal gedanklich durchgespielt oder sich 100 mal gefühllos (!) verliebt. Vielmehr erfasst einen das Gefühl so intensiv, gerade weil keine gedankliche Verarbeitung stattgefunden hat, und daher besonders intensiv, wenn man etwas zum ersten Mal erlebt. Analoges gilt bei Ängsten oder Freude.
    Huiskens Fehler gehen aber noch weiter. Er beschreibt das Libet-Experiment falsch und zieht folglich auch nicht den Schluss daraus, dass es keinen nichtdeterminierten Willen gibt. Er hat offensichtlich null Ahnung von der Wissenschaft, die er eigentlich kritisieren will.

  23. 12. Februar 2008, 14:10 | #23

    von Krim:
    Das mit der Habitualisierung von Gedanken stammt von Hegel. Liebe würd ich da zunächst mal rauslassen, weil mir das ziemlich kompliziert vorkommt. Bei Ängsten leuchtet es vielleicht aber eher ein. Man hat nicht einfach Angst, weil das als natürliche Reaktion unbewusst im Hirn gespeichert ist, sondern man hat Angst vor etwas bestimmtem. Es gibt einen Grund. Da gibt es rationelle Ängste und weniger rationelle. Es wird zum Beispiel eine lebensbedrohliche Situation, inder man war, mit einem bestimmten Objekt gekoppelt. Man ist mal von einem Golf angefahren worden und hat dann Angst vor der Automarke VW. Sowas ist erlernt. Das Gefühl funktioniert da als eine Art Frühwarnsystem, das die vergangenen Urteile ohne nachzudenken unmittelbar in Form des Gefühls abruft.
    Überhaupt solltest du dir mehr Mühe machen Huisken zu widerlegen. Von dir kommen bis jetzt nur unbelegte Behauptungen. Warum beschreibt Huisken das Libet-Experiment falsch? Da musst du ein Argument bringen. oder hier: „Jedenfalls braucht man es nicht wie Huisken und du (wenn ich dich da richtig verstanden habe) den Forschern anlasten, dass sie angeblich die Ausrichtung des kapitalistischen Bildungswesens auf Aussortierung durch Konkurrenz billigen oder unterstützen. Das folgt niemals aus den Erkenntnissen zum besseren Lehren und Lernen.“ Welche Lehren denn? Warum folgt Sortierung nicht aus ihren Lehren? Mach das doch mal genauer.
    “ Daher wundere ich mich ja, dass ihm gerade jetzt als Skandal auffällt, dass drei Leute eine Strafrechtsreform im Sinn haben, die weit weg von jeder Praxis, aber trotzdem kurz vor der Euthanasie ist. Da gibt es nun wirklich dringlichere Probleme.“ Du meinst eine Theorie sei nur dann kritikabel, wenn die beinahe Euthanasie schon praktiziert wird? Und wenn sie dann praktiziert wird, sagst du: Was wollt ihr eigentlich, jetzt ist es zu spät zum Kritisieren, jetzt kann man eh nichts mehr dran ändern. Falsch ist sie doch auch ohne praktische Anwendung.
    „Das kann jeder selbst falsifizieren.“ Nee, eben nicht. Du bist der Kritiker und deshalb ist es an dir die Falsifizierung zu leisten. Du kannst doch nicht sagen Huisken erzählt Blödsinn. Die Gründe dafür dürft ihr euch aber selbst ausdenken.

  24. 12. Februar 2008, 14:10 | #24

    von Krim:
    Das mit der Habitualisierung von Gedanken stammt von Hegel. Liebe würd ich da zunächst mal rauslassen, weil mir das ziemlich kompliziert vorkommt. Bei Ängsten leuchtet es vielleicht aber eher ein. Man hat nicht einfach Angst, weil das als natürliche Reaktion unbewusst im Hirn gespeichert ist, sondern man hat Angst vor etwas bestimmtem. Es gibt einen Grund. Da gibt es rationelle Ängste und weniger rationelle. Es wird zum Beispiel eine lebensbedrohliche Situation, inder man war, mit einem bestimmten Objekt gekoppelt. Man ist mal von einem Golf angefahren worden und hat dann Angst vor der Automarke VW. Sowas ist erlernt. Das Gefühl funktioniert da als eine Art Frühwarnsystem, das die vergangenen Urteile ohne nachzudenken unmittelbar in Form des Gefühls abruft.
