Rüdiger Mats – Gespenst Kapitalismus (UG-Broschüre)
Ist Kommunismus ein theoretischer und praktischer Bezugspunkt für die radikale Linke? Und – wenn ja – lässt sich über ihn jetzt überhaupt schon mehr sagen, als dass er das ganz andere wäre? Dazu vier Thesen:
1. Ein vernünftiger Bezug auf Kommunismus – d.h. auch auf seine theoretische und praktische Geschichte – resultiert aus der Kritik des gegenwärtigen Kapitalismus.
Das mag banal oder selbstverständlich klingen, ist es aber nicht. Ich war vor einigen Wochen auf einigen Veranstaltungen einer von der Gruppe Inex organisierten Reihe in Leipzig, bei der es im Wesentlichen um die Kritik am Stalinismus ging. Bei fast jeder Veranstaltung kam aus dem Publikum die Frage, ob man sich denn angesichts der stalinistischen Verbrechen überhaupt positiv auf Kommunismus beziehen könne. Der Witz an dieser Frage ist, dass sie weder eine positive Antwort liefert, noch überhaupt eine Antwort bekommen will, sondern nur die Funktion hat, einen moralischen Standpunkt zu formulieren: Der Redner bzw. die Rednerin fühlt sich auf der moralisch sicheren Seite, indem er sich vom Realsozialismus distanziert, obwohl daraus gar keine bestimmte praktische politische Konsequenz resultiert.
Statt bei diesem Standpunkt zu bleiben und sich als kritischen Linken zu inszenieren, muss man sich doch angucken, was Kapitalismus ist: Kapitalismus produziert Elend, Kapitalismus zerstört Subjekte, psychisch und physisch. Und die Frage, die man daran anschließen muss, ist erstens, ob das nötig ist. Also: Gibt es eine Alternative zum Kapitalismus? Und zweitens: Will man das kapitalistische Elend hinnehmen? Vielleicht zur zweiten Frage zuerst. Auch sie ist meines Erachtens unter Linksradikalen nicht selbstverständlich: Wie man sich praktisch zum Kapitalismus stellt. Wenn man sich linke oder meinetwegen linksradikale Lebensläufe so anschaut, so gibt es häufig die Variante, dass die Leute früher oder später einen zynischen Standpunkt einnehmen. Dass sie sich z.B. entscheiden, ihre Reproduktion an ein akademisches Nischendasein zu hängen und sich politisch praktisch mit den herrschenden Verhältnissen abzufinden. Scheinbar „ergibt“ sich das biographisch einfach so – und sie gewinnen gleichzeitig dann noch einen psychischen Mehrwert daraus, dass sie es besser wissen als die affirmative Masse. Durchaus kein untypischer Verlauf von linksradikalem Leben. Ich denke, die Frage, »Will man das eigentlich hinnehmen?«, ist deshalb keine rhetorische, sondern eine, die durchaus praktische Konsequenzen hat, wichtigere Konsequenzen als so einige theoretische Differenzen, zu denen viele Kongresse abgehalten und Aufsatzbände veröffentlicht werden…
Wenn man sich dem Kommunismus von dieser Seite nähert – von einer Beurteilung des Kapitalismus und der Entscheidung, das nicht hinnehmen zu wollen, dann glaube ich, dass schon mal deutlich wird, dass das keine geschichtsphilosophische Übung ist. Mit Marx kann man zeigen bzw. Marx hat gezeigt, welche besondere Stellung in der heute herrschenden Gesellschaft die Ökonomie hat, kapitalistische Gesetzmäßigkeiten, die sich systematisch bedingen und verstärken. Wenn man also das Elend, das durch Kapitalismus produziert wird, nicht hinnehmen will, gelangt man zu der Frage, ob bzw. wie Kapitalismus als System abzuschaffen ist und durch was er zu ersetzen sein könnte. Das ist schon mal eine sehr viel konkretere Frage als die, ob man sich positiv auf den Kommunismus beziehen will, oder ob man das besser nicht tun sollte.
2. Ein Bezug auf Kommunismus muss zumindest auch positiv sein.
Denn wenn man die Frage so stellt wie eben von mir umrissen – was genau ist denn eine Alternative zum Kapitalismus? -, dann ist das schon ein positiver Bezug auf den zentralen Ansatzpunkt der kommunistischen Tradition. Und zwar unabhängig davon, wie viel Kritik man dann an dieser Geschichte übt. Man kommt zu einer in weiten Teilen ähnlichen Frage und hat damit schon mal eine wesentliche Gemeinsamkeit, auch wenn man in vielen Hinsichten zu anderen Antworten kommen muss als Kommunistinnen früherer Zeiten.
Dass der Bezug auf die kommunistische Tradition ein weitestgehend kritischer sein muss, setze ich hier voraus. Wenn man sich insbesondere die Geschichte des Realsozialismus anschaut, kann man erstmal feststellen, dass er nicht mehr existiert. Was ja auch schon in gewisser Weise gegen ihn spricht – zumindest was seine Praktikabilität angeht. Zweitens – und das kann ich hier auch nur heranzitieren, aber ich schätze mal, dass hier weitgehend Einigkeit bestehen wird – war der Realsozialismus eine Gesellschaft mit Staat, Geld, Herrschaft, die mit Emanzipation nicht wirklich viel zu tun hatte.
Die zentrale Frage und jetzt wird es vielleicht nicht praktisch, aber konkreter, die zentrale Frage, die man meines Erachtens nach an den Begriff Kommunismus oder vielleicht kann man auch sagen, an unsere Zielvorstellungen richten muss, ist die folgende: Wie hält man es eigentlich mit einem gesellschaftlichen Plan?
Es gibt ja viele Linke, auch Linksradikale, die – nicht zuletzt aus der realsozialistischen Geschichte – die Konsequenz ziehen, dass man von so etwas wie einem gesellschaftlichen Gesamtplan bloß die Finger lassen sollte. Ich glaube – und ich hoffe, ich vergesse jetzt niemanden in der Kritik -, dass es in dieser Mehrheit von Linken, die sich von der Planwirtschaft verabschiedet haben, drei große Richtungen gibt: Das ist zum einen eine sozialistische Ökonomie mit Marktelementen. Das ist besonders vertreten bei Richtungen wie der Linkspartei. Dann, bei Linksradikalen ein bisschen beliebter, die Vorstellung einer ganz strikten Dezentralisierung von gesellschaftlichen und damit auch ökonomischen Prozessen. Und die dritte Richtung, die auch noch mal ein bisschen anders ist, ist Erwartung, dass unser Ziel eine unmittelbare Assoziation sein müsse: dass also die gesellschaftliche Reproduktion und der politische Zusammenhalt sich letztlich von selbst und ganz spontan finden werde. Individuen tun sich völlig frei als Einzelne zusammen und machen das, was gesellschaftlich getan werden muss. Alle diese drei Richtungen halte ich nicht nur für nicht überzeugend, ich halte sie für Quatsch.
Erstens: Ein Sozialismus mit Marktelementen kommt an notwendige, konzeptionelle Widersprüche, was ich hier nicht ausfuhren kann. Entweder der Markt funktioniert nur halb, also gar nicht. Oder man hat tendenziell genau die Erscheinungen, deretwegen man den Kapitalismus ja abschaffen will. Zweitens: Eine strikte Dezentralisierung ist eine Unterschätzung von Machtpotenzialen kleiner, unstrukturierter Einheiten. Wenn ich mir vorstelle, eine Vollversammlung von z. B. 5 000 Leuten hätte eine völlige Verfügungsgewalt über meine Lebensbedingungen, verschafft mir das kein sichereres Gefühl als der Gedanke an einen gesellschaftlichen Gesamtplan. Drittens: Der Gedanke, gesellschaftliche Reproduktion funktioniere so dass der_die Einzelne vor seinem PC sitzt, To Do-Listen ins Internet stellt und sich da sich dann schon Leute finden, die das gemeinsam abarbeiten, ist eine völlige Unterschätzung von materiellen Prozessen in einer Gesellschaft und sich daraus ergebender Macht. Die Konsequenz aus dieser Einschätzung ist: Es gibt im Grundsatz keine vernünftige Alternative zu einer gesellschaftlichen Planung.
Wenn wir also Kapitalismus nicht hinnehmen wollen, und die genannten drei Richtungen von gesellschaftlicher Alternative schon im Konzeptstadium in sich zusammenbrechen und nicht konsistent sind, dann hat sich die Frage, ob man sich positiv auf den Kommunismus beziehen kann, recht schnell verwandelt in die Frage, ob und wie eine gesellschaftliche Planung möglich ist ohne Herrschaft, und das schließt ein ohne Geld. Ausgerichtet an Bedürfhissen, ausgerichtet an der größtmöglichen Bestimmung der Einzelnen über die Bedingungen ihres eigenen Lebens.
3. Ein zentraler Plan trägt Tendenzen zur Herrschaftsausbildung in sich.
Eine Tendenz zur Hierarchiebildung ist kooperativen Prozessen ohnehin eigen. Spezialisierung, Herausbildung von Expertenwissen etc. führt tendenziell dazu, dass einige scheinbar wichtiger sind als andere. Das kann jeder von euch sicher an seinen eigenen Organisationserfahrungen überprüfen. Betrachtet man die leninistische Tradition, wird einem schlecht, wenn man liest, wie wenig das als Gefahr eingeschätzt wurde von Leuten, die vor der Oktoberrevolution ja in vielen Fragen durchaus akzeptable Standpunkte vertreten haben. Das ist keine abstrakte, sozusagen demokratietheoretisch motivierte Kritik. Das würden jetzt Leute z.B. im Umkreis des Gegenstandpunkts einwenden, die sagen würden, dass es doch nur darauf ankommt, was entschieden wird – und Fragen von Beteiligung und Hierarchie gar keine Rolle spielen. Schaut man sich aber z.B. die Geschichte des Realsozialismus an, dann wird recht früh deutlich, dass die große Mehrheit dort so strikt von Informationen und Entscheidungsprozessen ferngehalten wurde, dass sie gar nicht in der Lage waren zu beurteilen, ob, jetzt mal gegenstandpunktlerisch gesprochen, da ihre Zwecke realisiert werden oder nicht, mal ganz abgesehen davon, dass sie zu Zeiten einer funktionsfähigen realsozialistischen Staatsgewalt kaum eine praktische politische Konsequenz hätten ziehen können, wären sie zu dem Ergebnis gekommen, dass da einiges faul ist. Es blieb das dumpfe Gefühl, dass diese Art von Sozialismus nicht für sie da ist, was dann am Ende schnell in Affirmation des Klassenfeindes umschlagen konnte. Diese Entgegensetzung von „Inhalt“ der Entscheidungen und der Frage, wer sie treffen darf, ist so also schon falsch.
Zumindest meine eigene Erfahrung ist, dass in linksradikalen Gruppen ganz deutlich die Tendenz zur Herausbildung informeller Strukturen gibt. Entscheidungsprozesse laufen dann häufig so ab, dass hinterher keiner mehr weiß, wie sie denn überhaupt zustande gekommen sind. Dass es an dieser Stelle nicht schon zu Herrschaft kommt, hat damit zu tun, dass wir so marginalisiert sind, dass – zumindest im Normalfall – die eigene politische Gruppe nichts mit den Bedingungen der eigenen Reproduktion zu tun hat. Das wäre ja bei einem gesellschaftlichen Gesamtplan eindeutig anders – und die Konsequenzen deshalb weit ungemütlicher als in der Feierabendantifa.
Wenn ich gesagt habe, dass meiner Einschätzung nach ein gesellschaftlicher Plan die Tendenz zur Herrschaftsbildung in sich trägt, dann argumentiere ich da nicht mit menschlicher Natur oder Ähnlichem, sondern schlicht damit, dass ich mir recht sicher bin, dass auch in einer kommunistischen Gesellschaft so etwas wie Interessengegensätze existieren werden. Andere als heute, aber es gibt keinen Grund, von naturwüchsiger Harmonie zwischen allen auszugehen.
Wenn das so ist, wir also erstens Kapitalismus abschaffen wollen, zweitens die einzig sinnvolle Grundlage für eine Alternativgesellschaft ein gesellschaftlicher Gesamtplan ist, aber drittens es auch nach Ende des Kapitalismus Interessensgegensätze geben wird und zwar nicht nur in einer Übergangsgesellschaft, sondern dauerhaft, dann resultiert daraus auch wieder etwas Problematisches. Nämlich, dass politische Institutionen – ich habe bisher hauptsächlich über Ökonomie geredet – für uns von Interesse sein sollten. Institutionen, die diese Interessensgegensätze vermitteln. Wenn man gleichzeitig, und dafür gibt es gute Gründe, von so etwas wie Staaten nicht viel hält, resultiert daraus die schwierige Frage, wie denn solche Institutionen möglich sein sollen ohne einen Staat zu haben. Oder andersherum gesagt, wie man Institutionen schaffen kann, die freie und gleiche Entscheidungsmöglichkeiten sicherstellen können, ohne so etwas wie staatliches Recht zu stiften.
4. Der Bezug auf den Kommunismus ist heute schon eine Frage der Praxis.
Ich habe eben schon, durchaus mit Absicht, auf unsere heutige Organisationspraxis hingewiesen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es von Gruppen, die heute von informellen Strukturen und von Hierarchien geprägt sind, Gruppen, die teilweise eher erweiterte Freundeskreise darstellen, dass es von diesen Gruppen einen kontinuierlichen Weg gibt zu der Übernahme gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse und Ressourcen, Aneignung von Produktionsmitteln, etc. – wie immer man es nennen will.
Eine gängige Haltung dazu ist, zu sagen: „Revolution steht doch heute nicht auf der Tagesordnung“ – was auch immer das sein soll… – deshalb könne man sich doch die Frage irgendwann mal stellen, wenn die Revolution denn auf der Tagesordnung stehe. Ich bin da sehr skeptisch, denn ich glaube nicht an Tagesordnungen und ich befürchte, dass in so einer Situation, in der wir nicht mehr so marginal sind wie heute, wir andere Probleme haben werden, als Konzepte zu diskutieren, wie man denn Entscheidungsprozesse vernünftig organisieren könnte. Dies hängt damit zusammen, dass dann natürlich Fragen ganz anderen Ausmaßes anstehen, und es hat auch damit zu tun, dass die momentan fast luxuriöse Position, dass wir mit staatlicher Repression in der Regel nur in Randbereichen unserer Arbeit zu tun haben, gerade mit dieser „Tagesordnung“ zusammenhängt.
Mit staatlicher Repression meine ich jetzt nicht Überwachung, sondern Repression der etwas härteren Gangart, die sich – selbst wenn wir nur doppelt so viele sind wie heute – mit Sicherheit radikal ändern wird. Die Frage, wie man denn überhaupt organisieren kann, ohne in Macht und Herrschaft abzugleiten, ist heute schon eine Praktische, weil sie gar nicht nur eine Erkenntnisfrage ist sondern wesentlich auf Grundlage von Erfahrungsprozessen beantwortet werden muss. Diese Prozesse bedürfen einer Einübung und es gibt überhaupt keinen gedanklichen Weg, sich vorzustellen, das könne in einer revolutionären Situation mal eben nachgeholt werden. Insofern glaube ich, dass die Organisationsfrage und die Frage, was der emanzipative Gehalt unserer heutigen Organisationsform ist, eine Frage darstellt, die von uns dringend diskutiert werden muss.
[Rüdiger Mats ist Autor und Lektor, promovierte über die Ökonomie des Realsozialismus und veröffentlicht regelmäßig zu linken Politikkonzepten und zur Idee, Organisierung und historischen Defensive des Kommunismus. Dieses Thesenpapier erschien zuerst im UG-Magazin 1/2012]
Welchen Sinn verbindest du damit, so eine linke Onanie zu verbreiten? Als ginge es in der politischen Arbeit aktuell um die Selbstvergewisserung, welches Wort man sich auf die Fahne schreibt, wie man sich in irgendwelchen innerlinken Diskursen und zum Realsozialismus positioniert als vielmehr darum, überhaupt erst einmal die felsenfeste Affirmation dieser beschissenen Gesellschaft durch ihr Fußvolk durcheinander zu bringen.
Wenn dein „erst einmal“ nur bedeuten soll, daß man sich mit Leuten wie Rüdiger Mats nicht auseinandersetzen sollte, bzw. mit den ja durchaus nicht nur von ihm vertretenen Thesen , die er vorträgt (zum Teil in expliziter Gegenposition zu dem was GegenStandpunktler so sagen), dann wundere ich mich schon, wieso dieser Einwand, wenn er denn ehrlich gemeint ist, ausgerechnet jetzt bei diesem Posting kommt.
Wenn es dir wirklich darum ginge, gegen alle „Worte auf Fahnen“ anzuwettern, dann fällt mir schon ganz spontan noch die eine oder andere Wortmeldung ein, wo ich zumindest deinen Einwurf, daß sich das nicht gehört für „politische Arbeiter“ bisher wohl überlesen haben muß.
Und ja, auch dieser Blog ist ein trauriger Beleg dafür, daß es über „innerlinke Diskurse“ herzlich wenig festzustellen gibt, was im wahrsten Sinne darüber hinaus bis zum „Fußvolk“ dieser beschissenen Gesellschaft vorgedrungen ist. Geschweige denn, dessen Affirmation durcheinander gebracht hätte.
Und selbst deine innerlinken Diskurse sind doch mehr Behauptung als Realität.
Noch ein Nachtrag:
Es ist nicht stimmig, wenn du als linker Blogger Wendy mir als linkem Blogger Vorwürfe machst, daß das, was hier so verhandelt wird, nichts dazu beitragen würde, beim Fußvolk einen ideologischen Fuß in die Tür zu kriegen. Das wird wohl schon so sein. Außer ehemaligen linken Bloggern liest das Zeugs hier doch eh keiner, das ist schon der Ausgangspunkt. Wenn du also konsequenter Massenagitator sein willst, dann nur zu, warum dann aber dein ärgerlicher Einwurf hier?
Onanie ist doch was Schönes, da haste was verpasst, Wendy. Um aber im Bild zu bleiben, müsste man viel eher sagen: Dieser Mats würde vielleicht gerne onanieren, kommt aber nicht dazu. Das ist doch verquastes Zeug: Klassen gibt es zwar nicht mehr im Kommunismus, aber Interessensgegensätze (er stellt sich ja sicher was darunter vor, wir erfahren es aber nicht); Gesamtplan ist irgendwie autoritär, aber einen Gesamtplan braucht man vielleicht doch. Staat muss weg, es bedarf aber über der Gesellschaft stehende Steuerungsinstitutionen (O-Ton: »Institutionen, die diese Interessensgegensätze vermitteln.«). Worin unterscheidet sich denn dieser Kommunismus von einem „Kapitalismus minus schlechte Eigenschaften“? Und das hier ist einfach eine Mischung aus Größenwahn und Banalität: „Die Frage, wie man denn überhaupt organisieren kann, ohne in Macht und Herrschaft abzugleiten, ist heute schon eine Praktische, weil sie gar nicht nur eine Erkenntnisfrage ist sondern wesentlich auf Grundlage von Erfahrungsprozessen beantwortet werden muss.“ Als ob es eine Linke gäbe, die so mächtig und schlagkräftig wäre, dass sie drohte „in Macht und Herrschaft abzugleiten“, und die sich also solche Fragen vorlegen müsste. Sowieso: wer die „Erkenntnisfrage“ von den „Erfahrungsprozessen“ ablöst (nicht nur…, sondern wesentlich…), kriegt den Haarspalter-Award.
Mit anderen Worten, du hast kein einziges Argument, warum so ein Scheiß-Text verbreitet, geschweigedenn komplett unkritisch und unkommentiert verbreitet werden sollte. Oder wird das besser, wenn ich ähnliches mache (wo bitte?)? Und unkommentiert verkehrtes Zeug verbreiten ist jetzt dasselbe wie kritisch auf linke Debatten Bezug zu nehmen?
Ja, Kurator: Als wäre das alles nicht schon bis zum Erbrechen und immer wieder auf Aufklärungsresistenz stossend in Blogs und Foren durchdiskutiert worden. Da unterstellen wir lieber eine widerspruchsfreie Gesellschaft und enthalten uns jeglicher Aussagen über das was nach dem Bruch kommen könnte, dann können wir auch alle anderen der eigentlichen Affirmation und verquasten Gedankengänge zeihen.
In den besetzten Fabriken von Ruhr bis Spree wird gerade nichts anderes diskutiert!
Ich frage mich ja schon, worin denn die notwendigen Interessensgegensätze bestehen sollen. Interessensunterschiede kann ich mir vorstellen. Aber Gegensätze? Wie soll aus dem Vorhaben, Produktion und Distribution von stofflichem Reichtum zum Wohle Aller zu organisieren, denn so was wie ein notwendiger Gegensatz kommen?
Aber erst nach kollektivem Austausch der richtigen Argumente!
Glücklicherweise hat ein gewisser Frederico Engels bereits vor 140 Jahren auf den dritten Punkt geantwortet.
@lala
Bei begrenzten Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Landschaft) kommt es zwangsläufig zu konkurrierenden Interessen.
@mattis
Nöö, das kommt auf den Inhalt der Interessen an.
Also, wenn ich mit anderen Zusammenwohne, es gibt beim Frühstück nicht genug Kaffee (bgrenzte Ressource), dann schnapp ich mir nicht alles, um meienn Kaffeedurst zu befriedigen. Sondern man spricht halt ab, wie man’s verteilt. Nen Gegensatz sehe ich da gar nicht.
@lala
Meinst du jetzt im Ernst, der Aufbau einer nicht-kapitalistischen Ökonomie sei sowas wie ein gemeinsames Projekt mit Freunden? Wo man sich wieder zurückziehen kann, wenns schiefgeht?
