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libelles Antikommunismus

17. März 2013

Ich habe den Hinweis auf den GSP-Artikel aus 1-13: „Zur Broschüre des Ums-Ganze-Bündnisses“ rausgenommen und in einen neuen Thread gepackt. Denn hier geht es ja offensichtlich wieder mal um libelles Begründung für seinen dezidierten Antikommunismus.

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  1. libelle
    18. März 2013, 10:51 | #1

    Schließ­lich hing davon, wie die Ar­bei­ter­schaft sich die ver­schie­de­nen For­men ihres Elends er­klärt, ab, was sie zu des­sen Über­win­dung nötig und zweck­mä­ßig fin­den würde.

    Dieser Satz macht den ideologischen Standpunkt des GSP deutlich. Die Erklärung wird in einen funktionellen Zusammenhang zur Beseitigung ausgemachten „Elends“ gestellt.
    Sicher ist es kein Fehler Sachverhalte, die man als „Elend“ identifiziert zum Ausgangspunkt des Versuches ihrer Erklärung zu machen. Falsch wird es an der Stelle, wo man von der „richtigen“ Erklärung einen Dienst an der Art Beseitigung der als „Elend“ ausgemachten Sachverhalte erwartet. Die würde sich nämlich (das „Elend“ als Missstand festgehalten) aus der Erklärung (d.h. dem Begriff der Verhältnisse) erst ergeben. Ringen um den Begriff ist dann nichts weiter als gleichzeitig zu ermitteln, welcher Umgang mit dem „Elend“ bzw. welche Handlung sich daraus ergibt.
    Hält man wie oben fest, dass die „richtige“ Erklärung auch den „richtigen“, vorab feststehenden Umgang mit den Missständen zu legitimieren habe, dann produziert man Ideologie d.h. ein Gedankengebäude, das die Welt nur als Dienst an Revolution oder Reform „erklärt“. Dann ermittelt man keinen Begriff der Verhältnisse mehr, wobei der GSP umd UG an der Stelle sich sehr wahrscheinlich einig sind, weshalb das in den wechselseitigen Kritiken nicht thematisiert werden dürfte. Gemeinsam sind sie eben der Auffassung, dass ihre Ergüsse der Revolution dienen sollen. Sie streiten sich nur darum, wie das richtig ginge.

  2. 18. März 2013, 12:35 | #2

    Nein, libelle, aus dem von dir zitierten Satz kann man einen „ideologischen Standpunkt des GSP“ *nicht*ablesen:
    Daß im 19.Jahrhundert die meisten Arbeiter ihre Lebenssituation als „Elend“ bezeichnet haben würden, soll hier erst mal vorausgesetzt werden (obwohl es sicher auch damals nur eine relativ kleine Schicht gewesen sein könnte, die das subjektiv auch so gesehen hat). Sicherlich gab es damals aber wie heute die unterschiedlichsten Auffassungen darüber, was jeweils zur „Überwindung“ der bestimmten „Formen“ ihres „Elends“ nötig bzw. zweckmäßig war. Und wie immer folgt ein Therapievorschlag einer Diagnose. In der Medizin hat es jahrhundertelang falsche weil unkundige Disgnosen gegeben und dementsprechend jahrhundertlang Quacksalberei.
    Du selber konzediertst, daß man sich die „Sachverhalte“ anschauen muß und „zum Ausgangspunkt des Versuches ihrer Erklärung“ machen müsse. In diesem grundlegend vernünftigen Ansatz gibt es aber gar keinen Dissens. Und ja, ich erwarte mir auch bei allem und jedem von einer richtigen Erklärung (einer, die dem Sachverhalt wirklich gerecht wird und nicht als äußere Elle daran gelegt wird, also ohne relativierende Anführungsstriche), daß sie einen „Dienst an der Beseitigung“ des unerwünschten Sachverhalts leistet. Jedenfalls bei Sachen, die überhaupt geändert werden können. Manche Sachverhalte entziehen sich einfach menschlicher Beeinflussung (UV-Strahlung der Sonne kann nicht in der Sonne abgestellt werden, sondern „nur“ durch Filter ex post unschädlich gemcht werden).
    Es stimmt doch gar nicht, daß mit so einem Ansatz automatisch verbunden wäre, das „Ringen um den Begriff“ von hinten her zu führen, nämlich nur von den Handlungen her, die sich aus dem Begriffenen ergeben (müßten).
    Deshalb ist dein abschätziges Urteil, daß die richtigen Erklärungen nur den angeblich „vorab schon feststehenden Umgang mit den Mißständen zu legitimieren habe“ offensichtlich selber ein Beispiel für das von dir dem GSP vorgeworfene Verhalten: Weil *du* keine Revolution magst, da stehst du ja wahrlich nicht allein, verwirfst du interessiert als „Ideologie“ einen Begriff des Elends, so wie ihn Revolutionäre entwickelt haben.

  3. libelle
    18. März 2013, 13:24 | #3

    Man hat weder mit dem Heft von UG, noch mit der Kritik daran vom GSP irgend ein Dokument vor sich, dem es um die bloße Beschreibung der Lebenssituation der Arbeiter im 19. Jhd., um ihre Selbstauffassung als Arbeiterklasse etc.. geht, sondern die Geschichte wird zustimmend zitiert, weil man sich auch heute noch an den Kämpfen, die es zwar nicht mehr gibt, die für Marx und Engels aber ‚selbstverständlicher Bezugspunkt’ ihres gesellschaftsverändernden Wirkens waren, zwecksetzend orientieren soll. Allein deshalb werden sie zitiert und in dieser Perspektive auf die Welt sind sich UG und der GSP einig und das ist ihre ideologische Stellung zur Welt.
    Diese Perspektive setzt wesentlich mehr als „selbstverständlich“ voraus, als bloß den Umstand, dass das, was jemand denkt sein Handeln leitet. Da sind die Menschen, die da handeln sollen schon bestimmt, nämlich als Arbeiter und Kapitalisten, d.h. als Angehörige miteinander um den Anteil am gesellschaftlichen Reichtum kämpfender Klassen. Ob dieser Kampf angesichts des Ansinnens „Beseitigung von Elend“ (was auch immer man darunter versteht) überhaupt Sinn macht ist weder für UG, noch für den GSP eine Frage, sondern das ist ihr gemeinsames theoretisches Feld, dem sie mit ihrer Theorie zu entsprechen meinen..
    Unabhängig davon ist es schon ein Fehler das eigene theoretische Treiben dem Dienst an der Änderung des Denkens anderer Menschen zu unterwerfen. Auch das ist Ideologie.
    Was man denkt, hat ganz wesentlich seinen Grund darin, dass man in gesellschaftlichen Verhältnissen lebt. Also äußert man diese Gedanken auch in ihr und hat so an ihr teil. Was dann passiert, hat man nicht in der Hand und wenn man da irgendwas erzwingen will, schadet man (zunächst) bloß den eigenen Gedanken, auf größerer Stufenleiter nicht nur denen.

    Du selber konzediertst, daß man sich die „Sachverhalte“ anschauen muß und „zum Ausgangspunkt des Versuches ihrer Erklärung“ machen müsse.

    Man muss überhaupt nichts, was Du daran siehst, dass viele das nicht machen.

    Und ja, ich erwarte mir auch bei allem und jedem von einer richtigen Erklärung (einer, die dem Sachverhalt wirklich gerecht wird und nicht als äußere Elle daran gelegt wird, also ohne relativierende Anführungsstriche), daß sie einen „Dienst an der Beseitigung“ des unerwünschten Sachverhalts leistet. Jedenfalls bei Sachen, die überhaupt geändert werden können.

    Woher weißt Du denn, dass Du die Gesellschaft ändern „kannst“. Ich würde sagen, das Du das gerade nicht kannst! Schließlich haben die anderen Menschen genau so einen Willen wie Du, der nur aus sich selbst heraus entscheidet, ob er sich irgend eine Vorstellung über die Gesellschaft zu eigen macht oder nicht. Da ist Schutz vor UV-Strahlung leichter.

    Es stimmt doch gar nicht, daß mit so einem Ansatz automatisch verbunden wäre, das „Ringen um den Begriff“ von hinten her zu führen, nämlich nur von den Handlungen her, die sich aus dem Begriffenen ergeben (müßten).

    Doch, das ist zwingend damit verbunden, weil irgend ein Sachverhalt, unter dem man leidet und den man vielleicht nicht möchte selbst als dieser Sachverhalt wie auch der Wunsch zu seiner Änderung Untersuchungsgegenstände sind, wenn man sich daran macht seinen Begriff zu ermitteln. Im Fall der Gesellschaft ist man also selbst immer mit Gegenstand, wenn man keine Ideologie produzieren will, weil das Interesse, mit dem man sich auf die gesellschaftlichen Gegenstände wendet selbst aus der Gesellschaft kommt.

    Deshalb ist dein abschätziges Urteil, daß die richtigen Erklärungen nur den angeblich „vorab schon feststehenden Umgang mit den Mißständen zu legitimieren habe“ offensichtlich selber ein Beispiel für das von dir dem GSP vorgeworfene Verhalten: Weil *du* keine Revolution magst, da stehst du ja wahrlich nicht allein, verwirfst du interessiert als „Ideologie“ einen Begriff des Elends, so wie ihn Revolutionäre entwickelt haben.

    Tja der Begriff des Elends, der ist nochmal eine Sache für sich. Das haben wir ja schon reichlich thematisiert. Erstens meinen Bürger, wenn sie Elend sagen etwas anderes als GSPler und zweitens meinen GSPler mit dem Kampf gegen das ausgemachte Elend keineswegs „Wohlergehen“ der Menschen, weil sie die ja in einen Kampf schicken wollen. Außer Masochisten und Leute, die ihre sonstigen Bedürfnisse dem, was sie theoretisch für geboten halten, opfern, ergeht es da niemandem wohl. Das Elend der GSPler (und sonstiger Kommunisten) ist dann wohl eher das Leiden daran, dass ihre Ratschlüsse nicht gesellschaftlich gültig sind, in das sie das bürgerliche Elend übersetzt haben.

  4. Kim B.
    18. März 2013, 18:00 | #4

    @Libelle
    Wenn man, wie du, Elend, ähnlich wie die Knappheit in der VWL, tatsächlich als einen dogmatischen Begriff des GSP oder der Kommunisten setzt, mit dem gesellschaftliche Phänomene erklärt und von dem politisches Handeln abgeleitet würde, hättest du recht. Nur ist das eine unbewiesene Unterstellung deinerseits und aus dem Text nicht abzuleiten.
    Du scheinst ja, wie ich aus deinen entsprechenden Andeutungen schließe, davon auszugehen, dass es so etwas wie Elend in unserer schönen, neuen Welt als Massenerscheinung nicht gibt. Wenn schon, willst du den Begriff relativiert wissen. Aber es gibt kein objektives Maß für Elend und deshalb würden wir uns nie einig. Ich, und ich denke, auch der GSP, orientieren sich am gesellschaftlich Konkreten: dass die Lohnarbeiter (zu denen auch ich gehöre) zur Arbeit gezwungen und die Arbeitsbedingungen ziemlich ungemütlich sind, dass die Masse der Lohnarbeiter arm war und trotz einer gewaltigen Zunahme des gesellschaftlichen Reichtums weiter arm ist und immer arm bleiben wird, dass die Lohnarbeiter 67 Jahre lang ihre Gesundheit ruinieren müssen und dann ziemlich bald sterben. Das ist m. E. in dieser Kürze schon eine angemessene und ausreichende Indikation des Elends und eigentlich Grund genug für die Lohnarbeiter, ihren Status als deutsche Bürger aufzukündigen (was ich schon getan habe). Um Wahrheit also und nicht Ideologie handelt es sich, und ich glaube, dass nicht nur du als braver deutscher Bürger, sondern auch die meisten Linken das bis heute nicht verstanden haben.
    Kim

  5. libelle
    19. März 2013, 10:07 | #5

    @Kim:

    Du scheinst ja, wie ich aus deinen entsprechenden Andeutungen schließe, davon auszugehen, dass es so etwas wie Elend in unserer schönen, neuen Welt als Massenerscheinung nicht gibt.

    Du kannst nicht einerseits sagen, Elend wäre kein richtiger Begriff und andererseits damit etwas bezeichnen wollen, von dem ich behaupten würde, dass es das in der Welt nicht gäbe. Damit forderst Du nur meine Nachfrage heraus, was Du denn nun mit Elend meinst?

    Wenn schon, willst du den Begriff relativiert wissen.

    Nein, ich will ihn wenn schon erklärt haben, damit darüber gestritten werden kann. Ich kann auch nichts relativieren, von dem überhaupt nicht klar ist, was es genau sein soll.

    Aber es gibt kein objektives Maß für Elend und deshalb würden wir uns nie einig.

    Dann gibt es über dieses Elend auch nichts zu sagen.

    Ich, und ich denke, auch der GSP, orientieren sich am gesellschaftlich Konkreten: dass die Lohnarbeiter [..] zur Arbeit gezwungen und die Arbeitsbedingungen ziemlich ungemütlich sind, dass die Masse der Lohnarbeiter arm war und trotz einer gewaltigen Zunahme des gesellschaftlichen Reichtums weiter arm ist und immer arm bleiben wird, dass die Lohnarbeiter 67 Jahre lang ihre Gesundheit ruinieren müssen und dann ziemlich bald sterben.

    Naja … zur Arbeit gezwungen wird man immer dann, wenn man sie nicht will. Will man sie, wird man nicht mehr dazu gezwungen usw.. Das hat auch wenig Objektivität. Gemütlichkeit ist gleichfalls eine subjektive Kategorie. Was dem einen gemütlich, ist dem anderen eine Qual. Das gehört also wirklich alles in die Rubrik „Elend“, d.h. in die subjektive Wahrnehmung dieser Gesellschaft als Belastung.
    Was anderes ist es, wenn man bestimmt, was der Reichtum in dieser Gesellschaft ist und in welchem Verhältnis die Leute dazu stehen. Da sind die meisten tatsächlich arm d.h. der Reichtum, den diese Gesellschaft hervobringt, steht ihnen nicht oder nur nach Maßgabe ihrer ökonomischen Funktion, auf die sie reduziert werden, zur Verfügung. Lohnarbeiter verfügen also im Lohn gerade mal über den Reichtum sich als Lohnarbeiter zu reproduzieren; ihre Lebenszeit stellen sie größtenteils fremden Zwecken, nämlich der Akkumulation von Kapital zur Verfügung und ihre Gesundheit wird dabei verbraucht. Das stimmt alles.
    „Bald sterben“ ist dann wieder eine Ausmalung dieser Tatsachen in subjektiven Farben, denn woran misst Du das „bald“? Am biologischen Potential, also bei etwa 120 Jahren; an der Lebenerwartung historischer Gesellschaften, nach der Lohnarbeiter biblisches Alter erreichen? An dem, was sich ein Lohnarbeiter so wünscht? Da erklärt sich das „bald“ schon (d.h. dass dieser subjektive Blick auf das eigene Leben wahrscheinlich nicht all zu selten ist), weil das Alter die Zeit ist, die dem Lohnarbeiter für sich selbst bleibt und da hat er zu tun noch ein paar Jahre halbwegs gesund verbringen zu können.

    Das ist m. E. in dieser Kürze schon eine angemessene und ausreichende Indikation des Elends und eigentlich Grund genug für die Lohnarbeiter, ihren Status als deutsche Bürger aufzukündigen (was ich schon getan habe). Um Wahrheit also und nicht Ideologie handelt es sich, und ich glaube, dass nicht nur du als braver deutscher Bürger, sondern auch die meisten Linken das bis heute nicht verstanden haben.

    „Ideologie“ ist kein Synonym für „falsch“, weshalb das Aufzählen von (ein bisschen subjektiv eingefärbten) Wahrheiten aus dem Kapital kein Einwand gegen den Ideologievorwurf ist. Jemand, der ideologisch denkt, der ordnet seine Gedanken einem Interesse unter, das er durch seine Gedanken bestätigt (oder legitimiert) haben will. Und der nimmt auch nur mit einem Blick seine theoretischen Gegenstände wahr, der diesem Interesse entspricht.
    Dem ist es auf der anderen Seite aber gerade recht, wenn er zu diesem Zweck Wahrheiten bemühen kann. Ideologie zu produzieren heißt also sich in einem Widerspruch zu bewegen, nämlich dem einerseits seiner Theorie ein Ergebnis vorauszusetzen – das Interesse – und andererseits dieses Interesse mit Theorie (also Aussagen, die beanspruchen wahr zu sein) zu bestätigen. Das ist auch bei den meisten Leuten kein bewusster Akt, sondern die unterstellen ihr Interesse ihrer Theorie als nicht weiter zu hinterfragende Selbstverständlichkeit, also als Axiom und dann fangen sie an zu „erklären“.
    Wieviel von der Ideologie dann wahr ist, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die Bestätigung des/ oder der Dienst am Interesse zum Begriff stehen. Und da ist es bei Marx & Co. so, dass die Ablehnung dieser Gesellschaft und der Wunsch sie zu bekämpfen auf ganz viele wahre Missstände (Widersprüche) verweisen kann. Marx hat sich teilweise über diese interessierte Art zu argumentieren, wie sie z.B. der Gegenstandpunkt drauf hat, erhoben. Der war tw. wirklich ein Mann der Wissenschaft.
    Was Marx (und auch der GSP) aber nicht bewiesen haben, was sie unhinterfragt ihrer Theorie voraussetzen, ist ihr Interesse, die Gesellschaft zu bekämpfen. Und das kritisiere ich, weil es den Ausgangspunkt, den man z.B. auch als Kommunist hat – diese Gesellschaft befriedigt nicht die Bedürfnisse, die sie hervorbringt (was man subjektiv als Elend ausmalen kann) – negiert, denn in dem Kampf, den Kommunisten vor haben, wird ja erst recht kein Bedürfnis befriedigt, sondern den kann man sich subjektiv dann auch wunderbar als „Elend“ ausmalen. Der Weg, den die haben, (Marx hat das noch versucht zu begründen, also ein Stück falsche Ideologie produziert), passt also nicht zum Ausgangspunkt.
    Im Moment schaden Kommunisten damit nur sich selbst – nämlich ihren Gedanken, die eben Ideologie d.h. mangelhaft (im obigen Sinn) sind. Bekommen sie Macht (die sie anstreben – ein Fehler), verteilen sie etwas, das ich subjektiv Elend nennen würde. Was das ist, kann man an den Kommunisten in Aktion in der Geschichte studieren.

  6. Kim B.
    19. März 2013, 14:36 | #6

    @libelle

    „Nein, ich will ihn wenn schon erklärt haben, damit darüber gestritten werden kann. Ich kann auch nichts relativieren, von dem überhaupt nicht klar ist, was es genau sein soll.“

    Ich wollte ja eben klar machen, dass Elend als dogmatischer Begriff nichts taugt, sozusagen als Axiom als Grundlage einer Lehre dient, von dem sich Sätze und ganze Theorien ableiten lassen. Materialisten können mit Axiomen nichts anfangen, sie halten sich an die Realität und untersuchen die Gegenstände und Zustände unter diesem Gesichtspunkt. Marx untersucht in seiner Kritik der politischen Ökonomie nicht das Elend, sondern die realen Phänomene die diese spezielle Produktionsweise hervorbringt, die Ware, den Wert, das Geld, das Kapital.
    Dennoch, auch Elend ist ein kapitalistisches Phänomen, Zustand und Resultat der kapitalistischen Produktionsweise, der die meisten Menschen auf der Welt, in den kapitalistischen Ländern die Lohnarbeiter betrifft. Elend heißt Armut, Not Zwang, Krankheit. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Wenn du halt davon überzeugt bist, dass dieser Zustand nicht existiert, dann ist das eben deine Meinung, und insofern tatsächlich ein Axiom, weil es die Realität leugnet. Und weil für dich ein Axiom ist, dass es Massenelend nicht gibt, möchte ich sowenig darüber mit dir streiten wie mit einem Gläubigen, der an den lieben Gott glaubt.

    „Naja … zur Arbeit gezwungen wird man immer dann, wenn man sie nicht will. Will man sie, wird man nicht mehr dazu gezwungen usw.. Das hat auch wenig Objektivität.“

    Ich habe nicht behauptet dass die Lohnarbeiter zur Arbeit gezwungen werden, sondern gezwungen s i n d. Mit der Verwechslung der Hilfsverben bringst du zwei Gesellschaftsformationen, Sklavenhaltertum und Kapitalismus, durcheinander. Kaum ein Lohnarbeiter sucht sich seinen Arbeitsplatz aus, aber jeder von ihnen ist gezwungen, egal unter welchen Bedingungen, einen anzunehmen, wenns um seine Existenz geht.

    „Gemütlichkeit ist gleichfalls eine subjektive Kategorie. Was dem einen gemütlich, ist dem anderen eine Qual. Das gehört also wirklich alles in die Rubrik „Elend“, d.h. in die subjektive Wahrnehmung dieser Gesellschaft als Belastung.“

    Bezüglich der Gemütlichkeit an den Arbeitsplätzen erinnere ich an überwachte Großraumbüros, gemeine Vorgesetzte, zugige, laute Fabrikhallen, Arbeitshetze und Stress, Angst vor Entlassung ….

    „Bald sterben“ ist dann wieder eine Ausmalung dieser Tatsachen in subjektiven Farben, denn woran misst Du das „bald“? Am biologischen Potential, also bei etwa 120 Jahren; an der Lebenerwartung historischer Gesellschaften, nach der Lohnarbeiter biblisches Alter erreichen? An dem, was sich ein Lohnarbeiter so wünscht?“

    Gehen wir bezüglich des Lebensalters statt vom Potential von Fakten aus, dann liegt das durchschnittliche Lebensalter gering verdienender Lohnarbeiter heute 75,5 Jahren. Da deren Renten bei 700 Euro und weniger liegen und sie dazu meistens ziemlich krank sind, dürfen sich diese Lohnarbeiter nach 67 Jahren wenigstens auf einen kurzen, wenn auch ungemütlichen Lebensabend freuen.
    Das alles richtet sich gegen die Interessen der Lohnarbeiter und ist, wie gesagt, eigentlich schon Grund genug für diese (und weniger für den GSP oder die Kommunisten), um dieses System zu hassen und es zum Teufel zu jagen. Es geht doch nicht, wie du es unterstellst, um einen Kampf von GSP und Kommunisten gegen den Kapitalismus aufgrund einer, deiner Meinung nach, unhinterfragten Theorie, sondern um das konkrete Elend der Mehrheit der Lohnarbeiter seit nunmehr 200 Jahren. Die selbst müssen wollen und sie selbst haben ja auch nur die Mittel dazu in der Hand, sich davon zu befreien. GSP und Kommunisten können dabei nur die entsprechende Aufklärung betreiben.
    Wer allerdings axiomatisch meint, dass es kein Elend gibt, wem es egal ist, ob Lohnarbeiter innerhalb von 8,5 Jahren nach einem zerstörerischem Arbeitsleben verrecken, der beruft sich lieber auf seine Überzeugung, dass Kommunisten und GSP Ideologen sind und erspart sich damit zugleich die Anstrengung, nachzuforschen, warum der Kapitalismus es immer noch nicht nicht fertig gebracht hat, die gesamte Menschheit ausreichend zu versorgen und nun schon seit über 200 Jahren Hand in Hand mit der Armut geht.
    Kim

  7. 19. März 2013, 15:04 | #7

    Ich weiß nicht, was das soll, Kim, libelle vorzuhalten, ja vorzuwerfen, der würde die mißlichen Lebensumstände, die anfangs recht grob unter „Elend“ subsumiert wurden, leugnen, oder daß es ihm „egal ist, ob Lohnarbeiter innerhalb von 8,5 Jahren nach einem zerstörerischem Arbeitsleben verrecken“. Die Ruinierung der durchschnittlichen Arbeiterexistenz durch das Erwerbsleben lange arbeiten müssen, hat er doch selber angeführt.
    Darum geht der Streit doch gar nicht.
    Und ich glaube auch, daß du ihm und dem Kapitalismus unrecht tust, wenn du libelle vorwirfst, sich die Anstrengung zu ersparen, „nachzuforschen, warum der Kapitalismus es immer noch nicht nicht fertig gebracht hat, die gesamte Menschheit ausreichend zu versorgen“. Schon eine recht kurze oberflächliche Analyse ergibt doch, daß es im oder dem Kapitalismus darum überhaupt nicht geht. Daß Reichtum Hand in Hand mit der Armut derer einhergeht, die ihn produzieren müssen, ist auch schnell festgestellt und wird wohl kaum von libelle bestritten werden.

  8. libelle
    20. März 2013, 10:19 | #8

    1) Nochmal eine Fortsetzung des Ideologiethemas, die sich hier anbietet. Du schreibst:

    Materialisten können mit Axiomen nichts anfangen, sie halten sich an die Realität und untersuchen die Gegenstände und Zustände unter diesem Gesichtspunkt.

    Dass wir beide vor der selben Wirklichkeit stehen, davon gehe ich aus. Das ist also ein Axiom, das man – denke ich mal – nicht beweisen kann, weil wir nur die Gedanken, die wir über diese Wirklichkeit haben zueinander ins Verhältnis setzen können. Ich bin also in dieser Frage nicht das, was Du einen Materialisten nennst – egal.
    Und diese Gedanken über die Wirklichkeit nennen die Leute dann „die Realität“ und behaupten davon, dass sie sowas wie ein schlagendes Armument sei. Dass sie das nicht ist, kann man bei W. Dilthey, K. Mannheim etc.. nachlesen, wenn man sich dafür interessiert. Diese „Realität“ ist nämlich nur das, was ein Mensch mit einem bestimmten Interesse von der Wirklichkeit wahrnimmt; was er also mit diesem Interesse an theoretischen Gegenständen auszeichnet. Insofern ist erst einmal festzuhalten, dass es so viele „Realitäten“ gibt, wie es Interessen gibt sich zum Zweck der Bewusstseinsbildung auf die Wirklichkeit zu wenden.
    Wenn ich Dein Zitat (und den ersten Absatz Deines Beitrages) von oben nochmal damit konfrontiere, merkt man, dass mit dem Realitätsargument eigentlich Dein Interesse transportiert werden soll. Man soll die „Realität“ als unabweisbares Argument auffassen, sich mit den Gegenständen, die Dein Interesse aus der Wirklichkeit entnommen und in die „Realität“ einsortiert hat, zu befassen und darüber das Interesse übernehmen. Das ist (bewusst oder unbewusst) manipulativ und das klappt meistens nicht, weil die Leute ihr Bewusstsein entlang der Interessen bilden, die sie haben (und aus diesem Bewusstsein heraus fassen sie auch mal neue usw…) .
    Um das nochmal zu sagen: damit ist noch nichts darüber gesagt, ob es die Gegenstände Deiner „Realität“ gibt, ob Du sie richtig oder falsch erklärst, ob die Abstraktionen, die Du vornimmst überhaupt eine Begriffsermittlung zulassen etc…
    Und mit seinem Interesse und seiner „Realität“ denkt sich der Mensch dann, wenn er die „Realität“ mit der Wirklichkeit identifiziert, wie im Wörterbuch: „Ha, in so einer Welt lebe ich also!“. Und nochmals: wenn er sich nichts Falsches gedacht hat, hat er damit insofern recht, als dass es die Phänomene seiner „Realität“ alle gibt und er einen Begriff davon hat. Falsch wird es erst, wenn er sagt, die Wirklichkeit sei seine „Realität“, nur weil er seine „Realität“ für die Wirklichkeit hält. Jemand der den letzten Fehler macht, der fragt sich anhand anderer „Realitäten“ nicht nach dem Interesse, das sie konstituiert, sondern der verurteilt sie als unreal, als Spinnerei, worin die Aufforderung steckt, sich doch der „Realität“ zu stellen.
    Und auch das ist ideologisches Argumentieren, weil das Interesse, das Konstituens der „Realität“ bei dieser Art Auseinandersetzung, ja völlig außen vor ist.
    Wie argumentiert jemand, der so denkt (d.h. wie argumentierst Du)?
    2) Na so, dass er die „Realität“ möglichst eindrücklich beschreibt und bebildert, um den Leuten möglichst den selben Schuh drücken zu lassen, der ihm gerade drückt. Naja und dann kommen eben die üblichen Bebilderungen heraus, die man von Kommunisten so kennt. Da könnte man wirklich einen eigenen Klemperer drüber schreiben („Elend“, „Not“, „Leid“, „Mühsal“, „Krank“ – alles die Gesellschaft betreffend keine Begriffe, sondern echte Fremdschuhdrücker. ). Da haben dann die Leute im Kapitalismus nur noch 3 Beschäftigungen (hungern, leiden und sterben) und seine Bestimmungen dienen nur als Transportmedium der Beschreibung der Zerrüttung dieser Welt.
    Man hat ja kein Argument, also erzeugt man möglichst bedrückende Schilderungen. Und das ist das, was Du tw. machst bzw. was Deine Beiträge färbt. Siehe z.B. hier:

    Bezüglich der Gemütlichkeit an den Arbeitsplätzen erinnere ich an überwachte Großraumbüros, gemeine Vorgesetzte, zugige, laute Fabrikhallen, Arbeitshetze und Stress, Angst vor Entlassung …

    Einfach gemein, dieser Kapitalismus. Der kriegt was auf die Fresse, oder?
    Und dann fangen sie an, daraus Begriffe zu machen, tun so, als wären ihre subjektiven Befindlichkeiten („Leid“, „Mühsal“, „Elend“) eine Bestimmung der Arbeit, der Gesellschaft etc… Daran sieht man den Schaden, den solche Leute ihren Gedanken zufügen.
    Ich weiß, dass im Kapitalismus Leute sterben, dass auch welche verhungern und das notwendig etc.. Dennoch bin ich nicht so vernagelt, ihnen als Therapie gegen die Pest die Cholera (die Revolution Marke Klassenkampf) zu empfehlen, ihnen zu sagen, dass sie es mal mit ein bisschen Hass auf die Verhältnisse versuchen sollen. Was soll denn daraus folgen?

  9. Kim B.
    20. März 2013, 14:40 | #9

    @neoprene
    Ursprünglich ging es, wenn ich libelles Kritik richtig verstanden habe, darum, dass der GSP, statt das Elend zu erklären, die Erklärung „in einen funktionellen Zusammenhang zur Beseitigung ausgemachten „Elends“ stellt. Er wirft, plump gesagt, GSP und UG vor, dass sie sich unter Elend irgendetwas zusammengeschustert haben, um daraus einen Anspruch ableiten, diese Gesellschaft revolutionär zu beseitigen und dass, so meint er, sei Ideologie, weil jene ihre zusammengeschusterte Begrifflichkeit von Elend dann als Rechtfertigung für ihre Erklärungen heranzögen. Der Begriff Elend wird dann quasi zum Axiom.
    In libelles Gedankenwelt ist Elend nicht real, sondern ein mehrdeutiger Begriff. Libelle reicht es nicht aus, unter Elend Mangel, Not, Krankheit, Kälte, Hunger usw. zu verstehen. Libelle reicht das Faktum nicht aus, dass 1/5 Milliarden Menschen auf der Welt hungern, etwa 25.000 jeden Tag sterben, dass in Deutschland ungefähr ein Viertel der Bevölkerung mit ein paar hundert Euro zurecht kommen muss, dass in Deutschland die Mehrzahl Lohnarbeiter sich gerade mal reproduzieren kann. Libelle erwartet aber von GSP und UG eine quasi wissenschaftlich korrekte Erklärung von Elend, die ihre Ansicht über die Notwendigkeit einer Revolution rechtfertigte und somit keine Ideologie mehr wäre. Aber libelle weiß natürlich, und das ist das unredliche, dass es die in der bürgerlichen Welt nicht gibt, weil sich da ja jeder sein eigenes Werturteil, auch der bürgerliche Wissenschaftler, über Elend bilden kann. Dann ist für ihn Elend zwar nicht erklärbar aber immerhin in seinen Augen keine Ideologie mehr.
    Libelle will, wie die bürgerliche Wissenschaft und Politik, die das Elend als in ein Gerechtigkeits- oder Verteilungsproblem verfabeln, das Elend als Faktum nicht hinnehmen. Das macht er ja zur Genüge mit seinen relativierenden Aussagen deutlich. Wenn er das Alterselend in die biologisch potentielle oder biblische Lebenserwartung verfabuliert, dann wird deutlich, dass er nicht vom Faktum selbst ausgehen will, sondern nur irgendwelche „unideologische“ subjektive Einstellungen gelten lassen will.
    „Daß Reichtum Hand in Hand mit der Armut derer einhergeht, die ihn produzieren müssen, ist auch schnell festgestellt und wird wohl kaum von libelle bestritten werden.“
    Das bestreite ich allerdings. Erst einmal glaubt ja nicht nur libelle sondern alle Bürger bis in die antikapitalistische Linke hinein, dass es den Lohnarbeitern in den entwickelten kapitalistischen Staaten eigentlich nicht so schlecht geht. Und zweitens glaube ich kaum, dass „schnell festgestellt“ ist, „daß Reichtum Hand in Hand mit der Armut derer einhergeht, die ihn produzieren müssen“, denn um festzustellen, dass die Armut immer zugleich Resultat der Produktion von Reichtum ist, muss man die Werttheorie zumindest halbwegs verstanden haben. Von der bürgerlichen Öffentlichkeit und Wissenschaft lernt man das auf jeden Fall nicht. Und falls Libelle tatsächlich klar wäre, dass Armut und Elend immer Resultat kapitalistischer Produktion sind und bleiben, wäre er nicht auf folgende Quintessenz seiner Überlegungen gekommen:
    „Bekommen sie Macht (die sie anstreben – ein Fehler), v e r t e i l e n sie etwas, das ich subjektiv Elend nennen würde. Was das ist, kann man an den Kommunisten in Aktion in der Geschichte studieren.“ (Hervorhebung von mir)

  10. Kim B.
    20. März 2013, 14:50 | #10

    @ libelle
    Du unterstellst den Kommunisten Ideologie. Frage: wie schätzt du deine Beiträge über Machtgeilheit, Vernageltheit und andere bekannte Kennzeichnungen von Kommunisten ein?
    Kim

  11. libelle
    20. März 2013, 15:16 | #11

    @Kim Antwort:
    1) Sag‘ mal, worin ich meine, dass die Vernagelung von Kommunisten bestünde. Dann können wir darüber reden, ob ich damit ein Interesse ideologisch legitimiere, oder ob Kommunisten jeglicher Kritik einfach ein schlechtes Interesse unterstellen, mit dem die Kritiker aus ihrer Sicht nur hinter dem Berg halten.
    2) Für machtgeil halte ich Kommunisten nicht. Macht ist ein notwendiger Baustein bei dem, was sie vor haben und dafür kritisiere ich sie in den entsprechenden Beiträgen.
    Aber: vielleicht bringt man die Diskussion (die eine über Ideologie ist, über kommunistische Ideologie) morgen dann wieder dem Eingangstext näher.
    Übrigens, was Kommunisten mit ihrer Revolution v e r t e i l e n (Hervorhebung von Dir) sind einfach Opfer. Tu‘ doch nicht so, als hätte es die ganzen Revolutionen des 20 Jhd nicht gegeben! M i l l i o n e n (Hervorhebung von mir) Leute sind an der kommunistischen Rettung der Welt krepiert. Das braucht kein Mensch, der auf seine Bedürfnisse wert legt.

  12. Kim B.
    20. März 2013, 17:04 | #12

    libelle Nachfragen:
    Nun gut, dann hältst du eben Kommunisten nicht für machtgeil und vernagelt, sondern für welche, die die Macht anstreben und den „Wunsch haben die Gesellschaft zu bekämpfen“.
    Das wesentliche meiner Frage hast du aber nicht beantwortet. Deshalb noch einmal anders und allgemeiner gefragt: Wie würdest du unter dem Ideologiegesichtspunkt den Inhalt deiner Beiträge hinsichtlich deiner Kritik am GSP und am Kommunismus allgemein einschätzen?
    „Übrigens, was Kommunisten mit ihrer Revolution v e r t e i l e n (Hervorhebung von Dir) sind einfach Opfer. Tu‘ doch nicht so, als hätte es die ganzen Revolutionen des 20 Jhd nicht gegeben! M i l l i o n e n (Hervorhebung von mir) Leute sind an der kommunistischen Rettung der Welt krepiert. Das braucht kein Mensch, der auf seine Bedürfnisse wert legt.“
    Ne, libelle, was da früher abgelaufen ist, schweig‘ ich nicht tot. Nur, was hab ich damit zu tun? Ich hab doch keine Millionen umgebracht. Da musst du schon die entsprechenden Leute und Theorien kritisieren, statt mir dieses Faktum als ultimativen Knaller unter die Nase zu reiben.
    Allerdings halte ich deine Definition von Elend für sehr interessant: Elend = Opfer. Deshalb noch eine Frage: Gilt diese, deine subjektive, Definition von Elend nur in Bezug auf den Kommunismus oder auch allgemein?
    Kim

  13. libelle
    21. März 2013, 09:25 | #13

    @Kim
     

    Das wesentliche meiner Frage hast du aber nicht beantwortet. Deshalb noch einmal anders und allgemeiner gefragt: Wie würdest du unter dem Ideologiegesichtspunkt den Inhalt deiner Beiträge hinsichtlich deiner Kritik am GSP und am Kommunismus allgemein einschätzen?

     
     
    Das ist ein Themenwechsel, weil Du Dich danach erkundigst, was mein Interesse an der Theorie von Kommunisten ist. Abgekürzt kann man das so fassen: Jemand, der sich dafür interessiert, in was für einer Welt er lebt, der stolpert irgendwann über Marx und den Kommunismus. Das hat attraktive Seiten d.h. da gibt es eine Menge Angebote an das Bedürfnis zu Wissen, wie die Gesellschaft funktioniert. Gleichzeitig fühlt man sich mit diesem Bedürfnis bei Kommunisten nicht wohl, weil die eben etwas anderes vor haben, als die Welt zu erklären und aus dieser Erklärung (mit offenem Ergebnis) Konsequenzen zu ziehen. Man kann sich eine Weile vormachen, dass man das gleiche Ziel hätte, weil das, was Marx geleistet hat einfach gewaltig ist. Dann machen sich die Differenzen darüber geltend, dass man sich wechselseitig ein bisschen sperrig erscheint, das, was man wichtig findet und was nicht, nicht ganz passt. Man kann aber auch diesem Unwohlsein nachsteigen und dann kommt man eben auf den Grund dieser Differenzen  – das ist das, was ich gemacht habe.
     
    Das Ganze ist, gerade weil der Kommunismus mit seiner wissenschaftlichen Grundlage dem ganz normalen Wissensdurst etwas zu bieten hat, auch kein Prozess, den man so programmatisch abwickelt wie oben beschrieben, sondern sich selbst befreit man da aus einer Art Befangenheit im kommunistischen Denken. Du musst Dir mal überlegen, dass Tausende versucht haben, dem Zweck Revolution eine wissenschaftliche Grundlage zu geben, dass sie dabei – weil in ständiger Auseinandersetzung mit anderen Ideologien – auf alle möglichen und unmöglichen Fragen und Einwände ziemlich entwickelte Antworten zu geben haben. Sowas kritisiert man nicht im Vorbeigehen, sondern das ist – zumal wenn man es vom Ausgangspunkt der Befangenheit in dieser Ideologie macht – ein Kraftakt. Bringen tut man ihn, weil man die Gegenstände, die der Kommunismus (ideologisch) behandelt, nicht verlieren will. D.h. man will ihre ideologiefreie Erklärung und das äußert sich bei den Resultaten kommunistischer Theorie so, dass man versucht, Ideologie und Erklärung voneinander zu trennen, in den Texten die Ideologie zu identifizieren etc…
     
    So, das ist mein Interesse,  das da im Verhältnis zum Kommunismus prozessiert. Ich habe mir darüber also durchaus Rechenschaft abgelegt und verzichte auf Deine oder sonstige Kommentare bzw. steht jedem natürlich frei seinen Senf abzugeben, den ich aber nicht beantworte.
    Man kann auf jeden Fall merken, dass dieses Interesse sich in der Auseinandersetzung selbst ständig äußert, also eigentlich auch nicht erklärt werden müsste (und man kann Leute nur belächeln, die meinen der Kommunismus wäre schon nach den ersten 100 Seiten Kapital jeder Kritik enthoben und die deshalb vermuten, ich wüßte nichts von der „Werttheorie“)
    Da ich kein anderes Interesse als das habe, von meinem Ausgangspunkt aus eben zu wissen, was es mit diesem Gedankengebäude auf sich hat, ist daran auch nichts Ideologisches, weil dieses Interesse ja eines an der Theorie selbst ist. Der nächste Beitrag von mir hat dann wieder was mit dem Thema zu tun.
    edit: Und natürlich äußert sich in meiner Kritik (wie auch in der am Kapitalismus) auch die Betroffenheit meiner selbst und anderer, in die man sich hineinversetzt, von dem, was Kommunisten vorhaben. Also die Leichen, aus ihrem Programm folgen, die finde ich schon schlecht (wie die des Kapitalismus auch).

  14. 21. März 2013, 15:59 | #14

    Wie immer schön, daß „eine linke Diskussion“ sich hat anstoßen lassen (wenn auch nicht über „das angesprochene Thema“)!
    Libelle: Die Stellung zur Theorie, die du in den GS-Artikel reinliest, ist eine reine Chimäre.
    Dort steht: Es herrschten massenhaft elende Lebensverhältnisse; für alle, die das ungemütlich fanden, kam es jetzt auf die Erklärung dieser Zustände an, um zu wissen, ob/wie/was sich daran ändern kann (quasi offiziell anerkannt im Schlagwort von der „Sozialen Frage“). Für Leute, die sich dann eine Erklärung der sozialen Ursachen erarbeitet hatten, war die (sich damit abkämpfende) Arbeiterschaft Adressat, gemeinsam gegen diese anzugehen.
    Je nachdem, WAS als Grund der Pein ausgemacht wurde, kamen diese Denker auf grundverschiedene Konsequenzen, welcher Kampf zur Beseitigung wovon genau denn fällig wäre. Darüber haben sie sich dann gestritten (in der damaligen Sozialdemokratie in Form von Fraktionen, die verschiedene „Wege“ einer gemeinsamen Bewegung bevorzugten, „Reform oder Revolution“). All diese Debatten (mit ihren schlechten oder auch guten Argumenten) sind lange vorbei.
    Wo ist jetzt die Differenz zu deinen Ausführungen im Einstiegspost über Erklärung und Beseitigung von Mißständen? Jedenfalls: nix „Revolution! ist ja schon mal klar, aber warum eigentlich?“…

  15. Kim B.
    21. März 2013, 16:31 | #15

    @libelle
    Vielen Dank für deine ausführliche und ehrliche Stellungnahme. Wenn ich dich inzwischen richtig verstehe, geht es dir ja vor allem um die finsteren (Leichen, Opfer) Vorhaben der Kommunisten, obwohl du der marxschen Theorie ansonsten einiges abgewinnen kannst. Eine geschichtliche Tatsache, die deine Vermutung zu untermauern scheint, sind gewisse Unmenschlichkeiten, die von den Anhängern des Staatssozialismus begangen wurden. Sie sind für dich Beweise, das Gewalt und Mord unverbrüchlich mit dem Kommunismus verbunden sind. Dieser Schluss ist zwar komisch, weil man Fehler einiger kommunistischer Theoretiker, die aus einigen Passagen in Marx Werk, verkehrte Revolutions- und Staatstheorien entwickelt haben, kritisieren aber nicht so verallgemeinern kann, dass der Kampf für klassenlose Gesellschaft unwillkürlich zu ein unterdrückerisches System führt, in dem das Elend verwaltet wird, aber subjektiv menschlich verständlich und auf jeden Fall ein Grund, die Theorie in Frage zu stellen und zu überprüfen. Ich gehe davon aus, dass die Revolutions- und Staatstheorien, die kommunistische Theoretiker entwickelt haben, verkehrt waren und zu vermeidbaren Metzeleien geführt haben und ich denke, dass auch der GSP das so sieht. Das wird u.a. an dem Artikel der MG über die Sowjetunion deutlich, der auf dieser Seite abrufbar ist. Der Staatssozialismus dürfte für sie demnach genauso wenig ein Ziel sein wie für mich. Ich selbst als Kommunist und Lohnarbeiter habe nichts anderes vor, als mich vom Zwang als Lohnarbeiter und Bürger zu emanzipieren, ein Streben nach Macht liegt mir dabei mehr als fern.
    Wenn ich dich also richtig verstanden habe, hältst du an der kommunistischen Theorie aber irgendwie fest, aber nur dann, wenn sie ideologiefrei ist; solange sie lediglich erklärt, ginge sie in Ordnung. Ich frage mich jedoch wie das bei deinem voreingenommenen Werturteil über die Vorhaben der Kommunisten je möglich sein soll, denn schließlich kann man jede Erklärung unter diese Prämisse subsumieren. Und das machst du ja auch.
    Wenn du dem nämlich GSP vorwirfst, dass er deshalb Ideologie produziere, weil er aus seiner Definition von Elend, wie immer die auch aussehen mag, ein Gedankengebäude produziert, „das die Welt nur als Dienst an Revolution oder Reform „erklärt“`, dann ist dieses Gedankengebäude wegen deines Werturteils zwar in deiner Gedankenwelt vorhanden, nur aus dem Text lässt es sich wirklich nicht ableiten.
    Vom GSP wird ja nun gerade nicht idealisiert. Dass es Elend gibt, ist ja, wie schon festgestellt, nur eine Bestandsaufnahme oder Diagnose, und es gibt genug Quellen, um das festzustellen. Wenn ein paar Beschreibungen des Elends, für dich indes nur ein paar subjektiv gefärbte Schuhdrücker sind, machst du mit deiner Verachtung deutlich, das es für dich kein (Massen-) Elend gibt, und dann gibt es tatsächlich nichts weiter darüber zu diskutieren – dann hast du eben einen anderen Begriff von Elend.
    Allerdings dem GSP dann vorzuwerfen, auf dieser Grundlage (Elend), ob subjektiv wahr oder falsch, ein abstraktes Gedankengebäude zur Rechtfertigung des Strebens nach Macht oder Revolution zu konstruieren zu wollen, bleibt dann nur mehr eine Behauptung. Aus dem von dir kritisierten Text erschließt sich mir diese Vermutung auf jeden Fall nicht.
    Kim

  16. 21. März 2013, 16:38 | #16

    Wie immer unschön, daß sich nur „eine linke Diskussion“ hat anstoßen lassen aber nicht über „das angesprochene Thema“! Aber so ist sie halt, die „linke“ Welt. Einschließlich Paul Walter übrigens.

  17. franziska
    21. März 2013, 16:49 | #17

    Ich habe eine Zwischenfrage, bitte ignoriert sie, falls die Beantwortung aufhält: Was tritt vermittelnd zwischen das, was hier „Interesse“ (ein objektives? oder ein subjektives, ein Wunsch?) genannt wird, und die Einschätzungen der Inhaber dieser Interessen? Dass Leute sich etwas wünschen, ist eines; aber dann stellen die meisten von ihnen davon unabhängig fest, was der Fall ist, und sind dann je nachdem zufrieden oder nicht. Wenn es dennoch so etwas gibt wie ein „Sich-die-Verhältnisse-zurecht-Lügen“, dann allenfalls über eine Operation, die ich eher nicht mit Wünschen in Verbindung bringe, sondern mit einer ganz fundamentalen Strategie im Umgang mit schlecht Bekanntem oder Durchdachtem: Es ist die Beurteilung (nach, wie behauptet wird, empirisch gewonnenen, zumindest empirisch korrigierbaren Regeln), ob ein Urteil wahrscheinlich richtig ist, oder ob man (weil man sich nicht sicher ist und „zweifelt“), weiter nachforschen und nachdenken sollte (was, wie man wohl weiss, bis dahin noch nicht geschehen ist). Der Zusammenhang zum Wünschen ergibt sich naheliegenderweise so: Ist solch einer Person etwas unangenehm, ist sie vielleicht eher geneigt, der Sache auf den Grund zu gehen. Aber sicher ist es nicht einmal dann; denn Prüfen ist unangenehm, und es tritt eine erneute Schätzung ein (wieder auf „plausiblen“ Grundlagen), wieviel man mit dieser Mühe bestenfalls gewinnen wird. Oft genug entscheiden sich solche Leute dazu, eher Unangenehmes hinzunehmen, als die (vielleicht auch ungewohnte, und schon darum unangenehm anstrengende) Tätigkeit des Prüfens und der Beschäftigung mit trockener und wenig ansprechender Materie auf sich zu nehmen.
    In vielen Fällen, wo (unmittelbar) „interessierte“ Urteile unterstellt werden, scheint mir eher diese Art Umgang mit (Un)Wissen verantwortlich zu sein.
    Das gilt übrigens auch für Fälle, wo ein Prüfvorgang „vorzeitig“ abgebrochen wird, weil jemand „sich etwas einleuchten lässt“.
    Ist dieser berechnende Umgang mit Wissen, wie man ihn nennen könnte, aus eurer Sicht hier unerheblich für das Zustandekommen dessen, was ihr „interessierte“ oder auch „ideologische“ Einschätzungen nennt?
    Ganz zuletzt noch: Ich habe persönlich nicht das geringste Interesse, mein Handeln auf Fehleinschätzungen aufzubauen, und freue mich darum sehr, wenn man mich auf welche aufmerksam macht.

  18. Mattis
    21. März 2013, 21:45 | #18

    Neues aus der Welt der Wissenschaft, Teil 1:
    Weil es kein „objektives Maß“ für Elend gibt kann man auch nichts weiter darüber sagen. (libelle)
    Sagt ein Mensch, ich habe Schmerzen. Sagt ein Arzt: ich schau mal nach der Ursache. Sagt libelle: der kann die wahre Ursache nicht finden, weil der schon die Beseitigung der Schmerzen in seiner Absicht hat, also ist er befangen, er will der Realität sein Ideal von Gesundheit aufzwingen. Außerdem: Womöglich würde die Behandlung selbst gar keinen Spaß machen, sondern nur ein notwendiges Übel sein – das ist der endgültige Beweis, dass der Doktor nichts Gutes im Schilde führt. Patient geht also wieder nach Hause. Ist ja nicht weiter schlimm, schießlich gibt ja sowieso kein „objektives Maß“ für Schmerzen … und selbst wenn die Krankheit zum Tode führt, ist das doch immer noch besser, als unbequeme Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
    Neues aus der Welt der Wissenschaft, Teil 2:
    Ja, da sind also laut libelle Millionen von Menschen an der „kommunistischen Rettung der Welt krepiert“. Wo ist der wissenschaftliche Beleg des sich so wissenschaftlich gerierenden libelle, dass es sich dabei um Kommunisten handelte? Wo ist der wissenschaftliche Beleg, dass heutige Kommunisten dasselbe Programm haben?
    Gruß
    Mattis

  19. Mattis
    21. März 2013, 21:57 | #19

    Hallo franziska,
    du schreibst:

    „Ich habe persönlich nicht das geringste Interesse, mein Handeln auf Fehleinschätzungen aufzubauen …“

    Vielleicht ist genau das bei dir längst geschehen! Du setzt nämlich die Messlatte der für erforderlich gehaltenen absoluten Gewissheit von Erkenntnis so hoch, dass du diese niemals wirst erreichen können. Deine Fehleinschätzung ist, mit so einer Haltung leben und entscheiden zu können.
    Ich wette aber, dass dies gar nicht deine Alltagsmentalität ist, sondern nur eine Argumentationsstrategie gegen bestimmte Positionen, die du nicht teilst. Sonst wärst du längst verhungert. Und du hättest deinen Beitrag auch niemals absenden können – sondern hättest ihn zweifelnd noch mal gelesen, und dann zweifelnd noch mal gelesen, und dann noch mal grundsätzlich in Frage gestellt, und dann gründlich überprüft, und das bis zu dieser Minute …
    Gruß
    Mattis

  20. franziska
    21. März 2013, 22:39 | #20

    Hallo Mattis, ich spreche nicht zB. von der (alltäglichen) Notwendigkeit, Hypothesen zu bilden und zu testen, oder dass man oft noch garnicht weiss, was es alles zu wissen und bedenken gäbe; sondern von dem (im Alltagssinn) sicheren Wissen, dass man eigentlich mehr wissen bzw. nachdenken könnte und auch sollte, aber gut erprobte Regeln hat, wann man sich das sparen kann, weil man auch so schon beurteilen kann, wann etwas „wahrscheinlich“ stimmt, und wann nicht. Und zwar nicht darum weil es einem gefällt oder nicht gefällt – diese Art „geschickt“ und sehr bewusst zu urteilen, ohne Grundlagen dafür zu haben, kommt bei beiden Inhalten vor.
    Mein Alltag unterscheidet sich darum in der Tat in wichtigen Hinsichten von dem der meisten Leute, denen ich begegne oder von denen ich erfahre. Dabei geht es nicht um dauerndes Zweifeln, sondern eher darum, nicht vorschnell zu urteilen, stattdessen sorgfältig vorzugehen. Wie schon angedeutet: aus höchst praktischem Interesse.
    Auch der Alltag und die Einstellungen von „Kommunisten“ dürfte sich in einigen wichtigen Hinsichten von dem vieler anderer in ihrer Umgebung unterscheiden. Und ich dachte, dass es das war, was von libelle thematisiert wurde: Inwiefern sie sich unterscheiden, und inwiefern (möglicherweise, bedauerlicherweise, etwa indem sie „ideologisch“ urteilen) nicht.

  21. Mattis
    22. März 2013, 05:39 | #21

    Hallo franziska,
    das „ideologische“ Urteilen ist in der Tat leider der Normalfall. Nach meiner Einschätzung fällt den Menschen das objektive Denken schwer, den kritischen Leuten ebenso wie den opportunistischen. Bei beiden spielen nicht-hinterfragte Voraussetzungen eine große Rolle. Insofern sprichst du einen wichtigen Punkt an, sogar den dramatischsten Punkt im menschlichen Denken. Logischerweise hält sich jeder für selbstkritischer als die Andersdenkenden. Das ist jetzt nicht polemisch gemeint: es ist logisch deshalb, weil er andernfalls ja seinen Standpunkt bereits gewechselt hätte.
    Was hilft ist in der Tat, sich gegenseitig zu konfrontieren, denn die Andersdenkenden sehen die Schwachstellen und Widersprüche manchmal deutlicher als man selbst (was allerdings nicht heißt, dass sie diese dann auch richtig beurteilen). Die genaue Prüfung von Gegenargumenten hat bei mir jedenfalls schon zu etlichen wichtigen Korrekturen geführt. Ich hoffe natürlich, dass es keine Verschlimmbesserungen waren, die mir erst 10 Jahre später auffallen 😉
    Gruß
    Mattis

  22. libelle
    22. März 2013, 10:18 | #22

    Mattis:
    Ja, da sind also laut libelle Millionen von Menschen an der „kommunistischen Rettung der Welt krepiert“. Wo ist der wissenschaftliche Beleg des sich so wissenschaftlich gerierenden libelle, dass es sich dabei um Kommunisten handelte? Wo ist der wissenschaftliche Beleg, dass heutige Kommunisten dasselbe Programm haben?

    Kim:
    Wenn ich dich inzwischen richtig verstehe, geht es dir ja vor allem um die finsteren (Leichen, Opfer) Vorhaben der Kommunisten, obwohl du der marxschen Theorie ansonsten einiges abgewinnen kannst. Eine geschichtliche Tatsache, die deine Vermutung zu untermauern scheint, sind gewisse Unmenschlichkeiten, die von den Anhängern des Staatssozialismus begangen wurden.

    2 x die gleiche These, die von allen möglichen kommunistischen Vereinen in verschiedenen Varianten vertreten wird. Die Leichen des Gulag, die Opfer in Kolumbien, Peru, Kambodscha, in China etc… (wo immer sich kommunistisch nennende Bewegungen zur Praxis übergegangen sind), die könne man den heutigen Kommunisten nicht in kritischer Absicht vorhalten, weil heutige Kommunisten etwas anderes vorhätten als ihre historischen Vorläufer.
    Da gibt es tatsächlich Unterschiede. Es gibt also Besonderheiten solcher Bewegungen, die zu besonderer Blutrunst geführt haben (wie z.B. die Ausrottung der Intelligenz durch die Roten Khmer).
    Was heutige Kommunisten mit ihrem Verweis auf den Staatssozialismus, auf ihre Kritiken am „Realen Sozialismus“ usw. leugnen ist, dass es Gemeinsamkeiten aller kommunistischen Bewegungen gibt, die immer zu Opfern und ich füge mal provozierend an: und sonst nichts führen (das klärt sich weiter unten auf).
    Die Vorstellung, die alle Kommunisten eint, ist die der Abschaffung (mehr oder weniger) aller bürgerlichen Einrichtungen durch einen Machtkampf gegen die Kräfte, die die bürgerliche Ordnung stützen. Und dieser Machtkampf ist eine ganz und gar bürgerliche Idee, weil in bürgerlichen Verhältnissen die Durchsetzung von Interessen ja tatsächlich darüber geht, dass man um die Macht konkurriert. Diesen Zustand haben Kommunisten um ihre speziellen Alternativen der Abschaffung bürgerlicher Einrichtungen durch die Erringung der Macht in der Gesellschaft bereichert. Allerdings können sie das, weil sie mit ihrer Kündigung der ökonomischen Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft , die Gewalt dieser Gesellschaft auf den Plan rufen, eben nicht auf demokratischem Weg durchsetzen (also der Form, wie bürgerliche Parteien ihre Machtkonkurrenz abwickeln), sondern sie müssen der ganzen Gesellschaft eine Machtfrage stellen.
    Subjekte sind Kommunisten, soweit sie es hinbekommen sich eine Machtbasis zusammenzuagitieren bis zu dieser Stelle. D.h. diese Machtkonkurrenz können sie als gesellschaftlichen Zustand tatsächlich mit ein bisschen historischem Glück einrichten (und das haben sie hin & wieder auch – siehe die obigen Beispiele). Dann endet ihr Subjektsein abprupt. Dass sie nämlich eine Machtfrage überhaupt stellen müssen, ist der Verweis darauf, dass es mindestens ebenbürtige Mitspieler in der Gesellschaft gibt, die sich den Kommunisten entgegenstellen. Das sind eben die, die die bürgerlichen Verhältnisse erhalten wollen. Und die stellen sich den Kommunisten in der Regel viel früher in den Weg und versuchen deren Aufstieg zu einer machtpolitisch ernstzunehmenden Bewegung zu verhindern. Das machen sie sogar so früh, dass sie extra eine Behörde unterhalten, die ein ständiges Monitoring der 20 Kommunisten, die es in Deutschland gibt durchführt und die schon ab einer Mitgliederstärke von ein paar 100 bis 1000 Mitgliedern sich darum kümmert, dass Sanktionen gegen die Mitglieder dieser Bewegungen eingeleitet werden. Aber dagegen kann man ja noch ins Feld führen, dass das ein Zeichen für eine stabile Demokratie ist. Was anderes ist es, wenn die Verhältnisse instabiler werden und selbst massenhaft grundsätzliche Unzufriedenheit generieren.
    Aufmerken sollte man darauf, dass mit dem Eintritt, ja fast mit der Erklärung des Programms die Macht erobern und andere Verhältnisse etablieren zu wollen, Kommunisten keine Subjekte mehr davon sind, die in der Gesellschaft irgendwas „einrichten“. Was sie mit dem Eintritt in die Machtkonkurrenz (nichtmal den kontrollieren sie) tun müssen ist deren Notwendigkeiten zu erfüllen und sich in ihr zu behaupten. Tja und Machtkonkurrenz hat mit Bedürfnisbefriedigung nichts zu tun, sondern da gewinnt man auf Menschen die Perspektive ein Machtmittel zu sein, das man einsetzen kann, um den Gegener in die Schranken zu weisen. Man kommt unterhalb der Kapitulation d.h. sich der Idee von Bereinigung der Machtkonkurrenz des Gegeners zu unterwerfen, auch nicht mehr aus dieser Konkurrenz heraus. Und bei den Grundsatzfragen, die Kommunisten der Gesellschaft stellen, heißt das für sie in der Regel nicht unterhalb des Todes oder einer langjährigen Gefängnisstrafe.
    Was ist an der Stelle eigentlich aus dem Projekt der Kommunisten geworden die Bedürfnisse der Leute (oder ihre eigenen) zu befriedigen, das Hungern, Sterben, Kranksein etc… zu überwinden? Nichts weiter als die ewige Morgenröte, der gute Grund motiviert am Gemetzel teilzuhaben.
    Und die ganzen Einrichtungen (Gulag, Armee, Haftanstalten usw..) die werden Kommunisten in ihrer schönen neuen Welt der Machtkonkurrenz ganz schnell wieder als bewährte Formen des Umgangs mit gegenerischen Kräften schätzen lernen. Was man nämlich den stattgefundenen Revolutionsversuchen entnehmen kann ist, wie so eine Machtkonkurrenz geht und was es dazu braucht. Die Details will ich hier nicht weiter entwickeln, man kann sie sich in der Geschichte anschauen.
    Auch wenn Kommunisten ein nationales Gemeinwesen erobern und einen „Erfolg“ verbuchen, haben sie nichts für ihren Ausgangspunkt gewonnen, weil da klopfen ganz schnell die verbliebenen kapitalistischen Nationen mit existenzbedrohenden Fragen an die Tür. Also liegt dann schon wieder kein „Kommunismus“, sondern nationale Konkurrenz, an. Was für eine prima Errungenschaft so eine gewonnene Revolution doch ist und glaubt nicht, dass ihr irgendwas von der bürgerlichen Machtscheiße besser oder menschlicher oder sonstwas könnt. Das haben die Russen (mit oder ohne Fehler) in ihrer historischen Lektion lernen müssen.
    Es wundert also nicht, dass praktizierende Kommunisten – d.h. diejenigen die nicht nur öffentlich Tränen um „Leid“,„Elend“ und „Mühsal“ der Menschheit vergießen, deren Notwendigkeit begründen und ihren prima Therapievorschlag (Revolution) versuchen an den Mann zu bringen – dass Kommunisten also, die etwas aus ihrer Theorie folgen lassen nach einem Schnellkurs in Machtkonkurrenz kaum noch von ihren Feinden zu unterscheiden sind.
    Exkurs: Da stellt sich die Frage was man denn dann tun soll, wenn die geliebte Revo auch kein Kaugummiautomat für Gebrauchswerte aller Art ist? Und diese Frage ist falsch! Jeder, der irgendwas über die Gesellschaft denkt, der tut bereits etwas! Der teilt seine Gedanken mit, oder lässt daraus etwas für sein Leben folgen und wenn man etwas herausgefunden hat, das im Argen liegt, dann teilt man es den anderen eben mit. Dieser Beitrag hier ist „Tun“. Und wenn sich aus diesem „Tun“, das jeder tun kann ein Wille ergibt, der konsistent mit dem Ausgangspunkt irgend eine Möglichkeit sieht die Gesellschaft zu verändern, na dann wird der das sicher auch tun! Thats it!
    Es ergibt sich aus der obigen Feststellung, dass man Kraft des Wissens um die Gesellschaft, sich in die Lage versetzt sie so einzurichten, dass man was davon hat. Was das ist, bestimmt dieses Wissen gleichfalls, weil die Interessen auch Gegenstand der Erzeugung von Wissen sind. Also ist das Wissen um die Gesellschaft auch was, nach dem man strebt. Und das ist in unserer Welt nicht üblich! Hier ist es so, dass das Wissen einem Interesse dienen soll, das ihm vorausgesetzt ist.
    Zurück zum Gegenstandpunkt (Eingangstext) und Pauls Behauptungen ich würde Chimären über den GSP verbreiten.
    Der GSP behandelt in seiner Entgegnung auf UG genau das weiter oben besprochene Thema, er thematisiert es aber nicht, obwohl es da hineingehören würde. Es ist (mit seinem Zitat der Geschichte von Klassenkämpfen) stillschweigend als positiver Bezugspunkt, als Gemeinsamkeit von UG und GSP unterstellt. Und das ist Ideologie (in dem Fall mindestens durch Weglassung). Was bitte soll denn, wenn man Bedürfnisse befriedigen will, daran „selbstverständlich“ sein sich auf Kämpfe zu beziehen bzw. ist diese „Selbstverständlichkeit“ nichts weiter als ein ideologisches Bekenntnis, eben ein @Kim Interesse als Axiom.
    @Franziska
    Ich weiß, dass jetzt auf den Beitrag hier wieder 1000 Reaktionen kommen und dein Beitrag geht ein bisschen neben den Einganstext, deshalb mal das, was ich meine, ohne das unbedingt fortsetzen zu wollen:
    Ich denke auch, dass so entwickelte Ideologien eher was für die Wissenschaft sind. Die „Volksideologie“ ist einfach der sich zur Gesellschaft ins Verhältnis setzende Wille zurechtzukommen, bzw.. irgend eine den Verhältnissen entnommene Vorstellung von Wohlstand zu verwirklichen. Mit diesem Interesse setzt man nicht zu langen Erklärungen an, will auch nicht, dass die eigenen Gedanken über irgendwelche Phänomene andere überzeugen, sondern die geistige Tätigkeit ist eher eine, die die gesellschaftlichen Gegenstände „meistern“ will, um sie dem eigenen Interesse dienstbar zu machen. Die halten also ihr Denken überhaupt nicht für „Theorie“. „Theorie“ ist für die was Nutzloses. Und darin ist das aber auch per Definitionem ideologisches Denken, weil eben die den Verhältnissen entnommenen Interessen der geistigen Tätigkeit (axiomatisch) vorausgesetzt sind. Ein Rechtfertigungsbedürfnis haben soclhe Leute gegen andere Interessen und da lügen sie auch mal, das ist aber nicht der Witz, sondern sie versuchen wenn sie sich rechtfertigen eine Wahrheit zu ermitteln, die ihrem Interesse dient.

    Aber sicher ist es nicht einmal dann; denn Prüfen ist unangenehm, und es tritt eine erneute Schätzung ein (wieder auf „plausiblen“ Grundlagen), wieviel man mit dieser Mühe bestenfalls gewinnen wird.

    Klar. Die geistige Tätigkeit wird eben in den Dienst des Zurechtkommens gestellt.

  23. Kim B.
    22. März 2013, 11:24 | #23

    @franziska,
    „Auch der Alltag und die Einstellungen von „Kommunisten“ dürfte sich in einigen wichtigen Hinsichten von dem vieler anderer in ihrer Umgebung unterscheiden. Und ich dachte, dass es das war, was von libelle thematisiert wurde: Inwiefern sie sich unterscheiden, und inwiefern (möglicherweise, bedauerlicherweise, etwa indem sie „ideologisch“ urteilen) nicht.“
    Eigentlich eine absurde Frage, weil es, abgesehen von der komfortablen Lage der Kapitalisten, keine Unterschiede zwischen Kommunisten und andern Menschen gibt – Mensch ist nun mal Mensch
    Oder willst du damit andeuten, dass der Unterschied der Kommunisten zu „vielen andern“ darin liegen könnte, dass allein bei Kommunisten die Befürchtung besteht, ideologisch zu urteilen, während die „vielen andern“ eher dazu neigen, durch epistemologisches Hinterfragen Urteile zu fällen?
    Kim

  24. libelle
    22. März 2013, 11:26 | #24

    @neoprene: Ich finde die Titeländerung des Threads nicht in Ordnung, weil das Themen sind, die in die Auseinandersetzung zwischen UG und GSP gehören!

  25. 22. März 2013, 11:37 | #25

    Auch wenn in dieser linken Welt tatsächlich vieles miteinander zu taun hat, libelle, halte ich es doch für sinnvoll die Kommentare hier zu trennen in einen, neutral formuliert, eher grundsätzlichen Teil der Auseinandersetzung mit deinem Antikommunismus und einen enger fokussierten Thread zur ums-Ganze-Geschichte. So fürchterlich weit auseinander liegt das ja technisch gesehen eh nicht.

  26. Passant
    22. März 2013, 11:47 | #26

    Wenn Libelle die vom GS untersuchte Zweck-Mittel-Relation als funktional bezeichnet, unterstellt er eine mechanistische Auffassung, wo es explizit um eine „Kritik in pragmatischer Hinsicht“ geht. Aber es sollte ihn vielleicht nicht einer gleich einer Regression auf das Niveau des bürgerlichen Materialismus verdächtigen; näher liegt das unreflektierte Verwenden des Wortlautes der Mannheimschen Defintion des allgemeinen Ideologiebegriffs, gepaart mit einer Menge Unernst.

