GSP 1-13: „Zur Broschüre des Ums-Ganze-Bündnisses“
Vor drei Jahren, als das „…ums Ganze!“-Bündnis eine Broschüre mit dem Titel „Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit“ – Zur Kritik des kapitalistischen Normalvollzugs“ herausgebracht hat, habe ich das flugs eingescannt (damals hatten die das noch nicht selber online gestellt) in der Hoffnung, das vielleicht diesmal eine linke Diskussion über das angesprochene zentrale Thema für alle Linken, die dieses System abschaffen wollen, angestoßen wird. Soweit ich das richtig sehen, ist daraus aber nicht nur auf meinem Blog nicht viel geworden. Nun gibt es einen neuen Anschieber:
In der gerade erschienenen Ausgabe 1-13 der Zeitschrift GegenStandpunkt ist zu dieser Broschüre eine ausführliche Kritik erschienen, deren Einführung mir schon mal gut gefallen hat (nicht umsonst habe ich ja Ausführungen von Peter Decker, die auch so argumentierten, hier schon „abgedruckt“):
Zur Broschüre des Ums-Ganze-Bündnisses:
”Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit”
Statt Kritik des Systems der Ausbeutung eine radikalkritische Absage an den „Systemzwang”
Das Anliegen
Es hat einmal eine Arbeiterbewegung gegeben. Proletarier kämpften um ihren Lebensunterhalt und hatten in der Kapitalistenklasse ihren Gegner. Ihre Kämpfe waren ganz selbstverständlich der Bezugspunkt aller kritischen Geister, die an Staat und Gesellschaft etwas auszusetzen hatten; sie waren eben der „Träger des Fortschritts”, der die „Neue Zeit” herbeiführt und gestaltet. Schon gleich die Intellektuellen, Marx und Engels und ihre Gegner, richteten sich an diese Bewegung und hatten in ihrer Wirkung auf sie das praktische Ziel ihrer theoretischen Tätigkeit. Schließlich hing davon, wie die Arbeiterschaft sich die verschiedenen Formen ihres Elends erklärt, ab, was sie zu dessen Überwindung nötig und zweckmäßig finden würde. Die einen führten Hunger, Frauen- und Kinderarbeit, ungesunde Wohnverhältnisse, Ausschluss von Bildung, Not im Fall von Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit auf das Lohnarbeitsverhältnis als den Grund dieser Übel zurück, andere machten die mangelnde Repräsentation der Arbeiterschaft im Staat dafür verantwortlich; entsprechend fochten die Fraktionen den Streit um „Reform oder Revolution” aus. Das ist lange vorbei. Heute ist allgemein und auch von den Lohnabhängigen anerkannt, dass ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz das Höchste ist, worauf der moderne Mensch hoffen darf – schließlich gibt es nicht wenige, denen dieses Privileg versagt bleibt und dass kritikwürdige Zustände erst jenseits des tarifvertraglich geregelten Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital beginnen: bei Langzeit-Arbeitslosen in Hartz-IV etwa, im Bereich extremer Niedriglöhne, bei Migranten und Marginalisierten; jedenfalls nicht mehr beim Proletariat, sondern beim Prekariat.
Leute, die sich auch heute noch über soziale und andere Missstände empören, suchen und finden in diesen keinen gemeinsamen Nenner mehr; oder eben den. Missstände zu sein, Fälle von Versagen der Verantwortlichen vor ihren Aufgaben, von Ignoranz gegenüber den Folgen politischen Handelns oder generell von einem Mangel an Menschlichkeit. Derart Empörte brauchen keine Theorie. Was gut und was schlecht ist, sagt ihnen ihr Gerechtigkeitssinn, und dem muss jeder zustimmen, der das Herz am rechten Fleck hat. Ihr kritischer Standpunkt hat nichts zu tun mit der Durchführung irgendeiner Kritik. Sie engagieren sich praktisch für das Gute, indem sie demonstrativ Forderungen an die zuständigen Stellen richten oder gleich selbst mit Spenden, diversen sozialen Projekten und „Tafeln” die Welt verbessern. Theorie gilt in diesen Kreisen im besten Fall als Zeitverschwendung, im Normalfall als Ablenkung und Verhinderung der Tat, deren Dringlichkeit angesichts himmelschreiender Missstände doch außer Frage steht.
Auf derartige Protestinitiativen und deren moralische Selbstgenügsamkeit und Theoriefeindlichkeit bezieht sich die Ums-Ganze-Mannschaft mit der Botschaft, dass ein punktueller Verbesserungswille, der sich nicht um die Ursachen kümmert, aus denen die beklagten Missstände hervorgehen, blind ist und folgenlos bleibt: „Bewegung braucht Theorie!”; eine eben, die nachweist, dass dir vielen Missstände kein Zufall sind, sondern System habendem es um ihre Beseitigung zu tun ist, dem muss es „ums Ganze” gehen, „um die Kritik gesellschaftlicber Herrschaft als ganzer” (7; dieses und die folgenden Zitate mit Seitenangabe aus der Broschüre), denn:
”Andernfalls verliert sich Politik in naivem Aktionismus. Wer sich mir um vermeintlich konkrete Problemlagen kümmern will, verfehlt meist deren Entstehungszusammenhang in der staatlich vermittelten kapitalistischen Konkurrenz. In herrschaftskritischer Perspektive sind meist sämtliche Alternativen pragmatischer Politik gleicher maßen falsch.” (18)
Mit diesem Argument versucht das Bündnis kritische Aktivitäten anderer zu radikalisieren und sie für eine umfassende Absage an den Kapitalismus zu gewinnen; dem, was es Reformismus nennt, setzt es „die Überwindung von Staat und Kapital” (8) entgegen.
Die große Entdeckung:
Das kapitalistische System ist „ein System”, sein Inhalt „Zwang”
[Ende meines Zitats aus dem Artikel]
Eigentlich hätte dieses Zitat auch gut in den libelle-Thread gepaßt, vor allem wegem dem ja nicht nur als Wortfigur benutzten Begriff des „schlagartig“. Aber, weil es eben ein wie ich meine, wichtiges Zitat aus dem Artikel ist, eben hier.