@anti_alles
Mit anderen Worten: Ja, je nach Inhalt der Interessen?
das war eine Aufforderung das du nennst, warum sich Interessen widersprechen sollen, außerhalb des Kapitalismus
Werfen wir also einen Blick in die sozialistische Zukunft des Jahres 2036, auf folgende Eilmeldung:
„In Karlsruhe haben Aktivisten von GreenPlease das Gebäude des Landesplanungsamtes besetzt. Sie fordern den zügigen Ausbau des Personennahverkehrs, auf den viele Gemeinden schon lange warten. Stattdessen würden enorme Ressourcen für den Automobilbau verwendet, da sich viele Autofahrer beriets nach 10 Jahren Nutzungsdauer einen neuen Wagen anschaffen, statt diesen noch viele weitere Jahre zu fahren. In einer Stellungnahme erklärte das Landesplanungsamt, es könne niemandem vorschreiben, wann er sich ein neues Auto zulege, und es werde nun mal auf Bestellung produziert. GreenPlease hielt dagegen, dass mehrere hundert Gemeinden schon seit Jahren ebenfalls Bestellungen abgegeben hätten – nämlich für Bahnhöfe und Schienentrassen – und forderte ein Ende der willkürlichen Prioritätensetzung zugunsten des Autoverkehrs.“
Was soll mir deine Geschichte sagen, Mattis?
@lala:
Was dir meine SF-Geschichte sagen soll? Zum einen hat anti_alles um ein Beispiel gebeten. Zum anderen dachte ich, dass du mit deinem „wir teilen uns halt einfach den Kaffee“-Ansatz einen Tipp zur Lösung der genannten Interessenkollision hast. Ich tue mich momentan schwer damit und werde nochmal den Text von Rüdiger Mats genau studieren, um zu rekonstruieren, was er wohl zu so einem Fall sagen würde.
Jetzt mal von der Zuspitzung mit der Besetzung abgesehen, sind ja vom Prinzip her solche Interessenkollisionen in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung als Alltagsereignisse anzunehmen, für die es funktionierende Lösungswege geben muss. Am besten schon, bevor ein Streitpunkt eskaliert.
Danke für den Text, ich fand ihn sehr lesenswert und er spiegelt so einige Gedanken wieder die ich mir auch schon gestellt habe(und für die ich keine Lösung gefunden habe bisher).
Und zu den notwendigen Interessensgegensätzen stimme ich Mattis zu. Aber man hört ja (leider) im Gegenstandpunkts-Umkreis die recht unflektierte Aussage an Konsum sei überhaupt nichts auszusetzen, die wohl aus der Annahme resultiert, es sei so unglaublich viel von allem da, das einfach jeder alles haben kann was er will. Die Annahme ist aber schlicht nicht haltbar. Da muss man nur mal bisschen die Augen aufmachen und die Möglichkeiten der Energieerzeugung realistisch abschätzen und das Abgleichen mit dem jetzigen Energiebedarf in europäischen Ländern. Will man da dann gleichzeitig auch noch die Kernenergie verbannen(was ja viele Leute wollen) und Energieformen die CO2 produzieren, steht man vor einem gewaltigen Problem, wenn natürlich selbstverständlich vorausgesetzt ist das ein Mensch in Afrika oder Asien genau das gleiche Recht auf Konsum hat, wie wir Menschen in Europa. Sicherlich könnte einiges an Energie in der Produktion eingespart werden in einer vernünftigen Gesellschaft, aber Wunder können da auch nicht plötzlich vollbracht werden. (Oder man stelle sich vor, die ganze Welt würde plötzlich soviel durch die Welt fliegen wie die Europäer es heute tun. Das wird einfach nicht funktionieren, auch wenn natürlich gleichzeitig viele Leute, ich eingeschlossen, den Wunsch haben rumzukommen und fremde Länder zu sehen). Reichlich Stoff für Interessensgegensätzen würd ich sagen.(Und ich hab jetzt nur die Energieerzeugung betrachtet und sonstige Schäden an der Natur durch Industrie außen vor gelassen.)
Oder wenn man sich dem Thema Nahrungsmitteln zuwendet, ich glaub so bis Mitte des Jahrhunderts soll die Gesamtbevölkerung der Erde auf 9Milliarden steigen. Okay gut, man kennt diese Zahl von 12Milliarden Menschen die ernährt werden könnten, wobei ich schätz das diese Zahl leider im Laufe des Jahrhunderts sinken wird, in Folge der Konsequenzen des Klimawandels(was man eventuell etwas abfedern könnte durch Gentechnologie, aber das wollen ja auch eine Menge Leute nicht). Aber der Witz an der Zahl ist halt(zumindest meines Wissens nach) das sie auf der Annahme einer veganen Ernährung basiert(ist halt die seeeeeeeehr viel ressourcenschonendere Variante der Ernährung) und ich kenn wirklich eine Menge Menschen die wohl äußerst gern weiter Fleisch und sonstige tierische Produkte essen möchten. Gut, man kann hoffen das die dann ein Einsehen hätten, aber ich seh da trotzdem ziemlichen Konfliktstoff.
Solche Problematiken damit zu vergleichen das man morgens mal nur eine halbe Tasse Kaffee kriegt ist schon entweder unfassbar naiv oder einfach nur dreist ein großen Teil der Menschheit außen vorlassend(sprich, die Leute außerhalb der kapitalistischen Zentren).
Ja, das Ressourcenproblem hinsichtlich Umwelt ist nicht zu unterschätzen, und das ist ja nur ein neuralgisches Thema von vielen. Es werden Beschränkungen notwendig sein, und nicht für jeden werden die getroffenen Einschränkungen akzeptabel erscheinen, denn sie sind ja nie absolut notwendig in jedem Einzelfall, sondern Ergebnis von Abwägungen und Priorisierungen, die, von anderen Personen/Gremien getroffen, auch anders hätten gewichtet werden können. Also ist da immer mit Konfliktpotential zu rechnen und mit Unzufriedenheit mit dem Ergebnis. Es geht hier ja nicht um das Bedürfnis nach Zahnbürsten oder Handys, das man leicht jedermann erfüllen kann.
Ein Beispiel von Hunderten: Nicht jeder, der ein Haus am See haben will, wird es bekommen können. Aber wer? Wer zuerst nachfragt? Soll es überhaupt Häuser am See geben dürfen? Wer entscheidet das alles überhaupt? Was passiert, wenn sich einer nicht dran hält?
Grundsätzlich frage ich mich: wie soll das überhaupt gehen, dass mein Bedürfnis mit der Planung im Einklang steht? Wo soll denn das herkommen? Da möchte einer Biotechnik-Forscher werden, aber die Jobs sind schon vergeben. Gilt der Berufswunsch auch als Bedürfnis? Wird also diesem Wunsch entsprechend eine Stelle mehr für Biotechnik-Forschung geschaffen werden? Oder legt der Plan unabhängig von Berufswünschen anhand des sachlichen Bedarfs fest, was zu tun ist, und bestimmt daraus, welche Tätigkeiten also in welcher Anzahl auszuüben sind, egal, ob das nun mit den Vorlieben der Arbeiter zusammenpasst oder nicht? Was wird aus dem Bedürfnis, wenn es nicht passt?
Ich bin trotz des immer wieder heraufbeschworenen Bevölkerungsanstiegs optimistisch. Durch die Befreiung vom Kapital würde eine gewaltige Masse von Hirnschmalz freigesetzt, die sich damit befassen kann, Lösungen für all die Probleme zu finden.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie schröcklich sich die Leute den Kopf zerbrechen, wie um Himmels Willen denn ein Staat geplant funktionieren soll, während sich im Alltag jeder von uns mit Tonnen von sinnentleerter Bürokratie herumschlagen muss. Unzählige Existenzen sind ausschließlich damit beschäftigt DIR höchstpersönlich Rechnungen, Mahnungen und Werbung zukommen zu lassen. Und das schließt noch nicht einmal das Verfassen der Texte bzw. die Annahme der Antworten, das Überprüfen des Eingangs mit ein. Und damit kratze ich wahrscheinlich nur an der Oberfläche…
Die Bedürfnisse der meisten sind nicht so exklusiv wie jeder annimmt. Exklusiv werden die Bedürfnisse immer nur in solchen Diskussionen, wo wir plötzlich auf einem Planeten wohnen wo jeder Mensch zwei Ferrari besitzen möchte.
Wenn ein Produkt so aufwändig ist, dass es nicht für die breite Masse produziert werden kann ist es den Arbeitsaufwand schlicht nicht wert. Wer ein solches Gerät will soll es sich selbst basteln, in seiner Freizeit von der er plötzlich viel mehr haben wird.
Das Ärgerliche an der Diskussion ist, dass die Menschen, die konsumieren möchten, getrennt von der Produktion gedacht werden. Diese Konsumenten aber sind es selbst, die über die Produktion bestimmen und sich an dieser beteiligen. Es ist nicht so, dass ein Reichtum im Kommunismus unabhängig davon, dass jemand arbeitet, zustandekommt. Diese Produktion ist da aber ein Gemeinschaftswerk und nicht eine, die von Privaten kommandiert wird. Die Gesellschaftsmitglieder sind auf eine Arbeitsteilung angewiesen, die in der Lage ist die Dinge herzustellen, nach denen die Gesellschaft Bedarf hat. Als Einzelne gegen die Gesellschaft wird es nicht möglich sein sich exklusive Bedarfsgegenstände herstellen zu lassen. Dies hat eben dann zur Voraussetzung, dass die Gesellschaft diesen Aufwand betreiben will solchen luxuriösen Bedürfnissen nachzukommen. Wenn man sich den Konsumenten getrennt von der zu erledigenden Produktion denkt, dann ist klar, dass man sich solch blödsinnigen Beispiel kommt, da sich so für diese Konsumenten die Frage des Aufwands gar nicht stellt. Die Frage des Aufwands muss sich aber eine Gesellschaft stellen, wenn sie den Zweck einer gemeinschaftlichen Produktion verfolgt. Luxuriöse Gebrauchswerte sind darin nicht ausgeschlossen, es bedeutet aber eben, dass man sich die Leute suchen muss, die mit einem dieses Zeug herstellen. Mir wäre es der Aufwand für eine Yacht und zwei Rennwagen sicherlich nicht wert.
Das Ärgerliche an Statements wie von W²
ist, daß da immer unterstellt wird, das es *die* Konsumenten=Produzenten geben wird. Und was ist, wenn die einen dies produziert und konsumiert sehen wollen und die anderen das? Bloß weil es ganz offensichtlich ein Gemeinschaftswerk werden muß, heißt das doch noch lange nicht, daß alle die gleichen Vorstellungen davon haben werden, was denn konkret gemeinschaftlich produziert werden soll. Was dem einen „luxuriöse“ Bedürfnisse sind, für die er oder sie sich partout nicht hergeben will, ist dem anderen vielleicht ein Essential. Wenn man sich „den Konsumenten“ als einheitlichen homogenen widerspruchsfreien Willen aller Produzierenden bastelt, dann sind natürlich alle Beispiele, wie sie auch hier wieder gekommen sind „blödsinnig“.
Und ebenso blödsinnig ist deshalb die „Lösung“ von W² „dass man sich die Leute suchen muss, die mit einem dieses Zeug herstellen“. Die gibt es doch gar nicht, weil vernünftigerweise ja alles an Resourcen (Manpower, Rohstoffe, Transport und Energie) im Gesamtplan buchstäblich schon für irgendwas verplant sind (notwendige Reserven außen vor). Entweder die zwei Rennwagen mit entsprechender Motorenentwicklung werden von allen um des lieben Friedens willen als zum Gesamtplan gehörig zugestanden oder es wird eben keinen neuen Formel-1-Boliden geben können. Denn selber machen kann man davon eben nur ein popeliges Holzmodell, und selbst das könnte wohl nicht jeder Motorsportfan.
Wendy hat (ausnahmsweise) recht: Euer verklärter Blick auf kommunistische Zustände lässt auf gehörigen Kritikmangel in Sachen Kapitalismus schließen. Wer hat denn wann wo Ressourcenprobleme mit 5-Jahreplänen? Niemand? Dann wirds wohl Zeit, sich solche Probleme auszudenken – sonst landet ihr am Ende bei Kapitalismuskritik!
Wer sind „wir“? Was an „unserem“ Blick auf auch noch „kommunistische“ Zustände ist „verklärt“? Wieso muß eigentlich gleich der ganz fette Totschlaghammer raus, daß „wir“ Antikommunisten weil Apologeten des Kapitalismus sind?
Da verweise ich doch lieber gleich auf den einschlägigen Mammut-Thread beim führenden Anarchisten (der GSP-Szene):
http://nestormachno.blogsport.de/2010/08/10/staat-und-revolution-teil-5/
Gleich im ersten Punkt der Broschüre steht die Abfahrt nach SchönerWohnen:
Weil das eine Ideal (Kommunismus gut!) dem Autor zu abstrakt erscheint, möchte der lieber ein anderes: „Kapitalismusersatz“. Die Überschrift bzw. die erste These enthält zwar den Hinweis darauf, dass das Elend und alles irgendwie mit Kapitalismus zu tun hat, dann folgt aber gar keine Kritik, aus der sich die Thesen ergeben würden, sondern das Auspinseln von Utopien.
Und wer „Kapitalismuskritik“ als Attitüde vor sich her trägt, muss gar kein Antikommunist sein …
Schau dir an, wieviele Leute heutzutage ein Haus, Auto, größeres Grundstück, Boot plus viele Fernreisen wie selbstverständlich genießen, ohne dass man die jetzt als gierig bezeichnen könnte. Der große Rest übt sich ja nur in Bescheidenheit, weil das für ihn nicht drin ist. Es ist ein Fehler, zu ignorieren, dass die Bedürfnisse mit den greifbar werdenden Möglichkeiten ganz schön schnell wachsen. Warum auch nicht.
Werfen wir also wieder einen Blick in die sozialistische Zukunft des Jahres 2036. Du bist Mitglied eines Planungsgremiums und dich erreicht die Bestellung eines Hauses am See mit Steg und Segelboot. Du denkst dazu: „Ich brauche kein Haus am See“. Macht nichts, um dich gings ja jetzt auch nicht. Aber wie gehts jetzt weiter? Steht dir oder jemand anderem überhaupt zu, die Bestellung irgendwie zu beurteilen? Andererseits: ist es nicht vielleicht Sache der betreffenden Gemeinde, über mögliche Baugrundstücke am See zu entscheiden? Und wie verhindert man, dass nicht zuerst diejenigen bedient werden bzw. sich selbst bedienen, die in den Planungsgremien sitzen?
Und dann kommt der Nächste und sagt, mir reicht mein Garten, ich bau Gemüse an aus Leidenschaft, mehr brauch ich nicht, dafür aber möchte ich meine Arbeitszeit drastisch reduzieren und mich nicht für den hohen Konsum anderer verausgaben.
Siehst du immer noch keinen verbindlichen Regelungsbedarf?
Wer entscheidet bitte, ab wann man sich die Leute selbst aussuchen muss? Ab welchem Niveau ist der Sozialismus fürs Bedürfnis nicht mehr zuständig, und wie will man überhaupt Aufwände vergleichen?
Zum anderen: du weißt nicht was du da schreibst! Denn wer „Luxus“ – deine hoheitliche Definition! – möchte, wird sich dann halt nach deiner Empfehlung eine eigene Hinterhofwerkstatt einrichten, dort basteln, und wo er schon mal das Verfahren beisammen hat, wird er von ähnlichen Interessenten angesprochen, die vielleicht schon andere Güter ebenfalls selbstorganisiert herstellen, und er wird mit denen einen Tauschhandel vereinbaren, und so weiter – klingelts jetzt?
Unterschiedliche Interessen sind überhaupt nur insoweit ein Problem, als das Kollektiv nicht alle zur gleichen Zeit befriedigen kann. Bei Oberhemden oder Tapeten ist das heutzutage schon kein Problem mehr. Bei der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik oder anderen richtig großen Infrastrukturprojekten wird sowas wohl auch zukünftig ein Problem sein, wo um die jeweiligen Prioritäten ausgiebig gerungen werden wird. Und manchmal geht es nicht mal nur um ein früher oder später sondern um ein entweder oder. Solange es letztlich irgendwo und irgendwann für alles reicht, werden sich auch die, die jeweils ihr Lieblingsprojekt erstmal nicht erfüllt bekommen haben, nicht länger drüber ärgern. Wenn aber in einem Punkt, der der unterlegenen Gruppe von Menschen wesentlich erscheint, von ihr ungeheuer wichtig genommen wird oder es gar ist, dann werden solche Auseinandersetzungen sicherlich kontroverser bis im schlimmsten Fall bitter ausgetragen. Das kann sicherlich für manche dahin führen, daß sie dann sagen, mir reichts, ich steige aus und gehe zurück in ein kapitalistisches Land oder ganz schlimm, dieses kommunistische Gemeinwesen gehört abgeschafft.
Ich verstehe aber wirklich nicht, warum um den simplen Fakt, daß auch in einer von allen gewollten grundlegend vernünftigen Wirtschaft Dissens über das eine oder andere aufkommen kann und dann die einen eben zurückstecken müssen um des lieben Friedens willen, wenn die anderen partout ihr Ding durchziehen wollen, schon wieder auch noch vorab, also ohne irgendwelche Not so ein erbitterter Grundsatzstreit losgetreten wird.
Eine andere, genauso irre „Lösung“ des Problems der unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen über das, was produziert werden soll sind die Ideen, daß sich jeder Hansel z.B. mit avancierten rapid prototyping Maschinen ganz individuell sein gewünschtes Teil herstellt oder wenigstens „dass man sich die Leute suchen muss, die mit einem dieses Zeug herstellen“. Als wenn es nur entweder einen Haufen locker zusammenhängender Einzelnomaden geben könnte (und das ausgerechnet im Kommunismus!) oder lauter gleichgeschaltete Indoktrinationsopfer.
Interessenunterschiede bis Gegensätze wird es im Sozialismus schon deshalb geben, weil ja jeder mit seinem Arbeitsaufwand nur Teil der insgesamt geplanten Gesamtarbeitszeit ist und jeder Konsument auch nur mit seinem bißchen Konsumwünschen eingeht in die geplante Palette der nützlichen Sachen. Und sowohl was die „Werktätigen“ jeweils bereit sind an Arbeitsinput in den gemeinsamen Areitszeitpool zu legen wird sich von Person zu Person unterscheiden als auch, was die einzelnen als Sachen und Dienstleistungen erwarten, und zwar jeweils quantitativ als auch qualitativ.
Um das zu regeln braucht es Diskussionen und letztlich verbindliche Entscheidungen sowohl über die Arbeitsseite wie die Konsumseite. Wenn dann partout die Drachenfliegerfreunde irgendeine Superbespannung unbedingt haben „müssen“, dann wird man die halt eventuell produzieren um des lieben Friedens willen oder man sagt denen klipp und klar: Es wollen halt nur popelige 50 000 Leute euren Sport treiben, das nehmen wir einfach nicht mit auf in den Plan, weil wir die Superfolien schon für was anderes brauchen, wovon „alle“ was haben.
Entweder alle einigen sich letztlich auf den Mix, oder es gibt eben Ärger, der sich als Sprengkraft erweisen könnte, wenn wirklich zentrale Versorgungs/Konsum-Projekte unterschiedliche gesehen werden würden.
Wenn die Masse irgendwann einsieht, dass es ein Ende haben muss mit Ausbeutung und Armut, wenn die Zeit reif ist für den Sturz des Kapitals – wird die Revolution von Menschen gemacht werden, denen klar ist, dass sie nicht für ein Schlaraffenland kämpfen.
Meine politischen Überzeugungen und meine „Bescheidenheit“ hinsichtlich matiereller Güter sind auch nicht unabhängig voneinander. Sie beide entspringen der selben Quelle.
Wer eine bessere Gesellschaft verdammt, weil er auf bestimmte Luxusgüter verzichten muß würde sich ohnehin nie für sie einsetzen, der war aus den falschen Gründen für Veränderung.
Eine in der Praxis funktionierende Gesellschaft zu entwerfen, die gänzlich anders ist als die bestehende – das ist auch einfach zu viel verlangt. Wir sind keine Propheten. Selbst die schillerndsten Fantasien, die wir uns auszumalen imstande sind, sind beschränkt durch die Erfahrungen die wir gemacht haben. Niemand hat Papier und Bleistift genommen und sich den Kapitalismus, wie er heute existiert, ausgedacht.
Ich denke einfach, dass es reicht, die bestehenden Verhältnisse abschaffen zu wollen in dem Vertrauen dass eine bessere Welt möglich ist. Jede Revolution, so tiefschürfend sie auch sein mag, geht Schritt für Schritt. Wenn die Zeit reif ist, werden sich bestimmte Fragen von alleine klären. Sich heute den Kopf zu zerbrechen, wie denn die Versorgung mit Wohnraum vonstatten gehen solle ist ein wenig verfrüht. Ich sage nicht, dass man gar nicht darüber grübeln sollte – man sollte nur nicht an der guten Sachen an sich zweifeln nur weil man für das eine oder andere theoretische Problem keine Lösung findet.
Nochmal, Orpheus:
*Die* Masse gibt es nicht, weder jetzt in kapitalistischen Verhältnissen noch später in nachrevolutionären gesellschaftlichen Verhältnissen (aka Kommunismus oder für manche auch erst „nur“ Sozialismus). Damit ist gesagt, daß man konzeptionell wenigstens damit umgehen muß, daß in einer ganzen Reihe von Fragen (auch nach einer Revolution, die sicher nur zustande kommen wird, wenn hinreichend „viele“ das überhaupt gewollt haben) eben nicht alle Menschen das gleiche wollen oder für richtig finden, oder für notwendig halten und hier meine ich nicht solche Nebensachen, welche Farben die nächsten Winterklamotten haben sollen.
Es ist deshalb eine buchstäblich alberne intellektuelle Wegschauerei das Problem auf die „Luxusgüter“ zu reduzieren und damit zumindest moralisch wegzudrücken.
Deshalb meine ich auch, daß es in der Tat, wie Rüdiger das in dem Eingangstext auch betont hat, eben *nicht* reicht, „die bestehenden Verhältnisse abschaffen zu wollen in dem Vertrauen dass eine bessere Welt möglich ist“. Da möchte ich zumindest schon vorher wissen, welches grundlegende Konzept die anderen potentiellen Mitstreiter für diese „andere“ Welt denn eigentlich haben. Dann kann sich nämlich schon jetzt herausstellen, daß ich mit dem einen oder der anderen eigentlich nicht zusammengehen möchte, vielleicht auch jetzt schon nicht.
Nächste verharmlosende Banalität ist das unsägliche „Schritt für Schritt“. Was ist damit nicht schon für Schindluder getrieben worden in der linken Geschichte insbesondere bei den Realsozialisten (zum Teil schon angefangen mit Lenins Bolschewiki, ich erinnere da nur an die erbitterten Diskussionen schon um die NEP ganz zu Anfang).