    Überhaupt solltest du dir mehr Mühe machen Huisken zu widerlegen. Von dir kommen bis jetzt nur unbelegte Behauptungen. Warum beschreibt Huisken das Libet-Experiment falsch? Da musst du ein Argument bringen. oder hier: „Jedenfalls braucht man es nicht wie Huisken und du (wenn ich dich da richtig verstanden habe) den Forschern anlasten, dass sie angeblich die Ausrichtung des kapitalistischen Bildungswesens auf Aussortierung durch Konkurrenz billigen oder unterstützen. Das folgt niemals aus den Erkenntnissen zum besseren Lehren und Lernen.“ Welche Lehren denn? Warum folgt Sortierung nicht aus ihren Lehren? Mach das doch mal genauer.
    “ Daher wundere ich mich ja, dass ihm gerade jetzt als Skandal auffällt, dass drei Leute eine Strafrechtsreform im Sinn haben, die weit weg von jeder Praxis, aber trotzdem kurz vor der Euthanasie ist. Da gibt es nun wirklich dringlichere Probleme.“ Du meinst eine Theorie sei nur dann kritikabel, wenn die beinahe Euthanasie schon praktiziert wird? Und wenn sie dann praktiziert wird, sagst du: Was wollt ihr eigentlich, jetzt ist es zu spät zum Kritisieren, jetzt kann man eh nichts mehr dran ändern. Falsch ist sie doch auch ohne praktische Anwendung.
    „Das kann jeder selbst falsifizieren.“ Nee, eben nicht. Du bist der Kritiker und deshalb ist es an dir die Falsifizierung zu leisten. Du kannst doch nicht sagen Huisken erzählt Blödsinn. Die Gründe dafür dürft ihr euch aber selbst ausdenken.

  25. 12. Februar 2008, 14:10 | #25

    von Tofu:
    Vielleicht trägt es diesmal ja wirklich zu einer „Versachlichung“ der Diskussion bei:
    Der Vortrag, den Freerk Huisken jetzt in Berlin gehalten hat, den hatte er früher auch schon gehalten und deshalb auch als mittlerweile dann nochmal überarbeitetes Manuskript auf seiner homepage http://www.fhuisken.de/ als „Loser Text“ unter dem Titel „“Der Mensch ist der Sklave des Gehirns“ behaupten Hirnforscher. — Schon wieder eine Aufforderung an seinem Verstand zu zweifeln, statt ihn zu benutzen“ veröffentlicht. http://www.fhuisken.de/Hirnforschung05.rtf
    Freerk fängt mit 4 Rätseln der Wissenschaft an (wenn es nach Roth geht):
    Fall 1: Menschen erklären sich zu bestimmtem Handeln bereit, treiben dann aber etwas ganz anderes; geben vielleicht auf Nachfrage sogar an, dass sie genau wie gewünscht handeln wür-den.
    Fall 2: Kindern wird irgendein simpler Sachverhalt x-mal erklärt, sie begreifen ihn aber ein-fach nicht, wie am Lernresultat abzulesen ist.
    Fall 3: Menschen handeln gegen jede Vernunft; sie setzen sich z.B. betrunken ans Steuer ihres Autos.