  27. franziska
    22. März 2013, 11:53 | #27

    Meine Anfrage ist natürlich als Hinweis auf Weisen des Erklärens (nämlich mit je unterschiedlichen Weisen des Umgangs mit (Un)Wissen und Wissenserwerb; meine Darstellung ist da aus meiner Sicht keineswegs vollständig), die man sowohl zum Verständnis „revolutionärer“ Kommunisten als auch ihrer Gegner heranziehen kann. Und ich hoffe ein bisschen, dass dies der Absicht nach als sachdienlicher Versuch (an)erkannt, und nicht als einer zur Threadkaperung.
    Anm.1 Es ist damit das dritte unter den ewig wiederkehrenden Themen der Auseinandersetzung mit der gsp-Theorie berührt, nämlich das des „interessierten Urteilens“ (notwendig falschen Bewusstseins, des so oder so freien Willens, und noch mancherlei, was´damit zusammenhängt). Die andern beiden sind: Die Staats- und Nationalismus-Erklärung (um die zumindest bis vor kurzem wieder einmal von Krim bei Nestor Machno „gestritten“ wurde); schliesslich die Geld-Erklärung. Die gsp-Kritiker, soviel Engagement sie auch in ihre Kritik investiert haben, zeigen ein aus meiner Sicht, soweit ich das beurteilen kann, erstaunlich geringes Interesse daran, sich über den systenmatischen Zusammenhang dieser Kritikthemen zu verständigen (obwohl sie in der gsp-Theorie ja, und zwar letztlich in der Absicht, das SYSTEM der realen Ausbeutung auf den Begriff zu bringen, systematisch zusammenhängen).
    Anm.2 In einem Blog-Kommentar gab es kürzlich eine Bemerkung über „Systematizität“ (im Sinne von: alle Elemente stellen Voraussetzungen füreinander dar, es ist ein Fehler, eins als „Ursache“ gegen die andern isolieren zu wollen), der nicht weiter nachgegangen wurde. Es wäre vielleicht angebracht, sich ganz neutral einmal irgendwo darüber zu verständigen, welche logische Struktur die gsp-Theorie in dieser Hinsicht hat. Vielleicht ist die Frage schnell beantwortet, weil es doch den Anschein hat, dass da ein Realzirkel aus Kapital und Staat behauptet wird, der durchs subjektive Bewusstsein der Leute durchläuft, solange die mitmachen (und quasi da seine Sollbruchstelle hat); vielleicht aber auch nicht.
    zu libelle.
    1. Ist dir ein Grund für die von dir beschriebene kommunistische Obsession bekannt, und wenn nein, findest du keinen, oder ist er dir (derzeit) eher egal?
    2. Deine Kritik des fundamentalen Problems eines „revolutionären Kampfs“ scheint zunächst bestechend einfach und schlicht zutreffend. Allerdings differenziert sie sich in der Tat je nachdem, wofür die „eroberte“ Macht, dem jeweils begonnenen Projekt gemäss, eingesetzt werden soll: Zur Ausübung eines unterstellten „Klassen“ (wieso gibts das da noch?) -Interesses (oder eines „ideellen Gesamtarbeiters“) usw? Oder… zur Durchbrechung des mutmasslich vom gsp unterstellten „Realzirkels“, der damit in sich zusammenbrechen wird und spätestens nach einer Generation Beschulung der Nachwachsenden mit rationalen Inhalten, kombiniert mit rational-durchsichtigen Produktionsprinzipien, der Vergessenheit (bzw der bloss historischen Erinnerung) anheimfällt? (Nebenbei: Vertraute nicht die frühere „Kommunisten“-Schule auf eine ähnliche Dynamik: Sollten es hier nicht die Porduktivkräfte sein, die endlich voll entfaltet und von Hindernissen befreit, eventuell noch vorhandenen Gegensätzen und „Widersprüchen“ die Grundlage entziehen sollten?) Ein Machteroberungs-Projekt dieser nämlich gsp-Art kann natürlich nur dann erfolgreich sein, wenn die Analysen zum notwendig falschen Bewusstsein als Durchgangsstation des „Realzirkels“ stimmen. Andernfalls ist Kapitalismus nichts, das sich einfach „abschaffen“ lässt, und Kommunismus nichts, das sich notwendig und im selben Schritt (nach dem Motto „die werden sich dann schon einigen (schon, weil sie müssen)“) von selbst ergibt. Der Kürze halber erstmal nicht mehr dazu.
    3. „Kommunismus“ und, verwandt, Anarchismus, Anti-Kpitalismus, sollten vielleicht als mehrdeutig aufgefasst werden in mindestens drei Hinsichten:
    a) die Art der Zielvorstellung (Wunsches, Utopie, des Befürworteten): primär gesellschaftlich-arbeitsteilig, oder sekundär durch freiwillige Zusammenschlüsse unterhalb des Niveaus der Gesamtgesellschaft (oder, dies ins Extrem getrieben bei („kleinbürgerlichen“) Libertären, die – zumindest im Ausgang – eine Gesellschaft von Kleinproduzenten und Subsistenz-treibenden Haushalten und Binnengruppen wollen)?
    b) die Art der Verwirklichung: autoritär (vorübergehend, dauerhaft…), „(räte?)demokratisch“, konsens-orientiert… (bis hin zur Einstellung, dass das Ziel nach (a) garnichts im engeren Sinn zu „Verwirklichendes“ ist, sondern auch unwillkürliche, historische „Tendenzen“ dabei vorausgesetzt sind)
    c) die Art der Kapitalismus-Kritik (und daraus sich ergebende Praxis des Übergangs): als „ungerechte“ Klassen-Ordnung, fern von Gleichheit; als Ausbeutungs-System (zum Nutzen weniger, vor allem aber zum Schaden der meisten) fern von Bedürfnis-Orientiertheit; als unsinnige Zwänge erzeugendes, undurchschautes System (fern von Effizienz und Ausschöpfung der modern erreichten Möglichkeiten gesellschaftlich arbeitsteiliger Produktion); als unnötige und vermeidbare Widersprüche erzeugende Eigentums-Ordnung (fern von einer für möglich gehaltenen konsens- und verständigungs-orientierten Vergesellschaftung) ua.
    d) Diesen Punkt sehe ich eher als Hintergrund für c) an, er würde anführen die Typen theoretischer („wissenschaftlicher“) Erklärung bzw. Darstellung der gegenwärtigen Form von Vergesellschaftung. Diese Typisierung würde zu weit führen, schon darum, weil sie auch nicht-kommunistische Theorien miteinschliessen würde.
    Man erkennt wohl die grundlegende Rolle von c, die ja von gsp-Vertretern immer betont wurde.
    Deine Ausführungen zum Denken und Sich-Verständigen als höchst notwendigesTun kann ich angesichts der geradezu mörderischen Verwirrung und Unklarheit, die aus meiner Warte schon zwischen immerhin „Kapitalismus-kritischen“ Menschen (von den andern mal abgesehn) derzeit herrscht, nur unterstreichen.
    @kim Ich wollte nichts unterstellen, sondern darauf hinweisen, woran in diesem Thread ich meine Frage (passend oder nicht) anschliessen wollte.
    @neoprene: Es scheint, als würden die debatten unter gleich welchem Titel, doch um einen eng zusammenhängenden Bestand von Themen kreisen…

  28. libelle
    22. März 2013, 12:50 | #28

    @franziska – ich melde mich, bin aber jetzt gleich im Wochenende (d.h. es dauert jetzt mindestens 3 Tage). Es gibt schon Überlegungen zu den von Dir angesprochenen Fragen. Aber erwarte da nicht zu viel.
    @passant: soll ich jetzt den Vorwurf des Unverständnisses zurückgeben? Ich denke erklärt zu haben, worin der Ideologievorwurf an den GSP (in dem Text, den Neoprene zitiert hat) besteht. Da streiten sich 2 revolutionäre Vereine auf einer explizit als „selbstverständlich“ gekennzeichneten Grundlage, die ganz und garnicht selbstverständlich ist.
    Sonst: führ‘ mal aus, was Du meinst.

  29. bla
    22. März 2013, 13:05 | #29

    Es ist (mit seinem Zitat der Geschichte von Klassenkämpfen) stillschweigend als positiver Bezugspunkt, als Gemeinsamkeit von UG und GSP unterstellt.

    Ohne mich in die Debatte einmischen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass dieser angeblich gemeinsame Bezugspunkt im Artikel bestritten wird.

  30. libelle
    22. März 2013, 13:10 | #30

    @ bla:
    Wo?

    Es hat ein­mal eine Ar­bei­ter­be­we­gung ge­ge­ben. Pro­le­ta­ri­er kämpf­ten um ihren Le­bens­un­ter­halt und hat­ten in der Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se ihren Geg­ner. Ihre Kämp­fe waren ganz selbst­ver­ständ­lich der Be­zugs­punkt aller kri­ti­schen Geis­ter, die an Staat und Ge­sell­schaft etwas aus­zu­set­zen hat­ten; sie waren eben der „Trä­ger des Fort­schritts”, der die „Neue Zeit” her­bei­führt und ge­stal­tet. Schon gleich die In­tel­lek­tu­el­len, Marx und En­gels und ihre Geg­ner, rich­te­ten sich an diese Be­we­gung und hat­ten in ihrer Wir­kung auf sie das prak­ti­sche Ziel ihrer theo­re­ti­schen Tä­tig­keit. Schließ­lich hing davon, wie die Ar­bei­ter­schaft sich die ver­schie­de­nen For­men ihres Elends er­klärt, ab, was sie zu des­sen Über­win­dung nötig und zweck­mä­ßig fin­den würde. Die einen führ­ten Hun­ger, Frau­en-​ und Kin­der­ar­beit, un­ge­sun­de Wohn­ver­hält­nis­se, Aus­schluss von Bil­dung, Not im Fall von Alter, Krank­heit und Ar­beits­lo­sig­keit auf das Lohnar­beits­ver­hält­nis als den Grund die­ser Übel zu­rück, an­de­re mach­ten die man­geln­de Re­prä­sen­ta­ti­on der Ar­bei­ter­schaft im Staat dafür ver­ant­wort­lich; ent­spre­chend foch­ten die Frak­tio­nen den Streit um „Re­form oder Re­vo­lu­ti­on” aus. Das ist lange vor­bei. Heute ist all­ge­mein und auch von den Lohn­ab­hän­gi­gen an­er­kannt, dass ein so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ger Ar­beits­platz das Höchs­te ist, wor­auf der mo­der­ne Mensch hof­fen darf – schließ­lich gibt es nicht we­ni­ge, denen die­ses Pri­vi­leg ver­sagt bleibt und dass kri­tik­wür­di­ge Zu­stän­de erst jen­seits des ta­rif­ver­trag­lich ge­re­gel­ten Ver­hält­nis­ses von Lohnar­beit und Ka­pi­tal be­gin­nen: bei Lang­zeit-​Ar­beits­lo­sen in Hartz-​IV etwa, im Be­reich ex­tre­mer Nied­rig­löh­ne, bei Mi­gran­ten und Mar­gi­na­li­sier­ten; je­den­falls nicht mehr beim Pro­le­ta­ri­at, son­dern beim Pre­ka­ri­at.

    edit (damit Du nichts mißverstehst):

    libelle:
    Man hat weder mit dem Heft von UG, noch mit der Kritik daran vom GSP irgend ein Dokument vor sich, dem es um die bloße Beschreibung der Lebenssituation der Arbeiter im 19. Jhd., um ihre Selbstauffassung als Arbeiterklasse etc.. geht, sondern die Geschichte wird zustimmend zitiert, weil man sich auch heute noch an den Kämpfen, die es zwar nicht mehr gibt, die für Marx und Engels aber ‚selbstverständlicher Bezugspunkt’ ihres gesellschaftsverändernden Wirkens waren, zwecksetzend orientieren soll.

    D.h. bei dem Artikel wird schon herauskommen, dass man das Proletariat dazu bringen soll, dass es kämpft, nur macht UG das vermutlich nicht so, wie der GSP das gern hätte, oder wie auch immer.

  31. Passant
    22. März 2013, 14:51 | #31

    @ Libelle
    Na, ich weiß nicht; ich denke wir haben da einfach einen Interessenkonflikt. Mich interessiert gerade eher, ob UG letztlich tatsächlich apologetisch orientiert ist und woher sich ihr „Zwang zum Selbstzwang“ ableitet. Und da empfiehlt es sich, find ich, die Heinrich-Kritik zusätzlich zu lesen, wo etwas mehr über den Unterschied zur transzendentalen, metatheoretischen etc. Manier der Kritik steht.
    Ich vermutete naiv, du argumentiertest im Rahmen dieser Debatte, aber Du scheinst gar nicht bei TOP zu sein — ähem, Sorry.

  32. Mattis
    23. März 2013, 16:22 | #32

    @libelle:

    „Es ergibt sich aus der obigen Feststellung, dass man Kraft des Wissens um die Gesellschaft , sich in die Lage versetzt sie so einzurichten, dass man was davon hat. Was das ist, bestimmt dieses Wissen gleichfalls, weil die Interessen auch Gegenstand der Erzeugung von Wissen sind.“

    So formuliert, wären libelle und GSP in diesem Punkt einer Meinung! Hier ist aber ein doppelter Begriff von Interesse im Spiel, ohne dass dies deutlich gemacht würde. Wenn ich als Hungernder forsche, warum muss ich in einer Gesellschaft voller Nahrungsmittel hungern, dann ist der Hunger zwar das Motiv, ist aber nicht inhaltlich bestimmend für die Erklärungen, die dann gefunden werden. Der Grund, zu forschen und etwas erkennen zu wollen, verfälscht als solcher noch lange nicht das Ergebnis! Ohne Grund forscht ja übrigens keiner! Auch libelle nicht! Siehe oben seine Formulierung: „einzurichten, dass man was davon hat“. Dass er sich dadurch ganz wesentlich selbst widerspricht, will er allerdings nicht wahrhaben. Nichts geschieht ohne Grund, das Erkennen schon gar nicht.
    Der andere, zweite Begriff des Interesses ist: dass die wissenschaftlichen Ergebnisse besagen, was zu tun ist, um eine Änderung zu bewirken. So entsteht durch die Forschung das programmatische Interesse, also die Inhalte eines wie auch immer bestimmten Programms. Das Programm lautet dann vielleicht „Überwindung des Kapitalismus“ oder sonstwie. Dieses Programm war abernicht Ausgangspunkt des Forschens! Libelle vertauscht einfach Anfang und Ende, und kommt nursozu der Pseudokritik am GSP, dort läge von Anfang an ein Programm vor, für das dann die Theorie zurechtgebastelt würde. Nur mit dieser Verdrehung geht das Argument: weil da jemand ein Hindernis überwinden will – den Kapitalismus – sei Machtkonkurrenz also sein Ausgangspunkt. Jegliche Art von Mittel wird auf diese Weise als Zweck interpretiert.
    Also nach dieser Logik will auch kein Arzt heilen, sondern nur konkurrieren – denn seine Mittel für die Gesundung treten ja in ein Kräftemessen ein mit den Elementen der Krankheit, z.B. Bakterien – siegen nun die Bakterien oder das Antibiotikum usw.
    Also ob ein anfängliches Interesse – im Sinne von Motiv – die Ergebnisse des Forschens verfälscht, muss man da, wo man es vermutet, schon sehr präzise nachweisen. Dieser Nachweis ist bei libelle nicht zu finden.

  33. franziska
    24. März 2013, 10:12 | #33

    @mattis
    Soweit ich libelles Theorie verstehe, ist Objektivität und perspektivisch unverzerrte Gesellschaftserkenntnis (im Sinne der von dir zitierten Passage) nur möglich, wenn Interessen, vor allem die eigenen, reflektiert, erkannt und in die Betrachtung einbezogen sind. Das haben, libelles Ausführungen zufolge, Kommunisten aber derzeit nicht geleistet, und darum sind ihre Aussagen ebenso wie ihre daraus folgenden Praktiken von unerkannten Interessen bestimmt und letztlich (gegenüber wirklich objektivem Urteilen im mutmasslichen Sinne libelles) fehlerhaft und praktisch gefährlich (grob wiedergegeben..).
    Libelles Angriff auf gsp-artig denkende Kommunisten verweist auf eine für Kapitalismus- und Staats-Theorien und -Kritiken, die mehr oder weniger an Marx anschliessen, grundlegende Kategorie: das SYSTEM (zB das System der Ausbeutung), das hinsichtlich seines Inhalts, nicht aber hinsichtlich seiner Erhaltung unabhängig ist vom Willen der in ihm – sei es als System-Agenten, sei es als mehr oder weniger berechnende und/oder bewusstlose Mitmacher, sei es als Gezwungene und ohnmächtige Oppositionelle – Handelnden und es dadurch Reproduzierenden. Ein Stück weit verführt es Angehörige dieser verschiedenen Gruppen zu einem Handeln im Sinne der Systemlogik und/oder erzwingt es. Es gibt aber Lücken, Freiheiten für Entscheidungen GEGEN die Beteiligung am System, und die objektive Chance, durch organisierte Aktion hinreichend vieler Systemgegner (zB prinzipielle Verweigerung der Lohnarbeit) das System zu Fall zu bringen. Mit ihm, und das ist der entscheidende Gedanke, verschwinden die Positionen, die es zu vergeben hatte – die des Ausbeuters und Ausgebeuteten, des Politikers, des Mitmachers. Was den Systemcrash (Revolution) überdauern kann, sind allenfalls die Charakter-Deformationen, die die Anpassung an ihre Systemrolle den Angehörigen der verschiedenen eben aufgezählten Gruppen abverlangte. Hier kommt dann auf einmal Psychologie ins Spiel, etwa die Frage, inwiefern sich solche Deformationen womöglich (wenigstens sozial) vererben, eine Frage, die in den realsozialistischen Staaten ernsthaft gestellt wurde – mit mehr als beinah rassistischer Konsequenz…
    (Bei den alten Marxisten-Leninisten blieb rätselhafterweise das bürgerliche „Klassenbewusstsein“ erhalten. Aus libelles Ausführungen ergibt sich, dass er einer von gsp-Prinzipien inspirierten Revolution eine vergleichbare Prognose stellt: Das Macht-Verhältnis bleibt bestehen, und löst sich rätselhafterweise nicht auf: Die Differenzen zwischen Kommunisten bzw. der von ihnen „herbeiagitierten Machtbasis“ und bürgerlichen Individuen bestehen fort, die Untertanen des gsp-kommunistischen Revolutionsregimes erweisen sich als resistent gegen die andauernde Agitation. (Aber warum?)
    Entscheidend für mich ist dabei, dass die Marx-inspirierte Art der kommunistischen Theorie darin „materialistisch“ und realistisch (im Sinne Kims oben) sein will, dass sie im System das primäre, das wirklich Wirksame und die Verhältnisse Prägende im Verlauf moderner Vergesellschaftung dingfest gemacht haben will, wohingegen die verkehrten Ideen und Illusionen, die die Träger der verschiedenen Rollen im System, vor allem in (erzwungener) Anpassung an die Anforderungen dieser Position entwickeln, allenfalls das Wahrnehmen von Ausbruchschancen aus den Systemzwängen verhindern, ansonsten aber sekundäre „Epiphänomene“ darstellen, die sein können oder auch nicht.
    Ganz gewiss, so der Materialismus der Marxschen Tradition, sind die Hirngespinste dieser Leute nicht KONSTITUTIV für die Art, wie sie vergesellschaftet sind.
    Kommunistische Kritiker dieser marxistischen Denkweise (dazu zähle ich mich) müssen dann eine Aufgabe lösen, die sich ihnen allerdings auch ganz ohne Marxisten stellt: Nämlich den offenkundigen „System“ -Charakter von (bürgerlich-demokratischem) „Staat“ und (kapitalistischer) „Wirtschaft“ als Resultat des Zusammenwirkens historisch notwendiger (wenn auch nicht auf Dauer stabiler) Mentalitäten (und dazu gehörender Praktiken) grosser Gruppen der Bevölkerungen moderner und historischer Industriegesellschaften abzuleiten.
    Zugespitzt gesagt, ginge eine Auseinandersetzung zwischen Kommunisten der einen und solchen der andern Art um die Frage: Ob die Erklärung der Verhältnisse aus ihrem System-Charakter die eigentlich materialistische, realitätsgerechte ist, und die Ableitung aus ihren idealistischen Flausen und Einstellungen idealistisch – ODER (wie ich es behaupten würde), ob „das System“ (der Ausbeutung) die Abtrennung einer Vorstellung (Idee) als einer unabhängig für sich bestehende Realität bedeutet – unabhängig von denen, die sie vorstellen, entwerfen, gestalten, abändern, daran zweifeln usw – Abtrennung von ihnen und den beschränkten und sie beschränkenden historischen Lebenszusammenhängen und Erfahrungen, aus denen heraus sie ihre Projekte entwerfen (darin sind die von ihnen allen zusammen (auf ganz verschiedene Weise) geschaffenen staatlichen und kapitalistischen Verhältnisse eingeschlossen, in denen und „zu“ denen sie sich, freilich in unendlichen Varianten, verhalten können und müssen). Die Theorie und Praxis bekommt es dann mit all diesen Eigentümer- und Nationsein-Wollenden zu tun, mit all ihren Nachlässigkeiten und unterlassenen Begriffsbildungen, ihren religiösen und abergläubischen Weltverhältnissen und allem, was daraus für ihre (angesichts der modernen Verhältnisse, die sie mittlerweile geschaffen haben, viel zu primitiven) Vergesellschaftungs-Vorstellungen folgt. Das System, das aus dem Neben- und Miteinander all der verschiedenen Unterlassungen und je geboten erscheinenden Praktiken erwächst, kann dann leider auch nicht einfach ABGESCHAFFT werden und mit ihm ein bloss passiv angepasstes Mitmachertum, das ein System voraussetzt, um mitmachen zu können. Vielmehr verschwinden die „System“-Eigenschaften, all die unnötig schädlichen Formen von Vergesellschaftung und Produktion, die sie ausmachen, erst mit den Fehlern ihrer Unterstützer. Die zu beheben, ist aber ungleich schwerer als jede Revolution.
    (Es gibt naheliegende Einwände gegen diese Auffassung, wenn ich aber vorwegnehmend darauf einginge, würde dieser Text endgültig zu lang.)

  34. 24. März 2013, 14:07 | #34

    Eine zentrale These von libelle ist sicherlich:

    „Die Vorstellung, die alle Kommunisten eint, ist die der Abschaffung (mehr oder weniger) aller bürgerlichen Einrichtungen durch einen Machtkampf gegen die Kräfte, die die bürgerliche Ordnung stützen.“

    Es stimmt ja, wenn er weiter ausführt:

    „Dass sie nämlich eine Machtfrage überhaupt stellen müssen, ist der Verweis darauf, dass es mindestens ebenbürtige Mitspieler in der Gesellschaft gibt, die sich den Kommunisten entgegenstellen. Das sind eben die, die die bürgerlichen Verhältnisse erhalten wollen. Und die stellen sich den Kommunisten in der Regel viel früher in den Weg.“

    Wenn er daraufhin dann fragt:

    „Was ist an der Stelle eigentlich aus dem Projekt der Kommunisten geworden die Bedürfnisse der Leute (oder ihre eigenen) zu befriedigen, das Hungern, Sterben, Kranksein etc… zu überwinden?“

    Dann könnte man einerseits das selbst von den von ihm so runtergemachten „Kommunisten“ mehr oder zumeist weniger Erreichte abarbeiten. Wäre aber müßig, denn libelle ist ja jeder Erfolg in diesem oder jenem Punkt (das da was erreicht wurde, jeweils gemessen an den Ausgangslagen, ist ja selbst ihm sicher bekannt) den Aufwand an Machtausübung („Meere von Blut“ oder so ähnlich bei seiner Ausrasterrei ich glaube noch bei MPunkt, jetzt „Gemetzel“ usw.) nicht wert.
    Es stimmt dabei ja sogar, wenn er feststellt:

    „Auch wenn Kommunisten ein nationales Gemeinwesen erobern und einen „Erfolg“ verbuchen, haben sie nichts für ihren Ausgangspunkt gewonnen, weil da klopfen ganz schnell die verbliebenen kapitalistischen Nationen mit existenzbedrohenden Fragen an die Tür.“

    Nur landet er dann bei solch jämmerlichen Thesen:

    „Jeder, der irgendwas über die Gesellschaft denkt, der tut bereits etwas! … Und wenn sich aus diesem „Tun“, das jeder tun kann ein Wille ergibt, der konsistent mit dem Ausgangspunkt irgend eine Möglichkeit sieht die Gesellschaft zu verändern, na dann wird der das sicher auch tun! Thats it!“

    Auf einmal sind seine obigen unumstößlichen Antagonismen wie weggefegt und es gibt ihn auf einmal, den homogenen „einen Willen“, der „konsistent mit dem Ausgangspunkt“ ist.
    Es ist deshalb auch ganz folgerichtig, dass es nun ganz vage allgemein weitergeht:

    „Es ergibt sich aus der obigen Feststellung, dass man Kraft des Wissens um die Gesellschaft, sich in die Lage versetzt sie so einzurichten, dass man was davon hat.“

    Ja, ja, „Es“ ergibt sich, „man“ versetzt „sich“ auf einmal „in die Lage“, die Gesellschaft „so einzurichten, dass man was davon hat“. Was bekanntlich bei libelle nur weltumspannend geht, weil es sonst das „man“ als Subjekt ja nicht gibt, siehe oben.

  35. Mattis
    24. März 2013, 17:49 | #35

    Hallo franziska,
    um deinen ultra-akademischen Bandwurmsatz mal auf den wesentlichen Kern zu reduzieren:
    „Ob die Erklärung der Verhältnisse aus ihrem System-Charakter die eigentlich materialistische, realitätsgerechte ist, und die Ableitung aus ihren idealistischen Flausen und Einstellungen idealistisch – ODER (wie ich es behaupten würde), ob „das System“ (der Ausbeutung) die Abtrennung einer Vorstellung (Idee) als einer unabhängig für sich bestehende Realität bedeutet – unabhängig von denen, die sie vorstellen, entwerfen, gestalten, abändern, daran zweifeln usw. (…)“
    Und weiter unten:
    „Vielmehr verschwinden die „System“-Eigenschaften, all die unnötig schädlichen Formen von Vergesellschaftung und Produktion, die sie ausmachen, erst mit den Fehlern ihrer Unterstützer. Die zu beheben, ist aber ungleich schwerer als jede Revolution.“
    Genau deshalb ist ja zuallererst eine Änderung in den Köpfen wichtig. Sagt man das allerdings laut, wird man als Theoretiker, Idealist, arroganter Arbeiterbeschimpfer und als veränderungs-unwillig denunziert.

  36. 24. März 2013, 18:47 | #36

    Wer, Mattis, reagiert denn (jedenfalls „hier“) auf die ja nun wirklich nicht sonderlich inhaltsreiche These, daß „zuallererst eine Änderung in den Köpfen wichtig“ sei, mit den von dir angeführten Vorwürfen??
    Und wer wollte schon franziska widersprechen, daß auch nach einer Revolution in den Köpfen der Menschen noch ne Menge passieren muß. Marxens Bemerkungen in der Kritik des Gothaer Programms:

    „Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt“

    ist ja in dieser Abstraktheit nicht zu widersprechen (damit wurde aber auch eine Menge Mist begründet, denn die „neuen Gesellschafter“ aus ganz neuen Gründen haben bestehen lassen).

  37. Mattis
    24. März 2013, 19:38 | #37

    @Neoprene
    „Wer, Mattis, reagiert denn (jedenfalls „hier“) auf die ja nun wirklich nicht sonderlich inhaltsreiche These, daß „zuallererst eine Änderung in den Köpfen wichtig“ sei, mit den von dir angeführten Vorwürfen??“
    Das war eine Ergänzung von mir und bezog sich nicht auf diesen Blog. Aber schon in einem von angeblichen Kommunisten moderierten marx-forum gibt’s für solche Meinungen die rote Karte! Also ist es offenbar leider keine Banalität, diese „nicht sonderlich inhaltsreiche These“ zu vertreten. Darauf wollte ich hinweisen.
    *
    @franziska:
    „Aus libelles Ausführungen ergibt sich, dass er einer von gsp-Prinzipien inspirierten Revolution eine vergleichbare Prognose stellt: Das Macht-Verhältnis bleibt bestehen, und löst sich rätselhafterweise nicht auf: Die Differenzen zwischen Kommunisten bzw. der von ihnen „herbeiagitierten Machtbasis“ und bürgerlichen Individuen bestehen fort, die Untertanen des gsp-kommunistischen Revolutionsregimes erweisen sich als resistent gegen die andauernde Agitation.“
    Zum einen teilst du anscheinend libelles „Prognose“, ohne selber ein stützendes Argument dafür zu bringen. Zum anderen kenne ich die GSP-Position soweit genug, um zu wissen, dass gerade die ständig davor warnen, bürgerliches Bewusstsein in die neue Gesellschaft mitzuschleppen, und verweisen auf die entsprechend üblen Konsequenzen in der Sowjetunion, China etc.
    Also was soll dann dieser Kampf gegen selbst aufgestellte Pappkameraden? Offensichtlich geht es hier gar nicht um die Überwindung bürgerlichen Bewusstseins!
    Libelle ist doch vielmehr selbst das Paradebeispiel eines Kapitalismuskritikers, der seine bürgerlichen Harmonieideale nicht einen Augenblick lang loslassen will. Das hat Neoprene weiter oben übrigens sehr treffend charakterisiert.
    Du hast versucht, „Libelles Angriff auf gsp-artig denkende Kommunisten“ (also nicht auf die Maos und Stalins dieser Welt!) nachzuvollziehen, geht aber leider mit keinem Wort auf meine Widerlegung seiner Behauptung ein, der GSP wolle „Machtkonkurrenz“ schon im Ausgangspunkt und sogar als bleibenden Zweck! Auch hier hängst du dich einfach an libelles Aussagen an, als seien es empirische Fakten. Dabei sucht libelle den GegenStandpunkt mit den üblen Verlaufsformen ausgerechnet solcher „Revolutionen“ zu blamieren, die vom GSP ganz unmissverständlich heftigst kritisiert werden.
    Die tatsächlichen Theorie-Fehler des GSP rafft libelle natürlich nicht, weil er emotional getriggert ist. Unterhalb des Vorwurfs „Blutvergießen“ macht er es ja nicht.
    Während das real existierende nicht-kommunistische Blutvergießen in aller Welt von ihm mit einem naiven Ideal vom Ausgleich der Interessen beantwortet wird. Libelle als theoretischer Welt-Mediator! Wie weit Kapitalisten und Staatsleute wohl entgegenkommend sein werden in Sachen Sozialismus? Aber den will libelle ja auch gar nicht – oder hab ich das überlesen?

  38. franziska
    24. März 2013, 21:26 | #38

    Nein ich teile nichts, wollte bloss libelles mutmassliche Meinung wiedergeben und in diesen Kontext rücken. Aber du selbst bestätigst (in Gestalt der Erwähnung einer (gibts die?) gsp-„Warnung“ vor „mitgeschlepptem bürgerlichem Bewusstsein“) die Parallele (eines gsp- zum Realsozialismus), um die es libelle zu gehen scheint: dass ein blosses Derivat („Klassenbewusstsein“) der abgeschafften Verhältnisse offenbar über ganz eigene Kraftquellen verfügt, die es über die Zeit seiner „Notwendigkeit“ hinaus fortbestehen lässt; in dem Fall: bürgerliches Denken (Marx Gotha-Kritik-Passage wurde von Neoprene sehr zurecht in dem Zusammenhang zitiert; da wird mal kurz der ganze unanalysierte Rest angesprochen..) Es gibt dann die Erwartung, dass so etwas in 1, 2 Generationen (so langsam?) verschwinden wird…
    Was nun die Gewalttätigkeit eines gsp-Regimes angeht, das „sich eine Machtbasis zusammenagitiert“ hat, gibt es Äusserungen von Konrad Hecker (in diesem Blog verlinkt), wo man den Eindruck hat, da brechen jetzt die Dämme, da zieht einer kurz mal so richtig vom Leder; es läuft einem kalt den Rücken runter, und der Text macht kein Hehl draus, dass es das auch soll. Die Verbalbrutalität, die der gsp-Anhang kultiviert hat, und von der gerade dieses Blog überläuft, sorgt da nicht gerade für Beruhigung, schon eher die zweischneidige Erwartung, dass dieser Verein, wenn er sich nicht sehr wandelt, nur erst in sehr verzweifelten Verhältnissen eine Chance hat (genau eine von der Art, wie libelle sie vorhersieht), da also, wo schon eh alles egal ist. Wenn Leute massenhaft regredieren wollen, haben sie freilich noch ganz andre Alternativen…
    Libelle hat glaube ich dann noch so einen Strang, den er am besten selbst darstellt, und den ich auffasse als: der gsp verspielt quasi die Chancen antikapitalistischer Politik durch seine („ideologische“) Revolutions- und Machteroberungsfixiertheit. Darin steckt ein ganzes Stück gsp-Idealisierung (in Gestalt der Dämonisierung). Dazu will ich jetzt aber nicht mehr sagen.)
    Die „Überwindung des bürgerlichen Bewusstseins…“ – nun, es kommt nicht nur in den Köpfen von Kapitalisten und Staatsleuten vor (jüngst las ich bei Nestor: Sie kenne mehr Unternehmer, die dem Kommunismus zuneigten, als „normale“ Leute…). Antikommunismus ist ein Massenphänomen.
    Nebenbei: Weiss der gsp etwas dazu zu sagen, wie diese „Überwindung“ geht?

  39. Mattis
    24. März 2013, 22:43 | #39

    @franziska
    „dass ein blosses Derivat („Klassenbewusstsein“) der abgeschafften Verhältnisse offenbar über ganz eigene Kraftquellen verfügt, die es über die Zeit seiner „Notwendigkeit“ hinaus fortbestehen lässt“
    Was soll das für ein Bewusstsein sein, das zu den dann existierenden Verhältnissen nicht mehr passend ist? Die Verhältnisse sind dann besser als das, was man von ihnen hält, oder wie soll man das verstehen? Und wieso endet das dann notwendig in Gewalt? Das ist ja verschwurbelt wie eine Verschwörungstheorie.

  40. franziska
    25. März 2013, 08:52 | #40

    Mattis, die „Verschwörungstheorie“ deutet sich nicht nur bei libelle an, sondern eben auch in der von dir angesprochenen gsp-Warnung, und in Neoprenes Marx-Zitat.
    Da ist wirklich eine Seltsamkeit. Und ich habe auf diesen Punkt hinweisen wollen, weil libelle damit aus meiner Sicht (in Gestalt einer sehr speziellen Konsequenz) einen grundlegenden Fehler der gesamten gsp-THEORIE berührt, ohne ihn anzusprechen: Er berührt ihn in Gestalt des Gedankens, dass der gsp (und eine eventuell zusammenagitierte Machtbasis) grosse Teile der Gesellschaft angreift, zu deren Standpunkten massivste Differenzen bestehen, und die zunächst nur durch unmittelbare Gewaltdrohung in Schach zu halten wären. Dann käme die mit Gewalt (schöner Anfang) erzwungene Neueinrichtung aller Verhältnisse, in denen die Leute dann schon merken werden, wie gut sichs im Kommunismus lebt. Das ist dann eigentlich, der Theorie zufolge, die du ja auch ganz richtig (wie soll denn etwas über die Zeit seiner „Notwendigkeit hinaus dauern?) anführst, die Art, wie das bürgerliche Bewusstsein überwunden wird. Die Auseinandersetzung über diese Prognose ist eigentlich eine über die theoretische ERKLÄRIUNG dieser Notwendigkeit. Leute wie libelle und ich, die dazu andere (und mutmasslich verschiedene) Überzeugungen haben, stellen auch andre Prognosen. Wie gesagt, ist es mein Anliegen, und darum hab ich mich auch in diese Diskussion eingeschaltet, von den vordergründig schrillen Einkleidungen, in denen libelle diesen Differenzpunkt zur gsp-Theorie fasst, weg auf den theoretischen Gehalt zu verweisen. Man kann davon ausgehen, dass die beteiligten Kritiker (libelle, krim in der aktuell erneuten Staatsdebatte bei Nestor, ich) zumindest über Ansätze zu Alternativ-Erklärungen verfügen für das, was der gsp als bürgerliches Bewusstsein ableitet. Man muss sogar davon ausgehen, dass sich das auf die Hauptbestandteile der gsp-Theorie ausdehnt, die Erklärung von Geld (Geschäft, Kapital) und (politischer) Gewalt (Staat/Nation). Die gsp-Theorie bildet einen zu durchgängigen Argumentationszusammenhang, als dass man diese Themen in der Kritik vernachlässigen dürfte. (Ob libelle sein emphatisches Marx-Lob einmal konkretisiert? Ich bin gespannt, an welcher Stelle er den Abzweig findet, um nicht schnurstracks vom ökonomischen System zum politischen überzugehen, und von da die Bewusstseine der beteiligten Akteure als Durchgangsstationen des Systems besprechen zu müssen, solange es funktioniert… Denn: die marxistische Behandlung der „politischen Ökonomie“ als System ist ja der Ausgangspunkt all der andern theoretischen Konsequenzen. Nicht umsonst hat ja der gsp bzw. die MG früher ihre Schriften für nichts andres als die Ausfüllung der Punkte erklärt, die in Marx Theorie-Programm im Anschluss an den (von ihm da bloss geplanten) dritten Band unerledigt geblieben sind. )

  41. libelle
    25. März 2013, 10:26 | #41

    1. Macht:
    Fangen wir mal mit einem Pappkameraden von Mattis an:

    …, geht aber leider mit keinem Wort auf meine Widerlegung seiner Behauptung ein, der GSP wolle „Machtkonkurrenz“ schon im Ausgangspunkt und sogar als bleibenden Zweck!

    Es wird im Fall Mattis nichts nützen (der müsste zunächsteinmal auf sich selbst als Bedingung der Möglichkeit ideologiefreier Erkenntnis thematisieren), aber man kann an diesen Unterstellungen bezüglich dieser „Widerlegung“ m.E. noch etwas klarstellen.
    Um ein etwas abgegriffenes Bild zu bemühen: Der Esel, der hinter einer Karotte herläuft und dabei einen Wagen zieht, der sammelt eben keine Karotten, sondern der zieht einen Wagen! Und das trotz des Umstandes, dass er einer Karotte hinterherläuft und meint es ginge darum an sie heranzukommen. Möglich (um das auch noch anzusprechen) ist es aus Sicht des Esels natürlich an die Karotte heranzukommen, er müsste nur zur selben Zeit am selben Ort sein wie die Karotte…
    Der GSP bekennt sich zur Revolution und zum Klassenkampf und er bekennt sich darin zum Machtkampf. Zuletzt nachzulesen im Intro zum Artikel über die UG Broschüre. Er hat also den Zweck Machtkampf längst gefasst und es ist verlogen der Kritik daran zu entgegnen, Kömmunisten Marke GSP hätten diesen Zweck nicht (wie übrigens auch ihre feindichen Brüder von UG). Warum der Kommunismus dann nur noch die Karotte ist und die Beschäftigung dieser Weltverbesserer, sobald sie praktisch werden Machtkampf ist, ist im nachfoilgend verlinken Beitrag nochmal in ein paar Stichpunkten erklärt:
    http://Neoprene.blogsport.de/2013/03/17/gsp-1-13-zur-broschuere-des-ums-ganze-buendnisses/#comment-74283
    Da ist es mir anscheinend nicht gelungen alles verständlich zu formulieren, was ich an Franziskas Reaktion merke (Mattis klammere ich mal aus, weil seinen Verständnisproblemen mit Umformulierung und Ergänzung m.E. nicht beizukommen ist, das kann er nur selbst lösen) . Zudem spricht Franziska auch noch ein paar Weiterungen des Themas an, die bei Nestormachno schon mal diskutiert worden sind und die, wenn man das Thema mal wieder erörtert eigentlich ergänzt werden müssen.
    a) Der oben verlinkte Beitrag wollte mit den Ausführungen darüber, dass Kommunisten mit dem Eintritt in den Machtkampf überhaupt keine Subjekte mehr sind, die fehlende Bedingungen ihres ursprünglichen Zwecks (kommunistische Gesellschaft, Bedürfnisbefriedigung etc..) herstellen, darauf verweisen, dass „der Sieg“ auch nicht in ihrer Hand liegt, weil es sich dabei eben um eine Konkurrenz miteinander um den Sieg ringender Parteien handelt. Ein Beispiel für eine Bewegung, die einfach in diesem Machtkampf steckengeblieben ist, ist die FARC in Kolombien und die haben schon wenigstens 3 Generationen Kämpfer verschlissen, d.h. von denen, die dieses Projekt vielleicht mal mit der Fiktion, es wäre ein irgendwie rationelles Vorgehen im Dienst ihrer Bedürfnisse, angefangen haben, ist kaum noch einer am Leben!
    Da merkt man, was für eine unglaubliche Dummheit in der Behauptung steckt, man täte als Kommunist etwas für die eigenen Bedürfnisse. Lediglich sich mit Leib und Leben zum Anhängsel und zur Manövriermasse der vermeintlichen Konsequenzen der eigenen Theorie zu machen ist ein Bedürfnis, das im praktizierten Kommunismus zum Zug kommt. Alle anderen Bedürfnisse werden negiert bzw. werden an diesem einen Bedürfnis relativiert d.h. man lebt dann für diese Konsequenz und wird halt zu einem „Kommunisten“ (mit Haut & Haaren, wie man sie eben kennt). Das ist die Wahrheit über den Kommunismus und nicht die Behauptung, man täte damit etwas für seine Bedürfnisse. Vielleicht verhindert das Wissen um die Gesellschaft, das man sich bei Marx in einer großen Portion abholen kann noch, dass man in der Art, wie man sich auf die bürgerliche Gesellschaft einlässt Fehler macht. Diese Leistung wird aber durch die Unterordnung unter den Zweck die Feinde des Kommunismus kleinzubekommen deutlich negativ überkompensiert. Wenn man die letzte Leistung für sich will, wird man kein praktizierender Kommunist.
    Die meisten Bewegungen, die sich auf einen grundsätzlichen Machtkampf zur Schaffung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse einlassen, kommen überhaupt nicht so weit wie die FARC, dass sie ihren Kampf insofern nachhaltig gestalten können, dass sie sich kämpfend reproduzieren, sondern diese Bewegungen verbrennen einfach ihre Anhänger, wenn der Gegensatz eröffnet wird und dann gibt es sie nach ein paar Jahren nicht mehr.
    Damit jetzt nicht gleich wieder der Einwand kommt, man wolle nicht soetwas wie die FARC machen, sondern Klassenkampf mit Massenstreiks etc…, sei der auch gleich entkräftet: Also, liebe Kommunisten, ihr habt die Wahl der Mittel in eurem Wunschgegensatz nicht in der Hand, sondern in so einem Gegensatz zählt einzig und allein die Effizienz der Mittel für den Zweck den Gegner kleinzubekommen und das erzeugt einerseits eine furchtbare Kreativität und andererseits einen ganz und gar schädlichen Nachahmungszwang bei den kämpfenden Parteien. Ihr seid eben keine Subjekte von dem, was ihr treibt, sondern nur Teilnehmer, denen es um ihre Haut geht!
    b) Sowas wie die FARC d.h. ein nachhaltiger, irgendwie sich selbst reproduzierender Kampf gegen den Gegner, der stellt an die Bewegung ein paar ökonomische Aufgaben, wenn er nicht vom Modell „Spende“ leben soll (oder besser: kann). Daran kann man sehen, dass Machtkampf kein bloßes Mittel, sondern ein polit-ökonomisches Verhältnis ist, das man einrichtet! Das ist also ein gesellschaftlicher Zweck, der in den befreiten Gebieten dann auch nach innen umgesetzt wird. Und der heißt Reproduktion der Widerstandfähigkeit (möglichst auf immer größerer Stufenleiter, damit man irgendwann gewinnt). Und das trifft nicht nur auf das Modell „Eroberung“ über befreite Gebiete etc.. sondern auch für eine kämpfende Bewegung, die irgendiwe von ihrer Teilhabe an der Gesellschaft lebt zu. Und das trifft auch für eroberte nationale Gemeinwesen zu. Immer werden die Teile der Gesellschaft, auf die diese Bewegung Zugriff hat dazu benutzt die eigene Widerstandfähigkeit zu reproduzieren.
    Hier sollte man wieder aufmerken, dass es scheißegal ist, ob so eine Bewegung eher sozialdemokratischere Vorstellungen hat wie die FSLN oder die FARC, oder ob es sich um die Klassenkampfgruppe Gegenstandpunkt mit nach ihrer Auffassung genuin kommunistischen Zwecksetzungen handelt. Die Konkurrenz, in die sie sich begeben, diktiert ihnen, was in den befreiten Bereichen der Gesellschaft zu gelten hat und nicht ihr Ursprungsprojekt. Letzteres ist darauf verwiesen, dass die Notwendigkeiten der Machtkonkurrenz noch ein bisschen Bakschisch übrig lassen. Hier unbewiesen behauptet haben will ich, dass man die Vorstellung von Kommunismus schon ziemlich verbiegen muss, wenn man das, was man da noch für die Leute tun kann, mit irgendwas, das mit einer kommunistischen Gesellschaft zu tun hat, verwechseln will. Man geht eher über den Zweck hinaus, Ressource für den Machtkampf zu sein, mehr oder weniger pfleglich mit Leuten um, die ihre letzte gesellschaftliche Bestimmung in eben diesem Machtkampf haben.
    c) Wie sind dann die Verhältnisse in so einer Kampfgesellschaft?
    Zunächst einmal wird an dem gesellschaftlichen Bezug, der in bürgerlichen Verhältnissen besteht, nämlich dass die Menschen über eine Herrschaft (in dem Fall: der Partei) aufeinander bezogen sind, nichts geändert. Das heißt, die Menschen, die die gleiche Stellung zu ihren gesellschaftlichen Verhältnissen haben wie hier, nämlich dass es sich dabei um die nicht weiter zu hinterfragende Grundlage der Verfolgung ihrer Bedürfnisse handelt (zu denen ganz automatisch welche gehören werden, die auf diesen Machtkampf bezogen sind), die werden mit einem ganz normalen Karrierismus auf diese Verhältnisse reagieren d.h. sich in diesen Verhältnissen mit Rücksicht auf die herrschaftlich oktroyierten Zwecke so in Position bringen, dass man zu den Gegenständen seines Bedürfnisses kommt.. Darin liegt eine beständige Tendenz zur Degeneration der Gesellschaft weg von ihrem Ursprungszweck (kommunistische Gesellschaft) und hin zu einer Gesellschaft, in der man durch berechnende Unterwerfung den eigenen Vorteil sucht (u.a. im Verhältnis zu dem lebensfeindlichen Zweck (Machtkampf), dem die Gesellschaft unterworfen ist)
    Zweitens emanzipiert sich die Partei davon, eine rein ideologisch begründete Bewegung bewusster Agenten zu sein. Einerseits darüber, dass sie auf Menschen die Perspektive Machtmittel zu sein gewinnt: Um menschliche Ressource im Kampf zu sein sind das ABC der Einbildungen dafür und offener Zwang eben Äquivalente und irgendwo dazwischen trifft sich das dann d.h. die Partei stellt mit ihrem Behauptungsbedürfnis im Machtkampf selbst den Zustand berechnender Unterwerfung ihrer Mitglieder her.
    Andererseits gewinnt die Partei auch eine andere Stellung zu ihrer Ideologie, nämlich die, dass sie sich als Instrument eignen muss, Menschen in ihre Machtbasis einzugliedern. Die Partei selbst ändert also ihr Bewusstsein (siehe z.B. die Schriften der Kims, Maos, Honeckers usw…). Im Realen Sozialismus hieß das immer Kommunismus unter den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen betreiben, was natürlich nur dem Karottenblick der Esel geschuldet war)
    Soweit mal, Antwort auf die soziologischen Themen kommt, wenn ich Zeit habe.

  42. Mattis
    25. März 2013, 11:20 | #42

    @Neoprene:
    Du hast Marx zitiert, aus seiner Kritik des Gothaer Programms:

    „Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt“.

    Also eine Erwartung irgendwelcher Gewaltexzesse oder gar deren Legitimation sehe ich hier absolut nicht enthalten, sondern – der weitere Kontext des Zitates macht das noch deutlicher – es geht dabei hauptsächlich um Verteilungsprinzipien bei beschränkten Ressourcen und von daher zunächst noch weiter existierende Vorstellungen von Gleichheit, Gerechtigkeit etc. in Bezug auf die Konsumtion. Weil eben nicht sofort ein Füllhorn von unbegrenzten Mitteln für die individuelle Konsumtion bereitsteht, ist doch wohl klar. Das ist m.E. eine völlig andere Schiene, jedenfalls was die Intention von Marx angeht.
    *
    @franziska:
    Du interpretierst libelles Szenario so, „dass der gsp (und eine eventuell zusammenagitierte Machtbasis) grosse Teile der Gesellschaft angreift, zu deren Standpunkten massivste Differenzen bestehen, und die zunächst nur durch unmittelbare Gewaltdrohung in Schach zu halten wären.“
    Ohne eine massive Mehrheit in der Gesellschaft kann es ohnehin keine grundlegenden Veränderungen geben. Von daher stellt sich doch nur die Frage, inwieweit darf danach eine durch Mehrheit legitimierte Politik auch Regelungen treffen, die von der Minderheit nicht gewollt werden. Das wäre dann eine sinnvolle Debatte.

  43. franziska
    25. März 2013, 11:43 | #43

    Oh, das Füllhorn muss so gefüllt werden, dass alle Verteilungsprobleme von selbst verschwinden. Ja dann ists leicht. Aber vorher sollen mitten in der kollektiven Planwirtschaft Gerechtigkeitsflausen, die doch völlig überflüssig sind, fortbestehen? Weils aus dem Füllhorn nicht fliesst? Was ist das, Mattis – Histomat? Sowas wie: Als dank feudalen Schlendrians das vorher angeschwollene Füllhorn (Produktivkräfte) nicht so richtig produktivitätssteigernd genutzt werden konnte, war fessel-sprengend bürgerliche Revolution erforderlich, woraufhin so richtig fettes Wachstum möglich wurde, bis die bürgerlichen Schranken usw.? Also die technische Entwicklung die (dialektische) Triebfeder der Geschichte? Das ist ein anderer Film, Mattis.. aber genauso ein Versprechen: Kollektivierung entfesselt Technik, dann verschwindet (konfliktträchtige) Knappheit – sowieso. Bis dahin gilt: Durchhalten, Tschekismus und Stachanow. – In unserm Film hier gibts erst recht keine Ausrede von wegen Füllhorn usw. Mangel war ja nicht der Grund fürs System, sondern es selbst (nachdem es einmal sich zusammenfliessenden Vor-System-Entwicklungen hergestellt hatte). Welche Devise mag hier gelten: Weiter agitieren…? (Ohne Mehrheit keine Veränderungen? nein – ohne Systembruch keine Veränderungen. Und nun rechne: Wieviele zu allem entschlossene Kommunisten in der Bevölkerung reichen DAFÜR? Die brauchen nichtmal die 5%-Hürde zu knacken…)

  44. 25. März 2013, 12:14 | #44

    Als Ergänzung/Klarstellung in Bezug auf die GSP-Herangehensweise nochmals ein längeres Zitat von Peter Decker:
    „Auch die Arbeiterklasse hat einen historischen Beruf. Die sollen die Revolutionen auch nicht einfach nur für sich machen, sondern weil sie den historischen Beruf haben, alle Klassengesellschaften zu überwinden. So spricht man nicht den Materialisten im Arbeiter an, sondern den Verantwortungsburschen, den verantwortlichen Staatsbürger, der für die Gesellschaft Verantwortung übernehmen möchte. Deswegen gibt es ja auch die im Westen immer wieder kolportierten Späße, dass der Osten ganze Generationen von Arbeitern einspannt, um in irgendeiner lichten Zukunft ein wunderbares Arbeiterparadies herzustellen. Ja klar, wenn man so denkt, wenn man den Arbeiter nicht als Materialisten anspricht, sondern als gesellschaftlichen Verantwortungstypen, dann soll er auch quasi Opfer bringen für den Fortschritt der guten Sache.
    1. Dass die Arbeiterklasse, wenn sie über ihre schädliche Abhängigkeit vom Fortgang der Kapitalakkumulation im Klaren ist, sich aus wohlverstandenem Materialismus eine wahrhaft große Sache vornehmen muss, ist richtig und wird von mir weder damals noch heute kleingeredet. Sich einen Umsturz und den Aufbau einer neuen, den eigenen Bedürfnissen dienenden Gesellschaft vorzunehmen, verlangt eine Distanzierung von den eigenen, tatsächlichen, von der Eigentumsordnung aufgenötigten Gelderwerbsinteressen. (Diese Distanzierung fordern wir von unseren Adressaten stets in der theoretischen Auseinandersetzung – auch ein unvoreingenommenes Urteil über die eigene Lage ist nur unter dieser Bedingung zu haben -; und sogar daran scheitern wir schon. Die Leute sagen uns, sie müssten sich ums Geldverdienen kümmern, dafür würden unsere kritischen Gedanken nicht bringen – und sie halten mit solchen Zurückweisungen für schlaue Materialisten und uns für Spinner) Um eines zukünftigen besseren Lebens willen müssen Leute, die die Ausweglosigkeit ihrer Lage im Kapitalismus kapieren, also zusätzlich zu dem Lebenskampf, in dem sie ohnehin stehen, Zeit und Kraft und Geld, wenn nicht noch mehr für ihre neue Sache opfern. Aber eben für ihre Sache. Opfer – des Arbeitsplatzes, der bürgerlichen Existenzgrundlagen, der Gesundheit und des Lebens – sind im politischen Umsturzgeschäft, so gut es irgend geht, zu vermeiden. Auf keinen Fall darf man sie verherrlichen. Das stellt nämlich das ganze Verhältnis des Revolutionärs zu seiner Sache auf den Kopf, macht den Träger des Willens zum Werkzeug – sozusagen zum Soldaten – einer historischen Mission, der er nur dient – und tilgt letzten Endes den einzig rationellen Grund, warum einer sich überhaupt zum Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals aufmachen sollte. Der enorme revolutionäre Idealismus der russischen Massen, den du ansprichst, ergab sich daraus, dass sie nun eine neue Welt bauen wollten, die endlich ihnen ein anständiges Leben ermöglichen sollte. Ob das der wahre und ganze Zweck des revolutionären Aufbauwerks war, an dem sie sich beteiligten, ist damit nicht gesagt; das ließe sich nur anhand seiner Programmatik und ihrer Umsetzung entscheiden. Sie hielten’s eben dafür; und wurden zum Teil blutig auf den Realismus eines Staatsaufbaus gestoßen, der die revolutionären Massen tatsächlich zu seiner Machtbasis und zu Instrumenten seines industriellen, materiellen und rüstungstechnischen Fortschritts machte. Ob Stalin dabei der große Verräter besserer Intentionen war oder der würdige Vollender des Programms einer wahrhaft sozialen Staatmacht – die große Frage der Trotzkisten -, ist mir nicht besonders wichtig. Ganz sicher hat sich das Projekt des Realen Sozialismus erst über die Reihe der Entscheidungen der Partei und ihrer Führung präzisiert und herausgeschält; anfangs war Kommunismus und Arbeiterstaat sicher nur für Leute unterscheidbar, die es theoretisch sehr genau nahmen. Aber es genügt doch auch, wenn wir heute auf die Ansätze aufmerken, die schon bei Lenin in die falsche Richtung wiesen.
    2. Wenn also damals die Propagandisten der Revolution die Massen damit gewinnen wollten, dass sie ihnen erzählten, sie seien in historischer Mission zur Befreiung der ganzen Menschheit unterwegs, und sollten sich nur getrost der großen Sache der Zukunft zur Verfügung stellen, dann war das schon damals ein Fehler. Solche Propaganda trennt, wie gesagt, zwischen dem Revolutionär und seiner Sache, die damit für ihn einen verpflichtenden, gegenüber seiner Rechnung unbedingten Charakter annimmt: Die zum bürgerlichen Staat gehörige Trennung vom bloß partikularen Interesse des einzelnen und einem davon unterschiedenen, höheren und höherwertigen Gemeinwohl wird sozialistisch fortgeschrieben. Der Einzelne wird dadurch sowohl kleiner wie auch größer gemacht, als er wirklich ist. Kleiner, weil es um ihn und sein materielles Interesse nicht gehen, weil er nur Diener einer großen heiligen Sache sein soll; größer, weil der so verstandene Revolutionär selbst im Namen eines verpflichtenden höheren Gemeininteresses unterwegs ist, sich also zu so mancher Rücksichtslosigkeit gegen andere, bloß partikulare Interessen berechtigt weiß. (Wir kennen das übrigens auch aus den linken Debatten unserer Tage: So leicht begnügt sich da keiner damit, zu sagen, was er denkt, bloß für seine Auffassung zu stehen und zu werben: Am liebsten sprechen auch die Linken im Namen des großen, nun eben linken „Wir“, im Interesse der Menschheit , ihres Überlebens etc.)
    Mögen diese Töne des Opferidealismus in den Zeiten der russischen Revolution und der ersten Aufbaujahre mehr oder weniger virulent gewesen sein, Marx‘ Sprüche vom historischen Beruf der Arbeiterklasse und von der sozialistischen Revolution als einer, die nicht eine neue herrschende Klasse an die Stelle der alten setzt, sondern das Interesse der Menschheit gegen die kapitalistische Ordnung vertritt, ist zum Ausgangspunkt für eine Lesart der Revolution geworden, die das Falsche vom Arbeiterstaat deutlich herausstellt – so sehr die Eroberung und Verteidigung der Macht im Land eine leidige, wegen der Reste der alten Gesellschaft und wegen des feindlichen Auslands auch für längere Zeit unvermeidliche Notwendigkeit sein mag.“

  45. Passant
    25. März 2013, 12:44 | #45

    @ Libelle
    Was jetzt? „Derivat“, Machtkonkurrenz? – Paretos Elitentheorie?!
    Ich meine, vielleicht, also — Du meinst, der GS stelle so eine verschworene Elite dar, so nen ganz fiesen, machtversessenen Teil der Bourgeoisie im Bund mit lumpenproletarischen Elementen?
    OMG! Wir sind verloren!!!

  46. libelle
    25. März 2013, 12:55 | #46

    P.Decker
    Um eines zukünftigen besseren Lebens willen müssen Leute, die die Ausweglosigkeit ihrer Lage im Kapitalismus kapieren, also zusätzlich zu dem Lebenskampf, in dem sie ohnehin stehen, Zeit und Kraft und Geld, wenn nicht noch mehr für ihre neue Sache opfern. Aber eben für ihre Sache.

    Das ist verlogen, weil es eben nicht ihre Sache (ihr Ausgangspunkt, das bessere Leben) ist, in die sie da Zeit investieren. Also wenn man noch ein Beispiel für Ideologie bräuchte, dann ist es das. Für so einen kommunistischen Märchenonkel ist einfach alles eins, Lohnarbeiten das Gleiche wie um die gesellschaftliche Verfassung Gewaltfragen austragen (denn das folgt daraus, dass sich große Teile der Arbeiterklasse zu einem Kampf gegen die Verhältnisse entschießen) .

  47. franziska
    25. März 2013, 13:09 | #47

    (vor libelles vorstehender Äusserung geschrieben…)
    Ja danke Neoprene, aber redet dieser Text zu den Themen, die libelle eingebracht hat? Nur im Punkt Materialismus, und da im höchst obliquen Modus des SOLLENS beim Ansprechen der Arbeiterklasse durch kommunistische Agitation: Die Adressaten SOLLEN ALS Materialisten, Profiteure der Revolution angesprochen werden. Ich weiss nicht, ob der Glaube, der dafür mobilisiert werden muss (die Kampfperspektive Hoffnungslosigkeit, die einzige, die den Namen verdient… so hiess das mal..) nicht ein ähnlich starker sein muss wie der des Kämpfers mit historischer Mission. Und, wie bestellt, geistern auch hier die „Reste der alten Gesellschaft“ (vom vorrevolutionären Ausland ganz zu schweigen) herum.
    Das ist doch einer der Haupteinwände libelles: Ich Lohnarbeiter soll, beim heutigen Zustand der Gesellschaft, kommunistische Politik LOHNEND finden? Wenn da nicht (negativer) Idealismus im Spiel ist: „Ausweglosigkeit ihrer Lage“ (das System der Ausbeutung akkumuliert immer weiter…). Naja – wenn mit oder ohne diese Einsicht der Lebenskampf derselbe ist… warum soll ich ihn mit womöglich nicht weniger aussichtsloser (was mein Leben anlangt) Politik belasten?
    Auch diese Anfrage libelles führt auf dieselben Ausgangsprobleme zurück: Denn warum erscheint diese Politik so absehbar aussichtslos? Weil das Hermetische des Systems in seine Erklärung eingewebt ist. Ja es GIBT eine Chance… eine wahnwitzige… dass „hinreichend viele“ den Mitmachzirkel in ihrem Kopf (bin gezwungen, muss ja, also will ja..) durchbrechen – irgendwie grundlos: Warum sollten sie sich für eine relativ komplexe Erklärung ihrer Lebensverhältnisse interessieren, die nebenbei mit zahllosen anderen ihrer Art konkurriert (die sie alle geprüft und verworfen haben müssten…?) Warum sollten sie sich dann, statt das Beste aus dem Lebensrest zu machen, der ihnen bevorsteht, und Chancen auszuloten, sich da noch halbwegs wohlzufühlen und Glück zu haben, auf die so ziemlich unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten kaprizieren und dabei eine unbestimmt lange Verschlechterung ihrer Lage inkaufnehmen? Das fragt man sich ja bereits bei den derzeitigen Agitatoren…
    Die Theorie lässt da keinen Ausweg.
    Sie kennt nur das unerbittlich sich weiterdrehende Rad der Ausbeutung…
    und…
    die „freie“ nämlich grundlos-verzweifelte Um-Entscheidung, Umkehr – Revolution als Umkehrung ALL meiner Verhältnisse durch EINEN Akt, der alles wendet.
    Klingt das nicht doch (so wie die ganze Theorie) nach – Religion?
    (Anmerkung: Die Theorie vom sich selbst reproduzierenden System ist objektiver Idealismus – so die Kurz-Andeutung in meinem von Mattis zurecht so bezeichneten Bandwurmsatz…)

  48. franziska
    25. März 2013, 14:59 | #48

    @ libelle
    Ich sehe grad nicht, welchem teilweisen Nichtverstehen meinerseits mit diesen durchaus luziden Ausführungen zum Thema Machtkonkurrenz auf die Sprünge geholfen werden sollte. Aber zu beschreiben, wohin der Karren mit dem Karottenesel läuft, ist der leichtere Teil der Arbeit. Schwieriger wirds bei dem, was du für die Abteilung Soziologie ankündigst. Meine Global-These liegt auf dem Tisch: Die praktischen wie theoretischen Positionen des gsp, die ihn in den Augen vieler so problematisch (und wiederum anderer so attraktiv) erscheinen lassen, sind Konsequenz seiner Übernahme der Marxschen Ökonomiekritik. (Der aus (nicht nur) deiner (aber nicht meiner) Warte so erkenntnisreichen…)
    Da seh ich, dass ich mir grad selbst das Stichwort gebe: Warum und wie werden Leute gsp- oder sonstige Kommunisten? Gibt es dafür irgendeine Erklärung ausser… weil sies nun mal so wollen? Weil sie sich diesunddas „haben einleuchten lassen“? Die Theorie erklärt (und das System verursacht) gerade eben noch die „Notwendigkeit“ des FALSCHEN Bewusstseins – warum aber man sich entschliesst, zusätzlich zum Lbeenskampf kommunistische Politik zu machen, scheint jenseits aller Erklärbarkeit (reicht Einsicht in die Ausweglosigkeit der eigenen Lage?)

  49. libelle
    26. März 2013, 10:46 | #49

    @Franziska
    Ein Beispiel, wo ich mich unverstanden fühle:

    Bei den alten Marxisten-Leninisten blieb rätselhafterweise das bürgerliche „Klassenbewusstsein“ erhalten. Aus libelles Ausführungen ergibt sich, dass er einer von gsp-Prinzipien inspirierten Revolution eine vergleichbare Prognose stellt: Das Macht-Verhältnis bleibt bestehen, und löst sich rätselhafterweise nicht auf: Die Differenzen zwischen Kommunisten bzw. der von ihnen „herbeiagitierten Machtbasis“ und bürgerlichen Individuen bestehen fort, die Untertanen des gsp-kommunistischen Revolutionsregimes erweisen sich als resistent gegen die andauernde Agitation. (Aber warum?)

    Ich versuche zu erklären, welche Konsequenzen der Zweck durch das Stellen von Machtfragen die Gesellschaft ändern zu wollen, hat. Da mögen prognostische Aussagen dabei sein (soweit man eben sagen kann, was sich mit diesem Zweck bestenfalls verwirklichen lässt und was nicht). Darum, Kommunisten eine schlechte Prognose zu stellen d.h. ihr heutiges Treiben damit implizit abzusegnen, aber wegen schlechter Aussichten zu verwerfen, geht’s mir aber nicht. Schließlich hat der Zweck sich eine Machtbasis zusammenzuagitieren auch heute schon negative Konsequenzen für ihr Bewusstsein, auf die ich weiter oben teilweise schon hingewiesen habe.
    Auch haben die ewigen „Übergangsgesellschaften“, die Kommunisten im (partiellen, lokalen) Erfolgsfall einrichten d.h. Gesellschaften, in denen der Kommunismus als bloßes Ideal, als in ferner Zukunft sich verwirklichende gesellschaftliche Utopie am geistigen Horizont schwebt, die aber dennoch eine Selbstauffassung pflegen dahin unterwegs zu sein (China, Nordkorea, SU, GSP-Land, UGonien usw..) ein eigenes Bewusstsein, das mit dem bürgerlichen Bewusstsein nur insofern zu tun hat, als dass es im Systemgegensatz auf es bezogen ist. Und darüber habe ich in meinem vorletzten Beitrag unter „c)“ ein paar Andeutungen gemacht.
    [[[Notwendig erkennt P. Decker in der Vortragsmitschrift, die Neoprene zitiert hat, nicht, dass das Heroenbewusstsein genau das Bewusstsein ist, mit dem man die ziemlich vollständige Negation der eigenen Bedürfnisse im „Kampf um eine neue Gesellschaft“ überhaupt mitmacht. Jeder, der umgekehrt von den Gegenständen seines Bedürfnisses nicht lassen will, der gibt sich nicht für diesen Zirkus her. (Intellektuell) Spannend wäre nur zu erfahren, wie der GSP den Übergang zum Heroenbewusstsein macht, der bei dem, was er vorhat notwendig ansteht. Ein erster Schritt wäre sicher, die Verhältnisse als völlig unaushaltbar zu verklären und zu behaupten, dass man im Kapitalismus kein Bedürfnis mehr befriedigt bekommt, was teilweise in den Diskussionen hier ja schon stattfindet. Man könnte dann also nicht anders als an der Bestie zum Helden zu wachsen.]]]

    Zugespitzt gesagt, ginge eine Auseinandersetzung zwischen Kommunisten der einen und solchen der andern Art um die Frage: Ob die Erklärung der Verhältnisse aus ihrem System-Charakter die eigentlich materialistische, realitätsgerechte ist, und die Ableitung aus ihren idealistischen Flausen und Einstellungen idealistisch – ODER (wie ich es behaupten würde), ob „das System“ (der Ausbeutung) die Abtrennung einer Vorstellung (Idee) als einer unabhängig für sich bestehende Realität bedeutet – unabhängig von denen, die sie vorstellen, entwerfen, gestalten, abändern, daran zweifeln usw – Abtrennung von ihnen und den beschränkten und sie beschränkenden historischen Lebenszusammenhängen und Erfahrungen, aus denen heraus sie ihre Projekte entwerfen (darin sind die von ihnen allen zusammen (auf ganz verschiedene Weise) geschaffenen staatlichen und kapitalistischen Verhältnisse eingeschlossen, in denen und „zu“ denen sie sich, freilich in unendlichen Varianten, verhalten können und müssen). Die Theorie und Praxis bekommt es dann mit all diesen Eigentümer- und Nationsein-Wollenden zu tun, mit all ihren Nachlässigkeiten und unterlassenen Begriffsbildungen,…

    Der Idee kann ich, wenn ich ehrlich bin, nur teilweise etwas abgewinnen. Ich halte die Feststellung, dass es sich bei einer Gesellschaft um ein System handelt geistig für nicht sehr nahrhaft, weil man dann immer noch die Aufgabe hat zu erklären, welches die Elemente des Systems sind und wie sich das System reproduziert. Erklärt man umgekehrt die Gesellschaft, dann werden sich die systemhaften und nicht systemhaften Momente schon ergeben. Der Vorteil der letzten Herangehensweise ist, dass man keinen Leitgedanken (wie „System“, „Materialismus“) bei der Bildung der Begriffe beachten muss, wenn man die Gesellschaft erklärt
    Was Du darüberhinaus ansprichst würde ich so fassen (habe ich bei Apple schon mal tw. gemacht), dass es die Stellung der Leute zur Gesellschaft ist, die zu den verschiedenen Bewusstseinsformen und gesellschaftlichen Fortschritten (Veränderungen) führt. Und da gibt es 2 verschiedene Stellungen (die nicht vom Himmel fallen):
    Einerseits die, die Verhältnisse, die man vorfindet hinzunehmen und sich an ihnen zu bilden (d.h. Kinder lernen, worauf es im Leben ankommt, entnehmen aus der Gesellschaft ihre Bedürfnisse und lernen sie unter Beachtung der gesellschaftlichen Regeln zu verfolgen und so reproduziert sich die Gesellschaft biologisch und in ihren Verhältnissen) Das ist die instrumentelle Stellung – alles wird (unhinterfragt) als Mittel betrachtet an die Gegenstände der Bedürfnisse zu kommen, die man sich aus der Anschauung der Gesellschaft zugelegt hat.
    Ein Bewusstsein bildet sich so ein Mensch dann eben anhand dieser Stellung und wenn er auf Widersprüche in der Gesellschaft stößt, nimmt er sie mit diesem Bewusstsein wahr und bearbeitet sie. Und so ist die Gesellschaft bis jetzt in jedem Fall weiterentwickelt worden.
    Darüber hat sich mit der Durchsetzung bürgerlicher Verhältnisse aber das Wissen um die Natur, die Gesellschaft als Mittel (als Instrument) ergeben Bedürfnisse zu realisieren.
    Mit dem Einzug bürgerlicher Verhältnisse war also klar, dass Erklärung etwas bringen kann (was vorher keineswegs durchgesetzt war).
    Und an die Stelle gehört Marx. Er hat dem Interesse der Arbeiter ein Wissen geben wollen, mit dem sie zu ihren Bedürfnissen kommen. Dass sie das kämpfend tun müssen, das hat er tatsächlich als selbstverständlich unterstellt (was es aber nicht ist, siehe die Diskussion im Thread).
    Dann gab es aber noch einen anderen Übergang (den Kommunisten gern ideologisch für sich reklamieren) und das ist der vom erworbenen Wissen auf das Interesse zu reflektieren (was Marx teilweise gemacht hat, insofern reklamieren Kommunisten das nicht ganz unbegründet für sich) und daraus Konsequenzen für das eigene Tun abzuleiten. An der Stelle wird das Interesse zum bloßen Ausgangspunkt, zur Motivation der Theorie und ist (wenigstens im Fall der Gesellschaft) selbst einer ihrer Gegenstände. Dann strebt man aber auch nicht mehr unbedingt nach der Verwirklichung des Interesses, das die Theorie motiviert, sondern betrachtet es im Kontext der anderen Interessen. Das, worum es dann geht ist Interessen so zu entwickeln, dass die Gesellschaft frei von Gegensätzen ist. Dann hat man keine instrumentelle Stellung mehr zur Welt.
    Der Übergang zwischen der einen und der anderen Stellung zu den Verhältnissen verlangt von dem Menschen, der ihn machen soll von den eigenen Interessen Abstand zu nehmen und sie mit offenem Ergebnis zu reflektieren. Und da ergibt sich aus der ersten, instrumentellen Stellung zur Welt eben ein schwacher (kompatibilistischer) Determinismus. D.h. wenn man will, dass die eigene Theorie vorausgesetzten Interessen Dienst leistet, kann man an der Reflektion dieser Interessen nichts Nützliches finden, sondern wähnt sie dadurch, dass sie zum Gegenstand theoretischer Infragestellung werden u.U. sogar angegriffen. Details stehen in Apples Blog.
    Dieses instrumentelle Bewusstsein hat schon Autonomie gegen die Verhältnisse (das System), weil es eben für die Leute auch die Erklärung der Welt leistet, ihnen ihr „Weißwarum“ gibt und sie aus ihrer Perspektive tun, was sie tun, weil die eben denken, was sie denken. Deshalb würden Bürger auf der grünen Wiese auch wieder eine bürgerliche Gesellschaft einrichten und ihr Bewusstsein wäre mit dem plötzlichen Verschwinden der Gesellschaft nicht genauso plötzlich verschwunden.
    Das vielleicht mal als Einstieg.