Genauso stößt mir ein Satz auf wie „Wenn die Zeit reif ist, werden sich bestimmte Fragen von alleine klären.“ Es klärt sich gar nichts auf mit der „Zeit“, wenn nicht die eine Fraktion die andere davon überzeugt, daß es vernünftiger ist nach ihren Vorstellungen zu agieren und nicht andersrum.
Ich kann nur ein paar zentrale Punkte wiederholen, die ich bei solchen Streiterein schon ein paar mal vorgebracht habe:
Wieviel Arbeitsstunden wird in den Aufbau des Kommunismus gesteckt? Wie wird berücksichtigt, daß gar nicht alle gleichviel arbeiten wollen (von denen, die das noch nicht oder nicht mehr können, gleich mal abgesehen)?
Welcher Teil der möglichen Wirtschaftsleistungen wird „gleich“ verkonsumiert, was wird für die „Zukunft“ investiert?
Welcher Teil des Gesamtprodukts wird für die Verteidigung der Revlution abgezweigt, welcher Teil für die Unterstützung der Ausweitung?
Ich will nun wahrlich nicht die Zahlen eines ersten Fünf-Jahres-Plans festlegen. Wer aber leugnet, daß über diese Fragen heftigste Streitereien ins Haus stehen und stehen müssen, der lügt sich was in die Tasche.
Ich wusste schon als ich es schrieb, dass sich jemand wieder an Worten aufhängen würde. Wenn dir die Formulierung nicht passt, schlag eine bessere vor.
Ich habe keine Geduld für solche Wortklaubereien.
Die Situation einer Güterversorgung im Kommunismus kann man doch im Moment gar nicht abschätzen. Vielleicht reichen Ressourcen und Produktivkraft aus, um alle Menschen mit IPads auszustatten. Vielleicht nicht.
Es macht einfach keinen Sinn zu spekulieren.
Ich wiederhole es noch einmal: Wir sind keine Propheten.
Mit „Schritt für Schritt“ meine ich: In der gegenwärtigen Lage den Kommunismus zu planen ist lächerlich. Nichts in den News lässt auch nur annähernd vermuten, dass die Gesellschaft reif ist für eine solche Veränderung. Wer auch nur das Wort „Systemfrage“ in den Mund nimmt wird entweder verlacht oder für verrückt erklärt.
Damit sich also „hinreichend viele“ eine Veränderung wollen wäre der nächste Schritt erst einmal dem Kommunismus wieder einen gesellschaftsfähiges Antlitz zu verschaffen.
Dann sollte man das vielleicht nicht als Ziel setzen. In der momentanen Situation schaffen wir es doch noch nicht einmal alle Leute mit dem lebensnotwendigsten zu versorgen. Wenn ich für eine Gesellschaft kämpfen soll, in der sich daran etwas ändert, ist es mir erstmal schnuppe, dass im Kommunismus vielleicht keine vergoldeten Badewannen in jedem Haushalt stehen.
Wenn dir das nicht reicht, hast du in der ganzen Sache etwas Grundsätzliches nicht verstanden.
Ach Orpheus, wenn du ernsthaft behaupten willst, daß es bei den innerlinken Debatten über Strategien des „Aufbaus“ des „Sozialismus“ auch nur fünf Genossen um „vergoldete Badewannen“ gehen würde, dann bin ich geneigt dir entgegen zu halten, daß dann wohl eher du „in der ganzen Sache etwas Grundsätzliches nicht verstanden“ hast. Oder schlimmer noch, denn hier geht es nicht um Verständnis sondern auch um grundsätzliche programmatische Fragen. Wie erbittert die umkämpft waren, zeigt schon allein die Geschichte der Entwicklung in der Sowjetunion. Deine Zukunftsfragen sind also schon ganz alte Relikte aus der Vergangenheit der revolutionären Bewegung.
Wenn du achselzuckend meinst:
hast du schonmal den halben Witz versäumt: Deine Produktivkräfte sind doch zu einem nicht unerheblichen Maße, der Wille deiner Massen sich was Zeitumfang und Arbeitsintensität angeht, für die Planwirtschaft reinzuhängen. Und da, ich wiederhole mich, wird eben nicht jeder gleichviel in dem Topf tun wollen. Und wie sollen die anderen dann damit umgehen?
(Mal ganz abgesehen davon, daß ich bis auf weiteres der Auffassung bin, daß deine potentiellen Schlaraffenlandvorstellungen meinetwegen in einer Handvoll von Staaten der Welt gar nicht mal völlig daneben liegen. Aber auf die ganze Welt bezogen, also auch in Bezug auf all die Weltgegenden, wo der Imperialismus den Menschen noch nicht mal mickerigste Subsistenzwirtschaft gelassen hat, scheint mir das glatt verharmlosend zu sein.)
Ja, du hast recht, wenn du sagst:
Will und kann ich ja auch nicht. Aber so zu tun, als wenn das dann alles irgendwie ein einvernehmlicher Selbstläufer in purem Luxus und Überfluß sein wird, jeglicher Mangel schon lange historisch abgehakt, irgendwie praktisch von selbst weltumspannend also ohne Systemkonkurrenz (um das noch harmlos zu bezeichnen) ablaufen wird, heißt den mit Sicherheit zu erwartenden Kämpfen eine Strategie des Desinteresses und der Hilflosigkeit entgegen zu halten.
Was du jetzt meinst, wenn du forderst:
ist mir nicht ganz klar. Ironischerweise (nach meinem Bestehen auf der Thematisierung von in deinen Augen „Luxus“-Fragen) halte ich das Projekt, der Masse erstmal wirklich klarzumachen, warum sie diesen Laden auf den Kopf stellen wollen sollen für viel wichtiger, denn sonst nützt dein nigelnagelneues unbeflecktes „Antlitz“ des Kommunismus nämlich gar nicht, befürchte ich.
Es verwundert mich, daß du mit einem typischen Pfaffenspruch endest:
„Wir“ würden das wahrscheinlich recht schnell hinkriegen. Diejenigen, die jetzt die Herren über diese Welt sind und damit über alles Lebensnotwendige, geht dieser Gedanke offensichtlich glatt am Arsch vorbei.
Die üblichen Übertreibungen (Ferrari, goldene Badewannen …) zeigen, dass keine Bereitschaft da ist, die angesprochenen Probleme zu besprechen. Genau so wie es ein gezieltes Missverständnis ist, es solle jetzt schon geplant werden. Das Thema lautete: welche Verfahrensweisen und Durchsetzungsformen stellt man bereit, um die auftretenden Konflikte zu meistern, also transparent zu debattieren und zu verbindlichen Entscheidungen zu führen. Das wäre, wie man es auch nennen mag, die politische Methodik, mit der man zu den Plänen und deren Umsetzung gelangt. Soviel einfach nochmal zur sachlichen Klarstellung.
Wenn solche Klärungsprozesse kein Problem wären – wieso gründen dann nicht jetzt sofort sämtliche Antikapitalisten einfach einen Verein und diskutieren darin solange, bis sie sich einig sind? Dazu sagt niemand „wo soll das Problem sein, man setzt sich halt zusammen, man hat doch einen gemeinsamen Zweck“. Da weiß jeder, das kracht, das bringt nichts, das endet in Streit und Spaltung. Aber ausgerechnet im Sozialismus soll so was dann alles kein wirkliches Problem sein!
Es sticht auch nicht der Hinweis, man würde ja die Situation nicht kennen, die später vorläge. Dieses Argument ist irrelevant, da es – nochmal gesagt – um Fragen der Methodik geht, um Prozesse für Kompromisse und Entscheidungsfindung, und nicht um die Abschätzung künftig benötigter Rohstoffmengen.
Dass jetzt keiner Antworten darauf hat, ist nicht der Vorwurf. Aber dass die Debatte um das Finden von Antworten heruntergespielt, für überflüssig oder sogar kontraproduktiv gehalten wird, ist ein gravierender Fehler. Das ist pure Verdrängung von elementaren Fragestellungen, die der Sozialismus als Bewegung seit 150 Jahren nicht ansatzweise geklärt hat, und mit so einer Haltung wird es ganz sicher weitere 150 Jahre lang keine Klärung geben.
Die Aufhebung der Kapitalverwertung – also Vergesellschaftung und direkte Produktion für die Bedürfnisse – ist die ableitungsgemäß notwendige, aber, wie die offenen Fragen zeigen, noch lange nicht die hinreichende Bedingung für eine funktionierende Alternative. Aus der Kritik der Verhältnisse folgt zwar die Generallinie des Neuen, aber nicht schon dessen Gesellschaftsstruktur.
Sicher, der Kapitalismus wurde nicht am Reißbrett entworfen. Der nicht. Ist das ein gutes Beispiel? Eine Gesellschaft, in der die entscheidenden ökonomischen Gesetze sich hinter dem Rücken der unmittelbaren Produzenten vollziehen, auch wenn jeder glaubt, zu wissen, was er tut? Hieß es nicht mal, der Sozialismus dagegen solle mit Wille und Bewusstsein vollzogen werden? Stattdessen hört man: erst schaun wir mal, dann sehn wir schon …
„Die Aufhebung der Kapitalverwertung – also Vergesellschaftung und direkte Produktion für die Bedürfnisse – ist die ableitungsgemäß notwendige, aber, wie die offenen Fragen zeigen, noch lange nicht die hinreichende Bedingung für eine funktionierende Alternative. Aus der Kritik der Verhältnisse folgt zwar die Generallinie des Neuen, aber nicht schon dessen Gesellschaftsstruktur.“
Die Antwort dieser Frage ergäbe sich mE aus der Art und Weise der Aufhebung der Kapitalverwertung.
Wenn die Aufhebung der Kapitalverwertung durch „Vergesellschaftung und direkte Produktion für die Bedürfnisse“ gelingt, erübrigt sich mE tatsächlich die konkrete Ausformulierung der Alternative.
Wird nämlich in der Breite die Kapitalverwertung (Lohnarbeit und Warenwirtschaft) aufgehoben, also sprich die übergroße Mehrheit macht diesen endgültigen Schritt bewußt und selbst, können sie niemanden mehr gebrauchen, der ihnen irgendwas vorplant. Dann sind nämlich auch die materiellen Bedingungen unter denen sie leben, längst andere. Sie haben auf dem Weg, sich der Kapitalverwertung (also ihrer Lohnarbeit und der Warenwirtschaft) zu entledigen, nämlich längst ‚durch‘, was der eine oder andere erst nach einem Systembruch anzudenken gedenkt.
Aus der Bewegung selbst entsteht das neue. Aus der „Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl“. Die müssen nicht zu jedem Zeitpunkt mit meinen oder Euren eins sein… die Mehrzahl ist das Entscheidende.
Jedes „Wofür“ ‚geht‘ erst in einem „Gemeinsam“. Niemals umgekehrt, wie wir schon erfahren durften, meine ich.
„Sicher, der Kapitalismus wurde nicht am Reißbrett entworfen. Der nicht. Ist das ein gutes Beispiel? Eine Gesellschaft, in der die entscheidenden ökonomischen Gesetze sich hinter dem Rücken der unmittelbaren Produzenten vollziehen, auch wenn jeder glaubt, zu wissen, was er tut? Hieß es nicht mal, der Sozialismus dagegen solle mit Wille und Bewusstsein vollzogen werden? Stattdessen hört man: erst schaun wir mal, dann sehn wir schon … „
Ja, aber eben mit Wille und Bewußtsein einer übergroßen Mehrheit, die nichts mehr mit Lohnarbeit und Warenwirtschaft zu tun haben will…
Die Lohnabhängigen müss(t)en nicht mehr lohnabhängig sein wollen. Sie müss(t)en für sich gemeinsam produzieren wollen.
Und da gehts eben gerade nicht (nur) um Versorgungsfragen, es geht zuallererst um die eigene Bestimmung über die Verhältnisse.
Und die müss(t)en sie sich gemeinsam holen wollen.
Ich wüßte für mich keinen anderen Grund, aus dem Kapitalismus heraus zu wollen, als selbst mit anderen gemeinsam über die Verhältnisse bestimmen zu wollen, in denen wir leben.
Im übrigen ist der Kapitalismus mE ein gutes Beispiel, da hat sich im vorhinein auch alles grundlegend materielle so entwickelt, daß da eine Entscheidung fällig war. Und diese Entscheidung des damaligen Bürgertums war alles andere als unbewußt. Sie wollten jetzt die Bestimmung über die Verhältnisse.
… so wie ich die eben auch mal will, aber eben mit (fast) allen gemeinsam.
Ansonsten könnte ich doch auch ‚hier‘ bleiben, oder weshalb sollte ich sonst ‚hier‘ heraus wollen?
Zu Wats
kann ich nur wieder entgeistert fragen, wieso man da gleich auf „vor“planen kommt? Daß die Planung inhaltlich und konkret alle einbeziehen muß, die den Umsturz überhaupt hingekriegt haben, scheint mir eh ein absolutes Minimum zu sein. Aber die Unterstellung/Hoffnung, daß bloß weil es eine vielleicht sogar „übergroße“ Mehrheit gewesen sein wird, dann alles easy abläuft scheint mir völlig abwegig zu sein.
Wieso „dann“, also eigentlich wohl bei so einer abstrakten Diskussion im Sinne von deswegen zu lesen, „nämlich auch die materiellen Bedingungen unter denen sie leben, längst andere“ sein sollen, erschließt sich mir nicht. Selbst wenn z.B. die chinesischen Revolutionäre nach dem zweiten Weltkrieg Kommunisten gewesen wären, wären die ererbten materiellen Verhältnisse lausig geblieben.
Auch die optimistische Annahme, daß bis dahin „längst“ die z.B. von mir unterstellten Differenzen wegdiskutiert worden sein werden, weil es sonst gar keinen Sieg geben wird (wenn das das Argument sein sollte) halte ich für abwiegelnd. Kann sein, muß aber nicht.
Was die fürchterlich demokratische Betonung soll, „die Mehrzahl ist das Entscheidende“ wo ich doch gerade von Beziehungen rede, wo die einen X und die anderen ein dies ausschließendes Y wollen, erschließt sich mir nicht.
Es ist doch einfach blöd, mit dem ja richtigen Postulat
zu ignorieren, daß damit der Inhalt des Gemeinsamen überhaupt noch nicht, insbesondere noch nicht konfliktfrei beschrieben ist. Gemeinsamkeit ist eh nur dann ein Plus, wenn ich ungefähr das gleiche will wie die anderen, gemeinsam in einer Rocker-Gang wäre z.B. keine Perspektive für mich. Oder gemeinsam in der PDL.
@Wat.:
Bestimmung über die Verhältnisse – wegen der Versorgungsfrage, wozu sonst?
Da ist allerdings der Unterschied, dass im Vorläufer des Kapitalismus die kapitalistische Klasse „materiell“ bereits entstand und sich aufgrund ihres spezifischen Klasseninteresses nicht mehr mit der alten Gesellschaftsform vertrug (was nicht heißt, dass ihnen klar war, was Kapitalismus wirklich ist – DAS KAPITAL I-III hat kein Unternehmer geschrieben!) . Beim Lohnarbeiter ist es aber umgekehrt: dessen Klasseninteresse ist es, in Lohn beim Kapitalisten zu kommen, und das ist ein systemimmanentes und gerade kein systemveränderndes Interesse!
Deshalb geht ja die Überwindung des Kapitalismus auch nur über eine sehr bewusste Aktion, nicht nur hinsichtlich des neuen Zwecks, sondern auch hinsichtlich der zu schaffenden gesellschaftlichen Strukturen, welche die Realisierung dieses Zweck gewährleisten sollen. Die in diesem Thread alle schon gefallenen Hinweise auf Probleme und Gegensätze auch im Sozialismus sollte man daher nicht mit optimistischer Arglosigkeit beiseiteschieben. Schließlich soll die Sache doch keinen experimentellen Charakter bekommen, oder?
„Wieso „dann“, also eigentlich wohl bei so einer abstrakten Diskussion im Sinne von deswegen zu lesen, „nämlich auch die materiellen Bedingungen unter denen sie leben, längst andere“ sein sollen, erschließt sich mir nicht. Selbst wenn z.B. die chinesischen Revolutionäre nach dem zweiten Weltkrieg Kommunisten gewesen wären, wären die ererbten materiellen Verhältnisse lausig geblieben.“
Um Lohnarbeit und Warenwirtschaft beseitigen zu wollen, muß ja wohl auch erst einmal in der gesamten Gesellschaft Lohnarbeit und Warenwirtschaft voll durchgesetzt sein.
Ich kann ja nun schlecht aufheben, wovon die Gesellschaft noch gar nicht voll und ganz ‚betroffen‘ ist, also die Menschen in ihrer übergroßen Mehrheit lohnabhängig sind und in voll ‚ausgereifter‘ Warenwirtschaft leben… und sich deshalb schon Strukturen anfangen sich herauszubilden, dem zu ‚entkommen‘.
„Es ist doch einfach blöd, mit dem ja richtigen Postulat
„Die Lohnabhängigen müss(t)en nicht mehr lohnabhängig sein wollen. Sie müss(t)en für sich gemeinsam produzieren wollen.“
zu ignorieren, daß damit der Inhalt des Gemeinsamen überhaupt noch nicht, insbesondere noch nicht konfliktfrei beschrieben ist. Gemeinsamkeit ist eh nur dann ein Plus, wenn ich ungefähr das gleiche will wie die anderen, gemeinsam in einer Rocker-Gang wäre z.B. keine Perspektive für mich.“
Nun können wir uns unnützerweise gegenseitig Denkfehler vorwerfen, möchte ich aber nicht.
Ich bitte Dich nur noch einmal zu überlegen, ob und inwiefern denn eine Gesellschaft aller gemeinsam überhaupt möglich ist, wenn (vorher) noch nicht mal ein gemeinsam (sorry, bei fast egal was) vorhanden ist. Ohne daß alle mal mehr oder weniger zusammen an einem Tisch sitzen (Achtung Metapher) brauch ich mir doch auch keine Gedanken darüber machen wollen, ob und wie wir was gemeinsam hinkriegen, oder?
Daß das dann immer noch nicht leicht ist, unbestritten, aber ohne zusammen zu sitzen, hats gar keine Chance.
„Beim Lohnarbeiter ist es aber umgekehrt: dessen Klasseninteresse ist es, in Lohn beim Kapitalisten zu kommen, und das ist ein systemimmanentes und gerade kein systemveränderndes Interesse!
Deshalb geht ja die Überwindung des Kapitalismus auch nur über eine sehr bewusste Aktion, nicht nur hinsichtlich des neuen Zwecks, sondern auch hinsichtlich der zu schaffenden gesellschaftlichen Strukturen, welche die Realisierung dieses Zweck gewährleisten sollen. Die in diesem Thread alle schon gefallenen Hinweise auf Probleme und Gegensätze auch im Sozialismus sollte man daher nicht mit optimistischer Arglosigkeit beiseiteschieben. Schließlich soll die Sache doch keinen experimentellen Charakter bekommen, oder?“
Ich würd mal sagen: Das grundlegende Experiment dazu haben wir schon weg.^^
„Bewußte Aktion“ – sehr einverstanden.
Aber eben schon von (fast) allen gemeinsam. Alles andere schafft Strukturen, die dem Zweck gar nicht dienen (können).
Die bewußte Aktion muß schon die endgültige Beseitigung der Lohnarbeit und der Warenwirtschaft sein, falls Du mit „bewußter Aktion“ Revolution meinst.
Die Lohnabhängigen müssen sich von ihrer Lohnarbeit emanzipieren, ohne sie klar kommen (wollen und können).
Keine ‚erdachte‘ Struktur der Welt kann irgendjemandem eine Emanzipation bringen. Den Frauen genausowenig von den Männern, wie den Lohnabhängigen von Lohnarbeit – die müssen sie sich holen (wollen).
Und Emanzipation heißt eben nicht nur gegen etwas sein, auch schon das neue machen können.
Ganz wichtig ist dabei das Können, Wollen reicht eben nicht.
Ich würd ja (‚erfahrungsgeschädigt‘) sagen: Helfen wir ihnen hier sich von Lohnarbeit und Warenwirtschaft schon so weit wie möglich zu emanzipieren, gemeinsam handeln zu wollen – sonst haben ‚wir‘ sie eines Tages als Gegner.
Warum als Gegner – na, ich denke doch – ‚wir‘ wären wohl die neuen ‚Strukturgeber‘, damit sie sich ‚entwickeln‘ können.
Das Wir ist nur ein ‚wir‘, weil ich bei so einem Versuch ganz sicher nicht noch einmal dabei sein werde.
Mit Macht komme ich zu keiner Emanzipation. Aber mit Emanzipation kann ich zu Macht kommen…
Ich bin auch nur lohnabhängig und hab das Kapital trotzdem begriffen, nun finde ich mich zwar einzigartig, weiß aber, alle anderen sind das jeder für sich auch – wenn ich das verstanden habe, verstehen das andere erst recht. Eben zu der Zeit, die für sie ‚richtig‘ ist.
http://de.indymedia.org/2012/07/332381.shtml
Der GS wird mal eben als postleninistisch abgetan…
Interessant, was da den Leninismus ausmachen soll:
und wer sonst noch in der Schublade gelandet ist:
1) Emanzipation
Wat. schreibt:
„Keine ‚erdachte‘ Struktur der Welt kann irgendjemandem eine Emanzipation bringen. Den Frauen genausowenig von den Männern, wie den Lohnabhängigen von Lohnarbeit – die müssen sie sich holen (wollen).“
Warum sollte die gemeinsame Verständigung über die korrekte Kritik und von dort aus die sinnvollste Alternative zu formulieren nicht genau diese „Emanzipation“ vom vorherrschenden Denken sein? Unrefektierten und damit trostlos erfolglos bleibenden Aktivismus hatten wir doch schon genug.
Wer glaubt, ohne ein Um-Denken ginge da irgendetwas in eine positive Richtung, der ist ja schon faktisch widerlegt durch all die Illusionen, mit denen alle nennenswerten Protestaktivitäten vergangener Jahrzehnte gekennzeichnet waren. Jedesmal heißt es dann, „die Entwicklung des Bewusstseins braucht eben Zeit … das ist doch nur der Anfang“ … – allerdings: der Anfang vom Ende – einer erneuten Sackgasse. Vorhang zu, dann die nächste Protestwelle.