    Fall 4: Da geben Menschen Urteile über ihr Tun ab, die nachweisbar ihr Tun nicht treffen.“
    Um gleich den eigentlich völlig hinreichenden Kommentar zu geben:
    „Natürlich gibt es solche Fälle. Doch was soll an ihnen rätselhaft sein? Man muss nicht einmal zu ausgearbeiteten Theorien greifen, um in jedem dieser Fälle die sie ausmachenden geistigen Operationen, sprich: die Gründe benennen zu können, die Menschen für ihr jeweiliges Verhalten haben.“
    Etwas später etwas ausführlicher:
    Wo herrscht hier ein Erklärungsnotstand? Was ist an diesen Fällen unerklärlich? Finden sich in diesen genannten Fällen irgendwelche Hinweise darauf, dass keine willentliche Betätigung vorliegt, dass die Menschen „Sklaven ihres Gehirns“ sind? Alle vier Fälle fallen unter freie, bewusste willentliche Betätigung: das Ändern einer Meinung ebenso wie die Lüge, das Miss-verständnis genauso wie das (Nicht-)Begreifen, das gewusste Übertreten von Geboten ebenso wie die Einbildung, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Natürlich gibt es in diesen Fällen – wie angedeutet – Hinweise auf Unfreiheit. Doch ist diese Unfreiheit anderer Natur. Mit der Natur des Gehirns hat sie nichts zu tun. Sie ist gesellschaftlicher Art – so etwa, wenn die Schulpflicht den Nachwuchs zum Lernen für Noten zwingt, dabei auf den Willen zum Lernen, auf das Interesse am Lernstoff und auf das für die Aneignung des Unterrichtsinhalts notwen-dige Vorwissen kein Rücksicht nimmt. Auch der Zecher, der trunken Auto fährt, arbeitet sich mit seinem Gewissen an der Vorschrift der Straßenverkehrsordnung ab; und schließlich ist unschwer zu erkennen, dass der geistige Selbstbetrug der Hausfrauen bei der Strumpfwahl eine Sorte geistigen Umgangs mit einem beschränkten Einkommen darstellt, die aus der mate-riellen ökonomischen Not einen ideellen Sieg verfertigen möchte. Vorschriften in Gesetzes-form, ökonomische Beschränkungen und moralische Pflichten erweisen sich wirklich nicht selten als Schranken des willentlichen Handelns. All das belegt nur eines: Der Inhalt des Wil-lens, den der Mensch frei für sich formuliert hat und für den er seine Gründe hat , mit denen er Zwecke verfolgt, für deren Realisierung er sich die dazu passenden Mittel, Instrumente, Verfahrensweisen etc. sucht, stößt in seiner praktischen Betätigung in der Tat allzu oft auf Einsprüche und Hindernisse. Die Unfreiheit der willentlichen Betätigung liegt also nicht in dieser, sondern in den Beschränkungen, die ihr in dieser Gesellschaft widerfahren.
    Das Paradoxon der Behauptung
    Das Paradoxon, das diese Theorie auszeichnet, bestätigt den ersten Befund. Es verhält sich in der Tat so, dass – wie der US-Sprachphilosoph D.Davidson festgestellt hat – die Autoren ihr Wissen gar nicht besitzen könnten, wenn es denn richtig wäre. Man sollte sich einmal vor Augen führen, in welchem Verhältnis das theoretische – aber auch alltägliche – Treiben der genannten HFer zu ihrer Theorie steht. Da halten sie Vorlesungen, schreiben Bücher, korrigieren alte Ansichten, fahren auf Kongresse, streiten mit Kollegen über ihre Theorien, bringen sie den Studenten bei, verkünden deren praktische Bedeutsamkeit etc. Die Frage, wo-her sie eigentlich Kenntnis von den Gesetzmäßigkeiten des Gehirns haben, woher sie ihr – doch wohl von ihnen selbst für zutreffend gehaltenes – Wissen über Neuronenaktivitäten be-ziehen, wenn sie sich doch, folgt man einmal ihrer Theorie, als ein mit Verstand und Vorwis-sen ausgerüstetes, streitbares, um Wahrheit ringendes Forschersubjekt theoretisch aus dem Verkehr gezogen haben. Als Erkenntnis könnten sie diese Urteile danach gar nicht gewonnen haben, denn Erkenntnis setzt nun einmal voraus, dass ein Wissenschaftlersubjekt sich seinem Gegenstand, dem Objekt seiner Erkenntnis, willentlich widmet. … Sie behaupten, dass die Gedanken über die Sache ganz mit der Sache selbst zusammenfallen. Alles, was jedermann als Gedanken, Urteil, Schluss etc. kennt, erklären sie zum Produkt ihres Erkenntnisgegenstandes, des natürlichen Gehirns. Alle Behauptungen über Neuronenverbindungen haben ihre Ursache, sagen sie, in den Neuronenverbindungen selbst. Nicht der Forscher hat nachgedacht, sondern sein Gehirn hat ihn “denken” lassen. Bei ihnen fallen folglich Natur und Naturerkenntnis zusammen. Allen Ernstes behaupten sie, dass sie eigentlich keine wirkliche Ahnung von ihrer Ahnung haben