  50. Kim B.
    26. März 2013, 14:12 | #50

    @franziska

    „Da seh ich, dass ich mir grad selbst das Stichwort gebe: Warum und wie werden Leute gsp- oder sonstige Kommunisten? Gibt es dafür irgendeine Erklärung ausser… weil sies nun mal so wollen? Weil sie sich diesunddas „haben einleuchten lassen“? Die Theorie erklärt (und das System verursacht) gerade eben noch die „Notwendigkeit“ des FALSCHEN Bewusstseins – warum aber man sich entschliesst, zusätzlich zum Lbeenskampf kommunistische Politik zu machen, scheint jenseits aller Erklärbarkeit (reicht Einsicht in die Ausweglosigkeit der eigenen Lage?)“

    Es könnte ja sein, dass dieser seltsame Typus Mensch was kapiert hat, was du nicht kapierst oder nicht kapieren willst. Frag dich, bevor du dir so eine depperte Frage stellst, doch zuerst einmal selbst, warum Figuren wie du und Libelle, sich zusätzlich zum Lebenskampf entschließen, so engagiert antikommunistische Politik zu betreiben. Da wäre es doch angebrachter, statt dieses Opfer zu bringen, den ohnehin niemand zugute kommenden Aufwand lieber gleich dem eigenen Wohlbefinden zu widmen.
    @libelle

    „Das ist verlogen, weil es eben nicht ihre Sache (ihr Ausgangspunkt, das bessere Leben) ist, in die sie da Zeit investieren. Also wenn man noch ein Beispiel für Ideologie bräuchte, dann ist es das. Für so einen kommunistischen Märchenonkel ist einfach alles eins, Lohnarbeiten das Gleiche wie um die gesellschaftliche Verfassung Gewaltfragen austragen (denn das folgt daraus, dass sich große Teile der Arbeiterklasse zu einem Kampf gegen die Verhältnisse entschießen) .“

    Libelle entwirft ein generelles Bild des modernen Kommunisten durch frei erfundene Eigenschaften (Machtstreben, Gewalt, Heroismus), untermauert mit entsprechend subjektiv vorgetragen antikommunistische „Schuhdrückern“ (Gulag, Haftanstalten, Opfer, Blutrunst usw.). Diesem weltanschaulichen Charakteristikum unterwirft er sein abstraktes Denken über Kommunisten, mit dem er ganz „unideologisch“ Annahmen, die er als Argumente verstanden haben will, konstruiert, die eine Ideologie in Form der unehrlichen Absichten der Kommunisten nachweisen sollen. Dagegen stellt er eine Methode der Erkenntnisgewinnung, anhand der er, obwohl das bürgerliche Sein reflektierend, sich einbildet, dank des hierdurch erlangten Wissens die bürgerliche Gesellschaft so einrichten zu können, dass die Menschen was davon hätten. Da komme ich zu dem Ergebnis, dass es sich bei dieser antikommunistischen Figur nur um einen Märchenonkel, Zyniker und/oder Hetzer handeln kann.
    Kim

  51. libelle
    26. März 2013, 14:33 | #51

    @Kim:
    An Deiner Entgegnung hat man einen Beleg für ideologisches Denken. Du gehst kein bisschen auf das, was ich schreibe ein, sondern konstruierst irgend ein Bild, das zweierlei leistet:
    1. Die Wahrheit ist auf Deiner Seite
    2. Dein Interesse bekommt recht.
    Wollen Kommunisten Machtfragen stellen oder nicht?
    In welchem Zusammenhang steht der Heroismus in meiner Kritik an Decker zu diesen Machtfragen?
    Machen diese Machtfragen Gewalt, also die Unterordnung fremder Willen (der Gegner des Kommunismus) notwendig, ja oder nein?
    An Dir selber könntest Du merken, wie hermetisch ideologisches Denken ist, wie determiniert man da durch die Welt läuft. Du und Mattis und – ausgenommen Franziska – so ziemlich alle, die hier geantwortet haben, ihr bekommt es mit eurer Ideologiebrille ja nichtmal mehr auf die Reihe zur Kenntnis zu nehmen, was überhaupt gesagt ist, wenn euer Interesse nicht recht bekommt, sondern selbst thematisiert wird!

  52. franziska
    26. März 2013, 17:13 | #52

    @libelle
    Dass du zu schädlichen Folgen des Machtfragen usw.-Zwecks noch mehr zu sagen hattest, war mir klar, ich hab nur zeigen wollen, dass ich mit meinen Überlegungen mich nicht zu sehr vom Thema dieswes Threads entferne. Das Heroentum gehört zur Rubrik „Konsequenz“, ich möchte begreifen, woher und wie gsp-ler dahin kommen.
    Mein Bandwurmsatz wird erneut Zitat. Meine Behauptung ist die, dass alles, was jenseits individueller Bewusstseinsinhalte liegt, speziell der Bewusstseins-Abteilungen, worin die Verhältnisse zu denjenigen anderer eingeschätzt und bewertet werden, NICHT zur Erklärung gesellschaftlicher Verhältnisse herangezogen werden darf, weil das falsch ist (es ist ein Fehler, der häufiger gemacht wird, also ein FehlerTYP, der dann von seinen Kritkern einen Namen angehängt bekommen kann, zB „Idealismus“, die Erklärung für die Wortwahl und das Fehlerhafte wird im zitierten Satz angedeutet.)
    Anders, als du, libelle, es ihnen aus deiner Warte zuschreibst, planen, so wie ich sie verstehe, gsp-Kommunisten die Machtkonkurrenz nicht mit „der Gesellschaft“, sondern mit DEM (National)Staat, der zusammen mit „seiner“ Ökonomie – wie von mir dem gsp hoffentlich nicht fälschlich als Position zugeschrieben – die Gesellschaftsangehörigen als Momente seiner und der angeschlossenen Ausbeutungs-Ökonomie Selbstreproduktion be- und vernutzt – solang, wie die Geschädigten unter ihnen sich – den auf sie einwirkenden Drohungen (und auch Anreizen) nachgebend, bzw zusätzlich noch eigenen Illusionen und Fehlurteilen (auf die sie aber ausserhalb der ihnen zugewiesenen Position nie gekommen wären) aufsitzend – als solche Momente betätigen.
    (Nebenbei: Mein Hinweis auf die hypothetische gsp-Variante einer „Übergangsperiode“ war nur die Einkleidung bzw. Illustration eines (allem Anschein nach) Fundamentalgedankens der gsp-Theorie: dass die ganzen Fehlurteile und Verrücktheiten der (Psychologie der) bürgerlichen Individuen verschwinden werden (nun ja – mit einer gewissen Zeitverzögerug… – so wie auch bei dir: das instrumentelle Bewusstsein hat seine Autonomie gegen die Verhältnisse..), wenn sie nicht mehr notwendig sind – weil das System, als dessen Momente sie Bedarf nach solchen Fehlern entwickelten, verschwunden ist (dank der heroischen Anstrengung derer, die sich zuvor aus blossen Momenten in Bekämpfer verwandelt hatten und die Gesamtgesellschaft, wenigstens die Geschädigten, vom Ausbeutungssystem befreiten).)
    Die ungeplant (im Rahmen ursprünglicher Akkumulation) aus ursprünglich getrennten Systemelementen verschmolzene Struktur „kapitalistische Ökonomie“ und die zu ihr passende politische Organisation „bürgerlicher Staat“ (an deren Einrichtung Angehörige beider Klassen der kap.Ökonomie Interesse hatten, nachdem es sie gab; insofern bedingt geplant und gewollt bis heute) bilden in ihrem Aufeinander-Bezogensein eine Struktur, die gewissermassen die Gesellschaft in systemkonforme Positionen zwingt oder sie dazu verführt, oder auch über ihre wahre Beschaffenheit täuscht.
    Diesen Teil der Geschichte, libelle, erzählst du nicht – er kommt bei dir vor als „instrumentelles Bewusstsein verarbeitet Widersprüche solang bis bürgerliche Verhältnisse entstanden sind, MIT IHNEN wissenschaftlich-technisches Können und arbeitsteilig organisierte Gesellschaft als Quelle von Bedürfnisbefriedigung“. (Im Anschluss daran zählt „Erklären“ im allgemeinen etwas, und, speziell dies gesellschaftsbezogen, Reflexion auf Interessen angesichts (? oder was heisst „Reflexion VOM…??) des erworbenen Wissens (im allgemeinen? oder des Wissens über die Gesellschaft?)
    Hier hast du dann thematisch aufgeschlossen zu den Ausführungen des gsp zum bürgerlichen Individualbewusstsein. Während dieses aber sich in den Fallstricken seiner Positions-bedingten Beschönigungswünsche und Illusionen verfängt, hat es bei dir die historisch eröffnete Chance (ist DAS die „Stellung in der Gesellschaft“, die zu dieser neuen Bewusstseinsform passt? oder welche?), wenn es nur will und sich losreissen will, seine (woraus sich ergebenden?) Interessen zu reflektieren. Heisst das: explizieren, sich klarmachen? Oder: Sich klarmachen, worin die „wahren“ (und insofern „vorausgesetzten“) Interessen bestehen? – oder was heisst bei dir: „ergebnisoffen reflektieren“? Sind sie da, oder erzeugt („entwickelt“) man sie bei sich und andern? Wie? Durch Entschlüsse?
    Ich sehe derzeit eine wesentliche Gemeinsamkeit: gsp und du, libelle, haben eine Stelle eingebaut, wo man „sich losreissen“ muss und etwas wollen. Es ist aber nicht klar, was Leute erfahren müssen, damit man halbwegs vernünftig erwarten kann, dass sie das tun werden (vorausgesetzt, sie sind halbwegs vernünftig). Das Aussprechen der „richtigen Argumente“?
    Da ist eine LÜCKE.
    Ausserdem gibt es bei euch die lockere Rede von Bedürfnissen und Interessen, und das Wissen um (oder die Vorwegnahme von) deren (künftigen) Inhalt, zB bei all ihrer Mannigfaltigkeit: Gegensätze verschwinden.
    Die gsp-ler reden vom instrumentellen Bewusstsein mal ganz am Rand, hingegen du, libelle, von den bürgerlichen Verhältnissen, auch nur ganz am Rand.
    Vielleicht wärs nützlich, wenn ihr BEIDE mal sagt, wie das zusammengehört.
    Zuletzt: Gesellschaft frei von Gegensätzen…? Also – doch…?

  53. Mattis
    26. März 2013, 20:20 | #53

    „Frag dich, bevor du dir so eine depperte Frage stellst, doch zuerst einmal selbst, warum Figuren wie du und Libelle, sich zusätzlich zum Lebenskampf entschließen, so engagiert antikommunistische Politik zu betreiben.“ (Kim B.)
    Kurze und passendste Antwort auf die gezielte Verrätselung von Motiven, die hier immer wieder platziert wird. Immerhin unterscheidet der Staat ja nicht immer so sauber zwischen den bösen Kommunisten und deren Marx lesenden Kritikern.
    Wir haben jedenfalls verstanden: Die einen wollen also Machtkampf als Selbstzweck – na dann wollen deren Kritiker wohl Unterwerfung als Prinzip der Lebensführung. Da hätten wir dann glücklich die Welt in ein nützliches Brav-sein der einen und ein nur sich selbst schädigendes Böse-sein der anderen aufgedröselt. Was für eine großartige intellektuelle Leistung!
    Das Bemühen, aufkeimendem Unmut gleich einen – zunächst noch akademischen – Riegel vorzuschieben, passt gut zur augenblicklichen Entwicklung des Kapitalismus, dessen Bruderkriege allmählich näher rücken. Aber keine Angst Leute, sich zu unterwerfen war schon immer der beste Schutz vor Willkür, Not und Krieg.

  54. Mattis
    26. März 2013, 22:15 | #54

    @franziska:
    „Oh, das Füllhorn muss so gefüllt werden, dass alle Verteilungsprobleme von selbst verschwinden. Ja dann ists leicht. Aber vorher sollen mitten in der kollektiven Planwirtschaft Gerechtigkeitsflausen, die doch völlig überflüssig sind, fortbestehen? Weils aus dem Füllhorn nicht fliesst? Was ist das, Mattis – Histomat?“
    Du hangelst dich da in der Welt deiner eigenen Assoziationen nach vorn, was allerdings an meinen Auffassungen ziemlich vorbeigeht.
    Es kann eine geplante Gemeinwirtschaft nicht einfach deshalb, weil nach Bedürfnissen geplant wird, schon auch sämtlichen Bedürfnissen dienstbar sein. Es gibt bei aller Produktivkraftentwicklung auch ernstzunehmende „entgegenwirkende Ursachen“, um dafür mal einen Terminus von Marx auszuborgen. Daher bedarf es bestimmter Regelungen des Individualkonsums. Mit Flausen hat das nichts zu tun. Vielmehr gibt es gute Gründe, den von mir so bezeichneten „Füllhorn-Idealismus“ zu kritisieren.
    Weil ich es mit Argumenten halte und nicht mit überlieferten Doktrinen, hab ich auch mit Histomat oder Diamat oder sonstigen Automaten nichts zu schaffen.
    All das habe ich im Rahmen einer längeren Debatte erst kürzlich bei Nestormachno begründet. Hier soll deshalb dieser Hinweis für Interessierte genügen, denn Leute wie dich, die ohnehin keine gesellschaftliche Änderung befürworten – es sei denn man kriegt sie von der Gegenseite geschenkt – will ich wirklich nicht damit langweilen.

  55. franziska
    26. März 2013, 22:31 | #55

    kim, wenn du schon vom kapieren anfängst: Ich war IMMER Kommunist und nie was andres. Ich hab allergrösste Schwierigkeiten zu kapieren, wie mans nicht sein kann, und suche dafür nach Erklärungen. (Das ist übrigens genauso mit religiösem Glauben.). Ich bin NICHT Kommunist geworden, weil mir die (kritischen) Theorien der herrschenden Verhältnisse einleuchten. Die hab ich geprüft im allerdringlichsten Wunsch, dass sie stimmen mögen, weil ich dachte, dass man den Nichtkommunisten die Vernünftigkeit von Kommunismus damit zeigen könne. Diese Theorien von Kommunisten (wie ich, daran hab ich keinen Zweifel) sind aus meiner Warte ein DESASTER. Sie werfen gleich die nächsten Probleme auf, ich frag mich, wie Leute, die doch das grundlegende Ziel (zwangfrei gemeinsam rationell geplante und organisierte arbeitsteilige (Re)Produktion der Gesamtgeselschaft) offenkundig teilen, die Kritik der Verhältnisse so verrückt begründen können. Oder Diskussionen so führen, wie sie sie führen. Die ewige Gereiztheit und Ungeduld (die sie den Konflikten kaum je mal gewachsen zeigen…) Der inflationäre Gebrauch der Kategorie „wollen“ an Stellen, wo ich sie im Traum nicht gebrauchen würde. Das ganz locker sitzende „du willst halt was andres“ und der Gesprächsabbruch.
    Ich bemühe mich allerdings drum, auch das noch zu kapieren (= die Einstellungen, die zu sowas führen, zu enträtseln. Dafür treibe ich in der Tat sehr viel Aufwand. Und mehr als mal mit dir auf einem kommunistischen Blog ins Gespräch zu kommen, mach ich doch garnicht. Theoretische Einwände von Kommunisten gegen Theorien von Kommunisten auf Blogs von Kommunisten sind antikommunistische Politik????

  56. franziska
    26. März 2013, 22:48 | #56

    ergänze zu oben wg. Religion: War immer Atheist, und begreife nicht wie man religiös sein kann.
    @mattis
    Ich wollte dich da garnicht persönlich reinziehen, sondern die Füllhorn-Versprechung, also den altlinken Gedanken der „Entfesselung der Produktivkräfte durch Sozialismus“ als Parallele heranzuziehen für einen hypothetisch aus der gsp-Theorie des bürgerlichen Individuums abzuleitenden ähnlichen Gedanken: dass mit der Position in der früheren Klassengesellschaft die Fehlurteile und Einstellungen, die man sich da zugelegt hat, verschwinden. Auch da gibt es, wie mehrfach von P.Decker bis libelle angeführt, „entgegenwirkende Ursachen“. Ich halte die Erklärung der Einstellungen als sekundäre für falsch, sage vielmehr, sie sind primär die Ursache der herrschenden Verhältnisse. Deswegen kann man die leider auch nicht abschaffen. An der Änderung habe ich existenzielles Interesse. Es hat so wenig Sinn, mir angesichts meiner anderslautenden Einschätzungen dies Motiv abzusprechen, wie es Sinn macht, spätestens angesichts deiner Erläuterung dich mit dem Füllhorn-Versprechen in Verbindung zu bringen. Tut mir leid, dass die Thematisierung dieses v.a. historischen Versprechens im Rahmen meines Arguments mit deiner Person verbunden wurde.

  57. libelle
    27. März 2013, 10:44 | #57

    @Franziska
    Ich denke es wird eine Weile dauern, bis wir uns verstehen (was nicht heißt, dass man sich einig wird).
    Ich fange mal hinten an:

    Ich sehe derzeit eine wesentliche Gemeinsamkeit: gsp und du, libelle, haben eine Stelle eingebaut, wo man „sich losreissen“ muss und etwas wollen. Es ist aber nicht klar, was Leute erfahren müssen, damit man halbwegs vernünftig erwarten kann, dass sie das tun werden (vorausgesetzt, sie sind halbwegs vernünftig). Das Aussprechen der „richtigen Argumente“?
    Da ist eine LÜCKE.

    Man kann nicht sagen, was passieren muss, damit sich der Verstand der Leute auf ihre Interessen wendet. Wann er das tut, ob er das tut, ob man ihn dazu bringen kann etc… sind Fragestellungen, die ich auch für ideologisch halte. Wenn man festgestellt hat, dass man in dem, was gesellschaftlich stattfindet von anderen Willen abhängt und man bei denen gern einen anderen Inhalt hätte, muss man doch ersteinmal fragen, was ein Wille ist. Die im hier besprochenen Zusammenhang entscheidende Eigenschaft des Willens ist seine (Willens-) Freiheit d.h. wenn man ihm zugesteht eigengesetzlich darüber zu befinden, worauf er sich wendet, welche Inhalte er sich deshalb setzt etc.. dann sind Fragestellungen wie „Wie beeinflusse ich den Willen?“ hinfällig. Er ist ja etwas, das sich eigengesetzlich bestimmt. Verkehrt sind deshalb alle wie auch immer gearteten „Willensbeeinflussungsprojekte“. Sie gehen von der, von dem Interesse sich zum Subjekt der Änderung der Gesellschaft machen zu wollen inspirierten Vorstellung aus, der Wille ließe sich fremdbestimmen – und je nach Diagnose, werden die zur Vermittlung angedachten Inhalte entsprechend entstellt (=“aufbereitet“). Das einzige, was in Sachen Fremdbestimmung einigermaßen zuverlässig funktioniert ist Gewalt – mit der kann man nämlich in die Eigengesetzlichkeit des Willens durch Einwirkung auf seine materielle Grundlage eindringen, und so den Vorgaben, die durch die Gewalt gemacht werden höchste Priorität verleihen. Aber nichteinmal das klappt immer (und wenn, dann bei den betroffenen Willen nur höchst eigengesetzlich) und die Gesellschaft selbst bringt immer wieder Konstellationen des Willens hervor bei denen die Gewalt versagt und bei denen die Willen sich trotz Gewalt weiter eigengesetzlich bestimmen (siehe z.B. Buddhismus etc.., wenn der Lebenszweck darin besteht seine materiellen Interessen zu verleugnen, um ins Nirwana zu kommen, hat Gewalt keinen Einfluss mehr).
    Was man dann noch tun kann, ist die Eigengesetzlichkeit des Willens bei einer bestimmten Konstellation versuchen zu ermitteln. D.h. es gibt keine LÜCKE, weil im MÜSSEN des Willens der Anspruch seiner Fremdbestimmung steckt!
    Was wird jetzt also aus dem Zitat oben? Eigentlich nur die Frage, ob die instrumentelle Stellung zur Welt und die aus ihr folgenden Bewusstseinsformen immanente Schranken haben, die den Willen auf diese Stellung (seine Interessen) theoretisch aufmerken lassen.
    Dazu: es gibt solche Übergänge, sie sind aber nicht notwendig. (kommt man vielleicht noch dazu)
    Dein obiges Zitat ist eine typisch kommunistische Fragestellung und ich habe für mich diese Fragestellungen zusammen mit dem kommunistischen Interesse kritisiert. Übrig bleibt für mich in dieser Hinsicht das, was schon weiter oben im Thread steht, nämlich erstens: dass der einzige Wille den ich beeinflussen kann mein eigener ist (und da kann von beeinflussen keine Rede mehr sein, weil es ja meine prozessierende Eigengesetzlichkeit ist) und zweitens: dass ich mit ihm an der Gesellschaft teilhabe d.h. sage, was ich denke, versuche arbeitsteilig mit anderen, was meine theoretischen Interessen betrifft, zu potte zu kommen ( und manche von denen wissen nichtmal, dass sie in meine Arbeitsteilung einbezogen sind!) – und fertig. Vielleicht steckt in dem Ganzen noch eine kleine Empfehlung an andere: Versuchts doch auch mal auf die Art, den Erklärungen, die ich gefunden habe entspricht das jedenfalls.
    Was man auf der Grundlage des oben Gesagten noch versuchen könnte, wäre den anderen (theoretische) Angebote zu unterbreiten. Erstens macht man das aber ohnehin, wenn man irgendwas in einem Raum sagt, in dem man nicht allein ist, und zweitens geht eine wie auch immer geartete Entstellung („Aufbereitung“) des Angebotenen dann schon wieder von der verkehrten Idee aus, man könnte andere Willen fremdbestimmen und es wird darin immer irgend eine Willenskonstellation angenommen, die bei den anderen vorläge – das ist spekulatives Herumstochern.
    Man braucht solche Verrenkungen im Dienst aus den eigenen Interessen irgendwas folgen lassen zu können auch nicht zu unternehmen, denn: Ist das instrumentelle Bewusstsein nicht an einer Schranke, die sein theoretisches Interesse für die ihm zugrunde liegenden Interessen weckt, erzeugt man nur Altpapier bzw. vergeuded unnötig Zeit und umgekehrt: Wenn in der Gesellschaft massenhaft das Interesse an ihren Grundlagen entsteht z.B. weil die Interessen in ihr nicht mehr aufgehen, dann wird man auch gefunden, wie die Freunde des Weltuntergangs das Ende des Maya-Kalenders gefunden haben, ohne, dass ständig irgend ein Maya bei ihnen angerufen- und sie an das Ende eines Zyklus in seinem Kalender erinnert hätte.
    Und dann ist man wie vorher, schon wieder nicht Subjekt der dann stattfindenden Veränderungen, sondern hat wie immer nur an der Gesellschaft als eines ihrer unbedeutenden Atome teil. Was bleibt also? Wenn man kapiert hat, dass man sich Kraft des Wissens um die Gesellschaft selbige nett einrichten kann, entwickelt man dieses Wissen und hält es verfügbar. Alles andere ist verkehrt.

    Die gsp-ler reden vom instrumentellen Bewusstsein mal ganz am Rand, hingegen du, libelle, von den bürgerlichen Verhältnissen, auch nur ganz am Rand.
    Vielleicht wärs nützlich, wenn ihr BEIDE mal sagt, wie das zusammengehört.

    Also die instrumentelle Stellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen ist universell und nicht von den gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig. Sie ist gekennzeichnet durch eine unreflektierte Hinnahme der gesellschaftlichen Grundlagen, als Gegebenheit, in der man sich mit den Bedürfnissen, die man gleichfalls der Gesellschaft unreflektiert entnommen hat, zurechtfinden muss. Mit der Benutzung der Gesellschaft als Mittel der Verwirklichung der Bedürfnisse attestiert man ihr auch als Selbstverständlichkeit, dass sie das (ein Mittel für die eigenen Bedürfnisse) sei und verwandelt die Bedürfnisse in gesellschaftliche Interessen, indem man sie in die gesellschaftlichen Formen ihrer Verwirklichung kleidet. Auf dieser Grundlage stellen sich für einen in dieser Stellung befangenen Menschen erst irgendwelche theoretischen Probleme (wie : wie setze ich mich gegen meine Konkurrenten auf Arbeit durch usw…) und er entwickelt das zur jeweiligen Gesellschaft gehörige Bewusstsein.
    Bürgerliche Verhältnisse, sind welche, die Privateigentümer zueinander einrichten, wenn sie das Eigentum zur durchgesetzten Erwerbsform machen (Staat, Demokratie, die Stellung der Menschen als Personen zueinander, die Scheidung in öffentliche- und Privatsphäre, Arbeit und Freizeit etc…) und zu diesen Verhältnissen haben die Eigentümer eine instrumentelle Stellung.
    Der Bauer im Mittelalter oder der Römer oder die sozialistischen Bürger haben sich aber auch instrumentell auf ihre Verhältnisse bezogen.

    Gesellschaft frei von Gegensätzen

    Das ist eine theoretische Konsequenz, wie sich eine Gesellschaft fassen lässt, die ihren Mitgliedern entspricht. Das, was Kommunisten labern (Planwirtschaft, geplante Bedürfnisbefriedigung etc…) fasst das nicht richtig. Daran merkt man ihr theoretisches Desinteresse.

    Meine Behauptung ist die, dass alles, was jenseits individueller Bewusstseinsinhalte liegt [..] NICHT zur Erklärung gesellschaftlicher Verhältnisse herangezogen werden darf, weil das falsch ist (es ist ein Fehler, der häufiger gemacht wird, also ein FehlerTYP, der dann von seinen Kritkern einen Namen angehängt bekommen kann, zB „Idealismus“, die Erklärung für die Wortwahl und das Fehlerhafte wird im zitierten Satz angedeutet.)

    Wenn man Gesellschaft erklärt, erklärt man die Verhältnisse, in denen die Menschen zueinander stehen (Eigentümer, König, Deutscher, Lehnsherr, Voigt). Über diese Stellungen erfährt man gleich über welches Medium von anderen Menschen, also waren diese Inhalte doch schon Inhalte eines individuellen Bewusstseins und haben sich über den Prozess seiner Durchsetzung, der die Durchsetzung der entsprechenden Interessen begleitet hat, verallgemeinert. Sie sind Teil eines individuellen Bewusstseins also, das für seinen Inhalt beansprucht, dass er für alle Mitglieder der Gesellschaft gelten würde , also die Gesellschaft ausmachen würde.
    Stimmen würde das dann, wenn die Mitglieder der Gesellschaft ein Bewusstsein hätten, mit dem sie genau diese, ihre gesellschaftlichen Bestimmungen exekutieren würden (d.h. sie müssen nichtmal wissen, was sie da tun, sondern müssen nur ein Bewusstsein haben, das sie zu Tätigkeiten anhält, die z.B. einem Eigentümer entsprechen) Und wenn das nicht so wäre, dann wäre diese Gesellschaft z.B. eben auch keine von Eigentümern, weil die Leute ihre gesellschaftlichen Bestimmungen nicht exekutieren würden.

    Anders, als du, libelle, es ihnen aus deiner Warte zuschreibst, planen, so wie ich sie verstehe, gsp-Kommunisten die Machtkonkurrenz nicht mit „der Gesellschaft“, sondern mit DEM (National)Staat, der zusammen mit „seiner“ Ökonomie – wie von mir dem gsp hoffentlich nicht fälschlich als Position zugeschrieben – die Gesellschaftsangehörigen als Momente seiner und der angeschlossenen Ausbeutungs-Ökonomie Selbstreproduktion be- und vernutzt – solang, wie die Geschädigten unter ihnen sich – den auf sie einwirkenden Drohungen (und auch Anreizen) nachgebend, bzw zusätzlich noch eigenen Illusionen und Fehlurteilen (auf die sie aber ausserhalb der ihnen zugewiesenen Position nie gekommen wären) aufsitzend – als solche Momente betätigen.

    Wem der GSP dann gegenübersteht, das richtet sich glücklicher- oder unglücklicherweise nicht nach seiner Theorie, sondern nach dem tatsächlichen Zusammenhang. Von mir aus kann der GSP gegen den Zauberer von Oz antreten wollen.
    Ich stelle das erstmal ein….I’m tired. Nacher vllt. noch was.

  58. libelle
    27. März 2013, 12:25 | #58

    Die ungeplant (im Rahmen ursprünglicher Akkumulation) aus ursprünglich getrennten Systemelementen verschmolzene Struktur „kapitalistische Ökonomie“ und die zu ihr passende politische Organisation „bürgerlicher Staat“ (an deren Einrichtung Angehörige beider Klassen der kap.Ökonomie Interesse hatten, nachdem es sie gab; insofern bedingt geplant und gewollt bis heute) bilden in ihrem Aufeinander-Bezogensein eine Struktur, die gewissermassen die Gesellschaft in systemkonforme Positionen zwingt oder sie dazu verführt, oder auch über ihre wahre Beschaffenheit täuscht.

    Ich halte nichts von der Idee, dass die Gesellschaft in systemkonforme Positionen gezwungen wird. Gezwungen werden nur (systemkonforme) Teilnehmer dieser Gesellschaft zu systemkonformer Betätigung d.h. Eigentümer werden auf eine Eigentumsordnung verpflichtet, Leute, die die Selbstauffassung pflegen Nationsangehörige zu sein (wenigstens mehrheitlich) werden zum Dienst an der Durchsetzung der Nation verpflichtet etc… Hier sind wir also auseinander.
    Auch denke ich nicht, dass die Leute verführt werden (erst wollen sie was anderes, dann kommt die goldene Sirene und dann wollen sie Geld verdienen), sondern ihr Wille bildet sich an den Verhältnissen, die sie vorfinden, indem sie sie als nicht weiter zu hinterfragende Grundlage der Realisierung ihrer Bedürfnisse unterstellen (instrumentelle Stellung). Alles, was sie sind, haben sie mit dieser Stellung aus den Verhältnissen, die sie vorfinden.
    Und dann versuchen sie (ganz wie die Kommunisten) ihre Interessen in den Gegensätzen, in denen sie stehen zum gehen zu bringen bzw. sie duchzusetzen und darüber entwickeln sie die Gesellschaft weiter (so war es jedenfalls bisher und das ist kein brauchbares Verfahren, um zu einer vernünftigen Gesellschaft zu kommen (siehe Thread, aus dem man auch entnehmen kann, dass ich so ein Verfahren nicht habe und aus älteren Diskussionen kann man entnehmen, dass es so ein Verfahren auch nicht geben kann)).

    Diesen Teil der Geschichte, libelle, erzählst du nicht – er kommt bei dir vor als „instrumentelles Bewusstsein verarbeitet Widersprüche solang bis bürgerliche Verhältnisse entstanden sind, MIT IHNEN wissenschaftlich-technisches Können und arbeitsteilig organisierte Gesellschaft als Quelle von Bedürfnisbefriedigung“. (Im Anschluss daran zählt „Erklären“ im allgemeinen etwas, und, speziell dies gesellschaftsbezogen, Reflexion auf Interessen angesichts (? oder was heisst „Reflexion VOM…??) des erworbenen Wissens (im allgemeinen? oder des Wissens über die Gesellschaft?)

    Ja, oben ist die instrumentelle Stellung zur gesellschaftlichen Welt nochmal erklärt. Im Feudalismus gab es die Idee (das Bewusstsein) nicht, dass man sich die Welt erklärt und dieses Wissen bei der Verwirklichung von Bedürfnissen nützlich ist, sondern da ging es um religiöse Erkenntnis, weil die Welt als von Gott gemacht aufgefasst worden ist d.h. Fragen waren z.B. hat der Mensch einen freien Willen, wenn Gott die Welt, den Menschen eingeschlossen geschaffen hat; ist die Heiligkeit drei- oder doch nur zweifaltig oder gar nur einfaltig; war Jesus ein Mensch usw…
    Erst in bürgerlichen Verhältnissen hat das Wissen im Bewusstsein die Stellung eines allgemeinen Mittels zur Verfolgung von Interessen bekommen und damit war es gleichfalls theoretischer Gegenstand (und die von allen Interessengruppen der Gesellschaft gegeneinander beanspruchte Wahrheit usw..)
    So, ich habe erstmal fertig.

  59. franziska
    27. März 2013, 17:45 | #59

    ((Vorweg. Die zuletzt von libelle aufgegriffene Textstelle von mir zu „System“ war, von mir durch verschlimmbessernde Kürzungen verschuldet, nicht als das Referat bzw. hoffentlich korrekte Zusammenfassung der gsp-Theorie in diesem Punkt (ich bitte weiterhin um Korrekturen, wenn es das nicht sein sollte) kenntlich, als die es gedacht war. Wenn das meins gewesen wär, würd ich mir ja total widersprechen. Dass es libelle zu einer Kritik herausforderte, seh ich nicht unbedingt als Schaden an – so hat er sich dazu auch noch geäussert. Und, ja, leider, wir sind uns in dieser Kritik noch nicht einig, und haben ein weiteres Thema mit Klärungsbedarf. ))
    In gewissem Sinn stehen libelle und ich mit unseren unterschiedlichen Überzeugungen vor einem vergleichbaren praktischen Problem. Wir tragen Kritik am gsp vor, er mit einer gewissen affektiven, ich mit einer gewissen, wie soll ich das nun sagen, logisch-syntaktischen Vehemenz… Wenns dann ums Belegen und Ausführen geht, müssen wir soweit ausholen, dass sich ernsthaft die Frage stellt, ob ein Thread wie dieser, sogar wenn er freundlicherweise einer solchen Selbstdarstellung (um)gewidmet wird, für diese Ausführungen geeignet ist.
    Das hätte man sich natürlich vorher überlegen können.
    Im Moment ist es so, dass libelle eine Theorie von notgedrungen so enzyklopädischen Ausmassen andeutet, dass ich ihn einfach nur auffordern kann, endlich seine Broschüre, oder wahrscheinlich eher Buch oder Bücher zu schreiben, in denen er seine Überzeugungen darlegt. Es muss ja kein Printbuch sein, homepage genügt ja heutzutage.
    Natürlich ist es dann erheblich schwieriger, Leser für solch eine ausufernde Lektüre zu gewinnen. Vielleicht scheut libelle die Einsamkeit des Verfassers eines Theoriewerks, er möchte vielleicht alles zugleich haben, Dialog UND seine Argumente in möglichst starker Form vortragen. Aber natürlich ist die Aufnahmebereitschaft von ihrerseits mit Reproduktion, politischer, tagesaktueller und auch noch eigener Reflexionsarbeit stark beanspruchten Leuten, wie sie mitmasslich hier unterwegs sind, damit weit überfordert.
    Vielleicht erklärt das einen Teil der Verärgerung, die (neben den provokanten, aber eigentlich bloss ansatzweise argumentativ einlösbaren Kritikansprüchen) durch die immer neuen Anläufe dieser Art ausgelöst wird.
    Abgesehen davon, ist eine Debatte NICHT mit GegenStandpunkten oder deren Vertretern, sondern im Binnenverhältnis zweier Kritiker des gsp für Leser dieses Blogs, die tendenziell mit dem gsp sympathisieren, oder wenn, dann schon wieder ganz andre Kritikpunkte im Blick haben, nicht unbedingt im Fokus ihres Interesses.
    Es ist auch nicht mein Eindruck, dass bei den Lesern dieses Blogs die grosse Theorie-Verzweiflung ausgebrochen wäre, die sie gierig alles Neue aufnehmen liesse, das sich ihnen zum Ersatz der untauglich gewordenen Erklärungen anbietet. Irgend so eine Einstellung wäre aber erforderlich, wenn man in libelles Themen einsteigen wollte. Meine Vermutung ist, dass, stünde dieser Text jetzt nicht in einem thread auf seinem Blog, Neoprene nie und nimmer darauf verwiesen hätte. Insofern hat das schon was von sich hier rein- und aufdrängen; und das ist leider auch mein Eindruck von meinen eigenen Aktivitäten hier. – Das soll man nicht als Gejammer nehmen, sondern als nüchterne Feststellung, dass konzentrierte, womöglich „philosophische“ Theorie aller Wahrscheinlichkeit nach derzeit nicht das ist, was die Mehrzahl der Leser dieses Blogs vorgesetzt kriegen wollen. (Das gilt sogar dann, wenn diese weit ausufernden Theorien Erklärungen und Lösungsvorschläge anbieten würden für die derzeitigen Hindernisse, auf die kommunistische Politik stösst. Für Aussenstehende wäre das ja doch bloss ein uneingelöstes Versprechen. Zu aufwendig, es zu überprüfen…)
    libelle und ich können uns doch auch anderswo unterhalten, sogar öffentlich sichtbar. Man müsst es halt verabreden, falls es gewünscht wird.

  60. 27. März 2013, 20:45 | #60

    Wenn franziska meint,

    „in gewissem Sinn stehen libelle und ich mit unseren unterschiedlichen Überzeugungen vor einem vergleichbaren praktischen Problem. Wir tragen Kritik am gsp vor, er mit einer gewissen affektiven, ich mit einer gewissen, wie soll ich das nun sagen, logisch-syntaktischen Vehemenz… Wenns dann ums Belegen und Ausführen geht, müssen wir soweit ausholen, dass sich ernsthaft die Frage stellt, ob ein Thread wie dieser, sogar wenn er freundlicherweise einer solchen Selbstdarstellung (um)gewidmet wird, für diese Ausführungen geeignet ist.“

    möchte ich dem entgegenhalten, daß ich erstens nicht wüßte, wo sowas denn sonst öffentlich dargelegt worden wäre (oder auch nur ohne größere Mühen dargelegt werden könnte, obwohl die, da hat franziska ja darauf hingewiesen, auch nicht mehr allzu dolle wären) und ich zweitens den Eindruck habe, daß es bei diesem Anlauf (es haben ja alle Teilnehmer zu recht darauf hingewiesen, daß gerade dieser Thread sozusagen der running gag dieses Blogs ist) und wo es vorher ja auch noch bei Nestor und noch früher bei MPunkt Diskussionen gegeben hat, und vor allem drittens diesmal mit einer nach all den Jahren und der auf allen Seiten akkumulierten Verärgerung erstaunlich nachvollziehbar ernsthaft geführt wird. Und das ist in diesen Zeiten doch auch schon mal was. Und „ausufernder“ als die Mammutthreads der Vergangenheit mit ihren in der Tat nur schwer nachlesbaren jeweils hunderten von Kommentaren ist es diesmal ja auch nicht, höchstens inhaltlich der Sache wegen.
    Schon dieses bischen Wiederauflage hat übrigens dazu geführt, daß wieder mehrer Hundert Leute täglich auf den Blog kommen, um die Weiterungen mitzulesen. Nur gut, die Welt ist das auch nicht, aber immer noch mehr als bei einer normal besuchten Saalveranstaltung, oder der Printauflage eines kleinen Print-on-Demand-Projekts.
    Ob das hier auch nur in erster Linie GegenStandpunkt-„Vertreter“ lesen oder eher andere Linke, vermag ich nicht zu beurteilen, denn selbst, als das in der Vergangenheit vermutlich zeitweilig der Fall gewesen sein mag, haben dich ja wenige von denen zu Kommentaren oder eigenen Beiträgen hinreißen lassen und jetzt ist dieses Milieu internetdiskussionsmäßig ja praktisch komplett ausgestiegen.
    Wenn libelle seine Sachen irgendwo anders geschrieben hätte, hätte ich in der Tat das wohl kaum hier gefeatured, weil ich es dann sicher schlicht nicht mitgekriegt hätte. Die linke Öffentlichkeit ist doch eine komplette Schimäre.
    Und ob das die Leser hier „vorgesetzt kriegen wollen“ ist sowieso ein blödes Kriterium, denn daß noch nicht mal „das“ Internet so Sachen lesen will, kann man ja schon daran ablesen, daß selbst bei dem linkeren Bloghoster blogsport, mein Blog (oder der in weiterem Sinne ähnliche von Nestor) es ja so gut wie nie auch nur unter die 20 meistgelesenen bringt, selbst an Tagen wie diesen, wo hier tatsächlich die meisten Kommentare aller Blogsport-Blogs geschrieben werden.
    Es wäre ja auch komisch, wenn die Leute, die ja ganz offensichtlich was ganz anderes machen, weil sie leider was ganz anderes wollen, ausgerechnet wegen zwei drei Seiten eher grundsätzlicher Erwägungen auf einaml aufmerken würden.
    Also ihr könnt euch ruhig hier „öffentlich“ unterhalten, eine wirklich öffentliche Veranstaltung in irgendeinem Saal hat libelle ja schon vor Jahren ausgeschlossen, da ist sowas ja schon mal was. Größere Brötchen bäckt meiner Übersicht nach eh keiner dieser Tage.

  61. Mattis
    27. März 2013, 23:18 | #61

    “Es ist auch nicht mein Eindruck, dass bei den Lesern dieses Blogs die grosse Theorie-Verzweiflung ausgebrochen wäre, die sie gierig alles Neue aufnehmen liesse, das sich ihnen zum Ersatz der untauglich gewordenen Erklärungen anbietet. Irgend so eine Einstellung wäre aber erforderlich, wenn man in libelles Themen einsteigen wollte.“ (franziska)

    Goldisch! Nun, da wir übrigen Mitleser anscheinend der hohen Motivation von franziska nicht würdig sind, möchte ich meine Kommentare dennoch nicht blitzartig einstellen, denn, wie mal ein kluger Mann gesagt hat, mindestens einer liest immer mit, der was draus lernt.
    Ach ja, und da sind wir schon mitten in der Thematik. Nämlich ob jemand was lernen will oder nicht kann, obwohl er will, und so weiter. Also die Sache mit dem „freien Willen“. Libelle weiß dazu:

    „Die im hier besprochenen Zusammenhang entscheidende Eigenschaft des Willens ist seine (Willens-) Freiheit d.h. wenn man ihm zugesteht eigengesetzlich darüber zu befinden, worauf er sich wendet, welche Inhalte er sich deshalb setzt etc.. dann sind Fragestellungen wie „Wie beeinflusse ich den Willen?“ hinfällig. Er ist ja etwas, das sich eigengesetzlich bestimmt. Verkehrt sind deshalb alle wie auch immer gearteten „Willensbeeinflussungsprojekte“. Sie gehen von der, von dem Interesse sich zum Subjekt der Änderung der Gesellschaft machen zu wollen inspirierten Vorstellung aus, der Wille ließe sich fremdbestimmen – und je nach Diagnose, werden die zur Vermittlung angedachten Inhalte entsprechend entstellt (=“aufbereitet“).“ (Libelle)

    Wenn der Wille „frei“ ist – wie libelle es formuliert – dann kann er nicht gleichzeitig „gesetzlich“ sein, auch nicht „eigengesetzlich“. Diese unpassenden Formulierungen sind aber nicht zufällig unpassend, sondern in ihnen drückt sich das Zugeständnis aus, dass sich eben doch gewisse Gesetzlichkeiten, sagen wir mal vorsichtig Bedingungen in die „freien“ Entscheidungen der Menschen einschleichen – die Rede von der „Freiheit des Willens“ eben eine Fiktion ist. Frei wäre der Wille, wenn keinerlei Interessen, Motive oder sonstige Anhaltspunkte für eine Entscheidung gegeben wären – aber genau dann könnte der Wille überhaupt keinen Inhalt bekommen – selbst einen zufälligen nicht, denn auch so genannte Zufälle sind nicht ursachenlos. Vielleicht sollte sich libelle mal mit Freerk Huisken vom GegenStandpunkt zusammensetzen (der mit seinem Willensfreiheits-Idealismus genauso daneben liegt), damit beide mal ihre diesbezüglichen Fiktionen auflösen.
    Weil der Wille eigenbestimmt ist, kann er nicht fremdbestimmt werden, schreibt libelle. Da libelle an der Fiktion der Eigenbestimmung festhält, muss er zwangsläufig jeglichen Versuch, den Willen eines Menschen zu ändern, und sei es noch so defensiv (wie z.B., ein gutes Vorbild zu sein) als versuchte Fremdbestimmung definieren. Es bleibt in dieser theoretischen Sackgasse also nur noch der Vorwurf der Manipulation. Es rettet libelle auch nicht der Trick, dass er selbst von sich sagt, er biete ja sein Wissen nur an, und wer es dann zu brauchen meint, wird ihn und sein Wissen dann finden:

    „Wenn in der Gesellschaft massenhaft das Interesse an ihren Grundlagen entsteht z.B. weil die Interessen in ihr nicht mehr aufgehen, dann wird man auch gefunden

    Ja ja, eine alte Indianerweisheit. Dumm nur, dass dieses Finden-Wollen des Weisen nicht ursachenlos aus reiner „Willkür“ passiert, sondern immer schon eine Vorgeschichte von Erfahrungen, Lernen-wollen, Interessen-haben, An-Grenzen-stoßen etc. hat, bei denen immer schon eine Auseinandersetzung des Betreffenden mit Sachverhalten, aber auch mit Meinungen anderer Menschen stattgefunden hat, deren Position man mal mehr und mal gar nicht überzeugend gefunden hat. Woher kommt denn sonst plötzlich das Bedürfnis, einen zu fragen in der Annahme, dass der besser Bescheid weiß? Und wen man dann fragt, dafür hat man dann eben auch schon gewisse Anhaltspunkte.
    Geschieht Manipulation, wenn jemand einem anderen zuhört und dessen Argumente überzeugend findet? Wenn ja, dann manipuliert auch Weisheitslehrer libelle – denn der Suchende sucht ihn ja auf, um mehr zu lernen als er selbst weiß, und wenn wir nicht einen blind-gehorsamen Schüler unterstellen wollen, dann wird es schon auf die Argumente des Weisen ankommen, ob der Schüler dessen Wissen annimmt oder sich vom Scharlatan enttäuscht abwendet.
    Dieses ständige leuchtet-mir-ein oder leuchtet-mir-nicht-ein ist doch der Punkt, und deshalb kommt es sehr wohl einerseits darauf an, Argumente gut zu formulieren (meinetwegen „aufbereiten“), darauf zu achten, nicht am anderen vorbei zu reden etc. Und doch ist dieses Bemühen eben kein Manipulieren – denn der andere hat seine eigenen Kriterien, ob er das in diesem Moment überzeugend findet oder nicht. Man kann versuchen, es ihm leichter zu machen. Aber vielleicht macht er es sich trotzdem selbst schwer, aufgrund der eigenen Befangenheit. Manchmal fällt der Groschen erst zehn Jahre später. Ich spreche aus Erfahrung und bin vielen dankbar für die Mühe, mich weiterzubringen, gerade weil das bestimmt nicht leicht war.
    Warum Argumentieren so oft nicht fruchtet, hat also nichts mit der angeblichen völligen Willensfreiheit zu tun, sondern – unterstellen wir sogar den Fall eines sachlich korrekten Arguments – damit, dass die in einem bestimmten Moment vorhandenen Voreinstellungen und Interessen die Zugänglichkeit für das Argument reduzieren. Die Neigung der Menschen, ihre Bereitschaft zur Anpassung über das objektive Begutachten der Umstände zu stellen, ist dabei der hauptsächliche Knackpunkt. Die Geschichte zeigt andererseits, dass selbst diese heftige Neigung Grenzen hat.
    Kurz zusammengefasst: es ist also keine Unmöglichkeit, jemanden von etwas zu überzeugen. Es ist auch nicht beliebig, welche Mühe man sich dabei gibt – man kann auch gute Chancen verspielen. Und es ist auch keine Manipulation, denn die Entscheidung obliegt beim anderen, gemäß dessen augenblicklichen Kriterien.
    Noch ein Nachwort zum Gefundenwerden: wer weiß, vielleicht sucht der Sucher die Weisheit ja unter anderem auch in Neoprenes Blog – und da wärs dann schade, wenn er dort keine finden würde, oder?

  62. Mattis
    27. März 2013, 23:35 | #62

    „Gesellschaft frei von Gegensätzen
    Das ist eine theoretische Konsequenz, wie sich eine Gesellschaft fassen lässt, die ihren Mitgliedern entspricht. Das, was Kommunisten labern (Planwirtschaft, geplante Bedürfnisbefriedigung etc…) fasst das nicht richtig. Daran merkt man ihr theoretisches Desinteresse.“ (libelle)

    Die Gegensätzlichkeit an einer Sache ist nie und nimmer ein Argument, daran Anstoß zu nehmen. Die ganze Welt ist voller Gegensätze, sie besteht weitgehend in Verlaufsformen von Gegensätzen. Könnte die Erde um die Sonne kreisen ohne das eingependelte Maß von Anziehung und Fliehkraft der Himmelskörper? Gegensätze können reizvoll sein, und sie können brutal sein. Die Tatsache der Gegensätzlichkeit als solche kann überhaupt nicht sinnvoller Inhalt eines Urteils sein.
    Damit sind wir lustigerweise zurück beim Thema „Kritik des GegenStandpunkts am UG-Papier“. Dort wird nämlich unter anderem gezeigt, wie absurd die Konstruktion eines quasi Bedürfnisses nach einer widerspruchsfreien Gesellschaft ist – und ich ergänze hier noch: und wie zynisch es ist, gegenüber solch rein akademischem Bedürfnis das Interesse z.B. an „geplanter Bedürfnisbefriedigung“ arrogant abzuwerten, wie libelle dies in obigem Zitat tut. Das ist dann nicht mehr lustig.

  63. libelle
    28. März 2013, 09:59 | #63

    Die freien Assoziationen von Mattis lasse ich mal unkommentiert, um ihre Überzeugungskraft nicht zu schmälern.
    @Franziska: Man kann sich weiter unterhalten. Ich verstehe nur nicht richtig, warum neoprenes Blog so eine schlechte Wahl sein soll. Er hat den Vorteil, dass er im Unterschied zu vielen „Diskussionsmöglichkeiten“, die im Internet angeboten werden eben nicht die Bestätigung irgend eines Interesses voraussetzt (verglichen mit Wal Buchenbergs Marx-Forum z.B., oder den früher betriebenen GSP-nahen Blogs)
    Und diese Diskussion gehört in die sich in irgend einer Form auf Marx berufende, fundamentalkritische Szene.
    Die vielen Anläufe, die ich mache sind einfach meiner Situation geschuldet. Ich überfliege das Zeug hier und auf anderen Blogs regelmäßig und wenn 3 Bedingungen erfüllt sind: 1. Ich habe etwas Zeit, 2. In der Diskussion kommt etwas vor, das mich auch gerade interessiert; 3. Ich rege mich hinreichend über die vertretenen Gedanken auf, dann steige ich ein. Oft kommt man nur in Ansätzen zu dem inhaltlichen Punkt, der einen interessiert (manchmal komme ich nur gedanklich weiter, komme aber wegen des Diskussionsverlaufes nicht dazu den Fortschritt auch als Beitrag abzufassen usw..). Das liegt daran, dass man immer wieder auf die Anfangsgedanken des Themas zurückfällt, weil die Gegenseite eben immer wieder auf die gleichen Einwände kommt und man ihnen dann entgegnet, was es auf sie zu entgegnen gibt etc… Und dann sehen viele dieser Diskussionen eben ähnlich aus.
    Was hier in den letzten Jahren kollektiv, in ständigem Streit, entstanden ist, ist einerseits eine Kritik am GSP, die wirklich was vorzuweisen hat und die den Unpässlichkeiten, die der eine oder andere Mensch, der mit der GSP – Szene in Berührung kommt, verspürt schon etwas anbietet. Man müsste das mal zusammenschreiben, weil der GSP, so offen und kritikfähig er auch immer vorgibt zu sein, über diese Eigenschaften überhaupt nicht verfügt. Die erwarten, ganz in der Tradition kommunistischer Vereine, Akklamation ihres Zwecks anhand ihrer Theorien. Diese Kritik, die an verschiedenen Stellen direkt an die Vertreter dieser Zeitung herangetragen worden ist, ist einfach mit dem Versprechen, sich damit zu befassen ignoriert worden. Das ist keineswegs zufällig.
    Darüber wundert man sich aber nur, solange man nicht verstanden hat, warum das so ist. Eine Weiterung des obigen Themas würde auch das erklären.
    Dass man sich nicht längst zusammengefunden und das mal alles systematisiert und als Text verfasst hat, liegt ganz wesentlich daran, dass es kein gemeinsames Interesse der Kritiker, die sich hier beteiligt haben, gibt. Damit meine ich nicht den Text, den vielleicht alle als etwas, auf das man verweisen kann, wollen, sondern die einen sind eben Kommunisten geblieben und die anderen (ich) haben sich davon entfernt. Und dann kommt man, wegen der unterschiedlichen Erwartung an die Theorie nicht zusammen, weil (nach meinen Ergebnissen) der Zweck, den Kommunisten verfolgen, ganz wesentlich Grund ihrer Ideologien ist und man ihre Kritik mit Kommunisten deshalb nicht vollständig leisten kann. Man würde sich an den Themen nur ewig entzweien.
    Dann bleibe nur ich allein übrig und ich stelle meine Ressourcen eigentlich lieber auf die Fragen ab, die mich interessieren und ich kann mit so einer ewigen Baustelle, wie diesen vielen ähnlichen Diskussionen, die nirgendwo zusammengefasst sind, gut leben, weil ich ja weiterkomme.

  64. franziska
    28. März 2013, 10:05 | #64

    (beendet kurz vor libelles vorstehendem Kommentar, ich antworte anschliessend)
    http://neoprene.blogsport.de/2013/03/17/gsp-1-13-zur-broschuere-des-ums-ganze-buendnisses/#comment-74148
    Anders als von dir, Mattis, der da etwas sehr Fundamentales angesprochen sah (s.o.), wurde dieses mein allererstes Statement oben garnicht beachtet.
    Ich habe da versuchsweise eine Präzisierung dessen gegeben, worin „instrumentelles Denken“ bestehen könnte: Nicht in etwas wie Wunschdenken (das geht, auch wenn es nicht damit zusammenfällt, eher in Richtung Religion); sondern in einem vermeintlich Daten ganz eigener Art nutzenden Einschätzen des Ausmasses von Nichtwissen.
    Man bleibt da ganz und gar im Bereich der Realitäts-Einschätzung, bezieht sie aber durchaus auf eigene Interessen in DEM Sinn, dass man knappe Handlungsspielräume lieber auf was Lohnenderes verwendet, als das Bestätigen relativ zweifelhafter, wenn auch (wie man wohl weiss) nicht wirklich sicher widerlegter Hypothesen und ihnen entsprechender Erwartungen.
    In den Regeln, die „instrumentell Denkende“ für solch eine Einschätzung heranziehen, spielt das Normale und gut Bestätigte, Eingefahrene eine grosse Rolle.
    Darum die Nähe dieser kognitiven Operationen zu „Anpassung“ und „Sich Fügen“ oder auch Vorurteil, Sich-Festgelegt-Haben auf usw. (HIer sehr genau zu beachten der später zu besprechende Unterschied zum religiösen Vorgehen.)
    Aber es gibt noch eine zweite Quelle, speziell wenn es um Überraschungen, Unerwartetes, Hinweise auf bislang nicht berücksichtigte Chancen und Risiken (meist geht es um Abwägung eines Verhältnisses beider), also Abweichungen vom Gewohnten geht. Hier spielt die Frage eine Rolle, ob das Gesamtvolumen an Handlungsspielräumen (sowohl Kräften als auch Fähigkeiten, Mitteln), über die man verfügt, der positiven oder negativen Herausforderung gewachsen ist, und es sich lohnt, dafür entsprechende Abänderungen seiner Normalpraxis vorzunehmen. Da ist die Nähe zum Sich-Entschliessen, „(Nicht)Wollen“, Kräfte-Mobilisieren oder -Zurücknehmen.
    So scheint es.
    Tatsächlich ist in der zweiten Art von Regeln immer noch in letzter Instanz eine reine ERKENNTNIS- (insofern: Verstandes-, wenn das das „Erkenntnisorgan“ sein soll) und keine „Willens“-Bildung vorausgegangen: Eine Erkenntnis, woran man abschätzen kann, wann man mehr herausfinden muss, um zu entscheiden, oder wann man das sein lassen kann, weil klar ist, wie gut oder schlecht Verläufe bestimmter Art sich entwickeln werden (vielleicht aufgrund von Anzeichen dafür, die man aus – versuchsweise so oder anders klassifizierter- Erfahrung ermittelt).
    Wer jetzt sagt, dass das doch jeder aus seiner eignen Lebenserfahrung kennt, hat recht: Es ist die typische Art Erfahrungsverwertung und Erkenntnisgewinn, die man ABERGLAUBE nennt.
    Entscheidungen (was man will) werden dann gefällt aufgrund einer Welt- und Wissensbeschreibung (was man weiss oder zu wissen glaubt), die aus keinem andern Material besteht als aus Listen von „Rezepten“: Handlungen in bestimmten Situationen berechtigen (bos auf weiteres) zu bestimmten Erwartungen.
    Die kognitiven Strategien des Aberglaubens kommen in der gesamten Praxis der Betreffenden zum Einsatz, und selbstverständlich auch in denjenigen Abteilungen, die mit ihrer gesellschaftlichen Stellung zu tun haben.
    Dummheit (sehr verwandt mit dem „instrumentellen Denken“ libelles) sollte (laut MG damals) sein der Standpunkt: Die Welt ist ein Mittel.
    Ich sage: Aberglaube ist derjenige Umgang mit Wissen, bei dem ich entlang von Erfahrung mit bestätigten und nicht bestätigten Erwartungen (im Anschluss an eigene Handlungen) herausfinden will, WIE WEIT die Welt mein Mittel ist. Es ist eine Strategie der Be- und Verarbeitung bestehenden und aktiv wie passiv neu hizuerworbener Erfahrung nach einer LERNREGEL.
    Es sind, grob gesagt, die Regeln des (tierischen) „Lernens an Erfolg und Misserfolg“, unangemessenerweise übertragen auf die (viel kompliziertere) Wissenserwerbs-Praxis intelligenter (wie sich an ihrer Sprachfähigkeit zeigt) Wesen. (Hier zu beachten eine wichtige Formel der MG und ich denke auch des gsp: Wir machen uns vom Erfolg nicht abhängig.)
    Es sind diejenigen des allergrössten Teils aller Leute im Umgang mit und Nutzung von Wissen in ihrem Leben, einschliesslich ihres Wissens von und Erfahrung mit sozialen Sachverhalten. (Das wäre genauer zu besprechen.)
    Zentrale These: Es sind fundamentale KOGNITIVE Regeln (Stellung zu Wissen, (Noch)(Nicht)Gewusstem und (möglichem) Wissenserwerb), die historisch und (wenn keine historisch-kulturell, „gesellschaftlich“ erreichte Fortschritte aufholende Bildungsgänge stattfinden) aktuell die PRAKTISCHE Einstellung der Leute zu Welt und Gesellschaft begründen.
    Warum ist das bereits von Interesse, bevor die eigentliche Besprechung von libelles Äusserungen beginnt?
    Weil EINE Form dieser Wissenserwerbs- und Aufmeriksamkeits-Organisations-Strategie das Abschätzen ist, wer und wessen Begriffe oder Erfahrung eher Aufmerksamkeit (auch nur des Prüfens) verdient – was prüf-, erprobens- und glaubwürdig ist – eher jedenfalls als andres. Die Grundsätze dafür werden aus der vorliegenden Erfahrung genommen (das Vorurteil…)
    Aberglaube scheint auf einmal etwas sehr Vernünftiges, nicht wahr?
    Ich lasse das jetzt einmal offen; aber möchte vermerkt haben, dass aus meiner Sicht die Orientierung am Denken anderer etwas Hochproblematisches hat.
    Aber ich kann nicht alles auf einmal sagen.
    Die Willensfreiheit käme von meiner Seite als nächstes. Und (als wär das nciht übergenug, aber libelle hat uns nun mal durch all diese Themen geschleift, da müssen wir wohl durch):
    Rolle der Gesellschaft. Vom Individuum zur Gesellschaft und wieder zurück (wie der „methodische Individualismus“, den ich im Bandwurmsatz angedeutet habe, von libelle aufgegriffen wurde, ist einer eigenen Besprechung wert).
    Eine kurze Betrachtung zur Geschichte, wie libelle sie uns erzählt.
    Aberglaube-Religion-Naturwissenschaft (wie ist sie entstanden; aus Erfahrung? wie die Empiristen behaupten?) -Moderne
    Selbstreflexion auf „Interessen“ (was ist DAS denn – ein Interesse? hier vorweg erneute Bitte um Präzisierung durch libelle)
    Was Marx geleistet hat und was nicht…
    Die „bürgerlichen Verhältnisse“. (These: Es ist nicht der Markt, der kommt erschwerend dazu – es ist die Moderne, und die bleibt, wenn der Markt weg ist…)
    Sinnvolle und nicht so sinnvolle Begriffe von Kommunismus.
    Daraus resultierende Begriffe des Übergangs zu ihm (Revolution? These. das ist der Übergang zu bürgerlichen oder anders-bürgerlichen Verhältnissen. Kapitalismus ist dem Begriff nach nichts, was sich „abschaffen“ lässt (und Kommunismus der Zustand, der nach der Abschaffung eintritt. Kommunismus ist etwas, das (leider, mühsam) herzustellen ist.)
    Also in den Worten des Renaissance-Philosophen Pico: Eine Theorie von allem und jedem, und noch einigem darüberhinaus.

  65. Fred
    28. März 2013, 12:18 | #65

    @franzi

    „ich stelle meine Ressourcen eigentlich lieber auf die Fragen ab, die mich interessieren“ (libelle)

    Sei also nicht naiv, libelle will keine Überprüfung von oder gar Kritik an ihrem Müll. Die antikommunistische Hetze ist das ganze Programm, um mehr geht es halt nicht bei der schlechten Bezahlung. Du wirst nicht einen in den hunderten libelle-Beiträgen finden, wo etwas mit anderen Bloggern geklärt wird. Das liegt am Interesse, libelles Feindschaft gegenüber Kapitalismuskritikern regiert ihr Denken (s. libelle-Zitat), aus der Nummer kommt man nicht so einfach heraus – schon gar nicht als Kettenhund der bürgerlichen Freiheit!
    Überleg dir mal, was wohl erklärte Antikommunisten auf gesellschaftskritischen Blogs suchen! „Einsichten austauschen“ kann nicht das Ziel sein, das ginge gerade nach libelles Auskunft überall besser als hier. Was ist also libelles Interesse (von dem libelle sogar sagt: „gut leben, weil ich ja weiterkomme“)? Das ist ernst gemeint: libelles ausladende Textproduktion ist mehr als nur eigene Feindbildpflege, die könnte libelle genausogut mit ihresgleichen betreiben …

  66. 28. März 2013, 13:30 | #66

    Da sind die Menschen, die da handeln sollen schon bestimmt, nämlich als Arbeiter und Kapitalisten, d.h. als Angehörige miteinander um den Anteil am gesellschaftlichen Reichtum kämpfender Klassen. Ob dieser Kampf angesichts des Ansinnens „Beseitigung von Elend“ (was auch immer man darunter versteht) überhaupt Sinn macht …“
    Erste Frage: Stimmt es denn nicht, daß unsere Gesellschaft eine Klassengesellschaft ist?
    Zweitens: Es ist in der Tat eine Frage, ob ein Kampf zumindest der ausgebeuteten Klasse im Bewußtsein dieser ihrer Klassenlage, aber eben auch fixiert auf diese Klassenlage als „eigentlich“ vernünftige das „Elend“ beseitigen kann. Ich würde sagen, eher nicht, denn solange die Arbeiterklasse genau das bleiben will, beschränkt sie sich selber ja schon in dem, was dann, überhupt „möglich“ ist.

    „Unabhängig davon ist es schon ein Fehler das eigene theoretische Treiben dem Dienst an der Änderung des Denkens anderer Menschen zu unterwerfen.“

    Andersrum wäre es aber auch ein Fehler, zu denken, daß es egal ist, wie man die Erkenntnisse, die man gewonnen hat, jedenfalls die, die man nicht nur für sich gelten lassen will, sondern denen man eine relative Allgemeingültigkeit zuschreibt, an den Mann und an die Frau bringen kann. Das Problem hat man ja nur, wenn man sich (wie erstaunlich viele linke unzufriedene Menschen, die zudem unzufrieden sind, weil sie niemanden erreicht haben mit ihrer Unzufriedenheit) dazu entschließt, irgendeine Insellösung anzustreben. Was ja offensichtlich blöd ist. Die ausgeguckte Südseeinsel entpuppt sich doch regelmäßig als das Bikina-Atoll.
    Die nächste blöde Gegenüberstellung:

    „Was dann passiert, hat man nicht in der Hand und wenn man da irgendwas erzwingen will“

    Ja, man hat als Sucher nach Gleichgesinnten, perspektivisch Mitstreitern „nichts“ in der Hand. Und „erzwingen“ kann man Einsichten, Umentscheidungen bei seinen Adressaten auch nicht. Aber was soll denn per se schon bedenklich sein, wenn ich mich bei der Verbreitung meiner jeweils erarbeiteten theoretischen Erkenntnisse frage, wie ich das den anderen beibringen kann? Auch damit komme ich dem Erzwingen ja keinen Schritt näher, aber es wäre blöd, isch diese Gedanken nicht zu machen.
    Wieder mal ein blöder Verdreher:

    „Woher weißt Du denn, dass Du die Gesellschaft ändern „kannst“. Ich würde sagen, das Du das gerade nicht kannst! Schließlich haben die anderen Menschen genau so einen Willen wie Du, der nur aus sich selbst heraus entscheidet, ob er sich irgend eine Vorstellung über die Gesellschaft zu eigen macht oder nicht.“

    Daß eine beliebige Gesellschaftsformation nicht so bleiben muß, wie sie eben existiert, wird ja auch libelle nicht bestreiten wollen, Historiker der er ja ist. Daß jegliche „Änderungen“ immer von Menschen bewirkt werden, die irgendwas geändert haben wollen (nicht unbedingt das, was dann rauskommt), ist wohl auch noch konziediert. Also „kann“ „man“ die Gesellschaft ändern. Allein machen sie dich ein. Also müssen es eh hinreichend „viele“ sein, damit was anders wird. Und ja, daß aus einem kleinen Trupp diese Masse der notwendigen „Vielen“ wird, ist durch nichts herbeizwingbar.
    Ich weiß auch nicht, wieso es dabei grundlegend von Bedeutung sein soll, daß gilt,

    „Im Fall der Gesellschaft ist man also selbst immer mit Gegenstand, wenn man keine Ideologie produzieren will, weil das Interesse, mit dem man sich auf die gesellschaftlichen Gegenstände wendet selbst aus der Gesellschaft kommt.“

    Soviel sollte doch schon klar sein, daß ein gewisser Abstand von sich und seiner bisherigen Rolle, seinen bisherigen Interessen und Vorstellungen schon nötig ist, um auch nur einer stimmenden Erklärung der Verhältnisse näher zu kommen, geschweige denn ihre Abschaffung in den Punkten, wo sie das dann verdient.
    libelle postuliert immer wieder, das jegliches Bemühen um „Wohlergehen“, weil mit Kampf, also eben Mühen verbunden, nur was für „Masochisten“ sei. Dem möchte ich schon mal grundsätzlich entgegenhalten, daß so gut wie alles, was Menschen anstellen, Mühen irgendwelcher Art erfordert, um hinterher die angestrebten Ergebnisse zu erzielen. Wenn ich eine tolle Bergsicht haben will von einem 3000er, muß ich japsend stundenlang diesen Berg hochkraxeln. Wenn man Pech hat, ist dann gerade kein passendes Wetter und die Mühen waren umsonst, man hat das Ergebnis der Mühen ja häufig nicht in der Hand. Aber bloß der Mühen wegen schon vorab zu sagen, da geh ich nie und nimmer rauf, ist unvernünftig. (Es sei denn, man will sich nur einfach körperlich ertüchtigen, dann kann man auch gleich auf ein Laufband mit Videowand mit Alpenblick gehen.)
    libelle hat sein Standardargument nochmal allgemein vorgebracht:

    „zur Arbeit gezwungen wird man immer dann, wenn man sie nicht will. Will man sie, wird man nicht mehr dazu gezwungen usw.. Das hat auch wenig Objektivität. Gemütlichkeit ist gleichfalls eine subjektive Kategorie. Was dem einen gemütlich, ist dem anderen eine Qual. Das gehört also wirklich alles in die Rubrik „Elend“, d.h. in die subjektive Wahrnehmung dieser Gesellschaft als Belastung.“

    (Es gab ja schon mal den irren Streit um seinen bescheuerten religiösen Heini, der seinen Arm ruiniert aber so fest wie der dann ist eben auch glaubensfester geworden ist)
    Das ist schon richtig. und gerade die Kategorie „Elend“ hat in dieser Hinsicht etwas furchtbar aufgeladenes. Sowohl was die objektiven Sachverhalte angeht, die dann angeführt werden, vor allem aber, was das Gefühl, die Einschätzung dieser Situationen abgeht.
    Da will ich ihm dann zustimmen, wenn er sozusagen als Gegenbegriff zur Beschreibung „Elend“ anführt:

    „Da sind die meisten tatsächlich arm d.h. der Reichtum, den diese Gesellschaft hervobringt, steht ihnen nicht oder nur nach Maßgabe ihrer ökonomischen Funktion, auf die sie reduziert werden, zur Verfügung. Lohnarbeiter verfügen also im Lohn gerade mal über den Reichtum sich als Lohnarbeiter zu reproduzieren; ihre Lebenszeit stellen sie größtenteils fremden Zwecken, nämlich der Akkumulation von Kapital zur Verfügung und ihre Gesundheit wird dabei verbraucht. Das stimmt alles.“

    Wenn er schreibt:

    „Ideologie zu produzieren heißt also sich in einem Widerspruch zu bewegen, nämlich dem einerseits seiner Theorie ein Ergebnis vorauszusetzen – das Interesse – und andererseits dieses Interesse mit Theorie (also Aussagen, die beanspruchen wahr zu sein) zu bestätigen.“

    dann stört mich daran immer, daß seine Behauptung, ein vorab schon feststehendes Interesse solle nur noch durch „Theorie“ bekräftigt werden, eben erst mal nur eine Behauptung ist. In dieser Allgemeinheit bringt das doch gar nichts, sondern muß jeweils konkret nachgewiesen werden, wenn das überhaupt geht, also auch hier am GSP oder Kommunisten im allgemeinen.
    Das kommt auch so:

    „Was Marx (und auch der GSP) aber nicht bewiesen haben, was sie unhinterfragt ihrer Theorie voraussetzen, ist ihr Interesse, die Gesellschaft zu bekämpfen.“

    Auch wieder als pure demagogische Unterstellung. (Besonders belustigend ist es hier, den „guten“ Marx gegen die „falschen Fuffziger“ vom GSP ausspielen zu wollen.)
    Was mich immer wieder ärgert – ich bin kein Philosoph – ist die billige Masche der Dekonstruktion der „Realität“:

    „Diese „Realität“ ist nämlich nur das, was ein Mensch mit einem bestimmten Interesse von der Wirklichkeit wahrnimmt; was er also mit diesem Interesse an theoretischen Gegenständen auszeichnet. Insofern ist erst einmal festzuhalten, dass es so viele „Realitäten“ gibt, wie es Interessen gibt sich zum Zweck der Bewusstseinsbildung auf die Wirklichkeit zu wenden.“

    Denn warum redeten wir denn überhaupt miteinander (wenn wir dies denn überhaupt noch tun), wenn uns die reale Basis fehlt? Ausgangspunkt waren ganz konkrete gesellschaftliche Sachverhalte, meinetwegen „Mißstände“, und nun verfließt das in die Beliebigkeit der verschiedenen Interessen.
    Er schafft es glatt, die auch kommunistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse runterzukochen zu einem in der Tat lächerlichen

    „Da haben dann die Leute im Kapitalismus nur noch 3 Beschäftigungen (hungern, leiden und sterben)“.

