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Ein Dreh weiter in der Spirale des spekulativen Wahnsinns

13. August 2007

Das war eine Zwischenüberschrift zu einem Artikel im Heft 2-06 des GegenStandpunkt, der ausführlich aber zugegebenerweise dem Thema angemessen etwas „schwierig“ auf die Entwicklungen des fiktiven Kapitals eingegangen ist. Mir scheint das auch nach Abklingen der „Heuschrecken“-Debatte angesichts der Volten auf den Kreditmärkten und in der Finanzwelt immer noch das Beste zu sein, was man dazu lesen kann. Ich habe ihn deshalb eingescannt und in meinem Downloadbereich zur Verfügung gestellt.

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  1. Ware
    18. August 2007, 18:58 | #1

    Zur aktuellen Kreditkrise ein interessanter Kommentar aus dem blog von Karl Weiss (Brasilien) hier:

  2. Ware
    18. August 2007, 19:32 | #2
  3. 19. August 2007, 22:09 | #3

    Eine kleine Richtigstellung: Es ist eine ignorante ärgerliche Skandalisiererei wenn man die mehrfachen TAGES-Kreditsummen, die diverse Zentralbanken, vor allem die EZB den Banken zur Verfügung gestellt haben, mit längerfristigen Krediten in einem Topf wirft. Vor allem kann man die nicht einfach zu einer Gesamtkreditsumme zuammenaddieren, damit es eine schönere bedrohlichere Zahl ergibt. Die Tatsache, daß die EZB erst rund 90 MRD € und dann von Tag zu Tag weniger Tagesgeld zur Verfügung gestellt hat, zeigt, daß die gar nicht mal Unrecht hatten, zu behaupten, die Liquiditäts- und Vertrauenskise sei vorbei (für diese Woche jedenfalls). Angesichts des normalen täglichen Interbankengeschäfts in den Hauptfinanzmärkten war so fürchterlich viel an Geldspritze gar nicht nötig, um den Crash zu verhindern. Oder umgekehrt, an ein paar Millarden, die an einem x-bliebigen Vormittag fehlten, jedenfalls einigen wenigen Banken fehlten, hing das Überleben der ganzen Finanzbranche. Sanio, der Bafin-Chef, hat ja schon bei der IKB-Pleite gesagt, daß damit die schlimmste Bankenkrise seit dem Untergang der Danat-Bank 1931 gedroht hätte. Viele Bankenvertreter haben ihm das als erspresserisches Unken Übel genommen, mit dem er sie nur zu schneller Kreditvergabe zur Rettung der IKB weichklopfen wollte. Aber wo er Recht hat, hat er wohl recht gehabt.

  4. Django
    2. Oktober 2007, 17:21 | #4

    Bezüglich des Artikels habe ich eine Verständnisfrage speziell zum Abschnitt „Der Aktionär und sein fiktives Kapital“. Und zwar bin ich etwas in Verlegenheit gekommen, als ich jemanden erklären sollte, wie denn der Wert einer Aktie genau taxiert wird. Da du Neoprene dich in der Materie auskennst, kannst du mir vielleicht weiterhelfen.
    Ich sage einfach mal stichworthaft auf, was ich kapiert zu haben meine, was eine Aktie ist und wie sich ihr Kurs bestimmt. Falls sich dabei schon Fehler eingeschlichen haben, wäre ich erfreut über entsprechende Hinweise:
    Mit dem ursprünglichen Erwerb einer Aktie wird der Grundstock für ein Neu-Unternehmen gelegt. Im Unterschied zur Finanzierung durch eine Bank ist dieser Vorschuss keine Kreditierung – für den Broker ist und bleibt das Geld futsch. Allerdings erwirbt er das Anrecht auf Dividenden und einen Anteil am Eigentum, wobei das Eigentum nur formell ist und sich materiell im Mitspracherecht erschöpft. Das eigentliche Geschäft besteht in der Spekulation auf eine Wertsteigerung. Wie läuft das konkret ab?
    Bietet der Aktieninhaber sein Paket zu einem beliebigen Preis an und der Käufer orientiert dann seine Gegenofferte an den Bilanzen und Gewinnaussichten des Unternehmens und dem bisherigen Kursverlauf dieser Aktie? Bestimmt sich dann der Tageskurs einer Aktie an ihrem durchschnittlichen Kaufpreis und der absoluten Kaufmenge des selben Tages?
    Und worin haben die Gewinnversprechen ihren realen Hintergrund? Im Artikel heißt es in etwa: Der Aktienwert gewichtet den voraussichtlichen Gewinn der AG. Diese Bewertung an der Börse entscheidet über die finanzielle Potenz der AG und bemisst ihre Kreditwürdigkeit. Bei einer günstigen Prognose wird durch Neu-Emissionen von Aktien das Eigenkapital aufgestockt.
    Wenn also eine Aktie höher notiert wird, wird das Unternehmen im Gegenzug höher dotiert und umgekehrt: Die Anleger versprechen sich die Zugabe frischen Kapitals, in Folge durch Neu-Investitionen noch größere Gewinne und im Zuge vermehrter Nachfrage an der Aktie einen weiteren Anstieg des Wertes. Soweit richtig? (Dieses Wechselspiel scheint ja überhaupt der ganze Witz für die Spirale der Kapitalakkumulation zu sein).