Vielleicht ist es angebracht, den politischen Zusammenhang der Polemik anzureißen, also im engeren parteipolitischen Sinn. Mich selbst hat erst die von TOP mit den Berliner Jusos gemeinsam unternommene Gegendemonstration zur Luxemburg-Liebknecht-Demonstration wieder auf UmsGanze aufmerksam werden lassen (und auf die LL-Demonstration). Es ist ja schon seltsam, dass eine Organisation, die ansonsten Wert darauf legt, den Zusammenhang von Industrie- und Finanzkapital herauszustellen gerade mit der Partei Beziehungen knüpft, die, von erheblich größerem Einfluss als die PDL und alle anti-imperialistischen Gruppen zusammen, das „Heuschreckenwesen“ des „Kasinokapitalismus“ geißelt und nationale Verteilungsgerechtigkeit predigt.
Desweiteren stellte sich mir die Frage, ob UmsGanze überhaupt noch der Rede wert sei, da ein solches indifferentes Taktieren meist sicheres Zeichen für die fortschreitende Auflösung eines Bündnisses ist – und nebenbei Taktieren überhaupt bei Randgruppen einen schwer grotesken Eindruck macht.
Da ist nun glücklicherweise die GS-Kritik erschienen und fasst den Inhalt der doch stilistisch etwas schwerverdaulichen UG-Broschüre zusammen. Kurz gefasst bestehe die UG-Theorie aus zwei Teilen: zum einen aus einer „Systemtheorie“ des Kapitalismus, die aus den materiellen Bedingungen gesellschaftlicher Interessen transzendentale Bedingungen ihrer Möglichkeit macht(GS 1-13, S.142); zum anderen in einer „abstrakten Negation“ eben dieses als zwanghaft erfahrenen Bedingungenzusammenhangs, einer „anarchistischen“ Absage an Staat, Nation und Kapital(S 156 f.).
Wo ich nun einhaken würde, wäre folgende Stelle:
„Gewöhnlich pflegen die Apologeten der bürgerlichen Staatsgewalt unter dem Stichwort der ´Globalisierung´ Schranken und Sachzwänge heranzuziehen, um den praktizierten nationalen Egoismus als zwingendes Gebot der Umstände zu rechtfertigen, zu dem es keine Alternative gibt – hier sind es Staatskritiker. die dessen Unausweichlichkeit beteuern wollen und dazu dasselbe Argument bemühen, das die bürgerlichen Ideologen als Entschuldigungsgrund für alles bemühen.“(ebd. S.141)
Ich denke, obwohl ich im Resultat übereinstimme, dass hier einige wichtige Vermittlungsschritte ausgelassen werden. Wie komme ich überhaupt vom Staat und seiner Gewalt über die Nationalökonomie zur „Globalisierung“.Wenn ich nichts überlesen habe, taucht nirgends im ganzen Text das Wort Imperialismus auf, obwohl es der GS im selben Heft sonst schwer in Anschlag bringt.
Verstehe ich da einen Witz nicht?
Bei UG heißt das „globalisierte Kapitalverwertung“, „kapitalistisches Welthandelssystem“, auch mal „Weltkapitalismus“.
Abgeleitet in dem Sinne wird das nicht – wie auch sonst kaum etwas entwickelt wird -, aber es wird deutlich, dass die abstrakte Sichtweise, auch die Staaten selbst stünden unter Zwang, auch auf das weltweite Geschehen angewandt wird, so dass ein Staat in der Welt ungefähr so abhängig ist wie ein Bürger im Staat.
„Im Rahmen dieser staatlichen garantierten Formbestimmungen entwickelt sich das Kapitalverhältnis als umfassendes System gesellschaftlicher Abhängigkeiten. Das gilt für die ökonomischen Beziehungen der Bürger eines Staats, wie für dessen eigenes nationalökonomisches Schicksal als Standort einer globalisierten Kapitalverwertung.“ (UG-Papier S. 31)
@Neoprene:
Ich denke auch, das Zitat trifft den entscheidenden Punkt. Das UG-Papier besagt ja, der Staat ist ein hermetisch geschlossenes Zwangssystem, und alle potentiellen Veränderer sind durch „Zwang zum Selbstzwang“ integriert.
Aus diesem Blickwinkel, der weniger marxistisch als vielmehr radikalsoziologisch inspiriert ist, erscheinen dann aufklärende Argumente kaum noch als politisches Mittel, sondern es bleiben nur Wut und die Demonstration dessen, dass trotz allem noch jemand „Widerstand leistet“. Es werden keine falschen Auffassungen und Einstellungen kritisiert, sondern nur Leute mit einem ähnlichen Ohnmachtsgefühl angezogen und darin bestätigt. Der Schwerpunkt liegt auf einer abstrakten Zwangskritik und der Beschwörung von „Individuum“ und „Autonomie“ als Gegenbild gegen das monolithische „System“.
*
Allerdings: hat noch jemand das Gefühl, dass sich die GSP-Kritik am UG-Papier an einigen Stellen fast wie eine Selbstkritik liest? Zumindest zeitweise war ja dort die Tendenz, Staat und Zwang quasi gleichzusetzen und dies einer ziemlich abstrakten Kritik abzuhandeln, nicht zu übersehen.
Wenn der GSP formuliert (s.o.):
… dann kann man dieses „unterstellen“ auch sehr kontrovers verstehen (mal eher als „unterwerfen“, mal eher als „bestellen“), wie wieder einmal die Debatte bei Nestormachno zeigt.
Die „Gruppen gegen Kapital und Nation“ (vormals „Junge Linke gegen Kapital und Nation“) werden sich demnächst ebenfalls zum Thema äussern, nämlich mit einer „Broschüre zum Thema Kapitalismuskritik“. Was einen da erwartet, ist wohl bereits anlässlich einiger Veranstaltungen im April 2013 in Hamburg und Bremen und anhand dieses Textes der Hamburger Gruppe zu erfahren: Eigentum.Arbeit.Kapital: Schaden!