    Erfundenes Elend, („Man hat ja kein Argument“) um zufriedene Staatsbürger aufzurütteln halt.
    Andererseits kriegt er ja doch die Biege zu den „Realitäten“, wenn er zugibt:

    „Ich weiß, dass im Kapitalismus Leute sterben, dass auch welche verhungern und das notwendig etc..“

    um dann aber seine zentrale Abfuhr dranzuhängen:

    „Dennoch bin ich nicht so vernagelt, ihnen als Therapie gegen die Pest die Cholera (die Revolution Marke Klassenkampf) zu empfehlen.“

    Als Kommunist bin ich wahrscheinlich zu vernagelt, aber ich habe bisher nicht erkennen können, was denn libelle als Medizin gegen die Pest „empfiehlt“. Denn ein Leben in „Pest“ wird er den Menschen ja wohl kaum andienen wollen, religiös scheint er mir nicht zu sein. Dazu paßt dann sein Spruch wie aus den besten 50er Jahren:

    „M i l l i o n e n (Hervorhebung von mir) Leute sind an der kommunistischen Rettung der Welt krepiert. Das braucht kein Mensch, der auf seine Bedürfnisse wert legt.“

    Bei den mehr oder leider zumeist weniger kommunistischen Versuchen, dem kapitalistischen Elend zu entkommen, da zeigt er mit dem Finger auf die Schäden (M i l l i o n e n!!!). Daß das zum Teil in Wirklichkeit immer noch die Schäden des Kapitalismus gewesen sind, bleibt dabei passenderweise außen vor. (Es bleibt dann immer noch genügend „unnötiger“ Scheiß übrig, der in der SU oder der VR China, um nur die wichtigsten Fälle zu nennen, selbstgemacht gewesen ist, um nicht ex post zum Stalinisten werden zu müssen.)

    „Die Vorstellung, die alle Kommunisten eint, ist die der Abschaffung (mehr oder weniger) aller bürgerlichen Einrichtungen durch einen Machtkampf gegen die Kräfte, die die bürgerliche Ordnung stützen. Und dieser Machtkampf ist eine ganz und gar bürgerliche Idee, weil in bürgerlichen Verhältnissen die Durchsetzung von Interessen ja tatsächlich darüber geht, dass man um die Macht konkurriert.“

    libelle schmeißt konsequent immer zwei Sachen in einen Topf, die nicht zusammenfallen: Das Projekt, hinreichend viele Menschen davon zu überzeugen, daß der Kapitalismus weggeräumt gehört, wozu, wenn überhaupt, nur Argumente zählen, und das darauf aufsetzende, aber unumgängliche Projekt der Überzeugten, wenigstens erst mal auf „ihrem“ Gebiet dieser Überzeugung gemäß was grundlegend anderes anzufangen. Das hat in der Tat viel mit Macht zu tun, ist aber damit nicht identisch und kann von den Kommunisten letztlich auch nur gewonnen werden, wenn es ihnen gelingt möglichst bald möglichst viele Menschen auch außerhalb „ihres“ Gebietes davon zu überzeugen, daß sie sich dem Anschließen sollten.

    „Tja und Machtkonkurrenz hat mit Bedürfnisbefriedigung nichts zu tun, sondern da gewinnt man auf Menschen die Perspektive ein Machtmittel zu sein, das man einsetzen kann, um den Gegner in die Schranken zu weisen.“

    Das war doch aber der Ausgangspunkt, daß es, solange der „Gegner“ herrscht, keine Bedürfnisbefriedigung gibt (jedenfalls nicht in dem Maße, was mittlerweile möglich wäre, das sollte ja dabei der Maßstab sein). Ja, in dem Maße, wie die Machtfrage Ressourcen bindet, geht das auf Kosten der Bedürfnisbefriedigung. Wie käme man denn anders dahin? Es klingt deshalb abgrundtief zynisch, wenn libelle „fragt“:

    „Was ist an der Stelle eigentlich aus dem Projekt der Kommunisten geworden die Bedürfnisse der Leute (oder ihre eigenen) zu befriedigen, das Hungern, Sterben, Kranksein etc… zu überwinden? Nichts weiter als die ewige Morgenröte, der gute Grund motiviert am Gemetzel teilzuhaben.“

    Hier und heute gibt es ja ganz offensichtlich überhaupt keine „Morgenröte“, das traut sich ja nicht mal libelle zu behaupten. Der macht dann um Nummern jämmerlicher weiter:

    „Da stellt sich die Frage was man denn dann tun soll, wenn die geliebte Revo auch kein Kaugummiautomat für Gebrauchswerte aller Art ist? Und diese Frage ist falsch! Jeder, der irgendwas über die Gesellschaft denkt, der tut bereits etwas! Der teilt seine Gedanken mit, oder lässt daraus etwas für sein Leben folgen und wenn man etwas herausgefunden hat, das im Argen liegt, dann teilt man es den anderen eben mit. Dieser Beitrag hier ist „Tun“. Und wenn sich aus diesem „Tun“, das jeder tun kann ein Wille ergibt, der konsistent mit dem Ausgangspunkt irgend eine Möglichkeit sieht die Gesellschaft zu verändern, na dann wird der das sicher auch tun! Thats it!“

    Das soll es gewesen sein??

  67. franziska
    28. März 2013, 15:55 | #67

    Tja. Jetzt wird zwar nur noch in Maßen aufeinander eingehackt, dafür ist das Themenchaos perfekt.
    Das ist nicht anders zu erwarten.
    Alle haben die unterschiedlichsten Gesichtspunkte, was aus IHRER Sicht Aufmerksamkeit verdient, als Wichtigstes, Erst-zu-Beachtendes.
    Die Vehemenz des eigenen Anliegens zum Ausdruck zu bringen, kommt dann noch dazu, aber sie wegzulassen, macht es auch nicht viel besser.

  68. 28. März 2013, 16:03 | #68

    franziska, ich kann immer nicht ganz nachvollziehen, warum eigentlich „Themenchaos“ was Schlechtes sein soll. Natürlich wäre mehr „Themenordnung“ schöner. Gibts hier und heute aber nicht.
    Wie du ja richtig feststellst, gibt es recht „unterschiedliche Gesichtspunkte“, selbst bei den paar Wenigen hier. Ja, und? Wenn das wenigstens nachvollziehbar dargelegt wird, dann ist das doch schon mal was. Und diesmal scheint mir da mancher Beitrag was dazu beigetragen zu haben. Da hat es, jedenfalls mir, geholfen, daß diesmal gerade nicht so viel „Vehemenz“ im Spiele war, das hatten wir ja auch schon anders.

  69. 28. März 2013, 16:16 | #69

    Wirklich ernstgemeinte Frage:
    Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Projekt von libelle als Einzelner, „Jeder, der irgendwas über die Gesellschaft denkt, der tut bereits etwas! Der teilt seine Gedanken mit, oder lässt daraus etwas für sein Leben folgen und wenn man etwas herausgefunden hat, das im Argen liegt, dann teilt man es den anderen eben mit.“ zu dem was der GSP sagt, was er machen will bzw. was er tatsächlich macht (den libelles Zerrbild der machtgeilen „Kommunisten“ trifft das ja gar nicht).
    libelle geht vielleicht weiter in der angenommenen Voraussetzung von grundlegenden Veränderungen, als jemand, der sich partout nicht mit den herrschenden Verhältnissen anlegen will (als wenn diese darauf abstellen würden bei ihren vorssorglichen Bestrebungen, sowas gar nicht erst größer werden zu lassen) müßten es für ihn ja eigentlich praktisch alle auf der Welt sein, damit ein „Machtkampf“ auch garantiert vermieden werden kann.
    Der GSP würde es wohl schon mit weniger machen, sicher bin ich mir da aber nicht. Zum Teil wiederum gehören ihre Vorstellungen ja dann auch wieder nur zu dem allgegenwärtigen Nischendenken, „man“ macht dann eben auf seinem Gebiet „Bedüfnisbefriedigung“, und da werden einen die Imperialisten schon irgendwie in Ruhe lassen. Oder tue ich da der Neo-Komintern(AO) in spe doch Unrecht?

  70. Mattis
    28. März 2013, 18:33 | #70

    Der ewiggleiche Springpunkt bei libelle scheint mir die Sache mit dem Interesse zu sein. Dass jemand aus einem Bedürfnis heraus nach Wissen sucht, ist ihm verdächtig, führt ihn sogleich stets zur Unterstellung, dies Bedürfnis würde das Ergebnis der Analyse so verfälschen, dass es zum Bedürfnis passt. Man soll das eigene Interesse hinterfragen, fordert er ständig. Dass man das durchaus tut, lässt er nicht gelten. Sein eigenes Anliegen stellt er dagegen als rein interesselos dar, was natürlich eine Farce ist.
    Denn erstens gibt es kein interesseloses Interesse (!) an Wissen. Zweitens aber ist immerhin ein Nachweis erforderlich, inwiefern in einem konkreten Fall eine interessenbedingte Verfälschung tatsächlich vorliegt (geben tuts sowas freilich schon). Darauf hat Neoprene nochmal hingewiesen. Drittens ist gerade bei Leuten, die nicht vorgeformte Ideale einbringen, sondern die Grundbedürfnisse der Menschen nach gutem Leben als Ausgangspunkt und Zweck des Wissens haben, umso weniger die Gefahr gegeben, dass dies die Theorie verfälscht. Die Sehnsucht nach einer „Verwirklichung des menschlichen Gattungswesens“ und ähnliche intellektuelle Lieblingsideale dagegen durchaus – warum, scheint mir in der UG-Kritik einigermaßen brauchbar dargestellt.
    Wieso aber zu Fehlern führen muss, wenn ich gut essen, wohnen etc. als Interesse verfolge, erschließt sich mir nicht. Wenn so ein Ansatz zwangsläufig zu falschen Ergebnissen führen soll, dann läge darin die gewagte Behauptung, dass jegliches Wissen, das irgendwie als Mittel dienen soll, falsch sein muss. Den Beleg für so ein Dogma ist libelle uns nun wirklich immer noch schuldig geblieben.
    Libelle könnte als letzte Ausflucht allenfalls noch nachzuweisen versuchen, dass das gut-leben-wollen schon irgendwie ein falscher Zweck ist, aber das dürfte halt ziemlich schwierig werden, zumal libelle selbst ja weiter oben formuliert hat, es ginge auch ihm darum „dass man Kraft des Wissens um die Gesellschaft, sich in die Lage versetzt sie so einzurichten, dass man was davon hat“. Bingo!

  71. Paul Dessau
    28. März 2013, 19:47 | #71

    Neoprene:

    „Libelle geht vielleicht weiter in der angenommenen Voraussetzung von grundlegenden Veränderungen: als jemand, der sich partout nicht mit den herrschenden Verhältnissen anlegen will (als wenn diese darauf abstellen würden bei ihren vorsorglichen Bestrebungen, sowas gar nicht erst größer werden zu lassen) müßten es für ihn ja eigentlich praktisch alle auf der Welt sein, damit ein „Machtkampf“ auch garantiert vermieden werden kann.“

    Die Frage ist doch, wie „grundlegend“ die „Veränderungen“ dann noch sein können. De facto läuft Libelles Festlegung meines Erachtens auf folgendes hinaus: Man hält am Ende nur noch solche Verbesserungsversuche für vertretbar, für die man sich *nicht* mit den herrschenden, durchgesetzten Interessen anlegen muss – sonst könnte man es ja irgendwann mit der Staatsgewalt zu tun kriegen, die einem das Leben schwer macht oder sogar die „Machtfrage“ stellt (oder mit einer „präventiven Konterrevolution“, wenn das Bürgertum die Faschisten zu Hilfe ruft). Das scheint mir der Kern von „Libelles Antikommunismus“ zu sein: Den staatlichen und gesellschaftlichen Zwang, dass die kapitalistischen Produktionsweise herrschen soll, hat Libelle so weit verinnerlicht, dass er oder sie auch gar nichts anderes mehr will (jedenfalls nicht ernsthaft anstrebt). Diese Festlegung will aber auch begründet sein, und das ist Libelles Interesse: Libelle versucht, sich und andere davon zu überzeugen, dass eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, eine Revolution, nicht möglich, nicht notwendig oder nicht wünschenswert ist.

  72. 28. März 2013, 20:44 | #72

    Paul, es ist einfach, libelles Standpunkt unter all die vom Ergebnis her ähnlichen einzumischen, die „sich *nicht* mit den herrschenden, durchgesetzten Interessen anlegen“ wollen, „sonst könnte man es ja irgendwann mit der Staatsgewalt zu tun kriegen“. Das wird schon so sein.
    Mein Punkt ist aber, daß ich zumindest bei vielen Vertretern und Verteidigern des GegenStandpunkt nicht erkennen kann, daß die was anderes wollen.
    Ein typisches Beispiel gerade erst angehört:
    Am 23.2.2013 hat es in Wien einen Workshop auf dem Kongress Solidarische Ökonomie gegeben mit dem Titel: „Welt Jenseits Von Tausch Und Geld“. Referenten waren Alfred Fresin, Ed Landson und Franz Nahrada. Alfred ist jemand aus dem Umfeld des GegenStandpunkts (der sich bei der Redaktion wegen seinem Buchprojekt keine Freunde gemacht hat „Warum wir nicht mit einem „durchdachten planwirtschaftlichen Konzept“ für den Kommunismus werben.“ )
    Bei diesem Workshop ging es um folgende wichtige Fragen (die gegebenen Antworten waren zu einem großen Teil entweder falsch oder unwichtig oder beides, wie schon die Analsysen):
    „1. Warum sollten wir vom Geld weg wollen?
    2. Wohin soll die Reise gehen und wie könnte eine Gesellschaft jenseits von Tausch und Geld aussehen?
    3. Wodurch entkommen wir der totalitären Herrschaft des Geldsystems und wie kommen wir zu einer Gesellschaft jenseits von Tausch und Geld?“
    (Der Mitschnitt ist bei Youtube anzuschauen.)
    Und was gibt uns Alfred Fresin, sozusagen als Erz-GSP-Ansage mit auf den Weg?

    „Agitation und Revolution? Es erscheint zwar schwierig, die Menschen zu überzeugen, vom Kapitalismus abzulassen und ihre Versorgung ganz anders zu organisieren, doch die Durchsetzung einer Gesellschafjenseits von Tausch und Geld wird nur durch einen Angriff auf das herrschende Produktionsverhältnis zu vollbringen sein. Nicht mit der Besetzung von Straßen und Plätzen, sondern von Büros und Fabrikhallen wird letztlich dem Kapitalismus beizukommen sein – denn schließlich beruht dessen Reichtum auf der Arbeit des Proletariats, eine Einsicht, die in Zeiten, in denen das Geld anscheinend aus dem Nichts erschaffen wird, verlorengegangen scheint.“

    Das ist ja nicht mal falsch. Aber sowas von verkürzt und problemignorant, daß im Vergleich dazu ja selbst die antikommunistischen Tiraden von libelle mehr zum Thema zu sagen haben.

  73. Mattis
    28. März 2013, 21:16 | #73

    Ja, man sagt denen, die sollen streiken, also mit der Verletzung der Friedenspflicht ihre Existenz aufs Spiel setzen, während etliche Kommunisten es lieber sein lassen, sich als politische Kraft zu etablieren, damit sie ihre Reproduktion nicht verlieren.
    Streiken heißt, als Lohnarbeiter zu agieren. Mehr als begrenzte Zugeständnisse gibt es da nicht zu holen. Wer da auf dem Streiken als einziger Antwort herumreitet, während ein politischer Übergang niemals thematisiert wird, lässt selbst die kritischsten Arbeiter ratlos zurück.
    Im Marx-Forum werden auch grade so tolle Tipps an die Bochumer Opelaner ausgeteilt.
    Und keiner will darüber reden, wie Sozialismus konkret aussieht, aber die Arbeiter sollen streiken, ohne dabei eine Perspektive zu kennen. Nach der ersten Niederlage mit Polizei und Entlassungen werden sie die Schnauze voll haben, und ihre tollen Ratgeber werden sich dann auch nicht vor Ort blicken lassen.

  74. 28. März 2013, 21:36 | #74

    Mattis, ich will noch nicht mal sagen, daß das Wichtigste wäre, jetzt schon auszumalen, „wie Sozialismus konkret aussieht“, (unwichtig ist das andererseits nicht, ich will das schon auch diskutiert wissen, denn auch daran trennt sich Spreu vom Weizen). Aber die berühmt/berüchtigte „Perspektive“, die vermisse ich in der Tat auch. Selbst mit einem Generalstreik (wenn das gemeint sein sollte mit dem immer wieder angeführten Streikaufruf im allgemeinen, konkret bei einem bestimmten Arbeitskampf hört man das ja nicht und noch nicht einmal immer ohne kommunistische Gründe) wäre ja noch nicht allzuviel gewonnen und selbst mit einem dadurch vielleicht erzielbaren Zusammenbruch eines Staates noch nicht. Ich habe echt keinen Schimmer, was sich so ein GSPler, wie Alfred Fresin jetzt, bei sowas wirklich denkt.
    Und da fällt halt auf, daß den ja historisch belesenen und problembewußten antikommunistischen Tiraden von libelle immer nur der Antikommunismus vorgeworfen wird, und das ist eben nicht gerade eine inhaltliche Widerlegung.
    (Es ist in diesem Zusammenhang recht billig, den heutigen GSPlern vorzuwerfen, daß die MG 1991 recht sang- und klanglos liquidiert wurde, als es ernster zu nehmende Repression gegen einige Unterstützer gegeben hat, denn immerhin haben sich ja einige von denen, auch von den führenden Kadern doch eine beträchtliche anzahl, dann berappelt und machen nun dieses kommunistische Zwitterding und im übrigens sind viele ja jüngere Leute, denen man das konkret nun wirklich nicht mehr vorhalten könnte.)

  75. franziska
    29. März 2013, 10:21 | #75

    Themenchaos – ok, wird ja vorläufig nicht gelöscht, was hier alles steht, nur dann auch nicht diskutiert und verarbeitet. Es geht halt nicht so schnell.
    Mattis, Neoprene, Paul, ihr scheint sogar zum Ausgangspunkt dieses Threads zurückgekehrt zu sein; ihr sucht (was ich gut finde) den ernstzunehmenden Gehalt bei libelle, neben den Tiraden. Ihr arbeitet daran, wenn ichs recht verstehe, heraus: Der gsp (und andre) soll die die Konsequenz ziehen aus seinen Analysen, dann muss er sich aber mehr als bisher mit der Gewaltfrage und der Perspektive beschäftigen.
    Dagegen muss man halbe oder ganze Verschwörungstheoretiker (das kann ja auch ein mal ein ernstzunehmender Ansatz sein) wie euch dran erinnern, dass SOLCHE Fragen eigentlich dann nicht mehr in die Öffentlichkeit gehören, oder? Die Ernsthaftigkeit zeigt sich dann uU gerade darin, dass man aufhört, sie zu stellen.
    Da beginnen dann auch schon die Kosten des Projekts Gewalt, die libelle anmahnt – man verstrickt sich in sehr unschöne Dinge, Krieg und Revolution sind nun mal kein Deckchensticken. libelle hat da einige Szenarios ausgemalt und ausdrücklich drauf hingewiesen, dass die Konsequenzen der Machtfrage viel früher beginnen (zB in solchem nicht mehr öffentlich reden und beraten können).
    Ich habe libelles Argumente ergänzt durch Erwägung einer hypothetischen Konsequenz, die sich aus meinem derzeitigen Verständnis der gsp-Kritik der Verhältnisse ergibt: Die Gewaltfrage ist unumgänglich, weil nur so der sich selbst reproduzierende Zirkel aus Kapital- und Staats-Handeln (oder derer, die durch mehr oder weniger falschen Schein, stumme Zwänge und Anreize in beiden Sphären dazu gebracht werden, im Sinne dieser Systeme zu handeln) durchbrochen werden kann. Als Schwachstelle im System, die auch von einer kleineren aber gut organisierten Minderheit von Lohnarbeitern angegriffen werden kann, deutet sich dabei die kap. Produktion an. Dagegen wurde eingewandt, und ist auch einzuwenden: Erstens, rein zivile (oh, bürgerliche?) Minderheiten-Strategien sind ohne militärische Komponente zum Scheitern verurteilt; zweitens, ein reines Negativ-Programm „Macht zum Einsturz bringen“ schafft Chaos, aber keine neue Reproduktion, die „überzeugend“ (durch gute Argumente), einsehbare Zwänge (und vor allem Aufhebung vormaliger Zwänge), vor allem aber ihre Erfolge die Bannkraft des vormaligen Zirkels abschaltet (und insofern endgültig „den Kapitalismus abschafft“).
    Es sei denn, die mehr oder weniger kleine Minderheit ist so gut vorbereitet, dass sie im Zusammenbruch der Produktion inmitten einer feindseligen und bestenfalls vor Schreck gelähmten bürgerlichen Mehrheitsbevölkerung (vom Ausland ganz zu schweigen) auch noch einen flotten Notkommunismus organisiert, der die Überlegenheit „bedürfnis-bezogener Produktion“ schlagend vor Augen führt. Zwei Antworten auf diesen Einwand sind möglich: Ja, wir versuchens halt (Hasard-Strategie), oder aber: Wir rüsten eben doch schon hoch, so schnell wie möglich (ein paar kleinere Atombomben reichen doch für alle Fälle – zu denen hat seinerzeit die MSZ auch der SU geraten…) – das ist das libelle-Szenario – das in der Version leider was hat von „Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe“.
    Dabei hat libelle auch noch einen Anfang zu bieten, über den hier (wg. der Tiraden) noch zu wenig gesprochen wird.
    Dieser Anfang besagt, dass die Strategie SELBST IM ERFOLGSFALL nie aufgehen wird und nicht die Ergebnisse zeitigen kann, die sie herbeiführen will.
    So die ungefähre Stossrichtung von libelles Argument.
    Leider weist das Argument gelinde gesagt, Schwächen auf, die durch libelles flotte Übersichtsdarstellungs-Durchzieher leider nicht behoben werden.
    Mattis hat einige der Einwände, die sich als erste und einfachste dagegen anführen lassen, vorgebracht.
    Diese Einwände haben einen ähnlichen Zentralmangel wie das, wogegen sie sich richten, und worum anfangs auch noch gestritten wurde: libelles abstrakt-unbestimmte „Interessen“ (die aber Gegenstand von allerhand Bearbeitungsversuchen werden: sie sind da, man kann auf sie reflektieren, tut man es, dann ändert sich sehr viel, man kann sie entwickeln, dann gibts keine Gegensätze mehr usw) werden konfrontiert mit „Bedürfnissen“, deren Nichterfüllung in (offenkundiges) Elend führt; darauf zu verweisen fällt natürlich erheblich leichter, als die Frage zu beantworten: Wie erfüllte Bedürfnisse aussehen. (Ein weites (Streit)feld…)
    Dieses Ausweichen und Sich-Berufen auf erhofftermassen unstrittige Offenkundigkeiten und durch ihr Sich-fühlbar-Machen von selbst überzeugende Errungenschaften wird nun aber mit einer weiteren Hürde konfrontiert, die seine unmittelbare Verwendbarkeit für (im besten Fall) eine kommunistische Praxis infragestellen.
    Bei libelle konkretisiert sich diese Hürde als: „ideologisches Denken“, das ohne seine Überwindung nicht behebbare Gegensätze in die Welt bringt, und somit dem Vorschlag, mit der Bedürfnis-Bezogenheit aus dem Stand heraus anzufangen, entgegensteht. (Es steht nach libelle allem gutgemeinten Verhältnisse-Umstürzen so sehr entgegen, dass es bis zur Bedürfnis-Reproduktion garnicht erst kommt.. oder allenfalls in den oben angedeuteten Formen…)
    Der gsp sieht Ideologie (falschen Schein, Rechtfertigungen für das Befolgen von System-erzeugten Anreizen und (sanktionsbedrohten) Geboten) mal als reines „Epiphänomen“ oder Nebenfolge, die sein kann oder nicht, für ihr Funktionieren nicht notwendig; mal als subjektiv sehr wohl notwendiges Ingredienz, um die eigne elende Existenz überhaupt zu ertragen; oder auch, um das beschämende Gezwungensein in eine Freiwilligkeit umzulügen, da gibts mancherlei Deutungen. Wie auch immer: Ideologie, dem Inhalt nach notwendig falsches Bewusstsein ist eine Nebenfolge der praktischen Existenz, in die bürgerliche Individuen jeder Couleur durch das System der Ausbeutung versetzt sind – ganz gewiss nicht der GRUND dieses Systems; das System ist vielmehr, sobald historisch aus zusammenfliessenden Vorstadien heraus entstanden, ohne hinreichend massenhaft entdschlossene Gegen-Willen, Grund seiner selbst (erzeugt den Willen zu sich, als Lohnarbeiter und Kapitalist, Politiker und Bürger/Eigentümer(Konkurrenzteilnehmer usw)
    Auch in libelles Darstellung oben wandeln sich die Verhältnisse historisch mehr oder weniger selbst zu bürgerlichen, die Wechselwirkung zwischen Individuen und dem Stand der von ihnen je produzierten Verhältnissen wird grob angedeutet. Das Zustandekommen bürgerlicher Verhältnisse, dieses vorläufigen Spitzenprodukts der Geschichte, ist durch ideologisches Denken nicht aufzuhalten gewesen – die Gesellschaft ohne Gegensätze hingegen schon.
    Warum das so ist, hat uns libelle bislang noch nicht endgültig überzeugend nachgewiesen; eine weitere Anfrage an ihn, neben der ersten, seinen Begriff von Interesse zu erläutern.
    So, wie ich auch seine derzeitigen Gegner bitten möchte, ein paar Angaben zu machen, wie man authentische Bedürfnisse und echte menschliche Ursprünglichkeit ermittelt. Ist das nicht eine der ideologischen Schindluder-Kategorien Nr.1?
    Die kleine Aufstellung von Themen in meinem vorletzten Statement („über alles und einiges mehr“) sollte nicht nur andeuten, wie überfordernd das Themenprogramm ist, das sich damit ankündigt; sondern eigentlich auch, dass die Abarbeitung ganz unabhängig von libelle womöglich unumgänglich ist.
    So. Inhaltlich hab ich soweit noch nichts neues beigetragen, aber das Chaos ist hoffentlich etwas entwirrt.

  76. franziska
    29. März 2013, 10:55 | #76

    Getrennt von der fortlaufenden Diskussion möchte ich hier folgende Übersicht vorstellen, die vielleicht bei der einen oder andern Gelegenheit aufgegriffen und korrigiert werden kann. Sie dient als Präzisierung und Ergänzung der „möglichen Kommunismus“-Definitions-Elemente, die ich weiter oben in der zweiten Hälfte dieses Beitrags eingefügt hatte:
    http://neoprene.blogsport.de/2013/03/17/gsp-1-13-zur-broschuere-des-ums-ganze-buendnisses/#comment-74991
    ((Zu Tiraden und Antitiraden um den Kommunismusbegriff noch: Kommunismus ist kein eingetragenen Warenzeichen. Dennnoch gibt es so etwas wie einen Schwerpunkt, in dessen Richtung alle möglichen Abwandlungen zeigen: Kein Privateigentum, stattdessen kollektive Planung. „Gesellschaft ohne Gegensätze“ und andres, das libelle anführt, weist ihn natürlich in den Augen aller Nichtkommunisten als Kommunist aus, ganz gleich, was ihn von den andern unterscheidet. Auch die revolutionär Orientierten sind nur eine Fraktion. Auch sie können sehr schrill werden (oder „sich aufregen“ in libelles Ausdrucksweise).))
    ———–
    Es ist ein grosser Unterschied, ob jemand mehr vom Kuchen haben will, dann gern auch für andre „seinesgleichen“ und das gesellschaftlich dauerhaft, stabil, durchgesetzt haben will; oder ob er der Meinung ist, dass das Funktionsprinzip von Klassengesellschaft, Konkurrenz, Wachstum ua. eine für (woran gemessen?) zu viele Mitglieder so eingerichteter Gesellschaften notwendig dauerhaft schädlich ist (notwendig zur Ursache zumindest von gewissen Schäden wird, die hinreichend viele (woran gemesssen?) Mitgleider auch selber als solche ansehen. Diese Schäden müssen also durch Anderseinrichtung halbwegs zuverlässig vermeidbar werden; Schäden, die so vermeidbar sind, müssen gross genug sein, um den Aufwand zu rechtfertigen, den einzelne bzw. die Masse von Leuten, die die Kosten zu tragen haben, dafür inkaufzunehmen haben. Auch darin sollten dann halbswegs alle Beteiligte halbwegs übereinstimmen. (Manchmal gibts auch indirekt Beteiligte. Manchmal sperren sich Leute gegen das, was nachweisbar ist. Darum „halbwegs“.)
    Beide Arten von Motiven für Abschaffung der gegenwärtigen Klassengesellschaft, können unter der Rubrik „den Materialisten im Lohnarbeiter ansprechen“ verbucht werden.
    Im ersten Fall ist keine grosse Theorie erforderlich, dass Einkommen und/oder Vermögen nicht so verteilt ist, wie es aus Sicht der Zu-eignen-Gunsten-Umverteiler sein sollte, ist schon die Erklärung des Missstands.
    Im zweiten Fall begründet es grosse Unterschiede, wo man die Schadensquelle lokalisiert, und welche Schäden man davon glaubt zuverlässig ableiten zu können und welche nicht.
    Das war mein Punkt c) der Kommunismus-Typen: unterschiedliche Typen von Kritik (Reichtum „falsch“ verteilt, nicht bedürfnisorientiert produziert (falsche Ziele), ineffizient (falscher Mitteleinsatz für egal welche Ziele), konfliktträchtig (falsche Prioritäten bzw. vermittelt bzw ausgehandelt, bei egal welcher Planung).
    ((Das Wort „falsch“ soll dabei jeweils die Schadformel des ersten Punktes zusammenfassen: „notwendig dauerhaft mit dem kritisierten Prinzip unvermeidbar schädlich für (?) zu viele, beseitigbar zu tragbaren und verhältnismässigen Kosten, dauerhaft uswusw.“)
    Hier lässt sich eine ähnliche Fallunterscheidung machen, je entlang der Reihe: Die falsche (zB ungerechte/ungleiche, unfunktionelle oa) Verteilung schliesst alle Fehler ein. Beseitigt man sie, sind die andern Probleme gelöst – denn die „richtigen Entscheider“ sind ja bereits am richtigen Ort.
    Andernfalls muss mindestens dauerhaft für Orientierung an richtigen Zielen (Bedürfnissen) gesorgt werden; denkt man, dadurch schon optimalen Einsatz aller Ressourcen (da bedürfnisgerecht) geleistet zu haben, ist das miterledigt, Konflikte kommen nicht auf, da alle Bedürfnisse aller ja abgedeckt. Wenn nein, muss Effizienz (im Rahmen von bedarfsorientierter Planung) erst hergestellt werden. Wer denkt, alle Konflikte hingen damit zusammen, sieht keine weitere Aufgabe. Wer doch, muss noch mal neu einsetzen usw.
    Die betreffenden Schäden muss man als notwendig aus der kapitalistischen Art der Vergesellschaftung und Produktion (schädlich für zuviele usw) ableiten, und für die Gegenmassnahmen die geforderten Nachweise bringen.
    Die Gegenmassnahmen unterscheiden sich dann nach dem Mass ihrer Zentralität (alle Betroffenen müssen für alle Betroffenen Einschätzungen nachvollziehen und Entscheidungen treffen (hinsichtlich (bedarfs-orientierter) Zielsetzung, zusätzlich Mitteleinsatz, zusätzlich Prioritätensetzung) oder Dezentralität (die Betroffenen teilen sich in Gruppen auf, in denen alle für alle nachvollziehen und entscheiden, und auf die Weise regeln, was sich auf dieser Ebene regeln lässt; die Gruppen koordinieren untereinander nur noch, was an Regelungsbedarf übrigbleibt usw)
    Zentralität bedeutet vermutlich auch in gewissem Umfang Nicht-Aushandeln, Vorentscheiden, also bleibt der letzte Unterschied (und damit Wahlmöglichkeit): autoritär/mit Zwangselementen und konsensorientiert bloss übrig für dezentralen Kollektive.
    (Die Reihe Ziele – Mittel – Prioritäten ist erläuteruugsbedürftig.)

  77. 29. März 2013, 11:09 | #77

    Zu franziskas Bemerkung über libelle:

    „[w]as libelle anführt, weist ihn natürlich in den Auugen aller Nichtkommunisten als Kommunist aus, ganz gleich, was ihn von den andern unterscheidet“

    wollte ich eigentlich schon die ganze Zeit ein Bonmot anführen, daß im Kern wohl aus den 50er Jahren der USA stammt:
    „Once there was a Communist rally in Union Square. The police came to break it up and soon the officers had begun to use their clubs. One protester objected that he was not a Communist but an anti-Communist. “I don’t care what kind of Communist you are,” the officer replied and continued to beat him. “ zitiert nach Jason Epstein
    Ich habe jetzt bei Google eine schöne neuere Version gefunden:

    „I’m reminded of a story that was told of Olof Palme, who was a Social Democratic Prime Minister of Sweden. He toured the world putting the case against global poverty and in the early 1980s, he went to meet Ronald Reagan. Before Olof Palme arrived, Ronald Reagan turned to his advisers and said: ‚Isn’t this man a Communist?‘ And his advisers said: ‚No Mr President, he’s an anti-Communist‘. And Ronald Reagan said: ‚I don’t care what kind of Communist he is‘.“

    Soll vom britischen Labour-Politiker Gordon Brown benutzt worden sein.

  78. libelle
    29. März 2013, 12:23 | #78

    Leider weist das Argument gelinde gesagt, Schwächen auf, die durch libelles flotte Übersichtsdarstellungs-Durchzieher leider nicht behoben werden.
    Mattis hat einige der Einwände, die sich als erste und einfachste dagegen anführen lassen, vorgebracht.

    Wenn ich nicht auf Mattis reagiere, dann bestimmt nicht, weil es keine Einwände gegen das, was er vorbringt gäbe, sondern weil er es regelmäßig nicht einmal schafft zu begreifen, was behauptet ist und seine Lücken dann mit irgendwelchen Deutungen füllt und gegen die argumentiert. Sein Interesse, das die Deutungen hervorbringt, mit denen er seinem mangelhaften Verständnis auf die Sprünge hilft, bringt dann irgendwas hervor, das ich behauptet haben soll, das lauter Schwächen hat, auf die er sich dann in widerlegender Absicht wendet, damit eben dieses kommunistische Interesse (Kampf für Interessen/Bedürfnisse ist sachgerecht, wenn es um ihre Verwirklichung geht) recht bekommt. Über Paul Dessau oder Neoprene verliere ich aus dem selben Grund kein Wort. D.h. man kann schon auf sowas reagieren, aber dann muss die sich betätigende legitimatorische Absicht inhaltlich etwas zu bieten haben und ich habe z.B. einfach keine Lust Mattis zu erklären, was z.B. „Willensfreiheit, d.h.“ in dem Zitat, das er von mir zitiert hat, bedeutet. Auf keinen Fall ist damit seine Vorstellung davon gemeint, auch nicht die von Leibnitz, Kant, Descartes, Huisken oder sonstwem, sondern „d.h.“ wendet sich einfach erklärend, definierend auf ein Moment das für mich zur Willensfreiheit gehört, und das ist Eigengesetzlichkeit (lat. Autonomie), „Gesetzlichkeit“ also ausdrücklich eingeschlossen. Und wer nicht mit so einer interessierten Brille auf das Zeug schaut, wie Mattis, der begreift das auch. Ideologie behindert eben.
    Der Vorwurf ich würde „Tiraden“ verfassen, stört mich einerseits nicht, andererseits kann man an ihm etwas über seine Absender lernen, die die Konsequenzen, die der Kapitalismus für die Menschen hat (dass sie von ihm verschlissen werden, auch mal an seinen Notwendigkeiten sterben, davon krank werden usw…) als Merkmale ihres unaussprechlich guten Zwecks durch die Austragung von Machtfragen zur Bedürfnisbefriedigung zu kommen, eben nicht leiden können und den Hinweis darauf mir als schlechten Zweck unterstellen. Sie behaupten also damit, das wäre überhaupt nicht so (dann sind z.B. die Verseuchungen in der SU durch die für sie notwendig gewordene Kernwaffenproduktion, die Toten ihres Weltkrieges etc.. also vom Himmel gefallen).
    Die eigenen Tiraden (siehe Fred, Paul Dessau) fallen einem Kommunisten dann weder bei sich, noch bei Anderen, Gleichgesinnten auf. Letzteres ist der Stalinismus, der zum Kommunismus eben dazugehört, die Verurteilung und Auslese von Kritikern. Insofern mache ich mir über die Segnungen eines GSP Regimes für mich auch wenig Illusionen. Und das nicht deshalb, weil die GSPler keine netten Menschen sind (Hitler hatte auch einen Hund und war ein netter Onkel), sondern weil der Zweck, den sie verfolgen, die Notwendigkeit hervorbringt, gegen die Erosion ihrer Machtbasis vorzugehen, wenn sie Erfolg haben wollen. Sie werden das lernen. Hier und heute können sie lernen, dass ihre Theorie eben nicht für ihre Therapievorstellung der Gesellschaft spricht; dass sie mit „Überzeugen“ da auch nicht weiterkommen, weil ihre Ideen schlicht und ergreifend widersprüchlich sind und den Leuten Zumutungen aufbürden, die denen des Kapitalismus durchaus ebenbürtig sind.
    Dann können sie den Willen aber auch nur noch mit Gewalt zur Übernahme ihrer Zwecke zu zwingen versuchen, was man auf einer gewissen Stufenleiter der gesellschaftlichen Organisation dieses Zwecks wegen des abgrundguten Zwecks der Kommunisten, doch etwas für die Bedürfnisse der Leute tun zu wollen, nicht Gulag-System nennen darf, ein System universellen gesellschaftlichen Zwangs, mit dem Machtkampf der Kommunisten konforme Zwecke zu verfolgen.
    Ich finde es auch völlig daneben mir zu unterstellen, ich würde Szenarien ausmalen, sondern ich verweise lediglich auf die Notwendigkeiten, in die sich Kommunisten mit ihrer Idee von Klassenkampf hineinbegeben und was sie damit für ein System etablieren. Hier wäre für alle, die sich ernsthaft an der Diskussion beteiligen wollen, ersteinmal die Feststellung fällig, ob des diese Notwendigkeiten gibt, oder nicht? Das findet aber nicht statt, sondern stattdessen wird ein spekulatives Szenario dagegengehalten, nämlich das, dass die historischen Belege, die ich anführe für diese Notwendigkeiten überhaupt nicht typisch sein müssen, sondern dass das alles (obwohl, wenn man sich die Notwendigkeiten eines Machtkampfes anschaut, absolut nichts dafür spricht) überhaupt nicht notwendig wäre.
    Und hier kann man ein ganz wesentliches Moment kommunistischen Bewusstseins festhalten: Kommunisten leiten ihre Stellung zur Gesellschaft ganz wesentlich aus einer Spekulation ab, nämlich der, dass man mittels Machtkampf zu einem Zustand der Bedürfnisbefriedigung käme. Hier hat Franziska völlig zurecht darauf hingewiesen dass das religiöses Bewusstsein ist, weil alles, was man tut, die Gegenstände, auf die man sich theoretisch wendet, wie man sich zu den Leuten und untereinander ins Benehmen setzt, aus dem Glauben abgeleitet wird, in dieser Auseinandersetzung irgendwas reißen zu können. Nochmal: historisch und logisch, spricht absolut nichts dafür, das ist nichts weiter als die bloße Möglichkeit, dass die Gegner durch eigenen Machteinsatz einmal umfassend verschwinden könnten. Das steht völlig gleichberechtigt neben der Möglichkeit, die Verhältnisse durch einen Serienbrief an die Regierungen ändern zu können.
    Das letzte Beispiel steht da, um euch klarzumachen, dass man sich so nicht zur Welt stellt, sondern dass man in den Verhältnissen das tut, wovon mal Subjekt ist und sich nicht nach irgendwelchen hanebüchenen Annahmen richtet, was sein oder passieren könnte.
    Und wovon ihr Subjekt seid, dass könnt ihr eurem armseeligen, falschen Dilettantismus entnehmen. Ihr könnt nur der Welt eure (in dem Fall falschen) Vorstellungen präsentieren, die sie im Augenblick – siehe weiter oben im Thread – einfach nicht interessieren.
    Franziska hat ein brauchbares Beispiel gebracht, wohin diese religiöse Stellung zur Welt führt:

    Da beginnen dann auch schon die Kosten des Projekts Gewalt, die libelle anmahnt – man verstrickt sich in sehr unschöne Dinge, Krieg und Revolution sind nun mal kein Deckchensticken. libelle hat da einige Szenarios ausgemalt und ausdrücklich drauf hingewiesen, dass die Konsequenzen der Machtfrage viel früher beginnen (zB in solchem nicht mehr öffentlich reden und beraten können).

    Ja! Das ist die Wirkung, die der religiöse Standpunkt der Kommunisten hat. Sie schaden ihrem Verstand, können Sachverhalte nicht mehr thematisieren, legtimieren ihr spekulatives Interesse und identifizieren die Gegenstände, auf die sie sich wenden, entlang dieses spekulativen Interesses und so entsteht dann eben ein religiöses Gedankengebäude – was, wie man sieht, ein Gegensatz zum Anspruch der Wissenschaftlichkeit und auch keiner dagegen ist, dass da der eine oder andere richtige Gedanke drin vorkommt.
    Letzter Hinweis: Dass Mattis (interessenbedingt) einfach zu dämlich ist zu begreifen, was ich schreibe, kann man der folgenden Ausführung entnehmen:

    Der ewiggleiche Springpunkt bei libelle scheint mir die Sache mit dem Interesse zu sein. Dass jemand aus einem Bedürfnis heraus nach Wissen sucht, ist ihm verdächtig, führt ihn sogleich stets zur Unterstellung, dies Bedürfnis würde das Ergebnis der Analyse so verfälschen, dass es zum Bedürfnis passt. Man soll das eigene Interesse hinterfragen, fordert er ständig. Dass man das durchaus tut, lässt er nicht gelten. Sein eigenes Anliegen stellt er dagegen als rein interesselos dar, was natürlich eine Farce ist.
    Denn erstens gibt es kein interesseloses Interesse (!) an Wissen. Zweitens aber ist immerhin ein Nachweis erforderlich, inwiefern in einem konkreten Fall eine interessenbedingte Verfälschung tatsächlich vorliegt (geben tuts sowas freilich schon).

    Erstens meinst Du anscheinend, wenn man diesen Nachweis, der oben wieder steht, nicht zur Kenntnis nimmt, gäbe es ihn nicht und zweitens geht es nicht um die falsche Abstraktion des „interessenlosen Interesses“, die Du an meinem Zeug vorgenommen hast, sondern es geht, wie schon im Thread erklärt um folgendes:
    1. Die geistige Tätigkeit, die alle sich bürgerlich zur Welt ins Benehmen setzenden Menschen anstrengen, ist Ideologie, weil sie sie dem Dienst an einem ihr vorausgesetzten Interesse unterwerfen (für Kommunisten ist das Interesse oben nochmal erklärt). Diese Stellung zur Welt hat den Mangel, dass Antagonismen (die bestehen, oder in die man sich begibt (Kommunisten)) nicht thematisiert und die gesellschaftlichen Grundlagen der Interessen damit nicht hinterfragt werden (für Kommunisten ist das die Vorstellung des Interessenkampfes).
    2. Um diesen Mangel zu beheben muss man die den Ideologien zugrundeliegenden Interessen zum theoretischen Gegenstand machen, womit man diese (praktischen) Interessen aber in Frage stellt und ersteinmal nicht auf dem Standpunkt steht, dass sie, bloß weil es sie gibt, auch durchgesetzt werden müssen.
    Das Interesse, was in diesem Prozess dann übrig bleibt, ist das, dass man einen Interessenzusammenhang will, der frei von Antagonismen ist, weil man unter denen eben leidet. Und zur Behebung dieses „Leidens“ nützt es nichts, wenn man seine Gedanken einem gegebenen Interesse unterordnet, das hat Marx schon erkannt. Ordnet man sie umgekehrt dem Interesse nicht mehr unter, hinterfragt man das Interesse und stellt es damit zur Disposition – dann geht’s aber auch nicht mehr um seine Durchsetzung, sondern um einen Interessenkontext, der frei von Gegensätzen ist. Und so ordnet man seine Interessen dem Wissen unter. Sie sind dann nur noch Motivation für die geistige Tätigkeit, aber nicht mehr ihr Anfang und Ende. Deshalb hat man ein Interesse an einem möglichst umfangreichen Wissen um die Gesellschaft, d.h. um an diesen gegensatzfreien Interessenzusammenhang zu kommen, was immer die Interessen (also die in ihre gesellschaftlichen Formen gekleideten Bedürfnisse) dann sind.
    3. Dass Du Dir sowas nicht vorstellen kannst, outet Dich nur als Bürger, sonst nichts. Und das hat die Diskussion bei nestormachno, auf die Du oben verwiesen hast schon gezeigt.

  79. franziska
    29. März 2013, 12:46 | #79

    Zur Rekonstruktion der gsp-Vorstellung vom Übergang in Kommunismus (die insgesamt sonst noch möglichen Vorstellungen dazu sind in meiner detaillierten Liste der möglichen „Kommunismen“ nachzuholen)
    Der gsp spricht die Lohnarbeiter nicht unmittelbar als Konstrukteure eines neuen, kollektiv geplanten bedürfnisorientierten Systems an.
    Aus seiner Sicht ist das mutmasslich auch nicht nötig.
    Er spricht sie an als solche, die im eigenen Interesse ihre unwiderrufliche SYSTEMATISCHE SCHÄDIGUNG durch das „System der Ausbeutung (durch Lohnarbeit)“, die ihre Lage ausweglos macht. erkennen und es darum (zB durch Schwerpunktstreiks) für immer zu Fall bringen sollen bzw. irgendwann wohl werden, weil sie allen Grund dazu haben.
    Ob oder ob nicht ihnen die sich daraus ergebende Folge bewusst ist, ist gleichgültig: Die Betätigung ihres (von andern oder ihre eigne Anstrengung) zur Einsicht in die eigene Lage gebrachten Materialismus oder Eigeninteresses reicht aus.
    Sie reicht darum aus, weil ein zweiter zu postulierender, quasi-SYSTEMartig*) sich auch ohne bewussten Gestaltungswillen durchsetzender Automatismus existiert: Der Zusammenbruch des Systems der Ausbeutung mit seinem falschen Schein, Zwängen und Anreizen bringt auch das gesamte notwendig-falsche Bewusstsein zum Verschwinden: Es gibt keinen Grund mehr, die für eine moderne Gesellschaft angesichts ihrer Möglichkeiten anstehende Aufgabe noch einmal für sich korrekt zu bestimmen; die Rest-Bevölkerung wird diesen Schritt relativ bald mitmachen. (Ansonsten gilt: Man versuchts halt… und macht sich vom Erfolg nicht abhängig.)
    *) system-artig insofern, weil keine weiteren Voraussetzungen von den Akteuren erfüllt werden müssen, sondern die betreffende Übergangstendenz sich aus beliebigen Ausgangslagen heraus (wenn nur die EINE Voraussetzung, Durchbrechung der Selbstreproduktion des Ausbeutungs-Systems, erfüllt ist)von selbst herstellt.
    Das System der Ausbeutung ist damit auch charakterisiert als das eine, grosse Hindernis für eine gelingende bedürfnisorientierte gesellschaftlich geplante Produktion. Es zu Fall zu bringen, ist damit auch hinreichend für die Entfaltung seiner Alternative, die nur noch konfrontiert ist mit den mehr oder weniger technischen Schwierigkeiten ihrer praktischen Umsetzung.
    Auch diese Alternative hat etwas von einem System – SYSTEM der bedürfnisorientierten Produktion.
    Denn durch quasi Einstellung des Zielwahlschalters auf diese Stelle unter den möglichen, sind alle weiteren Parameter nicht nur vernünftigerweise vorgegeben – es gibt auch keinen verbliebenen Grund, der die Beteiligten systematisch in der Wahl ihrer Strategien verwirren oder bei der Setzung von Prioritäten aneinandergeraten lassen könnte.
    Auch hier heisst System: Die Details in den genannten Hinsichten (gewählte Mittel der Zielerreichung bzw Fortschrittspfad; Prioritäten des Ressourcen-Einsatz bei dessen Umsetzung) sind durch eine einfache Regel der Zielbestimmung (bedürfnis-orientiert) festgelegt, beinah egal unter was für Randbedingungen man ansonsten antritt.
    Anm. Das globale Denkmuster, das sich hier konkretisiert, ist natürlich die uralte Marxsche Behauptung, dass die Lohnarbeiter objektiv dazu verdammt oder auserwählt sind, neutral: sie sind dazu disponiert, INDEM sie ihre („aussichtslose“) Lage erkennen und das ihnen aufgenötigte Klassen-Interesse an deren Aufhebung betätigen, notgedrungen ZUGLEICH den für die GESAMTE Gesellschaft entscheidenden Schritt zu machen, ein verrückterweise unter modernen Vorzeichen nicht bedürfnis-orientiertes System der gesellschaftlich-arbeitsteiligen Produktion durch ein bedürfnisorientiertes zu ersetzen. Es bedarf dazu keines weiteren Entschlusses oder weiterer Einsicht; so automatisch die Gesellschaft, ohne es zu planen, in den Kapitalismus hineingeraten ist, so durch den betätigten Materialismus (realisiertes Interesse an der Aufhebung ihrer aussichtslosen Lage) der Lohnarbeiter in die stabile Ausgangslage einer bedürfnisorientierten (Re)Produktion.

  80. franziska
    29. März 2013, 14:33 | #80

    libelle: Interessen = die in ihre gesellschaftlichen Formen gekleideten Bedürfnisse
    Sind dies zugeschriebene solche Bedürfnisse, oder selbst so gesehene? Wenn letzteres… dann geht ein (und sei es noch so naheliegend-unvermitteltes) Erkenntnis-Element mit ein: Ich muss urteilen, unter welche gesellschaftliche Form (zB „diesunddies kaufen, soundsoviel Geld dafür verdienen oder klauen müssen“) ich mein Interesse subsumieren muss. Hier wieder zu unterscheiden die aufgezwungenen von den nicht hinterfragten gewohnheitsmässig passiv oder berechnend mitgemachten oder aktiv (mehr oder weniger durchdacht begründet) befürworteten (uU langfristig bedürfnis-schädigenden) gesellschaftlicihen Formen. (Oje – das alles wird bei dir als Moment in „Interessen“ eingehen können.)
    Also Bedürfnis und erkannte gesellschaftliche Form. Naja vielleicht nicht GANZ erkannte gesellschaftliche Form; naja vielleicht nicht GANZ überblickter langfristiger Bedarf… (Bedürfnisse sind ein weites Feld, reichen von unmittelbar verspürtem (brauch jetzt was zu trinken) bis zu Ängsten, die rein erkenntnisvermittelt sind (mein Arbeitsplatz soll nicht verlorengehen; ich will nicht krank werden).)
    Wo genau aber sollen Interessen in dem von dir angegebenen Sinn das Erkennen notwendig verfälschen über jene Falschheiten hinaus, die sich bereits aus dem von dir durch deine Definition in sie eingebundenen Moment der (als Zwang oder… erscheinenden) zurecht oder nicht für gültig gehaltenen geselslchaftlichen Form ihrer Verwirklichung ergibt?
    Ich sehe keine solche Verfälschungstendenz – ausser der, die ich Aberglaube genannt habe. Aber die ergibt sich aus einer völlig eigenen, KOGNITIVEN Regel des Umgangs, wie man mit bestehender und passiv oder aktiv hinzuerworbener Erfahrung vernünftigerweise umzugehen hat. Bekannte Bedürfnisse und Handlungsspielräume sind da nur Material, auf die diese erfahrungsabhängige Regel ganz eigener Art angewandt wird.
    Was nun den gsp angeht, kann ich genau die von dir ihm angehängte Verfälschung nicht erkennen, jedenfalls nicht, wenn MEINE Rekonstruktion seiner Position zutrifft:
    Dort wird nicht die VORAUSSETZUNG gemacht, dass Arbeiter und Kapitalisten klassenkämpfen (das wird als Fakt behauptet) oder gar klassen-kriegen (das eher nicht); vielmehr wird gefordert und (durchaus) erwartet und für möglich gehalten, darum auch dahin zu wirken versucht (alles Elemente der speziellen Version einer „Übergangs-Konzeption“, wie sie speziell der gsp sich zu eigen gemacht hat, dass hinreichend viele (für eine Produktions-lähmende massenhafte Arbeitsverweigerung) Lohnarbeiter aus Einsicht in die Aussichtslosigkeit ihrer Lage im Kapitalismus (das Urteil muss also stimmen! und diese seine Sicht der Dinge versucht der gsp doch nach Kräften überall argumentativ zu verteidigen..) endgültig ihre Mitwirkung am System der Ausbeutung aufgeben, derart dass dieses System dann am Ende ist. Also: Eine richtige Erkenntnis in ihr Interesse, Reflexion ihres Bedürfnisses, ein Sich-Erheben über ihre erbärmliche KLassenkämpfer-Lage von Lohnarbeitern ist von seiten des gsp vorausgesetzt für den Umsturz, den ER begrüssen würden. Wo bleibt da dein Borniertheits- und Gebundenheitsvorwurf?
    Dabei bestehen Gefahren in die von dir angegebene Richtung eher durch hypothetische Weiterungen, die der gsp (wie ihm Neoprene und andere vorwerfen) gerade eher NICHT ins Auge fasst, und, wie man hinzufügen muss, aus SEINER Warte durchaus zurecht nicht. Das kleine bisschen Konspiration, das nötig ist, um Betriebsorganisationen nicht auffliegen zu lassen oder den Generalstabsplan für den system-stürzenden Ausstand der hinreichenden 4-5-10% an den richtigen Stellen platzierten Genossen – das wird man ja wohl kaum in der Weise dämonisieren müssen wie du es tut.
    Eher schon kann man befürchten, dass die gsp Position sich da – im Widerspruch zu ihrer EIGENEN Dämonisierung der „Gegenseite“ – einer gewissen Blauäugigkeit hingibt und dem Dilemma verschliesst, bei dem der von dir genannte Weg die eine (und dann wohl ungangbare; wie soll man denn hierzuland konspirativ aufrüsten für einen Bürgerkrieg?), der in die Ohnmacht die andere Alternative darstellt.
    zu weiteren Punkten später mehr

  81. 29. März 2013, 16:11 | #81

    franziska, merkst du eigentlich nicht, daß dein dem GSP unterstelltes semiblanquistisches Umsturzkonzept („4-5-10% an den richtigen Stellen platzierte Genossen“) ungefähr das gleiche beschreibt, was libelle schon in den schwärzesten Farben ausgemalt hat? Nur daß der eben weiter denkt in Richtung Deformationen, die das mit sich bringt um, wenn überhaupt, so weit zu kommen, auf jeden Fall jedoch solche nach sich zieht, selbst wenn so ein Umsturz mal zum Erfolg, jedenfalls erstmal zur berüchtigen „Macht“-Eroberung führen sollte.

  82. franziska
    29. März 2013, 16:27 | #82

    Ich denk schon dass ich merke…
    Am Anfang beginnt es ja mit Grau..
    Ich sag ja am Ende, und da merke ich, dass ich dasselbe sage wie du und andere oben sdchon: Entweder sie sind sehr blauäugig, oder Zocker, oder.. sie (oder diejenigen unter ihnen, die so drauf sind) gehen den Weg eben doch in die libelle-Richtung. Die Frage ist freilich, ob sie heutzutage DAFÜR noch genug Leute mobilisieren…
    libelle, ich möchte kurz noch versuchen, dir einmal zurückzumelden, welche vier Kategoriengruppen zum Thema Denken und Urteilsbildung in deiner Gesamtdarstellung mir als unterschiedene aufgefallen sind:
    1. Das Hineinwachsen und historisch-standort-gebundene Weiterentwickeln der „gesellschaftlichen Verhältnisse“, in denen man sich befindet; das Ergebnis beim Einzelmenschen und Gruppen aus ihnen nimmt nach deiner Darstellung immer nur die Form von „Interessen“ in deiner Definition an; thematisch gebundene, aber dem Inhalt nach durch objektive Erfahrung, wie es ist, also nicht durch Bedürfnisse bestimmte Erkenntnisse gibt es also garnicht? Wie soll ohne so ein Erfahrungs-erweiterndes, erfahrungskorrigierendes Element denn die „gesellschaftliche Form der Bedürfnisse“ eine Entwicklung erfahren? Ausgerechnet homo sapiens – lernunfähig???
    2. das „ideologische Denken“ (inwiefern ist es vom „Weiterentwickeln“ oder eben „Hineingewachsensein“ unterschieden? doch eigentlch garnicht, oder? es ist an SEINE Voraussetzungen gebundenes Anwenden der Voraussetzungen. Sonst noch was?)
    3. das moderne, ua von Marx oder zu seiner Zeit in die Welt gekommene Erkennen und Reflektieren von EIGENEN Interessen wie denen anderer (wie kommt es dazu? reicht die Tendenz zum Erklären, die (angeblich) aus der Naturwissenschaft herrührt, die in modernen Zeiten eingerissen ist, und die ebenfalls daraus sich ergebende Chance, durch gesellschaftliche Produktion Bedürfnisse zu befriedigen? Wenn ja – warum machen nicht alle gleichzeitig diese Schritte? was hindert sie? Oder umgekehrt, WARUM machen die sie, die sie machen?)
    4. das religiöse Denken – eins der Zwischenprodukte, eine der gesellschaftlichen Formen in der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Verhältnisse? Wieso fallen moderne Individuen in solche vormodernen Formen zurück, die garnicht mehr an der Zeit sind?
    Zu diesem Komplex „ideologisches Denken“.
    Dem Umgang mit Wissen, Unwissen, passiv und aktiv erworbener neuer Erfahrung ist ein Wollensmoment nur an EINER Stelle eingefügt: Da, wo es darum geht zu bestimmen, was angesichts dessen, dass man nicht genug weiss, man VERSUCHEN WILL. Dies ist im Kern ein KOGNITIVER Vorgang. Was ich versuchen will, darüber entscheiden im Kern NICHT meine Wünsche, sondern mein URTEIL (nach einer Regel), welche meiner Wünsche und den überhaupt realisierbar erscheinenden angesichts meiner gewusst unvollstüändigen Nichtkontrolle und Unkenntnis der Randumstände versuchsweise zu realisieren lohnt; man könnte sagen: Welches Reproduktionsexperiment als erstes oder nächstes oder übernächste zu machen Sinn macht. (Statt ich, meiner nach entsprechender Verständigung mit andern oder Ausbreitung mit wlechen MItteln auch immer auf sie: wir, unser…)
    Selbst die Abergläubischen (in meinem Sinn; also leider fast alle Normalmenschen) wollen nicht bedingungslos etwas haben oder verwirklichen, sondern sie wollen durch ihr Versuchen auf Dauer herausfinden und dann WISSEN, WIEVIEL oder Dinge welcher Art zu versuchen lohnt und welche nicht. Und je nachdem begrenzen sie dann auch ihre Wünsche (das heisst zB: Pessimismus, aus Erfahrung).
    Zu dieser Wissenserwerbs-Strategie gehört auch, dass das Bewährte, Gewohnte, Normale und Selbstverständliche weiter zu unterstellen nie ganz falsch sein kann.
    DAS ist die Quelle der von libelle geltend gemachten Fixierung auf Voraussetzungen.
    Echtes WUNSCH- und übriges auch ANGSTDENKEN hingegen (man könnte auch sagen: die recht verstandene Eigengesetzlichkeit?) würde ich als Verrücktheit einordnen.
    Zur Religion später.
    Anm. Dass man als Jugendlicher irgendwie in Wissens- und Regelpraxis der umgebenden „Gesellschaft“ hineinwächst, also sehr viel davon übernimmt,wenn man dazugehören will, ist die EINE Seite des Zusammenhangs der zwischen Einzelnen und allen einzelnen (Geselslchaft). Erheblich schwieriger ist anzugeben, wie der umgelehrte Weg läuft: Wie etwas aus dem so gesellschaftlich geformten Einzelleben mit seinen über das Geformte hinausweisenden Erfahrungen ins Leben der andern, gar aller andern, gelangt? So, dass eben eine gesellschaftliche, aufeinander abgestimmte, kulturell homogene Praxis daraus entsteht.

  83. 29. März 2013, 16:43 | #83

    franziska, du hattest weiter oben schon geschrieben:

    „Ich war IMMER Kommunist und nie was andres. Ich hab allergrösste Schwierigkeiten zu kapieren, wie mans nicht sein kann, und suche dafür nach Erklärungen. (Das ist übrigens genauso mit religiösem Glauben.)“

    jetzt schreibst du gleichsinnig:

    „das religiöse Denken – eins der Zwischenprodukte, eine der gesellschaftlichen Formen in der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Verhältnisse? Wieso fallen moderne Individuen in solche vormodernen Formen zurück, die garnicht mehr an der Zeit sind?“

    Du kennst doch aber sicherlich all die mehr oder weniger ausformulierten Erklärungen, warum Menschen, die in nicht sonderlich befriedigenden Verhältnissen leben, sich aber entschieden haben, das es das eben sein müsse, sich per Übergang zu religiösem Denken eine „Rechtfertigung“ dafür zurechtlegen, warum es schon gut ist (typischerweise im Jenseits, so blöd, sich das schon im Hier und jetzt zu erwarten sind ja nur die ganz bescheuert religiösen Menschen), wenn es – das war ja der Ausgangspunkt – eigentlich gar nicht gut ist für sie.
    Denn wenn du von sowas ausgehen würdest, dann könntest du nicht so sozusagen kontrafaktische Thesen aufstellen wie jetzt, daß solch religiöses Denken „vormodern“ sei und nicht mehr in „diese Zeit“, also die häßlichen kapitalistischen Klassenverhältnisse und den weltweiten Imperialismus passen würde.

  84. Mattis
    29. März 2013, 20:17 | #84

    @franziska:

    „Der Zusammenhang zum Wünschen ergibt sich naheliegenderweise so: Ist solch einer Person etwas unangenehm, ist sie vielleicht eher geneigt, der Sache auf den Grund zu gehen. Aber sicher ist es nicht einmal dann; denn Prüfen ist unangenehm, und es tritt eine erneute Schätzung ein (wieder auf „plausiblen“ Grundlagen), wieviel man mit dieser Mühe bestenfalls gewinnen wird.“

    Solche Schätzungen aber, die mit einer Gegnerschaft gegen herrschende Verhältnsse verbunden sein würden, werden in der Regel gar nicht erst angestellt, sondern gleich mit sicherem bürgerlichen Instinkt abgelehnt. Da werden dann Keulen geschwungen wie diese: die Herrschaft der Vernunft ist eine Illusion, auch Kommunisten wollen nur Gewalt, wer unbedingt das Gute will, bewirkt das genaue Gegenteil, und so weiter.
    Die Frage ist in der Tat: Warum denken Menschen nicht objektiv, auch wenn ihnen das letztlich – mit der Erfüllung von ein paar zusätzlichen Voraussetzungen – mehr nützen würde als das Verbleiben im affirmativen Bewusstsein?
    In der Entwicklungsgeschichte der Menschen bildete sich die Fähigkeit zu objektivem Urteilen heraus als Evolutionsvorteil. Also von vornherein instrumentell, nicht als Freude am logischen Denken oder an der Wahrheitsliebe. Und wo eine objektive Sicht der Dinge nicht zum Interesse passt, wird sie halt als unpassend ignoriert.
    Vorsichtshalber wird die unpassende Sicht sogar angegriffen, denn sie stört das Einvernehmen, und im Angriff auf die störenden Standpunkte demonstriert man anderen und sich selber, trotz aller Mühen mit den bestehenden Verhältnissen mit der Zustimmung zu diesen richtig zu liegen. Auf diese Weise entgehen den Menschen natürlich solche Möglichkeiten, zu einem besseren Mittel (einer für sie nützlicheren Ökonomie) zu kommen, die eben nicht bequem eingebettet werden können ins Bestehende.
    Da die Anpassung an die gesellschaftliche Umwelt oberste Priorität hat – freilich immer im Gestus des kritischen Bewusstsein -, wird also objektives Urteilen im Allgemeinen nur dort praktiziert, wo es genau dabei behilflich sein kann. Ausnahmen bestätigen da nur die Regel und haben eine begrenzte, schwer voraussagbare Konjunktur.
    Eine objektive Sicht auf die Dinge wird, schon wenn sie als unpassend erahnt wird, vermieden, ignoriert oder auch, wo sie dennoch laut wird, niedergemacht. Der Logik-Sektor im Gehirn schreit da eben nicht auf, wenn er diesbezüglich vergewaltigt wird. Das passende Zurechtbiegen von Gedanken gegen alle Erfahrung und Logik kann man am Thema Religion in der Tat am Übersichtlichsten studieren. Man schaue sich nur mal die „Gottesbeweise“ anerkannter Philosophen und Theologen an.
    Bei den Standpunkten in Sachen Gesellschaft ist es leider dasselbe Prinzip. Das ist der Normalzustand des menschlichen Denkens, mit dem wir es zu tun haben. Die Fähigkeit zu Logik und Objektivität ist vorhanden, ist aber nicht die übliche Denkweise, wenn es um das Verhältnis des Einzelnen zur Obrigkeit geht. Mit Angst vor Repression, wie Kim das mal angedeutet hat, hat das nichts zu tun. So weit nach vorn wird ja schon gar nicht gedacht, dass da der Gedanke überhaupt relevant würde, ob man denn einen Widerstand überhaupt ungestraft leisten dürfte. Nein, es ist eben schlimmer: die Affirmation geschieht vorauseilend. Deswegen liegt auch die UG-Tendenz daneben, die „Integration“ der Massen durch ein hermetisch geschlossenes „System“ zu beklagen. Die Menschen integrieren sich da schon ganz hübsch selber. *)
    Ich selbst war übrigens als Schüler explizit „für freie Marktwirtschaft“, „gegen Ideologien“, „für Reformen“. Um über eine der wichtigsten „Ideologien“ besser Bescheid zu wissen, hab ich dann Marx im Original gelesen. Manchmal ist ein Interesse der Anstoß dazu, sich Wissen zu verschaffen, und im Verlauf der wissenschaftlichen Betätigung kann sich dieses Interesse als vorschneller Standpunkt erweisen, den man angesichts neuer Einsichten aufgibt. Was man erkannt hat, führt dann zur Formulierung eines neuen Standpunkts.
    Es gibt also nicht nur das bornierte „sich-bestätigen-wollen“, bei dem man nur weiterforscht, solange noch alles der eigenen Position zuspricht, sondern eben auch echtes Dazulernen, Korrigieren. Bei unproblematischen, konfliktfreien Themen geschieht das täglich im Alltag der Menschen, aber bei den neuralgischen politischen Themen ist eben meistens die unwillkürliche Scheu davor bestimmend, sich zu der Welt, der man sich zugehörig fühlt, in Gegensatz zu bringen. Sowas kann einfach nicht richtig sein, so wird gedacht.
    Wäre dem nicht so, könnte rasch eine überragende Mehrheit eine bessere Gesellschaft wollen und nicht viele würden da noch Einwände haben. So aber gilt für die große Mehrheit das, was Kim Richtung libelle so formuliert hat:
    Man „erspart sich damit zugleich die Anstrengung, nachzuforschen, warum der Kapitalismus es immer noch nicht fertig gebracht hat, die gesamte Menschheit ausreichend zu versorgen und nun schon seit über 200 Jahren Hand in Hand mit der Armut geht.“ (Kim B.)
    *) Ich finde es sehr spannend, wie die hier verhandelten Themen fast alle im Rahmen der UG-Broschüre (und dessen Kritik) vorkommen. Ist aber andererseits auch nicht verwunderlich.

