Was hat man davon, wenn man die Linkspartei wählt?
Ein bei einer interessanten linken Archiv-Seite (www.linke-buecher.de) (die unter anderem selbst Blogdiskussionen, auch von hier, zusammengetragen hat) gefundenes Flugblatt des GegenStandpunkt zur Bundestagswahl 2005, aber immer noch passend, leider:
Die etablierten Parteien werben um Wählerstimmen mit dem Versprechen, dass das von ihnen als notwendig erklärte Reformprogramm für Arbeiter und Arbeitslose, Junge und Alte, Gesunde und Kranke -also für „uns alle in Deutschland“ – am effektivsten durchgesetzt wird. Alle behaupten sie, dass nur mit der konsequenten Fortsetzung der „Reformen“ die deutsche Wirtschaft wachsen und „Deutschland wieder Spitze“ werden könne. Die Fortsetzung des als „Agenda 2010″ bekannten Verarmungsprogramms -so weit sind sich die rot-grün-schwarz-gelben Bewerber um die Regierungsämter parteiübergreifend einig – ist unabdingbar erforderlich. Die fortschreitende Verarmung der arbeitenden Massen steht fest. Die Linke.PDS wirbt demgegenüber um Wählerstimmen mit dem Versprechen, für „eine andere Politik“ zu streiten. Aber worin soll sie bestehen, diese andere Politik der Linkspartei?
Hierzu einige kritische Fragen an den Kernforderungen der Linkspartei entlang:
„Steigende Einkommen für genügend Kaufkraft und mehr Arbeitsplätze“
Soll es also dabei bleiben, dass es Arbeitsplätze, also Lebensunterhalt für Eigentumslose, nur gibt, wenn die Unternehmen profitabel verkaufen können? Dass es also mehr Arbeitsplätze nur geben kann, wenn es ihnen gelingt, ihren Umsatz zu steigern? – Wer die Arbeitslosigkeit durch steigende Einkommen bekämpfen will, sollte allerdings bedenken: Steigende Löhne, mit denen sich Lohnarbeiter mehr Waren kaufen könnten, für deren Produktion die Unternehmen vielleicht neue Arbeitsplätze schaffen (sofern sie nicht rationalisieren), sind höhere Kosten: Es ist, als wollte man die Unternehmer dazu auffordern, sich die zusätzlich hergestellten Waren selber abzukaufen. Selbst wenn die Unternehmer darauf eingingen, Löhne zu erhöhen – das einzige Mittel dazu wäre allerdings die Drohung mit der Lahmlegung rentabler Produktionsstätten durch Streik, nicht die Wahl welcher Partei auch immer -, wäre noch lange nicht ausgemacht, dass sie zur Deckung der zusätzlichen Nachfrage nach Konsumgütern mehr Leute einstellen. Bei steigenden (Lohn-)Kosten pflegen Kapitalisten nämlich zu rationalisieren, um die Rentabilität mindestens zu halten – und senken genau dadurch ihre Lohnkosten, also die Massenkaufkraft.
„ Weg mit Hartz IV-keine Sozial- und Rentenkürzungen“
Soll es dabei bleiben, dass der Verdienst der abhängig Arbeitenden – wenn überhaupt – nur fürs täglich Notwendige reicht, nicht aber für den Lebensunterhalt im Alter oder bei Arbeitslosigkeit? Soll die deswegen notwendige Hilfe für Alte und Arbeitslose weiterhin aus Lohnabzügen bei den in Arbeit befindlichen Leuten finanziert werden? – Dann gehört die besondere Armut der Rentner und Sozialfälle aber bestimmungsgemäß zu diesem System. Mehr als 800 € Rente oder 750 € Grundsicherung sind dann wirklich nicht drin, und der Druck auf Arbeitslose, Arbeitsstellen zu jeder Bedingung antreten zu müssen, ist schon allein dadurch unausweichlich, dass niemand von einer systemverträglichen Grund„sicherung“ leben kann.
„Solidarische Krankenversicherung – keine Kopfpauschalen“
Soll weiterhin gelten, dass im Sinne des Unternehmenserfolgs für wenig Geld immer länger und intensiver Leistung erbracht werden muss? Ist das denn nicht der Grund dafür, dass die Kosten des Gesundheitssystems seit Jahrzehnten unaufhaltsam steigen? – Dann wird es dabei bleiben, dass die gesetzlichen Krankenkassen bei sinkenden Einnahmen für immer mehr Krankheitsfälle zu bezahlen haben. Den „Besserverdienenden“ einen Zwangsbeitrag zur Krankenversicherung abzuverlangen, ändert nichts am Krankenstand, sorgt aber dafür, dass die Unternehmer nicht weiter mit den Kosten belastet werden.
„Mehr öffentliche Investitionen und Ausbau sozialer Dienstleistungen“
Soll weiterhin gelten, dass der Lohn für viele Lebensnotwendigkeiten nicht ausreicht, so dass diejenigen, die ihr ganzes Leben für ihn arbeiten müssen, abhängig sind und bleiben von einer staatlichen Armutsverwaltung, die die Linkspartei umso hartnäckiger schönfärberisch „öffentliche Daseinsfürsorge“ und „soziale Dienstleistungen“ nennt, je mehr der Staat derlei Ausgaben als „konsumtiv“, also als Zweckentfremdung von Haushaltsmitteln, brandmarkt? Warum verdienen in seinen Augen nur die Ausgaben den Ehrentitel „öffentliche Investitionen“, die das kapitalistische Wachstum fördern, während alle Ausgaben, die die Not der Opfer dieses Wachstums lindern könnten, Vergeudung darstellen?
