Peter Decker: Das bringt nichts! (mit den Linken)
Bei der Diskussionsveranstaltung am 17.02.2011 in Nürnberg über Tunesien und Ägypten hat es (seit längerem mal wieder, sowas ist bei GegenStandpunktveranstaltungen extrem selten) eine Intervention von klassischen sagen wir mal Partei- und Antiparteilinken gegeben. Und ganz gegen Peter Deckers berühmte didaktische Langmut, noch auf jeden bürgerlichen liberalen Freiheitsfreund einzugehen, hat er diese zwei Mitdiskutanten brüsk und geradezu verärgert kurz abgebürstet:
Peter Decker: … Daß eine Meinungsbildung darüber, woran es eigentlich liegt, daß es einem schlecht geht, fehlt.
„Parteilinker“: Diese Bewegung kann sowieso nicht viel erreichen im Sinne, die Verhältnisse zu ändern. Das wird es nur geben, wenn die Arbeiter sich richtig organisieren. („Antipartei-linker“:Und Massenstreiks und Generalstreiks organisieren). Wenn es Besetzungen von Betrieben von Produktionsmitteln gibt und Fabrikkomitees.
Peter Decker: Ihr denkt euch das immer so mit dem Formalismus: Arbeiter, Arbeiter, Arbeiter! Denn wenn die das machen, dann ist das schon richtig. Aber auch die machen jede Menge Blödsinn. Es werden in Ägypten auch eine Menge Arbeiter bei den Massenprotesten dabei gewesen sein. Also liegt es nicht daran, ob es Arbeiter sind, sondern was die Leute meinen, was die Ursachen des Übels sind, mit denen sie konfrontiert sind. Und was sie deshalb meinen, was an dessen Stelle muß.
„Parteilinker“:Es geht um die Produktionskräfte. Es geht nicht um „Volksbewegung“, dann kannst du 1989 auch toll finden, wo auch Millionen auf der Straße waren. Was haben die erreicht? Der Gravitationspunkt liegt in den Betrieben. Und das ist keine Aufklärungsgeschichte, sondern das ist kollektive Erfahrung, wo Arbeiter miteinander kämpfen, anfangen zu kämpfen, Schritt für Schritt sich radikalisieren mit Hilfe auch der radikalen Arbeiter, der revo-lutionären Arbeiter, die mitten drin in den Streiks und der Bewegung versuchen, diese nach vorne zu tragen. Und nicht Veranstaltungen da organisieren und sagen, kommt zu uns, wir klären das alles auf.
„Antiparteilinker“: Und es ist schon ein Unterschied, fremd- oder selbstorganisert. Weil gerade, wenn man für eine klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft kämpft, gerade deswegen muß doch von Anfang an die Bewegung selbstorganisert sein, weil Partei heißt ja logischerweise wieder nichts anderes als in die politische Sphäre zu gehen, an die Staatsmacht, statt die Staatsmacht zu zerschlagen. Da hat er schon recht: Das kann nur von unten kommen! Weil, wenn es wirklich mit Generalstreiks anfängt wie 1917 in Rußland, wo wirklich Fabrikkommittees da waren, dann ist es schon wieder eine ganz andere Situation, als wenn die Leute nur auf der Straße herumlaufen, da kann es nur so eine Ein-Punkt-Volksbewegung sein, wie in Stuttgart 21 heute. Das kann ja dann nur scheitern.
Peter Decker: Mir ist das jetzt zu phrasenhaft. Ich hab das jetzt irgendwann auch mal satt, dass man immer gesagt bekommt, dass muß von „unten“ kommen und nicht von „oben“. Es muß von den Arbeitern kommen und nicht von sonst wem. Das ist langweilig.
„Parteilinker“: Na klar, für Nichtarbeiter ist so was immer „langweilig“!
Peter Decker: Jaa, Jaa, lassen wir den Punkt, das bringt nichts, das ist öde.
„Parteilinker“: Wie sollen die Menschen die zukünftige selber Gesellschaft gestalten, wenn die nicht lernen? Mitten drin in dem Prozeß die Leute aufklären, das soll es sein?
Peter Decker: Lassen wir den Streit, es bringt nichts. Hör einfach auf, das taugt nichts! Das bringt deswegen nichts, weil außer dem Moralismus, von „unten“, die „echten Arbeiter“, „man muß das alles im Prozeß erlernen“, usw, außer diesem Zeugs kommt da nichts.
Es wäre ja schon interessant, was denn eigentlich zum Thema der Veranstaltung – also Ägypten und Tunesien – gesagt worden ist.
Werter irgendwer, so fürchterlich schwer ist das ja nicht herauszukriegen, was da zum Thema gesagt wurde:
– Es gab einen Ankündiger bei contradictio: http://www.contradictio.de/blog/archives/3318
– Der Mitschnitt der Veranstaltung ist mittlerweile bei argudiss runterladbar: http://doku.argudiss.de/?Kategorie=all#362
Den brächtest du nur genauso wie jeder andere, den das interessiert anhören, und schon könntest du dir selber eine Antwort auf deine Frage geben.
Nur soviel als apropos meinerseits: Peter Decker hat u.a. recht ausführlich beschrieben, wie Ägypten ein besonderes Modell der versuchten von Staats wegen angetriebenen und kontrollierten nachholenden kapitalistischen Entwicklung ist. Weshalb der Vorwurf, dort herrsche Korruption (sowohl dort als auch hier vorgebracht) das dortige politökonomische System eigentlich gar nicht korekt trifft. Denn dort ist der Staat ja nicht eine Gewalt- und Rechtsinstanz gegenüber einer schon florierenden kapitalistischen Gesellschaft, sondern seine Vorgaben sollen doch erst die Kapitalien und Kapitalisten zustande bringen. Das fängt mit der Lizenzierung der einen (und dem Verbot der anderen an), geht über die Kreditvergabe für die einen (die wie fast alle ja ohne Kapital anfangen müssen) und die Kreditverweigerung der anderen weiter usw. Dabei ist das systematsiche Bezahlen müssen für jegliche Staatshandlung eben nicht die Ausnahme (wie in entwickelten kapitalistischen Staaten) sondern semiinstitutionalisiert das System, wie der Staat sein Aufbauprogramm umsetzt. Man kann auch hier keinen universalen Regelverstoß beklagen, denn wenn es universal passiert, gilt offensichtlich de facto eine andere Regel.
Das ist übrigens eine ebenso beliebte wie billige Masche: Die Abweichenden werden kurzerhand aus der exklusiven Gemeinschaft der Kommunisten ausgeschlossen und als Linke einer vermeintlich ohnehin recht dumben Art zugerechnet.
Der Hr. Decker hat aber schon genau erklärt was so dumm an dem Zeug von dem einen Linken ist. Den ‚Linken‘ hat hier übrigens Neoprene reingeschmuggelt. Aber sag mal was daran nicht zum Linkssein passt? Und sind denn Linke wirklich eine „dumbe Art“, wie du meinst?
Wenn du der Position des sogenannten „Parteilinken“ zustimmst, dann verteidige ihn doch mit nem inhaltlichen Einwand.
Zerschwörung:
Und die Masche wird vom GSP gepflegt?
Das geht auf einem nicht unwesentlichen Teil der GSP Veranstaltungen so weit, dass sehr viel Zeit damit zugebracht wird Sachen zu diskutieren, die gar nicht Thema waren.
Vom Menschenwolf bis zum Steinzeitkapitalisten, jeder noch so große Scheiss wird mit Argumenten beantwortet. So auch hier: „Aber auch die machen jede Menge Blödsinn.“.