Damit liegen dann drei Grundsatz-Texte zur Kapitalismuskritik vor (UG, Gruppen und UG-Kritik des GS). Was läge da näher, als dieses Thema endlich mal gemeinsam im Rahmen einer Konferenz / Workshoptag anzugehen. Die früheren „Berührungsängste“ sollten mittlerweile ja aus der Welt sein.
Ja, so eine öffentliche Aneinanderabarbeitung liegt eigentlich nahe. Andererseits hat ja der ums-Ganze-Kongreß in Frankfurt in 2007 gezeigt, daß es für eine wirkliches Fortkommen in dieser Hinsicht nicht ausreicht, ein paar Podien mit ein paar bekannten Wortführern oder Schreibern zu besetzen.
Davon mal abgesehen, was haben dir denn die in Frage kommenden Gruppen auf diesen Vorschlag geantwortet, daß du das jetzt hier auch noch mal anbringst, um sozusagen „öffentlich“ Druck dafür zu machen?
1. Ein gravierender Unterschied zu 2007 wäre natürlich, dass mittlerweile ausgearbeitete Texte vorliegen (werden), die sinnvollerweise auf eine überschaubare Anzahl von Themen eingedampft werden sollten (z.B. diejenigen der Bielefelder UG-Podiumsdiskussionen). Die UGler als Veranstalter hielte ich übrigens für keine so schlaue Lösung, da war Frankfurt wirklich abschreckend genug. Nein, das kann doch gemeinsam organisiert werden, mit einem Kreis von Themen und Referenten (wieder z.B. wie in Bielefeld), bei dem einigermaßen absehbar ist, dass sowas nicht wieder im Chaos endet.
2. Den genannten Gruppen bzw. der Zeitschrift habe ich übrigens diesen Vorschlag nicht unterbreitet. Sowas habe ich mir schon vor längerer Zeit abgeschminkt, weil ich nie Antworten bekommen habe. Die Idee aufgreifen und auf Umsetzbarkeit überprüfen müssten schon diejenigen, die dafür in Frage kommen.
Wie gesagt, solch eine Diskussion liegt in der Tat nahe, „öffentlichen Druck“ wird man auf diesem Wege sicherlich nicht machen können.
Wenn du schreibst, „Die Idee aufgreifen und auf Umsetzbarkeit überprüfen müssten schon diejenigen, die dafür in Frage kommen.“ kann ich wiederum nur fragen, wer denn dann deiner Einschätzung nach überhaupt noch „in Frage“ kommt, also gefragt werden sollte?
Na, die beiden Bündnisse und den GS, wer sonst? Da bleibt doch nicht mehr gar so viel übrig (evtl. noch die Krisis). Es bringt doch aber überhaupt nichts, jetzt solche Sandkastenspielereien anzustellen. Noch einmal: Der Sache nach steht sowas definitiv an. Ob’s auch was wird, keine Ahnung. Da würde ich mich keine Prognose trauen.
Ach so, mehr als ein unverbindliches „Es wäre eigentlich ganz schön, wenn …“ wolltest du gar nicht gesagt haben. Jedenfalls nicht denen, die für dich dafür eigentlich in Frage kämen.
Du hast wohl recht, das wird man dann wohl sehen oder eben nicht …
Wenn du was weniger „unverbindliches“ weißt, nur zu. Kannst ja Peter Decker bei der nächsten Veranstaltung zu „Arbeit und Reichtum“ am 7. Mai direkt darauf ansprechen.
@Kowalski
Du weißt doch auch,wie schwierig es ist, irgendwelche ernsthaften Diskussionen/Streitereien hinzukriegen. Wie lange z.B. hat es gedauert, bis die mittlerweile innerlinks berühmte Diskussion zwischen Michael Heinrich und Peter Decker (Bielefeld!) zustande gekommen ist. Und wie du wahrscheinlich auch weißt, lag es nicht am GSP, daß das nicht eher passiert ist. Zwischen GSP und nun ex-junge Linke gibt es öffentlich zumindest noch länger Funkstille. Und in solch einer nicht gerade hoffnungsfroh stimmenden Gemengelage sollen ausgerechnet ein oder zwei Randlinke mit ihren Aufforderungen von Außen dem Diskurs eine Bresche schlagen können?? Wenn da jetzt nicht in den angesprochenen Gruppen ein ernsthaftes Bedürfnis/Interesse vorhanden ist, dann befürchte ich, werden auch freundliche Ermunterungen unsererseits an der Funkstille nichts ändern können.
„Wenn da jetzt nicht in den angesprochenen Gruppen ein ernsthaftes Bedürfnis/Interesse vorhanden ist, dann befürchte ich, werden auch freundliche Ermunterungen unsererseits an der Funkstille nichts ändern können.“
Tja, ungefähr das wollte ich oben gesagt haben. 🙂
Wenn es von Seiten der UG-Gruppen kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem GS gibt, wen scherts?
Blöderweise treten sie trotz ihrer fundamentalen Zweifel an der Möglichkeit von Agitation überhaupt in Kampagnen ein, die ganz bestimmte Interessen propagieren, wie beispielsweise in der mit Teilen der FAU durchgeführten Kampagne gegen Leiharbeit, die objektiv eine nationalistische Trennlinie zwischen Lohnabhängigen betont hat, indem sie eine legalistische Möglichkeit, sie (die Leiharbeit) mal ebenso abzuschaffen halluzinierte und den garantierten Arbeitsplatz als das Wünschenswertere hervorhob.
Angesichts dessen wäre es absurd, „eine Breche“ in den „Diskurs“ schlagen zu wollen, eben weil kein gemeinsames Interesse bestimmt wird, und es gerade umgekehrt solche Kampagnen es sind, die „von außen“ an Leute herantreten.
Das Gute am GS ist eben, dass er nichts dergleichen unternimmt.