Vietnam, Atomkraft, Rüstung, Krise, Rassismus, Umwelt, Nazis, Banken – was wird bitte das nächste Thema sein, mit dem man wieder mal zwei, drei Jahre lang einen Anschein von Rebellion erzeugt und so tut, als sei DIESMAL ABER WIRKLICH ein Auftakt für Kapitalismuskritik gemacht?
2) Argumente
Es ist doch offenkundig, dass ALLE das „Hineintragen von Argumenten“ zum Auftakt haben. Heuchlerisch, wer das leugnet! Natürlich Argumente, was denn auch sonst? Wenn die Leute schon dächten und täten, was ihnen gut bekommt, bräuchte man sich ja nicht drum zu sorgen, sondern einfach nur mittun. Also muss man denen wohl oder übel sagen: so geht’s nicht, so wird das nichts.
Aber sich an falsche oder illusionäre Proteste interpretativ oder real dranzuhängen, ohne klar zu sagen, was man von denen hält: wie schmierig und verlogen ist das denn?
@Mattis
Es mag für Dich offenkundig sein, daß ALLE das „Hineintragen von Argumenten“ zum Auftakt haben – so wie ich das wenigstens leicht anzweifel, so ist für mich offenkundig, daß das eben genau nicht fruchtet – allein dieses nie gefruchtet hat – vielleicht auch nie wird.
Was zb erreichen denn Argumente? Meine sind für Dich nicht akzeptabel, Deine für mich nicht minder… Alle Beide meinen wir außerdem, daß unsere (politische) Erfahrung dagegen spricht.
Was unter Linken schon nicht ‚funktioniert‘, soll nun aber bei ‚anderen‘ funktionieren – warum eigentlich – diese haben auch ihre Erfahrungen… auch welche mit ‚uns‘.
Nein, ich denke, meine und wenigstens für meine Erfahrungen weiß ich sogar, daß ‚auf jemanden einsabbeln‘ nullkommagarnix bringt – es muß sich schon an seinen Problemen orientieren und das sind nicht die, die wir ob theoretischen Rüstzeugs für ihn ausgemacht haben.
Abgesehen davon hatte ich mit vielen Millionen anderen „Kapitalkritik“ schon in der Schule, also kann allein das Wissen oder Nichtwissen darum nicht das Ausschlaggebene für ‚Untätigkeit‘ odda so sein.
Natürlich braucht das ‚Entwickeln des Bewußtseins‘ Zeit, es ist aber das Bewußtsein dieser Person(en) und nicht die Übernahme des Bewußtseins von anderen.
Neue Erkenntnisse können mE immer nur an ‚alten‘ Erfahrungen an andocken.
Sinngemäß kannst Du jemandem bis zum Skt. Nimmerleinstag erklären wollen, daß eine heiße Herdplatte nicht heiß ist, er wird Dir nicht glauben, nicht glauben können und sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, den Gegenbeweis antreten zu s/wollen.
Mit welchem Thema man den Anschein der Rebellion erwecken will?
Ich meine – da liegt der ‚Hund begraben‘ 😉
Es geht doch mE nicht darum irgendeinen Anschein von irgendwas zu wecken, ich nehme an, da sind wir sogar schnell einig – es geht aber eben auch nicht um eine Rebellion der Rebellion wegen – da dürfte Einigung schon schwerer sein.
Menschen entdecken sich im Widerspruch zum System oder wenigstens so manches was sie gern hätten (momentan) im Widerspruch zum System.
Laß sie sich doch versuchen, diesen aufzulösen – und wenn Du hundertmal zu wissen meinst, daß sie einen falschen Weg gehen, sie werden Dich nur dann für so was wie ‚akzeptabel‘ halten, wenn Du mit ihnen zusammen auf Lösungssuche gehst.
… und Du wirst mit ihnen gemeinsam suchen müssen, denn die absolute Wahrheit hast auch Du nicht.
Hältst Du das für verlogen?
Ich halte da was ganz anderes für verlogen:
Ist für Dich der richtige Weg, wenn Menschen zum Sozialismus/Kommunismus wollen?
Vermutlich.
Für mich ist der ‚richtige‘ Weg, wenn sich Menschen versuchen zu einigen, wie sie gemeinsam Probleme lösen wollen und in der späteren Folge auch, wie sie ihr(e) Leben gestalten wollen.
Kommunismus ist mE eben gerade nicht, daß sich Individuen einer (guten) Sache unterordnen. Der ist nur als frei zu denken, daraus folgt für mich mit meinen Erfahrungen:
Sozialismus fängt da an, wo sich Menschen nicht auf eine Sache verständigen; dafür aber da, wo sie sich auf ihre gemeinsame Sache verständigen.
Die kann von meiner, Deiner, unserer zum gegenwärtigen Zeitpunkt recht verschieden sein, wie gesagt, so wenig es bei ‚Ihnen‘ um Übernahme anderer Gedanken geht, gehts das bei uns – Gemeinsamkeiten immer wieder neu suchen, ist da mE erfolgversprechender als immer wieder Unterschiede aufzuzeigen…
… Sozialismus ist der gemeinsame Weg der Bewegung aus dem Kapitalismus heraus, nicht nur der von Kopf- und Mittelteil, der den ‚Arsch‘ mitzieht.
Die Gesamtarbeit muß sich selbst und untereinander schon hier koordinieren wollen und eben auch schon einiges davon hier so ‚gestalten‘ wollen und können.
Das ginge sehr wohl.
Eine einzelne Genossenschaft produziert nur wieder für den Markt, aber mehrere untereinander sich selbst verknüpft habende, eben nur noch zu geringen oder gar keinen Teilen mehr
(mein Denkansatz für ‚Anfänge‘ neuer Produktionsweise schon im alten System)
… irgendwann wirds dann „Revolution“ geben müssen, aber ‚erst dann‘.
„ich denke, meine und wenigstens für meine Erfahrungen weiß ich sogar, daß ‚auf jemanden einsabbeln‘ nullkommagarnix bringt – es muß sich schon an seinen Problemen orientieren und das sind nicht die, die wir ob theoretischen Rüstzeugs für ihn ausgemacht haben.
Abgesehen davon hatte ich mit vielen Millionen anderen „Kapitalkritik“ schon in der Schule, also kann allein das Wissen oder Nichtwissen darum nicht das Ausschlaggebene für ‚Untätigkeit‘ odda so sein.“
Ich weiß hingegen, daß überhaupt nur neue Einsichten, endlich erreichte wirkliche Kenntnisse, Durchschauen all der bisher für selbstverständlich oder durchschaut gedachten Verhältnisse Menschen dazu bringt, sich anders zu ihrer Welt zu stellen, anderes anzustreben und zu machen. Und wenn dazu nicht vorher irgendwelche anderen Menschen auf einen „eingesabbelt“ haben, oder einem Zeitungen und Bücher vollgeschrieben haben, dann ist sowas, sozusagen im Alleingang schier unmöglich, jedenfalls enorm selten.
Nebenpunkt: Egal, wo man individuell zur Schule gegangen sein mag, in der BRD oder auch in der DDR, ich würde es erstmal glatt bestreiten, daß man ausgerechnet dort „Kapitalkritik“ beigebracht bekommen hat, die Hand und Fuß hat.
Es ist so ein schlimmer Kalauer, immer folgendes zu betonen:
Ja was denn sonst, nur daß dieser Tage eben schon verdammt viel vernünftiges Bewußtsein akkumuliert vorliegt, das man Nachlesen oder Nachhören und dann gerne Nachdenken kann, ja geradezu sollte. Ich habe das nie verstanden, warum man ausgerechnet im gesellschaftspolitischen Bereich nicht die vernünftigen Sachen anderer im technischen Sinne „Vordenker“ übernehmen können „darf“, wo das doch in allen anderen Bereichen jedem Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, ja Wissenschaft geradezu nur so funktionieren kann.
Das Beispiel für „Unbelehrbarkeit“ das Wat. anführt, scheint mir geradezu aberwitzig:
Jeder Mensch, der weiß, das rotglühendes Metall etwas ist, von dem man als Mensch die Finger läßt, wird von einer Ceran-Platte, wo man das besonders gut sehen kann, *immer* die Finger lassen im buchstäblichen Sinne. Und bei einer alten Herdplatte, der man nicht gleich ansieht, wird auch wieder jeder Mensch vernünftigerweise selber vorsichtig sich heranfühlen, wenn man ihm sagt, daß die aber heiß ist (z.B. weil man sie selber gerade benutzt hatte). Nur völlig gestörte Geister, die es zwar auch immer weider gibt, würden „sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, den Gegenbeweis“ anzutreten.
Das ist immer dann anders, wenn Fakten nicht nur einfach Fakten per se sind, sondern deren erkannte Existenz eigene bestehende Interessen tangiert bzw. diese konterkarieren könnte. Dann gilt in der Tat, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ich halte Positionen wie
in der Tat dann für verlogen, wenn damit Linke ins Koppel der Linkspartei oder eine beliebigen anderen reformistischen Partei eingefangen werden sollen, zudem es ja meist mit recht drastischer Zensur einhergeht, um ja nicht als nicht mehr „akzeptabel“ angesehen zu werden.
@Neoprene
Ich würd mal sagen, ich hab Dich schwer verärgert, wenn Du jetzt gleich mit vier unmittelbar folgenden Einzelbeiträgen anrennst…
Nur auf den letzten: ich hab mit Parteien als Rechtsform nicht wirklich was am Hut, für mich hat die Parteiwerdung der Klasse als einziges Relevanz, wenn was Relevanz hat – und die hat eben mit Rechtsformen nichts zu tun. Die hat nicht mal was mit einer einzigen Organisation als solcher was zu tun.
Wir zwei Beide kriegen uns wohl nicht auf irgendeinen Nenner, mein Ansatz sind einzig die Lohnabhängigen und wie sie leben (wollen).
Ich bin nicht einmal unsicher, daß Du unter diesen Sätzen wieder was anderes verstehst als ich.
Dann lassen wir das eben, besser kann ich mich nicht ausdrücken.
Du hast also recht – aber ob Du damit weiter kommst^^
Nein, du hast mich nicht „verärgert“. Daß ich nicht eine zusammenhängende „große“ Erwiderung geschrieben habe, liegt daran, daß ich immer „gleich“ losgelegt habe, wenn mir was eingefallen ist.
@Neoprene
„liegt daran, daß ich immer „gleich“ losgelegt habe, wenn mir was eingefallen ist.“
Eben.
Wenigstens auf mich machst Du sonst einen weniger impulsiven Eindruck.
… ich habe eben andere Schlußfolgerungen gezogen als Du. Ich kann das auch einfach mal als so gegeben und einstweilen nicht änderbar stehen lassen.
Vielleicht kriegen wir ja über gemeinsame Erfahrungen mal gemeinsame Schlußfolgerungen.
Mindestens bis dahin sind eben Deine so ‚richtig‘ wie meine…
Wat., es geht nicht immer gleich um „Schlußfolgerungen“. Was ich aufgegriffen habe, waren erst mal „nur“ Behauptungen zu Sachverhalten, die ich glatt bestritten habe. Insofern wird es dich nicht wundern, wenn ich es für unbefriedigend halte, wenn du „das auch einfach mal als so gegeben und einstweilen nicht änderbar stehen lassen“ willst.“ Was jeder für sich für Schlußfolgerungen zieht, was er sich vornimmt usw., das entscheidet schon jeder für sich (im Rahmen dessen, was er da überhaupt machen kann, das ist ja regelmäßig gar nicht so fürchterlich viel). Das aber zum üblichen „Ich habe doch nur gemeint“ runterzukochen, ist einer wirklichen Klärung sehr hinderlich. Insofern beharre ich darauf, daß deine besänftigende Schlußaussage, dann „sind eben Deine [Schlußfolgerungen] so ‚richtig‘ wie meine“, alles andere als besänftigt.
Zudem du so gut wie jeder andere weißt, daß „gemeinsame Erfahrungen“ zu allem möglichen führen, nur nicht automatisch, notwendigerweise gar, zu „gemeinsamen Schlußfolgerungen“.
@Wat.
Ich kann nur für das einstehen, was ich glaube als richtig erkannt zu haben. Wenn ich damit niemanden überzeugen kann, habe ich Pech gehabt. Wenn ich jemand überzeugen kann, heißt das aber nicht – wie du unterstellst – dass der sich dann meinem Standpunt unterordnet („Übernahme des Bewusstseins von anderen“). Was ist denn, wenn du mich jetzt von deinem Gemeinschafts-Ansatz überzeugen würdest – nur mal angenommen – wäre ich dann dein geistiger Knecht?
Merkst du nicht, dass du auch mit deinem Gemeinschafts-Ansatz nur eines tun kannst: nämlich argumentieren? Erstens musst du für die gemeinschaftlichen Aktionen ja auch erstmal argumentieren und in den Gemeinschaften selbst musst du dann für deine Sicht der Dinge plädieren (sonst könntest du genauso gut wegbleiben).
Es hat hier außerdem schon jemand darauf hingewiesen, dass immer schon viele Menschen viele Aktivitäten gemeinschaftlich unternommen haben – dabei auch respektable durchaus – und trotzdem bei all dem die kapitalistische Konkurrenzwelt im Wesentlichen unkritisiert blieb. Da gibt es halt keine Stufenleiter des geistigen Fortschritts, keine „Entwicklung des Bewusstsein“, etwa analog der Evolution intelligenter Lebewesen. Das könnte ich dir jetzt als Misserfolg vorhalten, wenn ich so wie du den mangelnden Erfolg als Beurteilungs-Kriterium vorbringen würde.
Bekannt ist auch, dass viele Kommunisten in der Weimarer Republik mit Suppenküchen und viel anderer unterstützender Gemeinschaftsarbeit aufgetreten sind – und dann schließlich in großer Zahl überliefen zu den Nationalsozialisten. Gemeinschaft ist halt eine schlimme Abstraktion – engstens verwandt mit Abstraktionen wie Volk, Nation und dergleichen. Du denkst dir freilich immer deine gewiss menschenfreundlichen Ideale dazu, ist schon klar – aber die Realität hält sich leider nicht dran.
„… es muß sich schon an seinen Problemen orientieren“. Das ist soweit korrekt – man muss sich an den Problemen der Leute orientieren, aber nicht deren jetzige Überzeugungen affirmieren. Das ist der Unterschied.
„… an seinen Problemen orientieren und das sind nicht die, die wir ob theoretischen Rüstzeugs für ihn ausgemacht haben.“ Sowas kommt vor, ist mir aber zu pauschal. An was denkst du dabei, kannst du ein Beispiel nennen?
@Neoprene
Ich kann ja immer nur für mich sprechen, sag das hier trotzdem mal so ‚allgemein‘:
Bei den Schlußfolgerungen, die jemand zieht, wenn er sie zieht, steht die Frage nach richtig oder falsch gar nicht – für ihn sind sie selbstverständlich richtig, sonst hätte er sie ja nicht gezogen. Daran wird sich auch niemalsnienich was ändern, deshalb mein „Mindestens bis dahin…“
Wir können uns also nur darüber unterhalten, ich denke nicht einmal, daß das eine Argumentation sein kann, warum ich so schlußfolgerte und ein anderer, in diesem Fall @mattis und Du, eben anders.
Du hast eine Behauptung gegen meine Schlußfolgerung gestellt und einfach nur gemeint, daß Deine anders sind.
Gut, dann meinte ich zu wissen, daß Dich nicht interessiert, warum ich so schlußfolgerte – da ich mit Schlußfolgerungen anfing (ich nenne das mal einfach weiter so), hättest Du Dich also mal ruhig dafür interessieren können, wieso die sind, wie sie sind und dann mit Deinen kommen – mich hätte dann Deine Begründung, warum Du sie so ziehen mußtest und was Du meinst, was anders ‚laufen‘ müßte, bestimmt als anregendes Gespräch aufgenommen – so war das (für mich) nur: Nö, stimmt nicht. Ich weiß es besser. Punkt.
Kann ja sein, daß da mein Empfänger beschädigt ist – will ich nicht ausschließen.
Gemeinsame Erfahrung machen, heißt für mich, nicht ‚gleich‘ einen Strich aufbauen, der eine Trennlinie ist.
Vielleicht ist Dir schon einmal aufgefallen, daß ich viel mit „ich denke“, „ich meine“, „ich vermute“, im höchsten Fall mal mit „ich meine zu wissen“ oder „meine Erfahrung sagt mir“ arbeite/schreibe… das sind nicht nur Floskeln. Ich hab keine absolute Wahrheit, wie auch – ich gestände sie aber auch niemand anderem zu.
@Mattis
Ob ich nicht merke, daß ich mit meinem Gemeinschafts-Ansatz auch erst einmal nur argumentieren kann?
Hier ja.
Draußen handel ich ‚Gemeinschaft‘, da muß ich nicht begründen, warum ich eine Aktion, eine Forderung mittrage – ich machs einfach.
Die Argumentation(en) fangen da erst an, wenn wir gucken, wie wir das effektiver, wirksamer, vielleicht nachhaltiger hinkriegen und gucken, wer denn eigentlich das gleiche Feld ‚beackert‘, aber genauso einzeln als Gruppe handelt, wie wir derzeit.
Mit unserem theoretischen Rüstzeug haben wir doch mE glasklar erkannt, daß die Lohnabhängigen nur ihrem Schicksal entgehen, wenn sie endlich mal „Nieder mit dem Lohnsystem“ fordern, wenn sie Lohnarbeit und Warenwirtschaft beseitigen wollen.
Da ist aber noch gar nicht ihr Thema…
Als ihr Thema sehen sie, daß sie zuwenig Lohn bekommen, in Hartz4 drangsaliert werden.
Dann versuche ich doch, gemeinsam mit ihnen dagegen vor zu gehen, das sind ihre kurzfristigen Ziele, dazu bewegen sie sich schon allein, davon muß ich sie nicht erst überzeugen – und versuche ihnen dabei eine langfristige Perspektive, wenigstens, so weit ich das sehe, aufzuzeigen.
Ich brauche die große Mehrheit der Lohnabhängigen, für alles was ich mal möchte. Es ginge nur mit und durch sie. Und ich halte es nicht für verlogen, ihnen zu zeigen, daß ich eine von ihnen bin, keine, die immer weiß, was für sie gut ist. Daß sie das immer selbst entscheiden (sollen). Daß wir es zusammen schaffen können…
Klar entscheide ich auch für mich, was gut für mich ist – gemeinsames Tun tut mir unendlich gut 😉
Btw. Das ist keine Unterstellung, daß Du das anders siehst oder machst – ich sprach von mir.
@Wat.
„Ich brauche die große Mehrheit der Lohnabhängigen, für alles was ich mal möchte. Es ginge nur mit und durch sie. Und ich halte es nicht für verlogen, ihnen zu zeigen, daß ich eine von ihnen bin, keine, die immer weiß, was für sie gut ist. Daß sie das immer selbst entscheiden (sollen). Daß wir es zusammen schaffen können…“
Was sich auf den ersten Blick nobel anhört, ist in Wirklichkeit deine Weigerung, deine weitergehenden Einsichten mit anderen zu teilen. Wieso wäre es eigentlich nicht mehr deren Entscheidung, wenn sie etwas von dir lernen würden? In solcher vermeintlicher Bescheidenheit steckt – ich muss es leider sagen – entweder Angst oder Arroganz. Angst hieße: du möchtest keine Position beziehen, dich nicht festlegen, den Streit um Argumente umgehen. Arroganz hieße: du hältst die anderen nicht für fähig, aus ihrer Froschperspektive rauszukommen. Du willst ihnen nicht wirklich weiterhelfen.
Hast du selbst nie von anderen gelernt? Und war das schlimm oder entwürdigend, von anderen zu lernen?
Du trägst so natürlich dazu bei, falsche Wege des Protests auch noch zu bestärken. Viele Leute, die kritische Ansätze haben, werden dann durch solche pseudokritischen Bewegungen auf einen systemimmanenten Kurs kanalisiert und bekommen keine Anregungen, ihre Einsichten tatsächlich zu erweitern. Occupy z.B. – und etliche andere.
Recht viele Bankangestellte sympathisieren übrigens mit Occupy, weil sie hoffen, dass es ein paar Gesetze gegen ‚übermäßige‘ Spekulation geben wird, so dass dann für die Banken-Branche insgesamt deren Ehre und das Vertrauen wieder hergestellt wäre. So kann dann alles wie gehabt wieder seinen Gang gehen.
@Mattis
Immer wieder interessant, wie unterschiedlich doch die Ansichten sind, weniger interessant finde ich dabei die Abfolge, mir klar machen zu wollen, daß ich falsch ‚liege‘. Sei gewiß, lieg ich immer^^
„Was sich auf den ersten Blick nobel anhört, ist in Wirklichkeit deine Weigerung, deine weitergehenden Einsichten mit anderen zu teilen.“
Mal in Erwägung gezogen, daß ich gerade mit meinem Tuen meine weitergehenden Absichten mit anderen teile – hätte ich mit Dir auch gern, geht aber nicht, wenn schon gleich feststeht, daß meine nicht richtig sind.
Ich denke auf das „Entwürdigend“ brauch ich nicht weiter eingehen, das ergibt sich aus: Du machst es (immer) falsch.
Nebenbei: Ich habe von den vielen ‚da draußen‘ mehr gelernt als mein ganzes Leben vorher und bis jetzt von denen, die es immer besser wußten. Zu letzteren wollte ich selbst mal gehören und habe dazu gehört.
… aber so etwas wird einem abgewöhnt, wenn der andere immer, aber auch immer richtig urteilt. Wenigstens bei mir war es so, daß ich so nicht (mehr) mit anderen umgehen wollte – Erfahrungsaustausch gern, aber dieses hohe Roß: Nein, Danke.
@Wat.
Du bist lustig: mich nennst du einen Besserwisser (auf dem „hohen Roß“), gleichzeitig trägst du vor, den richtigen Einstieg zum Sozialismus zu kennen:
Genossenschaften gibt es ja schon ewig lange, in Deutschland aktuelle über 7000, mit 20 Millionen Mitgliedern, ca. jeder vierte Deutsche. Irgendeine Tendenz Richtung Sozialismus oder zumindest eine deutliche Aufweichung kapitalistischer Maßstäbe (Lohnhierarchie z.B.) kann ich da momentan nicht erkennen.
Wo siehst du denn den Ansatzpunkt, bei Genossenschaften eine neue Qualität reinzubringen? Und wie willst du das anpacken?