    „Hirnforschung“ und Justiz
    Zum von nobbi aufgeworfenen „Problem“ der Stellung von Huisken zur bürgerlichen Justiz folgendes Zitat:
    Sein Kollege Prinz hat sich da etwas anderes ausgedacht. Konfrontiert mit dem Problem, dass die HFer aus ihrer Theorie z.B. die Aufhebung des Rechtssystems fordern müssten, da sie das Vorhandensein eines Bewusstsein von Schuld, also von Recht und Unrecht bestreiten, antwor-tet er: „Wir müssen keineswegs, solange wir die Inkompatibilität der alltagspsychologischen Intuitionen und der wissenschaftlichen Erkenntnis aushalten können(!)” Im Klartext heißt das: ,Was schert es mich, dass mein wissenschaftliches Geschwätz einfach nicht zum norma-len Denken und Tun (= “alltagspsychologische Intuitionen”) passt. Ich halte an ihm fest. Ebenso wie der Rest der Menschheit weiter vom freien Willen und der Schuldfähigkeit eines urteilenden Ichs überzeugt ist und die Staatsgewalt entsprechend verfährt. Diese Inkompatibi-lität halten wir Wissenschaftler lässig aus!‘
    Der Einfall ist grandios. Der Wissenschaftler gibt damit zu verstehen, dass er gar nicht davon ausgeht, seine Erkenntnisse müssten in irgendeiner Weise etwas mit jener Wirklichkeit zu schaffen haben, die sie erklären sollen. Zur “Lösung” des Paradoxons trägt Prinz auf seine Weise damit schon etwas bei. Seine – implizite – Sortierung des Alltags nach unverbindlicher freier Wissenschaft und gültigen Rechtsvorschriften nebst der Einstellung der Menschen auf sie, macht klar, dass die Damen und Herren Hirnphilosophen davon ausgehen, dass ihre Ge-dankengebäude ohnehin nur “eine Sichtweise” von Geist und Gehirn, von Wille und neurona-len Netzen ist, die neben jener Sichtweise ihre Existenzberechtigung hat, die sie gerade zur puren Einbildung erklärt haben. Und da stört es sie wenig, dass die herrschende „Sichtweise“ die per Gewaltmonopol praktizierte Sichtweise der Herrschaft ist.
    Wozu die Behauptung taugt
    Was macht aus diesem Unfug so ein heißes Thema. Ernsthaft glaubt ihn niemand. Der Alltag des Menschen, in dem er sich auf Resultate Naturwissenschaft ebenso verlässt, wie er sich auch als bürgerliches Subjekt von morgens bis abends vor Entscheidungsalternativen gestellt sieht und Zeit seines Lebens mit Umdenken befasst ist, spricht Bände. Nie kommt er im prak-tischen Leben auf die Idee, Verstandesleistungen, die etwa im Wasserkocher stecken, mit dem Hinweis auf ihre ihnen unbewusste (Natur-)Herkunft zu bezweifeln; noch fällt ihm ein, dass er selbst das nicht vermöchte, weil auch der Zweifel als Form von Kritik vielleicht nur als ein reiner Naturvorgang jenseits seines Willens und Bewusstseins abläuft.
    Warum ist also die Auffassung vom Menschen, der Sklave seines Gehirns sei, so “attraktiv”?
    Die Verheißung praktischer Hilfe
    Es erfreuen sich die Thesen der HFer nicht nur bei professionellen Sinnsuchern und Freunden erfundener Menschheitsrätsel, sondern neuerdings auch bei Erziehungswissenschaftlern und Lehrern großer Beliebtheit. Keine pädagogische Zeitschrift hat die Frage, inwieweit die HF Lern- und Lehrprobleme lösen helfen kann, ausgelassen. DIE ZEIT hat eine ganze Artikelfol-ge aufgelegt mit Titeln wie: “Lernen unter der Dopamindusche” oder “Rezepte aus dem Hirn-labor”. G.Roth tourt durch die Lehrerfortbildungsseminare Norddeutschlands. Seine Themen heißen: “Wie funktioniert Lernen?”, “Hirnforschung und Didaktik”, “Warum sind Lehren und Lernen so schwierig?”
