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Was ist am G8-Gipfel zu kritisieren?

21. Mai 2007

Anfang Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G 8 in Heiligendamm. Es ist für niemanden ein Geheimnis, dass es sich dabei um die Repräsentanten der mächtigsten und wirtschaftlich stärksten Staaten handelt, deren weltweites Wirken etliches an Verelendung und Schäden anrichtet. Mit gutem Grund mobilisieren daher verschiedene Organisationen zum Protest.
Unter den vielen Aufrufen finden sich Vorwürfe wie die folgenden:
„Die GipfelteilnehmerInnen repräsentieren die acht mächtigsten Staaten der Welt, die daran teilhaben, die globalen Probleme erst zu produzieren, für die sie dann vermeintliche Lösungen beschließen. Sie sprechen von ‚Global Gover-nance‘ und ‚humanitärer Intervention‘, ‚Stärkung der Zivilgesellschaft‘ und ‚friedensbildenden Maßnahmen‘, doch in Wirklichkeit nutzen sie gnadenlos das Recht der Stärksten, um eine Weltordnung zu schaffen, die ihrem Machterhalt und kapitalistischen Profitinteressen dient.“ (G 8 blockieren, Kriege verhindern! Aufruf zum Aktionstag am 5.6.2007 in Rostock-Laage.)
Wer seine Kritik an den G 8 so anfängt, rechnet mit den Mächtigen ab. Wer so argumentiert, ist mit ihnen fertig und erteilt ihnen eine Absage, weil ihm klar ist, dass das, was die G 8 alles anrichten, kein „kurzsichtiges Handeln“, keine Pannen, keine Versehen sind, sondern Resultate ihrer Politik und des Wirtschaftssystems, das sie weltweit durchgesetzt haben.
Dann verbietet sich aber jede Forderung, jeder Antrag an die G 8, sie sollten ihre Politik ändern. Dann ist jede Alternative fehl am Platze, die diesen 8 Staaten die Zuständigkeit für die Besserung der Welt zuspricht. Zu einer solchen Einsicht passen keine Verbesserungsvorschläge mehr, sondern dann folgen daraus andere Fragen:
Woher haben die G 8 ihre Macht und wer kann was gegen diese Macht tun?
Leider setzen die meisten Aufrufe die Aufzählung dessen, was die G 8 anrichten, fort mit der Anklage:
„Die ‚Gruppe der 8‘ (G8) ist eine Institution ohne Legitimation. Dennoch trifft sie als selbsternannte informelle Weltregierung Entscheidungen, die die gesamte Menschheit betreffen.“ (Aufruf zur Internationalen Großdemonstration am 2.6.2007.) „Die Regierungschefs von nur acht Staaten maßen sich an, über die ganze Welt zu bestimmen.“ (Aufruf von Attac Deutschland zu den Aktionen gegen den G8-Gipfel 2007.)
Damit ist man weg von der Frage, warum diese Staaten die allgemein bekannte Spur von Ausbeutung, Elend, Seuchen, Flüchtlingsströmen usw. hinterlassen. Statt der Frage nach der Quelle der Macht der Gruppe der 8 wirft man die Frage auf: Dürfen die das? Wer hat sie dazu legitimiert? Als ob denjenigen, die unter den Schädigungen leiden, mit der Frage nach dem Dürfen geholfen wäre! Konsequent fordert man dann die Einbeziehung der ausgeschlossenen Mehrheit der Staaten und fragt sich noch nicht einmal, ob diese Staatenmehrheit überhaupt das Interesse hat, an der herrschenden Weltwirtschafsordnung Grundlegendes zu ändern, so dass dann Elend, Krieg, Vertreibung und Raubbau an Mensch und Natur aufhören würden. Und schon gelangt man über den Vorwurf, die G 8 handelten „verantwortungslos“, ganz konstruktiv dazu, sie an „ihre Verantwortung“ zu erinnern: Ausgerechnet die Staaten, die das ganze aufgezählte Desaster angerichtet haben, sollen in sich gehen, ihr Verhalten ändern, endlich ihre „Verantwortung“ übernehmen: Man entdeckt ausgerechnet in der Macht der Mächtigen, die man gerade noch als Ursache allen Elends beklagt hat, das Mittel zur Besserung der Welt.
Damit schlägt die ganze Kritik und der Protest um: Von der Anklage, was sie alles anrichten, zum Appell an die Einsicht der G 8, ihre Macht nicht mehr zum Schaden, sondern zum Nutzen der Menschheit zu gebrauchen.
Man tut also gut daran, Fragen wie:
-Warum zieht die Weltwirtschaftsordnung, die die G 8 repräsentieren, Kriege, Elend, Seuchen, „Natur“-Katastrophen usw. nach sich?
-Woher haben die G 8 ihre Macht?
-Wer kann was gegen diese Macht tun?
nicht in einen Topf zu werfen mit solchen Fragen:
-Sind die G 8 ausreichend legitimiert?
-Verdankt sich ihre Politik einer „neoliberalen“ Verblendung, so dass mit etwas „Sinnesänderung und öffentlichem Druck“ alles auch anders ginge?
-Sind sie kurzsichtig und verantwortungslos?
(aus dem Einladungstext des GegenStandpunkts für die Veranstaltung zum G-8-Gipfel in Stuttgart und Tübingen am 22. und 24. Mai)