@Mattis
Endlich mal einer, der mich für lustig hält, bin ich den meisten doch viel zu ernst, leider.
Wenn ich unter eine absolut klingende Aussage schreibe, daß das mein Denkansatz ist – was ist das dann wohl. Ich würd mal meinen, keine absolute Aussage, sondern das bisherige Ergebnis meines Denkens, welches ich als Denkansatz, also als Diskussionsgegenstand odda so, ausspreche.
Daß sich Gesamtarbeit koordinieren können muß, scheint mir allerdings gesicherte Erkenntnis, sonst würde hiesige Gesellschaft (hocharbeitsteilig) schon nicht ‚funktionieren‘.
War es denn jemals Ziel, mit den Genossenschaften bzw mit einer Genossenschaft der Warenwirtschaft und Lohnarbeit zu entkommen – der Lohnarbeit vielleicht schon, aber auch der Warenwirtschaft?
Das könnte eine einzelne doch auch gar nicht – diese produziert bzw. agiert doch immer noch auf und für den Markt.
Hast Du mal geguckt, wieviele von den Genossenschaften Wohnungs(bau)genossenschaften sind? Ich denke, daß der Genossenschaftsgedanke selbst bei den Genossenschaftlern ein anderer ist, als bei Dir oder mir.
Wie komme ich zu dieser Aussage? Wenn ich hier mit Genossenschaftlern rede, derer gibt es viele – die Wohnungen der halben Stadt sind genossenschaftlich organisiert – so weit ich das überblicke, wissen sie gut, daß sie jeweils einen Anteil an dieser haben, aber daß ihnen zusammen der ganze Laden gehört, ist ihnen denn doch nicht so gegenwärtig.
Damit hätte doch dann aber schon Genossenschaft einen anderen ‚Zweck‘, wenn man sich das verinnerlicht hat, oder nicht?
Aber noch einmal zurück zu der sich selbst koordinierenden Gesamtarbeit…
… macht sie hier vortrefflich über den Markt.
Wenn ich den heraus haben will und dafür nicht von anderen/m fremdbestimmt sein möchte, dann ergibt sich daraus für mich: Sie muß sich untereinander bewußt selbst koordinieren (wollen).
Die Frage wie…
Da gucke ich doch, welche Möglichkeiten es hier schon gäbe. Genossenschaften gibts, diese könnten sich selbst (ohne übergeordnete Zentrale) koordinieren, wenn sie keine Fremdbestimmung wollen. Das ginge.
Ganz von Warenwirtschaft werden sie hier trotzdem nicht wegkommen, das Geld für die Steuern müssen sie schließlich auch irgendwie reinbringen, aber sie müss(t)en nicht nur für Geld arbeiten.
Um auch das mit den Steuern mal vom Hals zu kriegen, wirds dann irgendwan Revolution gegen den (jetzigen) Staat und die wirtschaftliche Gesamtverfaßtheit geben müssen, da beißt meines Erachtens die Maus keinen Faden ab.
Vielleicht gibts oder gäbe es auch noch was anderes, zusätzliches als Genossenschaft, wie sich mal selbstbestimmte Arbeit koordiniert, das weiß ich nicht und würde es sehr begrüßen.
Ich denke, den Genossenschaftsgedanken sollten wir mal wieder so richtig schön breittreten. Erst einmal brauchen wir davon jede Menge. Diese werden aber als kleine Warenproduzenten riesige Schwierigkeiten haben, sich hier auf dem Markt zu halten. Dann könnten wir doch mE gucken, wie sich einzelne untereinander verbinden und sich so gemeinsam schon mal mit den kleinen Möglichkeiten, die sie hier so haben, gegenseitig ‚beliefern‘, aber eben nicht als Warenlieferung, als eine Art gemeinsame Produktion der Produkte, die sie haben wollen und mit ihren (menschlichen und technischen) Möglichkeiten herstellen können – je mehr da mitmachen (wollen), desto besser und mehr müßte da aus der Warenwirtschaft heraus zu kriegen sein.
Es wird auch bei uns (wieder) eine Zeit der Betriebsbesetzungen geben… reden allein wird nicht ‚helfen‘, ich denke, wo immer wir können, müssen wir mitmachen.
Die Fabrikhallen und das Gelände sind dann schon mal da, es wird nicht immer eine sinnvolle Produktion des alten da möglich sein, aber könnten wir nicht gemeinsam überlegen, was denn sonst in den alten Hallen so sinnvoll machbar wäre – ich denke schon, gemeinsam mit den dort bis dahin Arbeitenden wird sich eine dafür geeignete Idee entwickeln lassen – auf diese wartet sonst in übersichtlicher Zeit auch nur Hartz4
Soweit meine (langen) Gedanken…
Das Thema Genossenschaften in dem Sinne, wie du sie in die Diskussion eingebracht hast, hat jetzt natürlich viele Aspekte. Wo steigt man ein?
Ich gehe zuerst einmal davon aus, dass du nicht solche Genossenschaften meinst, bei denen man so zusätzlich und nebenher Mitglied ist, sondern Produktions-Genossenschaften, wo die Mitglieder zugleich die Beschäftigten sind.
Auf den ersten Blick sieht das nach Kapitalismus ohne Ausbeutung aus. Die Arbeiter sind dann nicht nur Eigentümer ihrer Arbeitskraft, sondern durch ihre genossenschaftlichen Einlagen auch Eigentümer des investierten Kapitals. Also: das Mehrprodukt gehört dann den Arbeitern (=keine Aneignung fremder Mehrarbeit) , da diese ja selbst die Anteilseigner (=Kapitalisten) sind.
Aber ich sag jetzt mal: die Zwänge der Kapitalverwertung als solche bleiben weiterhin bestehen. Diese sind ja nicht davon abhängig, welche Personen Eigentümer sind. Da beide Eigentümer-Standpunkte jetzt von denselben Personen eingenommen werden, muss es notwendig zu Konflikten kommen. Wie siehst du das?
@Mattis
Ich meine ja geschrieben zu haben, daß, so lange sie als ‚einzelne‘ Genossenschaft agieren, sie immer noch nur auf und für den Markt agieren.
Damit ist noch nicht wirklich was ‚gewonnen‘, weil ja nur im Innenverhältnis die Marktbedingungen aufgehoben sind, im Außenverhältnis sind diese so präsent wie vorher.
Über eine Verbindung von (zwei, mehreren, vielen) Genossenschaften könn(t)en diese aber immer weniger für den Markt arbeiten, dafür aber ‚für sich‘. Versuch Dir das mal bitte wie einen nichtkapitalistischen Trust vorzustellen – vielleicht wirds dann anschaulicher.
Das könnte nämlich bis soweit gehen, daß diese sich selbst koordinierten Genossenschaften alles herstellen, was ihre da selbst arbeitenden Eigentümer so brauchen (wollen).
Also, wie gesagt, die Konflikte sind vorprogrammiert, wenn sie als einzelne ‚rumwuseln‘, da sie dann mE auf jeden Fall in Konflikt mit dem ‚Markt‘ und seinen ‚Gesetzen‘ kommen – aber bei freiwilligen Kooperationen sehe ich sie nicht (mehr).
Freiwillige Kooperation. Kann kein Gesetz und keine Vorgabe ‚erledigen‘ – ist ein Emanzipationsschritt.
@Wat.
„Genossenschaften gibts, diese könnten sich selbst (ohne übergeordnete Zentrale) koordinieren, wenn sie keine Fremdbestimmung wollen. Das ginge.“
Was bedeutet Koordinierung ohne Zentrale? Angenommen, zwei genossenschaftliche Betriebe produzieren dasselbe, und der eine hat wesentlich bessere Standort-Bedingungen, kann also billiger produzieren. Oder einer von beiden verwendet Vorprodukte aus Asien, die mit hoher Ausbeutungsrate produziert wurden, und hat dadurch weniger Kosten, der andere Betrieb will das aber nicht und muss daher viel teurer verkaufen. Das sind die konkreten Markt-Realitäten. Wer entscheidet da jetzt was?
@Mattis
Sie haben ja nur zwei Möglichkeiten, sie arbeiten in Konkurrenz zu einander oder miteinander – da sie beide das gleiche machen, wird, so lange sich daran nichts ändert, höchstens eine Kooperation für den Markt draus… Können sie ja machen, ändert aber nüscht am „zu heute“ und hätte damit mit meiner ‚Gedanken-Intension‘ nix und gar nix zu tun.
Ich meinte, daß sich Genossenschaften verbinden um für sich herzustellen, wenn sie sich das nicht mal vorstellen können, werden sie es es nicht tun. Wenn sie sich das vorstellen können, können und werden sie das nur gemeinsam in und mit ihren Genossenschaften entscheiden (können).
Mit derlei kleinbürgerlicher Kacke im Kopf lassen sich freilich Einwände aller Art gegen gesellschaftliche Planung stricken. Wer sagt denn, dass in der „sozialistischen Zukunft“ die Autofahrer identisch mit den Autobesitzern sind.
Aus genau dieser Denkschablone kommt konsequenterweise solcher Unfug:
Warum sollten bei gesellschaftlicher Planung zwei Betriebe gegeneinander konkurrieren?
@Wat.
“ Das könnte nämlich bis soweit gehen, daß diese sich selbst koordinierten Genossenschaften alles herstellen, was ihre da selbst arbeitenden Eigentümer so brauchen (wollen).“
Um auch nur die wichtigsten Produktionseinheiten genossenschaftlich abzudecken, die man so für den nötigsten Tagesbedarf braucht (Energie, Baustoffe, Landwirtschaft, Verkehr, Haushaltsgeräte …), müsste man ein gigantisches Genossenschaftskapital zur Verfügung haben.
Der Ausgangspunkt des ganzen Themas ist aber doch gerade, dass die arbeitende Menschheit eben kein Eigentum besitzt, das sie zum Investieren einbringen könnte.
@Samson
Ein Einwand gegen gesellschaftliche Planung war das ja auch gar nicht. Umgekehrt schließe ich aber aus deinen Worten, dass du auschließen willst, dass es persönliche Autobesitzer gibt. Aber wenn es Leute gibt, die das so wollen? Außerdem könnten sie auch an gemeinschaftlich genutzte Autos den Anspruch herantragen, dass die alsbald durch neuere Standards zu ersetzen sind. Wer sollte ihnen das verweigern?
Es ging hierbei um den genossenschaftlichen Ansatz von Wat., der innerhalb des Kapitalismus beginnen soll und zwar ausdrücklich „ohne übergeordnete Zentrale“. Das ist ja eben die Sache, dass das kein Planungsansatz ist.
1) will ich nix ausschließen, halte es aber schon unter jetzigen Verhältnissen für unvernüftig 2) ist dein Gegensatz Nahverkehrsbefürworter vs Autofahrer kleinkariert.
… und sich an der kapitalistischen Realität bislang noch jedesmal blamiert hat, allen Träumen zum Trotz.
@Samson:
Erst haust du drauf („kleinbürgerliche Kacke“), dann mogelst dich raus und kommst mit „unvernünftig“. Das ist doch der Punkt: wenn Bedürfnisse sich gegenüberstehen, die so nicht vereinbar sind, und jede Seite hält die andere für „unvernünftig“ – wie regelt man sowas?
@Mattis:
Entweder, beiden Parteien kommt es letztlich doch nicht darauf an, ob ihr jeweiliges spezielles Bedürfnis befriedigt wird, dann werden die Leute das irgendwie formell regeln, sei es per Mehrheitsabstimmung, oder sie würfeln. Wenn es aber um Fragen geht, die für beiden Seiten nicht kompromißfähig sind, dann wird das eine Machtfrage. Dann spaltet sich das bisher gemeinsame Projekt an dieser Frage. Das könnte dann bis zum Kampf gegeneinander gehen, wie es das ja in der Geschichte der Linken schon häufiger der Fall gewesen ist.
Wieso konstruierst du erst Bedürfnisse, welche von sich aus derart ausschließend sind, dass es keine Vermittlung zwischen ihnen geben kann und fragst dann wie man die regeln könne? Du hast deine Antwort doch schon in deiner Konstruktion: Gar nicht. Dann frag aber auch nicht so blöd.
@Samson: Bisher hat sich an der „kapitalistischen Realität“ auch jeder Sozialismus-Versuch blamiert, soll ichs darum aufgeben?
@bla:
Also dass du mit so einem pubertären Anmach-Stil („frag nicht so blöd“) nicht in der Lage wärst, vermittelnd zu agieren, leuchtet mir sofort ein. Auf dich wird man da nicht zählen können. So eine Mentalität bedeutet Leugnung von Konflikten und damit natürlich auch die Unfähigkeit, dabei irgendeine konstruktive Rolle zu spielen.
Dass es im Sozialismus keine widersprechenden Bedürfnisse gibt, ist deine idealistische Konstruktion. Kannst du denn diese Harmonie-Fiktion auch wenigstens begründen?
Zum Thema Genossenschaften hätte ich noch anzumerken, dass hier nicht nur die Gefahr des ökonomischen Scheiterns besteht, sondern dass auch im Erfolgsfall kein sozialistischer Fortschritt zu erwarten ist. Insbesondere deshalb nicht, weil recht viele kapitalistische Prinzipien gelernt und angewendet werden müssen, um so einen Laden am Laufen zu halten.
Neben den von mir bereits geschilderten Dilemmata kommt hinzu, dass im Krisenfall der Lohnverzicht eingeübt werden muss und die Hochachtung vor Managern wächst, die es schaffen, „den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen“ und so fort. Am Beispiel der spanischen Mega-Genossenschaft Mondragon kann man das ja studieren. Dort gab es schon mehrere Lohnverzicht-Etappen, und es verdienen die Top-Manager bis zum 8-fachen des Basislohns. Ob die am Ende ihres Arbeitstages 8 mal so viel Anstrengung hinter sich haben wie die Kumpel von der Baustelle? Also auch die Akzeptanz von Lohn-Hierarchien wird bekräftigt. Und wenn alles nicht reicht, gibt es natürlich auch bei Genossenschaften Entlassungen und Auslagerungen.
Ich jedenfalls möchte nicht dazu beitragen, dass Leute auf diese Weise so richtig in die kapitalistische Mentalität reingezogen werden. Bei denen wächst dann nämlich eher das Verständnis für „Probleme von Unternehmen in der Krise“ statt antikapitalistische Kritik.
Ich denke, es ist auch tragik-komisch, Leute in genossenschaftliche Konzepte zu bringen, ihnen dabei erstmal nicht zu sagen, dass das ein Stufenprozess hin zum Sozialismus sein soll (sonst überfordert man die, heißt es) und dann enttäuscht zu sein, wenn daraus dann eben eifrige Genossenschaftler werden, die genau so wenig am Übergang zum Sozialismus interessiert sind wie andere Werktätige.
Wenn es einen Stufenprozess der Bewusstseinsbildung anhand von Erfahrungen gäbe, dann müsste ja der DGB schon alle sozialistischen Gruppierungen links überholt haben.
Was spricht denn eigentlich dagegen, sich zu überlegen, wie Sozialismus aussehen sollte, und genau das und keine fragwürdigen Halbheiten zu propagieren?
Wieso sollen Genossenschaften, die innerhalb des Kapitals als gesellschaftlichem Produktionsverhältnis agieren, was mit Sozialismus zu tun haben?
Was sich bspw. im Ostblock blamiert hat, basierte immerhin auf politischer Macht und genau deswegen kann man die früheren Machthaber dafür kritisieren, dass und/oder warum sie ökonomisch was anderes gemacht haben als sie propagiert hatten.
Gründen dagegen paar Leute, die warum auch immer die Gelegenheit dazu haben, eine Genossenschaft, die auf Goodwill o.s.ä. basiert, dann mag das funktionieren, solange die einander freundlich gesonnen sind. Nur lässt sich derlei nicht verallgemeinern, denn dazu fehlt es nicht nur an der gesellschaftlichen Macht, im Gegensatz zu den Ostblock-Sozialisten wollen die Goodwill-Genossenschaftler die gar nicht haben, sonst täten sie nicht über „‚Anfänge‘ neuer Produktionsweise schon im alten System“ palavern, sondern würden sich damit abmühen, Gründe zu benennen, warum man das ‚alte System‘ (das so alt wie neu, also sehr aktuell ist) umstürzen sollte. Und damit sind sie keinen Tick besser als meinetwegen Öko-Bauern, die mit ihrem Insistieren auf Natur-blablub auf eine Marktnische hoffen, in der sie irgendwie mit dem Arsch an die Wand kommen …
@Mattis @Samson
Was bitte bedeutet für Euch:
„Emanzipation der Lohnabhängigen von sie bestimmenden Verhältnissen“
… welche Verhältnisse könnten damit gemeint sein.
… und wie emanzipiert ‚man‘ sich, wenn ‚man‘ dazu gesagt bekommen muß/soll, was/wann/wie zu erfolgen hat/erfolgen müßte?
@Wat.:
„Emanzipation der Lohnabhängigen von sie bestimmenden Verhältnissen“.
Ich weiß ja jetzt nicht, ob das deine eigene Formulierung ist, ich will es mal annehmen, weil du sonst angeben solltest, wo das her ist. „Emanzipation von„, ist der springende Punkt, im Unterschied etwa zu „Emanzipation in den Verhältnissen“.
Das hauptsächlich „bestimmende Verhältnis“ ist ja in deinem Satz schon direkt genannt: die Lohnabhängigkeit. Dass man also als Normalmensch nur an Lebensmittel (im weitesten Sinne) kommt, wenn man für Lohn arbeitet, was bedeutet, dass man für ein Kapital arbeiten muss. Über den Gewinn, der mittels der Arbeit des Lohnarbeiters gemacht wird, kann dieser nicht verfügen, weil die Produktionsmittel eben Eigentum des Kapitals sind.
Der Lohnarbeiter erzeugt also den Reichtum, der dann weiterhin und in steigendem Maße über ihn bestimmt, also über seine Arbeitsbedingungen, über seinen Lohn, über die Qualität der Produkte etc., und endlich über seine Entlassung als nicht mehr erwünschtes, den Profit nur noch schmälerndes Mittel.
Davon frei zu werden heißt: nicht mehr Mittel der Kapitalverwertung zu sein, sondern Mitglied einer Gesellschaft, deren Zweck die Herstellung der notwendigen und schönen Gebrauchswerte ist, und also anteilig mit zu bestimmen, was und wie produziert wird und wie der Produktivitätsfortschritt für alle von Vorteil verwendet wird. Als Zusatzeffekte werden etliche Aufwände frei, die im Kapitalismus für Werbung, Konkurrenz, Prestige, zig-fache parallele Entwicklung gleicher Produktionsverfahren etc. verbraten werden. Und Frauen können Kinder bekommen ohne Angst, danach ohne Job/Reproduktion dazustehen. Und so weiter.
Alles eigentlich Selbstverständlichkeiten, oder? Das macht so eine Aufzählung im Grunde langweilig. Das Drama ist, dass im Kapitalismus nichts von alledem selbstverständlich ist.
@Wat.
Stell dir lieber mal die Frage, unter welchen Verhältnis jemand von Lohn abhängig ist und warum solcher Ausdruck strenggenommen bürgerliche Ideologie ist; die nämlich, es ginge nicht anders o.s.ä.
@Wat.:
„und wie emanzipiert ‚man‘ sich, wenn ‚man‘ dazu gesagt bekommen muß/soll, was/wann/wie zu erfolgen hat/erfolgen müßte?“.
Niemand muss sich emanzipieren, niemand muss sich was sagen lassen (außer derzeit von Kapital und Staat). Alle können weitermachen wie bisher. Mit all den bekannten Folgen wie bisher, von Armut bis Krieg und zurück.
Kritiker des Kapitalismus zeigen auf, was mies ist an den Verhältnissen und warum das so ist. Und sie zeigen auf, welche Richtung eine konsequente Änderung einschlagen muss, um mehr zu werden als nur wieder dasselbe in Grün (oder Rot). Niemand muss das annehmen, aber jeder darf sich frei überzeugen lassen. Äh ja, solange der Staat das zulässt, der oberste Garant der Gedankenfreiheit.
Interessant ist schon, dass es immer wieder als „Bevormundung“ (oder noch schlimmer) bezeichnet wird, wenn Kapitalismuskritiker versuchen, Menschen von ihren Einsichten zu überzeugen. Aber wie gesagt, das gilt natürlich nur für Kapitalismuskritiker. Jede andere Art von Überzeugungsarbeit (durch Politiker, Medien, Religion …) wird selbstverständlich akzeptiert, denn jeder hat ja schließlich seinen eigenen Willen, dem zuzustimmen oder nicht.
Dabei sind die Kritiker so ziemlich die Einzigen, hinter deren Argumenten keine Zwangsmittel stehen. Sie können und wollen nur Vorschläge machen, mehr nicht.
Ist es sinnvoll, darauf zu setzen, dass jeder Einzelne ganz von selbst ohne jede Hilfestellung und Anleitung alles aus sich selbst heraus entwickeln sollte? Eine absurde Vorstellung, und das wäre auch ein Zynismus sondergleichen. Kaspar Hauser als Ideal der „Emanzipation“?
Noch ganz abgesehen von dem immanenten Widerspruch: da möchte jemand, dass die Menschen seine Vorstellung übernehmen, von niemandem Vorstellungen zu übernehmen.
@Mattis
Die hier bestimmenden Verhältnisse sind Lohnarbeit UND Warenwirtschaft. Durch (arbeitsteilige) Warenwirtschaft wird hier zur Lohnarbeit ‚gezwungen‘.
Ob das, was Du mir aufgeschrieben hast, Selbstverständlichkeiten sind? Für mich wohl nicht, so wie es ausschaut.
Du schreibst:
„Davon frei zu werden heißt: nicht mehr Mittel der Kapitalverwertung zu sein, sondern Mitglied einer Gesellschaft, deren Zweck die Herstellung der notwendigen und schönen Gebrauchswerte ist, und also anteilig mit zu bestimmen, was und wie produziert wird und wie der Produktivitätsfortschritt für alle von Vorteil verwendet wird.“
dann ist das für mich ein Teilaspekt, aber eben nur ein (kleiner) Teil.
Denn davon, daß für einen produktiven Arbeiter nicht mehr die Kapitalvermehrung zählt, daß er leben darf, hat dieser eben noch nicht die Möglichkeit, darüber zu bestimmen, was und wie produziert wird.