    Die Attraktivität der theoretischen Angebote besteht in der Behauptung der HFer, sie wüssten wie Lernen geht und könnten Lehrern bei der Bewältigung der Schwierigkeiten helfen, die sie beim Lehren und welche die Schüler beim Lernen haben. Und Schwierigkeiten haben die Leh-rer: Schüler haben keine Lust zu lernen, zeigen wenig Interesse, sind “undiszipliniert”, schwänzen die Schule und werden gelegentlich gegen Lehrer und Ihresgleichen gewalttätig. Die Diagnose der HF lautet: Alles kein Wunder, wenn das Lehren und Lernen nicht “hirnge-recht” stattfindet, wenn Lehrer sich im Unterricht wenig oder gar nicht an neueren neurobio-logischen Erkenntnissen orientieren. Was allerdings auch kein Wunder sei, da diese den Leh-rern in ihrer Ausbildung bisher vorenthalten würden. Da wird man als gequälter Lehrer, der kurz vor dem burn-out steht, sehr gespannt und wartet auf Aufklärung.

  26. 12. Februar 2008, 14:10 | #26

    von Tofu:
    Vielleicht trägt es diesmal ja wirklich zu einer „Versachlichung“ der Diskussion bei:
    Der Vortrag, den Freerk Huisken jetzt in Berlin gehalten hat, den hatte er früher auch schon gehalten und deshalb auch als mittlerweile dann nochmal überarbeitetes Manuskript auf seiner homepage http://www.fhuisken.de/ als „Loser Text“ unter dem Titel „“Der Mensch ist der Sklave des Gehirns“ behaupten Hirnforscher. — Schon wieder eine Aufforderung an seinem Verstand zu zweifeln, statt ihn zu benutzen“ veröffentlicht. http://www.fhuisken.de/Hirnforschung05.rtf
    Freerk fängt mit 4 Rätseln der Wissenschaft an (wenn es nach Roth geht):
    Fall 1: Menschen erklären sich zu bestimmtem Handeln bereit, treiben dann aber etwas ganz anderes; geben vielleicht auf Nachfrage sogar an, dass sie genau wie gewünscht handeln wür-den.
    Fall 2: Kindern wird irgendein simpler Sachverhalt x-mal erklärt, sie begreifen ihn aber ein-fach nicht, wie am Lernresultat abzulesen ist.
    Fall 3: Menschen handeln gegen jede Vernunft; sie setzen sich z.B. betrunken ans Steuer ihres Autos.
    Fall 4: Da geben Menschen Urteile über ihr Tun ab, die nachweisbar ihr Tun nicht treffen.“
    Um gleich den eigentlich völlig hinreichenden Kommentar zu geben:
    „Natürlich gibt es solche Fälle. Doch was soll an ihnen rätselhaft sein? Man muss nicht einmal zu ausgearbeiteten Theorien greifen, um in jedem dieser Fälle die sie ausmachenden geistigen Operationen, sprich: die Gründe benennen zu können, die Menschen für ihr jeweiliges Verhalten haben.“
    Etwas später etwas ausführlicher:
    Wo herrscht hier ein Erklärungsnotstand? Was ist an diesen Fällen unerklärlich? Finden sich in diesen genannten Fällen irgendwelche Hinweise darauf, dass keine willentliche Betätigung vorliegt, dass die Menschen „Sklaven ihres Gehirns“ sind? Alle vier Fälle fallen unter freie, bewusste willentliche Betätigung: das Ändern einer Meinung ebenso wie die Lüge, das Miss-verständnis genauso wie das (Nicht-)Begreifen, das gewusste Übertreten von Geboten ebenso wie die Einbildung, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Natürlich gibt es in diesen Fällen – wie angedeutet – Hinweise auf Unfreiheit. Doch ist diese Unfreiheit anderer Natur. Mit der Natur des Gehirns hat sie nichts zu tun. Sie ist gesellschaftlicher Art – so etwa, wenn die Schulpflicht den Nachwuchs zum Lernen für Noten zwingt, dabei auf den Willen zum Lernen, auf das Interesse am Lernstoff und auf das für die Aneignung des Unterrichtsinhalts notwen-dige Vorwissen kein Rücksicht nimmt. Auch der Zecher, der trunken Auto fährt, arbeitet sich mit seinem Gewissen an der Vorschrift der Straßenverkehrsordnung ab; und schließlich ist unschwer zu erkennen, dass der geistige Selbstbetrug der Hausfrauen bei der Strumpfwahl eine Sorte geistigen Umgangs mit einem beschränkten Einkommen darstellt, die aus der mate-riellen ökonomischen Not einen ideellen Sieg verfertigen möchte. Vorschriften in Gesetzes-form, ökonomische Beschränkungen und moralische Pflichten erweisen sich wirklich nicht selten als Schranken des willentlichen Handelns. All das belegt nur eines: Der Inhalt des Wil-lens, den der Mensch frei für sich formuliert hat und für den er seine Gründe hat , mit denen er Zwecke verfolgt, für deren Realisierung er sich die dazu passenden Mittel, Instrumente, Verfahrensweisen etc. sucht, stößt in seiner praktischen Betätigung in der Tat allzu oft auf Einsprüche und Hindernisse. Die Unfreiheit der willentlichen Betätigung liegt also nicht in dieser, sondern in den Beschränkungen, die ihr in dieser Gesellschaft widerfahren.