  85. franziska
    30. März 2013, 13:26 | #85

    Ich hatte die Frage nach religiösem Denken nicht allgemein aufgeworfen, sondern libelle gestellt. Es versteht sich, dass jeder hier frei ist, und so wirds von Neoprene offenbar gewünscht, dass er Einfälle und eigne Theorien zum besten geben kann, ich hab das (fast tuts mir leid) durchaus auch getan.
    Aber es hat natürlich Konsequenzen.
    Es ist schwer genug, die gsp-Auffassungen in eine Übersicht zu bekommen, die ihnen gerecht wird; dann kommt noch libelle, der mit einigem Schwung eine Theorie von beinah allem und jedem hinschreibt, wo (das hat mit dem Schwung zu tun) eigentlich jeder Satz Fragen aufwirft, wie das genauer gemeint ist. Und jetzt kommt ihr noch mit euern Hinweisen auf allgemein Bekanntes und Festgestelltes, womit dann ein weiteres und nicht kleines Fragenfeld eröffnet ist, wo der Bezug zu libelle endgültig abreisst.
    Da einzusteigen, in der Absicht, noch irgendwas klarzukriegen, hat, je nachdem, wie ernst oder spielerisch mans macht, was (in diesem Fall intellektuell) Heroisches, oder es geht in Richtung Denksport. Aber was klarkriegen und sich drüber verständigen, ist eben auch nur eine Absicht unter vielen, die hier verfolgt werden.
    (Kurz noch ein Nachtrag in eigener Sache: Die Bezeichnung „idealistisch“ (im angegebenen Sinn) im öfter erwähnten Bandwurmsatz oben macht nur Sinn, wenn die Akteure SELBST ihr Handeln ganz anders beschreiben, und behauptet wird, dass man diese ihre Beschreibungen, was sie da zu tun glauben, bei der „objektiven“ Darstellung dessen, was sie wirklich TUN, ignorieren kann, weil dies Tun (wird das geprüft? steht es fest?) ihren Beschreibungen nicht entspricht. Umgekehrt muss jemand wie ich zeigen, dass das Tun den Beschreibungen entspricht und es keinen Überschuss gibt, der „objektiv“ und abgetrennt, selbständig einen Zweck darstellt, den erstmal niemand hat, und dem allenfalls aus fadenscheinigen sekundären Gründen (die immer den Zweck als Voraussetzung schon unterstellen) zugestimmt wird. Um diesen Punkt wird in der ewigen Staatsdebatte gestritten; es gibt aber ein Pendant dazu in der Ökonomie. Ich möchte mit dieser Ergänzung eigentlich nur festhalten, dass dies beim derzeitigen Stand eine völlig offene Kontroverse ist. Andeutungen sind schliesslich keine Kritik. Ob die Position jemand hat, die da kritisiert wurde, ist eine ganz eigne Frage.))
    Die bisherige Debatte war insofern nicht ganz daneben, als sie ja zentral die Attacke libelles auf den gsp behandelte. Sein Angriff ist – dürfen wir das festhalten? – insofern relativiert, als im Rahmen der veröffentlichten Einschätzungen und praktischen Vorschläge des gsp sehr wohl die nachvollziehbare Absicht gebildet werden kann, mit von mir aus semiblanquistischen Arbeitsverweigerungen hinreichend vieler Lohnarbeiter, die keine mehr sein wollen, an hinreichend wichtigen Produktionsstätten, den Bann, den das System der Ausbeutung der Gesamtheit der geschädigten Mitmacher auferlegt, zu durchbrechen. Wir haben festgehalten, dass diese Strategie einige Zweifel hinsichtlich ihrer Realitätsgerechtheit aufwirft, sogar für ihre Urheber (wenn das denn ihre Strategie ist), angesichts der Gewaltbereitschaft, die sie Staat und Staaten zuschreiben. Insgesamt, so der bisherige Stand, macht diese praktische Perspektive aber (wie am Beispiel Fresin) eher den Eindruck, sich um Probleme herumzumogeln, als dass da finster entschlossene Bürgerkrieger (die sie aus Sicht einiger Kritiker womöglich [sein] sollten: vgl. Waffendebatte) anfangen, subversiv Arsenale anzulegen. Bis zu diesen offenen Fragestellungen wäre somit das Ausgangsthema des threads gediehen.
    Den praktischen und prognostischen Erwägungen lagen im Kern aber immer Analysen zugrunde, die vom Ist-Zustand, der gegenwärtigen gesellschaftlichen Realität, handelten.
    Insofern stellt sich am Ende libelles Attacke als verkleideter theoretischer Einwand dar; als solchen kann man ihn weiter behandeln.
    Das lohnt sich insofern, als libelle hier zumindest einige Theoriebrocken präsentiert, die gsp-Doktrinen zum Verwechseln ähnlich sehen (zumindest aus Sicht solcher, die da ganz anders denken, also wenigstens mal mir, und zumindest wohl auch Mattis.)
    libelle hat sich in der Frage der Willensfreiheit von Huisken als gsp-Autor abgegrenzt; da sei eine Differenz. Die sei hiermit festgehalten. Zur Willensfreiheit wurde ja noch garnichts gesagt. Sie kommt aber nun langsam ins Spiel, wenn es darum geht, libelles anthropologische Zentralkategorie, das „Interesse“, gemäss seiner Definition, aufzuschlüsseln.
    Da muss ich nun mich selber kritisieren; denn die oben von mir angeführten vier libelles Text entnommenden Kategorien hätten dringend ergänzt werden sollen um die Rekonstruktion seiner Behauptungen hinsichtlich ihres Zustandekommens. Dann wären vielleicht einige Seltsamkeiten zutagegetreten, die man libelle vorhalten kann (neben den ersten naheliegenden Einwänden von Mattis, und ersten Andeutungen meinerseits). Das kommt in abgewandelter Form auch gleich zur Sprache, denn ich möchte das Versäumte nachholen.
    Ich erzähle, wie ich es mir gemerkt habe und es bei mir angekommen ist, hoffentlich nicht allzu weit weg von libelles Text.
    Hinter libelles „Interessen“ (im Kern sind das: Bedürfnisse!) steht, als ihr Haupt-Produzent (oder soll man sagen: Träger? Besitzer?), zunächst das Individuum mit seinem „instrumentellen“ Denken. Es bildet seine Inhalte an der vorfindlichen gesellschaftlichen Praxis, in die es hineinwächst.
    Alle Individuen haben einen sog. freien Willen, dessen zentrale Eigenschaft die sog. „Eigengesetzlichkeit“ ist. Die Betonung des Gesetzlichen daran scheint drauf rauszulaufen, dass da nicht blanke Willkür herrscht, sondern REGELN konstruiert werden; Regeln, die offenbar von der Machart sind, dass sie nicht die eigene Praxis allein bestimmen, sondern so allgemein formuliert sind, dass sie das Handeln der ganzen Gesellschaft bestimmen KÖNNTEN oder auch sollen. Die Einzelnen treffen mit diesem Inhalt (der aber schon an der Gesellschaft sich gebildet hat) auf ein gesellschaftlich Geltendes, ihre gesellschaftliche „Bestimmung“ (zB Eigentümer zu sein), in dem ihre Vorstellung, was gelten soll, nicht ganz aufgeht, der sie vielmehr in Teilen widerspricht. Die einzelnen ändern das Gültige entlang der Versuche, das widersprechend Eigne zum Gültigen zu machen; dies ist die Dynamik, die zumindest die vormoderne Gesellschaft umtreibt. (Ich sage das absichtlich so; denn von einem Fortschritt und Weiter- oder Vorankommen ist hier, vormodern, nichts gesagt.)
    Libelles Aufmerksamkeit ist sehr stark auf Kategorien wie Durchsetzung, Macht, und Gesellschaft als Quelle und Ziel von deren Wirken gerichtet. Darin erinnert seine Theorie an ähnliche „Macht“- oder Diskurs-theoretische vor allem französischer Provenienz. Es ist hierzu, auch französisch (Bourdieu) bemerkt worden, dass auf so eine Idee bloss Akademiker, im engeren Sinn Uni-Angehörige geisteswissenschaftlicher Fächer, kommen (Mattis hat das auch schon anklingen lassen). „Die Gesellschaft“ hat da nichts wichtigeres zu tun, als irgendwie individuelle eigen-gesetzliche Einfälle der Einzelnen und deren Rangeleien miteinander ins Verhältnis zu setzen und auszuhandeln (mit was für Machtmitteln? Gewaltausübung scheint das einzig Praktische, das diese Gesellschaft kennt), wessen Einfälle die von allen nachzuredenden (denn: was soll den PRAKTISCHES ausser Reden daraus folgen?) also gültigen sind; ja eigentlich im wesentlichen, wer wann Rederecht hat.
    Eine PRAXIS, Arbeit, Produktion, zu regeln, Wissen einzusetzen, Risiken und Chancen im Umgang mit der (nicht bekannten) Welt, bzw. Einsatz von Technik dabei, und die Frage wer was macht – all dieser ungeheure Reichtum an Inhalten und vor allem STREIT-Inhalten scheint von dieser Theorie der Gesellschaft garnicht bemerkt zu werden.
    DANN nämlich schlägt von irgendwoher ein ganz absonderlicher neuer Einfall ein, er heisst Naturwissenschaft. Er bringt eine neue intellektuelle Mode ins Spiel, die Lust am Erklären, uind eine neue SICHTWEISE auf die Gesellschaft (immer noch keine Praxis erwähnt); deren Anwendung sich ausdehnt von den ursprünglichen (rein theoretischen?) Gegenständen auf soziale (geht das? sind die Erklärweisen dieselben? gabs das vormodern nicht? kein Erklären? keinen Platon, keinen Staat, und noch manch andre, von alten Chinesen ganz zu schweigen?) Man muss sagen: Mode. Denn gut diskurstheoretisch, ist da eine Wertung, warum das ein FORTSCHRITT sein soll, schwer zu erkennen. Es ist auch keiner; denn am Ende steht bloss da: Alle haben drauf reflektiert, wie ungeheuer eigengesetzlich sie doch sind. Das ab da wechselseitig höflichst anerkannt, hören die unvermittelten, also Fremd-Eigengesetzlichkeiten nicht berücksichtigenden Übergriffe in Gestalt ideologischen Denkens (das immer weiter bloss die üblichen selbstbezogenen Gesellschaftsinhalte hat) endlich auf: Gesellschaft ohne Gegensätze. – Hab ich was übersehen? Naja, so als persönliche Attribute, quasi Mode-Acessoires, kommen noch Statusbezeichnungen vor, mehr so im Mittelalter, als hartes Arbeiten Mode war: Bauer usw. Heutzutage als Zugeständnis: Leute sterben. Abgehakt. Ideologisches Denken.
    Da möchte man Passant oben rechtgeben: Das kann doch nicht dein Ernst sein? libelle???

  86. Apple
    30. März 2013, 20:53 | #86

    @ franziska

    DANN nämlich schlägt von irgendwoher ein ganz absonderlicher neuer Einfall ein, er heisst Naturwissenschaft. Er bringt eine neue intellektuelle Mode ins Spiel, die Lust am Erklären, uind eine neue SICHTWEISE auf die Gesellschaft

    Von „Mode“ steht bei libelle nichts. Bei den von dir ins Gespräch gebrachten Diskurstheoretikern wie Foucault z.B. kann man nachlesen, wie die neue Sichweise aufgekommen ist. Mit dem Aufkommen moderner Nationalstaaten entsteht bei den politischen Organen der Gesellschaft – z.B. dem Staat – der Bedarf, die Gesellschaft zu verstehen, um sie regieren zu können. Das war im Feudalismus nicht so, zumindest nicht in dem Maße. Ich denke, dass liegt daran, dass die ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen einem Fürsten und seinen Untertanen einigermaßen transparent sind.
    Der modernen Regierung steht aber eine Bevölkerungsmasse gegenüber, die, will man sie produktiv für das Wohl der Nation benutzen, erstmal durchleuchtet, analysiert und verstanden werden muss. Daher zu dieser Zeit die Geburt der modernen Gesellschaftswissenschaften: aus der Philosophie des Geistes entsteht die Psychologie, aus der Sozialphilosophie die Soziologie, die Politische Ökonomie die Politologie.
    Auch in der politischen Konkurrenz wird damit Wissen wichtig. Wenn man als Partei was reißen will, muss man vor der Gesellschaft plausibel machen, dass man bessere – und d.h. auf richtigen Erkenntnissen basierende – Vorschläge zur Gestaltung des Gemeinwesens hat. D.i. die Verwissenschaftlichung der Politik. (Die Ideologiekritik im heutigen Sinne ist eine Konsequenz davon und auch so entstanden, dass man den politischen Gegner der Unwahrheit bzw. der Unfähigkeit zur Wahrheit, wegen NOTWENDIG falschem Bewusstsein, überführen wollte.)
    D.h. der moderne Staat installiert bzw. fördert eine Wissensindustrie, in der das notwendige Regierungswissen produziert wird, ebenso wie eine Bildungsindustrie, in der dieses Wissen an die Bevölkerung vermittelt wird, um sie produktiv für die Gesellschaft zu machen. Damit wird Wissen aber auch für jedes einzelne Gesellschaftsmitglied unabdingbar, weil seine persönliche Reproduktion damit steht und fällt, inwiefern er sich Wissen aneignen und sich produktiv machen kann. Wissensaneignung wird also zu einem Interesse, will man in der ökonomischen, politischen, teilweise auch der sonstigen Konkurrenz was für sich rausschlagen. Das war im Feudalismus noch nicht so: der Otto-Normal-Bauer war auf seinen beschränkten Lebenshorizont mehr oder weniger festgenagelt und seine Herrschaft verlangte von ihm auch nicht mehr als das, was er eh schon den ganzen Tag gemacht hat. Also war für ihn nicht mehr Wissen nötig, als das, was er sich eh schon in seinem Alltag nebenbei angeeignet hat. So wie die moderne Gesellschaft organisiert ist, gibt es für jeden Einzelnen wie für die Gesellschaft als Ganzes einen ständigen Bedarf nach Wissen: es ist Mittel der individuellen und der gesellschaftlichen Reproduktion. Deswegen gibt es in der modernen Gesellschaft auch den Übergang, von dem libelle spricht: es kommt auf die Wahrheit an.

  87. 30. März 2013, 21:25 | #87

    Selbst GSPler, die sich nun wahrlich seit Jahrzehnten an den bürgerlichen „Wissenschaften“ abgearbeitet haben, gehen mir zumeist zu lax mit dem wirklich wichtigen Begriff des „Wissens“ um, du, Apple, hier leider auch. Was du hier als in der Tat in einer modernen bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft als notwendiges „Regierungswissen“ aufgeführt hast, ist doch grob gesprochen nur Regierungsideologie, notwendig falsches Bewußtsein.
    Leider wird eben nicht wirkliches Wissen „für jedes Gesellschaftsmitglied unabdingbar“, sondern das Nachbeten noch des größten Blödsinns, wenn es für die Konkurrenzerfolge passend erscheint. Deshalb halte ich es auch für grottenfalsch, wenn du so eine superoptimistische These vorträgst,

    „[Es]gibt für jeden Einzelnen wie für die Gesellschaft als Ganzes einen ständigen Bedarf nach Wissen: es ist Mittel der individuellen und der gesellschaftlichen Reproduktion.“

    Denn was für eine Scheißgesellschaft wird denn mit all den BWLern, Politologen und Deutschlehrern reproduziert?? Ja, ganze Heerscharen von individueller Reproduktion, ganze Karriereleitern lassen sich auf diesem Kopfmüll aufbauen.
    Zitat aus dem GSP-uG-Artikel:

    “ Der zu diesem System gehörigen Wissenschaft ist es ums Begreifen auch nicht zu tun; sie verdient sich den Titel „bürgerlich“ dadurch, dass ihre Theorien den Standpunkt der Politik, die Sorge ums Gelingen von Geschäft und Gewalt, in allerlei Varianten vereinseitigend reproduzieren, also Erklären durch fürsorglich-erfolgsorientiertes Problematisieren ersetzen. Den Begriff dieser Verhältnisse braucht, wer sich an ihnen stört und an Abhilfe interessiert ist;“

    In dieser Gesellschaft kommt es gerade *nicht* auf Wahrheit an, bin ich geneigt zusammenfassend zu schreiben (Die paar naturwissenschaftlichen wirklichen Wahrheiten, die der Gewinnemacherei dienlich sind, mal außen vor).

  88. franziska
    30. März 2013, 22:50 | #88

    Ich hoffe zunächst mal, dass die Art, wie ich libelle darstelle, so verstanden wird, wie sie gemeint war, nämlich als Anfrage, ob ers so gemeint hat, oder ob Missverständnisse und Auslassungen vorkamen; die libelle richtigstellen kann; und: ob libelle es auch so sieht, dass die Nichterwähnung einer objektiven Interessenrichtung, eines Sich-Verhaltens ZUR WELT und Praxis des reproduktiven Umgangs mit ihr (stattdessen die Subsumtion sogar noch der Naturwissenschaft unter die allgemeine Formel (wie ich sie verstanden habe), dass die Gesellschaftsmitglieder es eigentlich immer nur miteinander und dem Verhältnis ihrer eigenen Sicht dieses Miteinanders zu dem der andern zu tun haben) eine gewisse Verwunderung, und die Nachfrage provozieren kann: Wie da eigentlich der strittige oder einverständige Bezug zum Rest der Welt hergestellt wird – jenem, der nicht Gesellschaft, Handeln, Reden ist. Vielleicht gibts ja noch eine Begründung, warum das so unerheblich sein soll. Vielleicht soll sich da irgendwas von selbst verstehn und ist einfach unterstellt. Es ist wirklich eine (Un)Verständnisfrage meinerseits… (Natürlich, apple, hab ICH das Wort Mode gebraucht, um das willkürlich-konventionelle des rein innersozialen „Diskurses“ zu charakterisieren, das ich nicht nur bei Foucault so rausgelesen hab, sondern auch bei libelle.)
    Was nun die Gesellschaft angeht: da gibt leider sehr oft eins das andre, was das Erklären so schwer macht: denn die Einflüsse oder Wirkungen kommen am Ende oft genug bei sich selbst wieder an. In der historischen Betrachtung von Gesellschaften (für Leute, denen das Aktuelle auf den Nägeln brennt, vielleicht nicht grade im Zentrum ihres Interesses) ist es leider ähnlich: auch da gibt eins das andre, die Entwicklungsstränge beeinflussen sich gegenseitig, stützen einander, befördern oder hemmen sich – man blickt oft nicht durch. Drum gibts in der Geschichtswissenschaft, wenn das denn überhaupt eine ist (und nicht nur eine Archiv-Verwaltung), reichlich wenig zu ERKLÄREN, zumal auch noch das Wissen über vergangene Gesellschaften dürftig genug überliefert und aus Spuren erschliessbar ist.
    Hoffentlich tu ich dir, apple, jetzt nicht ähnlich unrecht wie mattis weiter oben – aber da ist schon wieder so ein Film; nicht ganz der gleiche, aber das Genre ist irgendwie dasselbe.
    Bei dir fehlt (zumindest hat es den Anschein), was die altlinken Geschichtsdeuter als das DIALEKTISCHE ihrer „Geschichtsauffassung“ lobten, genauer, das Andere fehlt, damit eine perfekt sich hoch-stufende Widerspruchs-Strickleiter entsteht: Technik (Produktivkräfte), damit immerhin zu JEDER Zeit auch Kennen und Können im Umgang mit Natur, als Gegenpart der Produktionsverhältnisse. Während ich nun bei den alten Linken eher eine gigantische Vereinfachungstendenz bemängeln würde, stattdessen eher einen sehr dicken (und immer dickeren) Strang vielfältigst ineinander gewobener Entwicklungslinien mannigfaltigster Kulturdimensionen sich fortspinnen sehe, klingt es bei dir NOCH einseitiger: Die Gesellschaftsorganisation und ihre offenbar INNERE Dynamik muss zur Erklärung reichen. Feudalismus (im traditionell marxistischen Diskurs, dubios genug, noch eine PRODUKTIONSweise!) wandelt sich bei dir mit der Zeit plus wahrscheinlich einer Revolution (auch die wird garnicht mehr erwähnt) in modernen Nationalstaat. Der Bauer (schon wieder der einzige Produzent, von dem als solchem die Rede ist) ist so genügsam, weil er nicht konkurrieren muss, und seine feudale Herrschaft ist auch nicht besser (eigenartig: Wissen erwirbt er nebenbei; soll wohl heissen: zusätzliches; als ob nicht schon sein Alltag auf reichhaltigem Wissen beruht hätte. Wissen, das längst wieder verloren ist. So wie bereits das reichhaltige Wissen von Jägern und Sammlern. Handwerkern aller Art. Seeleuten. Kriegern. Musikern…) „wahres Wissen(wollen/brauchen)“ und darauf beruhendes Können ist nicht etwa, neben einigen entgegenkommenden Naturumständen, so ziemlich das Wichtigste, was Menschen, seit es sie gibt, zum Leben brauchen; sondern eine reichlich späte und recht isolierte Kulturerscheinung, die wesentlich aus Eigenheiten moderner (in Wahrheit vor allem, auch vormodern: weiträumiger) Herrschaftsausübung hervorgeht. Die Herrschaft will ihr Volk, das Volk die Herrschaft kennenlernen; ausgerechnet REGIERUNGS-Wissen von ihr macht die Gesellschaft PRODUKTIV; der in diesem Sinn produktiv Einzelne biegt sich entsprechend den Windungen, die ihm der unberechenbare Gang der DAMIT installierten Konkurrenz politisch, ökonomisch (studier Jura oder BWL)… sonst noch was?) vorgibt. Bei libelle wurde NATUR-Wissenschaft wenigstens noch ERWÄHNT. Bei dir gibts stattdessen ein grob zusammenfassendes (das ist nicht der Vorwurf) Foucault-Referat: Bei ihm kann man das Aufkommen „der“ neuen SICHTWEISE lernen. Genealogie der Moderne aus dem Geist der Bürokratie? „So wie die moderne Gesellschaft (von den Administrationen) ORGANISIERT ist.. braucht sie Wissen als Mittel individueller und gesellschaftlicher Reproduktion.“ Ach.. und ich dachte vor allem erstmal: so wie sie PRODUZIERT.

  89. Mattis
    30. März 2013, 23:04 | #89

    Ja, die Sache mit dem Wissen. Da sind wir jetzt am harten Kern der Debatte angelangt!
    Wenn libelle von seinem eigenen Wissenserwerb behauptet, dass dabei keine Motive eine Rolle spielen außer sich das Wissen anzueignen, dann stimmt das einfach nicht. Man liest nicht Marx und Co., ohne Erwartungen, ohne vorab existierende Einstellungen und Mutmaßungen und ohne das Ansinnen, das irgendwie ins Verhältnis zu setzen zum eigenen Standpunkt in der Welt.
    Wäre das nämlich so, dann könnte aus dem Wissen nie etwas folgen; mit dem Wissenserwerb wäre das Anliegen, dies und das eben zu wissen, vollständig erfüllt. Hören wir aber nochmal aufmerksam zu, wie libelle seinen Wissenserwerb präzisiert:

    „Wenn man kapiert hat, dass man sich Kraft des Wissens um die Gesellschaft selbige nett einrichten kann, entwickelt man dieses Wissen und hält es verfügbar. Alles andere ist verkehrt.“

    Wenn … dann. Also hier ist das Motiv, sich die Gesellschaft „nett“ einzurichten, genannt. Nur weil und wenn man dieses will, so libelle, „entwickelt“ man das Wissen und hält es verfügbar. Außerdem noch: „verfügbar“ halten – wozu? Falls man es wieder vergessen hat? Oder doch eher weil man glaubt, dass auch andere etwas daraus lernen könnten? Also taucht hier Weitergabe des Wissens als Anliegen auf, was in diesem Kontext dann wohl den Zweck hat, auch anderen Tipps geben zu können, wie man die Gesellschaft „nett einrichten“ kann. Von zweckfreier Wissensaneignung also weit und breit keine Spur. Im Gegenteil ein Vorwegurteil: wenn nämlich das Wissen die Erkenntnis birgt, dass „nettes Einrichten“ gar nicht geht, ohne auch ein bißchen zu kämpfen (ganz böses Wort!), dann muss libelle dies ignorieren. Und das ist ja auch eine Bedingung, die libelle sehr konsequent durchhält.
    Aber wenn libelle tut, was andere auch tun, ist es nicht dasselbe:

    „Da ich kein anderes Interesse als das habe, von meinem Ausgangspunkt aus eben zu wissen, was es mit diesem Gedankengebäude auf sich hat, ist daran auch nichts Ideologisches, weil dieses Interesse ja eines an der Theorie selbst ist.“

    Nun ja, eben von einem Ausgangspunkt aus! Seit wann enthält ein „Ausgangspunkt“ keinerlei Interessen oder Anliegen oder wie immer man das nennen will? Ist ja auch nicht weiter schlimm, wenn libelle einen „Ausgangspunkt“ hat – nur wenn andere einen haben, hält er sie der bleibenden Voreingenommenheit für überführt, welche die Theorie verfälscht. Dann heißt es z.B., jemand wolle gegen alle Einsicht unbedingt kämpfen. Wie wärs mit dem Konter, dass libelle gegen jede Einsicht auf der Vorschrift an alle besteht, auszuhalten und stillzuhalten?
    Aber natürlich ist es komplizierter, sagt libelle:

    „Dann gab es aber noch einen anderen Übergang (…) und das ist der vom erworbenen Wissen auf das Interesse zu reflektieren (…) und daraus Konsequenzen für das eigene Tun abzuleiten. An der Stelle wird das Interesse zum bloßen Ausgangspunkt, zur Motivation der Theorie und ist (wenigstens im Fall der Gesellschaft) selbst einer ihrer Gegenstände. Dann strebt man aber auch nicht mehr unbedingt nach der Verwirklichung des Interesses, das die Theorie motiviert, sondern betrachtet es im Kontext der anderen Interessen. Das, worum es dann geht ist Interessen so zu entwickeln, dass die Gesellschaft frei von Gegensätzen ist. Dann hat man keine instrumentelle Stellung mehr zur Welt.“

    Das ist der Knaller. Zunächst: ja, wenn man das Wissen unverfälscht zur Kenntnis nimmt, kann es bedeuten, dass als Konsequenz dessen auch der eigene Ausgangspunkt korrigiert wird. Wenn jemand per Gesetzgebung die Ausbeutung abschaffen will, stellt er während der Marx-Lektüre vielleicht fest, dass das nicht funktionieren kann. In diesem Fall war ein Anliegen – „keine Ausbeutung mehr“ – vorab schon in ein bestimmtes Interesse geformt, nämlich dasjenige nach einer besseren Gesetzgebung. Dieses Interesse wird aufgegeben, das Anliegen an sich bleibt und muss eine dem neuen Wissenentsprechende Form finden.
    Anderer Fall: Wenn jemand sich dran stört, dass der Kapitalismus auch nach 200 Jahren immer noch Armut – und sogar Hunger und Kriegstote – mit sich bringt, dann wird die gefundene Erklärung dafür wohl eher nicht dazu führen, dass das Erschrecken darüber aufgegeben wird! Warum auch?
    Ganz anders libelle. Nochmal:
    „Das, worum es dann geht ist Interessen so zu entwickeln, dass die Gesellschaft frei von Gegensätzen ist. Dann hat man keine instrumentelle Stellung mehr zur Welt.“
    Plötzlich geht es nicht nur um eine eventuelle Korrektur der Formen des eigenen Anliegens, falls das Wissen dazu begründeten Anlass gibt, sondern libelle dekretiert immer schon im voraus, dass jegliches Interesse gefälligst so zurechtzuschneidern ist, dass es zu allen (!) anderen Interessen nicht mehr im Gegensatz steht. Die angeblich un-ideologische Wissenliebe von libelle demaskiert sich jetzt als Vorschrift an den Rest der Welt. Wegen seines totalitären Streitverbots sollen sich alle Interessen gründlich relativieren. Na wenn das jetzt kein vorgefasster Standpunkt ist, dem die Theorie dienen soll! Und die Anforderung, dass jegliche Theorie sich diesem Diktat zu unterwerfen hat – das ist „keine instrumentelle Stellung“ zur Welt? Und weil es die Interessen selbst sind, die sich relativieren sollen, ist libelles Anmaßung weit mehr als nur ein Gebot an die Theorie. Es ist gleichzeitig eine Vorschrift für jede gesellschaftliche Praxis!
    Nicht von ungefähr erinnert es an genau das, was der Staat seinen Bürgern tagtäglich abverlangt. Aus lauter völlig interessefreien Motiven strengt sich ein libelle ordentlich an, dieses Prinzip auch noch mit marxistischem Vokabular zu legitimieren. Das Gewaltmonopol soll sicherheitshalber auch auf dem Feld der Theorie gelten. Das ist die harmonische Welt von libelle.
    PS
    Jetzt spätestens ist auch klar, warum libelle immer wieder darauf besteht, dass Bedürfnisse, Armut, Leid etc. letztlich nicht objektiv seien. So muss man argumentieren, wenn man schon theoretisch absichern will, dass Bedürfnisse nie und nimmer wirklich geltend gemacht werden dürfen.

  90. Apple
    31. März 2013, 14:37 | #90

    @ neo
    „Regierungswissen“ ist aber nicht durchweg falsch – weil du jetzt Wissen und Wahrheit so ins eins setzt. Es wäre z.B. ganz vermessen, zu sagen: Alles was die Germanistik an Wissen über die deutsche Literatur zu Tage gefördert hat, sei falsch. Insofern kommt es in dieser Gesellschaft auf Wahrheit an: in dem Maße, wie sie den Interessen dieser Gesellschaft dienlich ist. Das kann man übrigens auch an den Naturwissenschaften sehen. Die kommen bei dir zwar wahrheitsmäßig so gut weg, wenn man sich das Ganze aber genauer anschaut, produzieren sie zu großen Teilen auch bloß Wissen über die Natur, das auf ihre Benutzung ausgerichtet ist. Das ist dann nicht unbedingt falsch, aber durchaus beschränkt, weswegen dann die Philosophen kommen und über Raum und Zeit z.B. durchaus nochmal was anderes zu berichten haben. (In manchen Bereichen ist die Naturwissenschaft auch offensichtlich falsch: siehe Rassenkunde, Geschlechterforschung u.ä.)

  91. Apple
    31. März 2013, 15:02 | #91

    @ franziska

    Bei dir fehlt (zumindest hat es den Anschein), was die altlinken Geschichtsdeuter als das DIALEKTISCHE ihrer „Geschichtsauffassung“ lobten, genauer, das Andere fehlt, damit eine perfekt sich hoch-stufende Widerspruchs-Strickleiter entsteht … Feudalismus (im traditionell marxistischen Diskurs, dubios genug, noch eine PRODUKTIONSweise!) wandelt sich bei dir mit der Zeit plus wahrscheinlich einer Revolution (auch die wird garnicht mehr erwähnt) in modernen Nationalstaat.

    Dass da was fehlt liegt daran, dass ich keine Widerspruchsstrickleiter konstruieren wollte und auch gar nicht in Anspruch genommen habe, zu erklären, wie der Feudalismus sich gewandelt oder der moderne Nationalstaat entstanden. Du musst bei solchen Bemerkungen bedenken oder auch besser klarstellen, dass du in diesem Punkt offensichtlich ein anderes Erkenntnisinteresse hast, dir was anderes erklären willst. Ich wollte sagen, dass in der modernen Gesellschaft gewisse Notwendigkeiten für Wissensproduktion und Wissenserwerb stecken, man also nicht auf „Mode“ zurückgreifen muss, um sich zu erklären, warum es auf Wissen ankommt. (Ich bin mir nicht sicher, ob man dafür überhaupt irgendwas zur Geschichte sagen muss.)

    eigenartig: Wissen erwirbt er nebenbei; soll wohl heissen: zusätzliches; als ob nicht schon sein Alltag auf reichhaltigem Wissen beruht hätte.

    Nein, „nebenbei“ soll heißen: das Bauernkind macht in der arbeitsteiligen Produktion im Rahmen der Familie mit und eignet sich im Vollzug seines Alltags das nötige Wissen an. Es muss sich die Wissensaneignung nicht als einen einen besonderen Zweck vorsetzen, es muss keine „Ausbildung“ machen, weil das Wissen nebenbei erworben wird und dieser Mensch keines weiteren, über seinen Alltag hinausgehenden Wissens bedarf.
    Wissensaneignung tritt als ein besonderer Zweck auf = es gibt ein Interesse am Wissen. -> Moderne Verhältnisse schaffen einen Bedarf und eine Interesse nach Wissen. (Das war libelles These, soweit ich sie verstanden habe.)
    Wenn der Bauer dir zu einsam in dem Text erscheint und du noch über die anderen gesellschaftlichen Schichten in dieser Hinsicht was wissen willst, kann ich zwei Bücher empfehlen: Einmal „Schulzwang und soziale Kontrolle“ von Wolfgang Sachs und „Sozialgeschichte der deutschen Schule im Überblick“ von Peter Lundgreen.

    So wie bereits das reichhaltige Wissen von Jägern und Sammlern. Handwerkern aller Art. Seeleuten. Kriegern. Musikern…) „wahres Wissen(wollen/brauchen)“ und darauf beruhendes Können ist nicht etwa, neben einigen entgegenkommenden Naturumständen, so ziemlich das Wichtigste, was Menschen, seit es sie gibt, zum Leben brauchen; sondern eine reichlich späte und recht isolierte Kulturerscheinung, die wesentlich aus Eigenheiten moderner (in Wahrheit vor allem, auch vormodern: weiträumiger) Herrschaftsausübung hervorgeht.

    Ich habe ja nicht geschrieben, dass davor kein Wissen existierte oder nötig war, sondern dass es in der modernen Gesellschaft auf das Wissen auf eine besondere Art und Weise ankommt.

    „So wie die moderne Gesellschaft (von den Administrationen) ORGANISIERT ist.. braucht sie Wissen als Mittel individueller und gesellschaftlicher Reproduktion.“ Ach.. und ich dachte vor allem erstmal: so wie sie PRODUZIERT.

    Dann hast du ja jetzt was neues gelernt, lol.

  92. franziska
    31. März 2013, 19:17 | #92

    Dass es eine Ausbildung gibt, die man nicht durch einfache Lebensvollzüge erwirbt, hat, so dachte ich erstmal, mit ARBEITSTEILUNG zu tun.
    Dass es hochproblematisch ist, wenn Lebensvollzüge (gerade auch Reflexion; gerade auch religiöse oder politische), die eigentlich alle angehen, an (vermeintliche) Fachleute delegiert werden, wurde angesichts der (vor allem städtischen) Erfahrung mit fortgeschrittener Arbeitsteilung bereits sehr früh (zB Sokrates laut Platon) gesehen.
    Im Kontext (der Metaphern Film, Genre in Anspielung auf das über Histomat oben Gesagte) sollte klar gewesen sein(war es uU nicht für dich, weil du die ganze Debatte nicht verfolgt hast), dass dein Gedanke hier nur einfach ins Genre der Geschichtstheorien, Geschichtserklärungen, Geschichtsphilosophien eingeordnet wurde, und zwar als einer, so wie du ihn präsentiert hast, der irgendwie gar keine Wechselwirkung zwischen irgendwelchen Entwicklungen (sind das überhaupt WEITER-Entwicklungen??) und dem im weitesten Sinne LERNEN (Wissenserwerb) von historischen Gesellschaften unterstellte. Es fehlte bei dir, was bei dem Histomat-Gegenstück vorhanden war, wurde ganz neutral festgestellt.
    Ob falsch oder richtig, war da noch nicht Thema.
    Derzeit habe ich leider noch nicht viel gelernt.
    Anfangs klangs so (und so auch bei libelle), als sei „Modernität“ generell (so eher libelle) bzw. speziell moderne Nationalstaatlichkeit (so eher du, vielleichit ist das im Sinne libelles, vielleicht auch nicht) erstmalige Quelle eines Bedarfs nach Wissen (bei libelle eher: eines Motivs zu erklären). Jetzt setzt du hinzu: …eines Bedarfs nach BESONDEREM Wissen.
    Worin die Besonderheit besteht, wird zwar durch hemdsärmlige Rückgriffe auf vormoderne Zustände illustriert, aber nicht wirklich benannt. Das Merkmal „Ausbildung“ haftet modern wie vormodern eher an arbeitsteiliger Ausdifferenzierung von Produktion. Ansonsten ist nicht mal klar, ob Inhalt des angeblichen Bedarfs eigenständiges Wissen vom Gesellschaftsleben oder produktionsbezogenes oder beides (wie deine Erläuterung für Neoprene nahelegt) sein soll. (Die nicht weniger kursorische Darstellung von libelle setzte ausserdem andre Akzente, es ist darum verwirrend, wenn deine Beiträge vorwiegend als Erläuterung seiner Ausführungen ausgegeben werden.)
    Die historischen Vergleiche waren wichtig als Belege der ursprünglichen vorher/nachher-These hinsichtlich BEDARF (vorher keiner, und dann aber). JETZT hast du angeblich was systematisches über moderne Gesellschaftsorganisation gesagt – ihr Bedarf nach BESONDEREM Wissen. Schau ich mir die angeführten Besonderheiten an, sind sie so abstrakt, dass sie schon fast wieder überhistorisch-banal zutreffen: Zentrale Herrschaften müssen fernes Volk kennen, da wo Volk oder Volksteile für Zwecke wichtig, müssen sie die (auf ihrer zuvor neben anderm erworbenen Volkskenntnis basierenden) Absichten der Herrschaft erklärt kriegen, sonst geht zum Beispiel keine Varusschlacht; soweit Wissens-basierte Arbeitsteilung um sich greift, müssen Anbieter entsprechender Arbeitsleistungen die zugehörigen Kenntnisse haben; Wissen dieser drei Arten (wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind) und noch mancherlei andres wird, je nachdem, für die individuelle und/oder gesellschaftliche Reproduktion benötigt. Wo, nochmal, ist die Besonderheit, die Bedarf nach der Wahrheit (!) schafft (das wars nämlich, was behauptet war)? (Ein Goldmacher zB wollte nicht, dass das Rezept stimmt? Ein Magier nichts bewirken? Ein Feldherr nicht die feindlichen Angreifer austricksen? Stattdessen begnügten sie sich mit Fehlinformationen und kriegten hinten und vorne nichts auf die Reihe?)
    Tut mir leid, ich kapiers nicht.

  93. Apple
    31. März 2013, 22:43 | #93

    @ franziska
    Das ist ein Missverständnis. Die Betonung bei mir lag nicht so sehr auf „Bedarf nach BESONDEREM Wissen“, sondern auf „BESONDEREN Bedarf nach Wissen“. Und in dieser Hinsicht, meine ich, kann man im Vergleich zur feudalen Gesellschaft feststellen, dass Wissensproduktion und -verteilung/-aneignung in der modernen Gesellschaft eine andere Rolle spielen: sie sind als besonderer oder, besser gesagt, gesonderter Zweck vorhanden – sind z.B. institutionalisiert in der Form des Forschungs- und Bildungswesens.
    Das gab es im Mittelalter in der Weise nicht. Es gab z.B. zwar durchaus Schulen (in Deutschland seit dem 8. Jahrhundert), diese waren aber für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung vorgesehen / interessant (anfangs nur für für Reichsbeamte und Kirchenbeamte). Es ist also schon auffällig, dass in der modernen Gesellschaft Wissen als gesonderter Zweck vorliegt und dem einzelnen Gesellschaftsmitglied als Notwendigkeit gegenübertritt. Die Gründe dafür sind jetzt, glaub ich, hier einigermaßen zusammengetragen worden: Kapitalakkumulation benötigt Wissen um die Natur, Regierung benötigt Wissen um den Menschen und die Gesellschaft – und beides auf Dauer, permanent gestellt, weil Kapitalakkumulation und Regierung in der heutigen Welt in Konkurrenz stattfinden und die Konkurrenz verlangt auch im Reich des Wissens Effektivierung. Deswegen permanenter Bedarf nach Wissen.
    Es tut mir leid, dass es so allgemein bleibt, aber ich habe weder die Zeit noch die große Lust noch die Kenntnisse, die Entwicklung des Kapitalismus oder des Nationalstaates oder der politischen Sphäre oder der Regierungspraktiken oder die Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems darzustellen. Da haben ja Leute ganze Bücher damit vollgeschrieben.

    es ist darum verwirrend, wenn deine Beiträge vorwiegend als Erläuterung seiner Ausführungen ausgegeben werden

    Dann kann ich die Verwirrung ja ein für alle Male aufhellen: Ich versuche nicht libelles Ausführungen zu erläutern, sondern das, was mir zum Thema „Wissen in der modernen Welt“ in den Kopf gekommen ist.

  94. franziska
    1. April 2013, 10:36 | #94

    apple, danke für die Richtigstellung. Auch mir geht es nicht um den Nachweis, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben, sondern um die Bestimmung der wesentlichen Unterschiede, was den Umgang mit Wissen angeht. Außerdem geht es mir um eine wesentliche Gemeinsamkeit in den (unterstellten) Behauptungen des gsp, von libelle, und von dir zum besonderen modernen Umgang mit Wissen heute. Auf das Thema kam man, weil es (zusammen mit weiteren Momenten) einen wichtigen Durchgangspunkt bildete für libelles Genealogie des modernen Motivs der „Interessen-Reflexion“. Ich frage mich, ob du, apple, anderswo auch der Willensfreiheits-Theorie zugestimmt hast oder zustimmen würdest. Das wäre symptomatisch. Denn die Erklärungen, die wir zum Funktionieren von Reproduktion und Staat in allen drei Fällen (gsp, libelle, apple) bekommen, so verschieden sie sein mögen, haben eben eines gemeinsam: Was sich einzelne Leute denken, die vielen, alle, interessiert herzlich wenig; aus, wie es scheint, guten Gründen: es gilt eben nicht, es wird nicht verhandelt, oder erst sekundär, als zu bearbeitendes Hindernis fürs Regierungshandeln, als in Stellung zu bringendes für die letzten Fortschritte, die die jeweiligen Institutionen machen. Und wenn nun dieser ganze Riesenapparat nicht übermächtig werden soll, muss doch dem grundsätzlichen anderen und Gegenwillen, den etwa Kommunisten als (nicht vorhanden aber) immerhin möglich unterstellen müssen, damit ihr Projekt überhaupt denkbar bleibt, ein theoretisches Schlupfloch gelassen werden; das ist der freie und beinah grundlose Wille. Der Gründe muss er darum beraubt sein, weil ja sonst die Gesellschaftstheorie anders aufgebaut werden müsste, sie müsste sich kümmern um das Verhältnis der Gründe der Untertanen und derjenigen der herrschenden Mächte, die letzteren könnten nicht mehr monolithische ZWECKE darstellen, die sich selber subjekt-ähnlich durchsetzen und erhalten, die Untertanen sind dann (etwa als Eigentümer, die Eigentum befürworten), durchaus einbezogen ins Machtspiel. Das ergibt dann eine in Teilen oder auch ganz und gar andre Theorie. (Das „muss“ war einmal ein theoretisches: wärs anders, wäre die Theorie inkonsistent. Und ein reales: wenn die Untertanen mitentscheiden, sind die Institutionen nicht mehr so autonom. Und Ideologien (Resultate des Umgangs ihrer Besitzer mit Wissen?) sind dann nicht mehr bloss fakultative Zugaben zu dem, was so oder so geschieht, sondern, je nach Machtverhältnissen ihrer Träger, konstitutiv für das, was da draussen geschieht.)
    Wir stehen da vor einer derzeit unüberwindlichen Hürde ALLER zeitgenössischen Gesellschaftserklärung, nicht nur der marxistischen. Fängt sie mit Individuen an (mikrosozilogisch; „psychologisch“, sozial-psychologisch), kann sie schlecht erklären, wie sich daraus ein gesellschaftliches Handeln ergibt. Fängt sie, makrosoziologisch, etwa system-theoretisch, gleich mit Strukturen und Institutionen an (das verlängert sich rückwärts in die Geschichtserklärung), verselbständigen die sich („idealistisch“, wie in meinem „Bandwurmsatz“ oben angedeutet) gegen das Tun und Denken der Leute. Dass die irgendwie ständig mit ihren Institutionen zusammenarbeiten und auf Linie gebracht werden, ist dann ein theoretisch nicht mehr (oder nur äusserst krude, unter Inkaufnahme theoretischer Rohheiten) fassbares Wunder.
    Der theoretischen Schwierigkeit entspricht wiederum ein Reales, das bei der Theoriebildung kaum zu ignorieren ist: Fakt ist, dass speziell die effektiven Verläufe der marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Ökonomie nicht so, wie sie stattfinden, aus Planung, Absichten der Beteiligten hervorgehen. Sie ist das erste und wichtigste Beispiel für das Muster einer Makro-„Struktur“, die „Zwecke“ zu realisieren scheint, die so niemand hat.
    (Darum lassen sich Debatten um den „Willen“ der Leute auch eher am Staat als an der Ökonomie austragen. Aber entweder ist die kapitalistische Ökonomie ein gesetzloses Chaos, dann lässt sich darüber gar nichts feststellen ausser das. Oder, es gibt eben „notwendiges“ darin, das sich „wissenschaftlich“ festhalten lässt: Dann stellt sich die Frage, wie „frei“ dann noch der Wille der Eigentümer ist, wenn sie diesem ihrem ökonomischen Zusammenhang nochmals als politische Subjekte gegenübertreten, die an sich berechtigt wären, sofern sie sich einigen können (zumindest in Mehrheitsvoten), politisch in die ökonomische Konkurrenz einzugreifen. Bloss müssten sie das dann wieder so tun, dass die Konkurrenz auch nicht zusammenbricht: Etwa darum, weil die ökonomischen Einzelentscheidungen auf kollektiv gesetzte Schranken treffen, deren Konsequenzen für das jeweilige Einzeleigentum nicht bedacht wurden; würden auch die noch geregelt, wäre das Eigne kein Eignes mehr, und die Ökonomie eine politisch beschlossene; mithinein eine kommunistische.) Nicht nur die Staatstheorie, auch die Staatsrealität ist eine, die wesentlich bestimmt ist durch die Spielregeln dieser Ökonomie: Sowohl, soweit Mittel des Staatshandelns der eigentlich ökonomischen Verwendung entzogen werden, als auch, wenn es darum geht, welche Rahmenbedingungen, angefangen vom Status als Teilnehmer der Konkurrenz, Eigentümer (und worüber) durch Gewalt gegen Einzelwillen gesichert und durch erzwungene Auflagen, Abgaben und kollektive Investitionen garantiert werden. Hier gilt: Wer diese Ökonomie als Weise des Funktionierens der gesellschaftlichen Reproduktion will (aus Eigeninteresse als Eigentümer; oder aus Prinzip, weil er sie für vernünftig und gut für die meisten hält), der muss auch solch ein Staatshandeln wollen. Aber wie viele Eigentümer und Marktwirtschaftsfreunde wissen, was sie da wollen?… und wieviele wiederum wollen, wovon sie wissen?)
    ((Bei libelle liest sich der Übergang individuell > gesellschaftlich so, und man sieht, wie er die schwer erklärbare Kluft zwischen beidem überspielt (nebenbei, alle kritischen Äusserungen gegen libelle und wen immer gehen selbstverständlich einher mit echter Dankbarkeit, dass da überhaupt jemand mal sich die Mühe macht, seine Überzeugungen darzustellen und an einer Diskussion teilzunehmen; der Ausruf „das kann doch nicht dein Ernst sein?“ ist also nicht Ausdruck eines Ärgers über mir ideologisch unliebsame Konsequenzen seiner Theorie, sondern der rein subjektiven Verwunderung, die dem Inhalt aber nicht das geringste hinzufügt und die man natürlich auch weglassen kann, vielleicht darum auch sollte.):

    „Wenn man Gesellschaft erklärt, erklärt man die Verhältnisse, in denen die Menschen zueinander stehen (Eigentümer, König, Deutscher, Lehnsherr, Vogt). Über diese Stellungen erfährt man gleich über welches Medium von anderen Menschen, also waren diese Inhalte doch schon Inhalte eines individuellen Bewusstseins und haben sich über den Prozess seiner (?) Durchsetzung (!), der die Durchsetzung der (?) entsprechenden Interessen begleitet hat, verallgemeinert (!). Sie (?) sind Teil (?) eines individuellen Bewusstseins also, das für seinen Inhalt beansprucht (!), dass er für alle Mitglieder der Gesellschaft gelten würde (Konjunktiv???), also die Gesellschaft ausmachen würde…“

    libelle macht hier immerhin einen Versuch, Gesellschaftliches via „Durchsetzung“ aus Individuellem abzuleiten; die normalen Ableitungen hingegen sind historisch und leiten gegenwärtig Gesellschaftliches aus vergangnem ab; dass Leute da noch mitzureden hatten, wird seit gefühlt der mittleren Steinzeit für unerheblich erklärt.))
    Wenn man genau hinschaut, ist noch etwas zu bemerken.
    gsp, libelle (er noch am wenigsten), apple reden sowohl über Gesellschaftliches wie Individuelles in „Wollens-“ und „Zweck“-bezogenen Termen: Der Staat und die Ökonomie sind Zwecke oder realisieren sie; das Interesse ist eingekleidetes Bedürfnis, die Institutionen haben in der Moderne einen Bedarf. So, nebenbei, die Erklärungen von Mattis und Neoprene zum Thema Religion und Alltagsbewusstsein aus dem, was ich verkürzt Wunschdenken (und libelle, mit weiterreichendem Anspruch, „instrumentelles Denken“) nannte.
    Wohingegen ich, bereits mit meinem Eingangsstatement oben, wiederholt Darstellungen zu geben versuche, die zeigen sollen, dass in Entscheidungsprozesse von vergesellschafteten Individuen ihre Art des Umgangs mit Wissen noch VOR allem im engeren Sinne Absichtsbilden entscheidend ist.
    (Aus Verhältnissen und Verhalten von Individuen (auch ihren Unterlassungen) die Gesellschaftsphänomene zu erklären, ist als Theorietyp: methodologischer Individualismus; dass es so und nur so geht, ist im Kern erst mal bloss eine höchst begründungsbedürftige Behauptung.)
    Also ganz grob: Ihr Wissen bestimmt, als Grund, was die Leute wollen – solang, soweit sie zurechnungsfähige, vernünftige Erwachsene usw sind. (Was bedeutet DAS jetzt wieder?)
    Eine erste kurze Andeutung, was im Reden von solchem Umgang mit Wissen(serwerb, aktivem wie passivem; ich benutze dafür das Kunstwort LERNEN) AUCH mal erwähnt werden sollte (neben dem konventionellen, Erfahrung, Praxis, Tradition ua.):
    – Begriffsbildung und Kategorien (als in der Erfahrung, sofern Handeln sinnvoll bleiben soll, notwendig aufzusuchenden und auch zu findenden innerweltlichen Gegenstücken, Korrelaten zu Handlungsabsichten – Korrelate, die die Verwirklichung dieser (Versuchs)Absichten gestatten);
    Begriffsbildung wiederum als zulaufend auf:
    – Hypothesen (als Bilden von Versuchsabsichten, dem Entwurf eines Tuns (als ob), wie es sein müsste, wenn die Welt mitspielt: Experiment), speziell
    – widerlegte und noch offene Hypothesen, und die Reihenfolge, in der man sie erwägt und prüft (Reproduktion als wesentlichster Inhalt der Hypothesen: wie Reproduktion in einer gegebnen Umgebung, bei gegebnem technisch möglichem und tatsächlich reproduktiv eingesetztem Kontroll-Wissen-wie (know how) und prognostischem Wissen um Chancen und Risiken, gesichert und verbessert werden kann);
    Handeln dann wiederum vor allem als Experiment (das Experimentelle als Grundzug jeden Handelns), Absichten als speziell:
    – VERSUCHS-Absichten (umgesetzt als Experimente) unter einer Hypothese.
    Von da aus ergeben sich andere, nämlich kognitive (die Regel des Umgangs mit Wissen und Wissenserwerb betreffende) Deutungen für instrumentelles und Wunschdenken, das religiöse eingeschlossen.
    Und die Bearbeitung eines – freilich bereits vormodern nicht mehr bewältigbaren – Wissensbestands auf die je verschiedenen Weisen ist historisch der gemeinsame Nenner, auf den man das Individuelle wie das Gesellschaftliche bringen kann (hin und zurück).
    Schliesslich:
    – Gemeinsame Verarbeitung von Erfahrung auf gesellschaftlicher Stufenleiter das bis heute ungelöste Kernproblem, dem sich eine kommunistische (Welt)Gesellschaft zu stellen hätte.
    (Anm. die verschiedenen Arten von „muss“ (s.o. bei libelle) sind noch nicht genug auseinandergehalten…)
    Und:
    – Fortschritt in der Regel der Erfahrungsverarbeitung als Gehalt des historischen Fortschritts, sofern es einen gibt.
    (Anm.: Was Mittelalter ist und sein kann, sollte man nebenbei nicht unbedingt an europäischen, sondern eher an je zeitgenössischen hochentwickelten asiatischen (naher mittlerer ferner Osten) vormodernen Gesellschaften studieren, zu denen ihre europäischen Pendants vermutlich frühestens im 16. oder 17.Jahrhundert aufgeschlossen hatten. Die Frage (des Sinologen Needham), warum die Chinesen mit ihrer überragenden materiellen Kultur nicht als erste in die Moderne eingetreten sind, ist eine ganz eigene Herausforderung..).
    Schliesslich:
    – Allgegenwart solcher Wissensverarbeitungsformen, die historisch eigentlich überwunden sind, darum weil der kulturell (wie geht sowas?) vollzogene Prozess ihres Zustandekommens nicht mittradiert und in individuellen Bildungsgängen immer wieder nur unzulänglich nachvollzogen wird.
    Mit dem Resultat, dass die Pläne aller, da auf unzulänglich verarbeitetem und schon gar nicht gemeinsamem Wissen beruhend, als ihr „Eigenes“ ständig von dem anderer divergiert (und oft noch nicht mal von denselben Themen handelt, die Aufmerksamkeit(sorganisation, in Gestalt des Begriffssystems) ist auf ganz Unterschiedliches gerichtet..). Und sie sich niemals einigen können. Weil sie zu keiner gemeinsamen Wissensverarbeitung gelangen. (s.o. Kommunismus)
    Das alles kann hier nur als Möglichkeit angedeutet werden; es ist mir schon genug, wenn es mir gelingt, die Aufmerksamkeit einmal auf diese von mir so gesehenen (höchst begründungsbedürftigen) Zusammenhänge zwischen Themen zu lenken (ich konnte darum auch nicht näher auf die Äusserungen von Mattis und Neoprene eingehen).
    Im thread hier, wenn er nicht ganz gesprengt werden soll, bleibt vielleicht noch etwas zur „Willensfreiheit“ zu sagen. Wenn das nicht schon zuviel ist…

  95. Mattis
    1. April 2013, 15:30 | #95

    Noch ein Nachtrag zum Hauptthema dieses Threads.
    @libelle
    Ich sympathisiere zwar bekanntermaßen nicht mit der GSP-Linie, aber dass du denen Theorie-Verfälschung aus Interesse am Kämpfen vorwirfst, finde ich wie beschrieben völlig daneben und habe deshalb deine fehlerhaften Argumente in Sachen Ideologie und Interesse wie ich glaube ausreichend kritisiert. Auf der theoretischen Ebene halte ich das meinerseits für ausdiskutiert.
    Eine völlig andere Frage ist die theorie-unabhängige Abwägung, ob man den Preis für ein bestimmtes politisches Programm für zu hoch befindet. Das ist ein nachvollziehbarer Aspekt. Allerdings hat gerade die Marxistische Gruppe mit ihrer Selbstauflösung gezeigt, wie ernst dieser Aspekt dort genommen wurde. Dazu passt deine Unterstellung, dass es denen partout ums Kämpfen geht, ja nun wirklich nicht. Insofern bist du durch das eigene Verhalten deines Lieblingsfeindes auch noch in praktischer Hinsicht ad absurdum geführt.
    Wir könnten dieses ganze Hin und Her wesentlich abkürzen, wenn du uns mal klar zeigst, wie eine neue Gesellschaft ohne Gegensätze erreichbar ist ohne irgendeine Form von Kampf (also nicht mal Streik). Das wäre eine echte Leistung und eine Sensation obendrein. Damit könntest du wirklich punkten. Leider ist mein Glaube daran sehr schwach, jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils.
    Du hättest ja sogar gegen den Kampf für den Normalarbeitstag polemisiert. Der war immerhin auch keine friedliche Diskussionsveranstaltung.

  96. 1. April 2013, 15:51 | #96

    Mattis, wenn ich mich recht entsinne, hat libelle früher zur Kampfvermeidung es deshalb für hilfreich erachtet, daß „wenigstens“ die zwischenstaatliche Antagonismen ausgeräumt sein müßten und deshalb ein weltweiter Ultraimperialismus irgendeiner Art schon ein Schritt in die richtige Richtung wäre. Denn in soweit hat er ja recht, wenn er darauf immer wieder hinweist, daß selbst eine „Gesellschaft ohne Gegensätze“ eben doch nicht ohne Gegensätze wäre, weil der Rest der Gesellschaften/Staatenwelt ja noch andere Interessen verfolgt.

  97. franziska
    1. April 2013, 16:22 | #97

    Soweit ich es verstehe, hält libelle ein „Herbeiführen“ der „(Welt)Gesellschaft ohne Gegensätze“ von aussen für ausgeschlossen, sondern denkt sie sich als Ergebnis möglicher, heutzutage (in der Moderne) vielleicht wahrscheinlicher autonomer Entwicklungs- und Reflexions-Prozesse in Individuen, die abzuwarten bleiben.
    Vielleicht äussert sich libelle dazu selbst nochmal.

  98. 1. April 2013, 16:35 | #98

    eine ältere Einlassung von libelle (aus dem Thread „Der Grund für nationale Konkurrenz. libelle vs. Sandleben„:

    „Antagonistische Interessengegensätze müssen natürlich überhaupt nicht mit allen Mitteln ausgefochten werden. Das macht man nur dann, wenn beide Seiten den Gegensatz annehmen und auf ihrem Interesse beharren. Dann versucht man den Antagonismus über das endgültige Bekämpfen des mit dem eigenen- unvereinbaren Interesses aufzuheben.
    Genauso kann man einen Antagonismus auch darüber aufheben, dass man die Interessen aufhebt d.h. beide Parteien ein neues Interesse fassen. Und Letzteres ist die Art, wie das überhaupt nur geht. Die erste Möglichkeit ist ein Idealismus.“

    Wobei wieder das ärgerlich unbestimmte „man“ auffällt. Als wenn der Teil des vagen „man“, der ganz grundlegend weg will von kapitalistischen Verhältnissen, es in der Hand hätte, diese dem Rest der Welt, insbesondere der Staatenwelt, schon von Anfang an so auszureden, daß selbst die bisher imperialistisch gebliebenen Staaten es wirklich einsehen, daß eine vernünftige Bedürfnisbefriedigung hinzuorganisieren, vorzuziehen wäre. Und dieser Weg einer spontanen Weltrevolution auf einen Streich soll nun *nicht* idealistisch sein?
    Noch eine Stelle:

    „Wenn Du mal den Gegensatz zwischen Sklavenhalter (der peitschen will) und Sklaven (der nicht gepeitscht werden will) nimmst, dann kann dieser Gegensatz so gelöst werden, dass der Herr den Sklaven erschlägt, der Sklave den Herrn oder so, dass man den gesellschaftlichen Bezug der Beiden aufeinander ändert. D.h. dass man die Sklaverei aufhebt. Letzteres kann man nur mit den entsprechenden Einsichten in die gesellschaftlichen Verhältnisse und einem entsprechenden gesellschaftlichen Willen.
    Und geändert hat sich an der Sklaverei oder auch der Leibeigenschaft trotz aller Kämpfe, die die Leute dagegen oder auch nur gegen ihre Herren geführt haben und trotz aller Verhandlungen, die sie auch mal geführt haben, so lange nichts, bis sie mal obsolet geworden ist bzw. das gesellschaftliche Interesse an ihr geschwächt war und auch im Gegensatz zu anderen zwischenzeitlich entstandenen Interessen gestanden hat – nämlich denen, die aus den Insassen der alten Gemeinwesen Bürger machen wollten. Daran siehst Du welche Rolle historisch solche Kämpfe gespielt haben, auf die Du unheimlich abfährst: Sie waren (wie umfangreich auch immer) lediglich Vollstrecker bereits eingetretener gesellschaftlicher Veränderungen bzw. gesellschaftlicher Interessenlagen. D.h. alle Interessen waren schon da, waren einander als Gegner bewusst und dann haben sie angefangen zu kämpfen.“

    Auch hier wieder hebt ein „man“ die bisherigen Gesellschaftverhälnisse auf, „ändert“ die gesellschaftlichen Bezüge dem Menschen zueinander. Und natürlich braucht es dabei „Einsichten“ und einen auch noch „gesellschaftlichen“ „Willen“. Wer hätte das nur gedacht?
    Und wann kommt es zu einer gesellschaftlichen Änderung? Na, wie immer in der Geschichtswissenschaft (ich lass meine Standardanführungsstriche hier mal weg), wenn die Zeit reif geworden ist, wenn das bisherige „obsolet“ geworden ist!

  99. 1. April 2013, 16:50 | #99

    Der Vollständigkeit halber jetzt auch noch die Thesen von libelle aus dem Thread bei rhizom „It’s the class, stupid“ :

    „die … Lage ist, dass wenn man irgendwo das Herz anhält und in einem nationalen Gemeinwesen eine andere Sorte Ökonomie macht, man sofort mit dem aus der Schrankenlosigkeit der Kapitalvermehrung folgenden Ansinnen der verbleibenden kapitalistischen Nationen konfrontiert ist das abweichende Gemeinwesen unterzuordnen und wieder in den Weltmarkt einzubeziehen. Man etabliert mit einer auf eine Nation beschränkten Umwälzung der Verhältnisse also nur einen Systemgegensatz zu den verbleibenden kapitalistischen Nationen und damit setzt man die (z.B. sozialistische) Ökonomie, die man im gewonnenen nationalen Gemeinwesen errichten will sofort den Bewährungskriterien imperialistischer Konkurrenz aus. Man muss also die Gesellschaft gleich den Notwendigkeiten dieser Konkurrenz unterordnen und das gegen das ökonomische System, das sich gegen alles, was es da jemals gegeben hat als konkurrenzlos brauchbar erwiesen hat. Viel „Sozialismus“ geht dann nicht mehr, wenn man überhaupt was auf die Beine bekommt, das sich da halten kann. …
    Und das bringt mich zu folgendem Schluss: ökonomisch irgendwas Vernünftigeres als Kapitalismus geht nur, wenn man zugleich die nationalstaatliche Verfasstheit der Welt überwindet. …
    Klar ist, wenn man sich den Kapitalismus, die Nation, ihren Nationalstaat, dessen Imperialismus usw. erklärt hat, dass das alles Verhältnisse sind, in denen jede Menge Bedürfnisse, die diese (kapitalistische) Gesellschaft selbst erzeugt, auf der Strecke bleiben und das man dieser Kritik entsprechend eine Gesellschaft will, die die Bedürfnisse und Interessen, die sie hervorbringt oder die paar, die sie vorfindet, auch befriedigt. Klar ist aber auch, dass man – in welcher Koalition auch immer – sich nicht auf Macht- und Gewaltkonkurrenz einlassen darf. …
    Emanzipatorisch ist eine Praxis, die auf die Auflösung der Gegensätze dieser Gesellschaft zielt und die nicht diese Gesellschaft um einen zusätzlichen Gegensatz (nämlich den Kampf gegen das System) ergänzt, die Gesellschaft in Freund und Feind einteilt und sich dann ans Bekämpfen macht.“

    Schlüsselwort bei libelle scheint mir sein „zugleich“ zu sein, also weltumspannend im zeitlichen Sinne zur gleichen Zeit. (Denn in der These, daß eine Kapitalismusaufhebung letztlich weltumspannend sein muß, damit es wirklich „geht“, stimme ich ihm ohne weiteres zu, da hat er gegen alle Insel-Phantasten ja recht gehabt.)
    Was ich immer irre finde, daß er ausgerechnet den Systemgegnern vorwirft, sie wollten partout und unnötigerweise jedenfalls schädlicherweise „den Kampf gegen das System“, wo doch ganz offensichtlich „das System“ jedem den Kampf erklärt, der nicht in den Bundestag will, ganz unabhängig davon wie gegnerisch die überhaupt aufgestellt sind (siehe meinen Reagan-Witz). Selbst libelle, der ja nun wirklich für sich in Anspruch nehmen kann, ein Gegner der Gegner des Systems zu sein und jeglichem systemwidrigen Kampf abhold, sieht sich ja offensichtlich soweit unter Beschuß, daß er seit Jahr und Tag dieses Pseudonym vor sich herträgt und einen öffentlichen Streit meidet.

  100. 1. April 2013, 17:35 | #100

    Weiter mit libelle-Zitaten:

    „Immer bestimmt sich da das, was man tut als Lösungsweg, Methode um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Man erfüllt einfach alle Voraussetzungen, die es braucht das Ergebnis eintreten zu lassen (Kartoffeln schälen, Wasser aufsetzen, Herd anstellen, Kartoffeln rein, 15-20 min warten) und schon hat man es.
    Dass das bei der Gesellschaft nicht geht, liegt daran, dass man nicht das Subjekt ihrer Änderung ist, sondern dass die Gesellschaft zu ändern eben die Änderung des Willensinhaltes und damit des Willens Aller bedeutet.“

    Alle oder keiner. Also nie.

    „Verlangt man … eine Methode zu besitzen die Gesellschaft zu ändern d.h. auf die Gesellschaft etwas anzuwenden, das zu einem bestimmten Ergebnis führt, geht das nur über die Ausschaltung des Willens der Anderen -> Gewalt. … Damit sie abweichende Willen zwingen können brauchen sie eine Machtbasis und dafür agitieren sie. Das ist was ganz anderes als z.B. den Zweck zu verfolgen einen gemeinsamen Willen in der Gesellschaft herzustellen“

    „gemeinsamer“ Willen, also wieder alle oder keiner.

    „Darüber werden sie, wenn die Gesellschaft diese Kleingruppen wahrnimmt auch von der Gesellschaft auf „Revolution“ festgelegt. D.h. sie werden als Welche wahrgenommen, die einen anderen gesellschaftlichen Willen erzwingen wollen und werden entsprechend behandelt. … Andererseits: Sich mit kapitalismuskritischen Gedanken anders aufzustellen ist keine Garantie dafür, dass der Staat nicht auf die Idee kommt, sich als politischer Gegner auf bestimmte Gedanken über die Gesellschaft zu beziehen – das stimmt auch.“

    Einerseits und andrerseits … Und was folgt daraus?

    „Stattdessen muss man ersteinmal so ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass man keinen Lösungsweg dafür hat die Gesellschaft zu ändern und dass man mit dem Wissen nur das tun kann, wovon man auch tatsächlich Subjekt ist. Man kann es erweitern und man kann es anderen mitteilen und dann kann man schauen, was (und ob überhaupt) sich ein gesellschaftlicher Wille zu irgendwas daraus entwickelt und ob der sich verwirklichen lässt. Und darauf sollte man sich beschränken.“

    Wieder dieser „gesellschaftliche Wille“, der selbst dann, wenn er „alle“ umfaßt, immer noch keine Garantie dafür ist, daß sich „irgendwas entwickelt“. Schade aber auch.

    „mag ja sein, dass Kommunismus und Kapitalismus sich ausschließende gesellschaftliche Ideen sind. Daraus folgt aber lediglich, dass es entweder den einen oder den anderen gibt und nicht, dass man Kapitalismus mit revolutionärer Gewalt zu beseitigen hat“

    Ja, so wird es wohl sein: Es gibt entweder den einen oder den anderen. Wer hätte das nur gedacht!

  101. franziska
    1. April 2013, 21:08 | #101

    Neoprene, eine technische Frage: funktioniert das Kontakt-Formuluar hier eigentlich? Ich hab versucht, dir Nachrichten zu schicken, erreicht dich das dann?

  102. 1. April 2013, 21:15 | #102

    Ja, franziska, das Kontakt-Formular funktioniert. Ich selber habe mir gerade eben wieder eine Testnachricht geschickt.
    Dann warst du wohl die Kontaktversuche „From: “
    Im Übrigen geht es natürlich auch an meine Email-Adresse neoprene@arcor.de

  103. libelle
    1. April 2013, 21:35 | #103

    @Franziska:
    Soweit ich Dich verstehe, vertrittst Du die These, dass man die gesellschaftlichen Verhältnisse aus dem Individualbewusstsein erklären müsste. (Korrigiere mich mit möglichst wenigen Sätzen, wenn ich daneben liegen sollte).
    Mal in möglichst wenigen Sätzen meine Antwort: Ich kann dem nicht zustimmen. Da der gesellschaftliche Zusammenhang ein Handlungszusammenhang ist, gewinnt man den Begriff der Gesellschaft darüber, dass man sich die ihren Zusammenhang betreffenden Handlungen der Leute erklärt (arbeiten, tauschen, Krieg führen, heiraten, Recht sprechen etc…).
    Hat man den Begriff dieser Handlungen und sie aufeinander begrifflich bezogen (soweit sich das ergibt), kann man sich die Frage stellen, mit welchem Bewusstsein die Leute diese Handlungen ausführen und da stellt man fest, dass das Bewusstsein, mit dem die Leute gesellschaftlich handeln und der Begriff dieser Handlungen nicht identisch sind. Die Leute exekutieren also mit ihrem Handeln unbegriffene gesellschaftliche Bestimmungen.
    Damit geben die gesellschaftlichen Verhältnisse für ihr Bewusstsein erst einmal nur eine Bedingung ab: Ihr Bewusstsein muss sie zu den Handlungen anleiten die den Kapitalismus ausmachen, sonst, wenn das nicht der bestimmende Normalfall wäre, brächten sie nicht die Gesellschaft zustande, die sie zustande bringen (eben den Kapitalismus), sondern eine andere.
    D.h. erst die Erklärung der Gesellschaft als Handlungszusammenhang (klassenkämpfen, lohnarbeiten, Kapital akkumulieren usw…) erlaubt es die Frage nach dem Bewusstsein der Leute sachgerecht zustellen, nämlich woher dieses falsche Bewusstsein, mit dem die Leute ungebriffene gesellschaftliche Zusammenhänge exekutieren eigentlich kommt (meine Antwort: in letzter Instanz aus ihrer instrumentellen Stellung zu den Verhältnissen)
    Und nochmal: ES GIBT KEINE LÜCKE.
    Aus meiner Sicht steht oben der grundsätzliche Gedanke, den wir diskutieren müssten.

  104. libelle
    1. April 2013, 22:02 | #104

    @Mattis

    Wir könnten dieses ganze Hin und Her wesentlich abkürzen, wenn du uns mal klar zeigst, wie eine neue Gesellschaft ohne Gegensätze erreichbar ist ohne irgendeine Form von Kampf (also nicht mal Streik). Das wäre eine echte Leistung und eine Sensation obendrein. Damit könntest du wirklich punkten. Leider ist mein Glaube daran sehr schwach, jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils.

    Einerseits willst Du irgendwas bei mir kritisiert haben, andererseits kann man jedem Deiner Sätze entnehmen, dass Du überhaupt nicht begreifst, was ich schreibe!
    Wenn ich oben explizit schreibe, dass man tun solle, wovon man Subjekt ist und explizit solche Vorstellungen, ein Verfahren der Änderung der Gesellschaft anwenden zu wollen als reine Spekulation zurückweise , dann kannst Du mich doch nicht ernsthaft nach meinem Glaubenssystem in Sachen Gesellschaftsänderung befragen wollen!
    Sonst – ja, zwischen uns ist längst (lange vor dieser Diskussion) schon alles ausdiskutiert gewesen. Ich habe kein Interesse an Deinen Beiträgen, weil es eben jedes mal interessierte Versuche des Begreifens dessen, was ich schreibe, mit anschließendem Scheitern sind.