Mattis, Neoprene, Kowalski – kurz: es ist nicht die Interessenlosigkeit der UG-Gruppen das Problem; es sind die Interessen, die sie real verteten, denn da liegen sie im sozialdemokratischen Fahrwasser.
Ja, in der Tat, das ist letzlich das bestimmende Element. Nur spricht das nicht gegen immer wieder zu unternehmende Versuche, sowas in Streitgesprächen wieder mal auszutesten/zu „beweisen“ usw. Mit Michael Heinrich hat sich Peter Decker schließlich auch an einen Diskussionstisch gesetzt, ohne das das per se schon kommunistischen Intentionen abträglich gewesen wäre.
Habe den Text von der Gruppe gegen Kapital und Nation Hamburg nur überflogen, aber frage mich ein bisschen…worüber sollen die sich mit dem GS bei dem Thema denn streiten?
@anthraxit
Ich habe den Text selber noch nicht gelesen, noch nicht mal überflogen. Deshalb die ernstgemeinte Frage, warum denkst du denn, daß die soweit weg voneinander sind, daß da ein politischer Streit ausgeschlossen werden kann? Woran machst du das fest?
Nein, ich wollte darauf hinaus, dass die beim Thema Kapitalismuskritik doch nahezu identisch sind. Also mir ist zumindest kein Widerspruch zu Arbeit und Reichtum aufgefallen an dem Text. Deswegen meinte ich, worüber sollen die denn da streiten?
Eben weil es bei den zentralen Themen einer Kapitalismuskritik zwischen GS und den GgKN nicht so riesige Differenzen geben dürfte – vorbehaltlich der angekündigten Broschüre und ausgenommen „Nahost“ – und dazu in einigen Städten regelmäßiger gemeinsame Veranstaltungen von UG und GgKN stattfinden (z.B. hier), wäre es doch denkbar, wenn z.B. Jimmy Boyle Berlin und/oder die Gruppe Kritik & Intervention Bielefeld mal abklären, ob sich da was „anschieben“ lässt. Vorausgesetzt natürlich, die halten solch ein Projekt ebenfalls für sinnvoll.
Also, falls von den Mitlesenden sich jemand berufen fühlt, nur zu! 🙂
@Passant:
Hier bei der Debatte um die Inhalte des UG-Papiers ist die UG-Praxis erstmal irrelevant; die Theorie wird dann schon irgendwie zu deren Anbiederung an vorhandenes Bewusstsein passen.
Ich raff es einfach nicht.
Sollen sich Peter Decker und jmd. von Jimmy Boyle dann auf ein Podium setzen und sich gegenseitig den Bauch streicheln?
Eigentum. Ja da sind wir uns einig.
Tausch. Ja auch.
Lohnarbeit. Ja sehen wir genauso, aber beton das doch nochmal.
Kapital. ja aha.
Finanzkapital. Mhm, wie meintet ihr das an der Stelle? Ach doch genauso wie wir, ok.
Laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig.
Die sollen sich lieber mal zu dritt über Nationalismus streiten oder über das Geschlechterverhältnis. Da gibt es Dissense auszutragen. Wobei eine Diskussion per Text wahrscheinlich fruchtbarer ist als ein Podium.
@ anthraxit
Du hast aber schon mitbekommen, dass zumindest ich von Anfang an GS, GgKN und (!) UG angepeilt habe, oder?; und dass der GS gerade einen Fundamentalverriss an dem bisher wichigsten UG-Papier (Staatsbroschüre) veröffentlicht hat?; und dass es bei den mehrfach erwähnten Bielefelder UG-Veranstaltungen um die Themen „Klassen – Kämpfe – Kommunismus“ (Peter Decker und Michael Heinrich) und „Was heißt hier eigentlich „Wir“? Zur Kritik der Nation“ (Renate Dillmann und Ilka Schröder) ging?
Wenn nicht, dann check das mal.
Dass die Idee war, sich auf einige wichtige / strittige Themen zu konzentrieren, sinnvollerweise vorab Thesenpapiere zu erstellen und das alles am besten im Rahmen eines Workshoptages zu realisieren, sei zur Vermeidung weiterer Missverständnisse dann doch noch einmal wiederholt.
Ja toll.
Ich habe nie in Frage gestellt UG und GS auf ein Podium zu setzen. Aber GgKN und GS ausgerechnet zu Kapitalismuskritik ist öde, denk ich.
Oben hast du selbst das Thema Nation / Nationalismus angesprochen. Gehört das, ebenso wie z.B. auch Klassen, Staat, Imperialismus (Weltmarkt / Weltmacht) u.a., etwa nicht zu einer korrekten Kapitalismuskritik dazu?
Und: GgKN könnten aus den o.a. Gründen ja durchaus sowas wie den Part eines „Büchsenöffners“ für ein solches Projekt übernehmen … 🙂
Apropos „öde“: Angesichts der völligen Bedeutungslosigkeit der marxistischen Kritik hier und heute könnte ich sehr gut damit leben, wenn so eine Veranstaltung (sofern sie denn überhaupt zustande käme) nicht in Form eines Schaukampfs ausgetragen würde, sondern vielleicht ausnahmsweise mal (zumindest in einigen wichtigen Punkten) ein paar Gemeinsamkeiten festzuhalten wären, also ein allererster Schritt getan.
Diese ganzen Gedankenspiele sollten übrigens nicht mit einem Plädoyer für ein „Einheit vor Klarheit!“, „Hauptsache was tun!“ oder ähnlichem Quatsch verwechselt werden.
So, das reicht jetzt aber wirklich.
@ Mattis
„schon irgendwie…“ – Ja, du hattest das in deiner ersten Antwort schon irgendwie angedeutet. Mir ist bewusst, dass ich mit der Thematisierung der organisatorischen Praktik von UG den Rahmen der im engeren Sinn theoretischen Klärungen überschreite.
Dafür habe ich Gründe.