  5. 2. Oktober 2007, 18:50 | #5

    Django, schon dein Anfang ist zu korrigieren:

    Mit dem ursprünglichen Erwerb einer Aktie wird der Grundstock für ein Neu-Unternehmen gelegt. Im Unterschied zur Finanzierung durch eine Bank ist dieser Vorschuss keine Kreditierung – für den Broker ist und bleibt das Geld futsch. Allerdings erwirbt er das Anrecht auf Dividenden und einen Anteil am Eigentum, wobei das Eigentum nur formell ist und sich materiell im Mitspracherecht erschöpft.

    Mit dem Verkauf von Aktien, bei einer Neugründung auf neudeutsch IPO genannt (initial public offer = anfängliches öffentliches Angebot (von Aktien)), besorgen sich die Gründer das Eigenkapital, dass sie für ihren Geschäftsbetrieb für nötig erachten. (Wenn die Firma schon existiert und sie einfach nur mehr Kapital braucht, dann gibt sie weitere Aktien heraus. Die alten bisherigen Aktionäre haben dann ein Bezugsrecht, dass Geld wert ist, weil ein Ausgabekurs der neuen Aktien festgelegt wird.) Der Erwerber ist auch kein Broker, sondern ein x-beliebiger Anleger, eine Privatperson, eine Firma, eine Finanzinstitution, eine Bank etc. Broker ist ein Beruf an der Börse, sie haben die Aufgabe, im Auftrag von Kunden Effektengeschäfte auszuführen, wofür sie eine Vermittlungsgebühr – Courtage oder auch Brokerage genannt – erhalten. Zudem erstellen Broker für ihre Kunden Analysen und Berichte zu einzelnen Unternehmen, Branchen und Märkten, um auf deren Basis Empfehlungen zu Wertpapieren anzubieten.
    Es stimmt, dass ein Aktionär keinen Kredit gegeben hat, den er nach festen Regeln, entweder regelmäßig in kleinen Häppchen oder nach einer gewissen Zeit auf einen Schlag, wieder zurückbekommt. Er hat sich an einer Firma beteiligt in der Hoffnung, dass diese Beteiligung zukünftig im Wert steigt und zusätzlich auch noch was abwirft in Form der jährlichen Ausschüttungen = Dividenden.
    Man kann sich streiten, ob des Miteigentum mit einer Aktie nur formell ist, das ist sicherlich regelmäßig bei Kleinaktionären so, auch das Mitspracherecht fängt erst an, von Bedeutung zu sein, wenn man einen ins Gewicht fallenden Anteil an allen Aktien hat. Aber dass man „richtig“ beteiligt ist, zeigt sich bei Liquidationen oder beim Geschlucktwerden von einem Großaktionär, der alleineigentümer werden will, der muß dann schon jedem Hansel seine Aktie abkaufen (in einem recht komplizierten Verfahren).
    Du hast Recht, eine Aktie verkörpert im wesentlichen die Hoffnung auf zukünftige Gewinne und Vermögenssteigerung der Firma, an der man beteiligt ist. Oder ganz abstrakt, nur noch die Hoffnung der Preissteigerung der Aktie selbst, die bei größeren AGs schließlich an irgendeiner Börse gehandelt wird. Wie die Internet-Blase (oder mein schönctes Beispiel, die Tulpenzwiebelspekulation) gezeigt haben, kann es über gewisse Zeit bei gewissen Titeln Kurststeigerungen geben, ohne dass dem irgendwas Reales zugrunde liegt. Es reichen die Hoffnungen der Käufer, dass so ein Zettel morgen zu einem Kusaufschlag weiterverkauft werden kann, und die Typen zahlen schon jetzt mehr als gestern.
    Schon deine Frage „Und worin haben die Gewinnversprechen ihren realen Hintergrund?“ möchte ich als falsch zurückweisen. Versprechen haben überhaupt keinen definierten, festen Hintergrund. Es sind eben einfache Behauptungen, Wunschvorstellungen, Pläne, Hoffnungen. Ob die was werden oder nicht, wird erst die Zukunft zeigen. Manche neue Firma wird nichts, manche Ausweitung einer etablierten Firma auch nichts und umgekehrt. Ob ein Titel „unterbewertet“ ist, wo sein „fairer Wert“ liegt, darüber streiten sich ganze Heerscharen von Auguren, Beratern, Händlern, Kunden, Fachjournalisten usw. Hinterher ist man immer klug. Vorher braucht es „Gefühl“ etc.
    Es ist richtig, dass heutzutage vom Börsenkurs einer Firma enorm viel abhängt. Vor allem ihre Möglichkeiten, sich noch mehr zu verschulden durch Kreditaufnahme und noch mehr Eigenkapital aufzubringen um irgendwelche Ausweitungen des Geschäfts, Übernahmeschlachten etc. zu finanzieren, hängen am eigenen Kurs. Deshalb achten die modernen Firmenchefs auch so akribisch darauf, wie der sich entwickelt und helfen, wenn sie können auch gerne mit Rückkäufen und „Marktpflege“ nach.