  105. franziska
    1. April 2013, 22:14 | #105

    Danke für die Erläuterungen. Was mir zugeschrieben wird, ist grob und im Prinzip richtig gesagt. Natürlich geht es um GRUPPEN gleichartig sich einstellender Leute; es geht auch um eine Art „Bündnis“-Beziehungen zwischen solchen Mentalitätsträger-Gruppen – wie sonst sollte Herrschaft gehen? Ich hab bei Nestor in der Staatsdebatte angedeutet, welche Gruppen ich da meine:
    http://nestormachno.blogsport.de/2013/03/12/ungarns-neue-verfassung-2/#comment-10510
    http://nestormachno.blogsport.de/2013/03/12/ungarns-neue-verfassung-2/#comment-10528
    http://nestormachno.blogsport.de/2013/03/12/ungarns-neue-verfassung-2/#comment-10538
    Reale Handlungen und (versuchs)Absichten (auch nicht realisierte, misslingende), ihre Gründe sind ein Teil einer Erklärung gesellschaftlicher Verhältnisse (Ereignisse, Verläufe…).
    GRUNDSÄTZLCH anders als der gsp oder du, libelle, halte ich im Zusammenhang mit zurechnungsfähigen Subjekten Erklärungen der folgenden Art für zulässig: X (sofern vernünftig) handelt so, weil… (dies und dies erfahren hat ua) UND weil X dies nicht weiss, nicht erfahren hat, und darum diesunddies garnicht erwägt (nicht dran gedacht hat), nicht zu prüfen für wert befunden hat usw
    Also eine Erklärung mit VERSTEHBAREN Unterlassungen.
    Der involvierte Vernunftbegriff ist neben „Bedürfnis“ bekanntlich Schindluderbegriff Nr.2. Beide bedürfen zu ihrem Einsatz sehr genauer Begriffsbestimmungen (und, soweit dies bei Begriffen angebracht ist, argumentative Rechtfertigungen.)
    Dies als Vorschau.
    Hoffe dies waren nicht zuviele Sätze.

  106. franziska
    2. April 2013, 09:12 | #106

    ((„Der Gedanke oben…“, den wir diskutieren müssten: welcher jetzt? Die Zusammenfassung kurz vor der Bemerkung über die nicht vorhandene Lücke? Oder welcher?))
    Das von dir, libelle, zuletzt Dargestellte klingt so: Die Leute tun etwas, das sie anders beschreiben würden als du. Die Beschreibungen sind verschieden.
    Und die Erwartung ist (ist sie so?): Erstens, würden sie deine Beschreibung kennen, würden sie sie, als eigentlich zutreffende, übernehmen. Zweitens, sie würden dann wohl auch ihr Handeln ändern, das nur aufgrund ihrer ursprünglichen Beschreibung Sinn machte. Kurz: Wenn sie wissen, was sie tun, lassen sies.
    Das jetzt von dir Nachgeschobene hört sich an wie ein Vorspann zu der Stelle, an der du mit deiner Theorieskizze des instrumentellen Denkens oben eingesetzt hast. Sie ist es doch, die du zur Erklärung heranziehst (auch jetzt wieder, als Hinweis in der Klammer), wie und warum es zu den Missverhältnissen von Tun und Beschreibung/Begründung eigenen wie fremden Tuns und der (auch für die Akteure so nicht erwarteten) Ergebnisse kommt.
    Aber auch die Theorie des Instrumentellen wäre erläuterungsbedürftig. Die betonte „Eigengesetzlichkeit“ – was ist sie mehr als: dass das Handeln (sofern nicht äussere Gewalt dem entgegensteht) eines zurechnungsfähigen Erwachsenen hierzuland Ergebnis SEINER Beurteilung und Bewertung des IHM Bekannten und Bewussten ist, SEINER Denktätigkeit usw? Und nicht nur das Handeln; auch seine Vorschläge und Forderungen an andre, und seine Erwartungen gehören dazu; bedingte wie unbedingte.
    Solle man an der Stelle dann nicht anfangen, genauer hinzuschauen, und die für so fundamental erklärte instrumentelle Denkweise genauer analysieren? Weiss man denn schon alles darüber?
    Was ich oben unter dem Stichwort „kognitive Deutung“ des instrumentellen Denkens (als Bilden von Hypothesen einer sehr speziellen (und verrückten) Art) und darauf beruhenden Handelns (als Testen dieser Hypothese) vorgebracht habe, war ein Versuch dazu.
    Und es gibt davon ausgehend auch eine Erklärung, die das Hin und Her um die „Lücke“ (zwischen Gesellschafts-Beschreibung (von aussen) und Individuen-Beschreibungen (von aussen); auch ich glaube, dass sie überbrückbar ist) schliesst – eine, die auch mit deinen Äusserungen dazu vereinbar ist: Die instrumentell denkenden und entsprechend handelnden Angehörigen bürgerlich-moderner Gesellschaften glauben, sich um die nicht verhandelten, nicht verabredeten Anteile ihrer gesellschaftlich, arbeitsteilig in grossem Stil stattfindenden Reproduktion nicht kümmern zu müssen, bzw. glauben, dass der dafür nötige Aufwand nicht lohnt – es geht im grossen ganzen auch so gut. Warum sie Nationalisten sind (soweit sie es sind), und Nationen-Konkurrenzen für ein zweckmässiges Mittel halten, kann so nicht erklärt werden, es folgt aber (wie ich glaube) auch aus dem genauer analysierten instrumentellen Denken.
    Die Frage für mich ist, was hier auf diesem Blog zu tun bleibt. Man kann ja nur diskutieren, was irgendwo mal dargestellt ist.
    Und ich frage mich, ob es nicht Zeit ist, das hier von dir, libelle, immer nur Angedeutete, kurz Skizzierte, endlich einmal zusammenhängend und halbwegs vollständig vorzutragen, und dann zur Diskussion zu stellen. Die Ergebnisse der vergangenen Debatten aus deiner Sicht könnten ja eingearbeitet sein.

  107. Mattis
    2. April 2013, 11:36 | #107

    @Neoprene
    Danke für die Zusammenstellung. Bestätigt meine Vermutungen.
    Dass eine Veränderung nur „weltweit gleichzeitig“ ginge, ist, selbst wenn man dem zustimmt, allerdings nicht im Geringsten ein Grund, gegen den Veränderungswillen selbst zu polemisieren, so wie es libelle tut. Er sagt ja nicht: es ist ok was ihr erreichen wollt, aber im Moment gehts noch nicht. Selbst wenn es irgendwann nur noch ein einen einzigen kapitalistischen Staat gäbe, würde er sagen: es geht noch nicht (weil ja noch Kapitalismus ist!). Insofern kann man diesen „internationalistischen“ Aspekt im Streit mit libelle m.E. vollkommen außen vor lassen.
    Libelles Polemik in Sachen Interessenskampf ist ja prinzipieller Natur: sie besteht aus einem fortwährenden Zirkel: die Gesellschaft dürfe erst dann verändert werden, wenn diese Veränderungen ohnehin schon stattfinden (siehe das von dir zitierte Sklaverei-Beispiel). Von wem diese dann ausgehen sollen, ohne dass libelle seine bekannten Einwände vorbringt, erfahren wir von ihm nicht. Klar, weil wir es ohnehin nicht verstehen wollen, sagt er.
    Es bleibt ja angesichts der Ge- und Verbote von libelle nur eine logische Lösung: die Kapitalisten liebäugeln irgendwann mit dem Sozialismus und versuchen, die Lohnarbeiter davon zu überzeugen, selbigen gemeinsam und ohne Gegenstimmen aufzubauen. Gleichzeitig zieht sich der Staat verständnisvoll zurück, um diesen friedlichen Prozess nicht zu stören.
    So, nun ist es raus. Libelle selbst traut sich ja nicht, dazu zu stehen.

  108. franziska
    2. April 2013, 14:34 | #108

    Mattis, was man befürwortet oder nicht, ist hier keine Frage des Sich-Trauens, sondern der unterschiedlichen Befunde, in denen man sich einig werden muss. Es klingt immer wieder das alte Muster durch, das sagst du bloss, weil du diesunddies willst… (und das ist ja sogar der Grundtenor von libelle: nicht die gsp-Theorie, sondern das vorgefasste Interesse soll Grund für das Stellen der Machtfrage sein; die Geduld, sich mit deinen Einwänden noch einmal auseinanderzusetzen, bringt libelle auch nicht auf, Begründung: alles interessiert bei dir.)
    Es wird in dieser Diskussion(skultur), die sich zwischen euch hier entwickelt hat, wie mir scheint, zu wenig erwartet, dass andere tiefgreifend andere Einschätzungen der Situation haben können, die dennoch im Sinne meiner oben gegebenen Begriffs-Erklärungen, linksradikal, kommunistisch usw orientiert sind. Die Geste angesichts dessen ist dann immer wieder: Da will jemand nicht die Konsequenz ertragen, die aus MEINER Sicht der Dinge (die er doch eigentlich kennen und anerkennen muss) folgt; oder: Die Konsequenzen, die aus SEINER Sicht folgen, sind doch offensichtlich unsinnig im Sinne MEINER Sicht (dito).
    libelle sagt, es gibt keine Lücke – so allgemein, wie er die Verhältnisse von gesellschaftlichem Handeln und Bewusstsein beschreibt, wird sie auch nicht sichtbar. Sondern erst dann, wenn das, was geschieht, seinerseits „Eigengesetzlichkeiten“ aufweist, denen diejenigen der Bewusstseinsträger widersprechen (Eigengesetzlichkeiten oder eben „Zwecke“) – erst dann, sage ich, gibt es Anlass für die dem System Ausgesetzten zu einem „Sich dazu stellen“ und Anpassungs-Ideologien zu suchen, oder auch Eingriffe zu fordern und sich mit andern darüber zu streiten (was dann die nächsten System-Reaktionen zeitigt; zumal die bejahten System-Anforderungen ständig zu berücksichtigen sind). Anders, wenn die Eingriffe eine unendliche Folge von Gefechten um vermeintliche Optimierungsvorschläge für den nicht-beherrschten Vergesellschaftungszusammenhang darstellen, dem man sich gemeinsam (als „Eigentümer“) ausgesetzt hat – und das, ohne dass je wirklich berechenbare Wirkungen (System-artig) sich einstellen.
    Zwei ganz unterschiedliche Befunde; je nachdem, ob man „System“ oder „primäre Eigentümer-Mentalitäten“ am Werk sieht, wird man auf ganz unterschiedliches aufmerksam sein und je andres für erklärungsbedürftig halten.
    Der systemtheoretische Ansatz kommt bei dir, Mattis, sehr stark zum Ausdruck in deiner Polemik gegen libelle: Da ist schon klar, wie „der Staat“ und „die Kapitalisten“ handeln müssen, also werden. Libelles Prognosen stellen solches Müssen infrage; wir müssten in der Diskussion, wenn sie fruchtbar sein soll, herausfinden, wie man solche Einschätzungsunterschiede bereinigt. Mit Argumenten, versteht sich; aber auch mit Geduld und Sorgfalt.
    Du hast oben eine hypothetische Neu-Orientierung der Theorie ausgesprochen, Mattis: Auch wenn es unwahrscheinlich ist – vielleicht gibt es eine Erklärung der bürgerlichen Verhältnisse, die den Kampf erspart, oder schlimmer, für regelrecht sinnlos erklärt. „Kampfperspektiven“ sind solche, die sich wesentlich an kommunistische Theorien mit „System“-Behauptungen anschliessen: das System muss, gegen die Gewalt, die aus ihm heraus oder aus dem Willen zu ihm entsteht, ABGESCHAFFT werden. „Kampffreie“ und verständigungsorientierte politische Praktiken folgen aus kommunistischen Theorien (das sind dann eher nicht-marxistische), die Mentalitäten, ihre innere Veränderung angesichts der Erfahrungen, die ihre Träger machen, und ihr Zusammen- und Gegeneinanderwirken für die Verläufe der Verhältnisse verantwortlich machen. Fast alle kommunistischen Theorien beschäftigen sich mit der Trias Ökonomie (Geld, Kapital) – Staat (Macht, Gewalt, Klassen- und Eigentümerordnung) – Mentalitäten (Ideologien, Psychologie bürgerlicher oder speziell lohnarbeitender Individuen). Man sieht, dass an den Grenzpunkten andere Kategorientypen angeschlossen werden könnten: zB Technikentwicklung, Fortschritt (Produktivkraftentwicklung) jenseits der Ökonomie (mit Einfluss auf sie); „Unbewusstes“ und anderes als eigensinnig Mentalitäten formend Unterstelltes auf der andern Seite.
    Das Politische, der Staat, in der Mitte, hat beides an sich: das System, und die Gruppen von Einzelnen mit politischen Willen. Je nachdem greift das System oder das Mannigfaltig-Individuelle (die Binnengruppen unter sich einiger Mentalitätenträger), der erklärenden Theorie zufolge (und wenn sie recht hat, auch real) auf die jeweils jenseits des Politischen liegende Seite über. Und je nachdem ist Kampf (gegen das System-hafte, Objektiv-Eigengesetzliche, Notwendige und sich mit politischer Gewalt Behauptende) nötig, oder andres.
    System-Theorien, wenn sie nicht „total“ und lücken-los die Übermacht des Systems oder der Macht behaupten, das ALLES im Griff hat (und dann keinen Platz mehr lassen für politisches Handeln), HABEN die von mir konstatierte Lücke, müssen das Verhältnis zwischen System und Individuellem klären.
    „Totale“ Mentalitäten-orientierten Theorien wiederum haben derzeit einen Rückstand aufzuholen; sie müssen das miterklären, etwa die „Eigengesetzlichkeiten“ in Technikentwicklung und Ökonomie (das Geld – eine Mentalitätenfrage? gehts noch? ja, geht!), die bislang von „System-Erklärungen“ dominiert waren.
    Also, wie eingangs behauptet, Mattis – ob Kampf oder nicht, hängt von der Theorie ab, die man für richtig hält. In der muss man sich einig sein; der Rest folgt daraus.

  109. lala
    2. April 2013, 22:43 | #109

    Libelles Empfehlung, man solle doch statt Revolution lieber das machen, bei dem man Subjekt der Sache ist, ist ja auch eine etwas absurde Idee. Denn als normaler Mensch ist man in dieser Gesellschaft ja vorne und hinten nicht Subjekt seiner Sache. Als Untertan hält man sich an die staatlich vorgeschriebenen Bahnen des Verhaltens, als Mieter ist man der Willkür des Vermieters unterworfen, der einem die Wohnung vermieten kann, oder auch nicht. Und als Prolet geht man ganz darin auf, für das Kapital dienstbar zu sein. Ob und wenn ja, wie viel man verdient und was für eine Arbeit man verrichten muss – in all diesen ziemlich wesentlichen Bereichen der Lebensgestaltung ist man als Prolet abhängig und überhaupt nicht Subjekt seiner Sache. Ein Zustand übrigens, an dem Kommunisten etwas ändern wollen.

  110. franziska
    3. April 2013, 08:18 | #110

    Die offene Frage, lala, ist, was Kommunisten dazu tun müssen. Denn die einen Kommunisten denken, dass Leute als Untertanen, Mieter, Lohnarbeiter nur daran gehindert werden, Subjekt ihrer (gesellschaftlichen) Reproduktion zu sein, und dazu aufgefordert werden sollten, das Hindernis zu beseitigen. Die andern Kommunisten hingegen sagen, dass dieswen Leuten zum Subjekt ihrer Verhältnisse sein (wollen) so ziemlich alles fehlt. Wovon so elende Dinge wie „Macht“,“Geld“, auch die ganze fürchterliche Stabilität und Selbstreproduktion und der Selbstlauf-Charakter der kapitalistischen Verhältnisse nicht weniger als die bestürzende Souveränität, mit der ihre eigentlichen Befürworter (die gibts ja auch noch) diese Verhältnisse gestalten, nur der Ausdruck ist. Und jetzt, lala, erklär uns, wie man etwas abschafft, das FEHLT.

  111. lala
    3. April 2013, 08:34 | #111

    Hallo Franziska
    Ich wollte zunächst nur darauf, hinweisen, das libelle deine Frage –

    Die offene Frage, lala, ist, was Kommunisten dazu tun müssen

    – auf eine absurde Weise beantwortet hat. Nämlich in dem von mir skizzierten Sinne: Statt Kommunismus einfach das machen, was man selbst in der Hand hat. Z.B. sich einen Arbeitsplatz suchen. Und da ist man nun mal nicht souverän: Ob es einen Arbeitsplatz gibt, hängt an der anderen Seite. Was ich dort leisten muss, hängt an der anderen Seite. Was ich dafür bekomme, hängt an der anderen Seite. Selbst im Lohnkampf – und hier schreit l. ja wieder gleich „igitt“ – wird von dieser Abhängigkeit nicht weggenommen.
    **
    Deine Aufforderung

    Und jetzt, lala, erklär uns, wie man etwas abschafft, das FEHLT.

    ist allerdings komisch: Etwas, das fehlt, kann man sinnvollerweise nur herstellen und nicht abschaffen.

  112. Fred
    3. April 2013, 10:25 | #112

    @lala
    Ein Missverständnis: „das fehlt“ ist wohl nicht als Relativsatz zu verstehen. Franzi „fehlt“ das Benennen einer Methode des Abschaffens. Diese Frage nach dem Vorgehen ist allerdings nicht nur verfrüht bei so vielen falschen Diagnosen, sondern auch widersprüchlich: Franzi will expizit UNABHÄNGIG von den ganzen Auffassungen unterschiedlichster Gesellschaftskritiker ein Procedere vorgeschlagen bekommen – deswegen kommt sie (etwas pluralistisch) auf „die einen“ und „die anderen“.
    Das WIE lässt sich aber nicht unabhängig von der Diagnose besprechen: Wer herausbekommen hat, dass die staatlich geschützten Eigentumsverhältnisse selbst Hindernis für vernünftiges Leben sind, sieht in denen kein Mittel. Wer umgekehrt auf Lohnkampf oder Parteipolitik als Instrument der „Veränderung“ setzt, hält die bürgerlichen Verhaltnisse nicht für ein Hindernis, sondern für ein Angebot.

  113. franziska
    3. April 2013, 10:57 | #113

    Danke Fred, für den Versuch einer Interpretation. Ich fasse mich hier so kurz, weil im thread obendrüber sehr viel zu all dem gesagt worden ist. Lohnkampf und Parteipolitik hat hier niemand befürwortet. Meine komische Frage war eine rhetorische. Wenn jemand glaubt herstellen zu müssen statt abschaffen zu können, wäre das in der Tat Konsequenz einer anderen Diagnose. Über „wenn“ und „wäre“ lässt sich freilich schlecht debattieren. Warten wir also ab, bis jemand Debattierbares vorlegt. Oder schau dir an, was libelle an Diagnosen weiter oben angedeutet hat. Ich persönlich habe Schwierigkeiten mit den marxistischen Erklärungen der kapitalistischen Ökonomie. Gleichzeitig denk ich drüber nach, wie ich mir stattdessen das ganze selbst erkläre. Meine Absicht ist, der Empfehlung von krim bei nestormachno an mich, die du sicher gesehen hast, zu folgen, und das Buch übers Geld nochmal anzuschauen, ausserdem einige jf-Aufzeichnungen zum Thema „privat abstrakt gesellschaftlich notwendige Arbeit“, die ich vor längerer Zeit gelesen habe. Wenn du mir andere Texte nennen kannst, die Kapitalismuskritik aus deiner Sicht korrekt formulieren, wär ich dir dankbar. Ich bin nämlich an korrekten Diagnosen interessiert und nicht an Methoden.

  114. Mattis
    3. April 2013, 12:12 | #114

    Hallo franziska,
    du schreibst:

    „Der systemtheoretische Ansatz kommt bei dir, Mattis, sehr stark zum Ausdruck in deiner Polemik gegen libelle: Da ist schon klar, wie „der Staat“ und „die Kapitalisten“ handeln müssen, also werden.“

    Es ist doch libelle, der den Kritikern immer wieder vorbuchstabiert, wie Staat und Kapital sich gegen sie stellen werden und dass es deshalb für diese (die Kritiker) keinen irgendwie gearteten Handlungsspielraum gäbe.
    Ich hätte nicht von libelle verlangt, er solle doch mal seine Veränderungstheorie explizieren, wenn er sie nicht selber ständig andeuten würde in all seinen Polemiken.
    Ich sehe nicht, was bei mir „systemtheoretisch“ sein soll, ich argumentiere ständig gegen hermetische „System“-Beschwörungen. Ich sehe in erster Linie Interessen und deren Gegensätze. Wenn da nun ein Ansatzpunkt zu sehen wäre, dass Kapitalisten selbst ihre Ökonomie echt in Frage stellen, wo wäre er? Libelle verrät ihn ja nicht, er fingiert ihn nur. Also ist er hier in der Debatte nicht existent. Daher die Frage an dich: wer sieht den Kapitalismus jetzt als unveränderbar an und wer nicht? Welches ist die „korrekte Diagnose“ von libelles Eiertanz?

  115. franziska
    3. April 2013, 12:56 | #115

    Es war eine Illustration in meinem Vergleich zweier Theorie- also Diagnose-Typen oder Erklärungsansätzen; das Wort „Interesse“ deutet bereits darauf, und die Charakterisierung der für die Beurteilung interessanten Subjekte als „der Staat“ und „die Kapitalisten“ (die also selbst als Personengruppen durch ihre Stellung in der Klassengeselslchaft auf bestimmte Standpunkte festgelegt sind) schien mir auf Erklärungen nach dem von mir so genannten System-Typ u deuten. Diese Zuschreibung unterstellt aber nicht, du oder sonst jemand dieser Art würde „das System“ für hermetisch halten. Er erklärt nur anders und zieht andere Kategorien heran als jemand, der Typen von (fehlerhaften) Beurteilungen des Funktionierens der Gesellschaft und der eigenen Stellung darin für den eigentlichen Ausgangspunkt aller Praktiken erklärt, die dann ale zusammen die geselslchaftlichen Vorgänge und Zustände erzeugen, die anderswo als „System“ besprochen werden. Es geht drum, was man für ursprünglich hält und was man daraus ableitet. Einzelne Vermögensbesitzer und Unternehmer mögen tatsächlich DAS (es ist sowenig oder soviel ihres wie das irgendjemandes anderen) System in Frage stellen. Libelle hält entsprechende Entwicklungen bei vielen Angehörigen kapitalistischer Gesellschaften durch Abgehen vom instrumentellen Denken für möglich. Das ist gegenwärtig nicht massenhaft beobachtbar, wird aber von libelle aus Gründen, die gewiss noch weiter zu erläutern wären, tendenziell so erwartet. Es ist, um das nochmal zu wiederholen, erstmal egal, was aus libelles BEFUND für die Praxis von Kommunisten folgt, dass ein quasi putschistischer kommunistischer Minderheitenstreik sich gegen die grosse Mehrheit der Gesellschaft richten würde. Wichtig ist, ob der Befund stimmt. Übrigens auch, wie man das rausbekommt. Der Befund fächert sich gleich auf; denn die Mehrheit hängt ja auch davon ab, wieviel mit welchen Argumenten agitiert wurde.
    Vielleichit bröckelt sie dann? Vielleicht gibts eine Menge an Sympathie für das Minderheitenprojekt? „Begrifflich“ und im vorhinein kann man da nur noch argumentieren, wenn man aus irgendwelchen Gründen Kommunismus für derzeit nicht vermittelbar hält – etwa, weil ideologisches bzw. instrumentelles Denken heutzutage noch fast bei allen dazwischentritt (mögliche Position, nur zur Illustration).
    Und, in der Tat, auch ich meine, dass libelles Auffassungen näher erläutert werden sollten. Ob „Diskussionen“ wie sie hier nur möglich sind, dafür der geeignete Ort sind, bezweifle ich. Wenn es anderswo steht, kann man sich dann aber selbstverständlich diskutierend drauf beziehen. Darum die Bitte, libelle möge das kommunistische Fliegenfangen hier und dort sein lassen, sich stattdessen auf seine eigene Theorie der Verhältnisse konzentrieren und sie uns vollständig mitteilen.

  116. Paul Dessau
    3. April 2013, 19:11 | #116

    franziska:

    Es ist… erstmal egal, was aus libelles BEFUND für die Praxis von Kommunisten folgt, dass ein quasi putschistischer kommunistischer Minderheitenstreik sich gegen die grosse Mehrheit der Gesellschaft richten würde. Wichtig ist, ob der Befund stimmt. Übrigens auch, wie man das rausbekommt. Der Befund fächert sich gleich auf; denn die Mehrheit hängt ja auch davon ab, wieviel mit welchen Argumenten agitiert wurde.
    Vielleicht bröckelt sie dann? Vielleicht gibts eine Menge an Sympathie für das Minderheitenprojekt?

    Ich würde an dieser Stelle erst einmal folgende Frage stellen: Wer will eigentlich einen „putschistischen Minderheitenstreik“? Den Klassikern (Marx, Engels, Luxemburg) zufolge ist es das Proletariat, das die sozialistische Revolution macht, also die große Mehrheit der Bevölkerung – nicht irgendwelche Minderheiten. Die Befreiung der Arbeiter ist das Werk der Arbeiter selbst. Dazu gehört, (1) dass die Entwicklung der Produktivkräfte weit genug fortgeschritten ist, um eine Welt ohne Not und Elend möglich zu machen, und (2) dass die Mehrheit dies erkannt hat. Die Proletarier müssen zu der Überzeugung gelangt sein, dass ein gutes Leben für alle möglich wäre, wenn der kapitalistische Zweck der Produktion dem nicht entgegenstünde. Dann hören sie auf, sich als pflichtbewusste Arbeiter und Staatsbürger aufzuführen – und dadurch verlieren Kapital und Staat ihre Macht. Die Arbeiterklasse, die ohnehin allen Reichtum schafft, eignet sich ihre Produktivkräfte an und organisiert eine Produktion zu ihrem eigenen Nutzen – das ist die Revolution. (Welche Mittel die Lohnabhängigen dabei einsetzen, ist keine Frage des Prinzips, sondern hängt von den Umständen ab; ohne Massenstreiks wird es aber nicht gehen.)
    Eine sozialistische Revolution findet statt, wenn und weil die Mehrheit der Bevölkerung den Sozialismus will, sonst nicht. Sozialismus ist die kollektive Selbstbestimmung der arbeitenden Klasse, die den „gesellschaftlichen Lebensprozess“ (die Produktion) in die eigenen Hände nimmt und die Produktionsmittel gemeinschaftlich zu dem alleinigen Zweck anwendet, die Bedürfnisse aller Gesellschaftsmitglieder zu befriedigen. Eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, kann kein Minderheitenprojekt sein. (Es wäre auch widersinnig, wenn eine Minderheit die Mehrheit dazu zwingen wollte, über ihr Leben selbst zu bestimmen.)
    Zur sozialistischen Revolution gehören jedoch Eingriffe in die wohlerworbenen Eigentumsrechte: die Kapitalbesitzer werden enteignet, die Produktionsmittel in Gemeinbesitz überführt. Man muss damit rechnen, dass die Kapitalbesitzer (oder ein Teil von ihnen) sich dem neuen Mehrheitswillen nicht einfach fügen werden. Wenn sie einen konterrevolutionären Putsch planen, um der sozialistischen Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen, müssen sie daran gehindert werden. Dazu braucht es irgendeine Form von Gewalt. Deshalb ist der erste Schritt auf dem Weg zum Sozialismus die „Diktatur des Proletariats“ (in Form einer Rätedemokratie). Eine solche Diktatur des Proletariats, also der Klasse, ist etwas ganz anderes als eine Diktatur der Partei über die Klasse. In Form der Räte ist das ganze Proletariat an der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung beteiligt; die öffentlichen Angelegenheiten werden von verantwortlichen Delegierten geregelt, die von ihrer Basis berufen werden und wieder abgesetzt werden können (nicht vom Generalsekretär).
    Eine solche sozialistische Revolution kann in einem einzelnen Land zwar begonnen, aber nicht vollendet werden und ist auf internationale Solidarität angewiesen. Die soziale Bewegung in anderen Ländern muss zumindest stark genug sein, um ihrer Bourgeoisie in den Arm zu fallen, wenn diese Truppen in Marsch setzen will, um den Sozialismusversuch in Blut zu ertränken. In einer belagerten Festung ist kein Sozialismus möglich (ebensowenig wie in einem zurückgebliebenen Bauernland). Die sozialistische Bewegung ist eben nichts, wenn sie keine Weltbewegung ist; Internationalismus ist ihr Wesensmerkmal.
    Eine sozialistische Mehrheit in einem Land reicht also nicht aus; es müssen Mehrheiten in einer Reihe von Ländern zusammenkommen. Solange es diese Mehrheiten nicht gibt, besteht die Aufgabe der Sozialisten/Kommunisten einfach darin, ihre Argumente gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus zu verbreiten. Ihre Waffe ist das Wort, ist das Aussprechen der Wahrheit über den Kapitalismus. Die eigene Friedlichkeit ist freilich keine Garantie dafür, dass der Gegner auf Gewalt verzichten wird. Sozialisten/Kommunisten sind oft genug zum Opfer staatlicher Gewalt geworden. Das spricht gegen die Staatsgewalt. Für Libelle aber wird die Gewalt des bürgerlichen Staates gegen echte und vermeintliche Sozialisten/Kommunisten zum Argument – nicht gegen den bürgerlichen Staat, sondern gegen die Kommunisten. So argumentiert man nur, wenn man sich mit dem Aggressor (dem Staat) identifiziert. Und das heißt, dass man das Ziel, die Welt grundlegend zu verändern, aufgegeben hat. Die „vernünftig eingerichtete Gesellschaft“ ist dann nur noch ein schöner Traum, aber nichts, was man ernsthaft anstrebt. Dafür müsste man sich nämlich mit den herrschenden, durchgesetzten Interessen anlegen. Wie es sich für einen Utopisten gehört, geht Libelle aber mit einem Ideal auf die Wirklichkeit los, in seinem Falle mit einem Harmonie-Ideal.
    Hetze gegen „Kommunisten“, die unterschiedslos mit Minderheitendiktatur, Gulag und Mord an politischen Gegnern assoziiert werden, unabhängig davon, was sie von Stalinismus, Parteidiktatur, Avantgarde-Konzepten und Moralvorstellungen halten, bereitet ideologisch den Boden, auf dem der Staat mit Gewalt gegen Linke vorgehen kann, die er als „Kommunisten“ etikettiert. Und da soll man sich wundern, wenn Sozialisten/Kommunisten auf Antikommunismus empfindlich reagieren?

  117. Fred
    3. April 2013, 19:56 | #117

    libelles Hetze ist schon ein paar Jahrzehnte älter. Die plumpe Tour, kommunistische Erfolglosigkeit zu predigen, war nie eine Einladung Argumente auszutauschen, sondern schon immer der Versuch sich und die kapitalistische Gesellschaft von Kritik zu befreien. Säuberungsaktionen sind das.
    „libelle möge das kommunistische Fliegenfangen hier und dort sein lassen, sich stattdessen auf seine eigene Theorie der Verhältnisse konzentrieren“
    libelles Theorie folgt einer antikommunistischen Diktion, dass Gesellschaftskritik überflüssig bis störend sei und daher unterbleiben solle. Der theoretisierende Verlauf dieses Interesses: jedes praktische Ziel von Kapitalismuskritik wird in unnützen Terror überführt und als die eigentliche Gefahr des Kapitalismus denunziert. Den Gegnern, die angesichts von weltumspannendem Hunger und Krieg Kritik formulieren, wird Gewalt und Rücksichtslosigkeit als Motiv unterstellt, im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Macher!
    Die zugehörige Gesellschaftstheorie: Was das Schicksal in Gestalt von Staat und Kapital zusammengefügt hat, darf/kann der Mensch nicht scheiden. Libelle gibt aus voller Überzeugung den antikommunistischen Exorzisten, das ist das notwendige Ergebnis dieser Art sich zu „konzentrieren“.

  118. Mattis
    4. April 2013, 20:41 | #118

    Was auch noch auffällig ist: es gibt ja auch Leute, die sich Kommunisten nennen, aber absolut gegen den „Leninismus“ sind, wobei sie damit all die bösen Geschichten verbinden, die libelle über Kommunisten prinzipiell behauptet. Das geht bei denen in Richtung Autonomie, Commons-Bewegung und so. Egal wie man das nun bewertet – spielt jetzt keine Rolle – jedenfalls gehen die davon aus, dass Elemente sozialistischer Ökonomie schon im Kapitalismus geschaffen werden könnten, so dass es zu einer allmählichen Transformation käme, je nach Umfang der erfolgreichen Bewusstseinsbildung. Das erinnert mich irgendwie an libelles Szenario, dass eine Gesellschaftsveränderung nur so stattfindet, dass die Elemente der neuen Gesellschaft quasi schon in der alten auftauchen, wie auch immer. Aber ihm ist es wichtiger, statt sich zu solchen Ansätzen zu positionieren (deren Ähnlichkeiten zur eigenen Theorie ihn eigentlich herausfordern müssten), grundsätzlich nur denjenigen Weg zum Sozialismus zu besprechen, den er dann wie gewohnt gnadenlos verurteilen kann. Auch so herum – bei diesem Tunnelblick – wird seine Version interessierten Denkens deutlich sichtbar.

  119. Pirlo
    4. April 2013, 21:13 | #119

    Ein Beispiel für solch einen linken „Anti-Leninismus“ von der Bremer UG-Gruppe:

    „Leninist*innen meint hier das gesamte, in sich natürlich sehr heterogene Spektrum, von „klassischen“ Parteien wie der DKP, über Trotzkist*innen, dem „Gegenstandpunkt“ als postleninistisch inhaltlicher Zusammenhang, bis ins mehrheitlich subjektiv autonome Spektrum z. B. in Form des bundesweiten „3a“-Bündnisses.“

  120. franziska
    4. April 2013, 22:11 | #120

    Aaaaach, ihr Anti-Antikommunisten, ihr jüngeren und älteren, wir waren da oben schon weiter, und haben in libelles etwas überhitzter Attacke ein objektives Dilemma entdeckt, dem sich zeitgenössische Kommunisten stellen müssen: Entweder, sie kriegen es VOR der Revolution mit der da (noch) nicht kommunistischen Gesellschaftsmehrheit zu tun, oder daNACH – mit denen, die man zum gelingenden Revoltieren nicht brauchte.
    Im Kern ist das die Frage: wie Kommunisten glauben, über ihren gegenwärtigen Randgruppenstatus hinauszukommen. Vielleicht liegts eben doch an den Erklärungen, warum die andern NICHT Kommunisten sind (wir aber schon).
    (Erfolglosigkeit fungiert hier nicht als ARGUMENT. Höchstens als subjektiver Grund, seine Überzeugungen nochmal durchzugehen.)
    Daran hat libelle sich dann oben ein bisschen abgearbeitet, und wir andern mit ihm. Lest es einfach mal.

  121. franziska
    5. April 2013, 06:34 | #121

    @Mattis
    Ich sehe jetzt grad keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem, was libelle vorgetragen hat, und Sympathien für die von dir erwähnten Bewegungen. Er sprach von Änderungen im Denken von Leuten. Wenn jemand etwas ablehnt, muss ihm nicht gleich ALLES, was sich davon unterscheidet, gefallen.

  122. Fred
    5. April 2013, 08:13 | #122

    @franzi
    Ich habe libelles Sprechkäse gelesen und kritisiert. Libelle trägt das Erfolgsargument immer als „Glaube“, „Spekulation“ oder „Möglichkeit“ vor, um Kritiker am gesellschaftlichen Status Quo zu blamieren. Die Überlegenheit bürgerlicher Gewalt und Ideologie ist libelles ganzes ‚Argument‘ und verrät libelles antikritisches Ressentiment. Hier z.B.:

    „dass die Gegner durch eigenen Machteinsatz einmal umfassend verschwinden könnten. Das steht völlig gleichberechtigt neben der Möglichkeit, die Verhältnisse durch einen Serienbrief an die Regierungen ändern zu können.“ (libelle, 29. März 2013 um 12:23 Uhr)

    Du fällst leider trotz Kritik darauf herein:

    „ein objektives Dilemma entdeckt, dem sich zeitgenössische Kommunisten stellen müssen: Entweder, sie kriegen es VOR der Revolution mit der da (noch) nicht kommunistischen Gesellschaftsmehrheit zu tun, oder daNACH“

    Das ist mal ein Dilemma: Kommunisten haben Gegner! Auf solch vermeintlich methodische Fragen sollte man besser nicht hereinfallen: Der Ausgangspunkt von Kapitalismuskritikern IST doch längst die (mehrheitliche) Zustimmung der Leute zu Staat und Kapital, damit hat man es von Anfang bis Ende des Kapitalismus zu tun und nicht erst bei strategischen Überlegungen. Kommunisten merken nicht erst, wenn sie revoltieren, dass sie von ihren Gegnern bekämpft werden (s. libelle) und mit dem Arsch an der Wand stehen.

    „Im Kern ist das die Frage: wie Kommunisten glauben, über ihren gegenwärtigen Randgruppenstatus hinauszukommen“

    Das Reißbrett für die Entwicklung von Statusfragen ist eine blöde Illusion, weil es am allerwenigsten von den „Randgruppen“ abhängt, welcher Status denen angehängt wird. Das kann man der Vokabel „Randgruppe“ schon entnehmen. Daher haben vernünftige Menschen nicht das Ziel ihren Randgruppenstatus loszuwerden, sondern eine Gesellschaft, die diese Statusfragen (gut- oder schlechtmeinend) gegen sie benutzt.
    Kurz: Der (Miss-)Erfolg von antikapitalistischer Agitation hängt an der Einsicht von Nicht-Randgruppen, bzw. deren Bereitschaft sich etwas kritisieren zu lassen – den zugehörigen Status für politisch Erfolglose gibt es gerade, um Kritik zu unterbinden. So ist der Schmutz für Kommunisten Thema der libelles dieser Welt, das Feld sollte man ganz denen überlassen!

  123. Mattis
    5. April 2013, 10:31 | #123

    @franziska

    „Ich sehe jetzt grad keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem, was libelle vorgetragen hat, und Sympathien für die von dir erwähnten Bewegungen. Er sprach von Änderungen im Denken von Leuten. Wenn jemand etwas ablehnt, muss ihm nicht gleich ALLES, was sich davon unterscheidet, gefallen.“

    Mir ging es explizit nicht um Sympathien für oder Ablehnungen solcher „Bewegungen“, sondern darum, dass libelle nur solche überhaupt als „Kommunisten“ wahrnimmt, die er mit seiner Denk-Schablone zu potentiellen Gewalttätern definieren kann.
    Während du anscheinend immer noch meinst, libelle wolle ein Problem lösen – und zwar ausgerechnet noch das, wie Kapitalismuskritiker es zu einer Mehrheit bringen könnten. Du liest libelle nur durch den Filter deiner eigenen Fragestellungen, das führt nicht weiter.

  124. franziska
    5. April 2013, 11:05 | #124

    @ Mattis
    libelle hat allenfalls ein Problem angesprochen, lösen wollte er es nicht.
    @ Fred

    „Der …Erfolg von antikapitalistischer Agitation hängt an der Einsicht von Nicht-Randgruppen, bzw. deren Bereitschaft sich etwas kritisieren zu lassen.“

    Genau. So ist es.

  125. franziska
    14. April 2013, 00:56 | #125

    Einem Bekannten von mir fiel bei Lektüre des threads das folgende ein, und mit Neoprenes Einverständnis und dem des Autors füge ich es nachträglich den Kommentaren hier hinzu.
    ———————-
    Am Anfang dieses Threads führt Libelle einen Satz aus einem GSP-Aritkel an, um an ihm etwas umständlich und für jemanden, der nur diesen Satz kennt, praktisch unverständlich, zu belegen, dass die GSPler generell ideologisch argumentieren, weil das Ziel, zumindest die abhängig Beschäftigten (formerly known as Proletariat), zur Revolution aufzustacheln, von vornherein immer schon feststeht.
    Dem eingangs dieses Threads von libelle zitierten Satz aus einem GSP Artikel folgt dort drei Seiten weiter eine Erläuterung zu dem, was der GSP unter Kritik versteht, die als Ausgangspunkt zur Behandlung der Frage, ob deren Denken „ideologisch“ sei, sehr viel besser geeignet gewesen wäre.

    Für den Fall, dass hier noch jemand bereit ist, in einer Äußerung etwas Neues und Interessantes zu entdecken, und nicht allzuschnell Bekanntes und längst Erledigtes zu sehen, möchte ich ein Verständnis der Erläuterungen in dem GSP Artikel nahelegen, dem zufolge beim GSP keine Ideologie vorliegt, sondern etwas, das so hier bisher als Möglichkeit nicht in ganzer Konsequenz erwogen wurde.
    Hier die Erläuterung dazu, was der GSP unter Kritik versteht, als Zitat:
    „Kritik hat ihren Ausgangspunkt in den Interessen, die in diesem System unter die Räder kommen, und dem geht sie auf den Grund. Sie findet sich mit dem Schein nicht ab, mit dem sich die kapitalistische Geschäftsordnung mitsamt ihren Einrichtungen als Ensemble für alle brauchbaren Bedingungen präsentiert, bei denen es nur darauf ankäme, das Beste aus ihnen zu machen. Vielmehr führt sie diese Bedingungen auf den gesellschaftlich herrschenden Zweck zurück, der (in?) ihnen zur Sache verfestigt und dem jedes Interesse längst untergeordnet ist, das sich in ihnen zu schaffen macht. In dem und den mit ihnen einhergehenden Gegensätzen ermittelt sie den Inhalt dessen, was alle Welt als eingerichter „Sachzwang“ vorkommt, und erklärt damit den sachlichen Grund, die Notwendigkeit des Scheitern von Vielen.“ (Kursivierungen des Originals nicht erhalten)
    Hier ist gleich zu Beginn von „Interessen“ die Rede. Ein Begriff, der hier in diesem Thread eine zentrale Rolle spielt, aber noch kaum bestimmt wurde. z.B. Libelle fasste damit auf eine bestimmte Art bearbeitete Bedürfnisse. Das wurde, so weit ich weiß, weder bestätigt noch bestritten. Auch vom GSP kenne ich keinen Versuch, den Begriff mit einem konkreten Inhalt zu bestimmen, sondern die Bestimmung, die hier gegeben ist, ist typisch: Es gibt Interessen, die im Kapitalismus notwendig unter die Räder kommen. Diese extrem abstrakte Bestimmung erlaubt es, dass sie mit jedem beliebigen konkreten Inhalt gefüllt werden kann, ohne dass sie in einen Widerspruch zu der Bestimmung des GSP treten. Matis und vielen anderen fallen da die Erfüllung der Grundbedürfnisse ein, also z.B. gutes Essen und gutes Wohnen, andere denken da an etwas ganz anderes.
    Der GSP kommt ohne eine solche konkrete Bestimmung aus, weil seine Anknüpfung rein negativ ist. Ein nicht zur Geltung gekommenes Interesse erkennt man an Unzufriedenheit. Die Anknüpfung geht dann so, dass der konkrete Inhalt eines Interesses aufgenommen wird, das offensichtlich scheitert, und als letzter Grund dieses Scheiterns wird dann immer der gleiche ermittelt: Es herrscht ein Zweck, der aus Prinzip im Gegensatz zu den Interessen der auf Lohn angewiesenen Menschen steht.
    Das soll dann zu der Schlussfolgerung führen: Um überhaupt ein Interesseverfolgen zu können, muss der herrschende Zweck außer Kraft gesetzt werden.
    GSPler würden deswegen eben nicht sagen: Wir brauchen eine Revolution, damit alle etwas zu essen haben, medizinisch versorgt werden etc. pp., weil an jedem konkreten Interesse sich gerade nicht das Prinzip erweist, dass es scheitern muss.
    Das zeigt sich anders, und zwar in dem Begriff der Verhältnisse.
    Und den finden GSPler eben wesentlich im Marxschen Kapital.
    Für die Klärung, zu der ich beizutragen versuche, ist es hier noch gar nicht entscheidend, ob dieser Begriff der Verhältnisse stimmt, sondern zunächt nur der Gedanke:
    Der Grund für einen GSPler, für eine Revolution zu sein, ist nicht, ein bestimmtes, konkretes Interesse, sondern sein Begriff von den Verhältnissen.
    Und jeder, der jetzt eine konkrete Vorstellung erwartet, wie es nach einer Revolution aussehen wird, und von deren Überzeugungskraft abhängig macht, ob er überhaupt eine Revolution will, macht damit deutlich, dass er diesen Begriff nicht teilt.
    Darüber wollen sie dann reden und nicht über Räte oder Landwirtschaft.
    (Hier gibt es jetzt ein verblüffende Nähe zu libelle:
    Libelle macht den GSPlern fast den gleichen Vorwurf, wie diese ihren Kritikern, nämlich eine berechnende Stellung zum Denken zu haben.
    Allerdings stellen sich beide die Alternative, also das wahre, wissenschaftliche Denken ziemlich verschieden vor: Die GSPler meinen damit ein Denken, das sich nichtberechnend zu dem herrschenden Zweck verhält, also eines, zu dem sie trotz dieses Zwecks schon jetzt gekommen sind, und das sich mutmasslich massenhaft verbreiten wird, wenn dieser Zweck gebrochen ist. Und libelle meint, man muss zugeben, dass man immer schon berechnend denkt, und man sich davon nur befreien kann, indem man der Berechnung eine Art Metaberechnung entgegenstellt von der Art: Wenn ich meine Interessen entsprechend denke, verechne ich mich, weil ich nicht mit den anderen rechne, die in ihrem Interesse denken, und mir chronisch in die Parade fahren. Bei allen Unterschieden ist da die wesentliche Gemeinsamkeit:
    An dem Denken der Leute, die was wesentlich anderes wollen als ich, gibt es einen Kernmangel, einen Angriffspunkt, an dem angesetzt werden kann, um es zu kritisieren: Beide können sich damit ersparen, das, was die anderen denken, dem Inhalt nach zu verstehen, weil der ja gar nicht der Grund ihres Handelns ist. Der Grund ihres Handels ist ja das, wozu sie sich berechnend verhalten, beim GSP eben der herrschende Zweck (der Kapitalakkumulation), bei libelle irgend etwas, aus seiner Sicht bei den GSPlern z.B. irgendwie die Revolution wollen.
    Nun habe ich, um etwas zu dem im ersten Satz des Zitates und dem Begriff des Interesses zu sagen, schon enorm vorgegriffen, und dabei wie das so häufig geschieht, den theoretischen „Hammer“ in der zitierten Erläuterung und mutmaßlichim Denken der GSP eher verwischt als verdeutlicht.
    Für die GSPler gibt es einen herrschenden Zweck, der sich hinter dem Schein der gesellschaftlichen Bedingungen geltend macht. Wie macht er sich geltend?
    Indem es sich in etwas kleidet, das sich für die Gesellschaftsmitglieder mit dem notwendig falschen Bewusstsein als Sachzwang zeigt.
    (nb. Die Kritik an der UG Kritik ist dann ungefähr, dass die die „Sachzwänge“ als solche beschreibt, und sie nicht als Schein „entlarvt“, der aufgrund des herrschenden Zweckes entsteht)
    Ich vermute, es ist dieser Begriff des herrschenden Zwecks, der viele Leute, die mit dem GSP mal sympathisiert haben oder es noch tun, sowohl anzieht, als auch abschreckt, jedenfalls verwirrt. Ich jedenfalls habe mich damit ewig rumgeschlagen, allerdings nicht direkt, sondern über viele Umwege, etwa indem ich versucht habe, das Wertgesetz zu verstehen.
    Warum:
    Es treffen sich in diesem Begriff zwei Möglichkeiten, die Welt, sich und andere zu verstehen, die man eigentlich nicht zusammen erwartet.
    1. Materialistisches Denken
    2. Religiöses Denken.
    Enorm erschwerend kommt hinzu, dass der Begriff von Religion, mit dem man üblicherweise, z.B. in diesem Thread oder auch im GSP begegnet, überhaupt nicht tauglich ist, das Religiöse an dem GSP Denken zu erklären. Dieser Begriff macht es ja sogar möglich, dass GSPler als Religionskritiker auftreten. Aber dadurch, dass sie, wie so vieles, auch Religion als berechnendes Denken erklären und sich damit ersparen, es zu verstehen, und damit auf die Spur seines tatsächlichen Mangels zukommen, kommen sie damit bei Religiösen kein Stück weiter, sondern sammeln allenfalls Sympathien bei Leuten, die ganz selbstverständlich als Atheisten aufgewachsen sind und ihrerseits den Mangel des religiösen Denkens nicht mehr selbst rausfinden mussten. Wenn GSPler Religiöse agitieren, dann wohl eher wegen ihrer eigenen Relgiosität, und nicht wegen ihrer Kritik daran.
    Was ist nun das Religiöse an dem GSP-Denken?
    Es ist der Gedanke, dass es eine andere Quelle für Zwecke geben kann, als Personen, die sie bewusst verfolgen.
    Was ist das Materialistische an dem GSP-Denken?
    Das sie nicht wollen, dass andere Zwecke herrschen, als solche, die bewusst von Menschen verfolgt werden.
    Und das Verbindungsglied:
    Sie sagen, man muss den herrschenden Zweck erklären, d.h. die Verhältnisse auf den Begriff bringen, um ihn zu brechen und die eigenen Zwecke zu realisieren.
    (Fast möchte man schreiben: Sie halten es für notwendig, an Gott zu glauben, um ihn dann aus dem Universum rausschmeißen zu können. Wer nicht an ihn glaubt, wird unbewusst von ihm beherrscht, weil er seine Herrschaft für einen Sachzwang hält.)

  126. Mattis
    14. April 2013, 11:41 | #126

    @franziska

    „GSPler würden deswegen eben nicht sagen: Wir brauchen eine Revolution, damit alle etwas zu essen haben, medizinisch versorgt werden etc. pp., weil an jedem konkreten Interesse sich gerade nicht das Prinzip erweist, dass es scheitern muss.

    Der Grund für einen GSPler, für eine Revolution zu sein, ist nicht, ein bestimmtes, konkretes Interesse, sondern sein Begriff von den Verhältnissen.“

    Das ist eine äußerst merkwürdige Vorhaltung. Kritik am GSP geht nun wirklich anders als das, was hier formuliert wird. Da wurde nicht richtig aufgepasst: GSP-ler sagen nämlich beides. Aber der Reihe nach:
    Aus einem „konkreten“ Interesse wie z.B. dem, „damit alle etwas zu essen haben“, kann als solchem grundsätzlich nie ein politisches Programm folgen. Erst durch die Erkenntnis, dass die vorgegebenen Formen der Interessenverfolgung für dieses und andere Bedürfnisse durch Schranken begrenzt sind, die sich der Gesellschaftsstruktur verdanken, kann ein Übergang zu einer politischen Antwort darauf stattfinden und sich als notwendig erweisen.
    Der Grund, warum man anfängt, politische Fragen zu stellen, sind die Bedürfnisse. Danach entwickelt sich der zweite Schritt. Der Grund, warum man eine bestimmte Politik will oder nicht will, liegt in der Erkenntnis darüber, ob die geltenden Verhältnisse für die Bedürfnisse tauglich sind oder nicht. Man könnte auch sagen: das erstere ist das Motiv des Engagements, das zweite die Erklärung für die bestimmte Form, die das Engagement annimmt.
    Dass es im Kapitalismus Schranken der Bedürfnisse gibt und diese eben nicht „objektiv“ sind (man könnte genügend Nahrungsmittel herstellen), ist der springende Punkt. Deshalb ist es auch korrekt – sogar unumgänglich – die Formen (!) des Interesses (Lohnarbeit für Kapitalverwertung) zu betrachten, denn nur daraus kann man Schlussfolgerungen ziehen. Aus dem Hunger als solchem kann man keine Schlussfolgerungen ziehen außer eben der, sich zu fragen, wieso solche Bedürfnisse nicht für alle erfüllbar sind – und zack! ist man wieder völlig zu Recht bei der Art und Weise der Interessensverfolgung: ob sie für das Bedürfnis wirklich als Mittel taugt.
    Abgesehen davon scheint mir der GegenStandpunkt zu den wenigen Stimmen zu zählen, die überhaupt an die Ausgangspunkte, an die Bedürfnisse, erinnern: eben gut zu wohnen, zu essen etc., während die meisten politischen Richtungen unhinterfragt die vorhandenen Formen (!) des Interesses aufgreifen und nur deren Behinderung, also die Behinderung dieser affirmierten Formen, kritisieren. Beispiel: mehr Lohn, mehr Gleichheit und so weiter.
    Was mich betrifft, möchte ich daran erinnern, dass ich auch gegenüber libelle immer wieder betont habe, dass man die beiden umgangssprachlichen Bedeutungen von Interesse – einerseits Bedürfnis, andererseits gesellschaftliche Form – unterscheiden sollte.
    Interessant wäre jetzt, wie der von franziska hier zitierte Kritiker seinerseits sich einen Übergang vom konkreten Bedürfnis zu einer darüber hinausgehenden Erkenntnis, Aktion oder wie auch immer vorstellt und welchen Begriff von Interesse er verwendet.

  127. 14. April 2013, 11:53 | #127

    Wenn in dem obigen Beitrag behauptet wird,

    Auch vom GSP kenne ich keinen Versuch, den Begriff mit einem konkreten Inhalt zu bestimmen, sondern die Bestimmung, die hier gegeben ist, ist typisch: Es gibt Interessen, die im Kapitalismus notwendig unter die Räder kommen.

    bin ich perplex. Da schreibt der GSP (und sein „Umfeld“, z.B. Hermann Luuer „Warum verhungern täglich 100.000 Menschen?: Argumente gegen die Marktwirtschaft“, einer der Namen mit den meisten Google-suchen, die auf meinen Blog führen) über alle möglichen konkreten Bedürfnisse, z.B. ein vernünftiges Dach über dem Kopf haben zu wollen, Gesundsheitsversorgung usw. und hier wird ausgerechnet das kritisiert, was, da gebe ich Mattis völlig recht, notwendigerweise an Schlußfolgerungen über die Gesellschaftsstruktur folgen muß, wenn man nicht an der bloßen Oberfläche der Bedürfnismängel hängen bleiben will.

  128. Paul Dessau
    14. April 2013, 15:20 | #128

    Für die GSPler gibt es einen herrschenden Zweck, der sich hinter dem Schein der gesellschaftlichen Bedingungen geltend macht. Wie macht er sich geltend? Indem es sich in etwas kleidet, das sich für die Gesellschaftsmitglieder mit dem notwendig falschen Bewusstsein als Sachzwang zeigt. (…) Was ist nun das Religiöse an dem GSP-Denken? Es ist der Gedanke, dass es eine andere Quelle für Zwecke geben kann, als Personen, die sie bewusst verfolgen. Was ist das Materialistische an dem GSP-Denken? Dass sie nicht wollen, dass andere Zwecke herrschen, als solche, die bewusst von Menschen verfolgt werden. Und das Verbindungsglied: Sie sagen, man muss den herrschenden Zweck erklären, d.h. die Verhältnisse auf den Begriff bringen, um ihn zu brechen und die eigenen Zwecke zu realisieren.

    Wenn Kritik so etwas wie Pfeilewerfen wäre, dann hätte dieser Pfeil noch nicht einmal die Scheibe getroffen, sondern wäre irgendwo an die Wand geklatscht. Das kommt vermutlich daher, dass der Kritiker abstrakt von „Zwecken“ redet und dabei vergisst, worum es der Sache nach geht. Was ist denn der „herrschende Zweck“? Die Kapitalakkumulation, also die fortlaufende Vermehrung des Reichtums in privater Hand. Wie macht er sich geltend? Darin, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um ihn zu verwirklichen. Die Unternehmen streben nach Rendite, nach immer erneutem Gewinn, und wälzen dafür fortwährend den Produktionsprozess um, und der Staat tut alles, um das Wirtschaftswachstum zu fördern, weil die Vermehrung des privaten Reichtums seine ökonomische Machtbasis ist (Steueraufkommen, Kreditwürdigkeit). Von der Verwirklichung dieses Zwecks hängt das gesellschaftliche Leben ab: Produktion und Reproduktion sind ihm untergeordnet. Nicht die Bedürfnisse, sondern die Gewinnaussichten setzen die Produktion in Gang, und das Einkommen der Lohnabhängigen hängt davon ab, dass ihre Arbeit das Kapital vermehrt. Der Kapitalismus ist ein System von Abhängigkeiten, in dem alles daran hängt, dass sich das gesellschaftliche Gesamtkapital verwertet. Die durchschnittlichen Gewinnaussichten der Unternehmen, die Arbeitsmarktlage, das Steueraufkommen des Staates, alles hängt davon ab. Die Quellen allen Reichtums, Natur und Arbeitskraft, sind Mittel für diesen Zweck und werden rücksichtslos dafür eingesetzt.
    Wovon also ist der herrschende Zweck der Grund? Er ist der Grund dafür, dass Mensch und Natur geschädigt werden, dass ein Großteil der Leute zu einem zweitklassigen Leben verdammt ist, dass ihr Interesse an einem guten Leben in einer intakten Umwelt nicht zum Zuge kommt – weil es in dieser Welt um Höheres geht: um Reichtum und Macht, die Vermehrung des Kapitals und die Macht des Staates. Dabei regiert nicht Willkür, sondern es herrschen die Zwangsgesetze der Konkurrenz. Die Notwendigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise setzen sich als äußerer Zwang, den die Unternehmen aufeinander ausüben, durch. Die vielbeschworenen „Sachzwänge“ sind keine Einbildung, sondern real; sie sind als „Sachzwänge“ nur falsch benannt und nicht begriffen.
    Der Zusammenstoß der in Konkurrenz zueinander verfolgten Privatinteressen herrscht den Einzelnen die Erfolgsmaßstäbe und Mittel ihres Geschäfts als „Sachzwang“ auf. Solche „Sachzwänge“ für die Kapitalisten gibt es nur aufgrund des Interesses der Konkurrenten, Kapitalisten zu bleiben und ihr Kapital fortlaufend zu vermehren (ihr eigenes oder das des Unternehmens, das sie leiten). Im Interesse ihres Erfolgs müssen sie einiges tun: billig einkaufen und teuer verkaufen, rationalisieren, ihre Leute antreiben, die Produktivkraft der Arbeit steigern – weil sie sonst Gefahr laufen, in der Konkurrenz zu unterliegen. Ihr Handeln unterliegt objektiven Anforderungen, denen sie im Interesse ihres wirtschaftlichen Erfolgs gerecht werden müssen. Und das gilt analog auch für alle anderen „Charaktermasken“.
    Eben dadurch, dass sie versuchen, den Anforderungen gerecht zu werden, die in ihren ökonomischen Mitteln stecken, personifizieren oder verkörpern die Leute in ihrem Handeln eine ökonomische Kategorie. Charaktermasken sind sie, weil sie sich zu solchen machen, und sie machen sich dazu, weil sie sonst keinen Erfolg hätten. Alle zusammen setzen sie ökonomische Gesetze in Kraft, die sie dann als Handlungsnotwendigkeiten zu spüren kriegen – was keiner von ihnen bewusst anstrebt (jeder strebt nur seinen eigenen Erfolg an). Welche Gesetze das sind, kann man im „Kapital“ nachlesen.
    Diese Notwendigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise entstehen auf der Grundlage des Privateigentums und der Konkurrenz der Kapitale, wirken also nur solange, wie die Unantastbarkeit des Eigentums und dadurch der Vorrang der Kapitalvermehrung feststeht. Die „Sachzwänge“ erwachsen, abstrakt gesprochen, aus der Form der Vergesellschaftung, der Art und Weise, in der sich die Einzelnen aufeinander und auf die Arbeitsmittel und Arbeitsprodukte beziehen.
    Die Konsequenzen sind aber je nach Klassenzugehörigkeit verschieden: Die Kapitalisten „haben Mittel ihres Erfolgs; die Konkurrenz zwingt sie, sie auf dem gesellschaftlich gültigen Niveau einzusetzen. Für Arbeitskräfte sieht die Sache anders aus: Sie sind selbst die Mittel ihres Erfolgs; auch sie zwingt die Konkurrenz zur Kostensenkung. Nur sind sie selbst diese Kosten: Sie müssen sich billiger anbieten, länger arbeiten, sich mit Fähigkeit und Willigkeit dem Kapital nützlicher machen als der Mitbewerber um den Arbeitsplatz. Den Kapitalisten zwingt die Konkurrenz zum effizienten Einsatz seiner Mittel, um seinen Geldmaterialismus zu befriedigen, den Lohnarbeiter zum Verzicht auf seinen Materialismus“ (Peter Decker).
    Der entscheidende Punkt dabei ist: Dieser Verzicht wird durch die Produktionsverhältnisse erzwungen, durch den herrschenden Zweck der Kapitalvermehrung – vom Stand der Produktivkräfte her wäre ein gutes Leben für alle längst möglich. Die Lohnabhängigen machen einen Fehler, wenn sie die Lohnarbeit als etwas auffassen, was sie nicht ist, nämlich als taugliches Mittel für ihr Leben. Der Lohn ist Mittel des Kapitals, um Mehrarbeit aus ihnen auszupumpen.
    Wer die ökonomischen Mittel, auf die er angewiesen ist, von vornherein als seine Mittel auffasst, ohne vorher zu prüfen, ob sie das wirklich sind, ob sie wirklich für ihn da sind und für seine Lebensinteressen taugen, der macht sich falsche Vorstellungen.

  129. Mattis
    14. April 2013, 21:10 | #129

    @Paul:

    „Wenn Kritik so etwas wie Pfeilewerfen wäre, dann hätte dieser Pfeil noch nicht einmal die Scheibe getroffen, sondern wäre irgendwo an die Wand geklatscht.“

    Schönes Sprachbild, passt hier wirklich 100-prozentig. Wie schon bei libelle ist auch das hier der untaugliche Versuch, den GegenStandpunkt ausgerechnet da zu treffen, wo dieser theoretisch ziemlich sauber ist.
    Dass diesen Kritikern nichts anderes zum GSP einfällt, als den letztlich immer in Grund und Boden zu verteufeln (mal wegen „Gewalt“, hier wegen „Religion“), obwohl es genügend Ansatzpunkte für eine rationale Kritik gibt, zeigt die Borniertheit dieser Kreuzzügler. Für solche vorab feststehenden Urteile gegen einen politischen Gegner könnten die sich ihre aufwändigen intellektuellen Vorspiele auch sparen. Aber das Verteufeln soll natürlich „wissenschaftlich“ begründet erscheinen, schon klar.

  130. franziska
    15. April 2013, 09:51 | #130

    Ich gebe zu, dass eine so wortreiche Auseinandersetzung wie dieser thread nicht abgeschlossen werden sollte, ohne dass der Stand der Kontroverse ein wenig auf den Punkt gebracht ist. Als ob das so einfach ginge…
    Ich glaube, dass die Überzeugungen hier so besonders hart und unproduktiv aufeinanderzuprallen scheinen, weil sie die Ebene nicht finden und benennen, wo die Auseinandersetzung geführt werden müsste. Das liegt auch daran, dass linksradikale Kritiker (dazu zählen auch libelle und der Textautor), die der gsp-Position ferner stehen, ihrerseits kaum je die Chance bekommen, die grosse Linie ihrer Argumentation vorzustellen, ohne sehr schnell ihrer schädlichen Absichten wegen (schädlich aber nur, wenn der Befund der gsp-näheren Schreiber hier richtig wäre; was die Kritiker ja gerade bezweifelt haben) angegriffen zu werden.
    Alle, die hier diskutieren, haben Anliegen, die überaus wichtig sind, und Befunde, die ihnen überzeugend erscheinen, weil Argumente dafür zu sprechen scheinen, die kaum widerlegt werden können. Der Andre irrt also. Bloss, der siehts genauso. Wenn man nicht in die ewigen Schleifen der hier immer wieder ausbrechenden Kampfschreiberei eintreten will, oder resigniert, müsste man das dann als gemeinsames Problem ansehen, und gemeinsam anfangen nachzusehen, wo’s hakt. Es hakt meist auf einer Ebene, wo in relativ mühsamer Kleinarbeit Begriffe ud Begriffszusammenhänge („wie es gemeint war“) erläutert werden müssen, Missverständnisse ausgeräumt, die zugrundeliegenden Basis-Kontroversen herausgearbeitet werden müssen. Wenn da noch von „Kritisieren“ gesprochen werden soll, dann höchstens so, dass die Kritik sich von den Personen und „ihren“ Anfangsmeinungen weg- und der gemeinsamen Prüfung und Erwägung von Theorien und Überzeugungen zuwendet.
    Aber so eine praktische Einstellung zur Kontroverse ist vielleicht ihrerseits eine einseitige, und widerspricht den Einschätzungen etlicher hier Beteiligter, wonach eben nicht Befunde und Fehler für die Kontroversen verantwortlich sind, sondern letztlich nicht weiter begründbare erste Befürwortungen und Entscheidungen. „Argumente“ sind dann schon Geschosse, mit denen man im Lager des Gegners möglichst viel Schaden anrichten möchte (was für einen eigentlich? dass er im Licht von irgendetwas autoritär Anerkanntem schlecht dasteht?)
    Aber wenn man darüber wieder „diskutieren“ will, und sich nicht aufführen will wie zwei feindliche Horden, die an einem tiefen Graben stehen und sich, weil sie nicht unmittelbar handgreiflich werden können, mit Beschimpfungen und Steinwürfen behelfen – dann muss man, selbst angesichts DIESES Positionsunterschiedes, wieder zurücktreten, und die gleiche Operation vollziehen, die eben beschrieben wurde.
    Ich habe den Text darum noch nachgeschoben, weil an ihm sich noch einmal illustrieren lässt, dass ein grundsätzlicher Einwand („Vorwurf“, „Kritik“) wie der libelles oder des Autors, es schwer hat, in eine „Diskussion“ eingeführt zu werden, wie sie hier üblich ist. Der gsp etwa erfährt das seinerseits sehr oft: Seine „Kritiken“, die an den, nennen wir es: Fronten oder Berührpunkten mit Gegnern vorgebracht werden, setzen meist an zentralen Stellen „Standpunkte“ voraus, deren Begründungen ganz woanders stehen.
    Dort aber sind die eigentlichen Kontroversen angesiedelt, und der gesamte Diskussionsprozess wäre erheblich produktiver, wenn diese Ur-Kontroversen bei Gegnern wie Befürwortern einer Position schneller abrufbar wären. Das Schlimme ist: Genau das gilt für beide Seiten; der entscheidende Schritt wäre, allein nur die Kontroverse zu einer gemeinsamen (von beiden Seiten gleich beschriebenen) zu machen. (Wahrscheinlich stünde sie dann meist kurz vor der Auflösung. Naja – das ist jetzt wieder nur MEINE Position…)
    „Ideologisches Denken“ ist „interessiertes Denken“, war ein Ausgangspunkt bei libelle.“Ideologisches Denken“ ist „religions-artiges Denken“, verlängere ich den Text des Autors, und das entsprechende Denk-Muster sei bei libelle wie dem gsp anzutreffen: „An dem Denken der Leute, die was wesentlich anderes wollen als ich, gibt es einen Kernmangel, einen Angriffspunkt, an dem angesetzt werden kann, um es zu kritisieren: Beide können sich damit ersparen, das, was die anderen denken, dem Inhalt nach zu verstehen, weil der ja gar nicht der Grund ihres Handelns ist. Der Grund ihres Handelns ist ja das, wozu sie sich berechnend verhalten“. Der Autor vollendet die Analogie nicht ganz, obwohl er ganz in der Nähe dieses Gedankens operiert: Zurechenbar sind „den Leuten“ unmittelbar ihre Bedürfnisse – und Anpassungsoperationen, die (bei allem freien Willen bzw Eigengesetzlichkeit) wesentlich „von aussen“ bestimmt sind: gesellschaftliche Verhältnisse, der herrschende Zweck. An dem von mir eingeführten Wort „Lücke“ entlang entfaltete sich oben eine Kurz-Kontroverse mit libelle darüber, ob da etwas in den Beschreibungen von libelle wie gsp ABGETRENNT wird, wo es eigentlich nicht gemacht werden sollte: der Autor versucht das zu umschreiben als „was die anderen denken, dem Inhalt nach verstanden“. Es scheint, dass die andern nur solche sind, ÜBER die man spricht. Ihre Urteile über das bestehende sind nicht etwa bloss schlecht begründet, uninformiert, undurchdacht, „religiös“, „vorurteilshaft“ – sie sind vor allem garnicht vorhanden als URSACHE der Verhältnisse, etwa in Gestalt von Versäumnissen (ein Begriff, um den es unter anderm in der Debatte zwischen mir und Krim im Ungarnthread bei Nestormachno ging). Stattdessen bekommen diese Verhältnisse etwas eigentümlich subjekthaftes: Der Staat, der herrschende Zweck, oder eben: DIE Verhältnisse (bei libelle). Die Verhältnisse SETZEN SICH DURCH, und „die Leute“ stellen sich nur noch dazu, sind nicht (auch durch Unterlassungen, auch als Resultat von Kompromissen, Kämpfen) Urheber – alle zusammen. Bei libelle sind sie es, soweit ich es sehe, durch Kämpfe; er hat insofern keine Kategorie, die religiös im Sinne des Autors ist; wohl aber einen, der „abtrennt“, abstrahiert, ein Muster benennt, das weit über allem angesiedelt ist, was „die Leute“ sich im einzelnen denken, und „veranwortlich“ ist. Das kann man problematisch genug nennen; denn es mündet am Ende in eine Denkfigur, in der die von den jeweiligen Theorien entdeckte Lücke, dann von Einzelnen, überwunden werden muss, durch etwas, das zwar in beiden Fällen, Erkenntnischarakter hat: Reflexion nicht nur der fremden, sondern auch der eigenen Interessiertheit bei libelle; oder, Erkenntnis der Aussichtslosigkeit der eigenen Lage, beim gsp. Erst da wird die Stelle dann gefüllt, die ich schon jetzt besetzt sehe mit Erkenntis-artigem und NICHT „interesse“- oder „(formiert-)bedürfnis-artig“ bestimmtem Material. Das sind keine nebensächlcihen Punkte; denn wir sprechen hier über die Durchdringungszone von „gesellschaftlich“ und „individuell“ und die Art ihres Zusammenhangs.
    Und da hat der Autor gegen libelle wie gsp einen wesentlichen Punkt: Beide reden an zentralen Stellen von Bedürfnissen, von gesellschaftlich formierten libelle, von geschädigten der gsp; wenn vom interessierten Urteilen die Rede ist, konkretisiert aber niemand mehr die Bedürfnisse, die darin (angeblich) stecken. Gegen Bedürfnisse wäre auch schwer zu argumentieren (nur noch zu schimpfen, oder mehr…). Im Gegensatz zur Operation vorher, wird aber an dieser Stelle etwas NICHT getrennt, was getrennt werden sollte: Wissen/urteilen/einschätzen und Wünschen/brauchen/leiden, wenn nicht… Da haben wir vielleicht zwei Beispiele für „Ur-Kontroversen“, womöglich sogar zusammenhängende.
    Mein mehrfach vorgebrachter Vorschlag war: sich (nicht unbedingt hier, aber irgendwo, irgendwann) einmal genauer anzusehen, wie die Wissensverarbeitung und Urteilsbildung bei „den Leuten“, oder auch den ganz speziell religions-artig Denkenden unter ihnen, ganz ohne Berechnung auf Wünsche verläuft. Vielleicht wäre dann klarer, warum und wie „die Verhältnisse“ erklärt werden können, oder dann sogar MÜSSEN als das Ergebnis des Zusammenwirkens der Praktiken von Massen von Leuten, die nicht auf Wunschdenken und verzerrtem Bedürfnis, sondern ihrer Art der Erkenntnis- und Urteilsbildung und daraus resultierenden Einschätzungen, Prioritätensetzungen, Hypothesen, und nicht zuletzt Versäumnissen (beim Erkennen wie Handeln) beruhen.