Da spielt zunächst einmal der Umstand eine Rolle, dass nach nunmehr zehn Jahren Spaltungen entlang der Auseinandersetzung um Anti-Imperialismus und Israelsolidarität keine konsensuelle Lösung gefunden worden ist, gleichzeitig Imperialismus und Antisemitismus zu kritisieren. Stattdessen lässt man die strittigen Fragen unter den Tisch fallen, und tut so, als handele es sich dabei um eine Frage des guten Geschmacks.
Du, Mattis, tatest es hier, indem du einfach die Termini aufzähltest, mit denen UG den Imperialismusbegriff angemessen zu umschreiben meint (was nicht der Fall ist) und gabst mein Argument, dass Vermittlungsschritte fehlten zu, aber bloß um das UG-Papier abstrakt zu verwerfen. Tja, dass ich mich da auf die GS-Kritik bezogen hatte, kann jeder selbst oben nachlesen.
Leider lassen sich die Begriffe, die dann noch übrigbleiben, Staat, Nation, ja überhaupt Kapital nicht mehr vollständig bestimmen.
Es sollte einsichtig sein, dass es unangebracht ist, auf dem Terrain begrifflicher Klärung zu verbleiben, wenn offensichtlich sophistische Taktiken der Gesprächsführungen eingesetzt werden, um Diskussionsprozesse zu blocken. Das Interesse das sich darin zeigt, ist nicht das an Erkenntnis, sondern an Macht.
Insofern hielte ich es auch in dieser kleinen Debatte für gerechtfertigt, über das Vorhandensein von Lücken, mangelnder Herleitungen etc. hinaus, an Beispielen zu zeigen, welches praktische, politische Interesse sich in den Aktionen von UG-Gruppen manifestiert.
Die Reaktion darauf lässt den Schluß zu, dass ich richtig damit liege, zu vermuten, dass, was sich hier in der Debatte um das Papier eines sich als kommunistisch bezeichnenden Bündnisses als Störung zeigt, praktisch sich als sozialdemokratische Tendenz erweist.
@Neoprene
„Interesse/Bedürfnis“ – fällt mir ein, dass es vielleicht wirklich interessant wäre, mit den von der Kritischen Psychologie Holzkamps verwendeten Begriffen wie dem des restringierten und des erweiterten Handlungsvermögens an diesen „Zwang zum Selbstzwang“ der UGler heranzugehen.
@Passant:
Schon ok, dass du auf die Praxis von UG zu sprechen kommst, ich wollte nur darauf hinweisen, dass man selbige nicht als Joker in der Theorie-Diskussion verwenden sollte. Wenn das aber geklärt ist, wäre eine Debatte um deren Praxis durchaus interessant. Ich weiß darüber nichts, vielleicht könntest du ja ein paar typische Beispiele bringen.
@ Mattis
In Ordnung, wenns passt, bringe ich noch Beispiele. Wie aber weiter? Wo sollte demnächst eine Diskussion anberaumt werden? Und von wem? Ich werde gerade nicht aus dem Gesagten schlau.
Das „wo“ ist doch wohl die nebensächlichste Sache. Das kann man praktisch überall machen, wo man einen ordentlichen Saal kriegt und es Organisatoren vor Ort gibt. Bremen, Bielefeld, Berlin, Hannover, Frankfurt, usw. (um nur Orte des ums-Ganze-Bündnis anzuführen)
Wer dazu einladen soll, ist auch nicht wichtig: Denn erst mal müßte ja überhaupt Einigkeit hergestellt werden, daß „man“ so eine Veranstaltung überhaupt haben will. Wenn die erreicht ist, könnte wirklich „jeder“ von denen dazu einladen.
Ich geh mal gerade lachen, bis denne!
So. –! Um wieder, Mattis, auf deine Befürchtung zurückzukommen, der Hinweis auf die verschrobenen Aktionen einiger UG-Gruppen könne als „Joker“ in der theoretischen Diskussion dienen: die „Praxis“ von UG beinhaltet durchaus Elemente, die bei einer ideologiekritischen Untersuchung keine oder nur geringe Relevanz haben; so z.B. Modestil, Grad der Verblödung, körperliche Beeinträchtigungen, Mundgeruch und dergleichen.
Politische Aktionen, Kampagnen aber werden ja gemeinhin diskursiv gerechtfertigt und haben als zusätzliche Quellen selbstverständlich ihren Platz in der Diskussion über ein Grundsatzpapier. In diesem Sinne unterschied ich die Befassung mit der Staatsbroschüre als Anlass der Klärung der Begriffe, sowie die Klärung selbst als im engeren Sinn theoretisch; in der in einer Polemik gebotenen Kürze hat das der GS ja gemacht und man könnte hier noch einiges hinzudenken, was sich so in den MG-Archiven findet.
In einem weiteren Sinn ist die Beschäftigung mit dem besonderen politischen Bedingungszusammenhang des UG-Grundsatzpapiers von theoretischem Interesse, also seine Bedeutung hinsichtlich des gemeinsamen Interesses der verbündeten Gruppen.
Hier wird’s ja bei UG schwierig; ihr politisches Programm ist eine „abstrakte Negation“, also eine leere Geste. Wie will man über etwas diskutieren, was anscheinend nicht vorhanden ist?
Liegt es da nicht nahe, sich die jeweiligen Aktionen und Kampagnen und ihre Begründungen anzusehen? Die sind ja keine Privatsache.
Ich denke, dass ich keine Beispiele benötige, wenn ich darauf hinweise, dass die Mehrheit der UG-Gruppen aus ehemaligen oder aktiven Antifagruppen besteht.
Was wäre nun dagegen einzuwenden, den Bogen wieder zurück zu schlagen zur begrifflichen Bestimmung? Liegt es nicht nahe zu fragen, wie UG sich den bürgerlichen Staat hinsichtlich seiner faschistischen Möglichkeit denkt?
Also ich finde es komisch, wenn man den GS-Bezug auf Materielle Interessen zwar in Ordnung findet, aber bei Antifa-Gruppen, die sich ganz und gar aus einem bürgerlich-demokratischen Interesse herleiten, eine Ausnahme macht.