Die praktischen Beweis dafür konnte ich selbst noch erleben und ich denke nicht, daß das nur ein paar falsche oder unbewegliche Entscheidungen politischer Macht waren. (Samson).
Ich bin da ganz altmodisch (geworden) – politische Macht entstand im Laufe der Evolution der Menschen immer aus ökonomischer, hat Marx (mir) ‚gesagt‘.
Wie die arbeitenden Menschen zu politischer Macht kämen, ohne vorher die ökonomische zu haben, entzieht sich meiner Kenntnis, seitdem ich erleben durfte, wer denn dann die politische Macht hat(te) und damit die ökonomische.
Vielleicht habe ich zu viel Marx gelesen oder ihn falsch verstanden, daß die Reproduktionsbedingungen die Gemeinverfaßtheit und den Überbau schaffen, nicht umgekehrt.
Ich meine aber gesehen zu haben, daß das umgekehrt nirgends funktioniert hat. Da ich es selbst in einer Variante noch erleben durfte, meine ich auch zu wissen, weshalb…
@Samson
Ich war in der DDR abhängig von Geld, das ich nur für meine Arbeit bekam und welches ich für mein Leben in Waren ausgeben mußte.
Und wenn das hundertmal keine Lohnarbeit für einen Kapitalisten war, ich habe das Geld nur fürs Arbeiten bekommen und ich konnte nullgarnix entscheiden, was mit meiner Arbeit passiert, ich konnte nicht mal wirklich so ganz entscheiden, was ich wozu arbeite. In der Gesellschaft nicht und in dem Betrieb auch nicht. Da gabs Planstelle x und die hatte zu machen y.
Ich geb dafür nicht mal eben irgendwelchen Entscheidungsträgern die ‚Schuld‘, daß das so war – ich sehe das Fatale darin, daß die arbeitenden Menschen nicht die waren, die das (gemeinsam) entschieden.
Dreist, hätten sie es ‚gedurft‘, sie hätten es nicht gekonnt.
Ich denke mal, so etwas muß man lernen – wie hätten sie es in der DDR lernen können oder sollen?
… damit hätten sie (auch unbewußt) jedesmal das ganze System an den Abgrund gebracht. Entweder es entscheidet eine Zentrale oder die Menschen selbst.
Können sie es noch nicht selbst, reichte auch das Wollen nicht – es müßte eine Zentrale (für sie) entscheiden. Die Schlußfolgerung dafür dann eine Zentrale einzurichten, war aus dieser Notwendigkeit heraus: richtig.
Entscheidet eine Zentrale (auch wenn nur als vorübergehend gedacht), können die arbeitenden Menschen es nicht lernen, auch wenn sie es wollen, denn die Zentrale wäre beim kleinsten auch nur Teilversuch ihre Macht los bzw. dieser Staat den Bach runter.
Mit einem Teilversuch, weiß aber eine Klasse noch nicht, wie sie sich Produktion und Bedürfnisse selbst kooridiniert… , dieser Staat wäre aber im Teufel…
Würd ich gern als nochmalige Beweisrunde vermeiden wollen – wie gesagt:
Ich will hier raus und diesmal für immer!
Ich such nach anderen Lösungsansätzen – eine davon scheint mir eben diese selbstbestimmte Arbeit in Genossenschaften (gäbe es noch andere ‚Organisationsformen für selbstbestimmte Arbeit, dann auch gern in diesen), die sich untereinander selbstständig und frei kooridinieren (wollen und können) – ich will das nächste Mal ein festes Fundament.
@Mattis
Was meinst Du denn, warum ich meine Gedanken hier vorstellig mache. Ich machs, weil ich mir erhoffe, daß wir das eines Tages zusammen(!) als Vorschlag unterbreiten (könnteteten).
Ein Einzelner kann gar nichts, jedenfalls nichts, was aus meiner Sicht Leben genannt werden könnte. Vermutlich schafft er es nicht mal zu überleben.
Aber frei ist ein Mensch nunmal erst, wenn er selbst entscheiden kann. Da er allein nicht leben kann, kann er Entscheidungen mE nur mit anderen zusammen treffen.
Dazu muß er als einzelner aber eine ‚Stimme‘ in der Gesamtheit haben.
Die Gesamtheit ohne eigene ‚Stimme‘ darin ist mE genauso ein Unding von „freier Entscheidung“, wie würde er es unabhängig von allen/m anderen versuchen wollen.
Als Individuum hat er das ohnehin nie, es sei denn er findet ein Plätzchen in-the-middle-of-nowhere, wo er als Einsiedler schauen kann, „was und wie produziert wird“. Und selbst dann hängt das noch davon ab, was die Natur so zu bieten hat und über welche Fähigkeiten und Werkzeuge (Arbeitsmittel) er verfügt.
Will der Arbeiter dagegen nicht (mehr) für die Kapitalverwertung produktiv sein, dann bleibt ihm nur, sich mit seinesgleichen zusammen zu tun und das Eigentumsverhältnis zu beseitigen, unter welchem die einen Eigentümer der gesellschaftlichen Produktionsmittel (denn die werden ja benutzt, um ausdrücklich Zeugs für den Markt zu fabrizieren) sind. Deswegen sind eben alle anderen darauf angewiesen sind, 1) ihre individuelle Arbeitskraft wie eine verkäufliche Ware zu behandeln, um 2) dafür das Geld zu bekommen, welches sie unter solchen Umständen notwendig brauchen, weil der Kram, den sie zum leben haben müssen, eben nur auf dem Markt zu haben ist.
Genau das ist auch dein Problem, es verhält sich nämlich genau andersrum. Weil die Kapitalisten als gesellschaftliche Klasse die Macht besitzen, ist es ihr Staat, der das Privateigentum schützt, und zwar mit Gewalt. Und es ist auch ihr Klassenstaat, der, unter welchem Label auch immer, die Bedingungen schafft, unter denen die Kapitalisten möglichst profitabel produzieren können. Diese gegen sie als Klasse gerichtete Gewalt müssen die Arbeiter erstmal brechen, und zwar bevor sie daran gehen (könnten/müssten/sollten), wie Produktion und Verteilung des ganzen materiellen wie imateriellen Krempels vernünftiger zu organisieren wäre.
Mit Sicherheit kannst du das im Kommunismus ebensowenig. Entscheidet da bspw. das allgemeine Palaver-Plenum (ganz egal ob durch Mehrheitbeschluss oder durch Befragen eines Orakels), dass aus x Quanten Material y Wohnhäuser gebaut werden, dann kannst du als meinetwegen beauftragter Architekt auch nicht sagen, du willst mit deiner Arbeit lieber Brücken oder Gebetshäuser entwerfen.
Wenn schon gesellschaftliche Arbeit, also ausdrücklich nicht für den Eigenbedarf, weder mittelbar noch unmittelbar, dann ist die entscheidende Frage eben nicht, ob der bestimmt, der die Arbeit macht, sondern welchem Zweck die Arbeit dient, d.h. welcher Bedarf damit mittelbar wie unmittelbar befriedigt wird. Das aber steht immer fest, bevor mit der Arbeit überhaupt angefangen wird. Eben um das zu klären, also bspw. die Unterscheidung zu treffen zwischen Wohnhäusern, damit Leute ein mehr oder weniger passables Dach überm Kopf haben oder Villen für Leute, die viel Geld dafür ausgeben sollen, bedarfs der politischen Macht und eben nicht des guten Beispiels o.s.ä.
@Wat.:
Da deine beiden Fragen sehr kurz und abstrakt waren, habe ich bei meiner Antwort Verhältnisse des Kapitalismus und den Übergang Kapitalismus zum Sozialismus unterstellt, und dein Anliegen insofern verfehlt. Jetzt wird mir (etwas) klarer, worauf sich dein Begriff von Emanzipation bezieht.
Um nicht wieder knapp daneben zu liegen, daher erst mal eine Rückfrage: was hättest du denn (damals) gerne anders entschieden? Also z.B., warst du mit deinem Beruf an sich unzufrieden, oder war die Arbeitssituation im Detail mies oder hättest du gerne eigene Ideen im Betrieb mit eingebracht oder wie würdest du deine Anliegen, die nicht zum Zuge kamen, konkretisieren?
@Mattis
DAMALS hätte ich gar nichts wesentliches anders entschieden, nicht mal mit Möglichkeit und ‚Genehmigung‘.
Ich war so etwas wie 150 prozentiger Genosse, der wußte, daß das schon alles so seine Richtigkeit hat, weil wir ja erst den Sozialismus richtig aufbauen müssen. Mir war selbstverständlich klar, daß es an mir lag, wenn ich was (noch) nicht verstand und daß ich deshalb unbedingt mehr Wissen haben muß und richtig mit anpacken muß.
Da ich diese Ein- und Ansicht hatte, war ich genauso selbstverständlich mindestens ‚moralisch‘ in der überlegenen Position.
Ich nehme an, daß ich aufgrund dieser Haltung sehr sehr schnell hauptamtlicher Funktionär wurde… da ging ich dann genauso heran, anderen den höheren Sinn zu erklären, so etwas wie Vorbild sein zu wollen, trotzdem überall mit anzupacken.
Jo, es gab schon mal den einen oder anderen Verfahrensweisenkritikpunkt von mir, aber der lag natürlich (für mich) nicht in der ‚Sache selbst‘, sondern an den Menschen, die da nur nicht richtig verfuhren und verstanden – das wollte ich besser machen.
Also, im Prinzip hätte ich Dir damals das gleiche erzählt, wie mir heute gerade eben @Samson.
Dumm nur, daß Millionen Menschen in allen Ländern, die so in etwa aufgestellt waren, genauso nicht leben wollten.
Ich, nein, wir können keine Welt gegen die vielen anderen Menschen besser machen wollen – wir können es nur mit ihnen.
Und es steht uns gut zu Gesicht, hätten wir nicht immer die bessere Lösung. Denn das wir das nicht immer haben, haben wir eindeutig mit unserem Handeln bewiesen.
Und dieses Vertrauen, das wir (wieder?) in uns bräuchten, erreichen wir mE auf keinen Fall nur mit Argumenten und mit Vorschlägen – womit wir dann wieder beim Ausgangspunkt wären…^^
Um noch einmal kurz von dem „Damals_Denken“ weg zu kommen – das ist ja über zwanzig, teils über dreißig Jahre her und ich habe einen für mich schmerzlichen Prozeß durchgemacht seit der Zeit.
Ich hab am 3. Oktober 1990 noch die Tränen aus meinen Augen gewischt, auch schon am 01.Juli 1990, wie sie sich so einfach ihre Hoheit und ihr Eigentum nehmen lassen können…
Nee, es war nicht ihrs, woran sollten sie merken, daß das ihrs war? Sie konnten weder entscheiden was sie mit diesem Eigentum machen, ob überhaupt was und wozu schon gar nicht.
Erzählt hatten wir ihnen immer: Das ist eures. Na Super, über seins (sein gemeinsames) kann man gemeinsam verfügen, da darf und muß man entscheiden, was damit hergestellt wird und das entscheidet man gemeinhin danach, was man konsumieren möchte und welche Möglichkeiten dazu da sind.
(„man“ meint hier „Menschen, denen das gehört“)
Vielleicht hätten sie in vielen Punkten genauso entschieden wie die Zentrale, wenn sie es gekonnt hätten, wer weiß das schon – aber sie konnten und durften das nicht entscheiden, ihnen wurde insofern vorgeschrieben, daß das nur so geht.
Die eigene Einsicht trägt so einen Prozeß aber ganz anders, als hab ich dafür einen Buhmann…
Denn, daß Bedürfnisse nicht in dem Moment des Auftretens realisierbar sind, scheint mir eine Binse.
Nichtsdestotrotz kann jeder immer nur für sich selbst entscheiden, ob ihm etwas jetzt ganz besonders wichtig ist, es aber wenigstens demnächst ‚gemacht‘ werden möchte, obs das doch nicht unbedingt braucht oder eben, daß bei allen Wünschen und Träumen es ‚einfach‘ nicht hinzukriegen ist.
@Samson
Ich hab schon angemerkt, daß das was Du schriebst, das ist, was ich selbst so zu meinen wußte. Dein erster Teil ist die Einführung zum Parteilehrjahr 19xx und der zweite dessen Inhalt.
Aber was Kommunismus ist, da scheinen wir doch grundsätzlich anderer Meinung zu sein. Für mich ist das die „freie Assoziation der Produzenten“ und Architekt als Beruf gäbs da bestimmt nicht mehr, als Berufung aber sicherlich.
Edit: Sorry, hier hatte ich mich verlesen, Du schriebst nichts von Beruf, sondern von Beauftragung. Das hat mir leider den Beruf ‚eingegeben’… ‚tschuldigung.
Daß die arbeitenden Menschen den Zweck ihrer Arbeit (gemeinsam) bestimmen, kann nicht sein? Doch, nur das kann sein, wenn sie selbst die Verhältnisse bestimm(t)en in denen sie leben (wollen) und sich dazu als freie Produzenten in einer Assoziation zusammen finden.
Das scheint generell bischen dein Problem zu sein, zu lesen resp. zu interpretieren, was du lesen resp. interpretieren willst und halt weniger zu verstehen i.d.S. von begreifen, was wirklich da steht.
Dass bspw. irgendwas schon im Parteilehrjahr vorgetragen wurde, besagt inhaltlich überhaupt nix, schon gar nicht ob es richtig oder falsch ist.
Woraus meinst du denn interpretieren zu müssen, ich hätte etwas in der Art von „Daß die arbeitenden Menschen den Zweck ihrer Arbeit (gemeinsam) bestimmen, kann nicht sein?“ hingeschrieben. Du selber bist doch auf dem Trip zu sagen „ich konnte nullgarnix entscheiden, was mit meiner Arbeit passiert, ich konnte nicht mal wirklich so ganz entscheiden, was ich wozu arbeite“. Und wenn dir jemand versucht klarzumachen, dass der Zweck jeder Arbeit vor ihrem Beginn schon feststeht, und zwar ganz unabhängig von der Gesellschaft, in welcher sie stattfindet, dann kramst du in unangenehmen Erinnerungen, gibst die beleidigte Leberwurst und wirfst mit Sprüchen aus dem Lehrbuch um dich.
Was um alles in der Welt soll denn deine „freie Assoziation der Produzenten“ anderes sein als ein Zusammenschluss von Leuten, die weil sie gemeinsam über die Produktionsmittel verfügen, ebenso gemeinsam beschließen, was sie damit anfangen (und sich anschließend an ihre selbst gefassten Beschlüsse halten). Die zwingende Voraussetzung dafür ist halt, dass sie tatsächlich die Produktionsmittel unter ihrer Kontrolle haben. Die Kontrolle ist aber nicht zu bekommen, indem paar Obergescheite mit gutem Beispiel voranschreiten o.s.ä. und hoffen, die Unentschlossenen würden irgendwann hinterherlatschen. Also wird schon eine Revolution oder ein Generalstreik notwendig sein, um die politischen Bedingungen für deine „freie Assoziation der Produzenten“ hinzubekommen. Folglich müssen sich die Arbeiter samt allen anderen, die in den Gründen weitgehend übereinstimmen, das Kapital loswerden zu wollen, organisieren, und zwar politisch. Und wenn das nicht gelingt, dann wird es kein nächstes Mal geben, darauf kannst du soviel Gift fressen wie du willst.
@Wat.:
Wieso eigentlich gut zu Gesicht? Mit so einer „nicht immer die bessere Lösung“ hast du doch lange genug ausreichend Bekanntschaft gemacht – im Realsozialismus. Meinst du wirklich, man kann keine bessere Lösung finden? Ich finde jedenfalls die Debatten darüber wichtig, es fehlen noch wichtige Puzzleteile. Gerade die Erfahrungen mit dem Realsozialismus können wertvolle Hinweise geben. Aber nur, wenn sie konkret genug sind. Und da hab ich mit dir immer noch Schwierigkeiten, zu verstehen, was dich jetzt wirklich gestört hat. Welche Art von Entscheidungen du gerne mitentschieden hättest und in welche Richtung. Sonst ist mir das zu allgemein, und da hat dann Samson nicht unrecht, wenn er sagt, nicht jeder kann alles mitentscheiden, und manche Arbeit ist vielleicht nicht prickelnd, muss aber gemacht werden.
An der Stelle könnte man jetzt aber über Modelle der Arbeitsverteilung sprechen, z.B. dass jeder in seinem Leben auch mal ein paar Jahre einen nicht so spannenden Job machen muss, dafür aber eben nicht lebenslang. Oder sonstige Vorschläge. Das könnte jedenfalls eine konstruktive Diskussion geben.
In einer Gesellschaft mit Millionen von Menschen kann nicht jeder über alles mitentscheiden. Wie sollte das gehen? Nenne mir ein praktikables Modell, dann können wir darüber reden. Millionen Menschen können keine Vollversammlung abhalten, noch nicht mal per Internet. Da muss halt delegiert und abgestimmt werden, in irgendeiner Form überall da, wo es zu strittigen Fragen kommt.
Außerdem gebe ich zu bedenken: je kleiner die Einheiten sind, desto weniger Reichweite hat dann ja auch eine Entscheidung in solchen kleinen Einheiten. Was mich betrifft, will ich auch gar nicht alles mitentscheiden. Ehrlich nicht. Wenn die große Richtung stimmt, wozu soll ich dann ständig meinen Senf dazu geben. Ich will allerdings merken, wenn es anfängt, wieder schief zu laufen im Großen, das schon.
@Samson: Ich war nicht beleidigt, aber jetzt bin ichs.
Wenn Du schreibst, daß auch im Kommunismus (gesellschaftlich) nicht für den Eigenbedarf produziert wird, aber andererseits schreibst, daß die freie Assoziation von Produzenten aber genau dazu gibt – dann kann es natürlich nur an mir liegen, wenn ich das nicht richtig kapiere, klar.
Interpretieren, daß machen wir wenn schon, dann beide – ich hatte nirgends was mit gutem Beispiel vorangehen geschrieben. Ich wollte ausdrücken, daß sich hier Genossenschaften, die existieren und mit den Marktbedingungen nur schwer oder gar nicht mehr klar kommen, versuchen könnten freiwillig zu kooperieren, um sich gegenseitig mit den Produkten zu ‚beliefern‘, die sie selbst tatsächlich brauchen. Ich hätte das gern als Vorschlag verstanden gewußt, wie Menschen hier schon gucken, wie sie mit ihren (hiesigen) Möglichkeiten, wenigstens einen Teil ihrer Bedürfnisse (gemeinsam) befriedigen können… und dabei auch ‚lernen‘
Ich bin aber zu doof mich richtig auszudrücken, nein, ich bin sogar zu doof zu kapieren, um was es geht – alles klar – danke für das Gespräch.
Noch was Wat.:
Es gibt kein dämlicheres, weil noch heulsusenmäßiges Argument von ehemaligen hauptamtlichen Funktionären als ausgerechnet …
… ins Feld zu führen, weswegen die ganz großen Chefs den Laden entweder selber als Kapitalisten übernahmen (SU, China etc.) oder per ‚Treuhand‘ an andere Kapitalisten verscherbelten. Erst zu behaupten, als ‚Avantgarde‘ o.s.ä. zu agieren ohne wirklich begreifen zu wollen, was sie da veranstalten, d.h. wie sie „in etwa aufgestellt waren“, aber konsummäßig den Kapitalisten hinterherhecheln und dann, wenn die derart gelenkten Leute das auch ohne ‚Avantgarde‘ machen, zu sagen, sie hätten nicht so leben wollen wie die Funktionäre es für moralisch richtig gehalten hätten, also müssten sie selber entscheiden … das trieft 1) vor Armseligkeit und taugt 2) als Argument überhaupt nix, weil noch nirgends ein Arbeiter gefragt wurde, ob er sich ein Arbeiterdasein raussuchen wollen täte. Andernfalls könnte man sich den ganzen Kram mit der Befreiung der Lohnarbeiter aus den Zwängen der Kapitalverwertung auch sparen.
@Mattis
Darf ich es aber so ausdrücken, daß ‚man‘ wenigstens mitentscheiden können soll(te), unabhängig davon, ob ‚man‘ das auch in jedem Einzelfall möchte?
Ja, ich denke auch, daß in einer Gesellschaft von Millionen Menschen aus dem Ganzen heraus nicht alles von jedem entschieden werden kann.
Aber ich denke doch, auch wenn es erstmal die Reichweite einschränkt, dieses aber in vielen kleine(re)n Einheiten möglich wäre – Kommunen.
Da bin ich dann aber wieder an dem Punkt, daß das dann genauso ein freiwilliger Kooperationszusammenschluß werden müßte, wie ich das bei den Genossenschaften vorschlug.
Dieses ‚freiwillig‘ und ’selbst‘ und ‚hier schon entgegen allen Widerstände versuchen‘ bezeichne ich als Emanzipation(sbewegung)
Ich habe eindeutig noch nicht die Worte gefunden, in denen ich mich verständlich machen kann.
Darum sag ich jetzt vielleicht nur noch: Was in Paris vor 150 Jahren ging, müßte doch heute noch besser gehen, bei einigem brauchen ich doch gar keine Vertretung mehr, bei anderem wird sie sich nicht vermeiden lassen, dann gehts tatsächlich um so was wie imperative Mandate etc. Und viele Kommunalverfassungen ergäben auch eine Gesellschaft von vielen Millionen.
Für mich ist Sozialismus/Kommunismus eben, daß Menschen gemeinsam bestimmen (können), wie sie leben und dazu eben das arbeiten, was sie meinen, was sie dazu brauchen.
Und ich denke erst die politische Macht haben, um dann umzusetzen, was wir uns vorher so ‚gedacht‘ haben, weil wir meinen, wir können es es dann richtig, was wohl auch so ist, funktioniert nicht, weil Menschen mE keinen Schalter von Konkurrenz zu Kooperation umlegen können.
Ich hab mir eben daraufhin den Weg anders ‚aufgemalt‘: Sie fangen hier schon an, wo irgendmöglich und sollten es nur kleinste Versatzstücke sein, gemeinsam für sich etwas zu planen, zu koordinieren und zu brauchen, was sie wollen und machen können, dann ergäbe sich daraus schon die Notwendigkeit zur politischen Machtübernahme, weil sie nicht nur wissen, daß sie das Kapital loswerden müssen, sondern auch schon wie sie ihm weiter standhalten können.
