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Warum Kommunismus? — Kritik eines Textes für einen Philosophie-Schulkursus

18. Mai 2006

Ein exemplarischer Dialog zum Thema, bei contradictio geführt:

steinblum
„Allein aus der Festellung, dass der Kapitalismus die Arbeiterschaft systematisch und notwendigerweise schädigt, folgt doch noch nicht direkt die Überzeugung, man müsse ’nen gescheiten Kommunismus aufbauen.“ Nein, aber es folgt daraus die Überzeugung den Kapitalismus abzuschaffen. Davor ist es einfach müßig über Alternativen zu reden. Wer am Kapitalismus nichts kritikables entdeckt, der wird auch immer kapititalistische Maßstäbe an die Alternativen anlegen, die du ihm bietest und da kannst du nur verlieren, weil der Kommunismus diesen eben nicht gehorcht.
„Die (überzeugung Kommunismus) stellt sich doch erst ein, wenn ich zusätzlich die Idee im Kopf hab, dass in einer kommunistischen Gesellschaft meine Interessen und die meiner Mitmenschen irgendwie besser wegkommen würden!“ Nein umgekehrt. Erst wenn ich begründet den Kapitalismus ablehne, suche ich nach einer Alternative dazu und denke mir aus, wie diese Alternative aussehen könnte. Dass die Leute dort besser wegkommen, ergibt sich schon aus der Kritik. Man läßt eben schon mal alles sein, was im Kapitalimus den Leuten das Leben vermiest. Damit ist zwar noch nicht alles gesagt, aber es ist auch nicht nichts gesagt. Jedenfalls bringt es überhaupt nichts Leuten, die den Kapitalismus nicht kritikabel finden, eine Alternative aufzuzeigen, die sie gar nicht wollen. Erst wenn du mit ihnen einig in der Kritik der hiesigen Zustände bist, kannst du dir Gedanken machen, wie ein Kommunismus aussehen könnte und selbst dann ist es purer Luxus, wenn man nicht gerade kurz vor einer Revolution steht.
Das Problem ist immer das selbe. Den Leuten, den du von der prima Alternative Kommunismus erzählst, die legen an deine Utopie kapitalistische Maßstäbe an und beweisen dir, dass der Kommunismus nicht funktioniert. Das heißt sie beweisen dir, dass er nicht kapitalistisch funktioniert. Das ist für sie das selbe, weil sie die bürgerlichen Kategorien, in denen sie denken für quasi natürliche halten. Da kommen dann mit 99%iger Wahrscheinlichkeit dann z.B. Einwände, die bezweifeln, dass ohne Eigentum die Leute alle faul im Sessel rumliegen und nicht arbeiten wollen, weil sie ja eh versorgt werden und nichts davon haben. Deshalb ist erstmal Ideologiekritik angesagt. Die leistest du aber nicht, wenn du Alternativen anbietest.
Deshalb musst du erstmal ihr Denken angreifen. In deinem Fall geht das, indem du z.B. die Wahrheit über den Kapitalismus erzählst. Das hast du am Anfang ja schon so gemacht, wo du betonst, dass die Schicksalsschläge, die der Kapitalismus seinen Insassen zufügt, das eben nicht sind und auch keine Fehler, Katastrophen, Fehlentwicklungen, die nicht sein müssten, sondern dass sie systemimmanent sind.
eis
Die Einwände, inklusive der Forderung nach Formulierung einer Alternative, kommen ohnehin, ganz unabhängig davon, ob ich allein Kritik am Kapitalismus leiste oder nicht.
Steinblum:
„Die Einwände, inklusive der Forderung nach Formulierung einer Alternative, kommen ohnehin, ganz unabhängig davon, ob ich allein Kritik am Kapitalismus leiste oder nicht.“
Eben. Deshalb musst du nicht auch noch selbst drauf eingehen. Es ist gar nicht nützlich, wenn du diesen Einwänden zuvorkommst, weil da ein Gegenstandswechsel vorgenommen wird, der nicht in deinem, sondern in deren Interesse geschieht. Du willst eigentlich über die immanent schädliche Konstruktion des Kapitalismus reden und das Publikum will von dir, dass du eine unschädliche Alternative zum Kapitalismus lieferst. Der Kommunsmus ist aber keine Alternative zum Kapitalismus, weil er nicht den gleichen Zweck hat. Wer aber eine Alternative verlangt, unterstellt den gleichen Zweck und trägt an dich die Forderung heran, der Kommunismus müsste den selben Kriterien gehorchen, wenn er Berechtigung haben soll. Gehorcht er den kapitalistischen Maßstäben nicht, hat er keine Berechtigung.
Du wolltest eine Kapitalismuskritik loswerden. Mit der Frage der Alternative wird die Kritikdebatte aber umgebogen in ein Tribunal gegen den Kommunimus. So erreichst du genau das Gegenteil von dem, was du wolltest. Statt ihre Ideologie zu kritisieren, haben sie ihr Denken nur bestätigt bekommen. Du entkräftest ihre Bedenken gar nicht, wenn du anfängst über den Kommunimus zu reden, und ihnen versicherst man müsste weniger Arbeiten und überhaupt sei alles viel rationeller organisiert. Sie sind nämlich gar nicht davon überzeugt, dass der Kapitalismus scheiße ist. Sie sagen doch gar nicht „Stimmt! So wie du mir das jetzt erklärt hast, führt kein Weg an der Abschaffung des Kapitalismus vorbei.“ Stattdessen wollen sie von dir eine Alternative haben. Übersetzt heißt das soviel wie: „Beweis mir erstmal, dass der Kommunismus ein besserer Kapitalismus ist.“
Statt einer Kritk deiner Ansichten, will die scheinbare Zustimmung und die Frage nach der Alternative, dass du dich an ihren Kriterien argumentativ abarbeitest. Dieses Ansinnen musst du zurückweisen. Sobald du darauf eingehst, hast du verloren. Fordere stattdessen dazu auf deine Ansichten über den Kapitalismus sachlich zu kritisieren. Streite dich über ihr Bild der Gesellschaft, in der sie leben. Bleib beim Kapitalismus, dann kannst ein Umdenken erreichen.

Kategorien(3) Fundstellen Tags:
  1. blockomat
    21. Mai 2006, 11:09 | #1

    der Kapitalismus ist das irrationale im Kommunismus.
    Das irrationale im Kommunismus ist der Kapitalismus.
    ……ist eine verkürzte Kapitalismuskritik nicht auch sowas wie der Antisemitismus des kleinen Mannes?

  2. Administrator
    21. Mai 2006, 12:24 | #2

    Ich bin ja ansonsten ein großer Freund von Aphorismen. Nun kann ich deinen Einzeilern aber nicht entnehmen, was du damit kritisiert haben willst, wenn es denn nicht nur einfache Feststellungen und Klagen gewesen sein sollen.

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