Sozusagen als Ergänzung von passant möchte ich auf die Frage von Lincoln hinweisen:
Und ich möchte auch daran erinnern, daß es die Differenzen zwischen den Bremern und anderen damals jungen Linken-Gruppen in diesem Punkt ja schon seit langen Jahren gibt. Daß die das für so unerheblich gehalten haben, daß sie da keine Klarheit in der ganzen „Organisation“ erarbeitet haben, hat für mich deren Projekt seitdem als belanglos einschätzen lassen.
Für Mattis einige Beispiele aus der UG-Praxis der jüngeren Vergangenheit:
M31: european day of action against capitalism und Blockupy Frankfurt
Ausserdem die Ankündigung einer Veranstaltung in Leipzig: Von der Kritik der Praxis zur Praxis der Kritik
Nochmal Blockupy? Also quasi eine Verlegung der Ostermarsch-Bewegung auf ein anderes Thema und einen wärmeren Monat.
Die Theorie muss praktisch werden, heißt es in dem verlinkte Artikel von der Gruppe the future is unwritten. Das UG-Papier hat gezeigt, dass es bei der Theorie ganz schön klemmt, also wäre die Frage „Gäbe es nicht Wichtigeres zu tun?“ erstmal in dieser Richtung zu beantworten.
Die ganze intellektuell-soziologische „System“-Kritik von UG zeigt m.E. eine Beschwörung von „Autonomie“ des Individuums gegen die Zwänge des „Systems“. Da weiß man nicht mal, ob die überhaupt Sozialismus wollen – denn das wäre immerhin auch eine Art von „System“ (jedenfalls ist es keine Spontan-Versammlung) und wirds auch nicht immer und allen recht machen können. „Kategorial“ antikapitalistisches Vokabular reicht halt nicht.
@ Neoprene
Für die kommunistische Debatte selbst ist Junge Linke unerheblich, das stimmt. Dass sich einige aber für Kommunisten ausgeben, sorgt in der Folge von Geprächen stets für schwere Irritationen, da sich beim Gegenüber gewisse Ängste anhäufen, was die Abläufe während einer Revolution angeht – man sollte da schon aufpassen, mit wem man ein Bier trinkt. Nachher hat man dann, ohne es zu wissen, Kronstadt verbrochen, Kinder gefressen und Gift in die WG-Kaffeemaschine gekippt. Nicht gut.
@ Pirlo
Na, der Ankündigungstext für die Veranstaltung in Leipzig ist ja wirklich ein gutes Beispiel für gelahrten Unfug.
„Hinter dem Oberflächenphänomen des Scheins…“
– Pleonasmus, vom Feinsten, unglaublich.
„Kommunistische Bewegung wäre die kategoriale Infragestellung von Kapital…“
– hieße es statt kategorial kategorisch, wäre es nicht viel besser, ergebe aber nicht die unsinnige Aufforderung, grundsätzlich Kapital, Staat usw. als Kategorien zu bezweifeln, mit denen Wirkliches gefasst werden kann.
(Werde den Text einigen Genossen zum richtigen Zeitpunkt laut vorlesen: Die kippen vom Stuhl!)
„Die radikale Linke hat aber nichts zu verlieren, denn sie selbst hat historisch bereits verloren.“
– Ja, genau! So ist man nämlich drauf, wenn man bei Occupy die Gesell-Anhänger zensiert, sie aber nicht rausdrängen darf, weil es sonst ja keinen Raum mehr gäbe für kategorialen Unfug! (Dafür drängt man dann die heraus, die den Schwindel bemerken.)
Man merkt halt schon immer wieder, dass die UG-Gruppen von heute das Resultat von Spaltungen der Autonomen Antifa sind. Und in dieser Szene war man halt häufig antideutsch und wertkritisch. Letzteres dürfte für die Mehrzahl der Gruppen mehr oder weniger ausgeprägt bis heute gelten. Wenn man sich anschaut, wen die zu ihren Kongressen und Seminaren als Referenten einladen, dann sind das (mit ganz wenigen Ausnahmen) Wertkritiker und Vertreter der „Neuen Marx-Lektüre“ (Heinrich, Elbe und Menschen aus dem Umfeld der Roten Ruhr Uni und associazione delle talpe, Bremen).
Als antideutsch würden die sich mehrheitlich wohl nicht mehr bezeichnen. In der seit einigen Jahren recht erbittert geführten Debatte „Antideutsche vs. Antinationale Kritik“ vertritt insbesondere die Berliner Gruppe TOP regelmäßig antinationale Positionen (FSK 2009 / Berlin 2012 / Wien 2013) Eine Chronologie dieser Diskussion und der Versuch einer „Begriffsbestimmung“).
Bei der Podiumsdisussion der Wiener UG-Gruppe mit Stephan ‚Drop the Bomb‘ Grigat und einem TOPler bekam letzterer übrigens den Vorwurf zu hören, MG bzw. GS seien die „theoretischen Stichwortgeber von UG bzw. TOP“, was nach Erscheinen des Artikels im GS 1-13 wohl aus der Welt sein dürfte. Zu einer anderen Grigat’schen Behauptung, der GS habe „schon Anfang der 90er Jahre jeder Kritik an Deutschland gleich einmal einen gegen Deutsche gerichteten Rassismus unterstellt“, sei auf diese Artikelsammlung aus MSZ und GS verwiesen.
@Pirlo
Selbst wenn so eine solche zusammenfassende Einschätzung richtig sein sollte (ich selber will dazu, jedenfalls so grundsätzlich, nichts sagen, dafür kenne ich zuwenig und zu wenige von denen), so hat sie den Mangel, daß da erstmal nur ein Ergebnis einer inhaltlichen Auseinandersetzung vorgetragen wird. Das müßte doch noch konkret an dem nachgewiesen werden, was die allesamt so gesagt und gemacht haben. Schon deshalb, weil man überhaupt nur so Leute aus deren Umfeld politisch erwischen kann. Sonst kriegt man auch hier nur „schwere Irritationen“ wie bei anderen Linken auch.