  131. libelle
    15. April 2013, 12:57 | #131

    @Franziska:
    1. Ich habe die Diskussion eingestellt, weil ich nicht den Eindruck habe, dass verstanden wird, was ich schreibe. Damit fehlt einer Diskussion die Grundlage.
    Man kann sich schon fragen woher das kommt. Meine Antwort ist, dass ich in meinen Beiträgen eben ein Interesse von Kommunisten kritisiere, das sie ihrem Zeug voraussetzen und dass sie in seiner Hinterfragung – wie stinknormale Bürger – einen Angriff auf sich ausmachen.
    2. In solchen Fällen kann man nur noch beurteilen, wie brauchbar die Rechtfertigungsversuche sind, ob sie Überlegungen zur Sache enthalten oder nicht. Und je nachdem, was herauskommt, redet und schreibt man weiter oder eben nicht.
    3. Aus meiner Sicht können Kommunisten auch nicht anders als so zu reagieren, wie sie es hier tun, wenn sie an der Bestätigung ihres Interesses: durch das Stellen von Machtfragen zur Befriedigung von Bedürfnissen zu kommen, festhalten.
    4. Sag‘ doch mal eine Bestimmung an Bedürfnis oder Interesse, die dabei fehlen soll, die Gesellschaft zu erklären. Du wiederholst gebetsmühlenartig, dass da etwas nicht ausreichend bestimmt wäre, gibst aber keinen Hinweis darauf, was das sein soll.
    5, Nochmal die Kurzversion meiner Kritik an Dir: Die Frage, ob ein Bewusstsein falsch oder richtig ist kann man erst beantworten, wenn man die Sache bestimmt hat, um die sich das Bewusstein dreht d.h. ich muss wissen, was der Staat, was Klassen, was Lohnarbeit etc… sind, um sagen zu können, welchen Teil dieser Gegenstände jemand wie (richtig oder falsch) in sein Bewusstsein aufnimmt.
    Danach kann ich im Fall der Feststellung eines falschen Bewusstseins fragen, woher das kommt d.h. dann stellt mir die Gesellschaft noch ein Rätsel, nämlich das, woher dieses falsche Bewusstsein kommt (siehe Marx KI-III, z.B. K. Mannheim (Ideologie und Utopie, aber auch neuere Bücher über Wissenssoziologie))
    Und damit ist dann gleichzeitig erklärt, wie die Insassen des Kapitalismus eben diesen mit ihrem falschen Bewusstsein reproduzieren d.h. inwiefern dieses falsche Bewusstsein sich mit Notwendigkeit aus diesen Verhältnissen ergibt (siehe instrumentelle Stellung).
    Damit sind dann die Verhältnisse erklärt. Es gibt einerseits das, was die Leute tun und dann als separaten Gegenstand (weil falsch) das Bewusstsein, das sie zur Sache haben d.h. mit dem sie ihren Laden betreiben.

  132. franziska
    20. April 2013, 11:44 | #132

    Meine Rekonstruktion eines Gemeinsamen bei libelle und gsp oben war im ersten Anlauf etwas unübersichtlich geraten, ich möchte das daher nochmal durchgehen, auch zur Erwiderung auf libelles Kritik an mir.
    Beider, des gsp wie libelles, Darstellungen zerfallen je in einen kritikwürdigen Ist-Zustand und etwas Mögliches und Erwünschtes, das über einen zwischengeschalteten Prozess erreicht würde, der ebenfalls benannt wird.
    Der Ist-Zustand entsteht aus dem Zusammentreffen von etwas Bedürfnis-, Wunsch- und Wollensartigem bei „den Leuten“ mit „gesellschaftlichen Verhältnissen“, die das Bedürfnis-artige Material formen (libelle) oder auch (die gsp-Version) erpressen sowie durch Anreize in eine ihnen gemässe Richtung lenken (schon hier das Subjekt-artige). Auch im Ist-Zustand kommen Einschätzungen (notwendig falsches Bewusstsein) vor, sie sind aber dem Inhalt nach völlig bestimmt durch das, was die gesellschaftliche „Formung“ aus dem bedürfnis-artigen Material gemacht hat. Es wird ausdrücklich darauf beharrt, dass dies der freiwilligen Zustimmung der Besitzer bedarf. (Hier bekanntlich erste grosse Kontroverse, inwiefern dann von Zwang geredet werden kann.) Die Inhalte der Einschätzungen sind: a) im wesentlichen von aussen, bestimmt, notwendig so (kreative und intellektuelle Eigentätigkeit der Betroffenen dabei setzt immer schon an den vorfindlichen gesellschaftlichen Verhaltnissen als solchen an, die sie freiwillig VÖLLIG UNGEPRÜFT als all ihrem Tun vorausgesetzte anerkennen), b) die Einschätzung der Verhältnisse ist NOTWENDIG FALSCH, WEIL sie völlig ungeprüft als nützlich, unvermeidlich vorausgesetzt werden, c) die Praktiken „der Leute“ sind ebenfalls durch die Verhältnisse, also von aussen, bestimmt und notwendig so, sie passen zu den Verhältnissen und reproduzieren das objektiv Kritikwürdige an diesen (dies alles bei grosser Gestaltungs-Freiheit für Verläufe innerhalb der Verhältnisse), d) die Fehleinschätzungen der Verhältnisse durch „die Leute“ und der Rolle ihres eigenen Tuns darin sind für ihre Praktiken nur so von Belang, dass sie sie begleiten, legitimierem, unterstützen.
    Wesentliche Hintergrund- Annahme von Theorien des Typs gsp oder libelle ist natürlich, dass „die Verhältnisse“ (oder DER Staat, DIE kap.Produktionsweise) solche Formungs- und Durchsetzungsmacht entfalten können. Was ich die verkehrte ABTRENNUNG in der Theorie nenne (nämlich solcher Eigenschaften, Dispositionen, Verläufe der Verhältnisse, die Quasi-Subjektcharakter haben), wird durchaus ergänzt dadurch, dass „den Leuten“ diverse kognitive Ausfälle zugeschrieben werden: sie sehen nicht, wissen nicht, sehen nicht vorher, wollen eigentlich garnicht, aber…; dabei wird unterstellt, dass das von ihnen falsch beurteilte oder nicht weiter beachtete Faktum durchaus bekannt ist, und sie sich (womöglich immer wieder, mit bestimmten, aus ihrer Sicht rationalen Gründen) praktisch (zB es inkaufnehmend) darauf beziehen: Wir kennen X nicht…, aber das macht nichts. Oder: Wir wollen X nicht…, aber das ist der Preis für… (was die Leute nicht so gut sagen können, ihnen aber durch entsprechende Aufforderungen nahegelegt wird, sind Äusserungen wie: Wir wollen nicht wahrhaben, dass; wir wollen uns nicht einleuchten lassen, dass…)
    Insgesamt ist in den Theorien kein Platz für Aussagen über eine Stellungnahme „der Leute“ oder wichtiger („meinungsbestimmender“; solche Unterscheidungen werden nicht für notwendig gehalten) Gruppen unter ihnen zum Ganzen der Verhältnisse; aus der Tatsache, dass „die Leute“ diese ihre Verhältnisse nicht im bewussten Konsens kontrollieren, soll sich von selbst ergeben, dass sie dies Ganze NICHT beurteilen und ihre Zustimmung zur Art der Einrichtung dieses Ganzen, eben ihrer Verhältnisse zueinander, NICHT von diesem (möglichen Fehl-)Urteil abhängt.
    ((Zur Verdeutlichung, meine Gegenbehauptung lautet: Der Glaube ans System (den system-artigen Zusammenhang von Einzelhandlungen, etwa als Markt, durchaus ähnlich auch Staat) und die daraus resultierenden Erwartungen und Praktiken ist der Grund der gesamten „system-artig erscheinenden“ Gesellschafts-Einrichtung.
    Das setzt voraus, dass die entsprechenden Behauptungen über NOTWENDIGE Verläufe, die sich bereits aus der System-Einrichtung ableiten lassen sollen (zB Begriff des Kapitals und bürgerlichen Staates, der Nation), von mir bestritten werden. Ich halte KI-III (abgesehen von den wirtschaftshistorischen Belegen zur „ursprüngliche Akkumulation“) für eine theoretische Darstellung, aus der sich keinerlei erkennbare Aussage (ausser durch Zusatzannahmen, wie: Konkurrenz verläuft immer nur über Kostensenkung; oder generell, dass „Konkurrenz“ überhaupt notwendig stattfindet) über Notwendigkeiten ergibt. Über diese äusserst wichtige Kontroverse hinsichtlich der Sachgerechtheit der marxistischen ökonomischen Theorien – inwiefern sie selbst eine Variante des allgemeinen Systemglaubens sind – muss gewiss noch einmal sehr genau und angemessen ausführlich geredet werden.))
    Fazit: Die Beschreibung des Ist-Zustands in linksradikalen Theorien dieser Art vermeidet es penibel, die Beurteilungen „der Leute“ heranzuziehen, wenn es um die Beschreibung des Systems geht, das darum dargestellt werden kann, als wäre es eben nicht ihr Werk. Der Raum für die subjekthafte eigentliche Gestaltungsmacht: das Kapital, der Staat, die Verhältnisse wird so frei. Zum andern werden in die Beschreibung „der Leute“ selbst grundsätzlich keine oder marginale kognitive Elemente eingefügt, ihre Einstellungen sind wesentlich „bedürfnis- und wollensartig“, und darin bereits System- („Verhältnisse“)-Derivat. Umgekehrt sind die Einschätzungen „der Leute“, Einschätzungen spätestens des Systems, bestimmt und („interessiert“) geformt durch die Stellung, die sie im System oder den Verhältnissen einnehmen. (libelles methodischer Hinweis hier: Ich muss erst die Sache bestimmen, dann das Bewusstsein von der Sache; das Bewusstsein der Leute ist durch diese kategoriale Überlegung als bestimmendes Moment der Sache bereits ausgeschlsossen.)
    „Lücke“ nenne ich das Fehlen einer Erklärung, wie „die Verhältnisse“ und ihr Gebahren („der Staat“ tut dies und das, „das Geld“ zwingt die Leute zu demunddem) sich aus der Summe aller Bewusstseinsinhalte (und zwar der kompletten) aller Beteiligter zusammen mit deren Handlungen ergeben.
    Sehen wir nach der andern Seite, der des Möglichen und Erwünschten, das durch einen zwischengeschalteten Prozess erreicht wird.
    Erst hier setzt auf einmal etwas im Kern nicht bloss Willensartiges ein – ein Denken, sich Kundigmachen, Beurteilen, alles, was eben mit einer kognitiven Stellungnahme zu den Verhältnissen, ihrer Einschätzung zu tun hat: der Prozess ist ein Erkenntnis- und Urteilsbildungs-Prozess. Freilich einer, in dem wesentlich jene Einschätzung nachvollzogen wird, zu der die Entwerfer des jeweiligen Gesellschafts-Szenarios lang vorher selber gekommen sind. Verbindungsstück zwischen diesem Prozess und dem ursprünglichen Zustand ist leider schon wieder ein Willensakt: Nicht mehr von vorneherein interessiert denken wollen; nicht mehr von vorneherein mit der eigenen Existenz und ihren Schranken als Mittel zurechtkommen wollen. Dieser Willensakt würde kognitive (Fort)Schritte voraussetzen: eine Ahnung, worin „interessiertes Denken“ oder das für die Beschädigung des eigenen Lebens massgeblich verantwortlich zu Machende besteht – Zweifel an der Richtigkeit der vormals sicheren Beurteilungen – Anlässe, etwas eingehender zu prüfen. Aber auch hier ist eine Entscheidung, ein Sich-Losreissen, ein Sprung und ein von vorne herein sich neu Orientieren, weit jenseits aller zweifelsanfälligen Erkenntnis, der alles entscheidende Zwischenschritt. Denn was DANN von den Betreffenden zu denken ist und darum auch gedacht wird, wissen die betreffenden Theorien genau: die eigene Interessiertheit (gleichartig wie die der der andern); oder die Ausweglosigkeit der Lage als Lohnarbeiter.
    Das Dumme ist bloss, dass ja schon die durch den neuen Entschluss verworfene Einstellung auf „Wollen“ beruhte. Dies Wollen hatte wenigstens noch eine URSACHE, die Verhältnisse, den Staat. Das neue Wollen hingegen soll es leisten, a) die bisher prägende Ursache abzuschalten (aber warum?), b) sich zu einem „Erkennenwollen“, Prüfen, wenn nicht gleich einer neuen, diesmal der richtigen Sicht der Dinge durchzuringen, auch ohne hinlängliche Zweifelsgründe (darum ja „Sprung“), c) es soll noch dazu sich über das bislang wirksame „Vermittelnde“, Anreiz, Drohung, hinwegsetzen, d) ihre gesamten bisherigen Einschätzungen als „blosse“ Legitimationsversuche ohne sachlichen Gehalt, der erst einmal neu zu beurteilen (bei Fehlern: zu widerlegen) wäre („Ideologien“) abtun, ablegen, entwerten.
    In Wirklichkeit ist da im Kern eine EINZIGE Entscheidung konstelliert: Wo du vorher mit allen möglichen Begleit-Flausen und Hirngespinsten DAFÜR warst, sollst du nun DAGEGEN sein; und an diesem Dafür- oder Dagegen entscheidet sich, ob du in deinem Leben einen Ausweg findest. Denn das, wogegen du dich entscheidest, ist DER Grund ALLEN Übels, das alles entscheidende Hindernis: Wir werfen den Staatszwang zur Konkurrenz ab, oder reflektieren die gesellschaftliche Form unserer Bedürfnisse, dann werden wir uns schon einigen, und unsere reflektierten Bedürfnisse zusammenpassen.
    Für all das gibt es in den nachvollziehbaren Beschreibungen „der Verhältnisse“ keinen wirklich guten Grund. Die Entscheidung muss daher auch ohne einen solchen getroffen werden, nämlich FREI. Dass sie jederzeit so getroffen werden kann, dazu darf das Bestimmende in „den Verhältnissen“ wieder nicht allzu überwältigend sein: Der Schalter kann jederzeit von „Dafür“ auf „dagegen“ gedreht werden, es gibt kein mentales Hindernis: Der Urheber, die Quelle der grundlosen Entscheidung, der sog WILLE ist frei.
    Alles, was sonst Inhalt von Gründen ist, ist in die teuflische System-Intelligenz verlagert; die ist weit jenseits des Bewusstseins der Helfershelfer und Werkzeuge angesiedelt, die blosse „Charaktermasken“ sind (was sie sich denken, ist wiederum egal).
    Von dort ausgehend, setzt der Staat, oder die Verhältnisse, den Leuten die alles entscheidene Voraussetzung (Erklärungen dafür spielen erst sekundär eine Rolle) in den Kopf, ihr freier Wille winkt das, ganz willenlos, durch. Erst dann wird ein Verstand aktiv, der nichts andres zu tun hat als dies rohe Ausgangsfaktum zu verkleiden, oder von ihm ausgehend, „instrumentell“ zu denken, aber dann ist ja auch klar, was er denken muss. Macht der Wille hingegen zu, und sperrt den System-Inhalt, ohne gross zu denken, aus, dann ist schon wieder alles klar, der Verstand, dieses eigenartig blinde, untergeordnete und in den entscheidenden Hinsichten determinierte („will es so sehen“, „interessiert denkend“) Organ, wird, einmal in die richtige Richtung orientiert, die ab da anstehenden Berechnungen und Beurteilungen korrekt (spätestens nach ein paar Lernerfahrungen) vollziehen.
    Erst jetzt wird der Mensch, so scheint es, zum Mensch. Er muss es nur wollen.

  133. franziska
    20. April 2013, 11:52 | #133

    Die kognitiven Kategorien, mit denen Leute ihr Leben bestreiten: Erfahrung, Hypothese, Versuch, Irrtum – sie kommen im soziologischen und Systemdenken nicht vor.
    Da „die Verhältnisse“ bzw. „der Staat“ im wesentlichen sich selbst erhalten, kommen „die Leute“ (homogene Masse, alle über einen Kamm zu scheren) nicht als deren Urheber infrage, erst recht keine kognitiven (nämlich Täuschungs- oder Entwicklungs-) Situationen), wo sie vorübergehend, verständlicherweise, sich als solche betätigen.
    Dabei ist die „wissens-theoretische“ (epistemologische) Zentralkategorie in den betreffenden Theorien bezeichnend, es geht immer um „Urteil“. Worauf Leute aufmerksam sind, wie sie ihre Aufmerksamkeit einteilen, nach wichtig und unwichtig, ihr (uU unentwickeltes) Begriffssystem, und wie es sich ausdifferenziert entlang wachsendenr Erfahrung scheint kaum von Bedeutung. Ich bin versucht zu sagen: Diese Theorien trauen dem Staat und den Verhältnissen mehr Logik und Erkenntnisfähigkeit zu als den Leuten; und fast ist dieser Sachverhalt selbst ein Beispiel für das, was gemeint ist: Den betreffenden Theoretikern fehlt der Begriff des Lernens und der Bedeutung des Ausbildens von Begriffen.
    Deswegen auch ihre Art des Vermittelns der eigenen fortgeschrittenen Einsicht: die heisst „Kritik“, und besteht wesentlich in der Aufforderung, spätestens nach einem entsprechenden Vortrag auf dasselbe aufmerksam zu sein und dieselben Kategorien dabei zu benutzen wie man selbst.
    In meinem Eingangs-Statement zu diesem thread und zwischendurch wurden Andeutungen darüber gemacht, wie fundamentale Weisen des Umgangs mit Erfahrung (erlebter wie berichteter), Erfahrungsabhängigem, Unwissen, aktivem und passivem Wissenserwerb (zusammengefasst unter dem Titel „Lernen“) herangezogen werden könnten, um die „Urteilsbildung“ von Leuten zu erklären, die beim gsp etwa „notwendig falsches Bewusstsein“ und bei „libelle“ etwa „instrumentelles“ oder „ideologisches Denken“ heisst.
    Für die Auseinandersetzungen hier wären diese Lern-Formen dann von besonderem Interesse, wenn meine Vermutung stimmt, dass sich aus ihnen auch die fundamentalen Verhältnisse von Leuten zu anderen, und damit „ihre Verhältnisse“ insgesamt erklären lassen.
    Insbesondere aus einer massenhaft verbreiteten, scheinbar erfahrungsabhängigen, in Wahrheit prinzipienlosen und sich von kontingenten Verläufen abhängig machenden Einstellung zum eignen Gewussten und dem der Andern lässt sich ihr Standpunkt als solche ableiten, die unbedingt über ein Eignes verfügen wollen.
    Aus der nächstreiferen Umgangsweise mit Wissen und Unwissen, die im wesentlichen religiöses Denken begründet, lassen sich die Erwartungen hinsichtlich System-artiger Vergesellschaftung, als Universalmittel wie als Universalschranke (nach deren Beseitigung alles gut wird), als Anwendung dieser kognitiven Form auf soziale Verhältnisse ableiten.
    Die noch fortgeschritteneren, nach-religiösen („modernen“) Einstellungen erklären bzw. machen verständlich, warum ihre Träger für unmittelbar gesellschaftliche Planung als Verarbeitung wachsenden Erfahrungswissens eintreten.
    Aber diese Unterscheidungen sind nicht das ganze Bild. Wichtig ist die Beschreibung der Übergänge; wichtig ist die Beantwortung der Frage, wie individuelle Übergänge vergesellschaftet werden und „kulturell“ wirksam werden, also wie Fortschritte Einzelner gesellschaftlichen Widerhall finden (oder historisch fanden), ja geradezu sich in Institutionen verkörpern können, und wie sich diese Fortschritte dann auch tatsächlich ins Bewusstsein anderer hinein ausbreiten. Lassen sie sich vermitteln? Lässt sich der individuelle Bildungsprozess beschleunigen?
    Eine entscheidende Komplikation will ich noch andeuten: Die fundamentalen Reifeschritte, von denen hier gesprochen wird, sind auch Ernüchterungsschritte, Einschränkungen von vormals möglich Erscheinendem. Wenn die Gründe für die entsprechenden Übergänge nicht mittradiert werden (was bislang nie der Fall war), schaffen es die epochalen Fortschritte gerade einmal, sich kulturell, als tradierte Bildungsinhalte, und in Institutionen, festzusetzen. Ihrer massenhaften Verarbeitung im Sinne einer Ent-Diffenenzierung und Wiederaufnahme als blosse Inhalte (die auch schon vorher denkbar waren, als noch viel mehr vernünftig zu sein schien, als im Licht der neueren Entwicklung) in einen diesen Inhalten nicht angemessenen Rahmen wirkt nichts entgegen. Darum ist es sehr wahrscheinlich, dass genuin moderne Inhalte in religiöse Verarbeitungsformen zurückfallen, und von da noch weiter in die abergläubisch-vorreligiösen. Entsprechend ist es zu erklären, warum das fortgeschrittene und der Moderne an sich angemessene Prinzip der Eigentumsfreiheit in politische Denkformen (das Systemdenken, das Klassendenken) zurückfallen und dann entsprechend praktisch umgesetzt werden kann, welche ihm nicht (mehr) gemäss sind.
    Von solchen Rückfällen ist nach meiner Einschätzung hier die Rede.
    Ein letzter Hinweis: Es spricht viel dafür, dass Moderne mit ihrer technomorphen Naturwissenschaft und darauf beruhenden Technologie und Produktionsweise, selbst bei deren eigentumsloser Vergesellschaftung, nicht (mehr) die derzeit reifste Form des gesellschaftlichen Lernens und Erfahrungsverarbeitens darstellt
    Alles über diese kaum verständlichen Andeutungen Hinausgehende, soweit vorhanden, kann hier nachgelesen werden: http://www.selbstbestimmung-als-aufgabe.de
    Weitere Äusserungen meinerseits auf diesem blossen Andeutungsniveau, da gebe ich libelle recht, machen keinen Sinn.

  134. Flash
    20. April 2013, 14:14 | #134

    Hallo Franziska,
    Dein zuletzt genannter „Link“ verweist in ein „Irrenhaus“.
    Ich denke, daß Du Dich von der wirklichen Welt bereits zu weit entfernt hast, als daß Dir noch zu helfen wäre.
    Ich sehe darin ein tragisches Scheitern eines Menschen, der sich heillos „verrannt“ hat.
    LGFlash

  135. franziska
    20. April 2013, 15:01 | #135

    Nein Flash, es ist ganz gewöhnliches Fachidiotentum.
    Das Ungewöhnliche ist, dass das Fach von Themen handelt, wo jeder bereits eine Meinung hat, und nicht erwartet, dass die Fachidioten etwas darüber Hinausgehendes finden könnten. Und natürlich schützt lange intensive Beschäftigung mit etwas nicht vor Fehlern. Die Geistesgeschichte ist voll von „Sich Verrennen“, und das sind bloss die bekannten Fälle. Schliesslich sind „Fachidioten“ für die andern nie so ganz einschätzbar. Das ist einer der Gründe, warum man in einer eigentumsfreien Gesellschaft vielleicht sehr genau prüfen muss, inwieweit man sich von davon abhängig macht.

  136. libelle
    20. April 2013, 15:12 | #136

    @Flash: Den Eindruck hat auch der Irre in seinem Irrenhaus, wenn er auf die Welt vor seinem Fenster schaut. Woher willst Du also wissen, dass nicht Du es bist, der im Irrenhaus sitzt und Franziska vor Deinem Fenster herumläuft?
    Deshalb kann man sich darauf beschränken zu versuchen zu verstehen, was die einzelnen Irrenhäuser ausmacht.
    @Franziska: Ich kann nur eine kurze Entgegnung abfassen, da es zu mehr bei mir in Moment nicht reicht.
    1. System
    Deine Kritik an mir (der GSP ist mir egal), die mir eine Determination des Denkens der Leute in einem System unterstellt ist unsachlich, da am Anfang bei mir eben ein Bewusstseinsakt steht. Sein Inhalt ist, die Verhältnisse, die man vorfindet (und jeder Mensch findet nun mal Verältnisse vor) als selbstverständliche Grundlage, auf der man die Verwirklichung siner Bedürfnisse betreibt, hinzunehmen.
    Dieser Bewusstseinsakt sorgt dafür, dass a) das Bewusstsein der Leute sich entlang eben dieser Stellung (die Gesellschaft ist eine Gegebenheit f. meine Bedürfnisse) bildet und darüber sich ziemlich einheitlich innerhalb der Möglichkeiten, die es dafür gibt als bürgerliches Bewusstsein herausbildet.
    Und die Bedürfnisse selbst entnehmen b) die Leute auch den Verhältnissen. Es ist nicht so, dass man den Verstand eines Säuglings nur lange genug abgeschlossen vor sich hingären lassen muss und er dann irgendwann z.B. Forscher oder Fußballstar werden will, sondern diese Bedürfnisse entnimmt ein Mensch den Verhältnissen, die er vorfindet.
    Und dann Stellen sich ihm erst Fragen, wie: „Wie kann der Fußball verbessert werden, damit ich Fußballprofi werden kann?“, oder: „Was muss an den Universitäten passieren, damit genügend Leute Forscher werden können?“ usw… Nimm‘ doch mal diese Fragen auseinander! Als was kommt denn der Kapitalismus darin vor? Meines Erachtens als positive aber verbesserungswürdige Grundlage dieser Bedürfnisse. Und genau das tun solche Leute dann, wenn sie sich an der Gesellschaft verändernd zu schaffen machen: Sie versuchen sie so zu ändern, dass die Bedürfnisse, die sie den Verhältnissen selbst entnommen haben in ihnen gehen (oder besser gehen). Und das eben auf der Grundlage, die ihnen die Gesellschaft vorgibt (Geld, Kapital, Recht, Nation usw..)
    2. Du hast nicht zur Kenntnis genommen, dass die Gesellschaft ein Handlungszusammenhang ist. Diese Handlungen kann man ganz ohne irgendwas über das Bewusstsein der Leute wissen zu müssen bestimmen (Die Leute tauschen -> Was ist Tausch?; Sie führen Kriege -> Was ist Kieg und was macht ihn notwendig? etc…). Erkläre doch mal, warum das, was da herauskommt kein Wissen über die Handlungen der Leute sein sollte?
    Danach kann man fragen, mit welchem Bewusstsein sie das tun und auch da bekommt man Wissen heraus. Ich finde Deine Fragestellung nichteinmal so verkehrt. Befremdlich erscheint mir nur, dass Du das, was man vorher über die Welt wissen kann (und bereits weiß) durch sie ersetzen willst. Was Du vorschlägst ist aber bestenfalls eine Ergänzung davon, nämlich die, mal hinzuschauen, wie der Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Handlung bei den Leuten dann genau geht und ob es da (von mir aus) Übergänge gibt, die aus diesen Bewusstsein herausführen.
    Du kannst nie und nimmer den Begriff irgend einer Handlung der Leute darüber herausfinden, was die sich denken. Beispiel: Der Richter spricht Recht und denkt sich was dabei. Was Recht ist, kannst Du nicht aus dem ableiten, was der über das Recht im Kopf hat, es sei denn, Du unterstellst, dass man nur die Sachen tun kann, von denen man auch einen Begriff hat.
    3. Ich habe auch keine Strategien oder sonstwas die Gesellschaft zu ändern, weil diese Strategien, das steht u.a. in diesem Thread wieder, eine Spinnerei sind. Man kann (und sollte) nur tun, wovon man Subjekt ist. Deshalb auch meine Sympathie für die Kommunarden. Tut man das mit der Idee einer „Strategie“ wird das, was man über die Welt denkt Ideologie.

  137. Flash
    20. April 2013, 16:11 | #137

    Hallo Franzika (und auch Libelle, bei dem allerdings zumindest noch etwas „Substanz“ in einigen seiner bzw. ihrer Aussagen ist):
    Ihr scheint nicht zu den Ärmsten in dieser Welt zu gehören.
    (Ansonsten würdet Ihr Euch derartige Gedanken sicherlich nicht machen und hättet andere Sorgen.)
    Doch bemerkt Ihr nicht selbst, wie „luxuriös“ Euere Gedankenspiele angesichts einer Welt, in der z.B. täglich inzwischen weit über 100.000 Menschen an den Folgen eines zerstörerischen Wirtschaftsystems verhungern bzw. elend krepieren?
    Und wir am Vorabend der größten Katastrophe in der bisherigen „Menschheitsgeschichte“, d.h. erneuten, diesmal 3.Weltkriegs stehen?
    Usw.
    Ob dem z.B. mit erkenntnistheortischen Überlegungen abzuhelfen ist, bezweifele ich schlichtweg.
    Für Euch scheint die Welt im wesentlichen aus mehr oder weniger interessanten „Gedankenspielen“ zu bestehen, während diese „ihren Gang“ geht, daß es nur so kracht.
    Ich halte Eure Weltsicht für ziemlich brutal und erwarte davon keine Hilfe bzw. Unterstützung hinsichtlich einer besseren Welt ohne Armut, Not und Kriege.
    LGFlash

  138. libelle
    20. April 2013, 16:16 | #138

    @Flash: OK, dann lass uns in unserer Schmuddelecke einfach in Ruhe. Wenn Dein Tipp mit dem 3. Weltkrieg stimmen sollte, geb‘ ich Dir einen Fünfer von meinem Vermögen ab.

  139. Flash
    20. April 2013, 16:30 | #139

    Hallo Libelle,
    Danke für Deinen Hinweis, den ich selbstverständlich befolgen werde.
    Allerdings kannst Du Deinen „Fünfer“ behalten (falls mein „Tipp mit dem 3.Weltkrieg stimmen sollte“), da spätestens danach das Geld sowieso nichts mehr wert ist.
    Falls Du überleben solltest (was ich allerdings angesichts Deines Bewußtseins für relativ unwahrscheinlich halte), könntest Du danach z.B. damit ein Feuer anzünden (z.B. um Dich zu wärmen) und an mich denken.
    Das wäre doch auch schon ‚mal ‚was.
    LGFlash

  140. Flash
    20. April 2013, 16:48 | #140

    Übrigens, wen’s interessiert:
    Ich habe neulich Renate Dillmann („renate dillmann.de“) ein paar Anmerkungen zu ihrem china-kritischen Buch „China-Ein Lehrstück“) geschrieben, die diese gestern auf ihrer Homepage beantwortet hat.
    Dem stimme ich vollinhaltlich zu.
    Das ist deshalb aktuell und interessant, da wir demnächst (d.h. spätestens nach dem 3.Weltkrieg) vor einer ähnlichen Problematik stehen werden und im Laufe der Zeit versuchen müssen, aus einer weitgehend zerstörten Welt, die uns der Kapitalismus bzw. die bürgerliche Gesellschaft hinterläßt, etwas möglichst Gescheites zu machen.
    Ich denke, daß sich die Antwort von Renate Dillmann (auch wenn es darum mehr um allgemeine Fragen, vor allem im damaligen China, geht) zu lesen lohnt.
    LGFlash

  141. Paul Dessau
    20. April 2013, 21:21 | #141

    Was die Methodenfragen angeht, die ohnehin nur für ein paar Nerds spannend sind, hat libelle alles Nötige gegen franziska gesagt (im Beitrag vom 15.April 2013 um 12:57 im Punkt 5 und im Beitrag vom 20.April 2013 um 15:12 Uhr im Punkt 2). Dem kann ich nur zustimmen.
    Ergänzend dazu will ich den alten Engels zitieren: „Dagegen in der Geschichte der Gesellschaft sind die Handelnden lauter mit Bewußtsein begabte, mit Überlegung oder Leidenschaft handelnde, auf bestimmte Zwecke hinarbeitende Menschen; nichts geschieht ohne bewußte Absicht, ohne gewolltes Ziel. Aber (…) [n]ur selten geschieht das Gewollte, in den meisten Fällen durchkreuzen und widerstreiten sich die vielen gewollten Zwecke oder sind diese Zwecke selbst von vornherein undurchführbar oder die Mittel unzureichend. So führen die Zusammenstöße der zahllosen Einzelwillen und Einzelhandlungen auf geschichtlichem Gebiet einen Zustand herbei, der ganz dem in der bewußtlosen Natur herrschenden analog ist. Die Zwecke der Handlungen sind gewollt, aber die Resultate, die wirklich aus den Handlungen folgen, sind nicht gewollt, oder soweit sie dem gewollten Zweck zunächst doch zu entsprechen scheinen, haben sie schließlich ganz andre als die gewollten Folgen“ (MEW 21, S. 296f).
    Ein Beispiel dafür ist die Geschichte der regelmäßig wiederkehrenden Wirtschaftskrisen, die ja durch das Handeln der Kapitalagenten hervorgebracht, aber von niemandem gewollt werden. Das kann zum Beispiel so vor sich gehen: Im Wettbewerb um Marktanteile versuchen die Unternehmer, ihren Rivalen Kundschaft abzujagen. Das Streben nach Absatzsteigerung setzt voraus, dass die Produktionskapazität auf Zuwachs angelegt wird; die Unternehmer bauen Reservekapazitäten auf und rationalisieren. Für das einzelne Unternehmen ist es rational, in Maschinerie zu investieren, um in größerem Maßstab zu produzieren, die Arbeitsproduktivität zu steigern und die Stückkosten zu senken. Dabei setzen sich die Konkurrenten gegenseitig unter Druck, die Waren unter denselben günstigen Verhältnissen herzustellen. Weil alle dasselbe tun, wird die Produktion über die Schranken des Marktes hinausgetrieben. Um den durch Produktivitätssteigerung erhöhten Output abzusetzen, werden die Preise gesenkt. Wenn sich das neue Produktivitätsniveau verallgemeinert, sinken die Preise, die in der Branche erzielt werden können, und dadurch sinken die Gewinne im Verhältnis zu den nun höheren Kapitalauslagen. Die Durchschnittsprofitrate fällt, und zwar ausgerechnet dadurch, dass alle Konkurrenten versuchen, ihre eigene Profitrate zu steigern, bis die Verwertung des Kapitals irgendwann nicht mehr weitergeht.
    Allgemein, also unabhängig von Krisen gilt: Es ist ihre eigene betriebswirtschaftliche Rationalität, die die Kapitalagenten dazu bringt, die Gesetze zu exekutieren, die im „Kapital“ aufgeschrieben sind, obwohl sie die gar nicht kennen. Sie wissen das nicht, aber sie tun es. (Wie das geht, steht in einer Schrift der MG von 1979 mit dem Titel „Die Konkurrenz der Kapitalisten“).

  142. Paul Dessau
    20. April 2013, 21:37 | #142

    @franziska:
    Auf die abstrakte Diskussion von „Theorietypen“, die Du hier führst, will ich mich nicht einlassen. Wenn andere von Deiner Vorliebe abweichen, bei der Erklärung gesellschaftlicher Sachverhalte vom Denken der Einzelnen auszugehen, muss das ja kein Fehler sein. Fehler müssen sich an der Erklärung der Sachen selbst erweisen. Aber eine längere Anmerkung habe ich noch zu machen.
    Du schreibst:

    Es scheint, dass die andern nur solche sind, ÜBER die man spricht. Ihre Urteile über das bestehende sind nicht etwa bloss schlecht begründet, uninformiert, undurchdacht, „religiös“, „vorurteilshaft“ – sie sind vor allem garnicht vorhanden als URSACHE der Verhältnisse, etwa in Gestalt von Versäumnissen (…). Stattdessen bekommen diese Verhältnisse etwas eigentümlich subjekthaftes: Der Staat, der herrschende Zweck, oder eben: DIE Verhältnisse (…). Die Verhältnisse SETZEN SICH DURCH, und „die Leute“ stellen sich nur noch dazu, sind nicht (…) Urheber – alle zusammen.

    Und:

    Die Beschreibung des Ist-Zustands in linksradikalen Theorien dieser Art vermeidet es penibel, die Beurteilungen „der Leute“ heranzuziehen, wenn es um die Beschreibung des Systems geht, das darum dargestellt werden kann, als wäre es eben nicht ihr Werk. Der Raum für die subjekthafte eigentliche Gestaltungsmacht: das Kapital, der Staat, die Verhältnisse wird so frei.

    Deine Einwände lassen sich auf die Formel zusammenziehen: „Verhältnisse tun nichts, Strukturen handeln nicht – nur Menschen tun und handeln“. Aber das ist banal, das weiß jeder. Niemand behauptet etwas anderes. Dass „die Leute“ in ihrer Gesamtheit die „Urheber“ der Verhältnisse sind, ist zu trivial, um es aufzuschreiben. Wer soll es denn sonst sein? Wie sonst soll sich die Gesellschaft reproduzieren als durch die Handlungen der Gesellschaftsmitglieder? Statt anderen zu unterstellen, sie wüssten das nicht, solltest Du sie fragen, was sie denn mit diesen Redeweisen meinen, an denen Du Anstoß nimmst. Vielleicht treffen diese Formulierungen ja einen Aspekt der kapitalistischen Wirklichkeit, der sich mit anderen Worten nicht so gut ausdrücken lässt.
    So verweist die Rede vom „herrschenden Zweck“ der Kapitalvermehrung auf den bedauerlichen Umstand, dass in der bürgerlichen Gesellschaft das Klasseninteresse der Bourgeoisie, der Kapitaleigentümer und Spitzenmanager, so ziemlich mit dem Allgemeinwohl zusammenfällt. Das ist deshalb so, weil der gesellschaftliche Lebensprozess von der Verwertung des Gesamtkapitals abhängig gemacht worden ist. Arbeit wird geleistet, wenn und weil sie rentabel ist. Produktion und Reproduktion sind der Vermehrung des privaten Reichtums der Kapitalbesitzer untergeordnet. Wenn die nicht investieren, schiebt sich nichts: Die Lohnabhängigen können ihre Arbeitskraft nicht verkaufen und verlieren ihr Einkommen, während es den Sozialkassen und dem Staatshaushalt an Einnahmen fehlt. Die Kapitalbesitzer investieren aber nur, wenn sie mit ordentlichen Gewinnen rechnen können.
    Das wissen die Staatsagenten, deshalb sind sie ständig damit beschäftigt, die Gesellschaft so zurechtzureformieren, dass die Voraussetzungen der Kapitalvermehrung erhalten bleiben bzw. geschaffen werden. Dadurch bedient der Staat das Klasseninteresse der Bourgeoisie, obwohl er doch auch dieser Klasse gegenüber souverän ist. Die erste Voraussetzung der Kapitalvermehrung ist eine ausbeutbare Arbeiterklasse, die als „Humanressource“ ihren Dienst tut, indem sie das Eigentum anderer vermehrt, Reichtum schafft, der ihr nicht gehört. Und dann gibt es viele weitere Voraussetzungen, was in der geschichtlichen Tendenz dazu führt, dass die gesamte Gesellschaft für den Klassengegensatz funktional gemacht wird. Die Schule zum Beispiel tut ihren Dienst, indem sie den Zweck der Auslese für die kapitalistische Hierarchie der Berufe erfüllt. Das alles geschieht natürlich aus „gesellschaftlicher Verantwortung“ heraus.
    So ist die kapitalistische Gesellschaft insgesamt ein System von Abhängigkeiten und Voraussetzungen, in dem alles an der Verwertung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals hängt, die in der Durchschnittsprofitrate ihr Maß hat. Die Kapitalisten hängen daran über den Durchschnittsprofit und die Lohnabhängigen über die Arbeitsmarktlage. Wenn diese Verwertung nicht erreicht wird, herrscht Ebbe in den Kassen und viele einzelne Zwecke können nicht verwirklicht werden. Darauf beruht die Macht der ökonomisch herrschenden Klasse. Diese Macht bleibt so lange bestehen, wie das Privateigentum an den Produktionsmitteln garantiert ist. So lange kann eine Minderheit die Mehrheit für sich arbeiten lassen, weil diese Mehrheit der Möglichkeit beraubt ist, aus eigener Kraft, durch gemeinschaftliche Arbeit, für ihr Auskommen zu sorgen. Dabei herrscht aber nicht Willkür, sondern es herrschen die Zwangsgesetze der Konkurrenz. Wer in der Konkurrenz der Unternehmen um Gewinnchancen oder in der Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte um die Anziehung von Kapital bestehen will, muss in irgendeiner Weise zur Kapitalvermehrung beitragen.
    Solche Abhängigkeiten und Machtverhältnisse entscheiden darüber, was in dieser Gesellschaft möglich ist und was nicht. Diese Einsicht lässt sich zum Beispiel in der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen anwenden. Ein solches Grundeinkommen ist auf kapitalistischer Grundlage nur dann möglich, wenn es knapp genug bemessen ist, um den ökonomischen Zwang zum Verkauf der Arbeitskraft nicht außer Kraft zu setzen. Wenn zu viele Leute lieber mit dem Grundeinkommen auskommen als lohnarbeiten zu gehen, wird die Kapitalverwertung beeinträchtigt. Dadurch würde das Grundeinkommen seine eigene Voraussetzung untergraben: Es fehlten dann schlicht die Mittel, um es zu finanzieren. Dasselbe Ergebnis tritt ein, wenn die Kosten der sozialen Sicherung den Preis der Arbeitskraft so verteuern, dass Investitionen im Land vergleichsweise weniger rentabel sind als Investitionen anderswo. Dann wandert das Kapital aus, weil es immer dahin zieht, wo die höchste Rendite winkt.
    Auf diese Weise sorgen der herrschende Zweck der Kapitalvermehrung und die Zwänge der Konkurrenz dafür, dass ein großzügig ausgestattetes Grundeinkommen nicht in die kapitalistische Landschaft passt. Das liegt am System, an den eingerichteten Abhängigkeiten und Machtverhältnissen. Und das widerspricht Deinem linksradikalen Voluntarismus. Wenn Du sagst: „Das einzig reale am System ist der Glaube daran“, dann würde bei diesem Beispiel daraus folgen (wenn man diese Aussage weiterdenkt): „Wenn genügend Leute glauben, dass es geht, dann geht es auch“. Aber so ist es nicht. Würden solche arbeiterfreundlichen Reformen tatsächlich durchgesetzt, dann würden die Leute an den Folgen (Investitionsstreik der Unternehmer, Wirtschaftskrise) merken, dass ihr Glaube eine Illusion gewesen ist. Spätestens dann würde das Grundeinkommen drastisch gekürzt werden. Reformen, die der Kapitalverwertung im Wege stehen, werden über kurz oder lang wieder einkassiert. Sie finden ohnehin nur ausnahmsweise statt. In der Regel dient der Staat dem Kapital, weil die kapitalistisch organisierte Reichtumsproduktion die ökonomische Basis seiner Macht ist. (Parteien gelten erst dann als „regierungsfähig“, wenn sie diese Lektion gelernt haben.)
    Heutzutage gehen die Kopflanger des Kapitals mit den eingerichteten Abhängigkeiten sogar erfolgreich agitieren, weil ihre Adressaten längst daran gewöhnt sind, sich in ihrer Abhängigkeit einzurichten. „Das ist die Realität“, heißt es dann. Es wäre aber eine schlechte Kritik, wenn man reale Bedingungen und „Sachzwänge“ leugnen oder zum bloßen „Glauben“ erklären würde. Es kommt vielmehr darauf an, die „Realität“ als Codewort für die bestehenden Machtverhältnisse und herrschenden Interessen zu entziffern.

  143. franziska
    20. April 2013, 22:21 | #143

    Schau, Paul, ich verlange nicht das Bekenntnis zu einer Trivialität, sondern das, was du mit Mühe und einigem Aufwand, dafür bin ich auch dankbar, selber in deinen Referaten marxistischer Theorien zu leisten versuchst: Die VERMITTLUNG zwischen dem, wss einzelne Leute wollen und tun, und dem Resultat, das zumindest Metaphern wie „herrschender Zweck“ nahezulegen scheint, weil man es sonst garnicht sagen kann.
    Ein eigentlich sehr zentraler Satz bei dir steht dann aber in einem eigenartigen Passiv, dieser hier:
    „Das ist deshalb so, weil der gesellschaftliche Lebensprozess von der Verwertung des Gesamtkapitals abhängig gemacht worden ist.“ Wer hat abhängig gemacht? Und warum „wird“ die Abhängigkeit, da sie sich als so schädlich erweist, nicht schleunigst beendet? Alles, was du ab dann schreibst, setzt eine (Klassen)Stellung IN diesem Abhängig-Gemachten voraus. Niemand wird erwähnt, der eine Stellung ZU ihm hat, ausser noch den paar ohnmächtigen Kommunisten.
    Alle Leute sind blind wie die Maulwürfe auf ihre Funktion festgelegt, die sie dann wunders wie raffiniert exekutieren – bloss von dem Gesamtzusammenhang, der ständig hohe Kosten und Opfer erfordert, wissen sie nichts, denken sich nichts, und machen von ihrem (gut oder schlecht) davon Denken schon garnichts abhängig? Nur die paar wie bekannt…?
    Siehst du Paul, da haben wir schon die Anfangs-Stücke meiner Rekonstruktion beieinander.
    Ich könnte das vertiefen, auch in Auseindersetzung mit libelle und Engels zum Handlungszusammenhang, zur Sache, zu der das Bewusstsein sich (immerhin? tut es das je mal?) STELLT (ohne ihr Bestandteil zu sein)… und zu den angeblichen Notwendigkeiten der „Konkurrenz“ (ich erinnere daran, dass ich daran ein paar hier leider noch nicht präsentierte Zweifel anmelde).
    Aber zum Glauben lass mich noch was sagen.
    Der Systemglaube bringt doch kein System hervor, da muss man doch noch was tun – und es muss, in gewissem sinn, gelingen!? sagst du, und andre.
    Ich sage auch bloss in meiner Kurzformel: den SCHEIN der Systemhaftigkeit bringt massenhaftes, durch Glauben an System-Vergesellschaftung ohne Abstimmung und Koordination motiviertes Handeln hervor. Echte Marktbefürworter REDEN so, als lebten wir im Kommunismus – das alles ist doch zum Besten aller, im Dienste des Allgemeinwohls, und wenn und wo es nicht eingerichtet ist und wäre, muss und müsste es DESHALB sofort eingerichtet werden. Und der Erfolg der Erfolgreichen zeigt ihre Berufung und Befähigung zur Leitung eines Teils des gesellschaftlichen Produktionsapparats, sind sie unfähig, werden sie „vom Markt“ persönlich gefeuert. (Das ist kaum zu widerlegen… ausser durch seine komplette Prinzipienlosigkeit und tautologische Machart.)
    Das ist doch alles nur Begleitmusik? Ich sage, das ist die Partitur, und die Musik (die immer Interpretationsfreiheit lässt) folgt ihr Note für Note: Die Ideologie wird WAHRGEMACHT. Genau darum klingts dann so schrecklich..
    Vergiss nicht, Paul, auch ich hab eine Kritk, auch ich sehe NOTWENDIGE Schäden: Die Ideologie sagt, und das Handlen passt dazu: Man kann einen ständig innovativen und expansiven Reproduktionsprozess wie den in modernen Industriegesellschaften steuern ohne Koordination und Planung, ja gerade dann gehts besonders gut. Das ist WAHNWITZ.
    Deswegen die Konsequenz, die hier als „small is beautiful“ verkannt wird: Leute, die (wie auch immer sie dazu kommen) ein Stück Reproduktion beherrschen lernen wollen, müssen klein anfangen. Ob sie ihren weiteren Aufbau dann in Richtung derselben Industrien orientieren, wie wir sie heute haben, kann man mit einigen (durchaus technischen) Gründen bezweifeln, darüber wurde im DKP-thread drüben gesprochen.

  144. franziska
    21. April 2013, 09:21 | #144

    vorweg: „Methodenfragen“ behandeln ist auch bloss eine Art, über Gegenstände zu reden..
    libelle,
    mir gings darum, zu erschliessen, wie du dir aufgrund deiner soziologischen Vorgaben ganz konsequent den PROZESS denken musst, der (garnicht mit Strategie) aus dem ideologischen Denken herausführt.
    Auch jetzt, nebenbei, steht bei dir ein: man SOLLTE, als Ergänzung zur These: Man KANN NUR… Warum sehen die andern das nicht gleich selber so? In Kürze also zu 3: Das Zustandekommen des Fehlers im „ideologischen Denken“ ist noch nicht aufgeklärt. Aber das liegt an 2 und 1.
    Allgemein auf Handlungen bezogen, klingt die Aussage, wonach gerade das Nichtbeabsichtigte in ihnen das Wesentliche sein soll, reichlich absurd. Wir haben es hier aber mit einem sehr speziellen Handlungszusammenhang zu tun, bei dem es paradoxerweise gerade auf dies jenseits aller Absicht Liegende ankommt: Credo quia absurdum, dh. man MUSS es eben darum glauben, weil es an sich und vom Alltagsverstand her genommen absurd ist.
    Mehr im Detail:
    Ich unterscheide an „den Leuten“ erstmal diejenigen, die sich kritisch oder befürwortend, im subjektiv berechtigt guten Glauben, hinlänglich unterrichtet, ausgebildet, reflektiert zu sein, auf die Verhältnisse beziehen, und somit ZU IHNEN Stellung nehmen; des weiteren Leute, die ähnlcih stellung nehmen, aber mit auch subjektiv schwächerer Begründung: autoritär der ersten Gruppe vertrauend, ohne Stellungnahme berechnend (die Verhältnisse als taugliches, wenigstens nciht hinderliches Mittel betrachtend) bzw. alles wie einen Naturzusammenhang hinnehmend, unzufrieden, aber unsicher/ zweifelnd usw)
    Alle, die in „die“ (?) Verhältnisse hineinwachsen, vollziehen nicht nur EINEN Bewusstseinsakt, sondern viele – und welche Reifegrade ihr Urteil (oder ihre Hypothesen) über „die“ Verhältnisse dabei erreicht, hängt von mancherlei ab.
    Denoch gibt es unter den „Verantwortlichen“ („Eliten“), denen mit wiederum mehr oder weniger guten Gründen vertraut wird, einen begründeten Konsens darüber, warum die grossen gesellschaftlichen Zusammenhänge so und nicht anders eingerichtet sein sollen. Die Art, wie sie zu ihren Begründungen kommen, weist fundamentale Mängel auf, die abzustellen oder gar zu sehen sie im Rahmen ihres Erfahrungs-Horizonts (und der beruht auf ihrem Nachvollzug gesellschaftlich verfügbarer, in Biildungsgängen und Institutionen geronnener historischer Erfahrung) nicht motiviert sind (das ist der Punkt, wo das, was ich sage, dem von dir Vorgebrachten wohl am nächsten kommt).
    Diese „mangelhaften Begründungen“ laufen derzeit und auch früher schon auf Handlungsweisen hinaus, bei denen so getan wird, als ob die Resultate einer Abstimmung von Arbeitsteilung, oder auch Möglichkeiten der Konfliktbereinigung bereits vorlägen; die (verrückte) Hypothese dazu lautet: Wenn alle sich so verhalten, ALS OB sie bereits optimal (koordiniert, zwanglos übereinstimmend hinsichtlich der Ziele) vergesellschaftet wären, wird eine Vergesellschaftung herauskommen, die diesem Zustand so weit wie möglich (hier ist die Stelle, wo es sich unwiderlegbar macht) nahekommt – ohne dass man die Mühen der Koordination oder Konflikt-Beseitigung bei der kollektiven Planung auf sich nehmen müsste. Es geht sogar besser so, oder sogar NUR so!
    Dies zu unterstellen, ALS OB es der Fall wäre, ja sogar zwingend vernünftig zu finden (alternativ vielleicht auch: für erfolgreich erprobt) – das nenne ich einen Glauben, oder eine OPTIMALHYPOTHESE (ein bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmendes Bestdenkbares). Er weist grundlegende Gemeinsamkeiten (auch noch weitere, die ich hier nicht ausführe) mit religiösen Denk-Formen über die Welt auf, handelt aber nicht von der (unbekannten) Welt, sondern von (nicht auf Verständigung beruhenden, daher unklaren, unbestimmten) gesellschaftlichen Verhältnissen. Wenn „Eliten“ und ihre Gefolgschaft sich massenhaft im Sinne dieses Glaubens verhalten, bringen sie allerdings etwas hervor, das irgendwie, schlecht und recht „funktioniert“, so wie sie es sich denken (sie lassen ihm ja auch unendlich viel Freiräume – der Glaube ist nicht widerlegbar – ganz egal, wie sehr die Marktteilnehmer oder Staatsagenten einander ihre Pläne durchkreuzen mögen; das Resultat bleibt in einem fort das jeweils bestmögliche, wär sonst bloss schlimmer gekommen).
    Anm.1: Das Argument, dass aus blossem Glauben noch kein Markt zustandekommt, ist völlig korrekt, aber die Marktfreunde kennen es längst, sie tun alles (und gehen dabei, wie uns allen bekannt, nicht eben zimperlich zu Werk), um einen Markt, da wo er nicht existiert oder ihm was fehlt, einzurichten. Sie eröffnen den noch nicht Beteiligten Chancen, setzen Anreize, aber auch Drohungen, verhindern nicht-marktkonformes Verhalten, und tun so, anders als die sich religiös zur (unbekannten) WELT Verhaltenden (die im engeren Sinne religiös Glaubenden) alles, um ihren Glauben (ihre Ideologie) WAHRZUMACHEN, da wo ihr sichtlich jede Grundlage fehlt. Sobald „es“ dann funktioniert, ist alles Interpretation. Oder eben doch wieder nachhelfende, oder „befreiende“ Einrichtung…
    Anm. 2: Dieses optimal-hypothetische Systemdenken lässt sich auf „den Staat“ oder „das politische System“ ebenso ausdehnen, wie es sich einmal auf „den (technisch-wissenschaftlichen) Fortschritt“ oder „die Geschichte“ bezogen hat; es weist in sich selbst insofern einen historischen Reifungsprozess auf, als es sich auf Dauer immer wieder zu Präzisierungen genötigt sieht: der Fortschritt lässt sich nur als best-denkbar vorstellen, wenn er durch eine ihm optimal entsprechende (marktwirtschaftliche) Wirtschaft umgesetzt wird, die wiederum nur, wenn durch ein ihr optimal entsprechendes System der gesellschaftlichen Konsensbildung (hinsichtlich der so gewollten Einrichtung der gesellschaftlichen Organisation von Produktion); und dieses kann seine Leistungen wiederum nur erbringen, wenn (das ist die aktuell neueste Zutat) ihm ein schon auf „privater“ Ebene optimal vernetzter Zusammenhang der Lebensentwürfe aller Gesellschaftsmitglieder vorausgeht: die Zivilgesellschaft.
    Anm. 3 Von jeder dieser Stufen in der Entwicklung des modernen Vergesellschaftungs-, nämlich SYSTEM-Glaubens (als blosser (aber aus zwingenden Gründen eher als andre zu unterstellenden) HYPOTHESE) gibt es eine davon abgeleitete GLÄUBIGE Variante, die je dieselbe Vorstellung zum Inhalt einer ERWARTUNG macht, die man aufgrund der mittlerweile verfügbaren historischen Erfahrungen berechtigterweise haben DARF. Leute mit solchen Einstellungen stehen zu den blossen „Hypothesen-Besitzern“ (den eigentlichen Glaubens-Erfindern und Ideologie-Wahrmachern) in einem ständigen Spannungsverhältnis; die einen sind gewissermassen die politischen Theologen und Prediger („Wirtschaftsweise“), die andern die primitiver eingestellte Gemeinde, der man das Zwingende des eigentlichen Glaubens immer wieder neu als mit ihren Erfahrungsverläufen vereinbar erklären muss.
    Anm 4: Von jeder dieser Stufen gibt es, nebenbei, auch eine kritische Variante, die wahrscheinlich sogar die Triebfeder für die ständigen „Präzisierungsversuche“ (entlang der Reihe Technik-Wirtschaft-Politik/Staat-vernetzte Lebensentwürfe) dieser politischen Konfession darstellt: Wenn es mit der je letzten Version des Glaubens Probleme gab, etwa der technische Fortschritt keineswegs bloss segenbringend wirkt, dann darum, weil die ihn umsetzende politische Ökonomie sich noch nicht im optimalhypothetisch bestdenkbaren Zustand befindet; wenn diese Hypothese unplausibel wirkt und garnicht mehr zwingend, wird sie um die von einem bestdenkbaren politischen System ergänzt, und wenn das (Glaubens)Zweifel weckt, dann bloss darum, weil es die Anforderungen einer zur Entfaltung ihrer Potentiale befreiten Zivilgesellschaft missachtet hat. Der jeweilige Übergang spitzte sich bei jeder der bisherigen „Präzisierungsstufen“ des politischen Glaubens zu auf: Befreiung der Potentiale der je nächstanstehenden Stufe durch „Revolution“, Wegsprengen der (auf dieser neuen Stufe) hindernden Fesseln für ein optimales (glaubens-entsprechendes) Gedeihen der voraufgehenden Stufe.
    Soweit eine erste Andeutung, wie ein kollektiver (mit abgestuft ausgefeilten Motiven, ihn zu übernehmen) Glaube (oder eine Optimalhypothese) hinsichtlich der in seinem Sinne eingerichteten Verhältnisse „Handlungszusammenhänge“ erzeugt, die von allen Beteiligten im Sinne des gemeinsamen Glaubens interpretiert werden und nicht so bald dazu angetan snd, an ihm irre zu werden.
    (Die Darstellung meiner Thesen über Formen politisch-religiösen Denkens ist mangelhaft, weil sie
    1. ergänzt werden müsste um die Darstellung des eigentlich religiösen Verhältnisses zur Welt (das politische Glauben wäre dann als Anwendung dieser Denkform auf Vergesellschaftung kenntlich; obendrein würde deutlich werden, warum religiöses Denken eine kaum zu vermeidende (in diesem sinn: notwendige) Zwischenstufe der kulturellen Entwicklung darstellt);
    2. Entscheidung zu meinen Gunsten in einer Kontroverse zwischen mir und dem Rest der Mitschreibenden voraussetzt, die aber leider noch nicht ausgetragen ist: Es ist die Kontroverse darüber, ob die kapitalistische Ökonomie notwendige, geradezu gesetzesartige Tendenzen aufweist, die allein aufgrund der „Anfangsspielregeln“ (der „Konkurrenz“ wirken und sich durchsetzen; oder ob, wie ich es behaupte, kein SCHADEN notwendig in dieser Ökonomie entsteht, aber auch nichts ihn verhindert, und genau das ist das Schlimme. Hinweis: Kostensenkung als alleiniges Mittel zum Erfolg? Oje. Da sind die Betriebswirtschaftler aber weiter. Erfolg am Markt (bzw. die Krise) hat viele Gründe, am besten, man realisiert (verhindert bzw. kontrollliert, beobachtet) sie alle, auch das kann freilich ein Fehler sein (zuviel des Guten! weniger wäre mehr gewesen!) – garantiert ist dann leider immer noch nichts (Krise wieder mal bloss von EINEM Ökonomen so vorhergesehen (aber immerhin von dreien so ähnlich)…)

  145. Paul Dessau
    21. April 2013, 19:19 | #145

    @franziska:
    Ich trage nur noch eine Klarstellung nach; für alles Weitere fehlen mir fürs erste Zeit, Energie und Interesse.
    Du schreibst:

    Ein eigentlich sehr zentraler Satz bei dir steht dann aber in einem eigenartigen Passiv, dieser hier: „Das ist deshalb so, weil der gesellschaftliche Lebensprozess von der Verwertung des Gesamtkapitals abhängig gemacht worden ist.“ Wer hat abhängig gemacht?

    Das ist im Preis inbegriffen, wenn kapitalistisch produziert werden soll. Es ist eine Folgewirkung der bürgerlichen Eigentumsordnung, der staatlichen Durchsetzung von „Freiheit, Gleichheit, Eigentum“. Indem der Staat das Eigentum sichert, sichert er auch das Produktionsverhältnis von Lohnarbeit und Kapital und die Unterordnung der Produktion unter die Kapitalverwertung. Die Garantie des Eigentums garantiert die Eigentumslosigkeit der großen Mehrheit der Gesellschaft und deren Konsequenzen.

    Und warum „wird“ die Abhängigkeit, da sie sich als so schädlich erweist, nicht schleunigst beendet?

    Schädlich für wen? Staat und Wirtschaft, politische und wirtschaftliche Eliten fahren gut mit diesem System. Warum sollten sie eine Revolution von oben in Gang setzen? Denn die Beseitigung dieser Abhängigkeit wäre eine Revolution. Und die Mitglieder der Arbeiterklasse, die nicht so gut fahren, warum machen sie nicht die Revolution? Sie würden sie machen, wenn sie von ihrer Notwendigkeit überzeugt wären. Sind sie aber nicht.

    Alle Leute sind blind wie die Maulwürfe auf ihre Funktion festgelegt, die sie dann wunders wie raffiniert exekutieren – bloss von dem Gesamtzusammenhang, der ständig hohe Kosten und Opfer erfordert, wissen sie nichts, denken sich nichts, und machen von ihrem (gut oder schlecht) davon Denken schon garnichts abhängig?

    Von Blindheit habe ich nichts gesagt (das ist Deine Zutat), noch nicht einmal etwas von Festlegung (mancher Bauer wird im Laufe seines Lebens Lohnarbeiter, mancher Lohnarbeiter wird Ladenbesitzer, also Kleinbürger, mancher fungierende Kapitalist wird zum Kuponschneider…). Ich sage nur, dass sie eine ökonomische Kategorie verkörpern, wenn sie ihre jeweiligen Einkommensquellen (Kapital, Grundeigentum, Lohnarbeit) nutzen, sie als Mittel gebrauchen, und den Anforderungen gerecht zu werden versuchen, die mit ihnen verbunden sind, weil sie in der Konkurrenz Erfolg haben wollen.
    Was sie sich dabei über den „Gesamtzusammenhang“ denken, ist ihnen überlassen. Dass sie davon irgendetwas abhängig machen, ist nicht gesagt. Mancher Grundstücksmakler soll schon über soziale Katastrophen erschrocken sein und ist am nächsten Morgen dennoch wieder ins Büro gegangen, um sich der Verwaltung des Grundeigentums zu widmen. Lohnarbeiter treten in der Regel nicht deshalb in Streik, weil der Welthunger noch nicht beseitigt oder die Erderwärmung nicht gestoppt worden ist. Die Leute versuchen, ihren Alltag zu bewältigen und Geld zu verdienen, sind mit Fürsorgen und Besorgen beschäftigt usw. Sie „funktionieren“, wenn man das so nennen will, indem sie ihre Arbeit tun oder ihren Geschäften nachgehen, ihr Geld für Waren ausgeben und ihre Pflichten als Staatsbürger erfüllen. Die kritische Prüfung der ökonomischen Mittel, auf die sie angewiesen sind, ist nicht Teil des gewöhnlichen Alltags.
    Nebenbei: Für die Unternehmer ist in der Tat die Senkung der Stückkosten ein wesentliches Konkurrenzmittel. Dass es noch andere Mittel gibt, ändert daran nichts.

    Ich sage auch bloss in meiner Kurzformel: den SCHEIN der Systemhaftigkeit bringt massenhaftes, durch Glauben an System-Vergesellschaftung ohne Abstimmung und Koordination motiviertes Handeln hervor. Echte Marktbefürworter REDEN so, als lebten wir im Kommunismus – das alles ist doch zum Besten aller, im Dienste des Allgemeinwohls, und wenn und wo es nicht eingerichtet ist und wäre, muss und müsste es DESHALB sofort eingerichtet werden. (…) Die Ideologie wird WAHRGEMACHT. (…) Die Ideologie sagt, und das Handeln passt dazu: Man kann einen ständig innovativen und expansiven Reproduktionsprozess wie den in modernen Industriegesellschaften steuern ohne Koordination und Planung, ja gerade dann gehts besonders gut. Das ist WAHNWITZ.

    Nicht einmal der Kapitalismus kommt ohne Koordination und Planung aus. Innerbetrieblich wird immer geplant, zwischenbetrieblich oftmals auch, und die Politik kennt Instrumente staatlicher Planung, die mal mehr, mal weniger häufig eingesetzt werden. Das hat seine Konjunkturen („gemischte Wirtschaft“ in den 50er und 60er Jahren, „Deregulierung“ und Privatisierung in den folgenden Jahrzehnten). Staatliche Planung und Koordination ist nicht unvereinbar mit dem Kapitalismus.
    Natürlich sind regierende wie opponierende bürgerliche Politiker im allgemeinen „Marktbefürworter“, aber sie sind es auf verschiedene Weise. Die „echten Marktbefürworter“, die sich an Hayek oder von Mises orientieren, sind nur eine Minderheit, und viele von ihnen sind kritische Menschen, weil der real existierende Kapitalismus ihrem Ideal gar nicht entspricht. Es gibt ein Spektrum von prokapitalistischen Positionen und nicht „die“ (eine) Ideologie. Marktradikale und Sozialstaatsidealisten sind beide für den Kapitalismus. Seit der Krise von 2007ff sind die Vertreter der Position „Der Staat soll es richten!“ wieder auf dem Vormarsch.
    Aber lassen wir die „Eliten“ mal beiseite: Was die „Massen“ angeht, ist meine Gegenthese: Die Leute müssen gar nicht an eine „System-Vergesellschaftung ohne Abstimmung und Koordination“ „glauben“, um den Kapitalismus zu reproduzieren. Es reicht, dass sie die Bedingungen, unter die sie gestellt sind, als Chancen für ihr Vorankommen begreifen, dass sie ihre Arbeit tun, einkaufen gehen und anerkennen, dass die Entscheidungen, die das Gemeinwesen betreffen, von den zuständigen Amts- und Mandatsträgern getroffen werden.
    Die Notwendigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise erwachsen ohnehin nicht aus einer Ideologie, sondern aus den Vergesellschaftungsbedingungen der Arbeit, den Produktionsverhältnissen. Ich habe in dieser Diskussion jedenfalls keine Argumente von Dir gehört, die mich von etwas anderem überzeugen. Insgesamt war mein Eindruck, dass Du unter dem Schein von Kritik in Wahrheit Abweichungen von Deiner Position beklagst (dass das „System“ aus einer Ideologie von „Eliten und ihren Gefolgsleuten“ hervorgehe, die deren Handeln leite), statt an den Erklärungen von Marxisten immanente Mängel ausfindig zu machen.

  146. libelle
    22. April 2013, 09:56 | #146

    @Franziska:

    mir gings darum, zu erschliessen, wie du dir aufgrund deiner soziologischen Vorgaben ganz konsequent den PROZESS denken musst, der (garnicht mit Strategie) aus dem ideologischen Denken herausführt.
    Auch jetzt, nebenbei, steht bei dir ein: man SOLLTE, als Ergänzung zur These: Man KANN NUR… Warum sehen die andern das nicht gleich selber so? In Kürze also zu 3: Das Zustandekommen des Fehlers im „ideologischen Denken“ ist noch nicht aufgeklärt. Aber das liegt an 2 und 1.

    Sozusagen semantisch leuchtet mir an Deiner Kritik etwas ein: Wenn man ohnehin in der Gesellschaft nur tun kann, wovon man Subjekt ist, dann macht es keinen Sinn das dem Willen auch noch zu empfehlen (d.h. dass man auch tun sollte, was man nur kann). Insofern steckt in dem, was ich geschrieben habe ein Widerspruch.
    Ich löse ihn mal auf, wie ich ihn gemeint habe: da ergibt sich, dass man das, was man tun kann nicht mit einem anderen Anspruch tun sollte als eben das zu tun, was man nur tun kann, sonst (das steht auch in meinem Punkt 3) tut man eben etwas Falsches. D.h. wenn sich z.B. ergibt, dass man anderen nur sagen kann, was man über die Gesellschaft denkt, es aber von deren Willen abhängt das zu teilen oder nicht und dann vielleicht Konsequenzen daraus zu ziehen, dann ist es falsch sie z.B. mit dem Anspruch anzusprechen mal Revolution machen zu wollen o.ä. d.h. dann SOLL man auch nur sagen, was man für den Begriff der Gesellschaft hält und nicht eine Theorie machen und verbreiten, die z.B. der Revolution dienen soll (das wäre ein Vorurteil und insofern dächte man ideologisch).
    So gehen bei mir „NUR tun KÖNNEN, wovon man Subjekt ist“ und „SOLLEN“ (die Empfehlung das auch zu tun) zusammen d.h. der Anspruch, bei dem was man tut, sollte auch nur sein zu tun, wovon man Subjekt ist (was man nur tun kann).
    Genauso SOLLTEN die Kommunarden eben nicht mit dem Anspruch in ihrer Kommune herumlaufen eine Keimzelle für die Zukunft entwickeln zu wollen, obwohl sie das vielleicht tun, sondern sie SOLLTEN, so sich die Möglichkeit ergibt, die Konsequenzen ihrer Kritik am Kapitalismus einfach leben und mal schauen, ob sich Vergemeinschaftungsformen innerhalb der kapitalistischen Verhältnisse entwickeln lassen, die a) ihrer Kritik entsprechen und die b) ein besseres Leben ermöglichen als eine bürgerliche Monadenexistenz.
    Mit dieser Stellung zur Welt, die ich sachgerecht finde, denkt man sich keinen Prozess, der aus dem ideologischen Denken herausführt und den man vielleicht befördern könnte, sondern man achtet zuallererst auf sich und seine eigenen Gedanken und versucht zu tun, was man selbst für richtig hält, wissend, dass man keine Handhabe hat, den anderen den eigenen Geist einzutrichtern, sondern dass ihr Zugang dazu von deren Willen abhängig ist.
    Diese (auch im vorherigen Absatz erklärte) Stellung einzunehmen (mit allen Konsequenzen), ist das, was ich will und anderen empfehle.
    Vielleicht ergeben sich auf dem Weg ein paar Möglichkeiten die Gesellschaft konsistent zum eigenen Ausgangspunkt zu ändern, vielleicht auch nicht. Die Leute werden sie erkennen.
    Bei allem anderen nimmt man tendenziell zu sich und anderen eine feindliche Stellung ein, betrachtet sich und andere unter funktionellen Gesichtspunkten. Und da kommt schon gleich keine Gesellschaft heraus, die ihren Mitgliedern entspricht. Die Notwendigkeiten, in die man sich da begibt sind in diesem Thread hier wieder erklärt.