„Reiche und Unternehmer müssen wieder mehr Steuern zahlen“
Soll es weiterhin so bleiben, dass Unternehmer die Eigentumslosen ausbeuten und dadurch immer reicher und die Armen immer ärmer werden? Soll den Eigentümern, nachdem sich die Produktion für sie gelohnt hat, nachträglich ein paar Brocken von ihren Gewinnen abgezwackt werden, um die gröbsten Folgen der Plusmacherei kapitalismusverträglich zu verwalten? – Dann gilt aber auch weiterhin: Die Besteuerung der Reichen hat ihr Maß daran, dass die „Attraktivität“ des deutschen Standorts für Investoren darunter nicht leidet, damit ihnen hierzulande eine höhere Rendite winkt als anderswo.
„Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen – wer nicht ausbildet muss zahlen“
Soll es weiterhin so sein, dass der Lebensunterhalt der Bevölkerungsmehrheit davon abhängt, dass sie irgendeine für das Kapital brauchbare Qualifikation haben? – Dann gilt aber auch weiterhin: dass den Ausgebildeten ihre Lehre nur dann etwas nützt, wenn ihre Qualifikation gerade vom Kapital nachgefragt wird – und dass sich diese Nachfrage entsprechend den Veränderungen im Produktionsprozess dauernd ändert, so dass erworbene Qualifikationen fortwährend entwertet werden. Ein reichliches Angebot an ausgebildeten Arbeitnehmern ist zwar schön für das Kapital, das sich dann aussuchen kann, wie viele es zu seinen Lohnbedingungen gerade benutzen will. Genau deswegen ist Qualifikation aber kein Mittel für die Ausgebildeten, einen anständigen Lebensunterhalt zu sicherzustellen. Hilft dagegen eine Ausbildungsplatzabgabe?
„Gleiche Rechte und Chancen für alle und mehr Demokratie“
Soll es weiterhin so sein, dass jeder nur Chancen hat, genug Geld zum Leben zu verdienen, es aber offen bleibt, ob er diese Chancen verwirklichen kann? Soll es dabei bleiben, dass die Posten, von denen man gut leben kann, so rar sind, dass immer welche leer ausgehen? – Dann gilt aber auch weiterhin: Alle Menschen, die bloß Chancen und Rechte haben, sind vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen und müssen es als Glück ansehen, wenn sie ein Unternehmen finden, das sie ihre Chance auf Lohnarbeit verwirklichen lässt, solange es sich für es lohnt. Und dann gibt es weiterhin etwas Schlimmeres, als ausgebeutet zu werden: nämlich dass man auf seinem Sack von Chancen sitzen bleibt, weil man für die Ausbeutung nicht gebraucht wird?
Was jedem Besitzlosen allerdings sicher ist, ist sein Recht auf demokratische Zustimmung. Als Wähler darf er auswählen, von welchem Personal er auf diese Verhältnisse festgelegt wird! Dann sollte man sich allerdings fragen:
• Warum schenkt die Mehrheit dieser Besitzlosen in aller Freiheit in freier Wahl ihr Vertrauen einer der Parteien, die erklären, die Löhne, von denen diese Mehrheit lebt, seien für die deutschen Unternehmen zu hoch, und daher nur eines versprechen: „Hauptsache Arbeit“ – mehr nicht?
• Warum ziehen die regelmäßig von der jeweiligen Regierung enttäuschten Eigentumslosen aus ihrer Enttäuschung immer nur den Schluss, es dann eben das nächste Mal mit der Opposition zu probieren, die dasselbe verspricht?
Wenn sich jetzt eine Partei zur Wahl stellt, die dem Interesse der abhängig Beschäftigten, der Erwerbslosen und sozial Benachteiligten Gewicht verleihen will und dafür deren Wahlstimmen einfordert – was haben die so Angesprochenen davon? Und warum laufen sie nicht in Scharen zu einer solchen Partei über, sondern lassen sich mehrheitlich die Propaganda einleuchten, dass jeder Abstrich von den „Reformen“ zuallererst ihnen selbst schaden würde?
Über die Veranstaltungen im Rahmen der der Libertären Initiative Stuttgart (LISt) und der Libertären Bewegung Ludwigsburg (LB)² hatte ich ja schon
Hier noch ein Nachtrag:
Es gab zur Begründung der Unterstützung der Linkspartei durch einen Teil der Stuttgarter autonomen/libertären/revolutionären Linken das von Autonomen aus dem Umfeld der „Revol. Aktion Stgt.“
In ihm wird die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung der Wahl der Linkspartei im Zusammenhang mit der revol. Strategie der RAS „auf hohem Niveau“ begründet und die LIST/LB²-Kampagne verrissen und der GegenStandpunkt als Politsekte, die die beiden Gruppen verführt habe, angegriffen.
Dazu erarbeiteten LISt und GegenStandpunkt Stuttgart eine Gemeinsame Antwort, an der ursprünglich auch noch die Libertäre Bewegung Ludwigsburg (LB)² mitdiskutierte, die sie aber nicht komplett unterstützen konnte und deshalb eine eigene veröffentlichte. Das hat sie auch auf dem Blog schon gemeldet.
Die gemeinsame Antwort von LISt und GS-S ist soeben veröffentlicht worden, u. a. .