    Das Paradoxon der Behauptung
    Das Paradoxon, das diese Theorie auszeichnet, bestätigt den ersten Befund. Es verhält sich in der Tat so, dass – wie der US-Sprachphilosoph D.Davidson festgestellt hat – die Autoren ihr Wissen gar nicht besitzen könnten, wenn es denn richtig wäre. Man sollte sich einmal vor Augen führen, in welchem Verhältnis das theoretische – aber auch alltägliche – Treiben der genannten HFer zu ihrer Theorie steht. Da halten sie Vorlesungen, schreiben Bücher, korrigieren alte Ansichten, fahren auf Kongresse, streiten mit Kollegen über ihre Theorien, bringen sie den Studenten bei, verkünden deren praktische Bedeutsamkeit etc. Die Frage, wo-her sie eigentlich Kenntnis von den Gesetzmäßigkeiten des Gehirns haben, woher sie ihr – doch wohl von ihnen selbst für zutreffend gehaltenes – Wissen über Neuronenaktivitäten be-ziehen, wenn sie sich doch, folgt man einmal ihrer Theorie, als ein mit Verstand und Vorwis-sen ausgerüstetes, streitbares, um Wahrheit ringendes Forschersubjekt theoretisch aus dem Verkehr gezogen haben. Als Erkenntnis könnten sie diese Urteile danach gar nicht gewonnen haben, denn Erkenntnis setzt nun einmal voraus, dass ein Wissenschaftlersubjekt sich seinem Gegenstand, dem Objekt seiner Erkenntnis, willentlich widmet. … Sie behaupten, dass die Gedanken über die Sache ganz mit der Sache selbst zusammenfallen. Alles, was jedermann als Gedanken, Urteil, Schluss etc. kennt, erklären sie zum Produkt ihres Erkenntnisgegenstandes, des natürlichen Gehirns. Alle Behauptungen über Neuronenverbindungen haben ihre Ursache, sagen sie, in den Neuronenverbindungen selbst. Nicht der Forscher hat nachgedacht, sondern sein Gehirn hat ihn “denken” lassen. Bei ihnen fallen folglich Natur und Naturerkenntnis zusammen. Allen Ernstes behaupten sie, dass sie eigentlich keine wirkliche Ahnung von ihrer Ahnung haben
    „Hirnforschung“ und Justiz
    Zum von nobbi aufgeworfenen „Problem“ der Stellung von Huisken zur bürgerlichen Justiz folgendes Zitat:
    Sein Kollege Prinz hat sich da etwas anderes ausgedacht. Konfrontiert mit dem Problem, dass die HFer aus ihrer Theorie z.B. die Aufhebung des Rechtssystems fordern müssten, da sie das Vorhandensein eines Bewusstsein von Schuld, also von Recht und Unrecht bestreiten, antwor-tet er: „Wir müssen keineswegs, solange wir die Inkompatibilität der alltagspsychologischen Intuitionen und der wissenschaftlichen Erkenntnis aushalten können(!)” Im Klartext heißt das: ,Was schert es mich, dass mein wissenschaftliches Geschwätz einfach nicht zum norma-len Denken und Tun (= “alltagspsychologische Intuitionen”) passt. Ich halte an ihm fest. Ebenso wie der Rest der Menschheit weiter vom freien Willen und der Schuldfähigkeit eines urteilenden Ichs überzeugt ist und die Staatsgewalt entsprechend verfährt. Diese Inkompatibi-lität halten wir Wissenschaftler lässig aus!‘
