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„Gewalt ist Scheiße!“ Oder?

18. August 2006

Gerade wieder bei der Kommentierung und Stellungnahme des GSP zu Israel/Nahost fällt mir auf, daß die Argumentation hart an der Grenze zum Pazifismus argumentiert: Es sei doch ein offensichtlich abzulehnender Schaden für die Leute, wenn die in Kriegen verheizt würden, die ihnen ihre Staaten (oder im Fall von Hisbollah jetzt, Staatsaspiranten) aufnötigen bzw. sie dafür erfolgreich motivieren können (gerade im jetzigen Krieg Israels gegen die Hisbollah können sich wohl beide Seiten fast 100 %ig auf ihre jeweiligen Mannschaften verlassen, bei der Hisbollah liegt das auf der Hand, daß die da nur relativ wenig Druck und Zwang ausüben können, in Israel steht zwar sogar ein ganzer Staatsapparat hinter diesem Krieg aber eben auch fast die gesamte Bevölkerung, selbst die Peace-Now-Leute sind ja reihenweise bellizistisch aufgetreten)
Daß Kriege Opfer kosten wie sonst nichts auf der Welt, ist eine Binsenweisheit, das weiß auch jeder, der da mehr oder weniger freiwillig überzeugt mitmacht. Beim GSP klingt nun an, daß es überhaupt keine vernünftigen Gründe gibt, so was überhaupt je mitzumachen und zu unterstützen. Bei der letzten RadioX-Sendung lief das auf ein „Gewalt ist doch Scheiße!“ heraus (nicht wörtlich zitiert). Das ist nun zwar grundsätzlich schon richtig, hilft aber buchstäblich nicht weiter: Wenn man seine Interessen korrekt bestimmt hat und sich darauf festlegt, davon weder grundsätzlich noch zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret ablassen zu wollen, weil man es auch nicht „kann“, dann bleibt regelmäßig doch nicht aus, den gegnerischen Willen zu brechen. Jonas Köper hat am Beispiel Gewerkschaften in seinem jetzt veröffentlichten VW-Vortrag aus dem letzten Jahr hierzu die passende Formulierung gewählt, daß eine (ich würde sagen klassenbewußte) Gewerkschaft auch schon mal mit der „Brechstange“ vorgehen muß, auch gegen Streikbrecher. Recht hat er.
Es kommt also eigentlich gar nicht auf das Opfer an, daß fällt bei manchem Streikendem höher aus als bei dem elendesten Kollegen, der sich billig verkauft hat (in den z.B. USA sitzen reihenweise Gewerkschafter zum Teil lebenslänglich im Knast, weil man Ihnen zu „Recht“ oder Unrecht, Gewalttaten bei Streiks angehängt hat). Es kommt doch in erster Linie auf die Ziele an, für die man bereit ist, wenn es denn nicht anders geht, auch massive Schäden in Kauf zu nehmen. Ein Gewerkschafter, der ein Plakat trägt „Picket Lines mean: don’t cross!“ (In Deutschland ist so was natürlich nicht erlaubt und deshalb macht es auch keiner, traurig aber wahr), der muß eben notfalls einem Streikbrecherbus auch schon mal die Scheibe einschlagen können, wenn das überzeugend rüber kommen soll (Ich empfehle hierzu einen schon in die Jahre gekommen Film über einen Streik in den USA: „Harlan County“ von Barbara Kopple (http://www.imdb.com/title/tt0074605/).
Das geht natürlich auch noch eine Nummer größer: Wenn es Arbeiter in einem Land geschafft haben, die Macht des kapitalistischen Staats zu zerschlagen und selber die Macht ausüben zu können (ich will jetzt gar nicht den Begriff des „Arbeiterstaates“ einbringen,) wenn sie also einen bewaffneten Haufen von Männern (und Frauen) gebildet haben, der sich zum Zweck gesetzt hat, eine bestimmte Eigentumsform, nämlich die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, mit Biegen und Brechen zu verteidigen (um denn doch Lenins Staatsdefintition hinzuzuziehen), dann ist so sicher wie das Amen in der Kirche, daß die verbliebenen kapitalistischen Staaten, vor allem die bestimmenden imperialistischen Staaten, da nicht ruhig zusehen, wie diese Arbeiter eine Planwirtschaft aufbauen und weltweit auch noch dafür Propaganda machen, es anderswo auch so zu versuchen und solche Kämpfe auch noch handfest unterstützen. Dann gibt es regelmäßig Krieg oder zumindest vorkriegerische Auseinandersetzungen. Das ist ja sogar schon Bewegungen und Staaten so passiert, bei denen man dieses Ziel, genauer besehen, noch nicht mal finden konnte, wie Kuba oder Vietnam.
Wer in einer solchen Situation mit „Staat ist Scheiße, Krieg ist Scheiße“ gegen die Verteidigung des erkämpften Status Quo auftritt und die Arbeiter mit dem Argument vom Kampf abhalten will: Mensch denkt doch mal an die Schäden, die ihr euch da einhandeln könnt, allein in der ersten Schlacht werdet ihr reihenweise ins Gras beißen!“ der ist einfach nur konterrevolutionär.
(Die naheliegende Frage, ob die Staaten des „Realen Sozialismus“, so wie sie in den letzten Jahren/Jahrzehnten rumgelaufen sind, immer noch solch revolutionären Opfermut als vernünftig abrufen durften, bzw. ob deren Staatbürger gut daran getan haben, den Abrufen zumeist freiwillig Folge zu leisten, steht auf einem anderen Blatt)

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