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Pest und/oder/versus Cholera

14. November 2006

pro_kommunismus hat im kf seine Einschätzung nochmals zusammengefaßt:

Das was so ein Demo praktisch darstellt ist die Ausgrenzung einer antidemokratischen Meinung und geht in keiner Weise darüber hinaus – und lässt die Gesellschaft ungeschoren, die dauernd Faschisten hervorbringt. Deswegen waren ja auch so viele Bürger da, die zu kommunistischen Aufmärschen nie kommen würden.
Machen wir und doch nichts vor: Wer in der Demokratie zusammen mit (sogar regierenden) Demokraten gegen Faschismus demonstriert der kann unmöglich beide gleichermaßen unerträglich finden. Sondern der sortiert. Meinetwegen findet er an der (real existierenden) Demokratie auch nicht alles gut, aber Faschismus wäre ihm allemal die schlechtere Herrschaftsform. Der Haken an dieser Sortierung ist 1. dass die Pest die Pest bleibt, auch wenn die Cholera schlimmer sein sollte und 2. dass die Faschisten keine Macht haben, der demokratische Staat aber sehr wohl und dementsprechend für all das verantwortlich ist, was (zumindest mich) stört: notwendige Armut im Überfluss, Kriege, Moral etc..
Ich jedenfalls habe schon mit der Kritik der herrschenden Verhältnisse viel zu tun – auch noch den paar radikalen Hanseln hinterherzulaufen, die den Laden hier nicht für eine Zumutung halten, sondern alle seine Zwecke teilen, aber die Politik, die das durchsetzt, für zu „lasch“ zu halten, das ist mir eine echte Zeitverschwendung. Nochmal: wenn ich Faschismus schon mit Demokratie vergleiche, dann ist die Demokratie das größere Übel, weil sie nicht bloß eine Meinung sondern praktisches Übel ist.
In diesen üblen Verhältnissen eine Demo nicht gegen sie sondern gegen eine alternative Praktizierung des Gleichen (das ist der Dreh- und Angelpunkt: ich meine, dass viele Antifas bestreiten würden, dass der Zweck von Demokratie und Faschismus der Gleiche ist – weil sie Demokratie nicht für eine kapitalistische Herrschaftsform halten sondern für einen Wert) zu veranstalten ist eine praktizierte Affirmation.
Das Motto der Demo „Keinen Meter“ heißt ja wohl, „hier lassen wir keine Faschisten rein, hier geben wir ihnen keinen Raum“ und das unterstellt allemal einen gemeinsamen positiven Bezug aller Demonstranten auf das „hier„. Wer sich als Teil einer demonstrierenden Masse hinter dieses Motto stellt, der übt praktische Parteinahme für die bestehenden Verhältnisse (selbst wenn er im Grunde seines Herzens Kapitalismus scheiße fände). Wenn die Demo das Motto gehabt hätte „Gegen Demokratie und ihre faschistischen Alternativen“, dann wäre das zwar ein korrektes Motto aber auch ein ziemlich sinnloses, denn mit der Abschaffung der Demokratie wären auch die Faschisten erledigt und der Aufmarsch der NPD wäre wohl kaum der geeignete Anlass, ausgerechnet dann die herrschenden Demokraten ins Visier zu nehmen. Denn die hat man ja 24h am Tag am Hacken, die machen quasi einen Daueraufmarsch.
Dass die Antifas, die Schulter an Schulter mit dem Innensenator und Bremer Bürgern marschiert sind, jeden Tag eine richtige Kritik an denen raushauen würden und sich dann trotzdem bei denen einreihen, das ist eine Gerücht. Kennst du die Szene so schlecht, dass du dir sowas vormachen kannst? Für die meisten Antifas ist ihr Name: „Anti-Fa“ auch ihr wesentliches Programm. Guck dir doch mal Seiten von Antifas im Internet an, wenn du schon empirische Sozialforschung betreiben willst.
Zum sog. „revolutionären Antifaschismus“ (ich sage „sog.“, weil revolutionär nur ein Anti-Kapitalismus wäre, bei dem dann natürlich auch zu fragen wäre, wie denn das „Anti“ begründet ist – aber das nur am Rande):
Ich weiß sehr wohl , dass es auch Leute in antifaschistischen Gruppen gibt, die den Kapitalismus abschaffen wollen. Dass sie mit dem Aufmarschieren auf solchen Demos praktisch das Gegenteil tun, ist dann aber deren widersprüchliches Verhalten, nicht meines. Da ich diese „revolutionären“ Antifas aber nicht für Deppen halte, die einfach einen Widerspruch nach dem anderen begehen wollen, denke ich, dass sie sich über den Zusammenhang von Demokratie und Faschismus ein falsches Urteil gebildet haben. Von daher wäre es gut, mit solchen Leuten oder Gruppen in Diskussion genau darüber zu kommen. In München läuft gerade so ein Projekt an, das kann ich lokalen Antifas nur empfehlen: http://faschismusanalyse.blogsport.de

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