Kategorien(1) MG + GSP, (3) Fundstellen Tags:
  1. Ware
    21. Mai 2007, 16:38 | #1

    Die Fehler der G8-Kritiker beginnen bereits mit dem ersten Zitat. Da steht zunächst:
    Die GipfelteilnehmerInnen repräsentieren die acht mächtigsten Staaten der Welt, die daran teilhaben, die globalen Probleme erst zu produzieren, für die sie dann vermeintliche Lösungen beschließen
    Die machen den G8-Staaten doch glatt zum Vorwurf dass diese eine schlechte Politik machen. Dass diese Staaten „globale Probleme produzieren“. Dass die dafür zur Verantwortung gezogen werden müssen dass sie „globale Probleme“ produzieren, dass ist also bereits ein Vorwurf, den sie den führenden G8-Staaten anlasten, bevor auch noch irgendein „globales Problem“ von ihnen kritisch erörtert wurde. Die führenden G8-Staaten haben ihre Führungsaufgaben, die sie in ihrer globalen Führungsrolle wahrnehmen müssen, nicht gut genug erledigt. Nicht nur das, sie produzieren auch noch diese „globalen Probleme“, die zweifelsfrei gelöst werden müssen. Die G8-Herren haben in ihrer Führungsrolle versagt. Dieser Vorwurf schlechten Führungsmanagements der führenden G8-Staaten kommt schon mit dem ersten Satz der „Kampfansage“ dieser G8-Kritiker an die G8 als Ergebnis schon raus.
    Dann weiter:
    Sie sprechen von ‚Global Gover-nance‘ und ‚humanitärer Intervention‘, ‚Stärkung der Zivilgesellschaft‘ und ‚friedensbildenden Maßnahmen‘, doch in Wirklichkeit nutzen sie gnadenlos das Recht der Stärksten, um eine Weltordnung zu schaffen, die ihrem Machterhalt und kapitalistischen Profitinteressen dient.
    Eigentlich müssten diese Führungspersönlichkeiten sich also um die Stärkung der Bürgerrechte, den Frieden, die Dritte Welt, die kosmopolitische Gestaltung der Globalisierung kümmern. Diese Versprechen der G8-Staaten müssen ernst genommen werden. Schließlich sind sie die Führungsnationen, auf die es hinsichtlich einer humanen und gerechten Gestaltung der internationalen Staatenwelt ankommen soll. Enttäuscht zeigen sich diese G8-Kritiker darüber dass die G8-Staaten stattdessen ihre eigentliche Führungsaufgabe nicht realisieren wollen. Stattdessen missbrauchen sie ihre politische Führungsrolle gegenüber schwächere Staaten um ihre eigene Machtposition und egoistischen Profitinteressen zu sichern. Den Grund dafür, dass sich die führenden G8-Staaten so „entscheiden“, haben diese G8-Kritiker schon ausgemacht: Ein unbestimmbares Machtstreben der Staaten soll es sein, dass mit ihren eigentlichen Führungsaufgaben in der internationalen Staatenkonkurrenz nicht zu vereinbaren ist.
    Statt dass die G8-Kritiker ihren Verstand darauf verwenden von ihrer Machtpolitik auf die Konsitution der G8-Staaten, und davon dann auf ihre wirklichen Zwecke in der internationalen Staatenkonkurrenz zu schließen, blamieren sich die G8-Kritiker mit ihren heeren Ideal einer guten Herrschaft. Höchste Zeit, dass das anders wird.

  2. Ware
    23. Mai 2007, 13:44 | #2

    Kein Kommentar zum Text? Offenbar besteht kein Diskussionsbedarf. So ist das mit Agitateuren. Wissen ist bloß das Mitel zum agitieren.

  3. Neoprene
    23. Mai 2007, 15:40 | #3

    Nur ein kleiner Kommentar: Nein, blamieren tun sich die G8-Kritiker mit ihren heeren Idealen leider nicht. Bei wem denn? Bei ihresgleichen sicher nicht. Die bestätigen sich den Anspruch auf gute Herrschaft doch wechselseitig. Und daß sie bei den handvoll Kritikern ihrer Sorte Kritik auf Ablehnung und Widerlegungstoßen, juckt die ja auch nicht. Bei Deckers Vortrag in Nürnberg am 10.05. saßen sicherlich nicht nur alte MGler rum, um dessen Darlegungen, worum es den G8-Mächten wirklich geht, und worum es besser deren Kritikerne gehen sollte, zuzuhören. Aber die – nehmen wir mal an attacis oder SAVler – die da auch mit im Saal saßen, sind ungerührt, jedenfalls wortlos wieder gegangen zu ihren Vorbereitungstreffs oder was auch immer die jetzt so machen.