Ich würds eben mindestens gleichzeitig versuchen wollen anzupacken, die Menschen für den ‚Machtwechsel‘ gewinnen und hier schon klein(st)e Alternativen leben.
C’est la vie. Mein Vorschlag durchgefallen, soll ja vorkommen…
@Samson, es mag für Dich kein Argument sein, für mich war es eines – wenn ich eine ‚bessere Welt‘ will und das nicht so hinkriege, daß das andere auch als bessere Welt sehen, dann hab ich persönlich Mist gebaut.
… den ich so nicht wieder bauen möchte, aber die Welt will ich trotzdem besser haben.
Nach wie vor ist für mich dieses unbedingte mit-entscheiden und selbst-entscheiden zu abstrakt, wenn weder ein Worüber noch ein Wie noch ein Wozu benannt werden.
Ich will mal das Pferd von der anderen Seite aufziehen. Ich erwarte von einer (sozialistischen) Gesellschaft, dass vernünftige Regelungen getroffen werden, die dann auch verbindlich sind. Deshalb bin ich ein Fan von zentralen Institutionen und fühle mich mit dem Begriff der „Assoziation freier Produzenten“ im Unklaren gelassen. Worin besteht da die Assoziation, worin besteht die Freiheit?
Sprechen wir über ein Szenario aus dem Alltag des Sozialismus. Wenn es dort zwei große Betriebe für dieselbe Produktart gibt und nur noch einer benötigt wird, weil z.B. die Rationalisierung große Fortschritte gemacht hat, dann kann es sinnvoll sein, eine der beiden Produktionen komplett stillzulegen. Welcher der beiden Standorte stillzulegen ist, kann z.B. aufgrund der kürzeren Entfernung zu den Rohstoffen begründbar sein oder aufgrund sonstiger rationeller Kriterien.
Es mag aber möglicherweise sein, dass die Arbeiter in jedem der beiden Werke am liebsten sähen, wenn das jeweils andere Werk die Produktion aufgäbe. Das Interesse findet ja bekanntlich immer Argumente, warum gerade es berechtigt ist und die andere Seite uneinsichtig ist. Bleiben wir beim Beispiel: Sollen die Arbeiter das selbst entscheiden dürfen? Was wären die Konsequenzen?
@Wat.
Schwammiger gehts wirklich nicht, fragt sich wovon du nach eigenen Angaben zu 150% überzeugt warst. Viel kann das nicht gewesen sein, wenn du 1) behauptest, selber nicht gewusst zu haben, was du wozu arbeitest (außer dass du Lohn dafür bekommen hast) und 2) jetzt meinst, eine ‚bessere Welt‘ sei wegen deinem persönlichen Mist nicht zustande gekommen o.s.ä.
Ich halte dagegen solche Erklärungen für wesentlich stichhaltiger. Da nimmt nämlich einer eine Bestimmung her, die vor 50 Jahren gemacht wurde, und klopft die darauf ab, ob daran heute immer noch was dran ist. Das könnte man bspw. als Grundlage nehmen, um darüber zu diskutieren, wer wann wie ‚aufgestellt‘ war. Und dann ließe sich ggf. auch über ökonomische Zwänge reden, die es so oder anders gibt, wenn man in einer Welt, die man für schlecht hält, gegen den erklärten Willen derer, denen es darin sauwohl geht, eine andere Welt aufbauen will. Allerdings, wenn man sowas macht, ist jeglicher weinerliche Selbstbezichtigungsschrubel fehl am Platze, Tränen verschleiern bekanntlich den Blick …
@Mattis
1) würde in dem Fall wahrscheinlich die notwendige Arbeitszeit in beiden Betrieben gesenkt, mit der Folge dass die Arbeiter mehr freie Zeit hätten und 2) würde wohl kein Betrieb wegen Rationalisierung einer spezifischen Produktionsart dichtgemacht. Produktionsmittel werden immer gebraucht, folglich würden die halt für was anderes verwendet.
Samson, ausgerechnet Walter Ulbricht auf dem Höhepunkt seines Weltverständnis a la Josef Stalin soll uns heute noch was nahebringen?? Das könnte man zwar schon „als Grundlage nehmen, um darüber zu diskutieren, wer wann wie ‚aufgestellt‘ war“. Aber die Sowjetunion, die DDR und die damals ja schon ehemaligen Komintern-Parteien kämen da wohl nur noch bei ganz wenigen Hartgesottenen wie Kurt Gossweiler immer noch gut weg.
@Mattis
Sie sind sogar die einzigen, die das entscheiden können, so diese Zentrale nicht eine Klasse (über ihnen) ist 😉
Sie sind die einzigen, die das entscheiden können, sie sind ja auch die, die Konsequenzen daraus zu tragen haben.
Vielleicht verwirrt Dich bzw. läßt Dich hier etwas hilflos zurück, weil ich bisher immer (nur) von sich selbst koodinierenden Genossenschaften sprach.
Ich hatte aber schon angedeutet, daß ich einen Weg über viele selbständige Kommunen, sich verbindend, wie die Genossenschaften, sehe.
Genossenschaften war der Ansatz um überhaupt eine Vorstellung der Freiwilligkeit der gemeinsamen Planung zu geben, für die Möglichkeiten, die diese hier schon so haben. Eine möglichen Weg auch im Kapitalismus schon etwas ‚marktfrei‘ leben zu können, ohne dabei nur reine Subsistenz von Nahrungsmitteln mit einer einzelnen Genossenschaft betreiben zu müssen.
Wenn ich selbst entscheiden will, kann ich das immer nur, wo ich auch anwesend sein kann – das ist in der Kommune, in der ich lebe.
Genossenschaften sind ja nun standortmäßig in jeden Fall auch in einer Kommune.
In den Kommunen selbst wird jeweils geplant und gearbeitet, was sie haben wollen und mit ihren Mitteln und Möglichkeiten dazu produzieren können, die Genossenschaften geben darüberhinaus aus der Produktion weiter, die sie machen wollen und können.
Klingt Dir nach Chaos – Selbständigkeit und Emanzipieren will halt gelernt sein.
Und irgendwann müssen wir das lernen, wenn wir (gemeinsam) frei sein wollen.
Außerdem haste so mE nicht wieder eine Klasse resp. (Planungs-)Bürokratie, die sich verselbständigen kann/muß/wird.
Wenn ich Marx im Bürgerkrieg in Frankreich richtig verstanden habe, ist genau das die Diktatur des Proletariats.
So würde das mE auch ein sich selbsttragender Prozeß werden können, sinngemäß:
Die in vielen Kommunen lebenden Menschen ‚ersetzen‘ durch ihr bewußtes Handeln den Markt.
Völlig neue Reproduktionsbedingung.
Der Markt wird nicht durch wenige Handelnde (Produktions- und Konsumtionsplaner resp. Bedürfnisausgleicher), er wird durch die Gesamtheit der handelnden Menschen ‚ersetzt‘.
Und die ersten Schritte dazu ‚einüben‘, können und müssen wir mE schon hier, indem wir versuchen so viel wie nur irgendmöglich Entscheidungen wieder auf die kommunale Ebene zu bekommen und sich dort (neu gründende oder aus Betriebsbesetzungen hervorgegangene) Genossenschaften freiwillig und selbständig für ihr(e) Leben (ich sag hier mal nicht Interessen, ihr(e) Leben sinds mE in jedem Fall) engagieren – planen, produzieren und konsumieren.
Kommunalisierungsforderungen gibts ja derzeit schon von einigen Bewegten, auch wenn sie vielleicht so rein gar nichts mit Sozialismus oder gar Kommunismus am Hut zu haben meinen, sie machen es, aus einem ihnen wichtigen ‚Grund‘ und hier könnten wir uns mit ihnen ‚treffen‘.
Die sich in diesem Prozeßn evtl. bildenden Räte sind da mE schon so was wie automatisch basisorientiert und basiskontrolliert. Die gäbe es dann doch bestimmt eh nur, wo sich eine Vertretung nicht vermeiden läßt.
Da sind noch Lücken, weils auch in der Kommune nebenan noch nicht das gibt, was sie zu brauchen meinen, darum funktioniert das nicht?
Das ist kein (Emanzipations-)Prozeß der in einem Tag oder einer Woche getan ist, aber so können wir mE auch mal irgendwann in der Assoziation der freien Produzenten ankommen.
… was aus meiner Sicht mit einer Zentrale, auch wenn diese mit imperativen Mandaten ausgestattet wäre, diese aber nicht auf die selbstverfaßten Kommunen ‚aufsetzt‘ nicht ohne nochmalige ‚Revolution‘ möglich wäre.
Ich schrieb schon:
So wie sich die Menschen in den Kommunen verbinden, könnten sich dann (später) wenn sie dazu ‚bereit‘ sind, die Kommunen selbst verbinden.
Und sage jetzt weiter:
Staat kann dadurch aus vielen Bereichen heraus gedrängt werden und falls das gelingt, ist dessen Reste ‚kapern‘ bestimmt auch ‚leichter‘.
Das neue finge dann ‚gleich‘ mit einem viel, dann wirklich sinnvoll, ’schlankeren‘ Staat an, der auch tatsächlich mal irgendwann absterben darf(!).
So stelle ich mir nach meinen Erfahrungen mit dem Realen den Weg zum Sozialismus und in dessen Konsequenz den tatsächlichen Sozialismus vor.
Menschen müssen mE ‚erwachsen‘ werden, ich denke, wenn wir immer die vorsorglich helfende Hand verspüren, können wir das nicht.
So ungefähr die Reaktion hatte ich von dir erwartet, Neo. Selbst unter Leuten, die sich warum auch immer für links halten, wird halt im Zweifelsfall der Überbringer der schlechten Nachricht selber zum Übeltäter erklärt. Auf den Inhalt kommt es da schon gar nicht mehr an.
Es ginge bspw. auch noch eine Spur drastischer: der heute unter Leuten, die irgendwie noch was mit Kommunismus am Hut haben, mit guten Gründen beinahe schon zur persona non grata deklarierte Elsässer hat zu Zeiten, als er quasi noch dazu gehörte, dem PDS-Gehrke mal ziemlich die Leviten gelesen. Der hatte nämlich getönt, die Friedensbewegung könne sich immerhin als Verdienst anrechnen, in den 1980ern den 3. Weltkrieg verhindert zu haben, woraufhin er vom Elsässer zu hören bekam, dass sei ziemlicher Unsinn, denn wenn wer den 3. Weltkrieg verhindert habe, dann der Warschauer Pakt und zwar nicht mit Lichterketten und Gebeten sondern mit Waffen. War das nun falsch, weil es der Elsässer gesagt hat? Und ist bspw. die Bestimmung der Ursachen imperialistischer Kriege schon deswegen falsch, weil sie von Stalin kommt?
Btw, eine Erklärung, Wie die KPdSU den Sozialismus in der Sowjetunion zerstörte findet sich da übrigens auch. Die wird dir aber schon deswegen nicht gefallen, weil sie zeitlich nach Stalin ansetzt.
@Wat.:
Die Stilllegung einer Produktlinie bedeutet im Sozialismus ja nicht Verlust von Arbeit und Einkommen, sondern vernünftigerweise Umschichtungen, so dass man dann eben woanders mitarbeitet oder im selben Betrieb etwas anderes produziert, was ebenfalls benötigt wird und bisher nicht mehr in den Plan gepasst hatte. Natürlich setzt das eine übergeordnete Planung und Entscheidungskompetenz voraus.
Arbeiter, die dagegen an ihrem bisherigen Arbeitsprozess festhalten wollten, würden ihren Betrieb quasi als Eigentum betrachten. Das aber wäre ein Widerspruch zur vergesellschafteten Produktion. Die konsequente Aufhebung von Kapitalverwertung und Warenwirtschaft ist mit einer Eigentümerschaft der Arbeiter an ihrem Betrieb nicht vereinbar.
Danke erstmal für die Belehrung, dass zentrales Wirtschaften ein Ausdruck von Unselbstständigkeit und fehlender Emanzipation ist.
Ich finde immer noch nichts positiv an dem Konzept, dass jede kleine Region ihre eigene Herstellung von Kühlschränken, Solaranlagen, Eisenbahnwaggons, Computern und Software organisieren soll.
Das ist doch extrem unrationell und bedeutet unter anderem, dass alle sehr viel mehr arbeiten müssen, als es eigentlich notwendig wäre, da nämlich alle möglichen Produktionsverfahren zig-fach realisiert werden müssten.
Meinetwegen können Leute sich zusammentun und so ein Experiment freiwillig machen – aber ich selbst möchte lieber dort leben, wo effizient gearbeitet wird, damit ich mehr freie Zeit für meine sonstigen Interessen habe.
In kleinen Einheiten ist die Entscheidungsfreiheit für den Einzelnen übrigens auch nicht besonders ausgeprägt. Auch auf kommunaler Ebene gibt es fest eingespielte Prozesse, und da heißt es meistens auch nur mitarbeiten, nicht ständig neu entscheiden. Und das Angebot an unterschiedlichen Tätigkeiten zur freien Auswahl ist sogar meistens schmäler als in größeren Einheiten.
Davon abgesehen kann man auch in kleinen Einheiten ganz schnell Probleme mit bürokratischen Hemmnissen und uneinsichtigen Mini-Herrschern bekommen. Kleine Einheiten sind auch keine Vorkehrung gegen eine neue herrschende Klasse – entscheidend ist doch immer, was die Leute im Kopf haben und welcher Politik sie ihre Zustimmung geben.
@Samson:
Mir ging es in diesem Fall allerdings nicht darum, welcher rationelle Umgang naheliegend wäre, sondern um die Frage – speziell an Wat. gerichtet – ,ob die Arbeiter eines Betriebes das selbst entscheiden dürfen.
Trotzdem kurz zu deinen Antworten: Variante 2 ist ok; Variante 1 ist m.E. gut gemeint, möchte ich aber so nicht stehen lassen. Es gibt technologische Produktionszweige, in denen die Produktivität laufend weiter gesteigert werden kann, und andere, z.B. die Landwirtschaft, in der es dafür nicht so viel Spielraum gibt. Das liegt aber nicht daran, dass in der einen Sphäre härter gearbeitet würde als in der anderen.
Daher wäre es unangemessen, die Arbeitszeit nur für die Betriebe zu reduzieren, in denen die Produktivität zunimmt. Freiwerdende Arbeitszeit sollte allen gleichermaßen zugute kommen. Die hohe Kunst der Planer im Sozialismus besteht unter anderem darin, die gleichmäßige Verteilung solcher Effekte zu organisieren.
Was natürlich in der von Wat. beschriebenen dezentralen Wirtschaft unmöglich wäre.
@Mattis
Ich fände auch nichts positives an einem Konzept, daß jede kleine Region ihre „eigene Herstellung von Kühlschränken, …, Soloaranlagen haben soll“.
Ich find nicht mal ein Konzept positiv, wo irgendwer was ganz bestimmtes soll.
Emanzipation ist ja gerade, daß Menschen gemeinsam bestimmen, was sie möchten und dazu (gemeinsam) machen können – das ganze „sollen müssen“ ist da heraus.
Wenn Du Sozialismus (weiter!) als eine Klassengesellschaft siehst, in der eine Minderheit über die (arbeitende) Mehrheit herrscht, dann braucht das selbstverständlich „eine übergeordnete Planung und Entscheidungskompetenz“.
Deinen Glauben in die gute Herrschaft einer Minderheit ist beachtlich
Warum reicht Dir dann eigentlich nicht eine s.g. „Soziale Marktwirtschaft“…^^
Wenn Du denkst, Du hättest durch der Minderheit Entscheidung in Deinem ‚Sozialismus‘ mehr Freitzeit, weil dann effizient gearbeitet wird, dann denk das ruhig, ist ja Deine Sache.
Mehr Freizeit zu haben widerspricht aber Deiner eigenen Ausführung, weil Du ja dann woanders eingesetzt würdest, weil irgendwer ‚Schlaues‘ meint, das wäre notwendig – Dich fragt da niemand und Du hast da auch nicht gegenzusprechen. Wie sagte @Samson: „Produktionsmittel brauchts immer“ und die „müssen dann auch bedient/benutzt werden“, sage ich.
Vielleicht könnte es zu Problemen „mit bürokratischen Hemmnissen und uneinsichtigen Miniherrschern“ kommen. Ausschließen kann ich gar nichts.
Gibst Du aber die Deine Entscheidung(-smöglichkeit) von vornherein ab, und das tust Du, wenn Dir eine übergeordnete Planung und Entscheidungskompetenz jetzt schon unumgänglich zu sein scheint, ist dieses ‚gesetzlich‘ gegeben… und nicht nur in der Mini-Ausgabe.
So möchte ich nicht (mehr) leben, darum und nur darum will ich aus dem Kapitalismus heraus.
Btw. Und etwas mit einer Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit, ‚verkauft‘ mir bitte niemals wieder einer als Sozialismus!
@Mattis
Freilich, es gibt/gäbe vermutlich sehr wenige Bereiche (in der unmittelbaren Produktion wohl überhaupt keine), die so spezifisch sind, dass die darin tätigen Leute nicht auch irgendwas anderes machen könnten/würden. Berufe i.d.S., wie sie die bürgerliche Produktionsweise kennt, würde es dann so nicht mehr geben. Aber nicht, weil es keine spezialisierte Produktion mehr gäbe, sondern weil die Notwendigkeit des Gelderwerbs wegfiele, denn die Mittel individueller Konsumtion zu produzieren, wäre der Inhalt gesellschaftlicher Planung.
I.d.S. ist auch 1) zu verstehen, ob die Arbeiter tatsächlich nach Hause gehen oder sich mit anderer Produktion beschäftigen, ist gar nicht ausgemacht. Die Entscheidung darüber würden die Arbeiter schon treffen, allerdings nur in gesellschaftlichem Kontext. Wie schon gesagt, Arbeit, ob nun produktive oder planerische oder ‚Funktionärs‘-Arbeit, wäre keine, deren Zweck darin bestünde, die Tauschmittel für den Erwerb individueller Konsumgüter zu beschaffen (deswegen wäre auch der Konflikt zwischen Auto- und/oder bspw. Eisenbahn-Befürwortern undenkbar; wenn das meinetwegen Delegierten-Plenum nach eingehender Beratung in allen Regional- resp. Kommunal-Palaver-Sitzung beschließt, es werden keine Produktionsmittel für Sprit bereitgestellt und die Straßen werden in Wanderwege umgewandelt (Krankentransporte erfolgen per Heli), dann sind die vormaligen Auto-Fans an dem Beschluss beteiligt).
Mir ging es in dem Fall aber um dein Sozialismus-Szenario, dass „es dort zwei große Betriebe für dieselbe Produktart gibt und nur noch einer benötigt wird, weil z.B. die Rationalisierung große Fortschritte gemacht hat“. Strenggenommen ist dein Szenario selber noch bürgerlicher Denke geschuldet, denn die Frage, ob Produktionsmittel benötigt werden, wäre ebenso Teil der Planung wie die nach der Rationalisierung. Dass jemals ein (gesellschaftliches) Level erreicht wird, wo Produktionsmittel tatsächlich i.d.S. nicht benötigt werden, obwohl sie auf Grund gesellschaftlicher Planung da sind, halte ich kaum für möglich. Denn dann wären sie da nicht wegen des Fortschritts der Rationalisierung sondern weil die Gesellschaft schlicht die falschen Pläne gemacht hätte.
@Wat.:
Dass die Leute an übergeordnete Ebenen delegieren, die Ökonomie zu planen, ist bei dir schon Klassenherrschaft. Klar, wenn du das nur so denken kannst, dass „die da oben“ eigenständig ohne Auftrag von unten und ohne Rechenschaftspflicht etc. schalten und walten können, und du offenbar wie selbstverständlich von einem devoten unkritischen Untertanenvolk ausgehst.
Umgekehrt überzeugt mich dein Lob der kleinen Einheiten immer noch nicht: dein freies Entscheiden in einer kleinen Kommune sehe ich als Fiktion; da wird dann wohl nur pure Subsistenzwirtschaft gemacht, ok, dann kannst du vielleicht entscheiden, ob mehr Karotten oder mehr Bohnen gepflanzt werden, großartig. Soviel Entscheidungshoheit hat bereits im Kapitalismus jeder Schrebergärtner und Selbstversorger.
Also gut: regionale Kühlschrankproduktion nur bei absolut einstimmigem gemeinschaftlichen Beschluss. Wenn keine Kommune Bock hat, welche zu produzieren, gibt’s halt keine. Ich hatte dir übrigens kein „Sollen“ aufgenötigt, sondern dir nur ganz einfach die logische Konsequenz aus deiner Ablehnung zentraler Produktion genannt!
Im übrigen läuft dein Konzept lokaler Einheiten natürlich auf Warenbeziehungen zu anderen autonomen Einheiten hinaus, was denn sonst. Das ist also keine Ablösung des Kapitalismus, nicht die Bohne.
Fazit: Wenn du wirklich ausschließen willst, dass irgendjemand etwas entscheidet, was auch dich mit betrifft und dir vielleicht nicht 100% gefällt, dann bleibt dir nur die Robinsonade.
@Samson:
Du hast den Witz meiner Frage an Wat. nicht verstanden. Das ist doch nicht „mein Sozialismus-Szenario“, dass in einem Betrieb dichtgemacht wird und dann sich die Frage gestellt wird, was machen wir jetzt. Aber entschieden werden muss, egal ob schon weit im Vorfeld oder nicht, und darum ging es.
Es ging darum, dass solche Produktionsumstellungen natürlich immer wieder angesagt sind und m.E. eben nicht diejenigen darüber entscheiden können, die zufällig in so einem Betrieb arbeiten. Mein Argument war, dass der Betrieb sonst wie Eigentum behandelt würde und dies einen Widerspruch zur Vergesellschaftung darstellt. Zu diesem eigentlichen Knackpunkt hast du nur bemerkt:
Schön um den heißen Brei herum geschrieben – genauso Wischiwaschi wie bei Wat.
@Mattis
„Fazit: Wenn du wirklich ausschließen willst, dass irgendjemand etwas entscheidet, was auch dich mit betrifft und dir vielleicht nicht 100% gefällt, dann bleibt dir nur die Robinsonade.“
Irrtum.
Mir bleibt:
„Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“
K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 473.