Von der Bielefelder UG-Gruppe: „Aufruf zur antikapitalistischen Demonstration am 30.04. in Bielefeld“
Dazu Peter Decker bei der Podiumsdiskussion „Sechs Jahrzehnte DGB: Kooperation oder Klassenkampf“ im Mai 2011 in Berlin (Mitschnitt und teilweise Abschrift)
Leute, was sollen diese albernen Spekulationen zu irgendwelchen Show-Down Podien? Anthraxit hat schon recht: Eine Debatte zwischen Vertretern des GSP und Junge Linke zur kapitalistischen Ökonomie ist überflüssig, weil Junge Linke ihren Begriff wie der Gegenstandpunkt selbst von Marx zieht, wenn sie nicht sowieso vom GSP gleich abschrieben haben (keine Kritik, weil das Abschreiben und Verbreiten richtiger Einsichten kein Schaden ist, im Gegenteil).
Was UG betrifft: Als wenn die nicht vom GSP und seinen Inhalten wüssten. Sie sehen jedoch keinen Grund zur Debatte, weil sie – wenn sie von der Ökonomie reden – diese nur sehr mittelbar ihr Thema ist. Im Prinzip ein Verstoß gegen die postulierte Autonomie. Ein Zwang gegen die individuelle Freiheit, der sich dann auch noch Freiheit schimpft, also falsch ist. Der Artikel im neuen GSP erklärt das sehr lesenswert.
Insofern ist es auch konsequent, dass es keine Debatte gibt, weil die einen ganz unwissenschaftlichen Zugang zum Kapitalismus haben. Kein Wunder, dass Genossen auf Veranstaltungen regelmäßig weggebügelt oder sogar denunziert wurden. Kann man nachhören diese widerlichen Frechheiten von Leuten, die sonst immer großmäulig Anna und Arthur rufen, die das Maul halten.
Pirlos, TOP ist antideutsch im Sinne der Zeit vor 2001. Das sagt deren Referent deutlich zu Grigat bei der von Dir benannten Debatte. Vor 2001 wurden die Begriffe antinational und antideutsch auch synonym verwandt. Grigat und Top Berlin sind sich so einig, dass die fanatische Debatte um ja tatsächlich vorhandene Differenzen nur in der unterschiedlichen Moral erklärt werden kann. Und Grigat bringt es am Ende der Debatte auch fast richtig auf den Punkt „Ihr geht vom Weltmarkt und ich von Auschwitz aus, wenn ich die Welt beurteile“. Top geht wie gesagt nicht vom Weltmarkt, sondern von der Autonomie aus, aber Grigat trifft insofern was: Beide sortieren die Wlrt anhand eines höheren Werts und der ist strittig.
Ums Ganze entstand meines Wissens nicht aus der autonomen Antifa, sondern aus der Spaltung der Antifaschistischen Aktion Berlin plus der Reste der alten AA/BO, und die waren wohl eher „dogmatisch“. Scheint mir eine interessierte Legende zu sein, das mit Anna und Arthur.
Die unmittelbare Vorgängerin von TOP, die Gruppe Kritik & Praxis jedenfalls unterlag einem starken Junge Linke-Einfluss, gerade in Hinsicht Kantianischer Marx-Interpretation.
Tut zwar nichts zur Sache, Spuren zu verwischen aber auch nicht.
Wer sich für den weiteren Hintergrund der UG-Ideologie interessiert, wird hier fündig:
http://www.inkatan.de
…um nicht zur Verrätselung allzu sehr beizusteuern: nach Abzug alles Unwahrscheinlichen handelt es sich bei der UG-Ideologie um einen semiologischen Bluff typisch postmoderner Manier, bei dem unter Verwendung bekannter politischer Konzepte, ein System entworfen wird, das als absolut gesetzt wird, also eine ironische Übersteigerung des typisch akademisch verdinglichenden Denkens. Angeflanscht eine adornitisch camouflierter anarchistischer Freiheitsbegriff, was im Zusammenhang die Lächerlichkeit noch betont. Sehr einfach und sehr dreist.
Wie das obig verlinkte Blog zeigt – das selbst ein halber Bluff ist – kann sowas im PROKLA-Milieu durchaus erfolgreich Anerkennung verschaffen.
Schade nur, dass die kommunikationsguerillamäßig agierenden Antifas es versäumt haben, ihren Bluff rechtzeitig zu enthüllen. Denn das wäre doch lustig gewesen.
Passant, auch wenn ich deinen wortmächtigen Verriß von UG mit Schmunzeln gelsen habe, so fällt es dir letztlich dann doch auf deine eigenen Füße:
Was hast du denn außer Worthülsen uns nun anzubieten, genauer, welchen Beweisantritt hast du denn damit geliefert?
Ein bißchen klingt dein Verdikt wie ein Counter-Bluff. Das mag ja lustig sein, habe ich ja schon zugestanden, aber dann?
fair enough. Zumindest, Neoprene, habe ich meinen Bluff rechtzeitig, wie ich hoffe aufgelöst. Denn, wie es mir beim freien Assoziieren zum Wort „Welthandelssystem“ gestern siedend heiß dämmerte, könnte die aktuelle Debatte über Imperialismus letztlich nicht ohne den Bezug auf Wallersteins „Weltsystemtheorie“ geführt werden. Und da muss ich passen. Und spätestens dann würde es peinlich, auch wenn ich damit rechnete, dass den meisten die Anschaffung der Bücher zu teuer gewesen ist und sie sich UG-mäßig bemüllern ließen.
Es gäbe natürlich noch den Weg, die Diskussion fortzusetzen, indem man sich auf die von Pirlo genannten GS/MG-Texte bezöge. Insbesondere die beiden Texte aus der MSZ von 1989 bieten eine gute Grundlage, da sie eine Momentaufnahme der Gründungssituation des Projekts Radikale Linke enthalten, auf das sich ja weiterhin die meisten außerhalb der kommunistischen/marxistischen Debatte beziehen. Es ist da erstaunlich, wie wenig sich offensichtlich seitdem an den Positionen geändert hat. Dieser Weg ginge natürlich über Nation und Staat. Aber nach einer GS- und einer JL-Schulung zur Staatsableitung wäre mir das auch zu langweilig.