  4. Ware
    23. Mai 2007, 17:33 | #4

    Attacis & co. blamieren sich auf jeden Fall gegenüber den Regierungen der G8, die sie dazu auffordern „globale Probleme“, wie Krieg und Hunger, durch „friedensbildende Maßnahmen“ und „Schuldenerlass“ zu lösen. Sie apellieren an das Herrschaftspersonal der G8 ihre Führungsrolle gegenüber der internationalen Gemeinschaft verantwortungsbewußt einzulösen. Es ist anzunehmen dass die von den G8-Kritikern auserkorenen zuständigen Führungspersönlichkeiten für „Wohlstand“ und „Frieden“ sich kaputt lachen gegenüber so viel Dummheit und Ignoranz der demonstrierenden „Globalisierungsritiker“. Solche Einladungen nehmen unsere Führungspersönlichkeiten dankend an. Sie demonstrieren in aller Öffentlichkeit dass sie es mit ihrer „Verantwortung“ gegenüber der Welt ernst nehmen. So kommt es dass die Gastgeberin der G8 die Gelegenheit beim Schopfe packt und öffentlich Verantwortungsbewußtsein demonstrieren wird. Sie lädt eine andere
    „Führungspersönlichkeit“ aus dem „show-bizz“, Bono von den U2, mit Plauderstündchen die Probleme der Welt zu diskutieren. Und das beherrschte Volk soll anschließend mit gemeinsamen singen und lachen dieses Zirkusspiel mit Enthusiasmus begleiten. Ich würde ja selbst lachen, wenn bei mir das Lachen nicht schon längst abhanden gekommen wäre.

  5. Neoprene
    23. Mai 2007, 18:57 | #5

    Der Vorwurf „Blamage“ trifft schon deshalb nicht wirklich, weil die ja ernsthaft appellieren. Das ist doch in der Tat „ihre“ Regierung, oder zumindest ihr Staat. Deshalb stimmt es auch nicht, daß die Führungspersönlichkeiten sich kaputt lachen, weil die Demonstranten dumm oder ignorant wären. Denn die wissen deren grundlegende Anhänglichkeit ja nicht nur prinzipiell, sondern durchaus auch im Konkreten zu schätzen. Es gibt da doch ein ganz schön breites Kontinuum von den aktuellen Regierungschefs über das alternative offizielle Führungspersonal über die staatstragenden non government organisations bis hin zu „G8-Gipfel-Gegnern“. Denn die paar wirklichen Systemkritiker, die da rein intervenieren, kann man ja an überschaubar wenigen Händen abzählen.

  6. Ware
    23. Mai 2007, 21:03 | #6

    „Der Vorwurf “Blamage” trifft schon deshalb nicht wirklich, weil die ja ernsthaft appellieren. Das ist doch in der Tat “ihre” Regierung, oder zumindest ihr Staat.“
    Gerade deswegen, weil das ja ein von den G8-Gegner provozierter Kommunikationsprozeß zwischen G8 und G8-Gegner sein soll trifft der Ausdruck „Blamage“ die attacis & co. sehr wohl. Blamiert werden sie ja am INHALT ihrer Kritik, das ist der Streitpunkt. Ob die sich „schämen sollen“ interessiert hier nicht, weil keine Ehrenstandpunkt von mir verteidigt wird.
    „Es gibt da doch ein ganz schön breites Kontinuum von den aktuellen Regierungschefs über das alternative offizielle Führungspersonal über die staatstragenden non government organisations bis hin zu “G8-Gipfel-Gegnern”. Denn die paar wirklichen Systemkritiker, die da rein intervenieren, kann man ja an überschaubar wenigen Händen abzählen.“
    Na ja, auch das falsche Bewusstsein der Regierenden hat seine Tücken. Ich denke die glauben wirklich dass der „Fortschritt“ der Nation, ihrer Klassen, mit dem Fortschritt der Entwicklung der staatlich-ökonomischen Machtmittel zusammenfällt. Insofern nehmen die den Protest ernst. Aber dass die nicht wissen dass die internationale Staatenkonkurrenz überall Schäden anrichtet, dass das der Grund dafür ist, nehme ich ihnen nicht ab. Im innern betreuen sie ihren Klassenkonflikt und deswegen wissen sie wie viel Armut produziert wird. Das die Protestierenden zum Staat hinlaufen damit der endlich die Armut bekämpft hat deswegen etwas Tragikkomisches. Der Staat sagt ja nicht wir wollen euch arm sehen. Der sagt das ist notwendige, bzw. nützliche Armut. Na wenn das so ist bringt es nichts beim Staat zu protestieren. Dass weiß der Staat auch.
    Wie beim Staat, ähnlich mit den Kapitalisten. Die denken ebenfalls in der Masse dass das Wohl des Standorts mit dem „Wohl der Menschen“ identisch ist. Bei denen reguliert letzten Endes die „unsichtbare Hand“ des Marktes die partikularen Interessengegensätze zum bestmöglichen wohl aller Individuen. Das bedeutet jedoch nicht dass die nicht wissen das da laufend Interessengegensätze am Laufen sind. Zwischen ihnen und ihren Arbeitnehmern. Dass die in Tarifverhandlungen um jeden Prozentpunkt Lohn streiten.

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