  6. Django
    2. Oktober 2007, 20:23 | #6

    Neoprene, schönen Dank für dein genaues Eingehen. Einige Ungereimtheiten sind damit aufgelöst. Zumindest habe ich jetzt eine klare Vorstellung, worin sich ein Broker vom Anleger unterscheidet – er ist eben nur der Vermittler. Kannst du mir noch einen kleinen Einblick darin geben, wie nun der Tageskurs einer Aktie zustande kommt. Hängt das ab vom durchschnittlichen Kaufpreis und der absoluten Kaufmenge an diesem Tag? Und was spielt sich ab an der Börse? Geht das zu wie auf einem Basar, wo die Trödler ihre Waren überhöht anbieten und die Kunden den Preis runterhandeln. Das konkrete Prozedere würde mich interessieren.

  7. 2. Oktober 2007, 20:46 | #7

    Der Aktienmarkt (wie die Anleihen- und Devisenbörsen) kommt dem klassischen Modell der BWL und VWL vom idealen Markt so ungefähr am nächsten: Der jeweilige Tagespreis für irgend so ein Teil regelt sich nach Angebot und Nachfrage. Mal gibt es mehr Leute die teuer verkaufen wollen, mal ist es andersrum. Was die jeweiligen Anbieter und Nachfrage bewegt, wissen nur die Götter. Das können „Fakten“ sein, Gerüchte weitverbreitete Hoffnungen, genauso verbreitete Befürchtungen, irgendein Preis kommt eben zustande. Was heißt da schon „überhöht“? Was ist der „richtige“ Preis für eine Semper Augustus-Zwiebel gewesen in 1625 oder 1632? Nicht umsonst gibt es an der Börse den echten Beruf des Kaffeesatzlesers in neumodischen Gewand: Jetzt heißen solche Typen Chartisten, weil sie sich einfach die zurückliegende Kursentwicklung von einem Papier ausdrucken und dann ewig über den zickzacks brüten, ob sie da irgenwelche Regelmäßigkeiten „herauslesen“ können, die sie in die Lage versetzt, den zukünftigen Kurs besser vorhersagen zu können als alle anderen, die sich das ja auch fragen. Da werden dann Geraden rangelegt, Umkehrpunkte „entdeckt“, eben richtig Kaffeesatz gelesen. Wenn man Glück hat, darf man sogar umsatzfördernd kurz vor der Tagesschau ernst als Fachmann in die Kamera schauen (immer auf korrekten Sitz der Krawatte achten, das strahlt Solidität aus!) und irgendeine Binsenweisheit oder irgendeinen Stuß erzählen, ist eh wurscht.

  8. Django
    2. Oktober 2007, 23:30 | #8

    @ Neoprene
    Fürs erste reicht mir das. Trotz aller Erklärungen bleibt diese Finanzsphäre für unsereins nicht nur eine verschlossene, sondern auch eine fremde Welt. Erst findet man einen Warenmarkt vor mit dem Wettbewerb um die niedrigsten Preise, gefolgt von einen Arbeitsmarkt mit dem Streit um die geringsten Löhne. Daran an schließt sich der Aktienmarkt mit dem Pokern um die größten Gewinnchancen. Und als ob das nicht genug wäre, setzt sich darauf noch ein neuer Markt, dessen einziges Geschäft darin zu bestehen scheint, das Realkapital ihrer Geldanlagen gesundzuschrumpfen – nicht mehr für höhere Renditen, sondern allein, um es schnellstmöglich abstoßen und höchstbietend zu verflüssigen. Wohin führt dieser Tanz ums goldene Kalb? Aller Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Stress! Zum verrückt werden, das ganze Affentheater!

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