    Der Einfall ist grandios. Der Wissenschaftler gibt damit zu verstehen, dass er gar nicht davon ausgeht, seine Erkenntnisse müssten in irgendeiner Weise etwas mit jener Wirklichkeit zu schaffen haben, die sie erklären sollen. Zur “Lösung” des Paradoxons trägt Prinz auf seine Weise damit schon etwas bei. Seine – implizite – Sortierung des Alltags nach unverbindlicher freier Wissenschaft und gültigen Rechtsvorschriften nebst der Einstellung der Menschen auf sie, macht klar, dass die Damen und Herren Hirnphilosophen davon ausgehen, dass ihre Ge-dankengebäude ohnehin nur “eine Sichtweise” von Geist und Gehirn, von Wille und neurona-len Netzen ist, die neben jener Sichtweise ihre Existenzberechtigung hat, die sie gerade zur puren Einbildung erklärt haben. Und da stört es sie wenig, dass die herrschende „Sichtweise“ die per Gewaltmonopol praktizierte Sichtweise der Herrschaft ist.
    Wozu die Behauptung taugt
    Was macht aus diesem Unfug so ein heißes Thema. Ernsthaft glaubt ihn niemand. Der Alltag des Menschen, in dem er sich auf Resultate Naturwissenschaft ebenso verlässt, wie er sich auch als bürgerliches Subjekt von morgens bis abends vor Entscheidungsalternativen gestellt sieht und Zeit seines Lebens mit Umdenken befasst ist, spricht Bände. Nie kommt er im prak-tischen Leben auf die Idee, Verstandesleistungen, die etwa im Wasserkocher stecken, mit dem Hinweis auf ihre ihnen unbewusste (Natur-)Herkunft zu bezweifeln; noch fällt ihm ein, dass er selbst das nicht vermöchte, weil auch der Zweifel als Form von Kritik vielleicht nur als ein reiner Naturvorgang jenseits seines Willens und Bewusstseins abläuft.
    Warum ist also die Auffassung vom Menschen, der Sklave seines Gehirns sei, so “attraktiv”?
    Die Verheißung praktischer Hilfe
    Es erfreuen sich die Thesen der HFer nicht nur bei professionellen Sinnsuchern und Freunden erfundener Menschheitsrätsel, sondern neuerdings auch bei Erziehungswissenschaftlern und Lehrern großer Beliebtheit. Keine pädagogische Zeitschrift hat die Frage, inwieweit die HF Lern- und Lehrprobleme lösen helfen kann, ausgelassen. DIE ZEIT hat eine ganze Artikelfol-ge aufgelegt mit Titeln wie: “Lernen unter der Dopamindusche” oder “Rezepte aus dem Hirn-labor”. G.Roth tourt durch die Lehrerfortbildungsseminare Norddeutschlands. Seine Themen heißen: “Wie funktioniert Lernen?”, “Hirnforschung und Didaktik”, “Warum sind Lehren und Lernen so schwierig?”
    Die Attraktivität der theoretischen Angebote besteht in der Behauptung der HFer, sie wüssten wie Lernen geht und könnten Lehrern bei der Bewältigung der Schwierigkeiten helfen, die sie beim Lehren und welche die Schüler beim Lernen haben. Und Schwierigkeiten haben die Leh-rer: Schüler haben keine Lust zu lernen, zeigen wenig Interesse, sind “undiszipliniert”, schwänzen die Schule und werden gelegentlich gegen Lehrer und Ihresgleichen gewalttätig. Die Diagnose der HF lautet: Alles kein Wunder, wenn das Lehren und Lernen nicht “hirnge-recht” stattfindet, wenn Lehrer sich im Unterricht wenig oder gar nicht an neueren neurobio-logischen Erkenntnissen orientieren. Was allerdings auch kein Wunder sei, da diese den Leh-rern in ihrer Ausbildung bisher vorenthalten würden. Da wird man als gequälter Lehrer, der kurz vor dem burn-out steht, sehr gespannt und wartet auf Aufklärung.

Kommentare sind geschlossen