    Allgemein auf Handlungen bezogen, klingt die Aussage, wonach gerade das Nichtbeabsichtigte in ihnen das Wesentliche sein soll, reichlich absurd.

    Du hast absolut recht damit, dass es ein absurder Zustand ist, dass (nicht nur) bürgerlich vergesellschaftete Menschen in unbegriffenen gesellschaftlichen Zusammenhängen leben und deren Notwendigkeiten, ohne einen Schimmer davon zu haben exekutieren, aber das spricht eben nicht dagegen, dass sie es tun. Das ist ein Resultat, das Marx auf dem in vorherigen Beiträgen von mir beschriebenen Weg ermittelt hat (er hat die Handlungen erklärt und dann festgestellt, dass das Bewusstsein der Leute und der Begriff dieser Handlungen nicht zusammenfallen). Das ist also in dem Fall keine Kritik an Marx, sondern eine an den gesellschaftlichen Verhältnissen.

    Wir haben es hier aber mit einem sehr speziellen Handlungszusammenhang zu tun, bei dem es paradoxerweise gerade auf dies jenseits aller Absicht Liegende ankommt: Credo quia absurdum, dh. man MUSS es eben darum glauben, weil es an sich und vom Alltagsverstand her genommen absurd ist.

    Einerseits: was man weiß, muss man nicht glauben, sondern das weiß man ja. Glauben muss man nur an das, was man nicht weiß (z.B. an die Revolution – die hat wirklich was vom credo quia absurdum). Glaubensgewissheiten haben also notwendig etwas Absurdes.
    Da wo Du meinst marxistisch beeinflusste Leute würden an etwas jenseits der Absicht Liegendes, Wesentliches (nämlich den Begriff der Handlungen) nur glauben , handelt es sich aber um Wissen, das Marx wie oben nochmal angedeutet ermittelt hat. Daran muss man nicht glauben, sondern man weiß ja, z.B. was Konkurrenz, Kapital und Kredit sind; man weiß ja, wie Krisen aus diesen 3 Zutaten zustandekommen und wie das Bewusstsein der Leute und ihr Begriff auseinanderfallen.
    Du wendest in diesem Abschnitt ein Resultat der marxschen Kapitalismuskritik, das Du entlang der Vorstellung Absurditäten könne es nicht geben in einen Glaubenssatz verwandelst, gegen die Kritik selbst ein. Absurditäten (Ungereimtheiten) kann es aber geben und die gibt es auch zu Hauf, weil „Gereimtheit“ ja ein Anspruch des Verstandes ist. Für dem marxistisch beeinflussten Kritiker und seinen Verstand ist das Verhältnis von Handlung und Bewusstsein bei den Bürgern eine Absurdität. Das erschließt sich aber nur ihm und seinem Wissen um die Gesellschaft. Für die Bürger gibt es keine Absurdität d.h. die Differenz zwischen Begriff und Handlung gibt es für sie nicht. Die meinen z.B. in der Krise, dass die Manager versagt hätten und Gier geherrscht hätte und dass sie dehsalb ihre Arbeit verloren haben oder ihre Lehmann-Zertifikate wertlos geworden wären.
    Darüber hinaus erkenne ich in Deinem Elite/Gefolgschafts-Modell der Gesellschaft eigentlich auch nur die oben von mir erwähnte und von Marx schon herausgestellte Personalisierung. Klar: wenn man die Verhältnisse für eine Bedürfnisbefriedigungsmaschine hält, dann kann das Scheitern der Bedürfnisbefriedigung nur an den Menschen liegen. Und Du bist aus meiner Sicht ziemlich nahe dabei selbst zu personalisieren, denn woher sollen denn die Menschen, aus denen Du die Gesellschaft rekonstruieren willst, ihre Ideen haben?

    Wenn „Eliten“ und ihre Gefolgschaft sich massenhaft im Sinne dieses Glaubens verhalten, bringen sie allerdings etwas hervor, das irgendwie, schlecht und recht „funktioniert“, so wie sie es sich denken (sie lassen ihm ja auch unendlich viel Freiräume – der Glaube ist nicht widerlegbar – ganz egal, wie sehr die Marktteilnehmer oder Staatsagenten einander ihre Pläne durchkreuzen mögen; das Resultat bleibt in einem fort das jeweils bestmögliche, wär sonst bloss schlimmer gekommen).

    Ernst gemeinte Frage: Was bringen sie denn hervor? Das, was sie glauben hervorzubringen, oder doch was anderes?
    Aus meiner Sicht ist an der Stelle nur die Frage zu klären, wie die Leute in ihrem Glauben, den Kapitalismus (also etwas von ihrem Glauben Verschiedenes) reproduzieren.

  147. Fred
    22. April 2013, 14:19 | #147

    „dann SOLL man auch nur sagen, was man für den Begriff der Gesellschaft hält und nicht eine Theorie machen und verbreiten, die z.B. der Revolution dienen soll (das wäre ein Vorurteil und insofern dächte man ideologisch)“
    Das ist recht entlarvend: Man SOLL nur das, was man KANN, daher das Revolutionsverbot. Genau das ist Ideologie, sich falsche Gedanken zu machen, weil sie einem erfolgsversprechend erscheinen oder staatlich verlangt sind. Libelles ideologisches Vorurteil besteht im Maßstab, dass Gedanken gesellschaftskonform sein sollen – auch eine geistige Leistung!

  148. franziska
    22. April 2013, 14:24 | #148

    @Paul
    „Immanente Mängel“ (Widersprüche, ungenaue Begriffsbildung ua.) in Erklärungen sind nur ein Fehlertyp, der andere ist: Nichtberücksichtigen von Tatsachen, die für eine Erklärung nötig sind, oder Falsch-Darstellung von Tatsachen. Wir reden hier, nebenbei, von Tatsachen, die allgemein bekannt sind, nicht irgendwelchen versteckten und empirisch mühsam aufzusuchenden oder zu erschliessenden. Ich weiss nicht, wie ich auf Mängel dieser Art anders aufmerksam machen kann als so, dass ich das Fehlende aus- und anspreche.
    Meine Frage gilt nicht dem, was an Einstellungen der Leute nötig ist oder reicht oder unerheblich ist beim Reproduzieren, sondern beim Abschaffen des Kapitalismus.
    Spätestens da müssen sie sich nämlcih theoretisch in gewissem Umfang schon mal auf Augenhöhe mit den derzeitigen „Eliten“ und „Marktbefürwortern“ begeben, sich zum Gesamt ihrer Verhältnisse und dieser Produktionsweise stellen, und die Kritik der Befürwortung nachvollziehen, in deinen Worten: „Sie müssten von der Notwendigkeit einer Revolution überzeugt sein …“ (ohne das werden sie kaum zur Tat schreiten).
    ((Die Eliten sind also nicht um ihrer selbst willen so erwähnenswert, sondern weil sie dem Rest wichtige, wenn nicht entscheidende Argumente dafür liefern (die der wieder auf vielfältig unterschiedenen Weisen verarbeitet), warum Kapitalismus gut für alle, in jedem Fall aber notwendig ist, und jede Form gesellschaftlicher Planung den Interessen der grossen Mehrheit demgegenüber unverhältnismässigen und vermeidbaren Schaden zufügen würden – also genau dasselbe, was Befürworter gemeinsamer gesellschaftlicher Planung dem Kapitalismus vorwerfen.))
    Du fährst fort: „… (überzeugt) sind sie nicht.“ Und damit Ende (bei dir).
    Ich sage, da gibts ein ganzes Spektrum an Einwänden und Widerständen, die je verschiedene unter den Leuten dem Vorschlag einer eigentumsfrei, stattdessen gemeinsam geplanten arbeitsteiligen Organisation ihrer Reproduktion entgegensetzen, oft genug auch schon den Versuchen, ihnen die Notwendigkeit von Schäden der kap.Produktionsweise zu erklären.
    Die derzeit wichtigste Kontroverse zwischen zumindest mir und andern hier ist im Moment unausgetragen, die nämlich über die Gründe der Notwendigkeit von Schäden für die Masse der Bevölkerung und darum der Gegnerschaft gegen den Kapitalismus.
    Die bislang von marxistischen Antikapitalisten vorgetragenen Erklärungen halte ich, wie mehrfach erwähnt, für verkehrt oder unzulänglich.
    Sollte das entschieden sein, fände ich es äusserst bedeutsam, die genauen Beweggründe für die genannten Einwände und Widerstände der Leute gegen Erklärungen und Vorschläge, zumindest die häufiigsten, zu begreifen.
    Ein zentraler Punkt in der Auseinandersetzung (nicht mit mir, sondern den Leuten) über kap.Produktionsweise ist die Frage, ob man die von ihr teils angestrebte, teils auch bewirkte permanente Innovation und Produktivitätssteigerung (nicht nur bei Arbeit, sondern allen Produktionsfaktoren) überhaupt wollen; wenn ja, gibt es verschiedene (einander nicht ausschliessende) Kritikpunkte von seiten der linksradikalen Antikapitalisten:
    – die unter dem Regime der kap.Produktionsweise tatsächlich realisierten technischen Fortschritte werden nur mit unnötig grossem Aufwand erreicht, es werden Ressourcen verschleudert (sowohl in der so verfassten Produktionsweise selbst, als auch durch Aufwendungen für den Erhalt ihrer allgemeinen Randbedingungen und die speziellen Formen ihrer Umsetzung (getrennt von den eigentlich produktiven Tätigkeiten);
    – was immer dort geschieht, geschieht beschädigend bis zerstörerisch gegenüber Natur-Voraussetzungen der Reproduktion global sowie unter kompletter Vernachlässigung und/oder Schädigung der Reproduktions- und Fortschritts-Interessen von Bevölkerungen von Staaten, deren Führungen zur Behauptung in der Nationenkonkurrenz mangels anderer Mittel darauf setzen, in ihrem Herrschaftsbereich vorfindliche Ressourcen zu verkaufen bzw. ausbeuten zu lassen;
    – bei Innovationen und Produktivitätserhöhungen wird, statt sie gezielt auf Bedürfnis-Gerechtheit der Produktion und Erleichterung und Verringerung dafür nötiger Arbeitsanstrengung national und global hin zu planen, Arbeit als „lohnend“ einzusetzender und zu handhabender Produktionsfaktor neben den sachlichen Faktoren behandelt;
    – die tatsächlich durch die installierte Eigentumsordnung motivierte Zielsetzung aller Einzeleigentümer von Produktionsmitteln, wenn sie sich am Markt beteiligen, ihre individuellen Profite und (dadurch) ihr Kapital zu mehren, weist, ausser dass die genannten Schäden auftreten, keinerlei irgend berechenbar zweckdienlichen Bezug zu Bedürfnissen der Masse der Bevölkerung auf, die immer weiter fortgesetzte Profitmehrung ist vielmehr sowohl Mittel als auch Ziel, und bringt, solange der Wille zu ihrer Fortsetzung besteht, aus sich selbst heraus keinerlei Schranke für eine solche Fortsetzung hervor; sie reproduziert obendrein auch noch die bestehende Eigentumsverteilung, die den grössten Teil der Bevölkerung zu Lohnarbeitern macht, die durch Ausschluss von Verfügung über die Mittel ihrer Reproduktion dazu erpresst werden können, ihr Leben als Mittel dieser endlos fortsetzbaren Bewegung zuzubringen, wenn sie nicht gerade für selbst dazu überflüssig erklärt wurden.
    Die Darstellung von (für im grossen ganzen einförmig gleich, oder aber mehr oder weniger vielfältigen) Denkweisen der Leute, welche sie von Einsicht in die Notwendigkeit einer Revolution (darunter fällt jede umstürzend neue Einrichtung ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse) abhalten, spaltet sich ab hier erneut auf in, soweit ich weiss, folgende Varianten:
    a) sie nehmen nicht Stellung und bilden sich keine oder nur eine verworrene Meinung zu den herrschenden Verhältnissen;
    b) sie werden von der Erscheinung der kap.Produktionsweise und/oder Falschbehauptungen über sie getäuscht, und kommen zu Fehleinschätzungen, die sie die genannten Schäden nicht sehen oder für mit relativ geringem Aufwand vermeidbar oder kompensierbar sehen lassen;
    c) sie werden nicht getäuscht, und machen sich keine Illusionen, sie unterliegen aber objektiv und/oder subjektiv solchen Zwängen, dass sie ohne äusserste und grösste Entschlossenheit, sich gegen die Verhältnisse aufzulehnen, niemals eine Revolution wagen werden (und darum lieber Gründe erfinden, warum man die bleiben lassen sollte)
    d) sie sehen sich nicht gezwungen oder haben nichts dagegen, es zu sein, befürworten vielmehr ihrerseits die kap.Produktionsweise als relativ beste unter allen Alternativen, moderne Fortschrittsoptionen gesellschaftlich arbeitsteilg umzusetzen; dabei spielt ihre Beurteilung dieser Alternativen (diverse Planwirtschafts-Modelle) die entscheidende Rolle.
    Was mich selbst angeht, so differiert meine Erklärung des Kap. von der marxistischen, inner-linksradikal gesprochen, ganz gewaltig, von aussen gesehen und in der Konsequenz läuft beides auf was sehr ähnliches hinaus, denn wo Marxisten „notwendige“ Schäden sehen, da sehe ich dieselben (!) Schäden zwar nicht als notwendige, aber extrem wahrscheinliche; in der Praxis und vor allem in der Gegnerschaft gegen diese Produktionsweise macht DAS nun wirklich keinen Unterschied.
    Der Unterschied ist aber erheblich, wenn praktische Konsequenzen aus derart unterschiedlichen Erklärweisen eines Schadens gezogen werden: Einmal hinsichtlich der Alternativ-Vorschläge, die sich aus der Schadens-Erklärung ableiten; zum andern hinsichtlich der politischen Praxis, mit der darauf hingewirkt wird.
    ((Ich sehe diesen Beitrag nicht als inhaltlich weiterführend, sondern eher diskussions-strukturierend (in eigener Sache).
    An die Tatsache, dass bei Neoprene oder Nestormachno unter Titeln wie DKP usw oder Ungarns Verfassung irgendwann mal ganz weit hinten grundlegende Themen diskutiert werden, muss ich mich erst noch gewöhnen. Sicher wäre ein Forums-Portal mit inhaltlicher Gliederung die geeignetere Form für solche Auseinandersetzungen.
    Was meine eigenen Überlegungen angeht, steht die auf der oben angegebenen website genannte Kontaktadresse jederzeit für private oder dort zu veröffentlichende Einwände zur Verfügung.))

  149. franziska
    22. April 2013, 15:09 | #149

    @ libelle
    Mir kams nicht auf den Widerspruch kann/sollen an, sondern darauf, dass am Ende bei dir ein Sollen steht, und das ist ja auch nach deiner Erklärung stehengeblieben.
    Wichtig im Licht meiner Rekonstruktion ist. dass du keinen gesonderten Erkenntnisprozess angibst, der zur Einsicht in die Vernünftigkeit dieser Empfehlung führt: etwa der, über den du selbst drauf gekommen bist.
    So etwss nehme ich als Symptom (im Rahmen meiner Gesamtrekonstruktion), dass Dazulernen und die Art, wie es stattfindet, umgekehrt kognitive Defizite, beim gsp wie dir eine untergeordnete Rolle spielen sowohl in der Erklärung der Verhältnisse, als auch der Art, wie man darüber hinauskommt. (Beim gsp ja stark: die Leute SOLLEN sich entschliessen zu sehen, sollen sich einleuchten lassen, sollen zugeben dass… da ist immer diese Willenskomponente, und nun eben „dagegen“, wo sie vorher „dafür“ entschieden war).
    Was du über Marx usw ausführst, ist (abgesehen davon, dass ich ja seine wie sich an ihn anlehnende ökonomische Theorien für verkehrt halte) nicht unbedingt einschlägig für die Zurückweisung meiner Deutung deiner weiter oben im thread skizzierten Theorie. Das wäre aber sehr genau im einzelnen an deinen Auffassungen zu zeigen, ich würde das auch gern tun (und gern auch meine Deutung als unzutreffend zurücknehmen, wenn sich das so herausstellen sollte); ich bezweifle aber, dass das in diesem Umfeld hier noch von Interesse ist.
    Ich schreibe Glauben, so wie du es richtig fandest, bloss zu, wo nicht gewusst wird. Bei Marxisten ist das in der Tat eine gewagte Hypothese – die könnten sich (immer aus meiner, derzeit kritischen Sicht auf ihre Theorien) einfach in ihrer ökonomischen Theorie geirrt haben (was mir, ehrlich gesagt, schwer fällt zu glauben).
    Die Stelle mit dem Absurden bezog sich aber, zumindest hatte ichs so gemeint und wohl nicht klar genug ausgedrückt, auf die Kapitalismus bewusst befürwortenden Bürger (Pauls Hinweis auf das „Spektrum“ ist wichtig, aber in dem Punkt kommen sie alle zusammen): Sie wissen, dass sie nicht verständigt sind, nicht geplant haben, und erwarten Resultate (so rekonstruieren ich ihren Glauben, da mag ich falsch liegen), als ob sie es wären. „Sich verhalten als ob“ (obwohl man nicht weiss, und weiss, dass man nicht weiss) ist ein Grundzug religiösen Denkens, in diesem Fall bezieht es sich aber nicht auf Natur (wo es auch nichts einfach so durch sein Tun-als-ob wahrmachen kann), sondern auf Gesellschaft, und da kann man auch nicht alles, aber, politische Macht vorausgesetzt, doch einiges, um seine Ideologie, sein So-tun-als-ob, wahrzumachen.
    (Im übrigen reden doch, nur mal so vom Oberflächen-Eindruck her, Marktfans über ihr Lieblingssystem wirklich wie sonst nur Gläubige. „Fetisch“ ist da entschieden untertrieben…)

  150. libelle
    22. April 2013, 15:18 | #150

    Das ist recht entlarvend: Man SOLL nur das, was man KANN, daher das Revolutionsverbot.

    Und KANNST Du denn Revolution machen? Dann mach sie doch bitte!
    Daran merkst Du, dass man Dir überhaupt nichts verbieten muss und dass umgekehrt in der Idee sich die Revolution nicht verbieten lassen zu wollen der Anspruch steckt andere zu Deiner Vorstellung von gesellschaftlichem Glück zwingen zu wollen. Du pflegst also Gewaltvorstellungen, gehst fest von einem unter Deine Fuchtel zu unterwerfenden Teil der Gesellschaft aus. Damit ist man dann wieder bei den Beiträgen am Anfang der Diskussion (Übergangsgesellschaft mit ewiger kommunistischer Morgenröte und einem umfassenden Zwangssystem (Gulag) als gesellschaftliche Wirklichkeit).

    Libelles ideologisches Vorurteil besteht im Maßstab, dass Gedanken gesellschaftskonform sein sollen – auch eine geistige Leistung!

    Wenn man die Welt einmal in Freund udn Feind eingeteilt hat, dann gibt es selbstverständlich nur noch die Frage welchem Lager man zugeteilt gehört.

  151. Fred
    22. April 2013, 17:32 | #151

    „Du pflegst also Gewaltvorstellungen“
    Schon klar, durch deine konformistische Brille sind Gewaltkritiker die eigentlichen Gewalttäter, weil die Gewalt, in deren Namen du auftrittst, nie als Gewalt vorkommt:
    „merkst Du, dass man Dir überhaupt nichts verbieten muss“
    LOL, warum sind dann nicht nur Revolten verboten? Die demokratische Bereinigung der Meinungsbildung durch Verbote z.B. ist gerade hochaktuell!
    Da kritisiert man das Konformismus-Ideal und die Antwort ist: „Wer nicht so denkt, hat Terrorismus und das falsche Feindbild im Sinn“. Merkst du nicht, wie verhetzt du dich für deine Machthaber stark machst, oder bist du selbst einer? Das würde zumindest deine surreale Parteilichkeit erklären.

  152. libelle
    22. April 2013, 17:53 | #152

    Die Fragestellung, wer sich konform zu Deiner Einteilung der Welt in Freund und Feind verhält hast Du ja wohl aufgebracht!
    Dem kannst Du ersteinmal entnehmen, dass Du mit Deinem Feindbild überhaupt nicht mehr in der Lage bist überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, was man sagt. Für Dich zählt eben nur noch die Einsortierung von Positionen in Deinen Kampfhorizont.
    Warum Deine „Gewaltkritik“ eine ziemlich gewalttätige „Gewaltkritik“ ist, also von Kritik der Gewalt bei Deinem Geschwalle überhaupt nicht die Rede sein kann, steht u.a. hier im Thread.

  153. Mattis
    22. April 2013, 19:43 | #153

    @libelle
    Dass man wollte und getan hat, was möglich war, weiß man erst hinterher. Dein ganzes Argument zieht sich auf Prognosen über die Unmöglichkeit diverser Entwicklungen zusammen. Das ist Spekulation, nicht Wissenschaft. Wenn ich daran denke, was man in den letzten 50 Jahren alles für undenkbar gehalten hat …
    Während viele Marxisten inzwischen gelernt haben, von Prognosen und Zukunftbeschwörungen Abstand zu nehmen, gehst du genau den umgekehrten Weg. Du weißt genau, was alles nicht geht. Trotzdem redest zu andauernd darüber und dagegen. Wenn Sozialisten eh keine Chance haben, was verschwendest du dann deine Zeit? Da würde ichs mir im Leben lieber gemütlicher einrichten (=deine Empfehlung an alle, die etwas wollen!).

    „Mit dieser Stellung zur Welt, die ich sachgerecht finde, denkt man sich keinen Prozess, der aus dem ideologischen Denken herausführt und den man vielleicht befördern könnte, sondern man achtet zuallererst auf sich und seine eigenen Gedanken und versucht zu tun, was man selbst für richtig hält, wissend, dass man keine Handhabe hat, den anderen den eigenen Geist einzutrichtern, sondern dass ihr Zugang dazu von deren Willen abhängig ist.“

    Das lässt du für dich selber aber nicht gelten – sonst würdest du nicht öffentlich schreiben, was ja nichts anderes ist als anderen deine Argumente zu Gehör zu bringen. Mehr tut jeder Flugschrift-Verteiler auch nicht. In beiden Fällen hängt es dann ganz vom Willen des anderen ab, was der draus macht. Kennst du jemanden, der das bestreitet?
    Deine ganze Schreiberei hier ist ein einziger Widerspruch zu deinen Statements. Aber da bist du ja nicht der Einzige. Auch die anderen Kommune-Sympis müssten, wenn sie das mit dem selber-anfangen wirklich ernstnähmen, hier sofort mit dem Schreiben aufhören und sich stattdessen um ihre Gemeinschaften kümmern bzw. schleunigst eine gründen. Dein „Begriff“ von Gesellschaft und Ideologie steht doch eh schon felsenfest und scheint sich keinen Millimeter zu bewegen.
    Dass du hier nicht aufhörst und die anderen auch nicht, beweist mir, dass eben eure nach außen bekundete Überzeugung, nur das eigene für sich selbst zu tun sei richtig (statt auch andere damit zu konfrontieren), in Wahrheit nicht sonderlich tief verankert ist.

  154. libelle
    22. April 2013, 20:06 | #154

    @Mattis: Du musst Dich verlesen haben, da ich keine Prognosen aufgestellt habe (im Unterschied zu Deinen schlechten Prognosen über Kommunen). Was ich gemacht habe ist auf die im Gegensatz zum Titel Bedürfnisbefriedigung stehenden Notwendigkeiten von Machtkämpfen verwiesen.
    Auf diese Notwendigkeiten kannst Du Dich gern beziehen und sie von mir aus kritisieren. Auf Deine interessierten Halluzinationen, es würde sich um schlechte Prognosen für Revolutionäre handeln gehe ich nicht ein.
    Was die Flugschriftverteiler vom GSP verkehrt machen, steht hier im Thread. Wenn Du nicht so von Deinem Interesse benebelt wärst, könntest Du das auch herausbekommen. Leider – und das bestätigt meine Theorie – macht Dein Interesse, dass der Sozialismus doch eine Chance haben muss, das unmöglich.

  155. Fred
    22. April 2013, 21:01 | #155

    „Warum Deine Gewaltkritik eine ziemlich gewalttätige Gewaltkritik ist“
    Das ist deine Lüge: Ich übe nirgends Gewalt aus – schon gar nicht mit einer Kritik am real existierenden Gewaltmonopol. Das ist kontrafaktisch.
    Das Argumentieren gegen eine Gesellschaft, die auf allerorten sichtbarer Gewalt beruht, überführst du in einen Gewaltakt, weil dir die täglichen realen Gewaltorgien deiner Obrigkeit nicht als solche vorkommen (sollen), sondern wie die Verhinderung davon. In deiner teppichbeißenden Parteilichkeit erscheint dir schon die Gegnerschaft zur bürgerlichen Gewalt selbst wie ein Gewaltakt.
    Nochmal für einfache Gemüter:
    Staat = Gewaltmonopolist (der nennt sich so, weil er als einziger Gewalt erlaubt, verbietet und im wirklich großen Maßstab einsetzt)
    alle Bürger (mich eingeschlossen) = Untertanen einer überlegenen Staatsgewalt ohne Erlaubnis Gewalt anzuwenden
    Libelle:
    Wer einer Staatsgewalt untersteht und sie als gewaltsamen Angriff kritisiert, ist selbst Gewalttäter, weil er andere zu ihrem „Glück zwingen“ möchte. Die Wahrheit über die realen Zwänge und Gewalttaten der gegenwärtigen Herrschaft: Wer etwas daran ändern will, muss ein gewalttätiger Despot sein!
    Das ist eine einizge Predigt des Konformismus (im Namen der siegreichsten Gewalt!): Wer sich nicht mit dem (Gott-)Gegebenen abfindet, dem werden die eigenen Gewaltphantasien als Ziel unterstellt. Fertig ist der libellesche Antikommunismus: Gewalttäter ist, wer das real-existierende Gewaltmonopol nicht will.

  156. libelle
    23. April 2013, 07:38 | #156

    @Fred: Was soll man zu solchen Lügen über mich noch schreiben. Oben habe ich schon festgehalten, dass Du mit Deinem Feindblick in die Welt nichteinmal in der Lage bist zur Kenntnnis zu nehmen worin mein Vorwurf an Dich besteht. Der behindert Dich also tatsächlich.
    Mein Vorwurf besteht darin, dass Du einen Kampf gegen die vor Dir als Gegner ausgemachte Staatsgewalt anzetteln willst. Alle dafür notwendigen Brutalitäten wird dir die Praxis dieses Entschlusses beibringen, weil Machtkonkurrenz eben ein paar Notwendigkeiten mit sich bringt. Die kannst Du nicht als guter Kommunist außer Kraft setzen, sondern die wirst Du beherzigen müssen, wenn Du Dich in dem Gegensatz bewähren willst.
    Da kannst Du noch so sehr auf die Staatsgewalt als bösen Gewalttäter zeigen (ja, moralisch ist das, was Du treibst), die auf der anderen Seite des Gegensatzes dann haargenau das selbe macht wie Du.
    Für Mattis: Natürlich steckt in dem oben Gesagten eine Prognose, nämlich die, dass man sich den Notwendigkeiten der Machtkonkurrenz stellen müssen wird, wenn man mit diesem Zweck antritt. Insofern prognostiziere ich natürlich, aber eben nur, dass man dann ein paar höchst brutale Notwendigkeiten zu beachten hat. KEINE Prognose ist, dass man so nicht das betreibt oder entwickelt, was man sich unter Kommunismus vorstellt. Sondern das ist was anderes, nämlich Machtkonkurrenz und Zwangsbeglückung (und – bekehrung) von Teilen der Bevölkerung.
    Die Argumente, die ich hier nicht nocheinmal wiederhole stehen im Thread.

  157. libelle
    23. April 2013, 07:44 | #157

    die sonstigen Einwände von Mattis lösen sich durch einfaches Lesen des Beitrages auf, weshalb ich hier nur noch ein Zitat poste:

    Ich löse ihn mal auf, wie ich ihn gemeint habe: da ergibt sich, dass man das, was man tun kann nicht mit einem anderen Anspruch tun sollte als eben das zu tun, was man nur tun kann, sonst (das steht auch in meinem Punkt 3) tut man eben etwas Falsches. D.h. wenn sich z.B. ergibt, dass man anderen nur sagen kann, was man über die Gesellschaft denkt, es aber von deren Willen abhängt das zu teilen oder nicht und dann vielleicht Konsequenzen daraus zu ziehen, dann ist es falsch sie z.B. mit dem Anspruch anzusprechen mal Revolution machen zu wollen o.ä. d.h. dann SOLL man auch nur sagen, was man für den Begriff der Gesellschaft hält und nicht eine Theorie machen und verbreiten, die z.B. der Revolution dienen soll (das wäre ein Vorurteil und insofern dächte man ideologisch).
    So gehen bei mir „NUR tun KÖNNEN, wovon man Subjekt ist“ und „SOLLEN“ (die Empfehlung das auch zu tun) zusammen d.h. der Anspruch, bei dem was man tut, sollte auch nur sein zu tun, wovon man Subjekt ist (was man nur tun kann).
    Genauso SOLLTEN die Kommunarden eben nicht mit dem Anspruch in ihrer Kommune herumlaufen eine Keimzelle für die Zukunft entwickeln zu wollen, obwohl sie das vielleicht tun, sondern sie SOLLTEN, so sich die Möglichkeit ergibt, die Konsequenzen ihrer Kritik am Kapitalismus einfach leben und mal schauen, ob sich Vergemeinschaftungsformen innerhalb der kapitalistischen Verhältnisse entwickeln lassen, die a) ihrer Kritik entsprechen und die b) ein besseres Leben ermöglichen als eine bürgerliche Monadenexistenz.
    Mit dieser Stellung zur Welt, die ich sachgerecht finde, denkt man sich keinen Prozess, der aus dem ideologischen Denken herausführt und den man vielleicht befördern könnte, sondern man achtet zuallererst auf sich und seine eigenen Gedanken und versucht zu tun, was man selbst für richtig hält, wissend, dass man keine Handhabe hat, den anderen den eigenen Geist einzutrichtern, sondern dass ihr Zugang dazu von deren Willen abhängig ist.
    Diese (auch im vorherigen Absatz erklärte) Stellung einzunehmen (mit allen Konsequenzen), ist das, was ich will und anderen empfehle.
    Vielleicht ergeben sich auf dem Weg ein paar Möglichkeiten die Gesellschaft konsistent zum eigenen Ausgangspunkt zu ändern, vielleicht auch nicht. Die Leute werden sie erkennen.

  158. Fred
    23. April 2013, 08:03 | #158

    „nichteinmal in der Lage bist zur Kenntnnis zu nehmen worin mein Vorwurf an Dich besteht“
    Nun, du siehst dich eben erst verstanden, wenn man dir zustimmt. Nochmal: Ich zettel weder Kämpfe an, noch besitze ich irgendwelche Gewaltmittel, also ist dein Vorwurf gegenüber Gesellschaftskritikern, sie seien „Gewalttäter“, erstunken und erlogen.
    „wenn Du Dich in dem Gegensatz bewähren willst“
    Und schon wieder deine moralische Übersetzung von Kritik am Gewaltmonopol: „Wer sich zur bürgerlichen Herrschaft nicht affirmativ stellt, will sich eigentlich im Kampf gegen sie bewähren.“ Billige Trickserei.
    „die Staatsgewalt (…), die auf der anderen Seite des Gegensatzes dann haargenau das selbe macht wie Du.“
    Offensichtlich nicht, dann könntest du doch nicht mehr unterscheiden zwischen beiden und würdest dich nicht auf die Seite eines überlegenen Gewaltapparates schlagen können. Die allgegenwärtige Staatsgewalt erntet von dir auffälligerweise keinen Terrorvorwurf, während du deren Kritiker als Gewalttäter denunzierst. Schonmal drüber nachgedacht, wie du deine gewaltaffine Parteilichkeit erklärst?

  159. franziska
    23. April 2013, 08:11 | #159

    In der Debatte mit Fred wird vielleicht deutlich, wie eng Theorie (die vermeintlich so unpraktische) und Praxis verzahnt sind; denn wenn man den Staat für ein abgetrenntes und der Bevölkerung gegenübertretendes Quasi-Subjekt, eine sich sogar noch die Willen ihrer „Agenten“ zurechtmachende Struktur hält – dann kann man auch glauben, mit der (lohnarbeitenden) Bevölkerung (oder den glücklich zusammenagitierten Teilen von ihr, die dafür ausreichen) gegen diesen ausser und über der Geselslchaft stehenden Feind vorzugehen. Dann ist auch nicht nachvollziehbar, worüber libelle eigentlich spricht, und oben präziser noch als hier so ausgedrückt hat: Wer gegen den Staat vorgehen will, geht derzeit gegen grosse Teile der gesellschaft vor, die diesen Staat WILL – damit er die herrschende, nämlich kapitalistische Eigentumsordnung aufrechterhält und befördert. Umgekehrt, würden tatsächlicih grosse Teile der Bevlkerung sich einig in der Ablehnung, wäre es mit diesem Staat vorbei. Der Wille der Bevölkerung oder auch bloss ihr bewusstloses Mitmachen und Nicht-Stellungnehmen erhalten den Staat Tag für Tag; der Wille und die bewusste Stellungnahme gegen ihn drängen ihn (entsprechend) zurück und bringen ihn zum Verschwinden. Und was dazwischen liegt, wären Formen von Auseinandersetzungen (oder auch Kompromiss) in der Bevölkerung sebst, im schlimmsten Fall: „Bürgerkrieg“. Wie das Wort sagt: Eine Auseinandersetzung zwischen BÜRGERN.

  160. libelle
    23. April 2013, 08:21 | #160

    @Fred – ja und jetzt sind wir dann wieder bei der Gerechtigkeit in Sachen Vorwürfe machen:

    Die allgegenwärtige Staatsgewalt erntet von dir auffälligerweise keinen Terrorvorwurf, während du deren Kritiker als Gewalttäter denunzierst. Schonmal drüber nachgedacht, wie du deine gewaltaffine Parteilichkeit erklärst?

    1.: Wenn ich schreibe, dass die Staatsgewqalt dann haragenau das selbe macht wie Du, dann mache ich doch wohl beiden den gleichen Vorwurf.
    2.: Es sollte für die Kritik des Zwecks Machtkonkurrenz keine Rolle spielen, dass der Gegener ihn auch hat. Insofern ist Deine Beschwerde off topic.

  161. Sapperlot
    23. April 2013, 09:33 | #161

    ja und du schreibst sicher auch mails an abgeordnete wo du sie wegen der realexistierenden gewalt anklagst, du alter heuchler mit dem GSP penisneid. keineswegs gehst du dein ganzes leben nur kommunisten auf den wecker mit deinem pazifismus, demokratieidealismus oder was es auch immer grad sein darf zur „kritik“ von kommunisten. hier wird dir sogar noch zeit gewidmet von den pädagogisch veranlagten menschen. der anderen seite so zu kommen wäre halt weniger bequem, aber bei uns hast du ja ausser argumenten nichts zu befürchten, und mit diesen weisst du auch umzugehen, bzw. nicht umzugehen.

  162. 23. April 2013, 10:15 | #162

    Sapperlot (& Co.): Es ist billig, an libelle den Jammerlappen-Reformismus „Unterschreiben auch Sie diese wichtige Petition an den Bundestag/Landtag/Bürgermeister, es geht um unsere Zukunft!“ zu belächeln.
    Fakt ist aber, daß libelle ja völlig recht hat, daß Kommunisten (und darunter packt er ja so schließlich alles, was da auf der Linken so kreucht und fleucht) sehr wohl außer Argumenten von den anderen/Gegnern/dem Staat/den Staaten ne Menge Unbill zu erwarten haben und sich irgendwie dementsprechned aufstellen müssen. Das kommt hier für mich zu wenig vor. Man könnte auch hier was sagen zum Diktum von Renate Dillmann zu China, „All­ge­mein ge­sagt: Eine sol­che nicht in­dus­tria­li­sier­te Ge­sell­schaft zu ent­wi­ckeln, ist ohne staat­li­che Ge­walt, ohne Herr­schaft nicht denk­bar“, das ja nicht nur für China gilt, denn die diversen antagonismen würden ja auch einem „Revolutionsgebiet Mitteleuropa“ in bedeutendem Maße zusetzen. Damit wollen viele hier ganz offensichtlich nicht „umgehen“.

  163. Labello
    23. April 2013, 11:00 | #163

    @ Sapperlot / Fred / Paul Dessau / anthraxit …
    Mit dem Auftauchen von Franziska, Wat, Kim B. und Mattis ist ein Herzensanliegen Neoprenes offenbar endlich in Erfüllung gegangen ist: Linke Online-Diskussionen anschieben und moderieren. Und wie’s aussieht, kann das in der Form noch eine ganze Zeit so munter weiter laufen.
    Für Mitdiskutanten wie Fred, Paul Dessau, anthraxit und Sapperlot wäre das vielleicht ein geeigneter Zeitpunkt, sich einmal durch den Kopf gehen zu lassen, was der bekannte Blogger „Krim“, nun wahrlich kein enger Freund des GS, vor ca. einem Jahr zu Neoprene geschrieben hat:
    „Es ist also gar nicht so, dass es bloß den Gegensatz gäbe, dass der eine für die freie Rede ist und der andere sich mit erklärten Hobbyantikommunismusagitatoren nicht auseinandersetzen will. In Wirklichkeit ist es so, dass Neoprene (…) libelles Standpunkte im Prinzip für richtig halten. „Neoprene Ich habe sowohl in der Frage der Beziehung von Staat und Volk bzw. von Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeitsgefühl eher libelles Position als die des GegenStandpunkts und zuletzt ja auch in der Schadensdiskussion eher seine Auffassungen geteilt und unterstützt.“
    Libelle schwitzt aus jeder Pore seiner Argumentation seinen Antikommunismus aus. Dass seine Bestimmungen sich einzig daraus erklären, kommunistischen Standpunkte blamieren, schädigen und zerstören zu wollen, das ist wirklich unschwer zu erkennen. Man kann gar nicht soviel kritisieren, wie interessierte Fehler in diesen Texten stecken. Neoprene sieht das offensichtlich nicht, obwohl ich und Name Libelles Fehler mehrfach hingeschrieben haben. Wie soll man sich das erklären? Warum wird dem Interesse kommunistische Standpunkte in die Pfanne zu hauen so viel Wohlwollen entgegengebracht? Vom Standpunkt eines Kommunisten ist das nicht zu erklären. Es ist geradezu verrückt mit einem Standpunkt zu sympathisieren, der erklärtermaßen antritt den eigenen Standpunkt zu bekämpfen.
    Mir fallen zwei Erklärungen ein. 1. Entweder Neo ist kein Kommunist. 2. Oder Neo verschafft es einen inneren Triumph, wenn der GSp in die Pfanne gehauen wird und es ist ihm egal, dass sich das nicht auf den GSP beschränkt.
    Was mich an der ganzen Sache auch noch ungemein ärgert, ist die Art und Weise wie Neo das Aufklärungsbedürfnis von Kommunisten ausnutzt. Da bietet Neo eine Plattform für einen erklärten Antikommunisten, wohl wissend, dass es einem Kommunisten schwerfällt, den Scheiß unwidersprochen stehen zu lassen. (Dann kommen solche Kurzkommentare wie von u, die sich daraus erklären, dass man libelles antikommunistischen Schaum nicht stehen lassen will, dass es einem aber auch zu blöd ist mit ihm in eine ernsthafte Diskussion einzusteigen.) Er hält sich vornehm zurück, und schaut zu wie sich andere ein Battle liefern und lässt dann seine professoralen Metakommentare ab. Ihm ist eben nichts zu blöd, um Aufmerksamkeit auf seinen Blog zu ziehen. Ich habe davon jedenfalls endgültig die Schnauze voll und kann nur jedem raten dieses Verhalten nicht durch Anwesenheit auf seinem Blog zu unterstützen.“
    Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen, sondern nur noch die Konsequenz zu ziehen und wie empfohlen zu verfahren.

  164. Fred
    23. April 2013, 11:40 | #164

    „wenn man den Staat für ein abgetrenntes und der Bevölkerung gegenübertretendes Quasi-Subjekt, eine sich sogar noch die Willen ihrer „Agenten“ zurechtmachende Struktur hält“

    Dass Staaten Subjekte sind, die sich zurecht „souverän“ nennen – ganz im Gegensatz zu ihren Untertanen -, weiß jeder, auch du und libelle. Das ist keine Interpretationsfrage.
    Deswegen benötigt ihr ja die Ideologie eines von den Untertanen abhängigen Willens, weil es den Staatswillen selbstständig gibt: Es sind Herrschaftsgebilde, die Kriege führen, Demonstranten verprügeln und Verbrecher gewaltsam hinter Gitter bringen – deren Untertanen dürfen das nicht und das wisst ihr.
    @libelle

    „dann mache ich doch wohl beiden den gleichen Vorwurf“

    Ganz offensichtlich nicht, was hast du denn gegen das Gewaltprogramm von Staaten inhaltlich vorzubringen? Nichts, kein einziges deiner Argumente stößt sich am brutalen Vorgehen von Souveränen – stattdessen flüchtest du in deine Fantasiewelt siegreicher Terroristen, die es auf dieser Welt gar nicht gibt!
    Deine Parteilichkeit für siegreiche Gewalt ist keine Gerechtigkeitsfrage, sondern ein Beleg für deine nationalistische Brille: Wenn du ausgerechnet Kritiker der Staatsgewalt als „Gewalttäter“ beschimpfst, hast du mit der allgegenwärtigen Gewalt eben deinen Frieden geschlossen und denunzierst deswegen diejenigen, die die staatliche Gewaltagenda als unbekömmlich kritisieren.
    Die Methode des Tricksens und Themenkarussels: Die menschenvernichtende Realität von Gewaltmonopolen wird als „off topic“ aussortiert und unter Gerechtigkeit subsumiert, um den Kritikern dieser Wirklichkeit Gewaltabsichten unterstellen zu können. So wird aus dem Thema „Kritik an Gewalt(-monopolen)“ die kontrafaktische Denunziation der Kritiker als die eigentlichen Gewalttäter. Das Bewusstsein der Herrschenden ist halt das herrschende Bewusstsein.
    @Labello
    Was, wenn es umgekehrt ist und der „kommunistische Blog“ eine Methode für libertären Antikommunismus? Fürs richtige Feindbild braucht man eben erstmal Feinde. Und Neo schmückt sich wohl gern mit kommunistischen Auffassungen bzw. der eigenen Distanz dazu und das Internet stört sich nicht am Etiketten-Schwindel. Neos „kommunistische“ Ambitionen sind nichts, womit man sich mehr beschäftigen müsste als mit libelles Gewaltpredigten – wenn die Quelle nicht ohnehin identisch ist (das Spiel guter Bulle / böser Bulle unterstellt im Internet nicht einmal mehrere Personen!).

  165. franziska
    23. April 2013, 12:15 | #165

    Labello, gibts ein eingetragenes Markenzeichen namens „(Anti)Kommunismus, (anti)kommunistisch“? Mit wem du und andre hier im Internet reden oder nicht reden, ist eure Entscheidung; aber die Begründung ist dann doch seltsam: Wenn jemand, der eine vernichtende Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise hat, und im wesentlichen Privateigentum an Produktionsmitteln für die regelmässig entstehenden Schäden verantwortlich macht, und darum eine eigentumslose, gemeinsam geplante Form gesellschaftlicher Arbeitsteilung befürwortet – wenn nun so jemand an einer bestimmten Strategie, die anderen solche vorschlagen, begründete Zweifel anmeldet, wieso redet man dann mit ihm/ihr nicht?
    Die ganze Garnitur an echt irrer Polemik und Rumschimpfen, die das ganze bei euch hier begleitet, stört beim Lesen, ändert aber am Inhalt der Debatte nicht. Solang noch Argumente beigement sind. Gibts soviel lohnendere Gesprächspartner? Da draussen laufen noch ganz andre rum, wollt ihr euch dann auch so gehen lassen wie hier? Wer nur mit denen redet, die eh (und zwar exakt) seiner Meinung sind, erinnert an den Mann, der nachts seinen verlorenen Hausschlüssel unter der Strassenlaterne sucht: Dort hat er ihn zwar, wie er wohl weiss, nicht verloren, aber immerhin ist es da doch hell.
    Fred, daraus, dass die Untertanen es nicht selbst machen (manchmal machen sie sogar), folgt nichts. Der Gegensatz ist nicht so simpel wie „entweder der Staat ist Subjekt oder die Bürger“, und auch die „Subjekt“-Vokabel, die einem da unter die Nase gehalten wird, unterstellt, was ich nicht teile.
    Und was ist denn das für eine Manier: Was ICH, Fred, weiss, weisst DU, der andres behauptet, genauso, also denunzier ich deine unerklärten Absichten und seh, wie labello, zu, dass ich selbst mit meinen mickrigen Mitteln schon mal einen sauberen Boykott gegen dich hinkriege? Wenn ich schon nicht Subjekt der ganzen chose bin. NOCH nicht.
    Dass das hier alles munter vor vorne losgehen kann, hat aber einen Grund; die Debatte um den Staat, das Gewaltmonopol und einige andre wichtige Differenzen ist halt nicht ausgetragen. Die Argumente auf allen Seiten, was die oder jene Position für praktische Konsequenzen hätte, wenn sie stimmen täte, führen leider nicht weiter. Es kommt halt drauf an, was stimmt. (Die Position, ich hab sowieso recht, ist allerdings das Ende jeder Debatte.)

  166. 23. April 2013, 13:03 | #166

    Es ist immer wieder entlarvend, wie locker es Leuten, die zum Teil sicherlich auch aus dem GSP-Umfeld kommen, mir vorwerfen, daß ich nicht genügend Zensur walten lasse auf meinem Blog. Als wären solche seit Stalin und bis zu Mielke von „Linken“ benutzte Methoden unverzichtbares Instrument „kommunistischer“ Politik. „Aufklärungsbedürfnis“ scheint es aus dieser Ecke kaum eines zu geben, jedenfalls im Internet. Ich „zwinge“ (wie denn auch) nun wirklich niemanden, hier „Scheiß unwidersprochen stehen zu lassen“. Zudem ähnlicher Scheiß anderswo ja kübelweise zu haben ist und bei den gleichen Leuten keinen Widerspruch hervorruft.

    „Ihm ist eben nichts zu blöd, um Aufmerksamkeit auf seinen Blog zu ziehen“

    Redet da jemand unter Drogen? Dieser Blog hat überhaupt keine Aufmerksamkeit! (pro Tag keine 200 Leute, die hier reinschauen!) Und ich wüßte auch nicht, wie ich die mit irgendwelchen Themen oder gar Tricks erregen könnte, jedenfalls mit irgendwie linken Themen, mit anderen geht das ja schon. Der „battle“ hier (war vor Jahren ja mal eine blogsport-Parole „Willst du Battle, kriegst du Battle!“) interessiert nur die paar Hanseln, die das eben sporadisch interessiert. Im Übrigen ist das doch völlig out mit dem „Battle“.
    Wegen der allgmeinen und nicht nur linken Unlust, sich noch öffentlich argumentativ auseinanderzusetzen, hat perverserweise dann das bißchen Streit hier dazu geführt, daß dieser Blog innerhalb der Blogsport-Welt, so klein wie sie eben ist, auf einmal relativ oben stand. Und was hat das gebracht? Buchstäblich nichts. Keine drei Referrer in den letzten Tagen, die deshalb hier reingeschaut hätten. Da würden mir ja auf jedem Parteitag der Partei die Linke mehr Leute zuhören, wenn ich da Delegierter wäre.
    @ Fred: Es verwundert mich, daß du mich bei den „libertären Antikommunisten“ unterbringst. Schon historisch und jetzt immer noch bin ich eher ein Anhänger von Arbeitermacht. Was man übrigens auch an der Auseinandersetzung zu China (unter anderem zu Dillmanns Buch) oder Kuba nachlesen könnte, es ist ja nicht so, daß ich mich immer nur „vornehm“ „zurückhalte“ und „Metakommentare“ abgegeben hätte.
    Daß du jetzt den alten Witz (“ I dont care what kind of communist you are“) auch auf mich und libelle anwendest, zeigt welches enormes Maß an bornierten Scheuklappen und Paranoia doch bei Manchem zu bemerken sind. (übrigens würde schon eine oberflächliche semantische Analyse ergeben, daß libelle und ich – was auch immer die Schnittmenge an politischen Einschätzungen sein mag – nicht die selbe Person sind.
    Leider hat diese Gleichsetzung, wer nicht hundertprozentig für uns ist, kann nur ein Gegner sein, dem eins aufs Maul gehört, mich schon persönlich ein paar Mal in die Situation gebracht, daß mir GSPler und junge Linke-Typen das Wort verboten haben bzw. verbieten wollten, wenn ich auch nur Pieps mache. Es geht in dieser Frage also auch schon um zentrale Punkte linker Agitation und Propaganda. Auch die Gleichsetzung von Kritik in inhaltlichen Punkten mit staatlicher Repression „guter Bulle / böser Bulle“ liegt in so einer Weltsicht dann nahe.

  167. Fred
    23. April 2013, 15:31 | #167

    @franziska
    „Wenn ich schon nicht Subjekt der ganzen chose bin“
    Meine Rede, auch wenn es dir nicht „so einfach“ erscheint: Untertanen haben die Eigenschaft, nicht als Subjekte des politschen Weltgeschehens auftreten zu dürfen – ganz gleich was die sich dazu einbilden oder was sie als abhängige Variable tun, das Bodenpersonal ist machtlos im Gegensatz zu seiner Herrschaft, die darüber entscheidet, welche Subjektivität sie denen zugesteht, die ihr unterworfen sind.
    Mit der Mär vom Staat, der „wir alle“ seien, kann man Herrschaft natürlich nicht erklären, weil es der Versuch ist, das Subjekt Staat als Steigbügel seiner Manövriermasse auszugeben. Da landet man zwangsläufig beim Widerspruch, in Demokratien würden die Untertanen sich selbst beherrschen (via Stellvertreter usw.). Dass das gelogen ist, weiß andererseits auch jeder, der irgendeinen Politikernamen kennt: Wer zur Herrscherclique gehört und wer nicht, steht in jeder Zeitung jeden Tag, von einer Bevölkerung, die herrschen würde, ist logischerweise nicht die Rede.

  168. libelle
    23. April 2013, 17:40 | #168

    Leider bringen labello und Fred eben keine Widerlegung der Einwände gegen die Idee einen Zustand der Bedürfnisbefriedigung via Machtkampf herstellen zu wollen zustande. Der leere Verweis darauf, dass es sowas gäbe (labello) ist halt kein Argument. Zudem sieht man hier (in ihnen) die Keimzellen der stalinistischen Horden des Zwangsbeglückungsssystems zu dem ihre Revolution im Erfolgsfall verkrüppelt. Zensur, Lager und Auslese ist alles, was die im Umgang mit Kritikern zu bieten haben.

  169. Mattis
    23. April 2013, 18:54 | #169

    @labello
    Bekanntlich verzichten auch GegenStandpunktler inzwischen auf Veranstaltungen, da ja ein Antikommunist auftauchen könnte? Warum wird dort überhaupt Diskussion angeboten, wenn das so gefährlich ist? Weil dann ein Oberchef dabei ist?
    Hier finden jedenfalls mehr Debatten statt als in 100 Teach-Ins zusammen. Und es steht dir frei, dich zu beteiligen. Aber du traust den Lesern nichts zu, und forderst ersatzweise, dass Neo den Oberchef spielt.
    So ist jetzt die trostlose Lage: Renate Dillmann sagt, gegen unwillige Bauern hilft nur Herrschaft, und du sagst, gegen uneinsichtige Leser hilft nur Zensur.
    Wenn du hier sämtliche Vorurteile gegen Kommunisten bestätigen willst, mach so weiter. Im Moment ist dein Beitrag jedenfalls der destruktivste. An allen anderen kann man, selbst wenn man den Inhalt nicht teilt, zumindest seine Argumente schärfen. Und pass auf: es liest immer mindestens einer mit, der was draus lernt. Auch aus deinem Aufruf zur Wiederherstellung der geistigen Ordnung.

  170. 23. April 2013, 19:17 | #170

    Das Traurige an den GegenStandpunkt-Veranstaltungen, die ich aus den letzten Jahren kenne, ich hör mir da ja bekanntlich viel an, ist, daß man dort in der Tat häufiger auf ganz normale Antikommunisten trifft und von den eh erheblich weniger gewordenen Linken praktisch niemand mehr. Daß auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dedizierten Demokraten politisch Sinn macht, habe ich neulich erst am Beispiel der Veranstaltung mit Rolf Röhrig zur Wohnungsnot belegt http://neoprene.blogsport.de/2013/03/01/zum-weitverbreiteten-schmunzeln-als-reaktion-auf-kommunisten/
    Ich kann es auch nicht verstehen, warum die GSPler bis auf einen Haufen von Randrüpeln und ein paar ganz wenige ernsthafte Diskutanten den Diskussionen im Internet so durchgängig eine Abfuhr erteilen. Denn, da hat Mattis ja recht, selbst das bißchen Diskussionen „hier“ ist ja regelmäßig mehr als selbst bei den lebhaftesten „öffentlichen“ Veranstaltungen des GSP.
    Insofern stimme ich Mattis zu, im großen Ganzen ist die Lage recht trostlos.
    Und stimme ihm auch zu, daß es reihenweise Poster gibt, die dem GSP einen schlechten Namen geben, wenn sie nicht gleich von wem auch immer dazu eingesetzt werden, den GSP zu denunzieren und sozusagen libelles Unterstellungen wahr werden zu lassen. Denn es fällt ja auf, daß solch übles Zeug immer nur von anonymen Postern kommt und nicht von irgendeinem Wortführer des GSP im „wirklichen“ Leben. (Andererseits ignorieren die die Webszene ja so total, daß sie sich noch nicht mal von den größten Dödeln distanzieren.)

  171. Paul Dessau
    23. April 2013, 20:01 | #171

    Bevor ich mich aus dieser Diskussion zurückziehe, will ich doch noch kurz etwas zur Sache sagen:
    Angesichts des ungeheuren Repressionsapparats des bürgerlichen Staates ist eine Minderheitenrevolution unmöglich. Polizei und Militär würden sie blutig niederschlagen. Es braucht eine Mehrheit, die den Kapitalismus abschaffen und den Sozialismus aufbauen will, sonst wird es nichts mit dem Sozialismus. Die Arbeiterklasse muss nicht nur ihren Dienst für das Kapital beenden, sie muss auch aufhören, sich als Volk aufzuführen. Sie muss der Herrschaft die Gefolgschaft aufkündigen und dadurch Staat und Kapital die Macht entziehen. Auch Polizei und Streitkräfte müssen zumindest gespalten sein. Etwaige konterrevolutionäre Putschisten müssen wissen, dass sie sich der Mehrheit der Bevölkerung entgegenstellen. Wenn sie es dennoch wagen, wird eine entschlossene sozialistische Mehrheit schnell mit ihnen fertigwerden. Das ist die subjektive Bedingung einer sozialistischen Revolution (die objektive Bedingung ist die, dass die Produktivkräfte vorhanden sind oder schnell geschaffen werden können, die es braucht, um allen ein gutes Leben zu ermöglichen).
    Die Idee, eine Minderheit bewusster Sozialisten oder Kommunisten könne die Macht übernehmen und dann der Mehrheit, die das gar nicht will, den Sozialismus aufdrängen, ist aber nicht nur aussichtslos, sie ist auch widersinnig. Was immer der angeblich „sozialistische“ Staat dann durchsetzen könnte – Sozialismus wäre es nicht!
    Sozialismus/Kommunismus ist die freie Assoziation der Produzenten, und das heißt, dass die Produzenten freiwillig zusammenarbeiten, weil sie einsehen, dass dies zu ihrem Besten ist – weil ihre Kooperation die freie Entwicklung eines jeden ermöglicht. Zumindest die große Mehrheit muss diese Einsicht haben. Sozialismus/Kommunismus heißt auch: gemeinschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln – und das schließt ein, dass jeder Einzelne über sie mitverfügen können muss. Die Produktionsmittel sind nicht Gesellschaftseigentum, wenn nur ein Teil der Gesellschaft über sie verfügen kann. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich an den Entscheidungen darüber zu beteiligen, was und wie produziert werden soll. Die Garantie, dass sich die Produktion an den Bedürfnissen aller orientiert, ist nur zum Teil eine Frage der Buchführung über den Verbrauch; sie schließt auch die Beteiligung aller an der gesellschaftlichen Planung ein. Damit ist die Frage nach der politischen Organisationsform des Vereins freier Menschen gestellt, die Frage der Räte und der sozialistischen Demokratie, der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung. Und auch hier ist vorausgesetzt, dass sich zumindest die Mehrheit der Bevölkerung an der kollektiven Selbstbestimmung beteiligen will.
    Es mag sein, dass Minderheiten den revolutionären Prozess anstoßen können, wenn eine Situation eintritt, in der „die da oben“ nicht mehr weitermachen können wie bisher. Aber sie müssen dann schnell zur Mehrheit werden, wenn es gelingen soll, den Sozialismus aufzubauen. Eine sozialistische Revolution, die Umwälzung der Produktionsverhältnisse hin zur freien Assoziation der Produzenten, kann nur als Mehrheitsrevolution gelingen.
    Dass eine solche Mehrheit nicht über Nacht entsteht, damit muss man sich abfinden, und auch damit, dass es keine Garantien gibt für den Sozialismus. Man tut eben, was man kann und verbreitet die Argumente gegen den Kapitalismus, die man für richtig hält. Wer sie sich einleuchten lässt, wird dieselben Schlüsse daraus ziehen, die man selbst gezogen hat, und sie weiterverbreiten. Wenn ich zwei Leute überzeuge und jeder dieser zwei überzeugt wieder zwei andere und immer so zu, wird irgendwann eine Masse daraus. Der Kapitalismus selbst sorgt zuverlässig dafür, dass uns die Argumente für seine Abschaffung nicht ausgehen.
    Außerdem sollte man dazu beitragen, dass die Gruppe oder Organisation, in der man mitmacht, einladend und nicht abschreckend daherkommt. Das ist auch für einen selbst besser. Die Beteiligung an der politischen Arbeit muss einen Eigenwert gewinnen können. Rüdiger Mats hat das einmal so ausgedrückt:

    Wir müssen auch „Gerade-so-Linken“ Argumente liefern, sich zu organisieren, damit sie zu KommunistInnen werden können. Bis eine Organisation einen wirklichen Vorteil bringt z.B. in sozialen Kämpfen, dürfte es dauern. Bis dahin muss der Grund fürs Organisieren in den Organisationen selbst liegen: Indem es sich in ihnen schon jetzt besser arbeiten, diskutieren, leben lässt als außerhalb und sie so eine Vorahnung liefern, wie freie Assoziation funktionieren wird.

  172. Fred
    24. April 2013, 09:32 | #172

    „Ich kann es auch nicht verstehen, warum (…) Abfuhr (…)“

    Du beantwortest es eigentlich schon selbst, indem du sagst, worauf es in Internet-Diskussionen (neben den Fahndungserfolgen der Staatsgewalt) ankommt:

    „selbst das bißchen Diskussionen „hier“ ist ja regelmäßig mehr als selbst bei den lebhaftesten „öffentlichen“ Veranstaltungen“

    Strittige Inhalte werden an einem quantifizierten „mehr“ an Diskussion gemessen. Es kommt also durch diese Brille schonmal nicht darauf an, wer welches Argument begriffen hat, sondern wie wichtig sich z.B. ein Neo mit der Anzahl von Diskutanten machen kann. Auch ein Diskussionsergebnis! Das was hier als Erfolg gefeiert wird, ist eher der Beleg für die Untauglichkeit dieses Mediums: die Menge des Geplappers hier ist kein Gütesiegel, sondern offenbart, dass gerade die Selbstdarstellung im Internet sich nur sehr schlecht mit vernünftiger Gesellschaftskritik vereinbaren lässt.

  173. 24. April 2013, 09:51 | #173

    Fred, du bist schon ein verbohrter Sektenblödel:
    Ohne auch nur ein einziges der hier online geäußerten Statements zur Kenntnis zu nehmen, geschweige den zu beantworten vielleicht zurückzuweisen, machst du jede inhaltliche Diskussion zu einer Frage der Ego-Stärkung. Da ist dir jede Kritik an deinem Verein pauschal „Geplapper“ von Selbstdarstellungsartisten. Wenn ich mit dem Zensieren anfangen sollte, dann wäre dein Schund jedenfalls gleich mit dabei. Leider stehst du mit diesem argumentlosen Organisationsfetischismus nicht allein, sondern bist typisch für die verkommene Linke, mit der das Land geschlagen ist. Als Zeichen für diese Dummheit soll das ruhig stehen bleiben.

  174. 24. April 2013, 11:06 | #174

    Ein Nachtrag zur Geisteshaltung dieser Freds, ist schon ein paar Jahre her:

    Freed: „Nervig sind bei GSP-Veranstaltungen gar nicht so sehr die Freunde des Referenten, denn die lassen eben schlicht ihren Genossen ausreden. Nervig sind diejenigen, die aus dem Publikum heraus anfangen, ein Co-Referat zu halten mit den Argumenten, die der Referent vorne noch sagen wird und so die überlegte Struktur anfangen zu zerstören.“

    Damals meine Antwort:

    „Was Fred da vorträgt, ist recht bizarr, jedenfalls für jemanden, dem es an der Auseinandersetzung mit anderen gelegen ist:
    Das Tollste, ausgerechnet bei einer Diskussionsveranstaltung (die übrigens regelmäßig sogar als solche angepriesen werden), ist es also, wenn es keine vernünftige Diskussion gibt, weil die „Freunde des Referenten“ ihren Redner ausreden und es durch die Bank damit bewenden lassen! (Woran erkennt unser Spezialkommunist eigentlich die „Freunde“, wenn die doch von Dutzenddemokraten, Antifas oder Werweiswas überhaupt nicht zu unterscheiden sind, weil sie schließlich keine Parteianhänger am Revers tragen?) Wenn das wenigstens der Vorredner wäre, dem andere Redner folgen würden, dann wäre das ja nur der Verweis auf die elementare Sache, daß zur gleichen Zeit immer nur einer was sagen sollte. Aber diese schweigsamen „Freunde“ tun ihrem Freund wie auch den anderen Anwesenden doch einen Bärendienst, wenn sie den einfach nur seine Statements in den Wind reden lassen. Dafür braucht man übrigens auch nicht zu einer Veranstaltung zu gehen, jedenfalls zu einer des GegenStandpunkts. Denn das, was da ein Referent persönlich vorträgt, gibt es doch im Regelfall schon vorher in schriftlicher Form oder bei jedem halbwegs wichtigem Thema sogar schon als Mitschnitt einer früheren Veranstaltung, die man sich genauso gut zu Hause anhören könnte, das stört dann wirklich gar niemanden mehr, erst Recht keine „Struktur“!
    Geradezu irre wird es, wenn Fred sich ausgerechnet genervt sieht von Leuten aus dem Publikum, die nicht etwa Falsches zu sagen haben, sondern Richtiges zur Unzeit vortragen. Vielleicht haben die sich ja auch was überlegt, vielleicht hätte das der Referent sogar gleich selber gesagt, so daß es dann nur ein anderer Tonfall und noch nicht mal ein anderes Argument war. Und Koreferate sind angesichts von Referaten von locker so rund zwei Stunden Einsprengsel von zwei oder drei Minuten eh nicht.“

  175. franziska
    24. April 2013, 11:07 | #175

    Paul, es ist vieles in deiner Stellungnahme, dem ich gerne zustimme. Das Traurige ist, dass deine Äusserungen ganz vieles im Zusammenhang mit dem „wie“ offenlassen; dass dies „wie“ eben, wie du sagst, vor allem erschlossen ist aus „den Argumenten gegen den Kapitalismus, die man für richtig hält“. Wie es aber mit dem „Verbreiten“ steht, siehst du hier: Das für richtig Gehaltene stösst auf Gegenmeinungen, und muss sich dazu stellen. Und nicht einmal einer ist da, der einem in allem zustimmt, geschweige denn zwei und zweimalzwei.. Der Ärger, die Ungehaltenheit, das Sich-Abwenden aber, die hier in diesem Blog und auch andern allgegenwärtig sind, sind Ausdruck einer Haltung zum „Einleuchten“, die dazu führen wird, dass es bei den vielen Einen bleiben wird.
    Was andre an- und aussprechen, ist auch MEIN möglicher Gedanke, es ist etwas, das ich erwägen könnte oder auch schon erwogen habe. Warum übernehme ich es nicht? Dies „warum“ spreche ich aus oder schreibe ich hin, um zu sehen, was die andern sagen. Die Aufgabe, die da ansteht, ist mit „Streiten“ ungefähr so absurd beschrieben, wie wenn man einen Hausbau wesentlich als Kampf der Bauarbeiter begreift. Beim „Diskutieren“ oder gemeinsamen Erörtern schauen zwei oder mehrere Leute auf (hoffentlich) dieselben Gegenstände, und drücken aus, was sie sehen, machen einander auf dies oder jenes aufmerksam, das ihnen unter einem Gesichtspunkt wichtig erscheint. Diese Hinsichten dessen, was wichtig oder unwichtig ist, mit Blick auf praktische Ziele, sind die Quelle der Differenz, und hängen eng mit dem zusammen, was für solche Ziele jemand im Augenblick hat. Wer an Diskussionen oder kollektiven Erörterungen und Verständigungen teilnimmt, muss darum bereit sein, für diese Zeit zumindest, einmal von der unmittelbaren Verfolgung seiner Ziele abzusehen, und sich so wie die andern befragen, auf welchen Einschätzungen der Verhältnisse da draussen seine Zielsetzungen eigentlich beruhen. Denn sie beruhen entweder auf Einschätzungen, und sind in der Tat vernünftige Konsequenz vernünftiger Einschätzungen, oder sie sind willkürlich, oder aus Bequemlichkeit gewählt; dann taugen sie auch für ihn nicht soviel. Das alles steht in der gemeinsamen Erörterung permanent auf dem Prüfstand. Wer mit sich selbst und seinen Einschätzungen ohnehin so umgeht, für den stellt es keine wesentliche Änderung da, wenn andere in sein Nachdenken einbezogen sind. Darum ist Diskussions-Bereitschaft und -fähigkeit auch ein Ausweis der Unbestechlichkeit und Redlichkeit im eigenen Denken.
    Bei labello war die Rede vom Drang, andern zu widersprechen; und anschliessend der Beschwerde, dass einem die Kosten dafür aufgebürdet werden.
    All das, Drang, Kost, Beschwerde, gehört, meines Erachtens, nicht zu einem Verständigungsprozess; nicht zu einem, wo es ums gemeinsame Begreifen (und, damit das ganz klar ist: selbstverständlich um korrektes Begreifen) geht.
    Dass hier soviel geschimpft wird, hat aus meiner Sicht vor allem einen Grund: Es wird sehr wenig verstanden von den Sachen, um die es geht, auch von dem, was die andern, warum die andern es sagen. Das spürt dann jeder; und es ist schwer zu ertragen. Wenn man der Einsicht Raum gibt, rückt die Realisierung der eignen politischen Wünsche auf einmal unbestimmt weit weg – nicht einmal nur zeitlich („nicht über Nacht“, schreibt Paul), sondern selbst ihre Möglichkeit steht unter Umständen zur Debatte.
    Das, was in diesem thread eigentlich infragestand (und bislang unerledigt blieb), weshalb die Affekte verständlicherweise auch hochkochen, ist: Ob „Revolution“ überhaupt der dem eigentumsfreien Gesellschaftszustand angemessene Übergang ist. (In meinen Worten: Was es dabei mit dem Verhältnis von „Abschaffen“ und „Aufbauen“ auf sich hat; hier wieder die völlig unerledigte Frage: was die derzeitigen Verhältnisse ausmacht; ein Nichtsein, ein Unterlassen, ein Nichtsehen? Dann ist da nichts Abzuschaffendes. Und von der Art war libelles Befund. Man fällt über ihn her als Antikommunist, da „Abschaffungs-Gegner“. Wenn sein Befund aber stimmt, wäre „Revolution“ absurd. Stimmt der Befund, folgt die Konsequenz nicht wegen libelles Niederträchtigkeit. Stimmt der Befund nicht, ist es ein Fehler; Fehler sind Fehler, und keine Niedertracht. Worüber also regt man sich auf? Dass libelle nicht unvermittelt das Eigne teilt? Alle, die sich hier aufregen (auch libelle, auch er teilt kräftig aus, lässt sich in seinem Ärger gehen), tun das, weil sie in irgendeiner Hinsicht unvermittelt Zustimmung fordern. Wer das will, braucht in der Tat nicht herkommen.

  176. Mattis
    24. April 2013, 19:07 | #176

    Genau so, wie hier labello, haben früher die DKP-nahen Spartakisten vom Leder gezogen, wenn ein studentischer Sympathisant von denen mal neugierig war auf ein Teach-In der Marxistischen Gruppe!
    Sämtliche denunziatorischen Sprachbilder von labello sind exakt dieselben, einschließlich des paranoiden Höhepunkts (unter einer Decke mit dem Gegner zu stecken).
    Das Gewettere des MSB Spartakus, allein schon das Hingehen zu so einem MG-Vortrag sei ganz klar „objektiv“ eine Stärkung des dort praktizierten Antikommunismus, ebenso auch das öffentliche Lesen der MSZ in der Mensa und dergleichen – solches Gewettere wurde damals von der MG zur allgemeinen Belustigung ironisch vorgeführt.

  177. 24. April 2013, 19:19 | #177

    „Früher“ habe ich es wiederum bei MG-Veranstaltungen nicht mal durch die Saal-Tür an den Ordnern vorbei geschafft, weil die sich von Leuten wie mir nicht „nerven“ lassen wollten.
    Heute ist das zwar zumeist wenigstens nicht mehr so, aber jetzt will praktisch kein Linker mehr zu den MGlern, Entschuldigung zu GSPlern hin, es gibt ja auch kaum noch Linke, die da überhaupt hingehen können wollten. Im Lauf von nur wenigen Jahrzehnten haben sich doch merklich viele Menschen in Deutschland umorientiert. Ich sehe nicht, daß dadurch so fürchterlich viel besser geworden wäre.

  178. 8. Mai 2013, 12:12 | #178

    franziska hat jetzt zu dieser Debatte einen Kommentar an Krim „privat“ geschrieben, den dieser, wie auch ich meine zurecht, als öffentlichen Beitrag behandelt und in seinem Forum veröffentlicht hat:
    http://fk.siteboard.de/fk-post-1283.html#1283

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