Und schließlich gibt es noch einen Grund, von dem ich annehme, dass ihn hier jeder kennt, sich aus einer Diskussion zu ziehen:
Man darf dem politischen Gegner nicht zu früh verraten, wo man seine eigentlichen Schwachpunkte sieht.
Denn – vielleicht blufft man ja gar nicht.–!
Von den MG/GSP-Texten sind übrigens nur folgende im Internet nachlesbar (die anderen kriegt man aber auch noch, nämlich als Sammel-CD beim GegenStandpunkt Verlag):
Radikale Linke sammeln sich
SCHLECHTE ZEITEN FÜR GUTE MENSCHEN
http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/89/89_6/linke.htm
Linke Antworten auf die „Deutsche Frage“
ÜBER DIE UNFÄHIGKEIT DER LINKEN, EINEN ERFOLGREICHEN NATIONALISMUS ZU KRITISIEREN
http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/90/90_4/natlink.htm
Fast Forward Hannover:
Will nicht mal ein Abonnent den entsprechenden Artikel einscannen?
Und wenn er/sie/es schon dabei ist, vielleicht auch die Neufassung von ‚Arbeit und Reichtum‘ (Falls das lohnenswert scheint)?
Die Bremer UG-Gruppe Basisgruppe Antifaschismus:
„…was uns trennt“. Brief an die ARAB
Antwort auf den Text „Zwei Seiten einer Medaille: Über Glanz und Elend der Rosa-und-Karl Initiative.“ der ARAB, vom Januar 2013.
„Diese Orientierungslosigkeit in der innerlinken Debatte verfolgt uns ständig auf Schritt und Tritt. In der Auseinandersetzung mit den Positionen des kommunistischen …ums Ganze! Bündnisses, deren Teil wir sind, zeigt sich dieses Problem ebenso. Während uns die eben genannten „Traditionsmarxist*innen“ scheiße finden, da wir angeblich klassenverräterische oder ‘akademische’ Positionen vertreten würden, versuchen uns Antideutsche mit dem Nachweis, wir seien inhaltlich auf einer Linie mit der Marxistischen Gruppe, vorzuwerfen wir seien Marxisten-Leninist*innen. (5)
Hauptvorwurf ist, wir würden unsere Position zum Staat wesentlich von der Marxistischen Gruppe (MG) übernehmen und uns in die Reihe der Staatsableitungsdebatte stellen. Richtig ist vielmehr, dass wir unsere Analyse des Staates als Garant kapitalistischer Reproduktion in Anlehnung an Johannes Agnoli und seiner Analyse in „Der Staat des Kapitals“ gewinnen, der sich explizit von der, als orthodox markierten, Staatsableitungsdebatte distanziert.“
„Die Orte der Organisierung nannten wir in unserem Strategiepapier „Der Klassenkampf und die Kommunist*innen“ „strategische Zentren“ (17). Diese strategischen Zentren sind kommunistische Basisorganisierungen, die sowohl in Form und Inhalt, Keimformen der neuen Gesellschaft bilden und verschiedene Teilbereiche miteinander vernetzen. Historisch können wir dies als Anknüpfung an syndikalistische und rätekommunistische Strömungen begreifen.“ (aus: Basisgruppe Antifaschismus, Zwei Seiten einer Medaille)
Leider fehlt mir gerade die Zeit, mehr zu schreiben; deshalb nur einige flüchtige Überlegungen und Verweise.
Wie man gerade auf den blogs von anthraxit und rhizom nachlesen kann, bleibt die Debatte sehr allgemein und beschränkt auf epistemologische Fragen:
http://anthraxit.blogsport.de/2013/04/15/ba-ueber-die-phantomschmerzen-einer-unsauberen-trennung/
http://rhizom.blogsport.eu/2013/04/17/form-ohne-inhalt-oder-wie-sich-deutsche-linke-einen-marxismus-ohne-klasse-denken/
Anthraxit sieht in der Agitation der Arbeiterklasse die Möglichkeit, durch Aufklärung den Willen zur kommunistischen Revolution herauszubringen, und kritisiert in dieser Rücksicht den/das Rhizom, dem er/sie unterstellt, mit der Kritik jedes „bloß instrumentellen“ Bezugs auf das Proletariat, nicht nur dessen ideologische Vereinnahmung zu verwerfen, sondern eben auch schlechterdings die Agitation.
Wie auch immer. Es ist ersichtlich, dass beide Positionen nicht auf die konkreten organisatorischen Vorschläge der Bremer UG-Gruppe eingehen (s.o.). Warum nicht? – Könnte es nicht daran liegen, dass die theoretischen Auffassungen der Basisgruppe ihrer organisatorischen Tätigkeit gar nicht vorausgesetzt sind und es daher auch keinen Übergang zwischen beiden gibt? dass der Anspruch die „neue Marxlektüre“ in die Praxis umzusetzen einfach eine Aufschneiderei ist und eine Leimrute für ihre beiden „Zielgruppen“?
„Unsere Antwort richtet sich somit an zwei verschiedene Zielgruppen.“
So sprechen Werbefatzkes!
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Es gibt Diskurse, die besser passen zu den „kommunistischen Basisorganisierungen, die (…) Keimformen der neuen Gesellschaft bilden und verschiedene Teilbereiche miteinander vernetzen“(BA), besser jedenfalls als das, was die UGler selbst zusammenschreiben (Sich „an Agnoli“ anlehnen!- Kein Wunder, dass man da umkippt.):
http://www.undergrounddogs.net/phpbb/viewtopic.php?t=5767
Gegen diese Richtung wurden in letztere Zeit schwere Bedenken geäußert:
http://libcom.org/library/communisation-theory-question-fascism-cherry-angioma
Im übrigen:
Heraus zum revolutionären Ersten Mai!
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(and now for something completely different)
http://www.youtube.com/watch?v=XUMw5WZWYLo