@Mattis
So heiß ist der Brei gar nicht. Du musst dich von der (bürgerlichen) Vorstellung der Ämterteilung o.s.ä. verabschieden. Wenn tatsächlich Sozialismus ist, dann gibt es keine strikte Trennung zwischen Befehlsgebern und Befehlsempfängern. Diese gründet sich nämlich auf die (dann aufgehobene) Trennung zwischen Eigentümern und Eigentumslosen. Folglich gibt es auch nur noch eine Genossenschaft, die alle Produktionsmittel, Ressourcen etc. kontrolliert. Erst unter solchen Bedingungen macht zentrale Planung überhaupt den Sinn, dass es kein ‚Befehl von oben‘ ist, der von den ‚Befehlsempfängern‘ ggf. umgangen wird, weil die ‚ihren eigenen Brei kochen‘ wollen.
@Wat.
Die Frage ist halt, wo die proletarische Bewegung geblieben ist. Die Mehrzahl der Leute, deren Interessen du mal glaubtest, hauptamtlich vertreten zu müssen, hat offenbar kein Interesse (mehr), an den Verhältnissen was zu ändern. Die fühlen sich nämlich ganz wohl auf der tagtäglichen Schnäppchenjagd. Das halten die für eine ‚bessere Welt‘ als die, worin sie vielleicht keine Existenzangst haben mussten, dafür aber ewig auf ein Auto warten mussten. Solche Zusammenhänge sind der Mehrheit längst nicht mehr vermittelbar.
@Samson
Wo die proletarische Bewegung geblieben ist, die Mehrzahl hat offenbar kein Interesse (mehr), an den Verhältnissen etwas zu ändern?
Sorry, wie kommst Du denn darauf?
Die proletarische Bewegung singt dabei heute nur keine (alten) Lieder mehr und hat keine Fahne mit, wenn sich für ihr(e) Interesse(n) einsetzen ;~)
Menschen haben heute andere Protestformen und bedienen sich anderer Mittel. Mir scheint auch der Schwerpunkt weit weniger auf betrieblicher Ebene zu liegen, dafür viel stärker auf ihr direktes Lebensumfeld gerichtet.
Sie bewegen sich doch an vielen Ecken und Enden, vereinzelt, in Grüppchen und Gruppen und auch in Bewegungen.
Dazu kommt noch eins, sie setzen sich für ihre Interessen ein, nicht für unsere bzw. die, die wir für ihre halten.
Ich hatte dazu weiter oben schon etwas an @Mattis geschrieben.
Was bewegt sie denn zb.:
Bildung ihrer Kinder – (Aus-)Gründung nichtstaatlicher Schulen
Re-Privatisierung zb. der Wasserversorgung in Berlin
Bahnhofsneubau in Stuttgart – S21
Anti-AKW
Re-Kommunalisierung von Energiebetrieben/Stadtwerke
Gegen Privatisierungen zb. von kommunalen Krankenhäusern etc.pp.
Ja, und auch Occupy, das ist/war sogar eine weltumspannende Bewegung!
Das sind jetzt die proletarischen Interessen. Die übergroße Mehrheit der Teilnehmer sind: Lohnabhängige.
Sie müssen sich ja nicht uns ‚anpassen‘, wir uns aber ihnen.
Denn auf was auch immer sich Lohnabhängige einigen, es sind dann ihre gemeinsamen Interessen, ob diese uns, also Dir und mir nun im Detail ‚gefallen‘ mögen oder nicht – es sind ihre proletarischen Interessen.
Und wenn ich die Aufgabe von Kommunisten beim ollen Rauschebart richtig verstanden habe, ist die, sie in ihren kurzfristigen Zielen zu unterstützen, dazu zu gehören – aber innerhalb dieser Bewegung(en) um kurzfristige Ziele die Perspektive auf langfristige zu eröffenen und dazu Position zu beziehen.
Find ich auch logisch – ich kann meine Perspektive doch nur ‚eröffnen‘ wenn ich mit jemandem gemeinsam handele – mit wem red ich denn sonst darüber.
Und wenn ihre kurzfristigen Ziele eben zb. ‚was gegen Banken‘ ist, dann sollten wir dabei sein ‚was gegen Banken‘ zu machen, wenn es zu Diskussionen und Fragen dabei kommt, können wir dann ja gern für die Forderung nach dem Staatsbankrott plädieren und so argumentieren und falls Dir einer dabei zu hört, kannst Du ja auch sagen, Du wärest zb. für „Revolution jetzt“ odda so.
Wir stehen aber bitte bei der Forderung nach Verstaatlichung oder De-De-Regulierung mit auf dem Platz – mit ihnen, nicht gegen sie.
Denn ableitend aus der ‚Aufgabe‘ sind ihre Interessen unsere – Unsere müssen nicht ihre sein.
Wir haben uns mE auch ein Image bei vielen ‚erarbeitet‘, der der Erfahrung mit der heißen Herdplatte nahe kommt (siehe oben) – wir können nicht einfach davon ausgehen, daß sie uns ‚unbesehen‘ glauben, daß wir sie diesmal nicht ‚anschmieren‘.
Wir müssen mehr oder weniger wieder von vorn anfangen – von vorn ist da so ungefähr der Stand der Bewegten von 1820 odda so.^^
Nicht wir können um sie für unsere Ansätze ‚ringen‘, wir müssen erstmal wieder dafür ‚kämpfen‘, daß wir bei ihnen überhaupt einen positiven Stand haben, daß sie uns als dazugehörig akzeptieren können.
Die Wissensbombe, noch dazu als evtl. sozialen Distinktonsgewinn mißbrauchend, dürfen wir da mE auf gar keinen Fall heraus kehren wollen…
Wie gesagt, Zusammenhänge sind mE nur zu vermitteln, wenn ich im ‚Kreis‘ der Bewegten bin, von ‚außerhalb‘ ist da nix zu machen – und so hat das auch noch nie einer erfolgreich versucht.
Wir machen doch die aktuelle Analyse – die kann ich doch nicht an Zielvorstellungen ausrichten, das kann ich doch nur am tatsächlichen – daraus schließend dann eine (gemeinsame) Perspektive zu handeln versuchen.
Genau das habe ich in meinem Beitrag getan:
http://Neoprene.blogsport.de/2012/06/05/ruediger-mats-gespenst-kapitalismus-ug-broschuere/#comment-68028
und daraus die für mich hergeleiteten ’nächsten Schritte‘ abgeleitet, die ich hier schon mal als Vorschlag unterbreite…
@Wat.
Du meinst also Ideologien wird man am besten los in dem man sie praktiziert?
Nein, man muss sie kritisieren.
@rumpelstilzchen
Ich find ja: Man muß mal gleich gar nichts ;~)
… und ich sehe das eben anders. Zumal ich Ideologie nicht mit Ideologie kritisieren kann.
Abgesehen davon wird ja gerade gegen eine noch vorher vorhandene Einstellung/Erwartung protestiert, sonst würden sie ja nicht protestieren. Sie haben Interesse an anderem, als das, was ihnen das System momentan vorgibt.
Ich würde jedenfalls (auch) nicht alles sofort infrage stellen (können), bevor ich nicht versucht hätte, ob ‚hier‘ auch wirklich nichts mehr geht.
Also wenn Du ‚man‘ bist, dann tue, was Du für richtig hältst, so wie ich das tue – aber ‚man‘ muß tun, scheint mir nicht die günstige Formulierung…
@Wat.:
Mit Verlaub, ich bin selbst Lohnabhängiger. Wieso bitte soll ich jetzt mein Interesse an das anderer Bewegungen anpassen? Da müssten sich doch nach deiner Logik eher die Blockupy-Studenten, Attac-Selbstständigen und Gemeinwohl-Ökonomie-Kleinunternehmer an mich, den Lohnarbeiter, anpassen – oder?
Wo bleibt denn plötzlich dein so vehement beschworenes Credo von der unbedingten Entscheidungsfreiheit, die man sich bewahren müsse? Soll ich mich jetzt statt dem Kapitalismus irgendwelchen Bewegungen anpassen, deren illusorische Zwecke ich nicht teile, von denen ich mir außer vielen idealistischen Fantasien absolut nichts Konkretes versprechen kann?
„Proletarisch“ sind die ja ohnehin nicht, das müsste man ja am Inhalt irgendwie erkennen können. Dein Hinweis, dass da Lohnabhängige mitmachen, taugt ja nun garnix. Die machen doch überall mit, auch bei der NPD.
Und wenn du so eine unbedingte prinzipienlose Gemeinsamkeit befürwortest, muss ich mich wundern: die Gemeinsamkeit mit mir suchst du hier jedenfalls nicht. Und da entblößt sich deine Heuchelei: du stehst gar nicht auf Gemeinsamkeit, sondern hängst dich ideell an die zeitgenössischen Protest-Bewegungen, ohne genauer hinzuschauen, was die überhaupt wollen und machen. Auf die Kritikpunkte bist du ja nicht eingegangen.
Kurz gesagt: Du hast den alten Opportunismus gegenüber der staatlichen Obrigkeit nur ausgetauscht gegen die Propagierung eines Opportunismus den „Bewegungen“ gegenüber.
@Samson:
Für das Thema „wer entscheidet auf welcher Ebene“ ist es doch egal, ob das eine einzige Genossenschaft ist oder nicht. Meine Frage hast du damit nicht beantwortet, aber auch nicht kritisiert.
Du scheinst zu den Harmonie-Idealisten zu gehören, die sich mit Konflikten und den daraus notwendigen Umgangsformen nicht auseinandersetzen müssen, da es ja keine gibt. Wenn Sozialismus ist, findet jeder immer alles gut, was entschieden wird. Meinst du im Ernst, dass das so einfach ist? Das sind doch Wunschbilder.
Das Komische und Dramatische zugleich ist, dass gerade Harmonie-Idealisten am schnellsten drastische Maßnahmen billigen, wenn die Realität überraschenderweise dann doch der erwarteten Harmonie widerspricht und dann kein vernünftiger Weg gewusst und vorbereitet ist, damit umzugehen.
@Mattis: Verzeih mir bitte, daß ich fälschlich annahm, Du würdest Dich als Kommunist sehen.
Dann ist das natürlich für Dich kein (besonderes) Interesse und Du hast Dich nichts und niemandem anzupassen, Du willst ja womöglich von anderen dann auch nichts.
@Mattis
Eben nicht. Sind es mehrere, grenzen die sich, nach welchen Kriterien auch immer gegeneinander ab, folglich braucht die übergeordnete Zentrale ein Gewaltinstrument, um die Pläne umsetzen zu können. Auf die Tour wird der Staat nie obsolet sondern stets obligatorisch bleiben.
@Wat.:
„Verzeihung, daß ich fälschlich annahm, Du würdest Dich als Kommunist sehen.
Dann ist das natürlich für Dich kein (besonderes) Interesse und Du hast Dich nichts und niemandem anzupassen, Du willst ja womöglich von anderen dann auch nichts.“
Kein Grund, hier zickig zu werden. Darf ich dich daran erinnern, dass du hier schon fast penetrant auf Entscheidungsfreiheit herumgeritten hast und dass du dir von niemandem mehr etwas vorschreiben lassen wolltest und so weiter?
Im Übrigen ist es ein gewisser Unterschied, ob man in einer Planwirtschaft, deren Leitungsgremien auf dem Delegationsprinzip basieren, übergeordnete ökonomische Entscheidungen akzeptieren würde – oder sich, wie du es erwartest, einer politischen Bewegung anpassen soll, deren Illusionen man erklärtermaßen nicht teilt. Wenn du sowas für kommunistisch hältst …
@Samson:
„Du musst dich von der (bürgerlichen) Vorstellung der Ämterteilung o.s.ä. verabschieden. Wenn tatsächlich Sozialismus ist, dann gibt es keine strikte Trennung zwischen Befehlsgebern und Befehlsempfängern. Diese gründet sich nämlich auf die (dann aufgehobene) Trennung zwischen Eigentümern und Eigentumslosen.“
Du hast doch in einer großen Genossenschaft, also erst recht in einer gesellschaftsweiten Planwirtschaft, zwangsläufig eine Hierarchie von Delegationen und Entscheidungsebenen. Also gibt es natürlich da auch „Ämterteilung“ (als Form von Arbeitsteilung). Was die Delegierten entscheiden, haben die Planungsinstanzen eben zu planen und „nach unten“ in Form von Anweisungen und Mittelzuteilungen umzusetzen. Das zum einen.
Zum anderen: Ich hatte das Thema Entscheidungen bei konkurrierenden Interessen angesichts knapper Ressourcen ins Spiel gebracht. Nicht gemeint waren damit strukturelle Gegensätze wie die zwischen Eigentümern.
Projekte oder Abteilungen einer gesellschaftsweiten Planwirtschaft werden doch natürlicherweise Interessen entwickeln, die zwar nicht strukturell Konkurrenz-Interessen sind, die aber objektiv konkurrierend sind in Bezug auf die begrenzten Ressourcen. Von innovativen Projekten erwarte ich sogar, dass diese Neues planen, Ideen entwickeln, Forschung vertiefen wollen etc., wofür eben oft auch andere oder erweiterte Ressourcen als zuvor benötigt werden. Und jeder findet natürlich sein Vorhaben wichtig und umsetzungswert (was kein Vorwurf ist).
Diese Art von unfreiwilliger Konkurrenz um Ressourcen kann aber nur aus einer übergeordneten Sicht überblickt und entschieden werden. Wenn zahllose Abteilungen mehr Mittelbedarf anmelden als machbar ist, wie will man das auf der Abteilungsebene selbst regeln?
Wie soll die einzelne Abteilung denn wissen, welcher Spielraum aus gesamt-gesellschaftlicher Sicht letztlich existiert und wie wichtig das jeweils eigene Projekt im Vergleich zu anderen zu bewerten ist? Und manchmal fehlt eben auch vor lauter Eifer die Bereitschaft, die eigenen Vorhaben freiwillig zurückzustellen.
@Mattis
Was war bitte daran „zickig“. Es war meine freie Entscheidung zum Kommunismus zu wollen – anders, als mit den arbeitenden Menschen gemeinsam, käme ich da nicht hin.
„Im Übrigen ist es ein gewisser Unterschied, ob man in einer Planwirtschaft, deren Leitungsgremien auf dem Delegationsprinzip basieren, übergeordnete ökonomische Entscheidungen akzeptieren würde – oder sich, wie du es erwartest, einer politischen Bewegung anpassen soll, deren Illusionen man erklärtermaßen nicht teilt. Wenn du sowas für kommunistisch hältst …“
Das ist nicht nur ein ‚gewisser‘, das ist ein gravierender Unterschied.
Ich delegiere nämlich in Zukunft meine Entscheidungen nur noch dann, wenn ich selbst (zb. örtlich) nicht in der Lage bin, diese Entscheidungen selbst mit zu treffen. Ich werde diese ganz bestimmt nicht generell an irgendjemanden delegieren (wollen und erst recht nicht ‚müssen‘). Übergeordente Entscheidungen habe ich nicht (mehr) zu akzeptieren.
Ich habs Dir schon mal geschrieben, wenn „übergeordnet“ über mich bestimmt wird, dann kann ich auch im Kapitalismus bleiben, was soll ich dann in einer anderen Gesellschaft.
Ich red hier nicht von arbeitsteiligen Hierachien zb. einer ‚Projektarbeit‘, ich rede von gesellschaftlichen Entscheidungen, wie Leben über Produktion und Bedürfnisbedfriedigung statt zu finden hat.
Irgendeiner politischen Bewegung würde ich mich nicht anschließen. Wozu auch.
Aber der proletarischen Bewegung, der schließe ich mich an. Und das ist eben nicht nur dann eine, wenn vorne ne rote Fahne weht und sie „Revolution jetzt“ rufen – es ist die Bewegung der Lohnabhängigen für ihre Interessen.
Und das sind meine, auch wenn mir das eine oder andere Detail persönlich ’nicht gefallen‘ mag.
Ich bin nämlich Kommunist und weiß, daß ich nur mit der proletarischen Bewegung hier heraus komme.
Ich komme (nur) mit der proletarischen Bewegung aus diesem System heraus, wenn diese es schafft die Lohnabhängigen zu einer (Gegen-)Partei zum Kapital zu machen, da müssen sie nicht „Revolution jetzt“ rufen, sie ergibt sich dann schon logisch.
… auch sämtliche aus ‚unserer‘ Sicht illusorische Forderungen sind nicht mit dem Kapitalismus vereinbar, darum sind sie ja „illusorisch“.
Selbsterfahrung hilft da uU mehr als (nur) x-mal „Das Kapital“ runter zu beten.
Kommunist sein, heißt für mich, ein besonderes Interesse zu haben… und diese besondere Interesse ist die Einigung der arbeitenden Menschen, nicht das Interesse, daß alle so denken wie ich.
Einigkeit im Denken ist unmöglich – Einigkeit im Handeln aber schon.
@Wat.:
„Ich komme (nur) mit der proletarischen Bewegung aus diesem System heraus, wenn diese es schafft die Lohnabhängigen zu einer (Gegen-)Partei zum Kapital zu machen …“
Mit deinen genossenschaftlichen Idealen wirst du das nicht erreichen können, aber für die Kritik daran bist du ja leider nicht ansprechbar.
Abschließend noch eine Feststellung dazu, die ich bei Andreas Exner gelesen habe, in einer seiner Antworten an Arno Niesner, nachdem er die massiven Konflikte innerhalb der spanischen Super-Genossenschaft Mondragon angesprochen hatte:
„Offenbar führt die Kooperativen-Ideologie und “Eigentum in Arbeiterhand” zu einer Verbürgerlichung im Sinn einer Entsolidarisierung. Das war auch das erklärte Ziel von Pater Arizmendiarrieta, der eine Alternative zu der vor dem Entstehen von Mondragon militanten Arbeiterkultur in der Stadt Mondragon entwickeln wollte und eine Revolution mit dem Ziel einer Auflösung der Klassengesellschaft dezidiert ablehnte. (…) Die Kooperativen-Ideologie verschleiert die realen Machtverhältnisse zusätzlich und nimmt der Belegschaft so auch ihre Sprache.“ (Andreas Exner)
@Mattis
Vielleicht erreiche ich mit ‚meinem genossenschaftlichen Ideal‘ nichts, ich allein so und so nicht.
Was ich allerdings mit Deiner Vorstellung von Sozialismus erreiche, das weiß ich sogar sicher – da hab ich sogar schon praktische Erfahrungen^^
Du kannst mich gern weiter kritisieren, aber bis jetzt hast Du ja noch nicht mal sehen können, daß ‚mein genossenschaftliches Ideal‘ nicht all zu viel mit Mondragon zu tun hat – und so lange ist Deine Basis für Kritik mE nen büschen arg dünn, sorry.
Ich finde die Diskussion eigentlich zu wichtig, um sie dem ewigen Hin und Her (inkl. Beleidigungen usw.) eines Blogs zu überlassen. Gibt es zum Thema auch brauchbare Literatur?
Zu Rüdiger Mats‘ Beitrag: Muss man dann nicht offen von einem kommunistischen Staat sprechen, einem radikaldemokratischen Staat (weil die Frage der Vergesellschaftung der Arbeiten und Produkte und Produktionsmittel betreffend), und die Staatskrtitik auf eine Kritik am kapitalistischen Staat beschränken und seine Demokratie als nicht ausreichend, weil nur politisch, kritisieren?
Und reproduzieren sich dann hier nicht viele Probleme, die auch bürgerliche Demokratietheoretiker (und -kritiker) über die Despotie der Mehrheit oder über Verselbstständigung von Repräsentanten usw. geäußert haben? Eine ehrliche Frage.
Man kann die Sache so angehen, dass man den Kommunismus nur als ein Ideal anerkennt – also dass die Bedürfnisbefriedigung einmal ohne Begrenzungen und Konflikte vor sich gehen könne; ein Ideal, dem man sich im sozialistischen Staat immer näher zu kommen bemüht – aber dieses Ideal eben nicht als konkrete Architektur des Sozialismus selbst missversteht, denn eine solche Konfliktfreiheit ist rational betrachtet einfach nicht absehbar.
Der zweite Aspekt deiner Frage beinhaltet die Aussage, dass – im Kapitalismus – Demokratie „nur politisch“ gegeben sei.
Das sehe ich anders. Weil die Demokratie im Kapitalismus eben für diesen funktional sein soll, ist sie auch auf diesen Zweck eingeschränkt. Das bedeutet mehr als nur, dass Kapitalisten eben nicht wählbar sind. Es bedeutet auch, dass auf der politischen Ebene nur Parteien zugelassen sind, die Kapitalismus-kompatibel sind.
Da das alles aber in genau dieser Form vom Volk so akzeptiert und bei jeder Wahl von neuem bestätigt wird, sind eben auch die „nicht-demokratisch“ organisierten Bereiche der Gesellschaft durch Volkes Stimme – also demokratisch – legitimiert! Das macht ja die bequeme Stabilität des Ganzen aus. Das Volk will gar keine demokratisch gewählten Betriebsleitungen. Übrigens würden solche genau so wenig an der Herrschaft der Kapitalverwertung ändern wie es jetzt demokratisch gewählte Politiker tun.
Zwingend notwendig ist die Demokratie indessen nicht: der Kapitalismus kommt auch ohne sie aus, wenn die Zustimmung zu ihm nicht mehr reibungslos zu haben ist. Und umgekehrt gilt aber auch: die Demokratie als solche, als politische Form des Entscheidens „von unten“, hat keinen kapitalistischen Charakter.
Man sollte eben das Mittel, das im Kapitalismus zu dessen Herrschaft eingesetzt wird, nicht mit der Herrschaft selbst ineins setzen. Blöd ist aber auch, dem Kapitalismus zu gute zu halten, dass man ihm demokratisch zustimmen darf.
Leider zieht mancher aber prinzipiell gegen die Demokratie zu Felde, statt sich auf die Kritik am Kapitalismus zu konzentrieren. Genau so verkehrt wäre es, prinzipiell gegen Arbeitsteilung zu Felde zu ziehen, nur weil sie als Mittel der Kapitalverwertung dient.
Danke für Deine Ausführungen Mattis! Du hast recht, wenn Du den Begriff der sozialen Demokratie kritisierst, den ich da nahegelegt hatte. Natürlich muss die Demokratisierung der materiellen Reproduktion mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel einhergehen, sonst ist „Demokratisierung der Wirtschaft“ ein Unsinn, der das Ganze auch nicht besser macht.